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KUNST UND KUNSTGEWERBE
AUF DER
WIENER WELTAUSSTELLUNG
1873.
UNTER MITWIRKUNG
VON
n. AUER, Bu. BlTCHER, R. V. IClTKLBEKGER, A. V EnDEEES, JaO. FaLKE, JoS. LANdL,
Fh. Lii'I'Mann, Bk. Meyeu, Mok. Thausino, A. Woj/pmann u. A.
HERAUSGEGEBEN
CARL VON LÜTZOW.
MIT 388 HOLZSCHNITTEN UND FÜNF KUPFERN.
LEIPZIG 1875.
V j: r l a ü von e. a. s e e m a n n.
Druck von Hundertftund & Pries in Leipzig..
VORWORT.
Das vorliegende Werk hat fich die Aufgabe geftellt, von derGe-
fammtvertretiing der Kund und des Kunftgewerbes auf der Wiener
Weltausftellung des Jahres 1873 durch Wort und Bild getreue Rechen-
fchaft abzuleg-en.
Wenn man den dauernden Werth und Nutzen diefer glanzvollen
Schauftellungen der menfchlichen Arbeit unzweifelhaft in der Beleh-
rung zu fuchen hat, die fie uns bieten, fo darf ein Unternehmen, wie
das unfrige, welches in erfter Linie didaktifche Zwecke verfolgt, wohl
auf das nachhaltige Intereffe der kunftverwandten Kreife zählen. Eine
Reihe bewährter Fachmänner hat fich hier vereini^rt, um die Summe
deffe;n zu ziehen, was unfere Zeit, foweit fie überhaupt auf der Wiener
Ausftellung repräfentirt war, in allen Arten der Production, Verwer-
thung und Pflege des Schönen zu leiften vermag oder zu erringen be-
ftrebt ift.
Von ähnlichen Werken aus früheren Weltausftellungsjahren un-
terfcheidet fich das unfrige zunächft durch die Theilung der Arbeit
unter verfchiedene Kräfte. Wir hoffen, dafs dadurch das einheitliche
Gepräge des Ganzen nicht gelitten hat. Jedenfalls war nur auf diefe
Weife diejenige Gründlichkeit der Berichterftattung erreichbar, welche
die Gröfse der Aufgabe forderte; zumal im vorliegenden Falle, wo
in Folge der bekannten Mängel der räumlichen Dispofition der Aus-
ftellung die Ueberficht auch nur des kleinften Fachgebietes fo man-
nigfache Hinderniffe zu überwinden hatte.
Einzelne Abfchnitte des Werkes, wie der Bericht über die Eröff-
nungsfeier, den Platz und die Ausftellungsbauten, über die bildenden
Künfte, das Kunftgewerbe u. a. , waren bereits früher in der Zeit-
fchrift für bildende Kunft, der Berliner National-Zeitung und der Wie-
ner Deutfchen Zeitung abgedruckt. Ihr nochmaliges Erfcheinen an
diefer Stelle, mit einigen durch den Zufammmenhang des Ganzen ge-
IV
VORWORT.
botenen Veränderungen, rechtfertigt fich von felbft. Die Stimme des
Einzelnen, die im Geräufche des Tages gar zu leicht verhallt, kommt
im Verein mit den Urtheilen gleichgeftimmter Fachgenoffen in der
auf Dauer berechneten Form unferer Publication erft zur vollen Geltung.
Eine befondere Sorgfalt wurde der Illuftration des Werkes zuge-
wendet. Was die tüchtigften xylographifchen Anftalten Deutschlands
und Oefterreichs , vereint mit einer mufterhaft geleiteten Druckerei,
in edlem Wetteifer hier geleiftet haben, verdient um fo mehr Aner-
kennung, als das dazu gehörige Material nur mit den gröfsten Schwie-
rigkeiten und häufig in Geftalt recht mangelhafter Vorlagen zu be-
fchaffen war. Den Vorftänden des Oefterreichifchen Museums in
Wien und des Bayerifchen Gewerbemufeums in Nürnberg ftatten wir
für die BereitwiUigkeit, mit der fie uns die Nachbildung einiger von
ihnen auf der Ausftellung angekaufter Gegenftände ermöglicht haben,
unferen wärmften Dank ab. Die Verlagshandlung, die auch bei der
Ausftattung diefes Werkes wieder ein Zeugnifs ihrer opferfreudigen
Liberalität abgelegt hat , fügte den letzten Heften noch eine Anzahl
von Radirungen bei, welche den Holzfchnitten nach Gemälden mo-
derner Meifter zur willkommenen Ero-änzune dienen werden.
Ein gleichmäfsiges Zufammengehen von Wort und Bild war
durch die Erfcheinungsweife des Werkes und durch feinen Inhalt, der
in einzelnen Partien eine fehr reiche, in andern eine nur fpärliche
Illuftration zuliefs, von vornherein auso;efchloffen. Wir haben diefem
Mangel durch ein fyftematifches Verzeichnifs der Abbildungen abzu-
helfen gefucht und aufserdem ein Regifter der fämmtlichen Aus-
fteller, welche in dem Berichte erwähnt werden, beigefügt.
So möge denn dies Buch, als ein Erinnerungsmal an die beweg-
ten Tage des Jahres 1873 ""^ als ein Spiegel des geiftigen Lebens
unferer Zeit, allen Künftlern und Kunftfreunden empfohlen fein!
Wien, Anfang October 1874.
C. V. Lützow.
Fenftcrumrahnmng vom l'avillon des amateurs.
Inhaltsverzeichniss.
Seite
Die Eröffnungsfeier i
Der Ausftellungsplatz. Von Br. Bucher 4
Die Ausftellungsbauten. Von C. v. Lützovv 15
Äufsere und innere Decoration der Ausftellungsbauten. Von C. v. Lützow 34
Das Kunftgewerbe. Von Jacob Falke 41.
I. Wohnungsausftattung 4I
II. Die Länder und ihre Kunflarbeilen IO7
Erfte Gruppe: Dänemark, die Schweiz, Belgien, Holland HO
Zweite Gruppe; Spanien, Portugal, Italien, Scandinavien, Rufsland, Ungarn, Rumänien
und Griechenland 122
Dritte Gruppe: Frankreich, England, Oeilerreich und Deutfchland I42
Vierte Gruppe: Der Orient, China und Japan 1/4
Die Frauenarbeit. Von Av. Enderes i8i
Oeffentliche Kunftpflege. Von R. v. Eitelberg er 262
Plaftik und Malerei. Von Bruno Meyer und A. Woltmann 278
I. Einleitung und Ueberficht 278
II. Die Kataloge 287
III. Frankreich 294
IV. Deutfchland, Oefterreich, Ungarn 33'
V. Die Schweiz, Belgien, Holland etc 3"^
Die vervielfältigenden Künfte. Von M. Thaufing 415
I. Frankreich > 415
II. Das dentfche Reich 426
III. Oeflerreich und die übrigen Staaten 43^
Der Farbendruck 439
Die Photographie. Von Jos. Langl 457
Architektonifche Zeichnungen und Modelle. Von Hans Auer 468
Zeichen- und Kunftunterricht. Von Jof. Langl 479
Die Expofition des Amateurs. Von F. Lippmann 495
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Systematisches Verzeichniss der Abbildungen.
Seite
Umrahmung, entworfen von J. Storck ... I
Plan der Weltaustellung 6
I. Architektur.
A. Ausstelluivgsgebäude.
Oflportal der Induflriehalle 5
Innenansicht der Rotnnde 33
Südporlal der Induftriehalle 36
Ansicht der Rotunde vom BafTin aus . . . 132
Eckpavillon der Induftriehalle 133
Nordportal derselben 161
B. Neben- und Einbauten nebst Details.
Infchriftlafel vom Jury-Pavillon 3
Ilaupteingang zum Weltausftellungsplatze . . 4
Mittelftilck des Glasferifters über dem Südein-
eingange der Induftriehalle 8
Der Kaiferpavillon 9
Der Jurypavillon 10
Vergoldetes Eisengitter aus der Rotunde . . li
Krone vom Dache derfelben 13
Eifeii ;iiter vom Jurypavillon 13
Majolicabrunner, entw. von V. Teirich aus-
geführt v. d. Wienerberger Ziegel-
fabriks- und Baugefellfchaft . . 37
Egyptifcher Palaft, Ilofanficht 65
Desgl., Erker 68
Portal von der Wienerberger Ziegel-
fabriks- und Baugefellfchaft, entw.
von II. v. Ferftel 69
Indianerzelt im Park der Weltauftellung . . 87
Jtuffi'ches Bauernhans 97
Egyplifchcr Palaft, Totalanficht loi
Tuneiifches Zimmer 104
Eingang zur ('ünifchen Galerie, entworf. v. Th.
von Hansen 107
Ruffifcher Kaiferpavillon 112
Detail der llolzarcaden des Auftellungsplatzes 369
Gothifches Grabmal, nach Fr. Schmidt's
Entwurf ausgef. von A. Waf ferburgcr 392
Gothifche Kanzel, entworf. v. Fr. Schmidt,
ausgef. von F. Schön thaler in Wien . 447
Elfäffifcher Bauernhof, äufsere Anficht d. Wohn-
haufes 448
Desgl., Hofanficht d.'s Wohnhaufes . . . 449
Desgl., Grundrifs 450
Desgl., Durchfchnitt des Wohnhaufes . . . 451
Szekler Bauernhof 452
Desgl., Durchfchnitt des Wohnhaufes . . . 453
Desgl., Grundrifs 453
Sächfifcher SiebenbUrger Bauerntiof, Grundrifs 458
Desgl., Längenfchnitt des Wohnhaufes . . 459
Desgl., Querfchnitt desfelben 461
Ruffifcher Bauernhof, Grundrifs 462
Desgl., Längenfchnitt des Wohnhaufes . . 464
Seite
C. Architeictonische Entwürfe.
Palais Helfcrt, von Ti fehl er, Grundrifs, erfter
Stock 474
Desgleichen, zweiter Stock 475
Desgleichen, Fagade 476
II. Plastik.
Andromeda, Marmorfigur von Edm. Ilellmer 32
Rhein, Main, Neckar und Mofel, Gruppe von
Villebois 40
Die bildenden Künfte, Gruppe von Benk . 41
Büfte der Hoffchaufpielerin Charl. Wolter, von
Victor Tilgner 64
Kentaurin, ein Mädchen tanzen lehrend, Relief
von Kundmann 92
Kentaur, einen Knaben Flöte fpielen lehrend,
Relief von Kundmann 93
Jenner, ein Kind impfend, Gruppe v. Monte-
verde in Rom 96
Thefeus, Statue von G. Vitalis in Syra . . 128
Der Rhein, Relief von einer Punfchbowle, von
O. König 156
Die Donau, desgleichen . . 157
Portraitmedaillon Moltke's, modellirt v. Zum-
bufch 160
Pradier's Phryne, Bronzegufs von Süsse
frferes in Paris 189
Penelope, Statue von L. Droffis in Athen . 224
Standbild Rauch's, von Fr. Drake . . . . 228
Das Nationaldenkmal für König Maximilian II.
von Bayern, von C. Zumbufch . . . 232
Relief von der Fortfchrittsmedaille .... 262
Angelica (Orlando furioso), von A. Piatti . 264
Bacchanal, Relief von Kundmann . . . 292
Grabdenkmal, von B. Afinger 296
Tiefendes Mädchen, Marmorfigur von Tantar-
dini 328
Relief von der Kunftmedaille 414
Brunnenfigur, von A. Schmidgruber . . 424
Badendes Mädchen, Marmorftatue v. R. Begas 456
Reliefs vom Grazer Elfenbeinschrein . 512, 513
III. Malerei.
I. Holzfchnitte.
Elifabeth, Kurfürftin von Brandenburg, nimmt
heimlich das h. Abendmahl, Oelgemälde
von A. Treidler •. . . 61
Die Verurtheilung, Oolgem. v. J. Geertz . 88
Die h. Elifabeth, von den Bewohnern Eisenachs
zurückgeftofsen, Oelgemälde von J. De
V r i e n d t . 1 24
Moltke in feinem Arbeitszimmer zu Verfailles,
Oelgemälde von A. v. Werner . . . 191
Iphigenie, Oelgem. von .\. Feuerbach . . 192
SYSTEMATISCHES VERZEICHNISS DER ABBILDUNGEN.
IX
Seile
Clcncral Prim, Oelsem. von Henri Kej^nauU 22g
Tenerezza, Oelgeniältie von l.^on Konnat . 360
Unterer Theil eines gemallen Kirchcnfcnfters
von F. X. Zeltler in München . . . 3S8
Die Grazien, Aquarell von E. Bitterlich . 489
2. Kupfer.
Das h. Abendmahl, nach Kil. v. Gebhartlt
radirt von W. Unger 337
Die Kall auf der Flucht, nach C. Hoff rad.
von Ad. Neu mann , . . . 347
Unfehlbare Niederlage, nach Kd. GrUlzncr
rad. von Ad. Neumann 350
Der Fifchmarkt zu Chioggia , nach Alois
Schoenn rail. von W. Unger . . . 366
Motiv bei Lundenburg, nach E. v. Lichlcn-
fels rad. von L. Fifchcr 367
IV. Kunstgewerbe.
A. Metallotechnik.
a. Gold- und Silberarbcilen.
Diadem, Ohrring u. Collier von Köche rt &
Sohn in Wien 17
Silberner Tafelauffatz von J. M. v. Kempen
in Voorfchoten 3g
Tardiniere, von Meyer & Co. in Berlin . . 44
Halsband, von JSellezza in Turin .... 82
Desgl., von demfelben 83
Armbänder , Kreuze und Ohrgehänge von
Chriftefen in Kopenhagen .... 84
Silbernes Theefervice von Chriftefen in
Kopenhagen 98
Desgleichen, von demfelben 99
Vergoldeter Pokal, mod. von Ant. Hess in
München, cifelirt von A. Halbreiter . 108
S Iberner Tafelauffatz, nach Entwurf von V.
Teirich ausgcf. von V. Mayer Söhne
in Wien l20
Diadem, Arm- u. Halsl)and nebft Ohrgehänge
von Geiffel & Härtung in Hanau . 129
Trinkhorn aus Bergkryftall, Gold- und Relief-
email, von Ratzersdorfer in Wien . 220
Goldfchmuck, von Caftellani in Rom . . 233
Ilandfpiegel, von W. J. Thomas in London 24°
l'räfentirteller in Kryftall, Faffung in vergol-
detem .Silber mit Email, von Ratzers-
dorfer in Wien 268
Kanne in Bergkryftall mit Silberfaffung, von
demfelben 269
Goldfchmuck aus Timbuctu 272
Egyptifcher Goldfchmuck . • 273
Kanne in vergoldetem Silber mit Eniailmalerci
von Ratzersdorfer in Wien .... 29g
Egyptifcher Goldfchmuck 313
Silberner Tafelauffatz, entworf. von König
u. Feldfcharek, ausgcf. v. V. Mayer
Söhne in Wien 320
Halsband und Nadel von Caftellani in Rom 324
Silberner Tafelauffatz, von Morel-Ladeu il
in Paris 337
Teller in Bergkryftall mit vergoldeter Faffung,
von Ratzersdorfer in Wien .... 356
Granatfchmuck, von Goldfchmidt in l'rag 384
Goldfchmuck, von O. K r umbügel in Moskau 408
Desgl., von demfelben 409
Ehrenpokal in vergoldetem Silber , nach Th.
.Seite
II anscn's Entwurf, ausgef. von G..S im on
in Wien 421
Manchettenknopf mit Email, von E. Phi-
lippein Paris 426
Riechfläfchchen mit Goldfaffung, von demfelben 432
Mittelftuck für ein Aquarium, von J. Grülle-
meyer in Wien 433
Taufkannc in vergoldetem Silber, 16. Jahrh.
(Expos, des amateurs) 4g4
Kelch aus Stift St. Paul in Kärnthen, 14. Jahrh.
desgl. 504
Kelch aus Stift Admont 15. Jahrh., desgl. . 504
Silberner Becher aus der Sammlung des Frei-
herrn v. Rothfchild (desgl.) .... 505
b. Bronze-, Meffing-, Zink- und Neufilber-
waaren. Emaillirtc Bronze.
Blumenvafe, von D. Hollenbach in Wien 45
Tafchentuchkaften von Erhard & .Söhne in
Schw. Gmünd 49
Deckel dazu 49
Tafelauffatz in Bronze und Glas, von Lob-
meyr und Hollenbach 52
Toilcttenfpiegel, Stil Louis XVL, von Chri-
ftophle & Co. in Paris 72
Kronleuchter, entworfen v. H. Claufs, ausgef.
von D. Hollenbach in Wien ... 76
Ampel für ein Schlafzimmer, von der Ber-
liner Actiengefellfchaft f. Waffer-
und Gasanlagen 77
Candclaber von D. Ilollcnbach in Wien,
nach Zeichnung von Th. Hänfen . . 79
Boudoirtifch in vergoldeter Bronze, Stil Louis
XVL, von Chriftophle & Co. in P.iris 80
Pendeluhr, entworfen von König u. Feld-
fcharek, ausgeführt von Hanufch u.
Dziedzinski in Wien 91
Albrecht Dürer-Kasten von Erhard & Söhne
in Schw. Gmünd 106
Emaillirte Metallgerälhe, von Chriftophle &
Co. in Paris 1 16, 117
Tafeleinfatz in Neufdber, v. A. Ritter & Co.
in Efslingen 125
Candelaber, nach Entwurf von H. Claufs
ausgef. von D. Hollenbach in Wien 136
Desgl., von der Berliner Actiengefell-
fchaft f. Gas- und Wafferanlagen 137
Tafelauffätze in vergoldeter Bronze, entworf. v.
H. Claufs, ausgef. v. D. Hollenbach 148
Emaillirte Vafe, von Chriftophle & Co. in
Paris 159
Jardiniere in vergoldeter Bronze, v. D. Hol-
lenbach in Wien, Entw. v. H. Claufs 164
Armleuchter, Stil Louis XIV., von Suffe
fr eres in Paris 170
Desgl., Stil Louis Xllt., von demfelben . . 171
Stutzuhr, Stil Louis XIIL, von demfelben . 172
Desgl., Stil Louis XIV., von demfelben . . 173
Desgl., aus dem egypt. Zimmer von A. Fix
in Wien 174
Armleuchter aus demfelben, von demfelben . 17g
Lampenftänder von Suffe freres in Paris 184
Vifitenkartenfchale, Entwurf von J. Storck,
ausgef. von A. Klein 185
Kronleuchter, Stil Louis XIIL, von Suffe
freres in Paris 212
Candelaber, entw. von H. Claufs, ausgef. von
D. Hollenbach in Wien 213
SYSTEMATISCHES VERZEICHNISS DER ABBILDUNGEN.
Seite
Lampe aus dem egypt. Zimmer v. A. Fix in
Wien 2l6
Treppengeländer von Meffmg, von Deniere
in Paris 237
Emaillirte SchüliTel von Elkinglon & Co.
in Birmingham 241
Schatulle von Serpertin, Bronze und Hall)edel-
ftein, von der Zöblitzer Serpentin-
gefellfchaft 244
Kamin, von derfelben 245
CalTette in taufchirter Arlieit, von Zuloaga
in Madrid 249
Leuchter von Barbddienne in Paris . . 26 1
Schale mit Email, von Elkington & Co. in
Birmingham 278
llandleuchter in Meffmg, von Deniere in
Paris 289
Meffingleuchter, von demfelben 291
Bronze-Caffette mit Email; von Fritz Miller
in München 297
Emailtafel mit dem Portrait der Diana von
Poitiers, von Pottier in Paris. . . . 305
Stutzuhr von Ratzersdorfer in Wien . . 316
TheelielTcl von Ilancocks & Co. i. London 319
Bronzegitter, entworf. von H. Riewel, aus-
geführt von D. Hollenbach in Wien . 321
Kronleuchter, entworf. von H. Claufs, aus-
geführt von denfelben 323
Toilettenfpiegel von Hanufch & Dzied-
zinski in Wien 336
Emaillirte Vafen, von Pottier in Paris . . 343
Treppengeländer in Bronze, von D. Hollen-
bach in Wien 344
Bronzegitter, nach Entwurf von H. Claufs
ausgef. von D. Hollenbach in Wien . 345
Metall fpiegel, von Barbedienne in Paris . 349
Candelaber, entworfen von Yl)l, ausgeführt
D. Hollenbach in Wien 364
Lampenftänder, von Hanufch in Wien . . 365
Sängerfeftpokal , verfilbertes Neufilber, von
Ritter & Co. in Efslingen 375
Theebrett, desgl., von denfelben 376
Toilette-Spiegel, von Raven^ & Suffmann
in Berlin 393
Bronzeleuchter von Elkington & Co. in
Birmingham 403
Stimmzettelurne für den deutfchen Reichstag,
von Jul. Loewel in Berlin 404
Lampe, entworfen von Hey den, ausgef. von
Stobwaffer & Co. in Berlin .... 405
Taufchirtc Schale, von Ybarzabal in Eibar 406
Innenfläche derfelben 407
Handleuchter, von Kavent & .Suffmann in
Berlin 412
Wandleuchter, entw. v. G. Schröfl, ausgef.
von D. Hollenbach in Wien . . . 415
Emaillirte Schale, galvanopl. Reproduction v.
Elkington in London 417
Lampe, von J. GrüUemeyer in Wien . . 420
Schreibzeug in Meffingguss, v. Henri Perrot
in Paris 428
Vifitiere in vergoldeter Bronze, von J. GrüUe-
meyer in Wien 436
Vifitenkartenfchale, desgl., von demfelben . . 436
Emaillirte UntertalTe, von Baranzewitfch in
Moskau 437
Kärtchen mit Email, von E. Philippe in Paris 437
Perfifches Metallgeräth 440
Zuckerdofe in Email champlev^, von Barbe-
dienne in Paris 441
Seite
Deckel eines Kärtchens in Limoufiner Email,
ausgeführt von Hans Macht in Wien . 457
Desgl., Seitenwände 468 479
Candelaber, aus Wafferalfingen 465
Emaillirte TaiTe, von Baranzewitfch in
Moskau 478
Taffilo-Kelch (Expos, des amateurs) . . . 502
Speifekclch aus Stift Wilten, desgl. . . . 502
c. Gufs- und Schmiedeeifenwerk.
Schmiedeeifernes Gitter, von Barnards,
Bifhop & Barnards in Norwich . . 100
Candelaber in Eifengufs, von der Stollberg-
Wernigeroder Factorei in Ilfenburg 131
Gusseifernes Kärtchen, ebendaher .... 135
Gusseifernes Gitter, v. d. Coalbrookdale
Company, Shropfhire 152
Eiferne Tifchplatte, v. E. G. Zimmermann
in Hanau 197
Eiferner Tifch, von demfelben 257
Caffette nebrt Deckel, von demfelben . 270 271
Füllung, in Elfen getrieben, von A. Batfche
in Wien 397
Schmiedeeifernc ThürfüUung, von G. Schutt
in Hamburg 444
Balkongeländer aus Wafferalfingen .... 445
d. Waffen.
.Schild mit Kampffcenen, getriebene und tau-
fchirtc Arbeit von Zuloaga in Madrid 361
Desgl. mit Kinderfries, v. Elkington & Co.
in Birmingham 396
Desgl., mit fechs Monatsbildern, v. demfelben 429
Schild von Giorgio Ghifi (Expos, des amateurs) 500
Ornament vom FunctionsfchwertderStadtSteyr
(desgl.) 509
ürnamentvon einem Stadlrichterfchwert (desgl.) 509
B. Holzindustrie.
a. Mobiliar.
Stuhl für ein .Speifezimmer, von F. .Schön-
thaler in Wien 50
Prachtbelt, von Haffa & Sohn in Wien . 85
Schrank in Nufsbaum, bemalt, v. Jos. Kraus
& Sohn in Wien 113
Polrtcrrtuhl, Gerteil und Stoffmufter entw. von
J. Storck, ausgef. von Haas & Söhne
in Wien 144
Desgl. aus dem Salon der Kaiferin, von den-
felben, Holzwerk von Haffa & Sohn in
Wien 145
Desgl. aus dem Atelier der Actiengefellschaft
„Renaiffance" in Berlin 155
Jagdfchrank in Eichenholz, entworfen von C.
Graff, ausgef. von H. Irmler in Wien 165
Lehnftuhl mit Aliasbezug, nach J. Storck's
Entw. ausgef. von Ph. Haas & Söhne 169
Armfeffel, von Levy & Worms in Paris . 252
Desgl., von Roudillon in Paris .... 253
ArmfcITel von Ebenholz, nach Entwurf von J.
Storck ausgef. von Ph. Haas & Söhne
in Wien . 284
Desgleichen, von denfelben 285
Seffel im Stile Henri IL, von Roudillon in
Paris 303
SYSTEMATISCHES VERZEICHNISS DER ABBILDUNGEN.
XI
Seite
Stühle mit {jeprefstcm Leder, von B. Lud-
wig in \Vien 308
Stuhl von Schmidt & Sugg in Wien . . 309
Schreibtifch, entworfen von König & Feld-
fcharek und C (iraff, ausgeführt von
Michel & Ilanufch in Wien , . . 312
ArmfelVel im Stile Henri II., von RoudiUon
in r.aris . . 325
Eichenhol/. fpiegel, nach Entw. von C. Graff
ausgef. von F. Kupka in Wien . . . 340
NufsbaumbUcherfchrank, von F. Romanelli
in Florenz 341
Heltftelle von Blafchke in Wien .... 351
Concertflügel, nach J. Storck's Entw. aus-
geführt von liöfend orfer in Wien . . 357
Wandvertäfelung eines Speifefaales, nach Ent-
wurf von Manfr, Sem per ausgeführt von
A. Türpe in Dresden 379
Details dazu 380, 381
Credenz, von Cooper & Holt in London . 389
Schrank aus Ebenholz, von O. B. Friedrich
in Dresden . . 425
Concertpianino, von R. Ib ach & Sohn in
Barmen 469
Kleiner Wandfchrank, entworf. von M. Kie-
bacher in Hamburg 472
Fallftuhl mit Bronzebefchlägen etc , 14. [ahrh.
(Expos, des amateurs) 516
i. Holzfchn itzw erk und Intarfia.
Füllung von F. Schönthaler 15
Sopraporte, von demfelben 16
Notenpult, von demfelben 18
Thür eines Speifezimmers, von demfelben . 48
Tafelauffatz in Holz und Glas, von Lobmeyr
& Rudrich 53
Ebenholzcaffette, von Bat. Gatti in Rom . 123
Gefchnitzter Holzrahmen, von Frullini in
Florenz 22i
Theil einer Tifchplatte in Holzmofaik, von
Barni in Siena 225
Gefchnitztellolzfüllung, v.Fr ullini in Florenz 236
Käflchen von Ebenholz, mit vergoldeter Bronze
und Email, v. Ra tzersdorf er in Wien 248
Rahmen in Gold und Schwarz, von Ch.
Ulrich & Co. in Wien 276
SehreibkSflchen aus dem 16. Jahrh. (Expos.
des amateurs) 497
C. Glaswaaren.
Vergl. auch Bronzewaaren u. Holzfchnitzwerk.
Kaiferfervice: Flafche, Waffer- und Weinglas,
von J. & L. Lobmeyr in Wien ... 20
Desgl., Teller und Fruchtfchale 21
Desgl., Deffertauffatz und Salalfchüffel . . 24
Desgl., Zuckerfchale, Champ.ignerglas u. .Senf-
beche'r 25
Venetianifcher Spiegel, von J. & I,. Lob-
meyr in Wieji 56
Orientalifcher Spiegel, von denfelben, Faffung
von Ilanufch & Dziedzinski in Wien 57
Vafe von gr-ivirtem Kryftallglas, von W T.
Copeland & .Sons in .Stoke upon Trent 67
Kanne und Pokal, entworfen v. Fr. Schmidt,
ausgef. von J. u. L. Lobmeyr . . . 149
Glasplatte mit aufgeätztem Ornament, von
Gugnon fils in Paris 151
Garnitur von dunkelgrünem Glas mit Email
Seite
nach altvenetianifchen Muflern, von J. &
L. Lobmeyr 153
Service von emaillirtem Kryftallglas, v. Chri-
ftophle & Co. in Paris 168
Vafe in venetianifchem Aventuringlas . . . 283
Gl.aefer und Flafche von M. Wentzel in
Breslau 332, 333
Garnitur von Kryftallglas, von J. & L. Lob-
meyr 368
Glaskrug mit Silbcrbefchlag, von denfelben . 372
GUisvafe auf Bronzefufs, Entwurf von Th.
Ilanfen, ausgef. v.J. & L. Lobmeyr 373
Vafen von opakem Gl.is, von denfelben . . 395
Vafe mit Fulsgeftell, mit Gold- u. Emailver-
zierung, von denfelben 411
Kryftallglafsflafchen, von James Green in
London 416
Kryftallfpiegel, in Relief gefchliffen, von Fritz
Heckert in Petersdorf 427
Glasteller, dunkelblau u. emaillirt, von J. & L.
Lobmeyr 431
Vafe aus opakem weifsem Glas, von J. & L.
Lobmeyr 467
D. Thonwaaren.
Porzellan, Faiencen, Majoliken etc.
Krug mit Unterteller v. A. S ä 1 1 z e r in Eifenach 28, 29
Krug, modellirt von M. Kriefs 29
Krüge von F. W. Merkelbach in Gren-
haufen 54
Desgleichen, von demfelben 55
Desgleichen, von C. W. Fleifchmann in
Nürnberg 70
Faience-Teller mit Email, von L. Parvillee
in Paris 71
Porzellanvafen , von W. T. Copeland &
Sons in Stoke upon Trent 73
Faience-Gefäfse mit Email, von E. Collinot
in Paris 75
Majolica-Kamin, von Chr. Seidel & Sohn in
Dresden 89
Steinzeugkrüge von A. Salt z er in Eifenach 102, 103
Faiencefchüffel und Teller von Geoffroy ä:
Co. in dien 106
Rococo-Ofen in M.ij()lica, von Chr. Seidel &
Sohn in Dresden 109
Porzellanfervice, entw. von A. Haufe r, aus-
gef. v. Haas & C z i z e k in Schlaggcn-
wald 115
Thongefafse von Villeroy & Boch in Mett-
lach 121
Tifchplatte, von denfelben 127
Bodenfliefen, von denfelben 141
Faience-Gefäfse, von Th. Deck in Paris . . 143
Steinzeugkrug, von A. Sältzer in Eifenjjch . 147
Bodenfliefen, von Rob. Minton Taylor,
F"enton, Stoke upon Trent 156
Faiencevafen, von Geoffroy & Co. in Gien 163
Porzellanvafen, von Mintons in Stoke upon
Trent 176
Schüffein, von Villeroy & Boch in Metthich 177
Verfchiedene Vafen, von denfelben . . 180 181
Poftamentöfen, von B. Erndt in Wien . . 196
Kamin in weifser (51afur, von demfelben . . 208
Bodenlliefen, von Villeroy & BochinMetl-
lach . . . • 209 211
Desgleichen, von Mintons inStoke uponTrent 211
K.inne in türkifchem Stil, von L. Parvillee
in Paris 219
xn
SYSTEMATISCHES VERZEICHNISS DER ABBILDUNGEN.
Seite
Ruffifche Krüge 239
Vafe in Limoufmer Art, von Mintnns in
Stoke «pon Trent 243
Türkifche Krüge 251
Desgleichen 255
Buntglafirter Kaminofen, von der Thonwaaren-
fabrik der Magdeburger Hau- und
Creditbank 259
Porzellanvafe, nacli Entvvurf von A. Häuf er
ausgeführt von Haas & Czizek in
Schlaggenwald 260
Feldflafche von Mintons in Stocke upon
Trent 265
Steinzeug-Krüge und Leuchter, von H. Doul-
ton & Co. in London 267
Flache Schüffel, von Mintons in Stoke upon
Trent 277
Ruffifche Krüge . ■ 280
Steinzeugkrüge von H. Doulton & Co. in
London 281
Poflamentofen, von B. Erndt in Wien . . 288
Salzgefäfse, Stil Henri IL, von Mintons in
Stoke upon Trent 293
Faience-Schüffel aus Roerftrand 301
Tafel in Majolica, von Ginori in Doccia . 313
Majolica-Kanne und Unterteller, v. N^intons
in Stoke upon Trent 3 '7
Farbig glafirter Kaminofen aus Roerftrand . 3Z9
Teller, von Mintons in Stocke upon Trent. 348
Majolicafchüffel von Ginori in Doccia . . 385
Candelaber aus Terracotta, von Fr. Naumann
in Plottendorf 387
Indifche Thongefäfse 413
Teller von Mintons in Stoke upon Trent . 419
E. Gewebte Stoffe, Stickereien, Tapeten und
Lederarbeiten.
Vergl. auch IV. B. a. Mobiliar.
Atlas, hellgelb mit blauem Mufler, von Ph.
Haas & Söhne 26
Desgl., olivenfarbig mit bronzirtem Durchfchufs,
von denfelben 27
Bobbinet- und Spitzenmufter von M. Faber
& Co 30, 31
Sammetbordure, von Drächsler in Wien . 34
Desgleichen, von demfelben 42
Deckel eines Albums nach Zeichnungen von
J. Storck u. F. Laufberger ... 60
Seidenftoflbordure, von Ph. Haas & Söhne
in Wien 62
SeidenftofT, dunkelblau m. Gold, v. denfelben 63
Tapete von Hochstätter & Sohn in Darni-
ftadt, nach Zeichnung v. F. P'ifchbach 81
Teppich von J. Humphries& Sons in Kid-
derminfter 105
Spitzenvorhang, von Jacoby & Co. in Not-
tingham III
Damafttifchtuch, n. Zeichnung von J. Storck
ausgef. V. A. Küfferle & Co. in Wien
Teppich, von John Brinton & Co. in Kid-
derminfter
Damafttifchdecke, v. Prölfs fen. fei. Söhne
in Grofs-Schönau
Tabouret mit dreifarbigem Sammetbezug, von
Ph. Haas & Söhne
Mufter aus der Bobbinet- und Spitzenfabrik
von Faber & Damböck in Wien
Stickereien zu einem Seffel, entwdrf. v. Lieb,
ausgef. von Giani in Wien . . . .
Einbände in Ledermofaik, von Wunder &
Kölbl in Wien
Perfifcher Teppich, dem Original im Mün-
chener Nationalmufeum nachgewebt von
Ph. Haas&Söhne
Albumdeckel in Ledermofaik, von Wunder
& Kölbl in Wien
Store, entw. v.J. Storck, ausgef. v. Faber
& Damböck in Wien
Goldflickereien von Giani in Wien . . .
Damaftdecke, von Prölfs fen. fei. Söhne
in Grofs-Schönau
Teppich, von Schütz &Juel in Würzen .
Tapete, von Bai in in Paris
Thürbehang, von Roudillon in Paris . .
Goldflickerei auf rothcm Sammet, von Giani
in Wien
Bordüre eines Thürvorhangs , Stil Henri II,,
von Roudillon in Paris
Tapete aus dem Kaiferpavillon, von Giani
in Wien
Tapete, von Bai in in Paris
Vorhangsbordure aus dem Kaiferpavillon, von
Giani in Wien
Seidenftoff, auf Papier gefpannt, von Baiin in
Paris
Stickerei von einem Kinderkleid , Oeflerr.
Frauenarbeit
Tapete, von Bai in in Paris
Sopha und Stuhl in hellblauem Atlas, von Ph.
Haas & Söhne in Wien
Portiere in hellblauem Athis, von denfelben
Bordüre, entworfen von C. G ra ff, ausgef. v.
C. Drächsler in Wien
Bafiktirter Stoff aus Java
Batiktirte Stoffe aus Sumatra
Türkifche Seidenflickerei
Bordüre, entworfen von Fr. Fifchbach, aus-
gef. von H. Engelhardt in Mannheim
Tabouret, Goldftickerei aus dem Kaukafus .
Seidenftoff, von Giani in Wien
Tapete, von C. Hochftätter & Sohn in
Darmftadt
Japanefifche Bettdecke
Spitzenbefatz (Oefterreichifche Frauenarbeit) .
Teppichbordure aus Kremsmünfter (Expofition
des amateurs)
Seite
119
139
140
157
183
187
193
200
201
204
205
217
235
256
27s
287
300
304
304
307
3"
335
352
353
363
366
367
37"
377
382
399
400
401
443
495
Berichtigungen.
S. 267. Unterfchrift unter der Abbildung lies: Doulton & Co. ftatt Dalton.
S. 320. Unterfchrift unter der Abbildung lies: König und Feldfcharek ftatt König und
R. Redtenbacher.
S. 445 u. 465. Bei der Unterfchrift ift zu ftreichen «entworfen von W. Käumer«.
^^mvmv!ViV>v^,v,ViViV^ViViV>iViV,'ViV>iViViV:v'i^^^^
ei unfreundlichem Wetter, aber defs-
lialb nicht mit geringerem Glanz
wurde die Wiener Weltausftellung
.un I. Mai I2 Uhr Mittags feierlich
eröffnet. Eine wahre Völkerwande-
rinig bewegte fich fchon bei dem
Morgengrauen ckirch alle zum Ausflellungsplatze füh-
renden Strafsen und Gäfschen dem Prater zu. Um
9 Uhr (laute fich der ununterbrochene Wagenzug be-
reits eine Stunde weit von feinem Ziel, am Kärntner-
ring, und manchen der für einen halben Vormittag
zum unfreiwilligen .Stillftande verurtheilten Inhaber der
ftolzen Carroffen fah man trotz Regen und Wind den
Wagen verlaffen, um nur das erfehnte Ziel, die Rotunde
des Induftriepalaftes, noch rechtzeitig zu erreichen.
Taufende füllten den ungeheuren Raum, — oder
vielmehr fie füllten ihn immer noch nicht, fo riefig
irt feine Ausdehnung — als pünktlich zur gegebenen
Stunde das Zeichen die Ankunft des Herrfchers ver-
kündete. Unter den Klängen iler Volkshymne, welche
die vereinigten Gefangvereine Wiens anüimmten, und
1
DIE ERÖFFNUNGSFEER.
von braufendem Jubelrufe begrüfst, betrat der Kaifer, die Kronprinzeffin des deut-
fchen Reiches am Arm, an der Spitze des von dem Generaldirektor, Baron
Schwarz- Senborn geführten Zuges, die prachtvoll gefchmückte Eingangshalle.
Ihm folgten der Kronprinz des deutfchen Reiches mit der Kaiferin, dann der
Prinz von Wales, der Kronprinz von Dänemark, der Graf von Flandern, der
Kronprinz Rudolph mit dem Prinzen Friedrich Wilhelm, die fämmtlichen Erz-
herzöge und Erzherzoginnen, fowie die übrigen hohen Herren und Damen, dann
die Minifler, die Generalität und eine unüberfehbare Suite anderer Würdenträger.
Nachdem der Hof auf der dem Eingange gegenüber befindlichen, mit Blumen
reich verzierten Eftrade angelangt war, begrüfste der Erzherzog Karl Ludwig, als
Protector der Ausftellung, unter Ueberreichung einer die Gefchichte der Aus-
ftellungsunternehmens fchildernden Denkfchrift, den Kaifer mit folgender An-
fprache -.
„In feftlicher Stimmung begrüfse ich Eure Majeftät in diefen dem friedlichen
Fortfehritte geweihten Räumen. Die allerhöchfte Theilnahme Eurer Majeftät gibt
einem Werke den Abfchlufs, das den Blick der Welt auf Oefterreich lenkt und
unferm Vaterlande die Anerkennung hervorragender Theilnahme an der Förderung
von Menfchenwohl durch Unterricht und Arbeit fiebert. Nicht uns, die das Ver-
trauen Eurer Majeftät zunächft zur Durchführung Allerhöchft ihres Entfchluffes
berufen hat, ziemt es, Richter des eigenen VoUbringens zu fein. Aber es fei uns
geftattet, auf die Elemente hinzuweifen. Welche das Werk gefchaffen haben: auf
die erhabene Iniative Eurer Majeftät, auf das zielbewufste und opferwillige Zu-
fammenwirken eigener und fremder Volkskraft, auf die fittliche und ftaatliche
Macht der Arbeit und der Cultur. Diefe Elemente find es, die der Schöpfung
Eurer Majeftät heute ihren innern Werth verleihen und Ehren und Andenken
derfelben vererben werden auf die nachlebenden Gefchlechter.
Geruhen Eure Majeftät den Ausftellungs - Katalog und die Denkfchrift über
die hiftorifche Entwicklung der Ausftellung huldvoUft entgegenzunehmen und die
Weltausftellung des Jahres 1873 für eröffnet zu erklären".
Der Kaifer erwiederte hierauf mit weithin vernehmbarer Stimme :
„Mit lebhafter Befriedigung fehe Ich die Vollendung eines Unternehmens,
deffen Wichtigkeit und Bedeutung Ich im vollftem Maafse würdige. Mein Ver-
trauen in den Patriotismus und die Leiftungsfähigkeit Meiner Völker, in die Sym-
pathien und die Unterftützung der uns befreundeten Nationen hat die Entwick-
lung des grofses Werkes begleitet. Mein kaiferliches Wohlwollen und Meine
dankbare Anerkennung find feinem Abfchluffe gewidmet. Ich erkläre die Welt-
ausftellung des Jahres 1873 für eröffnet."
Fanfarengefchmetter , Gefchützdonner und erneuter Jubelruf folgten diefen
Worten. Darauf hielten auch der Ministerpräfident und der Bürgermeifter von
Wien Anfprachen an den Kaifer, ihm den Dank im Namen der Völker Oefter-
reichs und der Hauptftadt für die Gründung und Förderung des grofsen Werkes
darbringend. Ein Feftgefang von Jofef Weilen, nach der Melodie des Sieges-
liedes aus Händel's „Judas Makkabäus", von den Gefangvereinen vorgetragen,
machte den Befchlufs der Feier. Die Worte lauteten :
DIE ERÖFFNUNGSFEIER.
Glocken, klingt und Fahnen, weht
Heut zu feftlichem Empfang!
Und das Werk, das fertig fteht,
Grüfse weihender Gefang!
Weite Hallen find bereit,
Rings umher grünt Baum an Baum,
Eine Welt von Thätigkeit
Regt fich ftolz in diefem Raum.
Was der Geift erfinnt und fchafft,
Was gebildet Kunft und Fleifs,
Herrlich Bild vereinter Kraft,
Ringend nach dem fchönften Preis!
Auf, ihr Völker, flrömet her
Zu der grofsen Geifterfchlacht,
Euer Fortfehritt eure Wehr
Und die Bildung eure Macht!
Arbeit ifl der Staaten Grund,
Gleiches Streben macht auch gleich;
Einen Völker-Friedensbund
Feiert heute Oefterreich.
Infchrifttafel vom Jiiry-Pavillon.
DER AUSSTELLUNGSPLATZ.
\ , %M%4i Sfc—^ c^-^l Mi ti jj '
llauiiteingaiig /.um Weltausstellungsplatze.
Der Ausstellungsplatz.
Die fünfte Weltausftellung ift alfo eine Thatfache; der vor zwei Jahren fefl-
gefetzte Termin ist pünktlich eingehalten worden. Freilich mufsten die Gunfl
der Natur und der menfchlichen Mächte fich in ganz ungewöhnlicher Weife ver-
bünden, der Winter mufste ausbleiben, und die Staatsrechenmeifter mufsten das
Motto: „Das Geld ift nur Chimäre" acccptiren, damit die Ausftellung nominell
am I. Mai eröffnet werden konnte; freilich fcheinen diejenigen Recht zu behalten,
welche behaupteten, fechs, noch dazu von furchtbaren Kriegen und Umwälzungen
erfüllte Jahre feien eine viel zu kurze P'rift, um fchon wieder die Völker aufzurufen,
ihre Kräfte zu meffen; freilich find für Stadt und Land die Laden und Opfer fo
real wie die verheifsenen fegensreichen Folgen- fraglich; aber die Ausftellung ift
eine Thatfache, und dem Leiter des grofsen Werkes dürfte man es nicht ver-
übeln, falls er an den Schutz eines befonderen Sternes glauben foUte.
Wir können es billig dem guten Glauben und dem Gefchmack jedes Ein-
DER AUSSTELLUNGSPLATZ.
Üflportal der Induftriehalle.
zelnen überlaffen. ob er diefe allgemeinen AusftcUungen die neuen olympifchen
Spiele oder wie fonfl; nennen und als folche preifen will, während wir uns auf
den Weg begeben, um zunächfl: Ort und Stelle in Augenfchein zu nehmen. — So
günftig gelegen war noch kein Ausftellungsplatz. Einen fo grofsen Reiz die
weiten baumuniräumten Rafenflächen des Hydcpark ausübten, aus denen das un-
geheure Glashaus Paxton's wie ein Märchenfchlofs emporftieg: es mangelten
doch die unmittelbare Nähe des grofsen Stroms und der Abfchlufs des Gefichts-
kreifes durch das Gebirge.
Der altberühmte Prater, der mit frifchem Grün und Blüthenpracht die impro-
vifirte Ausflcllungsfladt rings umfängt, ift Zeuge fo manches grofsen Feftes und
Schauplatz fo manches ernflen Ereigniffes gewefen, feitdem im Jahre 1766 der
„Schätzer der Mcnfchen" Jedermann den Park öffnete, welchen zweihundert Jahre
zuvor Maximilian II. „für feine Jagdlufl" angekauft hatte,, und deffen Befuch unter
Carl VI. und Maria Therefia nur der in „Kutfchen" fahrenden günfliger fituirten
Minorität geftattet gewefen war. Vom Prater her rückte 1809 Maffena und 1848
Windifchgrätz gegen Wien vor; 1814 wurde dort unter Theilnahme vieler hohen
Gäfte ein Volks- und Soldatenfeft zum Gedächtnifs der Schlacht bei Leipzig be-
gangen; der 29. April 1854 fah den noch kaum belaubten Wald viele Taufende
DER AUSSTELLUNGSPLATZ.
glühender Blüthen tragen als Huldigung für die junge Kaiferin; in den erften
Jahren nach 1860 feierte man eben dort am .18. Auguft, dem Geburtstage des
Kaifers, die Verfaffung; 1866 lagerten die fächfifchen Truppen im Prater; 1868
bezogen ihn die dcutfchen Schützen. Immer waren die Spuren der Anwefenheit
geladener oder ungeladener Gäfte fchnell wieder verwifcht. Diesmal jedoch foU
es anders fein. Nicht genug, dafs die Axt unter den Räumen tüchtig hat auf-
räumen muffen, um Platz zu fchafifen für die zahllofen grofsen und kleinen Aus-
fbellungsgebäude, und im Eifer hier und da mehr gethan hat, als fie eben mufste :
der Prater in feinen befuchteften Theilen hat eine Umwandlung erlebt. Man fand
ihn zu wild, zu ungebunden, zu ftruppig für unfere Zeit und für ein „Feft der
Cultur". Lineal und Richtfcheit, Axt und Walze waren feit Jahr und Tag be-
müht, die originellen Linien und Furchen gradezurichten und zu ebnen, den
üppigen Haarwuchs falonmäfsig zu kürzen und zu ordnen. Vornehmlich mufste
der „Wurftelprater" fich dem Fortfehritte anbequemen , demfelben Fortfehritte,
welcher überall die alten befcheidenen Volkstheater in glänzende Tempel der
Mufe Öffenbach's verwandelt hat. Es ift wahr, die Holzhäufer , in welchen Bier
gefchänkt, das Ringelfpiel gedreht oder Riefen und Mifsgeburten gezeigt wurden,
hatten wenig mehr von der „Nettigkeit", die eine vor vierzig Jahren erfchienene
Befchreibung Wiens ihnen nachrühmt, während eben diefe Eigenfchaft den meiflen
ihrer Nachkommen von heute nicht mehr beftritten werden kann. Aber wird die
Zierlichkeit und die bunte Tünche diefer „Schweizerhäufer" fich beffer und länger
gegen den natürlichen Verfall behaupten als dies die fchlichte Erfcheinung der
einftigen Praterhütten vermochte ? Heruntergekommene Eleganz ift ficherlich kein
erfreulicherer Anblick als anfpruchslofe Einfachheit. Und dem Wefen nach hat
man die entfchieden originellen Praterwirthfchaften nur in gewöhnliche Vorfladt-
kneipen umgefchafifen. Statt der Burfchen in Leinwandjacken oder Hemdärmeln
bedienen uns die allbekannten Kellnergeftalten in fchäbigem Frack, herabgetre-
tenen Schuhen und mit Servietten, welche zu allem Erdenklichen, leider auch zum
Teller- und Gläferputzen verwendet werden. Vorüber ifl: die Zeit, da man fich
felbft den Krug vollzapfen liefs und auf einen fchattigen Rafenplatz mitnahm, denn
der Rafen darf innerhalb der Grenzen des „regulirten" Praters nicht mehr be-
treten werden ; die Kinder, welchen fonft weite grüne Strecken zum Spielen über-
laffen waren, drängen fich zwifchen den Tifchen herum, an welchen die Alten
zechen; der ungarifche Soldat darf nicht mehr nach den Klängen der Zigeuner-
fidel die flowakifche Magd im Tanze fchwingen, denn das würde fich nicht
fchicken; die weltbekannten Salami -Männer, welche mit ihrer wälfchen Beweg-
lichkeit und Gefchwätzigkeit von Gruppe zu Gruppe eilten, ihre durflreizenden
Leckerbiffen auf Papierblättern fervirend, fchleichen verfchüchtert umher, und
feitdem der Wurftelprater um feine Volksthümlichkeit gekommen ifl, heifst er
Volksprater.
Eher verfchmerzen läfst fich die Modernifirung jener Partien, welche die Um-
gebung der fogenanntcn Nobelallee bilden. Wären die künftlichen Hügel und
Wafferfälle, der gewalzte Rafen und die winzigen Büfche hier wie an hundert
anderen Orten aus einer Sandfteppe hervorgezaubert worden, fo würde man den
Anlagen fogar alle Anerkennung zollen; aber wo die Natur fo viel mehr und
DER AUSSTELLUNGSPLATZ.
Mittelftück des Glasfenfters über dem Südeingaiige der Induftriehalle.
DER AUSSTELLUNGSPLATZ.
=L
Kaiserpavillon.
befferes gegeben hat, wo ein welliger, üppig bewachfener Boden allen Reiz der
Augegend entfaltet und durch jede Lichtung wirkliche blaue Berge — die zum
Glück nicht abgetragen werden konnten — herüberblicken, da wollen uns alle
Künfte des Landfchaftsgärtners nur als kleinhche Spielerei erfcheinen.
Die Baulichkeiten, welche die Räume zwifchen Wurftelprater, Hauptallee und
Ausftellungsplatz bevölkern, können ihren Zufammenhang mit dem Ausftellungs-
unternehmen nicht verleugnen. Alle erdenklichen Stile find dabei zur Anwendung
gekommen, nur leider oft genug die verfchiedenften an demfelben Object. Lin
Architekt, der fich an dem Durcheinander nationaler Gebäude verfehen hat, könnte
der Schöpfer diefer „fliegenden Stadt" fein mit ihren Walm- und Schweizer-
dächern, ihren Reminiscenzen an claffifche, orientalifchc und barbarifche Orna-
mentik. Manche von den Anlagen ift Hnnkbarlichfl zu acceptiren, vor allem das
grofse, fchön eingerichtete Aquarium ; andere find um fo bedauerlichere Vorpoften
grofsftädtifcher Ausartung, von welcher bisher diefe grüne Welt freigeblieben
war. Da. durfte das „Orpheum", der Tummelplatz der Parifer Tänzerinnen und
Chanfonnetten-Sängerinnen nicht fehlen, und das „Vauxhall" fcheint es mit feinen
Bällen ä la Mabile und Cremorngardens noch überbieten zu wollen.
Die mehrerwähnte Hauptallee ift der füdöftliche der fieben vom Praterftern
ausgehenden Strahlen. Einft waren diefe fämmtUch Alleen, bei verfchiedenen er-
innert heute noch der Name hieran. Die gegen Süden führende Franzensbrücken-
allec, die füdweftliche Praterftrafsc , fonft Jägerzeil (von den VVohnhäufern des
kaiferlichen Jagdgcrmdes), Stadtgutgaffe , Augartenallee, Nordbahnftrafse (gegen
10
DER AUSSTELLUNGSPLATZ.
Jurypavillon.
Werten und Norden) find gänzlich von Häuferreihen umfäumt, und nach Nord-
often, gegen den Strom hin, wird bald die neue Donauftadt fich ausbreiten, fo
dafs nur noch das füdöftliche Segment für den Wald gerettet ift. Dort nun, mit
der Längenachfe von Weft-Nordweft nach Oft-Südoft, dehnt fich der von den
Ausftellungsgebäuden bedeckte Platz aus. Urfpriinglich follte wohl die Rotunde
des Induftriepalaftes den Mittelpunkt bilden, allein die hauptfächlich der Land-
wirthfchaft gewidmeten, umfangreichen Vorwerke gegen Südoflen haben das
Gleichgewicht geflört. Der Kürze halber hat der Sprachgebrauch die Fiction ge-
fchaffen, dafs die Längenachfe genau von Wert nach Oft gehe, und wir wollen
dem ebenfalls folgen.
Durch den — in diefem Sinne genommen — füdlichen Haupteingang (f
die Abbildung, Seite 4) den Platz betretend, fehen wir uns dem Hauptportal
der Induftriehalle gegenüber. Rafenbeete und Wafferbecken mit Springbrunnen
füllen den geräumigen Vorplatz, bedeckte Galerien fäumen denfelben ein. Auf
halbem Wege erheben fich, in Lage und Architektur correfpondirend, links der
Jurypavillon, rechts der Kaiferpavillon (f. die Abbildungen, S. 9 u. 10), welcher
letztere von den Hauptvertretern der Wiener Kunftinduftrie mit ihren gediegenften
Leiftungen ausgeftattet ift. An diefe beiden dominirenden Bauwerke reihen fich
links die Annexe Schwedens, Spaniens, die Druckerei der Neuen freien Preffe und
Erfrifchungslokale aus verfchiedenen Zonen, rechts verfchiedene andere Ableger
der Ausftellung und wieder Reftaurationen und Kaffeehäufer, welche uns, an dem
ruffifchen Kaiferpavillon und dem Annexe des öfterreichifchen Lloyd vorüber, zu
den in hervorragender Weife anziehenden orientalifchen Anlagen geleiten, dem
DER AUSSTELLUNGSPLATZ. 11
Gcbäiidccomplcx des Vicckönigs von Egyptcn, dem türkifchcn Wohnhaus, Bazar
und Kaffeehaus, dem perfifchen Haufe, den Buden der Japanefen und endlich
zu dem grofsen Leinwandzelte der Blumenaüsftellung. Jcnfeits eines dürftigen
Donauarmes, des Heufladelwaffers , breiten fich dann vorzugsweife landwirth-
fchaftliche Gebäude aus, dazu die treuen Copien verfchiedener Bauernhäufer, wie
das ruffifche, das fiebenbürgifch- fächfifche, das fzekler, das kroatifche, das
flavonifche, das vorarlberger u. f. w. (f. den Plan auf S. 6).
Den Mittelpunkt der. Induftriehalle bildet die Rotunde, welche von einem,
mit ihr vier grofse zwickeiförmige Höfe herflellenden, quadratifchen ßau umgeben
ift. Den Eingang bezeichnet ein prachtvolles Portal im Stil der römifchen
Triumphbogen, gekrönt von einer allegorifchen Gruppe, nach der Skizze von
Ferd. Laufberger ausgeführt von Vincenz Pilz. Der flache Bogen, mit wel-
chem das Portal abfchliefst, vermittelt den Uebergan^ zu den flachen Wölbungen
der Halle und zu dem im Aeufseren wenig günftig wirkenden Dach der Rotunde,
welches hinter und über dem Portal fich präfentirt. Bei diefem umgekehrten
Riefentrichter mit dem doppelten Laternenauffatz und der vergoldeten und mit
imitirten Perlen und Edelfteinen befetzten Krone (f. die Abbildung, S. 13), welche,
an fleh ein Meifterwerk der Schmiedekunfl, an jener Stelle nur eine höchfl
luxuriöfe Spielerei genannt werden kann, brauchen wir uns nicht aufzuhalten. Uns
empfängt eine hohe, mäfsig beleuchtete Vorhalle, die in ihrer Decorirung von
aufserordentlicher Wirkung ifl. Decke, Wände und Fufsboden flnd durchweg mit
Teppichen und Möbelftoffen bedeckt, welche in der Pracht gefättigter Farben vor-
züglich zu dem über der Thüre angebrachten Glasgemälde von C. Geyling nach
Laufberger's Kompofltion (f. die Abbildung, S. 8) zufammenftimmen. Da das
vornehmfle kunftgewerbliche P'tabliffement in Oeflerreich, Philipp Haas & Söhne,
hier feinen Ausftellungsraum gewählt hat und durch feine Arbeiten zugleich zeigt,
wie unfer Kunfl:gevverbe beflrebt ifl:, die Vorbilder aus alten Zeiten und Ländern
für die Gegenwart fruchtbar zu machen, wäre in der That eine paffendere Ver-
wendung diefer Vorhalle des Indufl:riepalaftes nicht zu denken gewefen.
Stufen führen von da in die von fanftem Licht erfüllte Rotunde (Abbildung
folgt auf S. 33). Die meiften Erbauer von Ausftellungspaläften in I lallenform waren
darauf bedacht, derartige Haupt- und Mittelpunkte (wenn auch das letztere nur
in bildlichem Sinne) zu fchaff"en und diefelben über das Niveau zu erheben. Ein
derartig erhöhter Standpunkt, überdies betont durch wefentlich monumentale
Ausftellungsgegenftände, gewährte Ueber- und Durchblicke, man fah in die bunte
Welt der einzelnen Schiffe hinab, man vermochte fich im Grofsen zu orientiren.
Hier ifl das Verhältnifs umgekehrt, die Sohle der Rotunde ifl beträchtlich tiefer
als die der Ausftellungsgalericn gelegt worden, wozu man fleh genöthigt fah, um
die Höhe des inneren Raumes in Verhältnifs zur Weite deffelben zu bringen.
Diefe Rotunde ifl bekanntlich ein Wunderwerk der Conftruction. Die das Dach
tragenden, aus Eifenplatten zufammengefetzten Pfeiler wurden etagenweife gehoben,
fo dafs das zuerft fertiggefchmiedete Stück eines jeden jetzt das oberfle Stück bildet.
Ein Gerüft beftand nur für den Ring der Laterne, welcher durch die Radialfparren
mit dem Pfeilerkranz in Verbindung gebracht wurde. Die innere Decoration des Daches
mit Streifen farbig bedruckter Jute giebt dem Ganzen den Charakter des Zeltes.
DER AUSSTELLUNGSPLATZ.
13
Krone vom Dache der Rotunde.
Die Rotunde ifl: „internationaler Ausftellungsraum" und hat als folcher leider
einem wahren Jahrmarkt von Ausftellungskäften, Pyramiden, Modellen und Reflau-
rationen zum Stelldichein dienen muffen. Ihre ganze Wirkung wurde ilurch diefes
Chaos zerftört. Rechts und links erftrecken fich die Hauptfchiffe, jedes von fünf
Quergalerien („Gräten"; durchfchnitten und in ein durch Kuppeln ausgezeichnetes
Oblongum mündend. Zum Thcil find auch die Höfe zwifchen den Galerien ein-
gedeckt und den nächftliegenden Ländern zugewiefen worden. Für die Raum-
vertheilung wurde mit praktifchem Sinne die geographifche Lage der Länder be-
obachtet. Das öftliche Schiff beginnt mit Oefterreich, an welches fich Ungarn,
Rufsland, Griechenland, die Türkei, China, Perfien, Rumänien, Tunis, Japan an-
fchhefsen; die weftliche Hälfte haben inne: das Deutfche Reich, die Niederlande,
die fkandinavifchen Länder, die Schweiz, Italien, Frankreich, Portugal, Spanien,
Eifengitter vom Jurypavillon.
14
DER AUSSTELLUNGSPLATZ.
Grofsbritannien nebft feinen Kolonien, die amerikanifchcn Reiche. Leider ift fad
durchweg die fchöne, freundliche Wirkung des Hallenbaues durch coloffale, den
Durchblick abfchneidende Aufbaue zur gröfsern Ehre der Schafvvollinduftric, der
Liqueurfabrikation und dergl. mehr ftark beeinträchtigt worden.
Diefelbe Anordnung der Länder wurde auch für die landwirthfchaftliche und
die Mafchinenabtheilung beibehalten, wenn auch die Verfchiedenheit des Raum-
bedarfs hier Verfchiebungen nöthig machte. So mufste Deutfchland der örtlichen
Agriculturhalle zugetheilt werden. Die Mafchinenhalle, das äufserfte Ausftellungs-
gebäude gegen Norden, läuft parallel mit der Induftriehalle und hat beinahe die
gleiche Längenausdehnung. Der von diefen beiden gegen Norden und Siiden
und von den beiden Agriculturhallen gegen Orten und Werten abgegrenzte Raum
ift mit einer fehr bunten und leider auch fehr gedrängten Menge von Annexen
verfchiedener Länder, Gebäuden für Bergwerksproducte, für additionelle Aus-
rtellungen, von Bauernhöfen und Wirthshäufern angefüllt.
In der Längenachfe der Indurtriehalle gegen Orten finden wir endlich noch,
getrennt von derfelben durch eine Gartenanlage, in deren Mitte fich eine Kopie
des Achmedbrunnens in Stambul erhebt, die Kunrthalle (f. den Plan). In der
vollen Breite der Indurtriehalle von Norden nach Süden fich ausdehnend, berteht
fie aus einem internationalen Mittelfaal, an welchen gegen Süden die Abtheilungen
für Oerterreich, Ungarn und Deutfchland, gegen Norden die franzöfifche, eng-
lifche, fchweizerifche, niederländifche fich anreihen. Um Italien und die nordifchen
Länder unterbringen zu können, mufsten zwei urfprünglich für die Ausrtellung
alter Kunrtwerke aus Mufeen und Privatfa-zimlungen bertimmte Anbauten zum
gröfsten Theil noch für die Kunft der Gegenwart in Befchlag genommen werden.
Der gefammte Ausrtellungsplatz hat einen Flächenraum von 2 '/s Mill. Quadrat-
metern. Die architektonifchen Pläne rühren von den Architekten Hafenauer,
Gugitz, Korompay, Hinträger, Weber her, welchen zugleich die Bauleitung
oblag. Die Idee zur Rotunde irt von Scott Ruffel-, die Berechnungen und
Detailconrtructionen wurden von dem Oberingenieur Heinrich Schmidt*) aus-
gearbeitet und in Harkort's Eifenwerk ausgeführt. Die Entwürfe zur Decoration
des Hauptgebäudes und des Kaiserpavillons machte Prof. Storck, der fich jedoch
in Folge principieller Differenzen vor Beendigung des Werkes zurückzog.
Die Längen- und Breitenverhältniffe der Hauptgebäude find in Metern: In-
duftriehalle 905 und 205, Mafchinenhalle 990 und 80, Kunflhalle 232 und 50. Das
Hauptfchiff hat 25 Mtr. Breite, die Querfchiffe haben 15 Mtr. Breite bei 75 Mtr.
Länge, die Rotunde einen Durchmeffer von 102 und eine Höhe von 79 Mtr.
Br. Bucher.
*) Vergl. deffen Mittheilungen im 8. Hefte des XXV. Jahrganges der Zeitfchrift d. Oesterr.
Ingenieur- und Architcklcn-Vereins, S. 137. IT.
Füllung von F. Schönthaler.
Die Ausstellungsbauten.
Die Architektur liat fich auf dreierlei Art an dem Wiener Ausftellungswerke
betheiligt: in der Sammlung von Plänen und Modellen, welche in den Räumen
der Kunfthalle und zum Theil in der Rotunde aufgeftellt find, entrollt fich uns ein
umfaffendes Bild von dem architektonifchen Schaffen der Gegenwart; weite Aus-
blicke auf die Baukunft der Vergangenheit und in die bunte Mannichfaltigkeit
nationaler Stylvveifen gewährt fodann die kleine VVeltftadt von Bauernhäufern,
Pavillons, Kiosken, Brunnen . und Heiligthümern , welche rings durch den Park
verflreut ift und namentlich im Gebiete der orientalifchen Architektur viel aufser-
ordentlich Schönes und Lehrreiches bietet; endlich ift es die glänzende architek-
tonifche Improvifation der Hauptgebäude felbft, welche unfer Intereffe in Anfpruch
nimmt, — und von diefer foll hier zunächft die Rede fein.
Eine Improvifation ift es, und infofern allerdings von vornherein das Gegen-
theil deffen, was die Architektur, diefe Mutterkunft alles Monumentalen, in erfter
Linie zu leiften berufen ift; aber zugleich eine Schöpfung, die uns durch die
Würde ihrer Plrfcheinung, durch die feierliche Grofsartigkeit ihrer architektonifchen
Prologe den ephemeren Charakter der ganzen Schaufteilung vergeffen machen
kann: eine Verbindung von Vorübergehendem und Bleibendem, eine Umhüllung
des Modernften, das von dem Gebote der Nützlichkeit aus dem fpröden Eifen-
ftoff der Conftruction erzeugt worden, mit den Formen einer altehrwürdigen
Triumphal-Baukunft.
Bei ihrem Entftehen hielten die Weltausftellungen , diefe charakteriftifchen
Lebensäufserungen der Gegenwart, auch in ihrer äufseren Erfcheinung das eigen-
thümliche Gepräge der Neuzeit feft. Das Eifen-Glashaus war die erfte Form
der Weltausftellungs -Architektur. England ift feine Geburtsftätte ; die Kryftall-
paläfte von Sydenham und München find feine Hauptbeifpiele. Ein Stolz der
Mechanik, ein allumfaffender Mikrokosmus, kühn, licht und freundlich in feiner
Erfcheinung,, ift diele erfte Form des Ausftellungsgebäudes ein treues Spiegelbild
der menfchenfreundlichen Gedanken, welche jene erften friedlichen Wettkämpfe
der Nationen in's Leben riefen.
In Frankreich, und zwar fchon bei der Ausftellung des Jahres 1855, nahm
das Ausftellungswefen einen ftark egoiftifchen Charakter an, zugleich aber machte
fich ein Zug zu künftlerifcher und monumentaler Umgeftaltung des Paxton'fchen
Eifen-Glaspalaftes geltend. So entftand der Ausftellungsbau der Champs p^lyfdes
von Vieile, ein in feinen Umfaffungswänden aus Werkfteinen aufgeführtes Ge-
16
DIE AUSSTELLUNGSBAUTEN.
Sopraporte von F. Schönthaler.
bäude , das nur in den Bedachungen der modernen Eifen-Conftruction Raum liefs
und in deffen gefchwungenen Dächern, welche unterwärts aus Zink, oberwärts
aus Glas hergeftellt find, die traditionellen Formen der franzöfifchen Architektur
fich in charakteriflifcher Weife geltend machen.
Der Ausftellungspalaft des Jahres 1867, das grofse Welt-Ei des Champ de
Mars, brachte keinen weiteren Fortfehritt auf diefer Bahn. Nur das Eine mufs als
ein fchöner, theoretifch genommen wahrhaft genialer Gedanke ftets anerkannt
bleiben, dafs die Franzofen damals durch die concentrifche Anordnung der
Arbeitsgruppen, vom Rohproduct angefangen bis zur Kunft, diefer letzteren die
ihr im Gefammtgebiete der menfchlichen Thätigkeit gebührende centrale Stel-
lung auch räumlich angewiefen hatten. Die Kunft, als die höchfte Blüthe der
Civilifation, im Herzen der ganzen Anlage: das war das Neue und unübertrefflich
Gute in der Dispofition des Weltausftellungsgebäudes von 1867. Architektonifch
bedeutend war freilich fonft diefe Anlage nicht ; fie hatte überhaupt weniger prak-
tifchen als idealen Werth; es lag ihr mehr eine doctrinäre Abftraction als ein
eigentlich künftlerifcher Gedanke zu Grunde, und das Aeufsere vollends erhob
fich nicht über den Eindruck unzählbarer, kreisförmig neben einander geordneter
Welt-Jahrmarktsbuden *).
*) Den vielen nachträglichen Verhimmelnngen der Parifer Anlage gegenüber mag es nicht über,
flüffig fein, hier an das Urtheil eines franzöfifchen Autors über den Ausflellungspaltift von 1867 zu er-
innern: „Palais? Est-ce bien le nom qn'il faut donner h cette vaste construction qui enferme dans son
enceinte les plus nombreuses cr^ations de l'art et de l'indnstric qui aient jamais 6t^ rassembl^es dans
un m^me lieu? Non, si ce mot de palais impliquc n^cessairement l'id^e de la beautf, deT^Mganceou
de la majest^. Elle n'esf ni belle, ni ^l^gante, ni m^me grandiose, cette masse faite de fer et de bri-
ques, dont le regard ne saurait embrasser l'ensemble; eile est lourde, eile est basse, eile est vulgaire."
Kaenipfen, P.iris Guide, 11, 2007.
DIE AUSSTELLUNGSBAUTEN.
17
Diadem von Köchert & Sohn in Wien nach Entwurf von Th. v. Hänfen.
^flk
tw^
m
Ohrring und Collier von Köchert & Sohn in Wien nach Entwurf von Th. v. Hänfen.
DIE AUSSTELLUNGSBAUTEN.
Welche Stellung nimmt nun unfer Weltausftellungs-Palaft, zunächft im Gan-
zen und Grofsen angefehen, zu den gefchilderten Vorgängern ein? Es läfst fich
in der Gefammtanlage kein gröfserer Gegenfatz denken, als der Wiener Aus-
ftellungsraum gegenüber dem letzten
Parifer ihn darbietet. Statt des ge-
fchloffenen Oblongums mit feiner
ftreng normalen Circulation finden
wir hier ein vielgliedriges, mannigfach
bewegliches Ganzes, die fchärffte
Trennung von Mafchinenwefen und
Ackerbau, von Induftrie und Kunfl,
und innerhalb der vereinzelt flehen-
den Gebäude, welche diefen Haupt-
arten der Production gewidmet find,
wieder eine flrenge Sonderung der
Staaten und Nationalitäten. Theore-
tifch betrachtet, ifl diefe Zerklüftung
zweifellos ein Rückfehritt, die ifolirte
Lage der Kunfthalle befonders, fern
abfeits an den ftillen Ufern des Heu-
ftadelwaffers , zum wenigften keine
Bequemlichkeit für den Kunftfreund.
Andererfeits wollen wir uns freilich
auch den praktifchen Vorzügen nicht
verfchliefsen, welche das bekanntlich
einem Projekte des verflorbenen van
der Null entlehnte „Fifchgräten-
Syftem" namentlich für die bequeme
Inftallation der Ausftellungs - Gegen-
ftände und für eine fehr ausgiebige
Erweiterung der Räumhchkeiten dar-
bietet.
Doch auf diefen und anderen
praktifchen Dingen beruht die Eigen-
thümlichkeit der Wiener Ausftellungs-
bauten nicht. Ihr Charakter, ihr Vor-
zug ift künftlerifchcr Art; dafs
der leitende Architekt der Wiener
Ausftellung, dafs Hafenauer und
feine tüchtigen Genoffen Gugitz,
Korompay, Storck, Feldfcha-
rek, Weber, Graff oder wer fonfl
noch an der architektonifchen Aus-
ftattung des Ganzen Antheil hat — dafs fie dem Werke den Stempel heiterer
Schönheit und impofanter Gröfse aufzudrücken verftanden haben, darin erblicken
Notenpult des Wiener Mäniier-Gefang-Vereins
in Ebenholz, Elfenbein und Bronze,
von F. Schönthaler In Wien.
DIE AUSSTELLUNGSBAUTEN.
19
wir die höchftc und für uns erfreulichfte Eigenfchaft, durch welche fich das grofse
Wiener Unternehmen auszeichnet.
Allerdings hat den Kern des Ganzen wieder der englifche Geifl gefchafifen.
Die Rotunde, die Conception Scott-Ruf fel's, ifl; in ihrer alles bisher Dagewefene
kühn überflügelnden Grofsartigkeit eine Leiftiing, die vor Allem als Riefenvverk
der Eifenconflruction und Technik Bewunderung verdient und als ein für fich be-
ftehendes Ganzes gewürdigt werden will. Die Verbindung diefes Einheitlichen
mit dem vielgetheilten , polypenartig beweglichen Fifchgräten-Syftem, die künft-,
lerifche Löfung der damit gegebenen Widerfprüche, die Erfindung einer Archi-
tekturform, die auf den Riefenbau im Innern fchon gleich am Eingange vor-
bereitet: das war die Aufgabe, welche dem Architekten der Weltausflellung ge-
fleht war, und er hat fie in überrafchcnd glücklicher Weife gelöfl.
Den Centralraum der Rotunde läfst er durch mächtige Arcaden auf fchlanken
Säulen mit aufgefetztem Gebälkftück fich gegen die Seitenfchiffe öffnen. Der
ftolze Rhythmus diefer Arcaden durchtönt wie ein ernftes Mahnwort der Archi-
tektur die luftigen, reizvoll gefchmückten Hallen. Nicht minder gewaltig ftellen
fich die Portalbauten dar mit ihren tief einfpringenden, gleichfam zum lüntritt
einladenden Nifchen, ihren fegmentförmigen, den Dächern des Induftriepalafles
entfprechenden Abfchlüffen und den Paaren römifcher Säulen, die, auf hohe
Sockel geftellt, zu beiden Seiten die weitausladenden Gebälke ftützen. Das füd-
liche Eingangs-Portal, der Haupt-Eingang in den Induftriepalaft, hat die Grund-
form eines römifchen Triumphbogens, an deffen Attika wieder jene Segmentform
der Dachabfchlüffe decorativ zu Tage tritt, und der fich in einpm grofsen, ton-
nengewölbten und caffettirten Durchgange gegen die Vorhalle der Rotunde öffnet.
Von den beiden l'ortalen der Schmalfeiten haben wir das örtliche auf Seite 5
abgebildet. Die Pxkpunkte der Anlage find durch etwas gedrückt erfcheinende
Pavillons mit breiten Kuppeldächern im Louvreflyl markirt, welche an der Haupt-
frontc mittelfl luftiger Arcadenhallen in Verbindung flehen. Das Motiv der
grofsen Arcaden des Innern wiederholt fich hier im Kleinen, und befonders in
ihrer Anlehnung an die grofsartigen P'ornien des Triumphal -Thores bilden diefe
zierlichen, rechts und links verlaufenden Bogengänge einen der anmuthigflen
Züge in der Geflaltung des Aeufsern. —
Die Eormenfprache, deren fich die Urheber der Ausflellungsbauten bedient
haben, ifl kein reines Idiom; wo fpräche man heutigentags auch noch ein folches?
Aber ein allen gemeinfamcr Grundcharakter läfst fich doch gleich erkennen: es
ift der der Spatrenaiffance von zum Thcil italienifcher, vorwiegend aber franzö-
fifchcr P'ärbung.
Man .weifs, dafs verwandte Tendenzen fich in letzter Zeit in Wien, wie ander-
wärts, häufig Geltung verfchafft haben. Neben der ftrengen hellenifchen und der
neuerdings auf den Schild gehobenen deutfchen Renaiffance findet die Baukunfl
der l^arockzeit, namentlich in unfern grofsen Zinshäufern -und Paläflen, flets
wachfenden Raum und Anklang. Dafs die Bauten jener lange fo verächtlich an-
gefehenen „Zopfzeit" jetzt von Praktikern wie von Theoretikern wieder eifrig
rtudirt und in ihrer hiflorifchen und künfllerifchen Bedeutung, gewürdigt werden,
ifl nur ein Beweis mehr für die Rückkehr des „Gefchmackes" zu den Anfchau-
20
Kaifuiicrvice ; Flafchc, \N .
\\viuL,i.i.-, »v-'ii l.uÜliicVr Ui Wien.
22
DIE AUSSTELLUNGSBAUTEN.
ungen unferer Altvordern mit Haarbeutel und Allonge -Perrücke. Und es wäre
nicht fchwer, auch auf den Gebieten der Plaflik und Malerei, fowic in den ver-
fchiedcnften Zweigen der gewerblichen Künfle das Vorhandenfein analoger Be-
ftrebungen' aufzuweifen, deren Ziele man im Einzelnen verwerflich finden mag,
deren Exiflenz jedoch eine unabweisbare Thatfache ifl;.
Um bei der Architektur flehen zu bleiben: fo hat die Schule und hat jede
piiriftifche Baugefinnung zweifellos ganz Recht, fich diefen Tendenzen gegenüber
ablehnend zu verhalten. Man gebe der Spät-Renaiffance die Herrfchaft über die
Bildung der architcktonifchen Jugend in die Hand, und wir werden in kürzefler
Frifl bei der abfoluten Rohheit und völligen lüitnationalifirung angelangt lein!
Anders ifl die Sache, wenn man die fpecielle Aufgabe in's Auge fafst, welche dem
Architekten unferer Weltausflcllungsbauten geftellt war. Hier, bei der Geflaltung
von Räumen, die dem Geifle der ganzen Menfchheit und dem Triumphe der
Arbeit geweiht find, hier galt es, Maffen von gewaltiger Ausdehnung fchnell in
ein architektonifches Feflgewand zu hüllen, welches den Eindruck weltmännifcher
Eleganz und würdiger Pracht ausüben und zugleich den freundlichen Parkanlagen
und landfchaftlichen Umgebungen fich heiter und gefällig anfchmiegen follte.
Und gerade für die Löfung diefer Aufgabe bcfitzt der gewählte Styl in der gran-
diofen Rhythmik feiner auf römifcher Grundlage beruhenden Maffengliederung,
in den kuppclförmigen, fchön gefchwungenen I^achabfchlüffen und' in feiner zwar
fpielenden und äufscrlichcn, aber defshalb nicht minder anmuthigen Ornamentik
iMgenfchaften, wie fie kaum irgendwo fonfl fich günfliger beifammen finden laffen.
Der gefchickte Anfchlufs an das Beflichende, allgemein Verfiändliche und Ge-
fällige war wenigflens in diefem Falle gewifs richtiger als ein etwaiger Verfuch,
etwas ganz Abfonderliches , Neues oder Nationales zu fchaffen , wie es uns z. B.
in den unglückfeligen deutfchen Annexen und Pavillons zur allgemeinen Ver-
wunderung dargeboten wird. Wer von diefen kleinlichen, halb im Vogelbauer-,
halb im Fafsbinderflyl gehaltenen, barbarifch bemalten Holzfchuppen der Archi-
tekten Ky 11 mann und Hey den zu den Ilauptbauten des Ausflellungsraumes
emporfchaut, wird zugeben muffen, dafs er hier — bei manchem Zopfigen und
Flüchtigen im Detail — denn doch eine wirkliche Architektur vor fich hat,
die fich vor der Welt (ehen laffen kann.
Zum Einzelnen übergehend, werfen wir zunächfl einen Blick auf die zier-
lichen gedeckten Gänge, welche das lungangs-Portal an der Haupt-Allee mit den
Ausftellungsbauten in Verbindung fetzen. Dies .find • — ■ im geraden Gegenfatze
gegen jene Anlagen der Berliner Architekten — wahre Mufler eines an das
Material flirenge gebundenen und doch künftlcrifch veredelten Holzbauflyles.
Befonders gelungen, abgefehen von dem etwas überreich verzierten Haupteingange,
finden wir die Pxkpavillons und die dreigetheilten Durchfahrten der „Avenue
Elifabeth".
Der Urheber diefer Holzbauten, Herr Architekt Gugitz, hat auch an dem
Bau des Kaifer-Pavillons das Hauptverdienfl. Wie bereits bemerkt; haben die
erften Firmen der Wiener Kunflinduftrie fich vereinigt, um diefe für den kaifer-
lichen Hof beflinimten Räume mit den Koftbarkeiten ihrer Production zu fchmü-
cken. Das architektonifche Gehäufe ifl des prächtigen Inhalts würdig. Es flellt fich
DIE AUSSTELLUNGSBAUTEN. 23
als ein einftöckiger Bau mit erhöhter Mittelhalle und niedrigen Eck-Pavillons dar,
welche, wie der Mittelbau, flach gewölbte, mit Sculpturen gefchmückte Louvre-
üacher tragen. Die fchräg gegen das Süd-Portal des Induftrie-Palafles gekehrte
Vorderfeite ifl im Ganzen einfach gehalten; nur den Mittelbau zeichnet ein vier-
fäuliger korinthifcher Porticus aus. Reicher und gefälliger, dem Charakter des
Garten-Pavillons entfprechend , ift die Architektur der Rückfeite. Hier tritt an
Stelle des Porticus eine tiefe, von vorfpringenden Wandpfeilern mit Säulenvor-
lagen eingefafste Vorhalle, an welche links und rechts Loggien, von gekuppelten
toscanifchen Säulen geflützt, fich anfchliefsen. Durch diefe Loggiengänge gelangt
man aus der Vorhalle links in die Salons der Erzherzoge und Erzherzoginnen,
rechts in die für die Suite beftimmten Gemächer, während der Haupteingang
direct in . den grofsen Mittelfaal und von dort in die anfl:ofsenden Salons des
Kaifers und der Kaiferin führt. Das fatte Roth der Hallenwände mit ihren matt-
gelben Pilaflern belebt den freundlichen Anblick des Gebäudes von der Garten-
feite noch mehr. In der Mittelhalle, deren Fufsboden ein etwas zu helles und
buntes Glasmofaik von Salviati ziert, find die Wände oben von einem in pom-
pejanifchem Styl ausgeführten Friefe umzogen. Die Decke fchmückt ein alle-
gorifches Gemälde von Karl Schönbrunner, das zwar nicht uneingefchränktes
Lob verdient, aber dem gefpreizten, fleckig und branflig colorirten Bilde von
Boutibonne an der Decke des Hauptfaales weit überlegen ift. Das Decken-
gemälde im Salon der Kaiferin und die reizenden Grottesken an den Thüren
diefes Gemaches rühren von Profeffor Sturm her.
Die decorative Ausftattung und Einrichtung fämmtlicher Räume ift von Pro-
feffor Jofef Storck entworfen; Giani, Haas, Lobmeyr, Faber und Dam-
böck, Paulik und Schröffel, Bühlmayer, Ifella, Franzini, Vanni und
Andere haben in der Ausführung der koftbaren Gewebe, Möbel, Kamine und
Prachtgeräthe mit einander gewetteifert und ein Enfemble von fo ftylvoller und
gediegener Pracht gefchaffen, wie es wohl kaum jemals in neuerer Zeit für einen
vorübergehenden Zweck in diefer Vollendung hergeftellt worden ift. Wir über-
laffen die Würdigung des Einzelnen unferm Berichterftatter über die Kunftin-
duftrie, glauben aber demfelben nicht vorzugreifen, wenn wir den bedeutenden
Auffchwung, den das öfterreichifche Kunftgewerbe in den letzten Jahren genom-
men hat, fchon nach tliefen dem Kaiferfalon gewidmeten Arbeiten mit Freude
conftatiren.
Das Gegenftück zu dem Kaifer- Pavillon bildet der Jury- Pavillon, ein Werk
des Architekten Feldfcharek, der auch bei manchen der übrigen Ausftellung.s-
bauten dem Chef-Architekten zur Seite ftand und in dem zierlichen Bau, der den
Sitzungen der Preisrichter gewidmet war, eine fchöne Probe feines Talents ab-
gelegt hat. Die Gefainmt-Dispofition ift der des Kaifer -Pavillons verwandt, nur
dafs der Mittelbau, der den grofsen Verfammlungsfaal umfafst, beim Jury-Pavillon
zweiftöckig angelegt ift und die offenen Säulengänge, welche hier wie dort die
Rückfeite beleben, fich auch um den halbrunden Abfchlufs des Saalbaues herum-
ziehen. Die Dächer haben, dem fchlichteren Charakter des Ganzen angemeffen,
die geftutzte Pyramidenform. Unter den mit Mafs und feinem Gefchmack an-
gewendeten Ornament finden befonders die fchönen Eifengitter der Portale (f. die
26
DIE AUSSTELLUNGSBAUTEN.
Atlas, hellgelb mit hellblauem Mufter, von Phil. Haas & Söhne in Wien.
Abbildung, S. 13) und die theils in Stuck ausgeführten, theils in fchlichtem
Grau und Braun gemalten Details der Decke des Hauptfaales hervorzuheben.
Auf die Architektur der Kunfthalle hat llafenauer wohl mit Abficht am
wenigften Kunfl verwendet. Während fich die beiden im rechten Winkel vor-
gefchobenen Pavillons (der Amateurs und der Mufeen, ihrer urfprünglichen Be-
ftimmung nach) ftattlicher Säulenvorhallen- und hoher Freitreppen erfreuen und
während fich dadurch im Rücken de.s Hauptgebäudes ein von Per fiel's reich
gefchmücktem Ziegel-Portal von Often her zugänglicher „Kunflhof" bildet, ifl die
weftliche Fronte des Kunflausftellungsgebäudes nüchtern und faft ganz fchmuck-
los gehalten. Lang und niedrig ziehen fich die durch grofse Fenfter und eine
DIE AUSSTELLUNGSBAUTEN.
27
Atlas, olivenfarbig mit broiicirkm Durchfchufs, von Tliil. Haas & Sölme in Wien.
Reihe fchlichter Pilafter gegliederten Mauern hin, und weder die Ffeilerhalle des
Mittelbaues noch die abfchliefsenden Quertracte mit den Seitenportalen bringen
irgend ein bedeutfames künftlerifches Element in die etwas langweilig drein-
fchauende Maffe. Um fo mehr Studium und Berechnung ift auf das Innere ver-
wendet. Die Anlage der Räumlichkeiten in Bezug auf Gröfsenverhältniffe und
Licht-Dispofition ift das Refultat eingehender vergleichender Studien und Experi-
mente. Was wir hier vor uns haben, wird beim Neubau der kaiferlichen Ge-
mäldegalerie, deren Fundamente bereits aus dem Boden hervorfteigen , in allem
Wefentlichen übereinflimmend zur Ausftihrunt/ "clantjen. Der Bau der Kunft-
halle hat infofern fchon als folcher für Wien eine mehr als vorübergehende Be-
deutung, und es wäre fehr zu wünfchen, dafs die Erfahrungen, die man bei der
Generalprobe auf dem Weltausftellungsplatze macht, noch für die „Feft"-Auf-
führung vor dem Burgthor verwerthet werden könnten. Ohne uns in technifche
Detailfragen einlaffen zu wollen, darf doch fo viel wohl fchon jetzt conftatirt
28
DIE AUSSTELLUNGSBAUTEN.
werden, dafs das Oberlicht auch in der hier vorliegenden, mit aller Sorgfalt ab-
gewogenen Conftruction dem Scitenlicht in jeder Hinficht nachzuflellen ifl.
Das Seitenlicht bleibt nun einmal das natürliche Licht für Innenränme,
das Licht, bei dem die meiften Bilder gemalt, auf das fie geftimmt find. Alfo,
je mehr Räume mit Seitenlicht, deflo beffer die Galerie! Oberlichträume da-
gegen nur ausnahmswcife für Bilder gröfsten Formates und folche, die als Deco-
rationen von l'rachtfälen gedacht,
mehr auf das Zufammengehen mit der Archi-
Teller zu dem Kriiye von SKltzer in Eifenach auf S. 2g.
tektur als auf eme fpeciclle Bildvvirkung berechnet find! Legt man diefen Mafs-
flab an die Gcmäldefatiimlung der Kunflhalle an, fo ergibt fich, dafs hier viel zu
viel Oberlichtfäle und zu wenig Räume mit Seitenlicht vorhanden find. Die um-
fangreichen Hiftorienbilder laffen fich zählen — das konnte man im voraus
wiffcn — dagegen find Genrebilder, Landfchaften und andere Cabinetflücke,
wie gewöhnlich, zu Hunderten da, die nun wohl oder übel in das grofse Treib-
haus hinein muffen, in dcffen profaifch gleichmäfsigem und doch zerftreuend
wirkendem Licht fie rettungslos zu Grunde gehen. Wohlthuend und überficht-
lich, ein förderndes Element künftlerifcher Bildung ifl eine Gemäldefamnilung nur
dann, wenn fie das Gleichartige und harmonifch Zufammenftimmende in be-
fchränktem Räume darbietet, wie dies z. B. Schinkel's claffifche Berliner
DIE AUSSTELLUNGSBAUTEN.
29
Krug, helKveifse Thunfarbe mit lUaii, Roth
imd etwas Schwarz, von Sältzer in Eifciiacli.
Krug, nach einer Zeichnung von'Widnmann miKlclHrt
von M. Spiefs. Fabrik des Grafen Thun in Klöftcrle.
Galerie in ihrer urfprünf^lichen Anordnung that. Eine Reihe grofser Oberlichtfäle
mit fchichtenweife übereinander geordneten Maffen vorwiegend kleinerer, ja zum
Theil duodezförmiger Bilder mufs auch bei der fonfl gofchmackvoUften Auf-
ftellung den Sinn eher verwirren als bilden, das Auge ermüden, ftatt es zu er-
quicken.
Ich wende mich zum Schlufs dem Hauptgebäude der Induftrichalle zu, um
dem Kerne des Ganzen, der Rotunde, noch einige Worte zu widmen. Wir
fchreiten unter dem gewaltigen caffettirten Tonnengewölbe des Südportals und
30
DIE AUSSTELLUNGSBAUTEN.
Mufter aus der Bobbincl- und .Sinlzcn-Fabrik von M. Faber & Co. in Wien,
durch die grofsartige Ausftellung der Firma Haas und Söhne hindurch und wer-
den dann fofort des riefigen Zeltdaches der Rotunde anfichtig, das auf einer
fchlanken, rundbogig verbundenen l'feilerflellung ruhend, den kreisförmigen, von
einem breiten Umgang cingefafsten Raum übcrfpannt. Die architektonifche
Decoration diefer Pfeilerarcaden ift ebenfo reizvoll wie impofant; bcfonders fchön
find die von C. Graff gezeichneten vergoldeten Eifengitter vor den Lichtöfif-
nungen der Treppenpfeiler (f. die Abbildung, S. 12). Nur ein Punkt des Innern der
DIE AUSSTELLUNGSBAUTEN.
31
iil
.Muflci- all.-, ilci- llui,!,!
uiiil Siui/eii-l'abrik von .M. l-.üjLr v^' Co. in Wien.
Rotunde, von deren Conftruction als folcher ich ganz abfehen will, ift in unbe-
greiflicher Weife roh gelaflen: der Uebergang von dem Gefims der Pfeilerftellung
zu der Zeltform des ]3aclies. Die Pfeilerftellung trägt eine Galerie mit dürftigem
Eifengitter. Das Zeltmotiv läuft unten in einen grofsen, goldfarbig bemalten
Rundflab aus. Dazwifchen aber, im Rücken der Galerie, klafft eine weite Lücke,
in der die gebogenen Träger der radialen eifernen Dachbalken in häfslicher
Nacktheit zu Tage treten. Dafs dem feinen Auge des leitenden Architekten diefe
32
DIE AUSSTELLUNGSBAUTEN.
Andromoda.
Marmorßgur von Edmund Ilcllnier.
wunde Stelle entgangen fein follte, läfst fich kaum denken. Es wird wohl irgend-
wo anders gefehlt haben, als man im Drange der Begebenheiten an die architek-
tonifche Decoration der Rotunde kam.
C. V. Lütcaw.
t/1
U
-3
C
a
o
Oä
Sammet- Bordüre von Drächsler in Wien.
Aeussere und innere Decoration der Ausstellungsbauten.
Des fchönften Schmuckes, deffen fich die Gefammtanlage der Wiener Welt-
ausftellung rühmen kann, der herrlichen Praterauen mit ihren ehrwürdigen Baum-
gruppen, ift bereits bei der Befchreibung des Ausftelkmgspalaües Erwähnung ge-
fchehen. Unvergeffen bleibe dabei aber auch das Verdienfl; des Gartenkünfllers
und Architekten, durch welche diefes malerifch verfchlungene grüne Band mit
der fymmetrifch angeordneten Gruppe der Hauptgebäude in Einklang gebracht
worden ift. — Gartenkünftlerifche'Leiftungen von höherem Werth hat unfere Zeit
bekanntlich nur fehr wenige aufzuweifen; wir meinen folche, in denen die Archi-
tektur eine Rolle fpielt. Das landfchaftliche Element hat in der modernen
Gartenkunft das architektonifche verdrängt, fogar aus derjenigen Pofition verdrängt,
welche von Rechtswegen ftets die Domaine der Architektur bleiben follte, den
Parkanlagen innerhalb der Städte. Gerade in diefem Gebiete, in der Bepflanzung
von Plätzen, in der Anlage von Squares werden heutzutage die unglaublichften
Fehler begangen, auch in Wien, das fich einer fo reichen und felbftbewufsten
Entwicklung feiner modernen Architektur und dazu in feiner allernächften Nähe,
in der Parkanlage von Schönbrunn, eines fo claffifchen Mufters architektonifcher
Gartenkunft rühmen kann. Der Stadtpark möge noch hingehen; er liegt wenig-
ftens zum Theil am Ufer eines — freilich wenig reizenden — Flüfschens und ift
auf zwei Seiten von Alleen und älteren Gartenanlagen eingefäumt: ein Garten
zwifchen Gärten. Aber ganz verkehrt ift es, wenn man das im Stadtparke be-
folgte Princip nun auch auf den neuen Rathhauspark anwendet und hier, wo nur
einige Reihen fchattiger Bäume mit fchönen Springbrunnen und E.xedren am
Platze gewefen wären, ein kleinliches Gewinde von Wegen und Plätzchen fich
ausbreiten läfst, das mit IMumenbeeten urKi Gebüfch allerdings recht zierlich ge-
fchmückt ift, aber für den rafchen und bequemen Verkehr weder die praktifchen
Vortheile, noch für den Luftwandelnden die Annehmlichkeiten darbietet, wie die
fchattige Kühle der Alleen, vor Allem aber ftyliftifch an diefen Ort nicht pafst,
der von drei monumentalen Gebäuden erften Ranges begränzt, der Mittelpunkt
des ftädtifchen Lebens im neuen Wien zu werden beftimmt ift.
Wie eine folche Aufgabe zu löfen, wie die Verbindung von Gartenkunft und
Architektur herzuftellen ift, um dadurch einen wahrhaft impofanten Eindruck zu
AEUSSERE UND INNERE DECORATION ETC.
35
erzielen, davon giebt nun eben der Park vor der Induftriehalle ein beachtens-
werthes Beifpiel. Eine breite, von vier Baiimreihen einf^cfafste Strafse, die
„Kaifer-Allee", verbindet den Haupteingang an der Nobelallee des Praters mit
dem grofsen Südportal des Induftricpalafles. Vier Querwege und die breite
„Avenue Elifabeth", welche die „Kaifer-Allee" und die mit ihr parallel lau-
fenden Wege durchfchncidcn, ftcllen die Verbindungen mit den gedeckten
Laubengängen dar, welche den Platz rechts und links in fynimetrifcher Anord-
nung umfäumen. Die Flächen zwifchen den bekieflen Wegen find mit eben-
falls regelmäfsig angelegten Baffins, Fontainen und Rafenplätzen ausgefüllt,
von deren faftigem Grün Blumenbeete, Vafen und Statuen fich abheben. Gegen
das Hauptgebäude zu eröffnet fich die Parkanlage; einige Stufen führen zu dem
Perron des Triumphbogens empor, vor dem nur gröfseren ftatuarifchen Werken
noch Raum gegeben ifl:, um auf den Eingang in das Innere würdig vorzubereiten.
So bleibt jedem fein Recht: die Architektur wird ifolirt, foweit es nöthig ifl:, um
fie wirkfam zu machen ; die Gartenkunft andererfeits darf alle ihre Reize entfalten,
und dies um fo freier, je weiter fie fich aus der Machtfphäre der Architektur
entfernt und dem Walde nähert, von dem fich einige alte Stammhalter fogar
bis in die grünen Matten an den Baffins vorgedrängt haben. Sie beleben die
Regelmäfsigkeit, ohne fie zu ftören und tragen -mit dazu bei, den Charakter
des flüchtig P^ntflandenen und Ephemeren, von dem überhaupt an der ganzen
Anlage fafl: nichts zu merken ifl:, fern zu halten.
Die Rückfeite des Parks, zwifchen dem Induftriepalaft und der Mafchinen-
halle, ifl durch die Ueberfülle der Annexe, Pavillons, Reftaurationen und Bauern-
häufer aller Art um feine ganze Wirkung gekommen. Nur die Mittelpartie mit
Zumbufch's Maximilian-Denkmal zwifchen den Bauten des Deutfchen Reiches
bildet einen erquicklichen Ruhepunkt in diefer wirren Maffe. Zum Glück hat
man die Plätze vor und hinter der Kunflhalle frei halten können; ihre fchlichten
Rafenböfchungen und Blumenparterres harmoniren vortrefflich mit dem anfpruchs-
los würdigen Styl der Bauten des Kunflliofes. —
Nicht minder glücklich als diefer natürliche Schmuck ifl die bildnerifche und
malerifche Decoration der Ausflellungsgebäude. Am Aeufseren fiel der Plaflik
die Hauptaufgabe zu, und die tüchtigften Kräfte der älteren und jüngeren Bild-
hauergeneration haben mit einander gewetteifert, fie würdig der in Wien für die
decorative Plaflik eingebürgerten Traditionen zu löfen.
Man weifs, dafs in diefen Traditionen bis auf die jüngfte Zeit herab, in der
hier die Dresdener und Münchener Schule Boden gefafst haben, die akademifche
Antike im Sinne der älteren römifchen Atelierpraxis der herrfchende Styl ge-
bliebeTi ifl. V.'m refolutes Dreingehen in oft etwas maffige derbe Formen, Schwung
und Leben im Aufbau bei allerdings meiftens etwas oberflächlicher und fchab-
lonenhafter Behandlung des Details : das find die Vorzüge und Mängel der Schule,
die wir auch in diefen Arbeiten wieder finden. Im Ganzen aber mufs zugeflanden
werden, dafs man den Werken die Kürze der Zeit nicht anmerkt, in der fie ent-
ftanden find, und dafs die meiften von ihnen dem elenden Gypsmaterial, aus dem
fie beliehen , fogar zu viel Ehre anthun und fehr wohl würdig wären , in einen
dauerhafteren Stoff überfetzt zu werden.
36
AEUSSKRE UND INNERE DECORATION
Sudporlal der Iiiduruichalle.
In den plaflifchcn Schmuck des Hauptportals haben fich fieben Künfller ge-
theilt. Von der bekrönenden Coloffalgruppe von Vincenz Pilz war fchon früher
die Rede. Sie baut fich impofant, in fchön gezeichneten Linien auf und läfst
auch auf die bedeutende Ilöhendiftanz den Grundgedanken und die Einzehnotive
der Geftalten deutlich erkennen. Die Hauptfigur der Auflria, die vielleicht durch
eine Kopflänge mehr noch an Wirkung gewonnen haben würde, breitet die Arme
aus, den Völkern zum Willkomm, die durch das Thor einziehen; in der Rechten
hält fie den Kranz dem Sieger im friedlichen Wettflreit entgegen; neben ihr flehen
zwei Ruhmesgenien und links und rechts von diefen find die Allegorien der Gerech-
tigkeit und der Gcfchichte, zu der Auflria emporblickend, auf Stufen hingelagert,
das Ganze in Dreieckform abfchliefsend. Die Attika darunter ifl mit vier Wappen-
fchilder haltenden Löwen von Zafauk ausgeftattet ; den grofsen, in die Attika
einfchneidenden Flachbogen füllt in der Mitte em von zwei riefigen Greifen ge-
haltenes gekröntes Adlerfchild. Den reichften Theil der Decoration aber bietet
der untere Theil des Portals. Rechts und links zwifchen den Säulen fitzen in
giebelbekrönten Nifchen die Allegorien des Friedens und Wohlftandes von Koch;
DER AUSSTELLUNGSBAUTEN.
37
lii'ii I
r r 7 T— T'
Majolikabriiiiiieii-liiitwuif von Walentin Tcirich,
ausgeführt von Jer Wicnerberger Ziegelfabriks- und Uaugervllfchaft.
38 AEUSSERE UND INNERE DECORATION
darüber ziehen fich lebendig componirte Kinderfriefe von dem feit einiger Zeit
in Wien anfäffigen franzöfifchen Bildhauer Deloye hin; die Porträtmedaillons
des Kaifers und der Kaifcrin darüber arbeitete Donath; die von fchön wallenden
Gewändern umgebenen fchwcbcnden Victorien der grofsen Bogenzwickel lieferte
der Vorftand der k. k. Erzgiefserei Pönninger, und endlich ift auch noch das
Gefims der kleineren Bogenhalle, welche in das Triumphthor eingefügt ift, mit
zwei allegorifchen Statuen der Auftria und Hungaria von der Hand des talent-
vollen He lim er gefchmückt.
Die drei übrigen Portale, welche nicht als Triumphbogen charakterifirt find,
fondern oben in der Segmentform der Hallendächer abfchliefsen, tragen eine
nicht minder reiche plaftifche Decoration, die hier, bei der gefchloffeneren Com-
pofition des Ganzen, fogar eine noch opulentere Wirkung macht. Die Höhe des
Bogens ift am Nordportal mit einer Allegorie des Weltverkehrs von Melnitzky
auHgeftattet, einer Gruppe von drei recht fleifsig gearbeiteten weiblichen P'iguren,
die jedoch weder im Rhythmus der Linien noch in der Lebendigkeit der Behandlung
dem Werke von Pilz gleichkommen. Viel gelungener fuul die mächtigen Atlanten-
gruppen deffelben Künftlers auf den Segmentbögen der beiden Seitenportale. Den
Greifengeftalten, welche die Giebelecken zieren, wäre etwas mehrKörper zu wünfchen
gewefen. Von den übrigen maffenhaften Details an diefen drei Portalen begnügen
wir uns, die fitzenden allegorifchen Nifchenfiguren von Preleuthner, Gaftell
und Schmidgruber namhaft zu machen. Den beiden Seitenportalen leiht vor-
nehmlich die glückliche Verbindung von plaftifchcr und malerifcher Decoration
einen grofsen Reiz. Die Malerei ifl in einfachen bräunlichen und gelblichen
Tönen gehalten und fchmiegt fich mit ihren Rankengewinden, Bändern und
Feftons der Nifchenform der Portale gefällig an.
In den viel einfacher gehaltenen bildnerifchen Schmuck der Kunfthalle und
der „Pavillons des Amateurs" theilten fichBenk, Mitterlechner undHellmer.
Von Erfterem, "einem Schüler Bauer's und Hähnel's, rührt die fchöne allegorifche
Gruppe der drei Künfte her (f die Abbildung, S. 41), welche über den vier Ein-
"äniren der Kunfthalle fich wiederholt. Vortrefflich ftimmen dazu die hübfchen
wappenhaltenden Genien an den Ecken, von Mitterlechner.
Ueber die minder gelungenen , in der Mehrzahl ganz decorativ behandelten
Sculpturen am Kaifer- und Jury-Pavillon eilen wir hinweg und gedenken fchliefs-
lich nur mit zwei Worten noch der Coloffalgeftalten an der Mafchinenhalle, Zeus,
Aeolus, Pluto und Neptun, von Silbe rnagel. Nur die beiden Erftgenannten
haben den rechten Ort ihrer Beftimmung, auf dem Süd- und Nord-Giebel des Mittel-
baues der Halle, erreicht und machen fich dort ganz impofant auf dem fonft völlig
fchmucklos gehaltenen Gebäude. Mit den fcheu gewordenen Adlern des Zeus
auf den Giebelecken wollen wir nicht zu ftreng in's Gericht gehen. Aber ganz
verwunderlich kommen uns der Unterwelts- und Meeresgott vor, die. man — wir
wiffen nicht, aus welchem Grunde — nicht auf den beiden andern Giebeln, fon-
dern aufsen am Boden zur Seite des weftlichen Eingangs niedergefetzt hat, wo
fie fich in der unmittelbaren Nähe der Dampfkrahne und fonftigen Mafchinen-
ungeheuer wenig heimifch fühlen. —
•Das Aeufsere der Ausftellungsbauten trägt, als imitirter Steinbau, einen
DER AUSSTKLLUNGSBAUTEN.
•M
. Silberner Tafelauffatz von J. M. van Kempen, Voorfchoten in Südhullanci.
durchaus monumentalen Charakter. Hier war daher die Plaftik in erfter Linie
zur Decoration berufen. Die ornamentale Malerei orcinetc fich ihr unter und tritt
nur an einigen Stellen, wie z. ]J. in den Nifchenwölbungen der Seitenportale, in den
Vorhallen des Kunfthofes und an den Langwänden der Induflrieh.ille in zarten,
nach Art des Sgraffito behandelten Muflern helfend ein, um die Gefimsbänder
und I'ilafter anmuthig zu beleben. Ganz anders ifl: die Sache im Innern. Hier
40
AEUSSERE UND INNERE DECORATION ETC.
Rhein, Main, Neckar und Mofel. Gruppe von Villebois in München.
galt es, den Charakter der Eifen- und Holzconftruction als folchcn zu wahren
und ihm doch, durch eine gefällige Decoration, die Sprödigkeit zu benehmen und
einen künfllerifchen Reiz zu verleihen. Prof. Jofef Storck, der feinfmnige Er-
finder der Decoration des Inneren, hat diefe Aufgabe in höchft origineller und
anfprechender Form gclöft. Die eifernen Träger an den Langwänden umkleidete
er mit Holzbalken, und überzog diefe, fowie fämmtliche Füllungen der Wände
und Gefimfe mit bedrucktem Jutefloff. Eine zierliche Flächenornamentik in kräf-
tigem Roth, Gold, Hellgelb und lilau hebt fich von dem neutralen warmgrauen
Grundton der Jute fein und maafsvoU ab und giebt den durch hoch angebrachte
Seitenfenfter gut beleuchteten Räumen ein fefllich heiteres Gepräge. Wäre der
Entwurf Storck's, der bei der Decoration der Wandflächen noch kräftigere Farben
anwenden wollte, im vollen Umfange zur Ausführung gekommen, fo würde die
Wirkung entfchieden eine noch günftigere fein. Nicht unerwähnt wollen wir
laffen, dafs die Motive der inneren Decoration in die gefchmackvolle Titelver-
zierung verflochten fmd, mit welcher Prof J. Storck diefen unferen Bericht aus-
geflattet hat.
Fafst man die Leiflungen der Decorateure an plaftifchem und gemaltem
Schmuck zufammen, fo ergiebt fich aus ihrer Bethätigung beim Weltausflellungs-
bau von Neuem, dafs Wien fich in diefer Beziehung vor keiner Rivalität zu
fcheuen braucht. Architektur und ornamentale Kunfl fmd unfere flarken Seiten.
Die übrigen Künfle bedürfen der gröfsten Rührigkeit und einer unausgeletzten,
von hohen Gefichtspunkten ausgehenden Pflege, wenn fie es zu gleichen Erfolgen
bringen wollen.
C. V. Lützow.
jrAn. «fTO««oc»
Die bildenden Künflc, Gruppe von Bcnk.
Das Kunstgewerbe.
I. Wohnungs-Ausstattung.
Drei Fragen werden fich uns im Folgenden vor allem aufdrängen, eine inter-
nationale, eine nationale und eine orientalifche Frage.
Die internationale Frage, das ift die Reform der modernen Kunftinduftrie
und des allgemeinen Geschmacks auf dem Wege der Lehre und des Unterrichts
durch Mufeen und Schulen. Von England angeregt, gährt fie jetzt in allen Cultur-
staaten, und mag fomit wohl als eine internationale bezeichnet werden. Sie ift
auch eine eminent feciale, infofern als es fich bei ihr um Verfchönerung unserer
Umgebung, um Idealifirung unfcres Lebens handelt.
Die nationale Frage in der Kunftinduftrie, eine Frage von noch fehr jungem
Datum, bezieht sich auf das, was fich in verschiedenen Ländern von alter eigen-
thümlicher Kunfttradition in häuslicher oder gewerblicher Arbeit erhalten hat.
Diefe Traditionen find von unferer rafchen, nivellirenden Zeit wie alles Coftiim-
liche von fchnellem Untergange bedroht, und es ift die Aufgabe, diefelben zu
retten oder für die moderne Kunftinduftrie zu verwerthen.
Zum dritten die orientalifche Frage. Die farbige, decorative Kunft des Orients
ift feit den Weltausftellungen aus ihrer ifolirten Ruhe herausgetreten, fie ift eine
Gröfse für Europa geworden, dringt in feine Induftrie gewaltig ein und droht
feinen Gefchmack auf gewiffen Gebieten vollftändig umzuwandeln.
An diefen drei P>agen nimmt die Kunftinduftrie fämmtlicher Länder und der
Culturftaaten insbefondere Theil, und je durch die Stellung, die fie dazu nehmen,
ift auch ihre kunftinduftrielle Physiognomie bedingt. Sie find demnach auch für
unferen Bericht von ganz befonderer Wichtigkeit, da wir es weniger auf die Dar-
legung des heutigen Zuftandes in den einzelnen Induftriezweigen, als auf den
eigenthümlichen und charakteriftifchen Antheil der Länder und Staaten an dem
kunftinduftriellen Schaffen der Gegenwart abgefehen haben.
»
42
DAS KUNSTGEWERBE.
Für unfere überfichtliche Schilderung ordnen wir uns den Stoff nach zwei
Gruppen, indem wir einmal uns die Wohnung betrachten wollen, mit dem, was
fpeciell zu ihrem Schmuck und zu ihrer Ausftattung gehört, und fodann insge-
fammt die übrigen mehr frei und unabhängig gefchaffenen Dinge.
I. Die Wohnung.
-tj^fo-
I. Die moderne Wohnung.
Man follte denken, mit unferer Wohnung fei es gerade
wie mit der Mode, die ja durchaus international und nicht
national ifl, aber gar keine Frage bildet. Die Mode wird
von irgendwo dirigirt, und jeder beugt fich ihr, weil es einmal
fo fein mufs, ohne zu fragen und zu denken. So war es
auch mit der Wohnung. Die Mufler für Tapeten, Möbelfloffe
und Tapezierarbeiten kamen von Paris, was von Paris kam,
war fchön und gefchmackvoll, und es galt nur, das Neviefte
recht neu und fchnell zu haben. Das war der Standpunkt der
modernen Induftrie, der modernen Civilifatiön in den moder-
nen Culturftaaten. Ja, wenn wir recht berichtet find, fo foU
es irgendwo in deulfchen Landen eine Muftercentralanflalt
gegeben haben, die ihre eigenen Agenten an den Ufern der
Seine hielt. Die lagen befländig auf der Lauer, hörten das
neue Gras wachfen, ergatterten die jungen Mufler und fende-
ten fie flugs heim zur Mutteranflalt, von wo fic, mit der Scheere
getheilt, den Fabriken des Landes zufloffen. Wenn nun mit
der Saifon von drüben her aus der grofsen Geburtsstätte der
Moden die neuen Tapeten, die neuen Modeftoffe in die Welt
hinauskamen, da fanden fie überall fchon ihres Gleichen und
hatten das Nachfehen mit langen Gefichtern. Es ift gerade
wie die Gefchichte von dem berühmten Wettlauf auf der
Buxtehuder Haide, wo der kluge „Swinegel" und des Swinegels
Frau auch immer rufen konnten, wenn der Hafe ankam:
„Ich bin fchon hier", und fo dem fchnellen Kunftläufer den
Sieg abgewannen. Natürlich glauben wir die Gefchichte nicht.
Nun, heute ift: es nicht mehr fo: die Zeiten haben fich
geändert und werden fich noch mehr ändern. Nur in den
unteren Tapeziererregionen und ihrem Publicum, oder in jenen
Häufern, wo der erfte, fchnell erworbene Reichthum nach
Glanzentfaltung drängt, da imponirt noch „das Neue" und
„das Neuefle". Alles, was fich auf die Ausftellung gewagt
hat, das lehrt uns erkennen, dafs die Wohnung auch eine
künftlerifche geworden ift, und dass die Nationen zu ihr Stellung genommen haben
oder zu nehmen trachten.
Frankreich, wenn man will, repräfentirt noch die Mode, aber was wie
Bordüre von Drächsler
in Wien.
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
43
Mode erfcheint, das ift in der That nur fein eigener conflanter Charakter. Was
wir heute fehen, ifl der Art nach gar nichts anderes, als was wir 1867 in Paris
fahen. Nur Einzelheiten und Nebenfachen fchlagen eine andere Richtung ein,
fügen fich aber für jetzt aufs allerbefte in die alte Ordnung. Dies gilt z. B. von
den nicht feltenen orientalilchen Muflern, die als applicirte Stickereien oder in
den Geweben zur Verzierung der Möbel verwendet werden. Die orientalifche
Frage ift für Frankreich noch von geringerer Bedeutung als ■/.. B. für Fngland
und zumal für Oesterreich. Ebenfo find die Spuren, welche die Wirkung der
internationalen Frage, d. h. die Beftrebungcn für eine Reform in antifranzöfifcher
Richtung, erkennen läfst, nicht unbedeutend, aber die franzöfifche Kunflinduftrie
kann vieles verdauen und wird damit in ihrer Weife fertig; fic nimmt das Fremde
und Fremdartige auf und wandelt es in ihr Eigenes um. Denn das ift eine der
wefentlichften Eigenfchaften des franzöfifchen Gefchmacks, nicht dafs er Neues
fchafft und erfindet, fondern die Empfänglichkeit für alles Fremde und das Ta-
lent, es feiner Weife conform zu machen. Daher einerfeits in der franzöfifchen
Kunftinduftrie eine aufserordentliche Vielfeitigkeit, andrerfeits voUftändiger Mangel
an Originalität; der franzöfifche Künftler ift findig, aber nicht erfinderifch.
In der Hauptfache lebt der franzöfifche Gefchmack und fomit auch alles,
was die Wohnung betrifft, noch ganz im Stil und in den Stilarten des achtzehnten
Jahrhunderts; er verfchmäht keine derfelben, nur dafs fich die Vorliebe mehr und
mehr von dem Anfang hinweg gegen das Ende diefes berühmten Säculums ge-
zogen hat. Jene Zeit gefiel fich im Capriziöfen, in willkürlichen Einfällen, ftand
auf gutem Fufs mit den Bizarrerien von China und Japan, brachte das Perfifche
in Mode, kokettirte in fpäterer Periode mit der Antike, liebte die Bagatelle und
trug den coloffalen Reifrock, und zeigte fich fomit ziemlich tolerant im künftle-
rifchen Glauben. Auf ftiliftifchc Dogmen und ftarre Confeffion gab fie nicht viel ;
nur hatte fie ihre Vorliebe, ihre Paffionen. Das mufs man bedenken, wenn man
in den verfchiedenen Decorationen und all dem bunten, fcheinbar künftlerifch fich
widerfprechenden Geräth, das uns die franzöfifche Ausftellung zur Ausftattung
der Wohnung vor Augen führt, den gemeinfamen Charakter erkennen will.
Die Franzofen haben in einem ihrer überdeckten Höfe Modelle von Zimmern
oder Theile von Zimmern ausgeftellt, die aber keinen vollftändigen Begriff der
franzöfifchen Wohnung geben. Wir muffen das Bild aus dem, was Tapezierer,
Möbelfabrikanten, Teppichweber u. f. w. ausgeftellt haben, insbefondere aber
auch aus den kleinen Räumen des franzöfifchen Commiffionshaufes ergänzen,
dann erhalten wir die Ideen, die den franzöfifchen Decorateuren noch immer als
Ideale vorfchweben. Da ift (von Picarel) das Stück einer Wand mit der Thüre
und dem Felde darüber, weifs mit goldenen Rococo-Ornamenten in Relief und
mit einem zarten Gobelinsgemälde in der Sopraporte; da ift daneben (von Noel
Quill et) eine andere Wanddecoration mit reich gefchnitzten Ornamenten und mit
einem flachen Relief über der Thüre, das von zwei Amoretten gehalten wird,
alles weifs wie Stuck mit zartem Grau und Chamois, und eine ähnliche von
Lef^bre mit reichem Stuckgefims in Weifs und verfchiedenen kalten Draptönen.
Sind wir damit nicht ganz in der Mitte und der zweiten Hälfte des achtzehnten
Jahrhunderts? Setzen wir die reichen Himmelbetten von Levy & Worms und
44
DAS KUNSTGEWERBE.
von Fourdinois hinein mit ihren blaffen Farben und ihren duftig zarten Gobelins,
welche die Füllungen der Bettftätte zu Kopf und Füfsen, dort wo man fonft
Schnitzereien zu fehen gewohnt ift, überdecken, fie paffen völlig hinein und würden
der Zeit und dem Gefchmack der Pompadour und der Dubarry keine Schande
machen. Mit den Möbeln muffen wir fchon zum grofsen Theil in die Zeit der
Königin Marie Antoinette hinabfteigen, denn ihr gehören die zahlreichen Tifche,
Kaften, Schränke, Etageren und mancherlei anderes Phantafiegeräth von ziemlich
fteifen und magern Formen mit eingelegter Holzarbeit und vergoldeter Bronze-
ornamentirung an : alles zart, füfs, fchwächlich, überzierUch, wie es dem Gefchmacke
jener Zeit gefiel. Siehe unter anderm die Arbeiten bei Charmois und Lema-
r inier. Da paffen denn auch die Gobelins hinein mit ihren pafloralen oder alle-
gorifch-mythologifchen Scenen, die in ziemUch überrafchender Zahl von verfchie-
denen Fabriken ausgeflellt find (Braquenie, Duplan & Comp.), und die
Jardiniere von Silber, von Meyen & Co. in Berlin.
gobehnsüberzogenen Sophas und Fauteuils mit ihren mageren Lehnen und ihren
gekrümmten Beinen, die freilich mit ihrer Decoration noch immer aller Vernunft
brutal in's Antlitz fchlagen. Wenn die Rococozeit kleine Landfchaften oder
Scenerien, zierhch in Blumenrahmen gefafst, der Form des Sitzes oder der Lehne
anpafste, fo überdecken hier mannsdicke Bäume, Tempel und Schneegebirge die
Möbel, unbekümmert um alle Form, um alle Polflerung, welche der heutigen
Tapezierkunfl gefälk, aller Natur zuwider hemifphärifch zu geftalten. Ifl die Ver-
wendung folcher gewebter Bilder für den Sitz fchon an fich unangemeffen, um
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
45
Blumenvafe in vergoldeter Bronze von Hollenbach, nach Zeichnung von Claus in Wien.
wie viel mehr in diefer gefchmackwidrigen Art der heutigen Franzofen! Man
fleht, bei allem Gefchick, bei aller Mache fehlt fchliefslich doch das Gefühl.
Es paffirt ihnen Aehnliches mit den Fufsteppichen. Hier blüht noch die
ganze Blumenliebhaberei der Franzofen, freilich nicht mehr in der derben, breiten
und wilden Art, wie fie in den letzten Jahrzehnten Mode war, ein wenig gezähmt,
felbfl füfslich in den Farben, welche fich den duftigen Tönen des achtzehnten
Jahrhunderts zu nähern trachten, und in die immer noch naturaliftifche Zeichnung
ifl eine Art Syftem der Wiederholung gebracht. Da ift es um fo unnatürlicher,
46
DAS KUNSTGEWERBE.
wenn wir zwifchen diefen fich kreuzenden Blumenranken, Pflanzen und Bäumen
hindurch in Gletfcherlandfchaften hineinfehen, in die unfer Fufs hineintreten foU.
Wir hätten folche Abfurditäten, wie fie die Fabriken von Nimes als ihre Pracht-
ftücke ausftellen, nicht mehr erwartet. Es fcheint aber faft, als ob diefer fchon
verfchollene Gefchmack noch einmal wiederkehren will. Die Farben, haben wir
gefagt, find gemäfsigt gegen früher, aber immer noch fo lebhaft, dafs ganz wider
alle Ordnung in einem franzöfifchen Salon die gröfste Farbenpracht oder fagen
wir Farbenunruhe auf dem Boden liegt. Während jeder ächte JCunftftil auf dem
Boden für das Auge die Ruhe fucht und fich nach oben hin mit feiner Decora-
tion reicher und reicher entfaltet, ift es bei dem franzöfifchen Salon umgekehrt:
oben am Plafond farblofer weifser und grauer Stuck, unten blühende Farben-
pracht und an den Wänden die neutralen Zwifchentöne. Dem ganz entfprechend
legen die grofsen franzöfifchen Teppiche, welche den ganzen Salon in einem
Stück bedecken und diefes Stück mit einer einzigen reichen Compofition ver-
zieren wollen, den Plafond geradezu auf den Fufsboden. Sie imitiren den reichft
componirten Plafond mit feinen Stuckreliefs, mit architektonifchen Ornamenten,
mit Medaillons und Figuren, überfetzen ihn in Farbe, zeichnen ihn im Relief mit
Hinzufügung von Lieht und Schatten und kehren fo buchfläblich das Oberfte zu
unterft. In diefer grundverkehrten Art ifl das Prachtflück der franzöfifchen Tep-
pichwirkerei von Braquenie freres.
Es wird nicht nöthig fein, das achtzehnte Jahrhundert noch weiter in der
heutigen franzöfifchen Wohnung, foweit fie wcnigftens auf künfHerifche Decoration
Anfpruch macht, nachzuweifen ; wir haben vielmehr einer auffallenden Erfcheinung
daneben zu gedenken, welche ihr zu widerfprcchen fcheint und auch widerfpricht.
Der heutige Franzofe lebt, was die Kunfl; betrifft, im achtzehnten Jahrhundert,
er fchläft auch darin, aber er fpeifet im fechszehnten. Das ifl die Regel, dafs,
während Salon und Schlafzimmer im Stil Louis XV. und XVI. gehalten find, das
Speifezimmer im Stil der Renaiffance eingerichtet ifl:, und diefes führt zur Erklä-
rung vieler Gegenfländc in der franzöfifchen Ausflellung. Das charakteriflifche
Beifpiel dafür giebt uns das fchon erwähnte franzöfifche Commiffionshaus. Hier
haben wir auf der einen Seite den blumigen, lichtgrauen Salon mit feinen vorne
ausgefchweiften Gobelinsmöbeln, auf der andern Seite das dunkle ernfle Speife-
zimmer mit fehr fchöner Goldtapete im Renaiffanceftil, mit ftrengen ftilvollen
Ebenholzmöbeln und mit wirklich anfprechender, anheimelnder und doch eleganter
Haltung, wobei nur der Plafond mit feiner verzopften Malerei, feinei\i Gewölbe
uhd feinem blauen Himmel, in dem fich der grofse Luftre höchft komifch verliert,
einen gar fonderbaren Mifsklang bringt. Zuweilen begnügt fich der Franzofe
auch nicht mit Rococo und Renaiffance, fondern er raucht feine Cigarre und
nimmt feinen Cafe im Orient und badet in Pompeji, im Griechenthum. Wir
kennen ein vornehmes, von einem franzöfifchen Decorateur eingerichtetes Haus
in Wien, worin man die ganze Kunft- und Culturgefchichte an einem Tage durch-
leben kann.
Diefe Nebenftellung der Renaiffance hat vorzugsweife zur Ausbildung der
franzöfifchen Ebenifterei geführt. Die Parifer Credenzen, die Bücherkaflen und
fonftigen Möbel von Ebenholz und Eichenholz oder Ebenholz-Imitation mit ge-
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
47
fchnitztcn Ornamenten find von allen Ausftellungen her berühmt, und fo fehcn
wir auch diesmal glänzende Beifpielc, insbefondcre bei Gueret frcrcs, Henri
F o u rd i n o i s, der 1867 die am meiflen bewunderte l'rachtarbeit hatte, und bei R o n-
iliUon, deffen keineswegs vollkommen gut gearbeitetes Hauptftiick, ein Karten
mit zwei Thüren und zarten, aus dem Relief in Marquctcrie übergehenden Orna-
menten vom Berliner Gewerbemufeum gekauft wurde. Alle diefe franzofifchen
Arbeiten haben zwei Eigcnfchaften, die fie, im Geifte wenigftens, dem achtzehnten
Jahrhundert nähern und wefentlich von den ähnlichen italienifchen Arbeiten
unterfcheiden : einmal die aufscrordcntliche Magerkeit der Renaiffanceformcn, der
Glieder und Profile, und zum zweiten die viel zu weit getriebene Behandlung
der Oberfläche, insbefondcre der Reliefs, die reine Metallifirung ift und nicht daran
denkt, dafs fie es mit Holz zu thun hat.
Neben diefen Renaiifancekaften mufs es natürlich auch Renaiffancevorhänge
und entfprechende Sitzmöbel geben. Erftere Stoffe treten diesmal — und das
ift wohl fchon eine Wirkung der internationalen Reform — weit zahlreicher und
weit fchöner auf als im Jahre 1867. Imitationen I.yoncfer Fabricats von Vene-
tianer und Genuefer Sammetftoffen (mit Sammetblumen und Ornamenten auf lichtem
Atlasgrund) find mehrfach ausgeftellt und zum Theil, z.B. bei Taffinari, von be-
wunderungswürdiger Schönheit. Diefe Arbeiten gehören zum Entzückendften,
was heute die ganze franzöfifche Kunflinduflrie fchafft. Auch gelungene Re-
naiffancefeffel und Fauteuils von Eichenholz mit ähnlichen, aber befcheidencr
gefärbten Sammetftoffen fieht man bei verfchiedenen Decorateuren , nur mufs
man es mit der Renaiffancc nicht fo genau nehmen, denn es hat hier bei den
Sitzmöbeln eine kleine Verfchiebung der Zeiten ftattgefunden. Was wir Re-
naiffancefeffel nennen, das ift nach den Muftern des fiebzehnten Jahrhunderts ge-
fchafifen, nicht des fechszehntcn. Die eigentliche Renaiffancc brauchte noch
mehr die Sitzbänke und Sitztruhen als das beweglichere Geftühl.
Aufserdem findet man in den Ausftellungen der Tapezierer für das Sitzmöbel
eine reiche Zahl von Spiel- und Phantafieformen, dünn und mager, als Abart der
chincfifchen Bambusftühle, oder kurz, gedrungen, fchwellend, das Princip des
Divans auf den Stuhl übertragen, bald mit geblümtem Stoff, bald mit einfarbiger
Seide, bald mit orientalifcher Stickerei überzogen oder verziert. Die franzöfifche
Phantafie fchafft darin Neues für jede Saifon, und doch ift es, wie bunt und ver-
fchieden es auch ausfieht, im Grundcharakter stets daffelbe und durch die Abwefen-
heit jeglichen Stils am meiften bezeichnet. So wie das Geftühl, fo giebt es auch
eine Menge anderer Phantafiemöbel, mit Elfenbein, mit eingefetzten Steinarten,
mit Faiencefliefen, insbefondcre auch mit figürlichen Bronzereliefs, ein keineswegs
gelungenes Genre, als deffen Hauptvertreter Diehl gelten mag.
Bei all diefen Gegenftänden, die für ein künftlerifches Auge „aus der Art
fchlagen", ift fehr feiten etwas Erfreuliches; zuweilen gelingt es aber auch diefer
beweglichen Phantafie, wenn fie mit etwas Poefie gepaart ift, da wo fie die Schablone
verläfst, in aufserordentlich glücklicher Weife. Ein folches Beifpiel ift das Zimmer-
modell von P ^ n o n, das nicht Renaiffance, nicht Rococo, nicht Architektur, nicht
Decoration ift, das jeder Regel fpottet und doch unendlichen Reiz befitzt. Ein
Zimmerchen, in das eine gekrümmte Stiege mit einem gefchnitzten Geländer
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DAS KUNSTGEWERBE.
Thür eines Speifezimmers, von Fr. Schönthaler in Wien.
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
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herabfteigt, und das wieder in einer Ecke ein erhöhtes Extrazimmerchen in Ge-
ftalt eines Viertelkreifes für fich hat, eine Art Schreibcabinet; die Wände diefes
Zimmers mit einem goldigen Stofif bedeckt, der wie der Abendhimmel glänzt
und ihn auch vorftellen foU ; ein mächtiger Baum mit dunklem, dichtem Laub
und buntgefiederten Vögeln auf den Zweigen, aus der Ecke emporwachfend und
Tafchentuclikarten von Erhard & Sohne. Schwab. Gmünd.
über den Plafond fich verbreitend; hohe tropifche Stauden mit Riefenblättern
und grofsen dunkelroth glühenden Blumen überall emporwachsend, als wären wir
an den Ufern des Ganges — das alles ifl fo wider alle Art und Gewohnheit,
Deckel zum Tafchentuchkaflen von Erhard & Söhne. Schwab. (Jniünd.
wider alle Regel, dafs die kühle, nüchterne Kritik es gänzlich verwerfen follte.
Und doch liegt ein folcher Zauber in diefem Zimmer, der alle Kritik gefangen
nimmt und fchweigen heifst. Die Individualität ift hier in ihr Recht eingetreten
und hat die Schranken der Schablone durchbrochen. Wenn wir recht berichtet
find, ift diefes Zimmer mehr zufälHg entftanden, indem es galt, fich auf be-
fchränktem Räume mit verfchiedenartigen Gegenftänden einzurichten. So hat
der Zufall in Verbindung mit Gefchick Befleres und Anmuthigeres hervorgebracht,
50
DAS KUNSTGEWERBE.
als wenn die Umft^nde es erlaubt hätten, der Methode und dem Schema zu
folgen. In der Wohnung find wir aber oft ganz in der gleichen Lage ; wir muffen
uns oft auch hier gegebenen Verhaltniffen und Bedingungen fügen. Laffen wir
uns getrofl durch diefe Zwangslage veranlaffen, unferen eigenen Eingebungen
zu folgen und haben wir den Muth, der Mode und dem Tapezierer entgegenzutreten !
Soll der Verfuch, der Durchbruch der Schablone, aber gelingen, fo oder ähnlich
SUilil für ein Speifezimmer von F. .Schönthaler in Wien.
gelingen, wie wir es bei Penon fehen, fo mufs man wohl etwas eigenen Ge-
fchmack befitzen, und ein bischen „Poefie im Leibe" haben.
Auch von der heutigen e n g 1 i f c h e n Wohnung ifl es fchwer ein klares
Bild zu gewinnen nach dem, was die Ausftellung uns bietet. Die Möbel, welche
wir im Transept fehen, nehmen einen zu hohen, zum Theil exceptionellen Stand-
punkt ein, und die Wände, die fie als Hintergrund haben, entfprechen ihnen
Wohl im Ton, aber nicht im Stoff. Die belle Idee von der mit Comfort einge-
richteten Wohnung eines wohlhabenden Gentleman in ihrer modcrnften Erfchei-
nung, was die Decoration und Ausftattung der Zimmer betrifft, giebt uns das
eifenbefchlagene Haus vor dem nordweftlichen Eingang, obwohl es nur im Cot-
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
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tageflil angelegt ift. Aber von der englifchen CommilTion in Befitz genommen,
ift es dem Publicum unzugänglich.
So viel erkennen wir leicht, dafs wenn auch das englifche Haus in
feiner Anlage, in Beftimmung und Gebrauch daffelbe geblieben ift, doch
die Decoration fich (ehr verändert zeigt. Von England ift ja die Reform
des Gefchmacks ausgegangen, feit zwanzig Jahren geht fie mit Energie vor-
wärts, alle Kunftinduftriezweige treigen ihren Stempel oder ihre Spuren, und fo
ift es unmöglich, dafs nicht auch das Haus davon ergriffen wäre.
Die alte englifche Wohnung, wie fie noch bis auf die letzten Jahre exiftirte,
zeigte eine aufserordentliche Uebereinftimmung und doch keinen Stil. Sie folgte
in Salon, Speifezimmer, Schlafzimmer bis auf die Küche einer Schablone, die
einen gewiffen eigenen Charakter hatte und doch ganz unkünftlerifch war: die
Formen der Möbel schwer, plump und maffiv, die Decoration zum Theil, wie
z. B. auf den Teppichen, überladen, bunt und ordinär in den Farben, dem
craffeften Naturalismus anheimgefallen. Dort, wo man glaubte mehr und Befferes
thun zu muffen, als der „Standard of life" erforderte , der feine Unterfchiede nur in
die gröfsere oder geringere Koftbarkeit des Materials fetzte, da mufste man fich
an die Franzofen wenden und gelangte mit ihrer Hülfe zu Zopf und Rococo,
oder, wie es gewöhnlich bei den Landfchlöffern gefchah, man erfand für die
Innendecoration eine eigene moderne englifche Gothik, deren Hauptmerkmal in
der decorativen Verwendung von Eichenholz beftand. Das ift, wie bekannt, in
vielen Schlöffern des Continents nachgeahmt worden.
Heute ift das nun, wie uns die Ausftellung lehrt, in vieler Beziehung ge-
ändert. Fangen wir mit dem Fufsboden an. Einft blühten auf den Teppichen
von Kidderminster Wälder und Gärten, oder es lagen auf den „Bruffels" riefige
farbige Blumenbouquets. Muftern wir die heutigen Teppiche auf der Ausftellung,
fo fehen wir alles, was auf befondere Bedeutung Anfpruch macht, in orientali-
fcher Weife verziert, alfo gerade in der Art, welche von der Reform empfohlen
worden ift. Die Mehrzahl der grofsen Teppiche folgen diefer Richtung, und es
giebt fehr fchöne Beifpiele darunter. Hier und da ift wohl ein einzelnes Stück,
das in feiner Gröfse einige Anfprüche erhebt, nach dem Mufter der franzöfifchen
Teppiche in Plafond-Decoration verziert ; der Blumennaturalismus fowie figür-
liche Darftellungen finden aber allein noch auf den ganz kleinen Teppichen, wie
fie vor dem Kamin zu liegen pflegen , eine Stätte. Auf diefem Gebiete , kann
man fagen, ift die Veränderung vollftändig; was ihr widerfpricht, das ift nur eine
Erinnerung vergangener Zeiten.
Ebenfo vollftändig ift die Veränderung der Wanddecorationen, der Tapeten.
Hier ftanden einerfeits der naturaliftifchen oder fonft finnlofen Verzierung die
regulären ftilifirten Mufter gegenüber, andrerfeits der lichten grauen nun eine
dunklere und kräftigere Färbung. Letzteres bildet den Standpunkt der Reform.
Muftert man nun die englifchen Tapeten, foviel als davon zu fehen ift, insbc-
fondere auch jene Wände, welche den Hintergrund der koftbaren Möbel im
Transept bilden und ganze Zimmerdecorationen vorftellen follen, fo wird man
nicht im Zweifel fein, dafs auch hier die Reform fchon durchgedrungen ift. Wie-
weit das nun bereits im englifchen Wohnhaufe gefchehen ift, muffen wir dahin
52
DAS KUNSTGEWERBE.
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Tafelauffatz in Bronze und Glas nach Ilanfen's Entwurf von Lobmeyr & Hollenbach,
geftellt fein laffen. Jedenfalls ift es von Bedeutung, dafs die Kunfl des Decora-
teurs. fich in diefem Charakter auf der Ausftellung präfentirt. Selbft der Plafond,
der fonfl; wenig Berückfichtigung in der cnglifchen Wohnung fand, erhält nun-
mehr eine diefer Wand entfprechende Decoration, wenn fie auch ebenfalls nur
Tapete ifl.
Ohne Zweifel hat die englifche Wohnung dadurch mehr Harmonie und
Charakter bekommen. Uebrigens hat fich auch zur papiernen im gleichen Geifte
eine folidere Decoration gefeilt: wir meinen die buntglafirten Fliefen, deren Ge-
brauch und Fabrication in England feit wenigen Jahren einen enormen Auf-
fchwung genommen hat. Allerdings finden fie in Wohnzimmern nur befchränkte
Anwendung, geben ihnen aber doch im Innern des Kamines oder als äufsere
Verkleidung deffelben eine höchft angemeffene und glückliche Decoration, viel
glücklicher als der weifsc oder fchwarze Marmor, der uns doch immer auf ein
anderes Land und ein anderes Klima hinweifet. Nichts kann auch glücklicher
fein als die Verzierung, wie fie bisher auf diefen Fliefen in Uebung ftand, und
nur ganz neuerdings erft dringt ein anderer Ornamentationsgeift ein, den wir
fpäter bei anderen Gegcnfländen noch näher werden kennen lernen.
Mit der Decoration der Wände finden wir die Möbel- und Vorhangftofife in
Tafelauflatz in Hol/ uiul Glas nach llanfen's Entwurf von Lobmevr tV Kudrich.
Einklang und können fomit auch hier den Wandel des Gefchniackes conflatiren
Wenn aber auf den Teppichen durchweg die orientalifchen Mufter Platz gegriffen
haben, fo find es hier vielmehr diejenigen der gewebten Stoffe des fechszehnten
Jahrhunderts, welche zur Anwendung kommen, meift einfache, ftilifirtc Flächen-
mufler in jener Art, wie fie uns von den Genuefer und Venetianer Geweben be-
kannt find. Sie harmoniren durchaus mit den Tapetenmuftern. Was die Fran-
zofen zu gleichem Zwecke jetzt fchaffen und gebrauchen, das ift mit gewiffen
bereits erwähnten Ausnahmen alles viel bunter in der Farbe, complicirter in der
Zeichnung und- verfchiedenartigcr im Stil. l'2s ift feiten , dafs diefe englifchcn
Gewebe Mufter des achtzehnten Jahrhunderts zum Vorbild haben, und wenn, fo
find fie gewifs befcheidener in Zeichnung und Farbe.
Leider find wenig oder gar keine englifchen Möbel ausgeftellt, welche dem
gleichen Lebensftande , dem wohlhabenden Haufe, dem Haufe des Gentleman
entfprechen. Was wir fehen, ift faft alles koftbarerer Art und mehr Prachtftück
für die Ausftellung, beftimmt, als Wunder der Arbeit zu glänzen. Dennoch ift
es in zweierlei Weife charakteriftifch und entspricht in der That zwei verfchie-
dcnen Richtungen in der Kunftinduftrie, von denen wenigftens die eine voll-
kommen originell und englifch originell ift. Beiden Richtungen ift gemein-
54
DAS KUNSTGEWERBE.
fam eine gcwiffc farbige Erfcheinung des Aeufsern , und fie treten daher in ganz
beflimmten Gegenfatz zu der gefchnitztcn Rcnaiffance-Ebcnifterei von Paris und
noch mehr zu der derberen und kraftvolleren von Italien. Ganz im Gegenfatz
gegen früher ftrebt die eine Richtung, deren Decoration in eingelegter Arbeit
von Elfenbein und farbigen Hölzern befteht, die höchftc Feinheit und vollendetfte
vVusführung in der Feinheit an, und vernachläffigt dabei alles Relief. Die Profile
find von äufferfler Zahmheit und Magerkeit, fodafs es nur malerifche Wirkung
der farbigen Hölzer giebt, gar keine aber von Licht und Schatten. In diefer
Krüge vpn F. W. Merkelbach in Grenzhaufen.
Beziehung können wir auf einige Arbeiten bei Jackfon & Graham, ganz befon-
ders aber auf die Toilettemöbel in lichtem, gelben Birkenholz mit Elfenbein bei
W. Walker aufmerkfam machen. Die Politur und Glätte des Holzes, die Zier-
lichkeit der Kanten und der überaus feinen Profile, die zarte Behandlung des
Elfenbeins, das theils in Relief, theils flach eingelegt und in Roth gezeichnet zur
Verzierung dient, dürfte zu dem Vollendetften gehören, was in diefer Art auf Aus-
ftellungen gefehen worden. Ka ifl aber auch fo überaus zart, dafs fich jede Hand
vor dem Gebrauch fürchten mufs.
Diefer Richtung, welche in vornehmen Kreifen bereits einigermafsen Mode
geworden zu fein fcheint, tritt nun die andere mit einem gewiffen Bewufstfein
kräftig und nicht ohne Derbheit gegenüber. Auch davon hat die Ausftellung
Beifpiele ebenfalls bei Jackfon & Graham und fodann bei Collinfon & Lock und
bei Cooper & Holt. Unterflützt durch das Talent zum Theil gelehrter Archi-
tekten wie Eaftlake (vergl. deffen Buch : „Houfehold tafle") und Waterhoufe, ftellt
fie dem Capriziöfen und Willkürlichen des modernen Gefchmacks das Structive
und Rationelle in den Dingen gegenüber, ganz im Sinne der modernen Reform,
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
aber mit vorwiegender Neigung für das Mittelalter. Sie ift darin wohl nur eine
Fortfetzung des modernen gothifchcn Stils der LandfchlöfTer , nur dafs fie von
den Verkehrtheiten deffelben, insbefondere von der fchablonenhaften, nüchternen
Uebertragung der architektonifchen Ornamente auf die Tifchlerei abgekommen
ift und mehr auf das Rationelle in den wirklichen Tifchler- und Schlofferarbeiten
des Mittelalters eingeht. Auch fie gelangt, auf romanifche Vorbilder fich flützend,
zur farbigen Verzierung im Gegenfatz gegen ein gefundes und kräftiges Relief,
felbfl zu vertieft eingefchnittenen und farbig herausgehobenen Ornamenten. So
fehen wir die ausgeftellten Objecte bei den genannten P'abrikanten in verfchie-
dener Art malerifch verziert, theils in fehr einfacher Art eingelegt, theils mit ge-
Krüge von K. W. Merkelbach in Grenzhaufen.
färbten Ornamenten, theils mit kleinen Figurenfcenen in mittelalterlichem Coftüm
auf Goldgrund, theils auch mit Faiencefliefen, wie bei Morant an einem grofsen
Kaflen. Wie die Zeichnungen bei diefer Firma Morant, Boyd & Blanford
zeigen, verfteht es diefelbe, ganze Zimmer und Häufer reichfler Art in diefem
Stile einzurichten. Und darauf ifl: es natürlich von den Vertretern derfelben ab-
gefehen; wie weit er aber über das Landfchlofs hinaus fchon Boden gewonnen
hat, vermögen wir nicht zu fagen; viel ift es wahrfcheinlich nicht.
Muftern wir von dem Standpunkt der internationalen Reform aus dasjenige,
was üeutfc bland und Oefterreich für die Ausftattung und Decoration
der Wohnung ausgeftellt haben, fo könnte es faft fcheinen, als fei diefe Reform
im Sinne der Renaiffance nahezu völlig durchgeführt. Wo find alle die Zopf- und
Rococomöbel geblieben mit den Vergoldungen und dem gefchnitzten kraufen
Mufchelornament, die fonft, namentlich von Wien aus, auf den Ausftellungen fo
viele Bewunderer fanden? Ein einziges Stück in der öfterreichifchen Abtheilung
bei Haffa erinnert noch daran. Etliche Tapezierarbeiten, namentlich im Sitz-
möbel, fuchen es den modifchen Caprizen der Franzofen gleich zu thun, fuchen
Venetianifcher Spiegel im Salon des Kaifers, ganz aus gefclilifTcnen Glasplatlen zufammengefetzt,
nach Slorclc's Entwurf von Lobmeyr in Wien.
Orientalifcher Spiegel, entworfen von Storck, aus(;cführt von I. & L. Lobmeyr,
Ilanufch & I)iied/.inski in Wien.
58
DAS KUNSTGEWERBE.
fic auch wohl zu überbieten, wie wir z. 13. von einem Wiener Tapezierer ein voU-
fländiges ägyptifches Boudoir ausgeflellt fehen, d. h. wie es fich eben ein Wiener
Tapezierer denkt. Sehen wir von der Grille ab, fo ift es übrigens nicht ohne
Reiz , und eine Dame mit einem ägyptifchen Profil findet fich ja wohl auch da-
für. Im Allgemeinen aber ifl es gewifs überrafchend, wie fehr das deutfche und
öfterreichifche Mobiliar, die willkürlichen, naturwidrigen Formen des Rococo
verlaffend, fich einfacher, gefetzmäfsger Structur zuwendet und damit von allen
Seiten fich der Renaiffance nähert, wenn auch bei' weitem nicht alles Renaiffance
ifl, was wir fehen.
Nun wiflen wir freilich, dafs es in Wirklichkeit noch vielfach anders ifl, und
dafs die Schablone für das gute Bürgerhaus noch lange nicht der Renaiffance
angehört, aber wie oft, fo ift es auch hier: die Ausftellung, den werdenden und
wachsenden Gefchmack aufgreifend, giebt die Hoffnung und die Richtung der
Zukunft. In dicfer Auffaffung, foviel Tadel das Einzelne bietet, können wir das
deutfche wie das öflerreichische Mcjbiliar nur als eine Wendung zum Guten be-
zeichnen, und das um fo mehr, als diefe Wendung unabhängig vom franzöfifchen
Gefchmack ift, ja fich diefem entgegenftellt.
In Deutfchland giebt es verfchiedenc Hauptorte der Tifchlerei , wie Mainz,
Karlsruhe, Breslau, Dresden, Berlin, und darin Unternehmungen und Gefell-
fchaften, welche die Renaiffance ausdrücklich auf ihre Fahne gefchrieben und in
diefem Stil fich bereits ein Gebiet des Abfatzcs erworben haben. Sie haben
reich und gut ausgeftellt, wenn auch das fchlechte Arrangement, wie es die ganze
deutfche Ausftellung kennzeichnet, ihrer Wirkung Eintrag thut. Was wir aber
allgemein an diefcr Fabrication auszufetzen haben, das ift eine gewiffe ftructive
Trockenheit und Nüchternheit, zum Theil auch zu grofse Magerkeit der Formen
und Mangel an ornamentaler und insbefondere figürlicher Plaftik, welche folchen
Arbeiten erft Reiz und Leben giebt. Diefer Vorwurf würde freilich in der Haupt-
fache hinwegfallen, wenn diefe Möbel, was aber nicht der Fall ift, für das bür-
gerliche Haus beftimmt wären. Sie erheben höhere Anfprüche, und muffen fich
damit hinter die italienifchen Arbeiten ftellen.
Entfchieden günftigen Eindruck machen ebenfo die deutfchen Tapeten, z. B.
von Hochftätter in Darmftadt, wie auch die öfterreichifchen von Lucius und
andere. Wenn wir damit die zahlreichen Zeichnungen vergleichen, welche l'ro-
feffor Fifchbach in Hanau ausgeftellt hat, fo erkennen wir die gemeinfame Quelle
diefer Wanddecorationen , denn fo mufs man fagen , und kaum noch Tapeten.
Der Fortfehritt, der hier mit den Tapeten gemacht ift, befteht eben darin, dafs
die Wand als ein Ganzes für eine fyftematifch gegliederte Decoration aufgefafst
worden und die fchablonenhafte Tapete mit breiteren und fchmäleren Bändern
und Bordüren, mit Sockel und Fries dafür eingerichtet wurde, ohne den billigen
Preis der gewöhnlichen Tapetenbekleidung wefentlich zu verändern. Das er-
fcheint hier gelungen, und wir können nur wünfchen, dafs folche Decorationen
nicht blos Ausftellungsobjecte bleiben, fondern zur Verfchönerung des Bürger-
haufes allgemein werden.
Das gilt nun freilich in keiner Weife von den gewebten Möbelftoflfen Deutfch-
lands, die zwar auch langfam zur Stilifirung hinneigen, aber einerfcits bei weitem
I. WülINUNGSAUSSTATTUNG. r>0
mehr von franzöfifchen Muftern abhängig find, und andrerfeits ganz und gar
eines guten und feinen Farbcnfinnes ermangeln, wie denn diefer Sinn überhaupt
nocii der deutfchen Ausrtellung , der deutfchen Induflrie abgeht.
Hierin fleht die öflerreichifche Möbelflofffabrikation unendlich höher. Sie
allein bringt, vom Orient abgefehen, neben Frankreich auf diefeni Gebiete Gegen-
flande, die wirklich Reiz haben und lüitzücken gewähren, und fie bringt fie zahl-
reicher und in jedem Falle origineller noch als die Seideninduflrie zu Lyon. Sie
zeigt fie zum Theil auch gleich in der Art, wie fie angewendet werden foUen,
nicht als Einzelfloffe , fondern als Decoration gedacht.
In diefer Beziehung ift die überaus glänzende und gediegene Ausflellung
des Wiener Etabliffements von Philipp Haas & Söhne gleich einer That in
der Entwicklung der modernen Kunflinduftrie zu achten. Es kommen hier drei
Momente zufammen, welcher diefer F'abrik und ihrer Ausflellung eine Bedeutung
verleihen, die fie über alle Concurrenten der Welt erhebt: erflens die Entfchloffen-
heit und Grofsartigkeit zugleich, mit welcher der Chef und die Seele des Haufes,
Eduard von Maas, die neuen, einmal für richtig erkannten Bahnen betritt, zum
zweiten das unvergleichliche decorative Talent Storck's, der feinen Gefchmack,
feinen feinen Sinn, feine Erfindungsgabe ganz insbefondere diefer Anflalt widmet,
und drittens die reichen Sammlungen des öflerreichifchen Mufeums, die uner-
fchöpflich neue Motive und Ideen darbieten, Sammlungen, die aller Welt zur
Verfügung flehen, aber nicht von aller Welt benützt werden. Bei keinem ähn-
lichen Ausflpller fehen wir daher auch einen folchen Reichthum prachtvoller oder
reizender Moti\'e, die dennoch für jeden, der die Abficht zu merken verlieht, fo
harmonifch find, fo in derfelben Richtung liegen.
Es würde uns zu weit führen, wollten wir auf das Detail dieser Ausflellung
eingehen, und wir muffen uns daher in der Hauptfache begnügen, eben die
Richtung anzugeben und den Geift zu charakterifiren, der in den Reihen von
Zimmercompartimenten oder in den zahlreichen Goldbrokaten, Seidenftoffen und
Teppichen liegt. Hier ift einmal von jeder Nebenwirkung und Nebenabficht ab-
gefehen, das Wefentliche nicht im Beiwerk gefucht, wie uns das fo häufig be-
gegnet, fondern lediglich in der decorativen Wirkung der Gegenüände und in der.
Harmonie bei ihrer Zufammenftellung. Darum feffeln uns auch diefe Modelle
von Zimmern, denen doch gar vieles zur vollen Ausflattung fehlt, fo unwider-
flehlich, ohne dafs wir uns eigentlich Rechenfchaft darüber zu geben vermöchten,
auch nicht Lufl und Neigung dazu verfpüven. Denn das liegt eben im Wefen des
rein Decorativen, dafs es uns in dem Zufammenfliefsen feiner Elemente nur wie
eine Harmonie, wie eine Stimmung annuithet, mag fie noch fo verfchieden fein,
ernfl oder heiter, zart oder kräftig, prachtvoll oder schlicht, reich oder
einfach.
Gehen wir dennoch ein wenig ein in die Sache, fo werden wir recht bald
finden, dafs es vorwiegend der Geifl der RenaifTance ifl, der hier waltet, aber der
Geifi der Renaiffance mehr vielleicht als ihre Formen. Auch diefe find nicht
ausgefchloffen, — Mufler und Wirkung, wie fie uns die Genuefer und Venetianer
Gewebe des fechszehnten Jahrhunderts bieten ; neben ihnen aber fehen wir nichts
verfchmäht, was des gleichen Charakters als Flächenmufter, d. h. rein decorativer
.... „.es .„.. .*„ --t:rro----"^^^^ r-
(12
DAS KUNSTGEWERBE.
nicht melir kennt, denn es find alte Gegenüände, welche die Motive gegeben
haben. Daffelbc ift es mit einem Hauptftücke, tler Tifchdecke aus Gold, Silber
und Scidcnfammet, deren Zeichnung und Effect der heutige Orient nicht mehr
zu .Stande hräclite.
Seidenftoff-Bordüre, bl.iu mit (iold, von Phil. }Xaa9. \ Scilmc in Wien.
Wir haben auf die Zimmercompartimcnte in tlcr Ausrtellung von Haas hin-
gewicfen, um uns eine Idee von den Intentionen zu geben, die in diefem Eta-
bliffement hcrrfchcn, wir können aber auch in der Ausftellung felbft in voller
Ausführung fehen, was uns dort blofs als Abficht und Idee vor Augen tritt.
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>:*
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
63
Wir meinen die von Haas ausgeftatteten Zimmer in tlcm öflcrreichifchen Kaifcr-
pavillon. Hat hier Gugitz in feinem edlen Bau zu vorübergeliendcm Zwecke
oder gelegentlichem Gebrauch eine architektonifche Mufterleiftung gefchafifen, fo
ift die innere Einrichtung der Wohnräume, die von Storck entworfen ift, nicht
mindergclungen. Das ernftere Zimmer
des Kaifers mit feinem fchwarzen und
goldenen Plafuntl, mit feinen Wänden
in rolhem Sammet auf goldgelbem
Atlasgrunde in Venetianer Art, das
Zimmer der Kaiferin, lichter gehalten
mit den Arabesken Sturm's in Art
der Raffael'fchen Grotesken, mit feinen
reizenden geflickten Möbeln auf
blauem, goldfchimmcrnden Grunde,
beide ihrer Beflimmung nach fo ver-
fchieden im Charakter und doch gleich
edel , prachtvoll , kaiferlich mit dem
Glänze den vornchmften und feinften
Gefchmack vereinend. Wer an rein
decorativen Reizen Vergnügen findet,
der wird fchon die Stoffe allein und
ihre verichiedenartig fchillerndc Wir-
kung, je nach der Richtung, in wel-
cher fein Auge darauf fällt, des Studi-
ums würdig finden. Mit dieferLeiflung
des öfterreichifchen Pavillons kann
der deutfche Kaiferpavillon, ein Werk
der Architekten Kyllmann und
Hey den, keineswegs den Vergleich
aushalten : mehr zeltartig gedacht und
in Holzgerüft ausgeführt, zeigt er
wenig Phantafie und Gedanken, und
mit feinen rothen Sammet - und
Seidenfloffen einen ziemlich gewöhnlichen Gefchmack.
Die Fabrik von Haas fleht mit ihren Beftrebungen in üefterreich keineswegs
allein. Man kann vielmehr fagen , dafs, obwohl einzelne Möbelftofffabrikcn noch
unter franzöfifchem lünflufs flehen, Architekten, Seidenfabrikanten, Decorateurc
und Kunfltifchlcr in die gleiche Richtung hineindrängen , wenn es auch nicht
immer mit gleichem Glücke gefchieht. Schon längft fleht Giani mit feinen
Brokaten und Seidenfloffen durchaus felbfländig da, anfangs mehr auf kirch-
lichem Gebiete, jetzt aber auch nicht minder der Decoration der Wohnung mit
fliliflifchen Vorhang- und Möbelftoffen zugewendet. Fr. ü. Schmidt in Wien,
ein ächter Künfller auf dem Gebiete der Wohnungs-Decoration , verfteht es vor-
trefflich, uns in die folide Pracht und in die gcmüthvoUe Stimmung der deutfchen
Renaiffance zu verfetzen; der vielbefchäftigte Schönthaler, der mit vornehm
SeidenftolV, dunkelblau mit Gold, von l'hil. Haas &
Söhne in Wien.
64
DAS KUNSTGEWERBE.
edlem Anflrich der Wohnung ächte Familienbehaghchkeit zu vereinen weifs, führt
uns diesmal nur wenige feiner gut und bequem gebauten, zum Theil auch mit
eingelegter Arbeit verzierten Möbel vor, aber nur Mufter beftehender Einrichtungen
und nicht fpeciell für die Ausflellung gefchaffen; die Kunfttifchler D übe 11 und
Ludwig, letzterer vorzugsweise auf eingelegte Arbeit den Nachdruck legend, jener
mit gefunden, kräftig bequemen, einfach conftruirten Lederfauteuils, vertreten ihr
Büfte der k. k. Hoffchaufpielerin Charlotte Wolter, von Victor Tilgner.
Genre vortrefflich in gleichem Geifle. So könnten wir noch eine Reihe nennen,
unter den Tapezierern z.B. Alexander Pollak, wollen aber nur noch der Borten
und fonftigen Pofamentierarbeiten Drächsler's gedenken und zwar defshalb, weil
diefe Arbeiten, die zur künftlerifchen Vollendung der Möbel und Vorhänge noth-
wendig find, durch den Modegefchniack gänzlich verdorben waren, die von
Drächsler aber zum erften Male einen richtigen Weg einfchlagen. Sämmtliche
genannten Fabrikanten find Wiener.
Dem Zuge der öftcrreichifchen, fpeciell der Wiener Fabricanten folgen die
ungarifchen Kunfltifchler mit ihren Holz- und Ledermöbeln, zum Theil nicht
ohne Glück; fie bieten uns aber kein felbftändiges Intereffe. Ganz anders ift
es mit Italien, deffen Kunftmöbel in gewiffem Sinne vielleicht von allen am
höchflen flehen ; aber fie nehmen einen anderen Standpunkt ein. Bei den Italie-
nern handelt es fich nicht um eine volle harmonifche Ausflattung der Wohnung,
fondern um die Schöpfung des einzelnen Stückes als eines Kunftwerkes. Wie
es verwendet wird, das ift dem Liebhaber überlaffen. Der Standpunkt ift auch
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
65
;,gyi)lifcher ]'alafl ; llofaMfich..
zum grofscn Tlicil der antiquarifche, dtr Standpunkt der Imitation btilimmter alter Mufter.
Diefe gehören nun allerdings falt fammtlich der RenailTance an, von der Frührenaiffance ange-
fangen mit ihrem ftrengen, einfachen Bau und den flachen Arabesken und Ornamenten bis zu
ßfi
DAS KUNSTGEWERBE.
den naturaliftifchen, virtuos behandelten, mit Profilen. Figuren und Ornamenten frei
und breit heraustretenden gefchnitzten Möbeln der Barockzeit. Zu ihnen gefellen
fich die Cabinetftücke von Ebenholz mit eingelegtem Elfenbein, fov\ie die mit farbi-
gen Steinen und vergoldeten Bronzen. Jene Arbeiten, die mehr im Stil der Früh-
renaiffance gehalten find, haben die Italiener für fich allein. Unter ihnen tritt ein
grofser Kaften von Morin i in Florenz hervor, fowie die kleineren, bis aufs feinfte
durchgearbeiteten Rahmen und F'üUflücke von Frullini, die fchon feit 1867 fich
die Bewunderung der Kunftwelt errungen haben. In den übrigen Renaiffancemöbeln
concurriren die Italiener insbefondere mit den Franzofen ; die ihrigen haben aber den
Vorzug gröfserer Freiheit, kräftigerer Haltung und einer angemeffeneren , mehr
virtuofen und weniger raffinirten Behandlung des Holzes. Bei der gröfseren Freiheit
und der kräftigeren Gliederung und Profilirung, welche die Italiener fich erlauben,
machen fie mehr Anwendung von figürlichem Schmuck, der fich von Reliefs zu
Karyatiden und frei daftehenden lebensgrofsen Figuren in vollem Hochrelief
fteigert. In diefem Genre des Hochreliefs ift wohl das Bedeutendfle ein Kamin,
deffen weit vortretendes Gefims von zwei männlichen Figuren getragen wird, eine
Arbeit von Panciera in Venedig, während fich ein prachtvolles Bett von F'erri
und Bertolozzi in Rom mit Reliefs und Karyatiden, fowie ein Credenzkaften aus
dem artiflischen Inflitut von M. Guggenheim in Venedig auf dem mittleren
Standpunkt hält. Letzterer übrigens führt uns auch in einem anderen Stück den
kräftigeren Barockflil vor, fowie an einem mit farbigen Marmorarten, Lapislazuli
und anderen Steinen, fowie mit Bronzebefchlägen und Bronzefiguren gefchmückten
Cabinetftücke ein Beifpiel jener eigenthümlichen Prachtarbeiten des fiebzehnten
Jahrhunderts, die mehr durch ihre glänzende und farbige Erfcheinung, als durch
künftlerifche Gediegenheit dem damaligen Kunflfinn gefielen.
Unter den übrigen Staaten der modernen Cultur, welche uns bedeutendere
Gegenftände für die Ausfl:attung der Wohnung gefendet haben, nimmt wohl nur
Dänemark noch eine eigenthümliche Stellung ein, wenn auch diefe P^igenthüm-
lichkeit fo zu fagen nur in einer Schattirung des allgemeinen modernen Charakters
befteht. Das kleine Land befindet fich mit feiner künftlerifchen Bildung noch
immer unter dem mächtig nachwirkenden Einflufse Thorwaldfen's, und daher
tragen feine zierlichen, gut gearbeiteten, etwas fchwächlich profilirten Möbel eine
Hinneigung zur Antike zur .Schau, die ihnen einerfeits einen edlen Anflrich giebt,
andrerfeits aber auch eine gewiffe Steifheit und Nüchternheit, wie fie modernen
Antikifirungen zu eigen ift, nicht verleugnen kann. Auch Belgien ifl ver-
treten, und zwar mit trefflichen, ftilifirt gezeichneten Tapeten, fowie mit Renais-
fancemöbeln von guter gefchnitzter Arbeit ; fie gleichen aber zu fehr der franzö-
fifcheh, um irgend P^igenthümlichkeit in Anfpruch zu nehmen. Daffelbe ift der
Fall mit den belgifchen Gobelins, die nur ein Abzweig der franzöfifchen find;
imitirte Gobelins von Charle-Albert in Brüffel, z.B. ein Gemälde nach Teniers,
treffen gar nicht den Ton und Charakter diefer gewebten Malereien, weil fie fich
wie trockene Gouachemalereien auf Leinwand darftellen. Holland hat uns nur
feine Deventer Teppiche gefendet, von denen die befferen alle dem orientali-
fchen Stile folgen, insbefondere die Smyrnaer Art, doch mit zu grofser Lebhaf-
tigkeit der Farben. Auf der fchwedifchen Ausftellung find fich für unferen
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
67
modernen Gcfichtspunkt nur die imitirton Goldledertapcten intereffant, gute für
die neue Reform der Wohnung brauchbare Arbeiten, die ächten Charakter tragen.
Die Mufter trifft man noch häufig im Lande felbft, wo fich viel Ledertapeten aus
Vafe von gravirtem Kryftallglas von \V. T. Copeland & Sons in Stoke upon Trent.
alter Zeit erhalten haben. Mit Rufsland würden wir fchon das Gebiet .der
nationalen Frage betreten. Die gebildete Welt Rufslands hat fich allerdings mit
ihrer Wohnung auf europäifchem Fufs eingerichtet, und dies erkennen wir auch
auf der Ausftellung in Möbeln, Tapeten, Teppichen, die noch fehr blumigen
68
DAS KUNSTGEWERBE.
Charakter von der alten Art tragen, aber es giebt daneben Beftrebungcn — wir
werden fie fpäter bei anderen Induftriezweigen noch einfiufsreicher finden —
welche es fich zur Aufgabe gemacht haben, die eigenthümlichen traditionellen
Erker des egyptifchen l'alaftes.
Elemente einer nationalen ruffifchcn Kunft in die moderne Induftrie einzufuhren
und dadurch auch für die gebildeten und vornehmen Kreifc von heute einen
fpecififch ruflifchen Kunftcharakter zu fchaffcn. Auf dem Gebiete der Wohnung,
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
69
d. h. eben der vurnchnien oder modernen Wohnung, fcheint nun das noch wenig
gelungen zu fein. Wir könnten als Beifpiele nur einige in Eichenholz gefchnitzte
Möbel fowie verfchieiiene Leinengewebe für das Haus, von Handtüchern und
Decken mit rothen Bordüren und Ornamenten anführen, davon die Motive für
jene von der Ilolzarchitektur, für diefe aus der ererbten, allerdings fehr alten
Bauernweberei entnommen Imd.
Ziegelporlal von der Wicncrbcrger Ziegelfabriks- und IJaugefellfchaft, entworfen von II. v. Kcrflel.
2. Das nalionalc Wohnhaus.
Von den wenigen Gegenfländen abgefehen, die wir in der ruffifchen Aus-
flellung antreffen, i(l das nationale l'^ement der Iniluftrie mit feinen überaus
reichen, ebenfo urfprünglichen wie richtigen ornamentalen Motiven noch fo gut
wie gar nicht in die moderne Kunft aufgenommen worden. Wir müfsten denn
dahin den fogenannten Schweizerftil im Holzbau rechnen, der allerdiiigs bei Villen
und anderen ländlichen l'hantafiebautcn vielfach in Anwendung kommt oder
die cigenthümliche, orientalifirende Verzierung der Decken und Mäntel aus der
70
DAS KUNSTGEWERBE.
fpanifchen Volkstracht, welche fchon feit einer Reihe von Jahren für unfere Vor-
hang- und Möbelfloffe eines der fchönften Motive geliefert haben. An An-
deutungen jedoch fehlt es nicht — und es find die Bemühungen der Kunftfreunde
bereits vielfach dahin gerichtet, — dafs der Schatz von Ornamenten und Moti-
ven, der Schatz von Belehrung, welcher in der nationalen Hausinduftrie ruht,
gehoben und für unfere moderne Decoration gewonnen wird. Für diesmal muffen
wir uns in Betreff der Wohnung mit der einfachen Betrachtung deffen begnügen,
was uns die Ausflcllung an nationalen Gebäuden bietet, ohne weiter die Frage
nach ihrer modernen Verwerthung aufzuwerfen.
Es lag in der urfprünglichen Abficht, auf der Weltausflellung ein Gefammt-
bild der menfchlichen Wohnungen zu geben, dadurch, dafs man von allen Län-
Krüge von C. \V. l'leifchmann in Nürnberg.
dern und Völkern ein möglichft'originelles Beifpiel ihrer Bau- und Wohnart mit-
fanimt der inneren Ausflattung brachte. Der Gedanke hätte fich wohl ausführen
laffen, wenn man fich bei der vielfeitigen Gröfse der Aufgabe auf das befchränkt
hätte, was wirklich charakteriftifch und bedeutungsvoll ifl, und die Sache über-
haupt mit Umficht angegriffen hätte. So ift es ergangen, wie bei vielen anderen
guten Ideen, die der Leitung der Weltausflellung zur Verfügung gefleht wurden :
man entzog fie den berufenen und kundigen Händen, und fo gelangten fie end-
lich verpfufcht zur Verwirklichung, oder wurden auch ganz aufgegeben, nachdem
fie auf dem Programm ihre Schuldigkeit gethan hatten.
So fehen wir denn im fernen Often des Weltausftclhingsraumes unter dem
Namen „Dorf" ein Häuflein Blockhäufer beifammen, das der reine Zufall zu-
fammengefchneit hat, wo eben der fchöne Gedanke eine empfängliche Stätte
gefunden hatte. Hier und da in der Weite trifft man wohl noch ein anderes
Gebäude, das diefen nationalen Bauten angehört und flatt uns einen Begriff von
JL
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
71
der Wohnart ihres Landes zu geben, als Ausftcllungsraum mit allerlei Arbeiten
angefüllt oder auch als Conimiffionsbureau benützt ift. Das Meide dazu hat
üeflcrrcich fclbfl geftellt , das Intereffantcfte Kufsland und Schweden. Vertreten
ift eigentlich nur der Holzbau, der Ziegelbau allein im fiebenbürger Sachfenhaufe,
und die Riegelvvand war es wenigflens in dem Elfäffer Hofe; vielleicht das ge-
fchichtlich am meiflen charakteriflifche Haus, das norddeutfche Hauernhaus,
deffen Anlage mit der alterten Gefchichte und den älteflcn Sagen flimmt, ver-
miffen wir leider, wie fo vieles Andere.
Man würde naturgcmäfs diefe Bauten nach ihrem Material zu fchildern haben,
aber wie gefagt, ift eigentlich nur das eine Material, das Holz, vertreten und das
folide deutfche Haus aus Siebenbürgen erfcheint wie eine Ausnahme. Und im
Holzbau wieder ifl faft alles Blockhausftil , d. h. die Wände find aus Balken auf-
Kayeiice-Teller mit Emailbemalung in türkifchem Stil, von L. Parvill^e in Paris.
gebaut, die horizontal auf einander liegen und mit den Köpfen über Kreuz in
einander gefügt find. Gar verfchieden find allerdings die Stufen, in welchen diefer
Stil künfllerifch ausgebildet worden, und ebenfo verfchieden das Alter der Mo-
tive, die wir daran zu erkennen vermögen.
Unter beiden Gefichtspunkten flehen vielleicht die fchwedifchen Holzbauten am
höchften und neben ihnen die ruffifchen. Unter den fchwedifchen Gebäuden
wieder macht die im „Dorf" gelegene Meierei von Wengflröm den originalflen
Eindruck. Die Anlage ifi: eine malerifche, namentlich von der Giebelfeite her,
wo eine gedeckte Stiege hinauf fteigt und auf eine offene Halle führt, über welcher
fich der Giebel mit gekreuzten Balken fchliefst. Die innere Ausftattung fehlt
leider gänzlich und auch die Anlage der Zimmer bietet nichts Intereffantes; fie
fleht wenigflens in keiner Beziehung mehr zur Anlage des altnordifchen Haufes.
Um fo intereffanter erfcheint die Decoration und Architektur des Aeufseren,
wenn anders fie acht und traditionell ift; denn wir geftehen offen, in Schweden
Toilettenfpiegel im Stile Louis XVI., mit den Allegorien der Kunft und Natur,
modellirt von Gumery, ausgeführt von Chriftoüe & Co. in Paris.
wohl zahlreiche roth angeflrichene Blockhäufer gefehen zu haben, keines aber
mit fo vollendeter und charakteriflifcher Behandluntj de.s Holzes ; auch kann man
fich dem Mifstraupn nicht entziehen, wenn man ficht, mit welcher Willkür und
Phantafie anderes auf der Ausflellung zur Darflellung gekommen ift, z. B. die
orientalifchen Gebäude. Was an diefem fchwedifchen Haufe charakteriftifch ifl,
das find die Säulen mit ihrem Würfelcapitäl, die Rundbogen der Fenfler und der
Stiege mit ihrem Zickzackornament, alles völlig romanifch, oder vielmehr fo dem
normannifchen Bauftil zu eigen, dafs wir uns erflaunt fragen: fehen wir hier die
urfprünglichen Motive der Normannenbauten in Frankreich und England vor uns?
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
73
Porzellanvafen von W. T. Copeland & Sons in Stoke upon Trent.
Sind diefe Motive dem noch altern nordifchen Holzbau entlehnt? Oder ift alles,
was wir diefer Art an der fchwedifchen Meierei fehen, nur die kiinftliche Wieder-
geburt aus dem Studium und der Phautafie eines modernen Architekten? in
jedem Falle find die übrigen fchwedifchen Holzbauten, wie der Jagdpavillon, der
die Ausflellung der Frauenarbeiten aufgenommen hat, und das Fifchereigebäuile
mit feinem fchönen Portal und den reizenden Veranden, freie Schöpfungen des
Architekten, foviel alte und originale Motive auch darin zur Verwendung ge-
kommen fein mögen.
Auch von den ruffifchen Holzgcljiiuden, deren wir zwei auf der Ausftellung
10
74 DAS KUNSTGEWERBE.
haben, ifl; mindeftens das eine, das i^rofse Gehöft, idealifirt. In diefer Weife
wohnt kein Bauer, auch ein ruffifcher nicht. Dennoch, obwohl es für feine Be-
ftimmung allzureich <^eflaltet ift, trägt es entfchieden den ächten, fpecififch ruffi-
fchen Charakter, ebenfo wie das zweite Gebäude, das als ruffifche Reflauration
benützt ifl. Beide find im Blockhausflil gebaut, beide tragen die gleichartige
Ornamentation , find aber darin verfchieden , dafs das gröfsere Gehöft in feiner
Holzfarbe blaffer ifl, während die Reflauration einen polychromen Anftrich in
Braun , Roth , und Blau erhalten hat. Letzteres entfprieht der Landesfitte. So
wie es hier gefchehen ifl, ohne helle Farben und grelle Gegenfätze, macht es
mit dem Hintergrunde der grünen Bäume einen höchfl angenehmen und wohl-
thuenden Eindruck.
Die Anlage diefer ruffifchen Häufer ifl, wie die der fchwedifchen, eine ent-
fchieden malerifche. Säulengeflützte Veranden, vorfpringende Dächer, reich
verzierte Giebel, gekuppelte, bunt umrahmte Fenfter geben Mannichfaltigkeit und
Bewegung der Linien, Wechfel von Licht und Schatten. Das Gehöft enthält zu
dem Hauptgebäude noch einige kleinere, verbunden oder umfchloffen durch eine
kunftvoll in durchbrochener Arbeit verzierte Umzäumung, mit einer äufserft
reichen Doppelpforte mit durchbrochenen Flügelthüren und einem krönenden
Dach darüber. Das Hauptgebäude, ähnlich wie die fchwedifche Meierei, mit
einem Hauptflock und einem niedrigeren Parterregefchofs darunter, hat jedoch
feine Stiege im Innern. Vor der Eingangsthür ifl eine offene Halle mit einem
bedeckten Gang zur Seite: alles fcheint darauf angelegt, Luft, Licht und Sonne
foviel wie möglich zu geniefsen. Das grofse Wohnzimmer im Hauptgefchofs ifl
foweit eingerichtet, dafs es uns wohl eine Idee von der ruffifchen Wohnung zu
geben vermag. Alles ifl mit Holz gedeckt und gedielt, der Plafond zeigt feine
Balken, Gefimsbretter tragen Faiencekrüge und anderes Gefchirr, der (imitirte)
oben platte Kachelofen den Samowar und das übrige Theegeräth, in einer Ecke
ficht man das umhängte Heiligenbild, die Vorrichtung zur religiöfen Uebung,
Tifche, Bänke und Stühle und einfach aus Holz mit meifl vertieft gefchnittenem
Ornament, einzelne Leinengewebe endlfch, die als Handtücher oder Thürbehang
dienen, geben uns mit ihren rothen Ornamenten Beifpiele von den eigenthüm-
lichen nationalen Geweben Rufslands.
Was diefes ruffifche Haus wohl am meiflen charakterifirt, das ifl fein achtes
Holzornament. Die Bauart ifl der Blockhausflil, doch fo, dafs die Balken auf
der Aufsenfeite wieder abgerundet find. Dies könnte auf ein fehr altes Motiv
hinweifen, wonach die Baumflämme nur unten und oben, wo fie auf einander
liegen, abgeplattet wären. Wo aber nur die Möglichkeit fich zeigt, das durch-
brochene Holzornament einigermafsen organifch an den Ecken und Kanten an-
zubringen, da ifl es auch gefchehen. Es bekränzt die Giebel, läuft auf dem
ganzen Dachfirfl entlang, fällt wie ein Spitzenfchleier vom Dach herunter, bildet
Gallerien, Geländer, Gitter, Zäune, umgiebt als Rahmen die Fenfler, kurzum
bildet völlig die charakteriflifche Erfcheinung des rufifchen Haufes. Seine Art
ifl auf den erflen Blick fehr einfach. Es ifl keine plaflifche Schnitzerei, die fich
aus dem Grunde herausbewegt und modellirt; es ift rein aus dem Brett durch-
fägte Arbeit, die wie Spitzenkanten endet. Durchweg find es kurze grade Linien,
I. WÜHNUNGSAUSSTATTUNÜ.
75
aus denen fich das Ornament zufammenfetzt, aber dennoch find die Motive reich,
mannif^fach und eigenthümlich. Seltner erkennt man pflanzliche, hier und da
auch Thiermotivc, wie z. H. gegenübergertellte Vöjjel an der Umzäumuny des
Gehöftes, aber diefe Thierbilder find mit graden Linien auf eine felir fimple Ur-
form zurückgeführt und man braucht zuweilen Zeit, fic zu erkennen. Offenbar
ift diefe einfache Art der Ornamentation, die, fo entwickelt fie erfcheint, doch
l'aience-Gefiifse mit Email, von E. CoUinot in Paris.
niedriger fteht als das eigentliche Relief und die Schnitzerei, um ihre Einfachheit
und Natürlichkeit willen uralt; wann fie entftanden, ift darum wohl fchwer zu
fagen. Andere Motive des ruffifchen Haufes laffen uns eher auf beftimmte Zeiten
des Urfprungs fchliefsen; fo weifet z. B. das Würfelcapitäl , wie wir es an den
Pfeilern des Gehöftes und den kleinen Säulen der Reftauration fehen, auf die
alten byzantinifchen Verbindungen und ICinfiffe hin. Es wäre darum wohl der
Mühe werth, der Gefchichte der ruffifchen Holzbauten rückwärts ein wenig nach-
zugehen; doch wird es fchwer fein, das Material zufammenzulefen.
Im Gegenfatze zu den ruffifchen und fchwedifciien Gebäuden erfcheinen die
»•
I. WUIINUNGSAUSSTATTUNG.
77
Ampel für ein Schlafzimmer mit drei Klammen,
von der Uerliner Actiengefellfcliaft für Central-Heizungs-, Waffer- und Clas-Anlagen.
architektonifchcn Motive bei den Schweizer Hau fern , wenigftens bei dem
Chalet, das die Schweizer Schulausftellung beherbergt, verhältnifsniäfsig neu. Sic
78
DAS KUNSTGEWERBE.
liegen alle diesfeits der Renaiffance. Selbft der Blockhauscharakter hat fich ge-
ändert, indem es nicht mehr die vollen quadratifchen Balken find, aus denen fich
die Wände aufbauen, fondern dicke Bohlen, die mit den Schmalfeiten auf ein-
ander liehen, und dort, wo fie fich durchkreuzen, mit durchgehenden Zapfen ver-
bunden find. Ihre Ausläufer find gefchnitzt und fo ornamental verwerthet. Was
dem Schweizer Haufe vor allem feine charakteriftifche Erfcheinung giebt, das ifl
das vorfpringende Dach und die umlaufende, von Säulen getragene Gallerie. An
unferem Chalet umgeben fie das erhöhte Erdgefchofs und das eine Stockwerk
darüber. In ihrer durchbrochenen, ausgefägten Ornamentation erfcheinen fie fehr
modern und fehr willkürlich, höchftens dafs uns Flächenmotive in das fiebzehnte
Jahrhundert zurückführen. Daffelbe ifl; im Innern der Fall, das uns' kein befonderes
Intereffe mehr bietet. Die hölzernen Plafonds in Renaiffanceart bei angeworfenen
Wänden, die Farquetten der Fufsböden erfcheinen mehr als induflrieller Aus-
ftellungsgegenfland, denn dafs fie dem Schweizerhaufe charakteriftifch wären.
Wenn das Chalet wohl nur ein unbedeutender Vertreter feiner Art ifl , fo
imponirt uns dagegen das ihm fonft am nächften flehende Vorarlberger Haus
mit langer Fenfterreihe als ein höchft flattlicher Bau, geeignet als Sitz für eine
wohlhabende und zahlreiche Familie. Hat das Schweizer Haus den Blockhaus-
fbl fchon halbwegs aufgegeben, fo zeigt das Vorarlberger einen noch mehr fort-
gefchrittenen Standpunkt. Die ganzen Wände find fchuppenförmig mit zierlich
gearbeiteten Schindeln bedeckt, gewiffermafsen in einem hölzernen Verputzftil,
der den Rohbau der Blöcke verbirgt. Ueberhaupt ifl; der Eindruck des Aeufseren
höchft civilifirt und der des Innern, was Wände, Decken und Fufsböden betrifft,
alles gedielt und getäfelt, nicht minder. Die wenigen Möbel, fogenannte Bauern-
feffel von Tannenholz, die Lehnen in Adlerform ausgefchnitten ohne weitere
Verzierung, entfprechend. Tifche, ein brauner Kachelofen mit Bänken zu beiden
Seiten, paffen dazu allenlings nicht völlig. Das Haus erfcheint faft zu vornehm
und ftattlich für diefes einfache Geräth. Was die Anlage betrifft, fo erfcheint
die Giebelfeite, auf welcher fich auch der Haupteingang befindet, als die Fronte:
Gallerien mit gebrochenen Geländern fchmücken fie von unten bis oben. Die
Langfeiten zeigen nur ftattliche Keihen regelmäfsiger Doppelfenfter mit geradem
Abfchlufs. Auch für diefes Gebäude muffen wir die Motive des architektonifchen
und ornamentalen Details dieffeits der Renaiffance fuchen.
Einen fo vornehmen und flattlichen Charakter tragen nun freilich die natio-
nalen Wohngebäude nicht, welche die öftliche Hälfte Oefterreichs auf die Aiis-
ftellung gefendet hat. Die gegenwärtigen zeitweiligen Bewohner behaupten aller-
dings, dafs fie es in der Heimath fchöner und beffer haben, und es wäre dem-
nach in diefer Beziehung die Weltausflellung hinter der Wirklichkeit zurückge-
blieben, während fie fonft gewöhnlich Kraftanftrengungen macht, darüber hinaus
zu fchiefsen. Als eine folche, in diefef Beziehung ungenügende Vertretung wird
das fogenannte Geidlerhaus bezeichnet, die Wohnung deutfcher Anfiedler im
Neutraer Comitat. Es ift ein armfeliges Blockhaus von rohem Gefüge, unver-
ziert und zum Theil unverputzt in den Fugen, fo dafs Wind, Regen und Schnee
eindringen mögen. Kleine Fenfter nach flavifcher Art laffen fpärliches Licht
in das Innere hinein. Das eine aufgefetzte Stockwerk , das an zwei Seiten von
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
einer engen Gallerie umgeben
ift, enthält nur ein paar Kammer-
chcn; das Hauptgemach hegt
im Erdgefchofs zur Seite. Es
ift wenigftens freundlich ausge-
ilaltct mit einem grofsen grünen
Kachelofen und Hanken herum
nach alter ilcutfcher Sitte , wie
wir beides, Ofen und Bank,
heute noch regelmäfsig z. B. in
Franken antreffen , während
bunte ungarifche Faiencekrüge,
ebenfalls traditionell nach alter
Art, den Wänden einigen
Schmuck verleihen.
Läfst uns diefes Geidler-
haus, zumal mit feinen engen
Fenftern fchon den Einflufs feiner
nicht deutfchen Umgebung er-
kennen, fo muthet uns das
ungarifche Szeklerhaus aus
Siebenbürgen gar fremdartig an.
Es ift nicht blofs ein Haus, es
ift ein Gehöft, in das wir durch
ein grofses Holzportal eintreten.
Schon diefes ift intereffant, und
zeigt uns diefelbe Liebe zum
farbigen ornamentalen Schmuck,
die der Slave wie der Ungar
an Kleidung, Stickereien, Haus-
geräth überall bethätigt. Das
Portal ift ein grofses Wagenthor
mit einem kleineren für Fufs-
gänger zur Seite, das wieder
eine mit einem fchirmenden
Dach überdeckte Bank neben
fich hat, wohl um die Abend-
ruhe zu geniefsen. Ueber das
Thor läuft ein Rundbogen, alles
aus F^ichenbohlen gezimmert
und mit allerlei vertieft ausge-
ftochenem und mit Farbe aus-
gefülltem Ornament verziert,
das in Ranken , Rofetten und
Mufchelwerk offenbar in diefer
Bronze -l-amul.ilici von D. Hollenbach Sohne in Wien.
Nach Zeichnung von Th. Ilonfen.
DAS KUNSTGEWERBE
r- flnfs der Renaiffance entftanden Ut. t,s ^ ^^^^ ^^^^ ^^^
Geftalt erft unter dem 1^";«^,"J^^^^!;,^„ ^ ,i, fuchen Urekmente u. Urzeiten,
oft, wie mit den -^^^^^ l'^'^^^t^roräeuim. nahe Uegt.
Zeit der Entftehung gewöhnlich aufsero
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
81
Tapclc ii.ich Zeichnung von lilclibacli, ;ui>gciu
iili \ (MI iluulllia
UuL Söhne in Uarmftadt.
Das Szeklerhaus hat blofs ein Erdgefchofs mit einem vorfpringeiiden Schindel-
dach und mittelgrofsen Fcnftcrn; feine Wände find in vollem Hlockhausflil ge-
baut. Durch eine Flur treten wir rechts in ein gröfseres Wohnzimmer, deffen
Wände ringsum, wo nicht Ofen und Gefchirrkaften ihren Platz haben, mit Betten
und Bänken, die zugleich als Karten «iienen, umrtellt find. Das Bettzeug thürmt
fich nach ungarifcher Sitte (an Gänfcn ift Ucbcrflufs) mit KederkilTen hoch auf.
82
DAS KUNSTGEWERBE.
Der Plafond läfst feine Balken fehen, über welche von oben her eine Dielen-
decke gelegt ift. Oben an den Wänden hängt ringsum bunt glafirtes Faience-
gefchirr in ungarifcher Art. Alles Holzgeräth, Betten, Gefchirrkaflen, Bänke find
farbig und bunt mit Blumen bemalt, fodafs das Ganze einen ziemlich luftigen
Eindruck macht.
Noch eigenthümlicher, wenigflens vom architektonifchen Gefichtspunkt,
erfcheint das croatifche Haus aus der Gegend von Karlfladt in Croatien. Es ift
ein Modell für viele und fomit nicht das croatifche oder gar flavifche Mufler-
haus. Es giebt yerfchiedene und fehr verfchiedene andere flavifche Hausmodelle.
,<Kii.
In Sillier gefafsles Halsband, von Bellezza in Turin.
Indeffen ift es intereffant in feiner Anlage, obwohl klein in den Dimcnfionen. Es
ift nicht wie das Szeklerhaus nur ein Erdgefchofs, fondern einftöckig und die
Wohnräume liegen im oberen Stock. Das Blockhausfyftem , in welchem es ge-
baut, ift daffelbe wie bei dem Schweizer Chalet: nicht Balken, fondern etwa drei-
zöllige Bohlen liegen mit den Schmalfeiten über einander. Das Erdgefchofs
enthält die Küche und die Vorrathsräume. In der Mitte führt eine Stiege in den
obern Stock und mündet in eine fchmale Flur, welche mit Lichtöffnungen zu
beiden Seiten, den oberen Raum in zwei gleiche Hälften theilt. Diefe Flur hat
nach vorn ftatt" der Fenfter eine breite Oeffnung mit einer Brüftung, die ganz
mit Blumen befetzt ift, fodafs der Anblick, wenn man die Stiege heraufkommt, ein
ebenfo eigenthümlicher wie anmuthiger ift. Zur Linken liegt das Wohnzimmer,
ausgt.'ftattet mit bunt bemalten Ik'ttftätten und kofferartigen Kaften, mit bemalten
hölzernen Feldflafchen und anderem Gefchirr, mit den Coftümen aus farbigem
Leder und endlich mit den roth und fchwarz in Querftreifenmufter gewebten
Handtüchern unil Decken, die wir zahlreich in der nationalen Ausftellung Ungarns
erblicken.
Wie das Geidlerhaus, fo hat fich auch das Bauernhaus der fiebenbürger
Sachfen von den Einflüffen feiner nichtdeutfchen Umgebung nicht ganz frei er-
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
83
halten. Es ift, wie fchon oben bemerkt worden, von den nationalen Gebäuden
das einzige, welches in Ikickfleinbau mit Verputz und Ziegeldach aufgeführt
worden. Hierin nun unterfchcidet es fich wefentlich von den ungarifchen und
flavifchen Häufern, wenigftens von denen, die auf der Anstellung zu fehen
find. Wir wüfsten aber doch kaum, wenn wir unfere Erinnerung über die deut-
fchen Gaue fliegen laffen, wo wir irgendwo Aehnliches fänden, was feiner eigen-
thümlichen Anlage entfpräche. üiefe Eigenthümlichkeit liegt befonders in einer
äufseren gedeckten Stiege, welche zum hoch erhöhten Gefchofs hinaufführt und
üben vor der Eingangsthüre eine kleine Halle bildet, die durch eine breite Hogen-
ütifnung erleuchtet ift. Durch die Thüre tritt man in die Flur, welche als Küche
dient; rechts und links find Zimmer. Das gröfsere Wohnzimmer liegt zur Rechten
Halsband von Bellezza in Turin.
mit Fenflern auf zwei Seiten ; an (einer Decke find die Balken fichtbar geblieben.
Es ifl freundlich und hell gefchmückt, ein wenig farbig, aber nicht fo blumig,
wie bei Croaten und Ungarn. Die Truhen und Bänke an den Wänden und was
es fonft von Tifchen und Karten giebt, find lichtgelb angeftrichen und mit rothen
Linien gefällig verziert; auf erhöhter Ziegelbank erhebt fich ein grüner Kachel-
ofen und oben um die Wände zieht fich rings ein Confolbrett, beftellt und be-
hängt mit den buntfarbigen glafirten Tellern und Krügen, wie fie in jenen öftli-
chen Gegenden beliebt find. Auch das Bett hat feinen Schmuck und zwar auf
weifsen Kiffen diefelben rothen Ornamente, wie fie die ganze flavifche Welt, wie
fie Ungarn und der fkandinavifche Norden noch kennen. Auch in Deutfchland
waren fie einmal in (gebrauch, aber bis auf äufserfl wenige Ueberrefte find fie
vor der unverzierten Leinwand gänzlich verfchwunden.
Das fiebenbürger Sachfenhaus fehnt fich nach feines Gleichen; fie find aber
von der Weltausftellung ausgeblieben. Sicherlich wäre es interelTant gewefen,
auch in diefer Art eine Reihe verfchiedener Gebäude vergleichen zu können; an
Modellen aus weiten Landen hätte es nicht gefehlt. Mit den Holzbauten^find
wir etwas beffer daran, doch find auch fie nur Beifpiele, die der Zufall herbei-
geführt hat. Somit bleibt es einer künftigen Weltausftellung, die mehr darauf
84
DAS KUNSTGEWERBE.
Chriftefen in Kopenhagen. Ohrring von Vianello in Florenz. Chriftefen in Kopenhagen.
Armbänder, Halskette und Ohrgehänge von Chriftefen in Kopenhagen.
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG,
85
Prachtbett von Ha(Ta & Sohn in Wien.
86 DAS KUNSTGEWERBE.
bedacht ifl als die unfrige, ihre Idee mit Confequenz durchzuführen, noch vorbe-
halten, das nationale Wohnhaus zur genügenden Darflellung zu bringen. Der
Gegenftand verdient es ficherlich und ifl: intereffant genug, dafs nun auch Archä-
ologen und gelehrte Architekten fich ihm zuwenden, wie die Coftümkundc ihre
trefflichen Bearbeiter gefunden hat. Diefes erkennen zu laffen, reicht die Ver-
tretung des nationalen Wohnhaufes auf unferer Weltausftellung eben hin.
3. Die orientalischen Kauten.
Der Orient! — Wenn wir nur an ihn denken, fo erheben fich in unferer
Seele farbenprächtige Bilder und die „wunderbare Märchenwelt fteigt auf in ihrer
Pracht". Wer die Türkei und ihre weiten Neben- und Hinterländer aber heute
ficht, wird fchwerlich ohne ein gut Stück Täufchung zurückkehren, und wer fich
betrachtet, was uns der Orient und feine Freunde auf der Weltausftellung auf-
gebaut haben, der wird das kaum mit den Bildern feiner Phantafie in Ein-
klang bringen.
Es ifl: auch im Orient ein grofser Abftand zwifchen dem Einfl und Jetzt:
auch er ifl in feiner Kunfl gefunken und gefallen. Ja, die alte orientalifche
Kunft, fie ifl allerdings wie ein Wunder der Wüfte entfliegen, wie ein Gebilde
aus dem Nichts, fchnell, eigenthümlich, in Farben und Sonnenlicht getaucht.
Bis die arabifche Kunft ihren Gefchichtsfchreiber gefunden hat, bleibt ihre Ent-
ftehung und Gefchichte noch immer etwas Räthfelhaftes. Was brachten denn
diefe Wüflenföhne an Kunft mit fich, als fie ihre fteinige und fandige Heimat
verliefsen? Was konnten die Beduinen davon haben als ein bischen Schmuck
der Waffen und ein paar bunte Streifen an Burnus und Zeltdecken r Da flehen
fie noch heute in der türkifchen Abtheilung auf der Ausftellung, wie fie damals
waren vor mehr denn zwölfhundert Jahren am Tage der Hegira. Der Drufe vom
Libanon, der Araber von Bagdad find ihr leibhaftiges Ebenbild, prächtige Er-
fcheinungen ohne Frage, fehr malerifch, aber ficherlich keine Künftler.
Freilich fanden die Araber, als fie auszogen aus ihrer Wüfle und fich eine
Welt, eine reiche Welt eroberten, überall die Kunft vor, zwar eine Kunft im
Verfall, aber doch eine Menge Kunftarbeiter, die ohne P>age ihre Lehrer wurden,
Lehrer in der Technik wie in den Kunftformen. Nichtsdeftoweniger warfen fie
diefe letzteren rafch und entfchieden wieder ab. Kaum find zweihundert Jahre
verfloffen — eine Epoche, in der fie kaum Zeit gehabt hatten, ihre Eroberungen
zu vollenden oder zu befeftigen — da ifl fchon ein völlig neuer Kunftftil fo
gut wie fertig, in Charakter, Form, Ornament gleich grundverfchieden von der
römifchen, helleniftifchen oder byzantinifchen Kunft, von allem, was die Araber an
Kunft in dem eroberten Lande vorgefunden hatten. Diefer neue Kunftftil
läfst uns nun allerdings feine Wunder fehen, wenn wir den Berichten ihrer
Dichter und Schriftfteller, wenn wir den Schilderungen der Kreuzfahrer glauben,
wenn wir dem Eindruck, den diefe neue Welt auf den Europäer machte, dem
Einflufs, den fie auf feine Kunft, auf die äfthetifche Geftaltung feines Lebens
ausübte, vertrauen wollen. Das Wenige, was uns von diefer früheren arabifchen,
gewöhnlich fazarenifch genannten Kunft erhalten ift, widerfpricht dem in keiner
I. WOHNLfNGSAUSSTATTUNG.
87
Weife. Damals war es, dafs die reichen, prachtvollen, überaus bevölkerten ara-
bifchen Städte, wenn nicht entftanden, doch erblühten, üaniascus, Cairo, Palermo,
Cordova, Granada und viele andere; damals erhoben fich zahllofe Paljifte, grofs-
artige Villen, mit Gold gefchmückt und mit glänzenden buntfarbigen Fliefen be-
deckt, inmitten von Palmen- und Orangenhainen oder hinter dunkelfchatti'jjen
Kaftanien, in Gärten von eigenthümlicher Anlage und Schönheit, und wo nackter
Fels oder dürre Fläche war und es heute wieder ift, da fprangen Jkunnen
Indianer -Zelt im Park der Weltausftelhing.
empor, da raufchten Gewäffer in Cascaden herab oder floflen in Canälen, gleich
fanften Bächen.
Das war damals. Seitdem ift es fehr viel anders geworden. Schon die
Herrfchaft der afrikanifchen Mauren in Spanien war diefer Cultur nicht günftig
wenn auch unter ihnen noch das Reich Granada erblühte und eine Alhambra
erftand. Die Mauren fcheinen dazu beigetragen zu haben — und die fimpeln
rothen Mauern der Alhambra find Zeugnifs dafür — in der orientalifchen Kunft
lien Innencharakter, ilie I'^ntfagung in Bezug auf das Aeufsere auszubilden.
Drüben auf der anderen Seite, in der Levante, im eigentlichen Orient, da erftarb
und erftarrte die Kunft, als die Osmanen in der Herrfchaft die Araber ablöften.
.L)i(; Tücken find eine indolente, unfruchtbare Nation, auf dem Qe^biete der Kunl] und
88
DAS KUNSTGEWERBE.
Arbeit. Sie liefsen verfallen , was die Araber ihnen überliefert hatten , und was
noch unter ihnen gefchafifen wurde, das ifl äfthetifch wie technifch minder gut,
minder künfllerifch und hat an Werth und Bedeutung von Jahrhundert zu Jahr-
hundert abgenommen. Nur die Indier und nach ihnen zunächft die Perfer halten
noch einigermafsen den Ruhm und den Charakter der orientalifchen Kunft auf-
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNÜ.
/IllUnrriccirtctrrrnrpcccrrrrrrrrfrrrPrrrrrrrrri ' - r r ■ r - r r • r cnociG'llt mtr.
Majolica-Camin, dunkelgrün mit bunter Ufcoration, Mittelfeld Spiegel,
von Seidel & Sohn in Dresden.
12
90 DAS KUNSTGEWERBE.
recht ; im Uebrigen erfcheint alles nur wie bewufstlofe Durchführung ererbter
Traditionen und oft in fehr liederlicher Ausfülirung. Was gut daran iü, das ift
eben das von den Vätern Ererbte. Heute fteht auch die orientalifche Kunfl
vor einer Reform, vor einer zum Theil beabfichtigten Wiederbelebung oder Um-
wandlung; aber wie die europäifche Kunftinduftrie eine orientalifche Frage hat,
fo fieht die orientalifche ihrerfeits vor fich eine europäifche Frage. Nicht blofs,
dafs es europäifche Künüler find, franzöfifche wie auch deutfche, welche fie in
Cairo, Conflantinopel, Smyrna regeneriren wollen, nicht blofs, dafs ihr die
modernen Anilinfarben zu fchaffen machen, der gebildete Türke europäifirt fich
jetzt in Leben und Sitte und mufs daher auch in feiner W'ohnung in dem Kampfe
zwifchen europäifcherund örientalifcherAusftattung einen Ausgleich eingehen. Schla-
gend erkennen wir das in dem türkifchen Wohnhaus auf der Weltausftellung.
Man mufs das Wefen der orientalifchen Kunft mit Bezug auf die Wohnung,
auf den Privatbau in zweierlei Eigenfchaften fuchen: einmal darin, dafs das
Aeufsere gegenüber dem Innern vernachläffigt wird, dafs der Innern Ausftattung
und Decoration zugute kommt, was man an Schmuck und Glanz zu verwenden
hat, und zum zweiten darin, dafs die Decoration, der Figur und Plaftik ent-
fagend, lediglich farbige Decoration der Fläche ifl;; wo erhöhtes Ornament aus
der Grundfläche heraustritt, da ifl es eigentlich nur fcheinbar plaftifch, weil es
mit feinen Höhen wieder in der gleichen Ebene liegt. Die erftere Eigenfchaft
begreift fich leicht aus der Art des häuslichen Lebens, aus der Abgefchloffen-
heit der Frauenbund des Haufes überhaupt. Beides, die Einkehr der Kunft und
die Abfperrung von Frau und Haus, kann feit den Zeiten der glänzenden Cha-
lifate von Bagdad und Cordova nur immer gewachfen fein; denn die Schilderun-
gen, die uns von dem Leben der arabifchen Ritterfchaft , von den Paläften und
Villen gemacht werden, fetzen eine weit gröfsere P'reiheit, weit mehr Aeufser-
lichkeit voraus, als wir fie heute oder während der fetzten Jahrhunderte im Orient
finden. Es war auch mit der zweiten Eigenfchaft der orientalifchen Kunft nicht
anders, nicht fo, als ob die Araber jemals eine blühende Sculptur in unferem
Sinne befeffen hätten; aber der Islam hatte im Mittelalter und noch während
des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts im Reiche von Granada weit
weniger die Scheu vor der Darftellung der menfchlichen und thierifchen Geftalt, ,
als fie heute im ganzen türkifchen Reiche und bei allen orthodoxen Muhamme-
danern allgemein ift. Die ketzerifchen Perfer machen eine Ausnahme, ohne es
in ihren kleinen figürlichen Malereien weit gebracht zu haben.
So haben wir denn unfere Phantafie ein wenig einzufchränken , unfere Er-
wartungen zu dämpfen, wenn wir an das „orientalifche Viertel" herantreten, das
uns in der Weltausftellung erbaut worden. Im Abendfonnenlicht liegt es aller-
dings reizend da mit feinen warmen Farben und feiner zum Theil phantaftifcher oder
bewegter Geftaltung, umfäumt vom grünen Walde; aber wenn wir das Einzelne
muftern, wenn wir es namentlich auf die Frage der Aechtheit prüfen, fo geht es
nicht ohne Täufchung ab. Wir thun immer noch beffer, uns mit Hülfe deffen,
was uns Perfien, die Türkei, Egypten, Tunis und Marokko an Originalgegen-
ftänden gefendet haben, das Bild des Orients, mindeftens gefagt, zu ergänzen
und zu berichtigen, als jenen Bauten allzuviel Vertrauen zu fchenken.
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
91
Das „orientalifchc Viertel" wird gebildet von dem egyptjfchen Palafl, einem
tiirkifchcn Wohnhaufe mit kleinen Hauten daneben, einer Huiitiiiue und einem
WatTenhaufe, einem marokkanifelien Häuschen und einem pcrfifchen Haufe. Der
f. g. Cercle oriental, ein reines l'hantafiegebilde, das nirgends in der Welt feines
Gleichen hat, ifl für uns uhne alles Intercffe.
Timi^iHii
-f-
i
Uhr, entworfen von König und Keldfcharek, ausgeführt von Hanufch und üziedzinski in Wien.
Von diefen Gebäuden ift ohne Frage der egyptifche Palalt, ein Werk des
Architekten Smoranz, bei weitem das bedeutcndfte und intereffantefte. Es ifl
nicht ein fimples Wohnhaus, fondern in der That, rein künfllerifch betrachtet,
eine fchöne architektonifche Leiftung. Ein Anderes aber ifl es, wenn wir nach
der Aechtheit fragen, wenn wir, begierig nach Kenntnifs des Orients, wiiTen
u*
92
DAS KUNSTGEWERBE.
Keiilaurin, ein MSdchen lanzcii Iclireiul. Reliet von Kundmann.
wollen, ob diefes Gebäude uns heute feines Gleichen im Orient repräfentirt.
Diefe Frage nach der Aechtheit muffen wir mit Ja und zugleich mit Nein be-
antworten. Wenn wir einen brillanten franzöfifchen Goldftofif ausnehmen, der
im Innern zur Bedeckung von Divans verwendet worden, fo dürfte wohl alles
Einzelne an und in diefem Palafte original fein , original entweder nach feiner
Zeichnung oder nach feinem Urfprung, und doch zweifeln wir, ob ein Gebäude
fo wie diefes, fo acht orientalifch es uns anmuthet, im Orient cxiflirt oder exi-
füren könnte. Die Urfache ifl die, dafs an dem Gebäude verfchicdene Dinge
vereinigt find, die fich in Wirklichkeit nicht zufammenfinden, dafs der Künftler
vcrfchiedenen Gefichtspunkten und Anforderungen zu entfprechen hatte.
Der Künftler wollte zunächft nicht ein einfaches Wohnhaus, fondern ein
möglichft umfaffendes Bild der orientalifchcn Bauweife geben, daher dachte er
an die Mofchee wie an das Haus ; er follte dem Vicekönig einen Palaft erbauen
und hatte doch nicht die Mittel, ihn königlich auszuftatten, was man auch wohl
für fechs Monate nicht verlangen konnte; er wollte zugleich von der alten, acht
arabifchen Bau- und Decorationsweife einen Begriff geben, wie fie fich wohl in
vielen Gebäuden Cairo's erhalten hat, aber nicht mehr in Uebung fteht. So ift
es gekommen, dafs hier Theile von beftehenden Mofcheen genommen find, wie
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
'J3
Kentaur, einen Knaben Klole fpielcn lehrend. Relief von Kundniann.
Minarets und Kuppel, und mit dem Palafte vereinigt wurden; felbfl den öffent-
lichen Bädern find Motive entlehnt, wie die halbrunden Ausbauten an den Schmal-
feiten, und mit dem Wohnhaus verbunden; fo ifi; es gekommen, dafs wir, von
aufsen die Anlage betrachtend, einen palaflartigen Bau vor uns haben, deffen
innere Ausftattung keineswegs dem entfprechcnd erfcheint; fo finden wir end-
lich Altes und Neues, Antik-arabifches fo zu fagen mit Modcrn-egyptifchem bei-
fammen, Originale wie Copien.
Laffen wir uns alle diefe Gefichtspunkte gefallen, fehen wir davon ab, dafs
uns unfer Bau kein Bild der gegenwärtigen egyptifchen Wohnung bietet, wie wir
es von einer Weltausflellung zu erwarten hätten, ftellen wir uns, kurz gefagt,
auf den Standpunkt des Künftlcrs — nun gut , dann hat er feine Aufgabe vor-
trefflich gelöfet.
Der Anblick diefes ftattlichen Palaflgebäudes ift voll Reiz und Kigenthüm-
lichkeit, contraftirend genug mit unfern europäifchen Bauten durch fein reiches
und unregelmäfsiges Profil, durch fein farbiges, charaktervolles Aeufsere, durch
fo manches uns feltfame Detail. Das eigentliche Wohnhaus bildet einen einiger-
mafsen regelmäfsigen Mittelbau, der gen Norden vortritt, mit zwei halbrunden
grofsen erkerartigen Ausbauten an den Schmalfeiteh, die einer Eigenthümlich-
94 DAS KUNSTGEWERBE.
keit der öffentlichen Bäder nachgebildet find, der eine mehr offen, der andere
gefchloffen. Hinter ihnen ftofsen zwei Flügel an das Hauptgebäude; fie treten
weit nach Oft und Weft vor und geben dadurch erfl: dem Haufe fein flattlichcs
palaflartiges Anfehen, und da fie das eine mit einem hohen Minaret, das andere
mit einer Kuppel und Minaret abfchlieffen, fo find fie es, die das bewegte, kühne
und unregelmäffigc Profil der ganzen Anlage hervorrufen. Der eine diefer Flügel,
lang und fchmal , enthält nur die in einer Flucht anfteigende Hauptftiege , der
andere die Mofchee; ihre architektonifche Gefialtung ifl: daher fehr verfchieden.
Hinter dem Hauptgebäude, zum Theil von den Flügeln umfafst, liegt ein mit
Blumen, Lauben und Brunnen wohl eingerichteter Garten, der rückwärts von dem
Gehöft eines wohlhabenden egyptifchen Bauern oder Farmers begränzt wird,
während gegen Oflen die Nachbildung eines altegyptifchen Grabes von Beni
Haffan daranftöfst. Alfo Palaft oder Wohnhaus, Minaret und Mofchee, Garten,
und Bauernhaus mit Drehbrunnen, Stallungen und Taubcnfchlag, dazu mit dem
Grab die Erinnerung an Uregypten, im Innern Altarabifch und Neuegyptifch
repräfentirt — das ifb alles, was wir erwarten können. Aber hier mufs unfere
Phantafie, umgekehrt wie anderswo, von einander trennen, was der Künftlcr ver-
einigt hat.
Betrachten wir uns vor allem das Wohnhaus in der Mitte, das uns am
meiflen iritereffirt. Während feine beiden reichen Flügel ganz in rothen und
gelben horizontalen Streifen balkenartig bemalt find, während die beiden Mina-
rets und die Kuppel, fämmtlich beflimmten Bauten Cairos nachgebildet, mit
Stalaktiten und Reliefornament verziert oder gitterartig bedeckt find, alfo einen
fehr reichen Schmuck bieten, ifl das Wohngebäude auch in feinem Aeufseren
bei weitem befcheidener und einfacher. Nur das Erdgefchofs trägt jenen rothen
und gelben Maucranflrich, das Hauptgefchofs ifl einfach grau und fchliefst oben
mit einer farbig decorirten Hohlkehle und freiem fpitzenartigem Kranzornament
darüber. Was ihm Leben giebt, find die Fenfler, der^n fieben das Hauptgefchofs
unterbrechen. Drei Prachtfenfter in der Mitte treten auf rothen Doppel faulen
vor und überragen den Eingang, eine kleine niedere Pforte. Die Fenfler,
obwohl in ihretpi Genre reiche Arbeiten, weifen dennoch mit ihrem Charakter
auf die Kunft und das abgefchloffene Leben im Innern hin. Es find kaflenartig
vortretende Gitterfenfter, aus feinen gedrehten Stäbchen in fpitzenartigen Muftern
zufammengefetzt, von innen zum Theil farbig verglafet, die jeden Blick hinauf
und hinab nach aufsen geflatten, keinen aber in das Innere eindringen laffen.
Auch die kleine, enge, niedere Pforte übt Entfagung; fie ifl allgemein charakte-
riflifch für das orientalifche Haus im Gegenfatz gegen das europäifche, das mit
möglichfl grofsem und gefchmücktem Portal wie mit offenen Armen einladet.
Reiches Portal, anfpruchs volle Fagade, arm feiige oder flitterhafte Ausflattung im
Innern, das ifl nur zu häufig die in den europäifchen Städten gewöhnliche Erfchei-
nung; im Orient ifl die Regel umgekehrt.
Ganz ifl das wohl bei unferem Palafle nicht fo der Fall ; denn was den
Glanz und die Pracht betrifft, fo fleht die innere Ausflattung, wie wir fchon an-
gedeutet haben, nicht auf der Höhe. Wenigflens ifl; das der Eindruck, den uns
das Innere gemacht hat. Die Wände der Zimmer find meifl kahl und nackt ge-
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
95
lalTen , in einfach drapgelbem Anflrich, weder glafirte Fliefen, noch Teppiche,
noch Seidcnfloffe fchmücken fie; nur die Plafonds zeigen wenigftens Farbe in
reichen alhambraartigen Arabesken. Etwas mehr Reichthum tragen nur die für
den Empfang des Vicekönigs beftimmten Räume mit Portieren, Teppichen,
Decken und Goldbrokatftoffen auf den Divans zur Schau.
Dafür dürfen wir die ganze Anlage des Innern, das Verhältnifs von Hof zu
Gemach, die lünrichtung der Zimmer, die Lage und Vertheilung von Herrenge-
mach und Harem wohl als völlig acht betrachten, und wir können uns daraus
einen guten Begriff von diefcn myfteriöfcn Partien des orientalifchen Haufes
machen. Ebenfo fällt es klar in's Auge, wie die Wohnung darauf angelegt ifl,
fich gegen Sonne und Hitze abzufperren und in kühlem Schatten behaglicher
Ruhe zu pflegen, hingegeben jenem Quietismus, darin der Orientale bei fich den
Hauptgenufs des Lebens fucht. Eingetreten durch die enge kleine Pforte be-
finden wir uns alsbald in einem hochumfchloffenen Hofe, in deffen Mitte, um-
geben von frifchen grofsblättrigen Gewächfen, «in Springbrunnen plätfchert; zur
Seite ifl eine gemachartige Halle, von drei Seiten umfchloffen, nur die eine Seite
offen dem kühlen Hofe zugekehrt. Es ifl; ein fliiller, erfrifchender Aufenthalt.
Der am meiften charakteriflifche Raum ift der Empfangsfaal des Hausherrn,
parterre gelegen, aber bis oben durchgehend. Er ifl im Kreuz angelegt, mit
einem Waffer in der Mitte, die Kreuzarme mit Divans zu Sitzgemächern herge-
richtet. Die Fenfler find vergittert und zum Theil farbig verglafet, fodafs ein
reizend fchillerndes Licht in den tiefen Raum hinabfällt. Oben flofsen die Zinnen
des Harems an diefen Saal und kleine Gitterfcnfter erlauben den Damen alles zu
fehen, was unten vorgeht. Sie felber bleiben ungefehen. Diefe Haremgemächer
liegen fämmtlich im Hauptgefchofs. Obwohl keineswegs fo ausgeftattet mit
glänzenden Utenfilien, Kunft- und Luxusgegenftänden , wie unfere Phantafle fich
einbilden möchte, laffen fie doch mit ihrer Einrichtung, mit ihren Lagern und
Divans, die felbfl mitten im Ausbau der Fenfler fich befinden, um ungeftört und
ungefehen ftundenlang liegend hinauszufchauen, auf das ftille und ficherlich auch
langweilige Leben darin, das wohl nur die Eiferfucht lärmend unterbricht, einen
Blick werfen. Allerlei Geräth von Krügen und Inftrumenten — Mufik gehört
zum Harem — befindet fich in tiefen Wandnifchen oder fleht auf Confolen und
fonft herum ; viel ifl es nicht. — Ebenfo fehlt auch der Mofchee die eigentliche Aus-
ftattung; einige Glaslampen, Imitationen alter orientalifcher Mufler hängen an
Balken darin; die Kuppel ifl reich mit gemalten Arabesken ausgefchmückt. — Eine
offene Gallerie, im oberen Stock nach dem Garten zu gelegen, erlaubt den Damen,
die frifche Luft zu geniefsen, ohne das Haus zu verlaffen. — Auch der Garten ift
charakteriftifch mit feiner Anlage und feinen Laubgängen, doch fehlt natürlich,
um ihn zum Genufs und zum fchönen Anblick zu machen, die Ueppigkeit der
Gewächfe und der Blumen. — Vom Garten aus ift uns noch ein Blick in das Grab
von Beni Haffan geftattet, die Ruheftätte eines fafl dreitaufend Jahre vor Chriftns
lebenden egyptifchen Nomarchen, die hier getreu, mit Ausnahme des Daches,
das eine Lichtöffnung erhalten hat, dem Original mit bunten Säulen und allen
feinen Malereien nachgebildet worden. Es ift die Wohnung eines Tobten, aber
dennoch wohl erlaubt, Zeit und Stil zu vergleichen. Welch ein Unterfchied, welch
flf)
DAS KUNSTGEWERBE.
Jenner, ein Kind impfend. Gruppe von Monteverde in Rom.
I. W Ol INUiNGS AUSSTATTUNG.
97
^ff
98
DAS KUNSTGEWERBE.
ein Abfland zwifchen diefem fchweren Bau, feinen gedrungenen Säulen und der
gemeffenen, gebundenen Malerei an feinen Wänden und dem luftigen, phantas-
tifchen Gebäude mit den bunten Arabesken, den dünnen Säulchen und zierlichen
Arcaden, die fich zu feiner Seite befinden. Die altegyptifche und die arabifche
Kunfl des Mittelalters haben fich zum grofsen Theil auf demfelben Boden unter
denfelben klimatifchen Bedingungen entwickelt, und der Charakter läfst fich nicht
grundverfchiedener denken. Es find die PZxtreme in der Kunftgefchichte.
Fanden wir im egyptifchen Palaft das Innere im Ganzen zu dürftig im Ver-
Silbernes Theefervice, von Chriftefen in Kopenhagen.
gleich zu den Erwartungen, welche die ganze Anlage in uns erweckt, fo ifl es
bei dem türkifchen Wohnhaufeeher umgekehrt: ein befcheidenes Haus von bürger-
lichem Anfehen und eine reiche, faft glänzende Ausftattung, die auf einen vor-
nehmen Herrn und Befitzer fchliefsen läfst. Indeffen, davon abgefehen, macht
das Ganze ächten Eindruck, wenn nicht bereits mit den zahlreichen Fenftern der
europäifchen Frage Rechnung getragen ifl. Das kleine Haus, das aus Erdgefchofs
und Oberftock befleht, hat einen Mittelbau und zwei vorfpringende' Seitentheile,
welche unten gefonderte Eingänge haben, den einen für die Frauen, den andern
für die Männer, und oben entfprechend die Gemächer enthalten. Herrenwohnung
oder Selamlik und Harem find alfo hier in eine rechte und linke Seite getrennt.
Die Stiege befindet fich in der Mitte. Das Erdgefchofs ifl vorzugsweife zur
Dienerwohnung beftimmt. Das Wohnzimmer des Harems ifl ein reich, warm
und behaglich eingerichtetes Gemach mit Teppichen auf Boden und Wänden,
Vorhängen vor den Fenftem und breiten Divans ringsum, die den rauchenden
und Kaffee trinkenden Frauen den Tag über zum behaglich-faulen Lager dienen.
Auch hier ift ihnen die Ausficht aus dem Fenfter geftattet, während die Gitter
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
99
den Blick einwärts verfperren. Die übrige Ausftattung ifl unbedeutend, wir finden
nur einen Karten und ein niedriges, mit Perlmutter eingelegtes Tifchchen, eben
hoch genug um bequem von den Liegenden benutzt zu werden, und daneben
ein Meffinggefäfs, das als Kohlenbecken zur Heizung dient.
Das alles ift aber acht orientalifch oder türkifch. Minder gilt dies von dem
1 lerrenfalon, der, faft reicher ncfch ausgeftattet als der des Harems, bereits eine
bedenkliche Conceffion an europäifche Form und europäifche Sitte zeigt. Er
hat fogar einen Marmorkamin fiatt des Kohlenbeckens, und in der Mitte fteht
ein Tifch von der Höhe des unfrigen. Das Sitzmobiliar ifl allerdings mit kofi-
barem oricntalifchen Goldftoff überzogen, aber ftatt des weichen, holzverachtenden
Divans hat es ganz die Form unferer Sophas und Seffel angenommen, mit höl-
zernem Geflell, mit Rücken- und Armlehnen, nur ifl es, wie das die Sitte der
Divans ifl, ringsum an den Wänden aufgcftcllt, und nicht nach unferer Weife
Silbernes Theefervice, von Chriftefen in Kopenhagen.
gruppirt. Man ficht, der vornehme Türke civilifirt fich europäifch, aber das Be-
dürfnifs falongemäfser Converfation und geiflreicher Cauferie fcheint dem fchweig-
famen Manne noch nicht gekommen zu fein. Auch das moderne Aegypten
kennt bereits folche europäifirende Möbel, folche von Holz conflruirte Sophas
und anderes Geräth, wobei das Holzwerk, nur um etwas nationale Art zu bewahren,
fich wohl mit eingelegter Arbeit, insbefondere auch mit Perlmutter fchmückt.
Ein koftbares Stück diefer Art, mit burnusartigem Goldfloff überzogen, ficht man
in der egyptifchen Ausftellung.
Weit mehr noch entfernt fich vom alten und ächten Orient das perfifche
Haus oder der perfifche Pavillon, wie wir den Bau nennen wollen — in Wirklichkeit
ift er weder das Eine noch das Andere. Das Fremde im türkifchen Haus war
wenigflens Conceffion an europäifche Art, wie der Türke fich nach und nach
europäifcher Sitte bequemt. Diefer fonderbare Bau aber ifl reine Phantafie, grade
phantaftifch und bunt genug, um eben für orientalifch gelten zu können, aber
weder von Perfern gebaut noch nach perfifchem Mufter. Man erzählt uns, dafs
der jetzige Schah von Perfien grofse Vorliebe für Spiegeldecoration gefafst und
13*
100
DAS KUNSTGEWERBE.
fie als Wandverkleidung eingeführt habe. Dieser Vorliebe zu Gefallen ifl der
erhöhte und vortretende Mitteltract des Haufes ganz in bunten Muflern mit
Spiegelglasftücken bedeckt; das ifl: zum Theil auch im Inneren im Hauptfalon
der Fall. Sonfl ifl; die Aufsenwand, namentlich der Seitentheile, mit bunten Ara-
besken bemalt, die verzweifelt wenig orientalifchen und noch weniger fpezififch
perfifchen Charakter tragen. Und damit, wenn 'wir die Fenftergitter an der Vor-
halle noch hinzufügen, ifl eigentlich alles erfchöpft, was diefer Phantafiebau noch
vom Orient befitzt. Verkehrt auch infofern, als er feine Pracht — fie ifl; flitter-
Schmiedeeifernes üiller, von Barnaids, Bifliop & Barnardi in Norwich.
haft genug — am Aeufseren und nicht im Innern entwickelt, ifl er nur die Cari-
catur eines orientalifchen Baues. Was die Decoration und Ausftattung des Innern
betrifft, fo zeigt die Jute, der modernfte Stoff, der die Wände des Stiegenhaufes
bedeckt, wenigflens noch orientalifchc Ornamente, die Ausftattung der Gemächer
aber ifl nicht einmal orientalifirend , fondern vom erften beften Wiener Tapezierer
mit blumigem Zitz in völlig moderner Art hergerichtet. Hier hört der Orient
ganz auf.
Dagegen kann die marokkanifche Wohnung vielleicht die gerechteften An-
fprüche auf Aechtheit erheben. Alle Theile des Baues, der hier nur aus Holz
befteht, find an Ort und Stelle von marokkanifchen Arbeitern gemacht worden ;
, alle Beftandtheile , alles Geräth, welches für die Wohnlichkeit in hinlänglicher
Menge vorhanden, ift acht und original. Nur einen Fehler hat das Häuschen:
es ift gar zu klein und gleicht zu fehr einer Spielereifchachtel. Unfere Phantafie
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
im
mufs uns alfo infofern zu Hülfe kommen, als fic die Wände auseinander dehnt. Im Uebrigen
können wir uns aus diefem Modell einen ganz guten Begriff von der marokkanifchen Wohnung
machen und find daher dem Ausfteller, dem öfterrcichifchen Conful Seh midi in Tanger, der auf
eigene Koften das Haus herflellen und aufführen liefs, zu Dank verpflichtet.
102
DAS KUNSTGEWERBE.
Das Aeufsere ift acht orientalifch einfach genug: ein quadratifcher Bau, die
Wände grün bemalt, mit flachen Pfeilern und Hufeifenbögen gegliedert, dazwifchen
kleine, hochgelegene, gedoppelte Fcnfter, die mit buntem Glafe verfchloffen find,
wie wir das auch fchon bei den übrigen orientalifchen Bauten getroffen haben.
Das farbig gedämpfte Licht ftimmt zur betrachtungsvollen Ruhe des Orientalen.
Auch die Anlage des Innern ift einfach. Ein quadratifcher, mit Arkaden um-
Knig von Sftltzer in Eifenach.
gebener Hof oder vielmehr ein Höfchen mit einem Brunnen, das hier durch ein
Glasdach zu einer kleinen Halle zufammengefchrumpft ift, bildet die Mitte; an
drei Seiten legen fich die Wohnzimmer daran, die vierte nimmt mit einer kleinen
Vorhalle den Eingang auf. Tritt man durch diefen in den Hof, fo hat man zur
Linken das Frauengemach, mit Gitterfcnftern abgefchloffen und mit einem Bade-
zimmer dahinter, rechts das Speifezimmer und gradeaus das Gemach des Herrn,
das man in gröfseren Wohnungen, wo diefe Seitentheile fich gewifs auch zu
mehreren Zimmern entwickeln, einen Saal nennen mag. Das alles ift nun gar
zierlich und klein, kaum zum Umdrehen, gefchweige denn zum Wohnen geeignet.
Dennoch ift es lehrreich und intereffant, denn es enthält nicht blofs manch hüb-
fches Stück Geräth, es trägt auch in feinen Stoffen ein fo achtes und altes Ge-
I. WOHNUNGSAUSSTATTUNG.
103
I
präge, wie kein anderes der orientalifchen Gebäude. Die Arabesken am Plafond,
die zierlichen, aus kleinen Stückchen zufammengcfctztcn Stalaktiten der Arcaden,
nichts erinnert fo fehr an die Decoration der Alhambra, während wir für die
Ornamente der Decken und Seidenftoffe die entfprechcnden Seitenftücke in Ueber-
reften der fpanifchen Seidenweberei aus dem vierzehnten Jahrhundert finden, die
fich noch hier uud da fragmentarifch erhalten haben, l-ls ift alfo ächte, alte
Krug von Sältzer in Eifenach.
maurifche Kunfl, die in Marokko geblieben ilt. Zahlreiche Gegcnftände in der
kleinen, aber intereffanten marokkanifchen Ausftellung beftätigen das.
Anders ift das in einem zweiten Lande Nordafrika's, in Tunis. Diefes I^nd
hat uns zwar keinen Palaft, kein Haus, keine Hütte erbaut, es zeigt uns aber
wenigftens ein Gemach in voller und reicher Ausftattung, ein Gemach, (S. 104) das
uns mit feinem Mobiliar fo anmuthet, als ob wir ein oder zwei Jahrhunderte früher
auf das Land hinaus nach Holland oder Fricsland verfetzt wären. Allerdings
giebt es hier Teppiche und Decken von acht orientalifchem Charakter und die
Wandbekleidungen mit applicirter Stickerei lalTen in diefer Beziehung auch nichts
zu wünfchcn übrig, aber die Polfter und Divans haben fich in Sophas und Stühle
von gedrehtem Holze verwandelt, und diefes Holzwerk mitfammt den Sitzen und
104
DAS KUNSTGEWERBE.
N
5"
I. wohnunSsausstattung.
J05
Teppich von James Iliinipliries & Süliiie in Kiiiilernünftcr.
Lehnen der Stühle und den Platten der Tifche ift auf goldenem Grunde mit
Blumen aller Art, insbefondere mit bunten Tulpen naturaliflifch bemalt, dafs wir
uns erftaunt fragen, wann und woher denn diefes Mobiliar und diefer KunfMlil
nach Tunis gekommen find. Ohne Frage find diefe Exemplare ächte Tunifer
Arbeit, wenn wir auch nicht fagen können, wie weit ihre Art im Lande verbreitet
ifl. Ihre Entflehung oder vielmehr ihre Aufnahme In Tunis wird wohl noch in
die glorreiche Epoche der Seeräuberüaaten fallen, vermuthlich in die Mitte oder
in die zweite Hälfte des fiebzehnten Jahrhunderts, und dürfte nicht ohne Zu-
fammenhang mit Holland flattgefunden haben.
Das Bild der tunififchen Wohnung mögen wir uns aus den ausgeftellten
Teppichen und zum Theil fclir originellen Portieren, deren geftreifte Ornamen-
tation uns an die Beduinenburnus erinnert, ergänzen. Es gilt das auch in Bezug
auf die übrigen Länder des Orients. So gering an Zahl die eigentlichen Möbel
ausgeflellt find — fie find ja auch feiten und in den meiflen Fällen unbedeutend
im orientalifchen Wohngemach — fo bedeutend ift die Ausflellung der Teppiche,
Decken und verwandter Gewebe. Hier fleht Indien, das uns fonft nur das gold-
glänzende Bruchftück einer fürftlichen Wohnung vor Augen führt, mit feinen
blumigen Geweben in erfter Reihe; ihm nahe hält fich Perfien mit feinen fein-
gemufterten, in ruhiger, aber fattcr Färbung gehaltenen Teppichen, während die
Türkei aus ihren zahlreichen Provinzen von Europa und Afien uns die mannig-
fachften Gewebe gefendet hat, fowohl zur Bekleidung der Wände, zur Bedeckung
des Fufsbodens, wie als Portieren, als Reife- und Gebetsteppiche beftimmt, die,
fo verfchiedenartig fie find, doch durch das gemeinfame coloriftifche und orna-
mentale Prinzip fich alle als deffelben Geiftes Kinder zeigen. Diefe Gewebe find
u
106
DAS KUNSTGEWERBE.
Fayencen von Geoiiroy ä i.o. in i.ien.
es, oft die einzige Ausftattung des Gemachs, welche vor allem bei fonft meift
nackten Wänden ihm Reiz, Behaglichkeit und auch den Charakter verleihen, mehr
Charakter als die künftlichen gemalten Arabesken in den gefchilderten Bauten,
die oft nur gelehrter Reminifcenz des Künftlers ihre Enflehung verdanken, oder
gar die mit Ornamenten bedruckte Jute, die nicht dem Oriente, fondern dem
modernften Indufiriegeifte, erft unferer Weltausftellung angehört. Leider werden
auch die türkifchen Teppiche bereits vom europäifchen Gefchmack angegriffen,
doch befchränkt fich fein Einflufs — allerdings unheilvoll genug — bis jetzt nur
noch auf die Farbe. Es fmd die Anilinfarben, welche auch dahin fchon ihren
Weg gefunden haben.
Albrecht Dürer-Kafteii, v^u Kihani i; Sohne in Schwab. Gmünd.
IL DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
107
Eingang zur dänifchen Galerie, entworfen von Th. Hänfen.
Man sollte erwarten, dass die Kunftinduflrie der europäifchcn Culturländer
überall denfclben Charakter erkennen laffe, fo gut wie unfere civilifirte Welt den-
felben Hut trägt; fcheint es ja doch, als ob fie in gleicher Weife der Mode un-
terworfen fei wie unfere Kleidung. Allein dem ifl nicht fo, wenigftens nicht heute.
Es giebtUntcrfchiedc, die nicht bloss darauf beruhen, dafs in einem Lande diefcr, in
108
DAS KUNSTGEWERBE.
Vergoldeter l'ukal, von Anton Hefs in München modellirt, cifelirt von Adolf Malbreiter.
einem anderen jener Kunftzweig mit mehr Vorliebe und Gefchick gepflegt wird.
Laffen wir die Länder Europa's mit ihren' kunftgewerblichen Arbeiten nurfo oben-
hin vor unferm Auge die Revue pafliren, fo werden wir fchon bei oberflächlicher
.f.
II. DIE LANDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
1(»'J
I
Rococo-Ofen in Majolica, hcUapfelgrün mit lebhaft bunter Uecuration, von Chr. .Seidel A: Sohn in Dresden.
Betrachtung wahrnehmen, da.ss fic trotz der einflufsreichcn Mode auch äfthelifch
verfchiedene phyriognomifche Züge tragen, die zuweilen recht hervorflcchend find.
Solche Unterfchiede mögen zum Thcil auf nationaler Chafaktereigenthümlich-
110 DAS KUNSTGEWERBE.
keit beruhen, allein das ift ficherlich, wenn wir fonft die Gewalt der Mode be-
denken, das geringfügigfte Moment, Frankreich ausgenommen, wo Charakter und
Mode zufammenfallen. Weit bedeutender erfcheint bei einigen Staaten der Glanz
oder die Nachwirkung der Gefchichte oder auch der Einfluss eines grofscn und
bedeutenden Mannes oder locale, vielmehr geographifche Bedingungen, welche
einem Lande eine gewiffe Richtung, einen gewiffen Zug feiner Induftrie vorfchrei-
ben, oder es find die künfllerifchen Traditionen der Vergangenheit, die fich jedoch
als nationale Induftrie derjenigen der modernen Cultur gegenüber zu ftellcn pfle-
gen. In jüngfter Zeit aber find es die Reformbeftrebungen auf dem Gebiete des
Gefchmacks, das, was wir in der Einleitung als die internationale Frage der Kunft-
induftrie bezeichnet haben, welche in den einzelnen Ländern, je nachdem fich
diefelben diefen Beftrebungen angefchloffen haben, die Phyfiognomie ihrer Ar-
beiten wefentlich umändern und ihre allerdings heute noch fchr fchwankende
Kunftart bedingen. Aul ihnen beruht vor allem der gemifchte Charakter, den
fo manche Culturländer auf unferer Ausftellung zeigen.
Mit Rückficht auf diefe verfchiedenen Bedingungen, von denen allerdings
keine ausfchliefslich wirkt, ordnen wir uns die Länder Europa's in beftimmte
Gruppen und nehmen dabei vorweg die kleineren Staaten, indem wir uns die
gröfseren Induftrieländer , in denen der eigentliche moderne Gefchmackskampf
auszukämpfen ift, bis zum Schluffe auffparen. Nur den Orient, der heute noch
feine eigene Welt bildet und als folcher auch auf der Ausftellung erfchien, laffen
wir auch diefen folgen.
I. Gruppe: Dänemark, die Schweiz, Belgien, Holland.
Wie mächtig und bedeutend der Einflufs eines einzigen Mannes fein kann,
das zeigt uns die Induftrie des kleinen Dänemark, welche in äfthetifcher Be-
ziehung eine fehr gute Figur auf der Ausftellung machte. Von früherer Induftrie,
die künftlerifch irgend Bedeutung hätte, weiss die Gefchichte nichts. Dänemark
ftand in diefer Beziehung einerfeits unter dem Einfluss Hollands, andrerfeits unter
dem Einfluss Lübecks und anderer gewerbfleifsiger Städte der Oftfee. Wohl
keine diefer Städte kann fich heute an Kunftfleiss mit Kopenhagen meiTen. Dass
feine Induftrie künftlich emporgekommen ift, mag man auf Rechnung der Refidenz
fetzen, aber dass diefe Induftrie einen gemeinfamen und bis zu einem gewifl'en
Grade eigenthümlichen, ihr eigenen Charakter trägt, das verdankt sie der Nach-
wirkung und der Erinnerung Thorwaldsen's ; die Gröfse diefes Mannes, der Idea-
lismus feiner Kunftrichtung adelt noch heute die Induftrie Dänemarks und fchützt
fie vor dem Hinabfinken in das Gemeine und Gewöhnliche. Wir find nicht mit
allem einverftanden, was die dänifche Kunftinduftrie uns vor Augen geführt hatte,
aber es geht durch alles ein feiner, nobler Zug, der ihre unverkennbare Eigen-
thümlichkeit bildet.
Stiliftifch betrachtet, liegt diefer gemeinfame Zug der dänifchen Kunftinduftrie,
wie das auf den Spuren Thorwaldsen's nicht anders zu erwarten steht, in einer
Hinneigung zu den antiken Formen. Wir erkennen ihn vorzugsweife in den Mö-
beln, in dem Porzellan und in den Silberarbeiten, den drei bedeutendften Zweigen
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
111
Spitzenvorhang von Jacoby & Co. in Nottingham.
der Knnftinduflrie, mit denen Dänemark auf der Ausftellung erfchienen war. Ift
diefe ftiliflifche Richtung geeignet, den Gefchmack aufgewiffer Höhe zu erhalten,
wie wir hier fehen, fo ift andrerfeits einige Steiflieit, Unfreiheit und Magerkeit der
Formen gar leicht damit verbunden. Und das ift auch zum Theil der Fehler der
dänifchen Arbeiten. Am wenigften gilt dies wohl von den Silberarbeiten, fowie
von den Schmuckgegenftänden, die das Etabliffcment von Chriftefen rühmlich
vertreten. Nur wenige allzumodcrnc Gegenftände entftellten feine fchöne Aus-
ftellung, die fich durch gute Gefäfs formen, zierlichen Schmuck nach antiken Vor-
bildern und treffliche Arbeit auszeichnete. Dagegen ift dies entfchieden der Cha-
rakter des dänifchen Porzellans fowohl der königlichen Fabrik, wie der von Bing
112
DAS KUNSTGEWERBE.
Ruffifcher KaiferpaTillon.
& Grönclahl, namentlich in allen ihren gröfseren und anfpruchsvolleren Arbeiten
und in denjenigen, die ihre eigentliche moderne Art vertreten follten. Hierher
gehören eine Anzahl gröfserer bemalter Vafen mit antikifirenden , keineswegs
glücklichen Formen, hierher die zahlreichen Biscuitftatuetten, zumal nach Thor-
vvaldfen, und verfchiedenes Speifegcräth, das fich vergebens mit der Antike auf
guten Fufs zu fetzen bemüht ifl. Es muss hinter einigen gelungenen Jmitationen
von Rococomotiven an gefälligem Reize zurückftehen. Hierher gehören auch die
Nachahmungen der antiken Terracottengefäfse, die in Dänemark, von verfehle-
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARHEITEN.
113
Mhi iik :ii Xiil'sbaumholz, bemalt, von Jof. Kraus & Sohn in Wien,
denen Fabrikanten geübt, zu einem Induftriezweige herangewachfen find, der
allerdings feine Vorbilder frei überfchreitet, und in diefer F"reiheit zuweilen ebenfo
unglücklich ift, als diejenigen Copien, welche es auf Treue abgefehen haben, für
u
114
DAS KUNSTGEWERBE.
gelungen erachtet werden muffen. Von den Möbeln, deren wir fchon früher ge-
dacht haben, fei hier zur allgemeinen Charakteriftik nur in Kürze bemerkt, dass
auch fie trotz ihrer Geflaltung im Geifte der modernen Reform entfchieden anti-
kifirende Neigung als ihre Landeseigenthümlichkeit erkennen laffen und diefe mit
höchfl: zierlicher, in den Formen wohl zu magerer Ausführung verbinden.
Wie ganz anders ifl der Charakter der Schweizer Induftrie, und wie ganz
anders ftellt fie fich dar, wenn man fie mit dem gefchichtlichen Charakter des
Schweizer Volkes vergleicht! Abgefchloffenheit in ihren Bergen, eigenthümliche
Art und Sitte und Festhiilten an derfelben mit Zähigkeit und Eifer, Hirtenleben
und Viehzucht anftatt des Gewerbes, patriarchalifches Patrizierthum anftatt der
induftriellen oder commerziellen Grofsherren, das galt fonft als der Schweizer er-
erbte Weife. Was kennt die Gefchichte von ihrer früheren Kund oder ihrer In-
duftrie? Was hnt uns die Schweiz davon hinterlaffen r Eine gute Anzahl glafirter
oder decorirter Oefen, die allerdings von einem künftlerifchen Betrieb der Töp-
ferei im fechzehnten und fiebzehnten Jahrhundert Zeugniss ablegen, eine noch
gröfsere Anzahl kleiner bunter Glasfeheiben, mit Wappen und Figuren bemalt, die
heute freilich aller Kunftfreunde Wohnungen fchmücken, fodann vielleicht allerlei
gefchnitztes Geräth von Karten, Tifchen und Bänken — alles, wie wir fehen,
zum Schmuck, zur Ausftattung der häuslichen Stätte beftimmt.
Und heute ift die Schweiz ein vorwiegend induftrielles Land mit einer Indu-
ftrie, die für die Welt arbeitet, die ihre Erzeugniffe dem Norden wie den fernften
Often zuführt. Auch im fechzehnten Jahrhundert in der Landsknechtszeit und
fpäter noch fah man die Schweizer Avantageurs in aller Herren Ländern und
Dienften, die „Reisläufer" laufen wohl noch heute auf die Reife, aber fie haben
fich in commis-voyageurs verwandelt, ftatt des Schwertes mifst die Elle. Aus
diefer Sachlage, weil die ganze Schweizer Induftrie auf den Export eingerichtet ift
und fich auf den in der Fremde herrfchenden Gefchmack einzurichten hat, geht
denn auch hervor, dass fie keinen eigenthümlichen Charakter hat und haben kann,
wie wir ihn bei der dänifchen gefunden haben, ja fie kann fich nicht einmal mit
Entfchloffenheit auf die Refonnbeftrebungen einlaffen, bis diefelben von ihrem
Publicum und ihren Confumenten gutgeheifsen find. Sie folgt einerfeits der Mode
und imitirt andrerfeits das Nationale. I'ür fich felbft fcheint fie keine künftlerifchen
Anfprüche und Bedürfniffe zu haben.
Diefe zwei Seiten, die Mode und die Nachahmung des Nationalen, fcheiden fich
auf das beftimmtefte in den Geweben, namentlich in den Baumwollftoffen, deren
ein überwiegend grofser Theil nach dem Orient geht. Die Schweizer Ausftellung
führte uns daher eine ganze orientalifchc .Abtheilung vor, in welcher Jndifch- oder
Türkifchroth den Ton angab. In der indifchen, perfifchen und anderen orientalifchen
Ausftellungen konnte man für alles die Originale fehen. Ein vielgereifter und
der Länder und Völker kundiger Mann hätte aber auch in den Schweizer Kattunen
mancherlei anderen Gefchmack erkannt, wie er im Norden an den Küften der Nord-
und Oftfee, wie er auf der pyrenäifchen Halbinfel und gewiss fonft vieler Orten
zu Haufe ift. Folgen diefe BaumwoUftoffe vorzugSweife dem verfchiedenen lan-
desüblichen Gefchmack des Volkes und helfen die „uralten" Volkstrachten er-
gänzen, fo arbeitet die Seideninduftrie, die ein höheres Publicum im Auge hat,
I. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
lediglich für die Mode und
bietet uns daher keine
cigenthümliche oder ori-
ginelle Seite. Nicht niin-'
der modern ift ein anderer
Zweig der Weberei , die
Mafchinenfpitzen der
\veifsenVorhänge,\velcher
in der Nordoftecke der
Schweiz, vorzugsweife im
Cantone St. Gallen, feinen
Sitz hat. Vor wenigen
Jahren noch, als der orna-
mentale Naturalismus alle
Decorationskunft be-
herrfchte, verfuchtc man
in diefer unzulänglichen,
fo wenig decorativen
Technik ganze Land-
fchaften , Gärten und
phantaftifche Gebäude
darzuftellen. Davon ift
der Gefchmack ein wenig
zurückgekommen und be-
gnügt fich heute mitVor-
grundftudien und grofs-
blättrigen Pflanzen. Nur
ein paargelungene ftilifirtc
Muftcr, die von einer
Zcichenfchule inSt. Gallen
ausgegangen waren, zeig-
ten den erften Beginn der
Gcfchmacks Veränderung.
Nicht minder wie die
Kattune umfpannt die
Schweizer Uhreninduftrie
die Welt, tlicfelbe inter-
effirt uns allerdings hier
nicht von unferem Stami-
punkte aus, aber mit ihr
in Verbindung fteht ein
anderer Zweig der Kunft-
induftrie, den fie nicht ent-
behren kann, nämlich die
feinere Gokiarbeit. Wo
15 •
HR
DAS KUNSTGEWERBE.
iwiiii'{iiiuii{iiiiiiiiiiniiiii<ia»!ii«ii»i|'iiiiiii!iiit«i!!'iriniiniii!iii{ii!iiiiieiiiiaa(iiiiig
Incruftirle und emaillirte Metallgcrälhc von Chriftoplile & Co. in Faris.
IL DIE LÄNDER UND IHRE KUNST ARBEITEN.
117
Emaillirte uiui incruftirtc Melallgcrälhc vun Chriltophlc ..V Co. m l'aru.
118 DAS KUNSTGEWERBE.
die Tafchenuhren zu Haufe find, da bleibt der Schmuci< nicht aus, denn die Uhr
bedarf zu ihrer Verzierung derfelben Arbeit, und fo war denn auch diefe Abthei-
lung der Schweizer Induftrie nicht ohne Bedeutung. Nur Eligenthümlichkeit hatte
auch fic nicht, fondern zeigte ihren eigentlichen Character, auf aller Welt Ge-
fchmack berechnet zu fein, darin, dass fie mit Etiquetten, welche die Bezeich-
nung als ägyptifchcr, als etruskifcher, als franzöfifcher, felbfl als amerikanifcher
Stil trugen, eben die Vielfeitigkeit, die Mannigfaltigkeit und die Unficherheit des
modernen Gefchmacks documentirte.
Nur den Schweizer Holzfchnitzereien, die auch bereits Exportartikel find,
kann man, wenn man will, eine gewifle Eigenthümlichkeit zufprechen, obwohl fie
kaum eine künfllerifche zu nennen, da der Charakter diefer Gebirgsfchnitzereien
die jetzt durch Schulen unterfiützt werden, eben der vollendetfte Naturalismus
ill. Man kann fich bei der gefchickten und naturgetreuen Ausführung denfelben
noch gefallen laffen, wenn der Gegenftand weiter keinen Zweck hat und eben
nur eine Thiergruppe , eine Gebirgsfcenerie oder dergleichen darftellt, in Ver-
wendung aber an Möbeln, Rahmen, Wanduhren oder anderen Gegenftänden kommt
er nur gar zu häufig, wie die Beifpiele der Ausflellung zeigten, mit einer ver-
nünftigen Aefthetik in Conflict. Am aufifallendften liefsen dies die Schwarzwälder
Uhren erkennen, welche in Imitation der Scl^weizer Schnitzereien diefelbe Art
zur Hauptdecoration gemacht haben und dabei auf die wunderfamflen Gedanken,
auf die feltfamften Widerfprüche verfallen.
In der gleichen Lage wie die Schweiz befindet fich auch Belgien, ebenfalls
ein vorwiegend induftrielles Land, das mit feiner Kunftinduftrie weit über den
Bedarf und die engen Grenzen des kleinen Landes hinausreicht. Diefer Zuftand
ift in Belgien nicht erft von neuerem Datum wie bei der Schweiz; wir kennen ja
die Niederlande in Kunfl; wie in Kunftinduftrie während früherer Jahrhunderte als
eines der leitenden Länder. Diefe Stellung, die Flandern und Brabant eine fo
hervorragende Rolle in der Kunflgefchichtc zuertheilt, nimmt Belgien heute nicht
mehr ein ; Führerfchaft im Gefchmack kann ihm in keiner Weife zugefprochen
werden, kaum öine Eigenthümlichkeit, vielmehr fchliesst es fich nur zu eng an
Frankreich und die fr^nzöfifche Mode an, auch liegt die Hauptbedeutung feiner
Induftrie durchaus nicht auf der künftlcrifchen Seite. Auf unferer Ausftellung
war fie noch ungünftiger vertreten, als fie es verdient, und zeigte eigentlich nur
drei Zweige, die Spitzen, die Möbel und die kirchlichen Goldfchmiedarbeiten, und
davon traten nur die erfteren einigermafsen imponirend auf
Die Handfpitzen Belgiens haben zwar heute Concurrenten genug erhalten,
aber fie find in keiner Weife die zweiten geworden. Ohne als Arbeit oder in
Schönheit tlen franzöfifchen nachzuftehen, folgen fie doch ganz dem franzöfifchcn
Gefchmack, der gegenwärtig die Spitzen naturaliftifch mit leichten Blumen und
zierlichem Gcranke überzieht. In der Zeichnung find die belgifchen Spitzen von
den franzöfifchen nicht zu fcheiden. Zwar hat man auch die Nachahmung der
alten Spitzen von Mecheln und V'alenciennes wieder aufgenommen, aber grade
diejenigen, welche in der V^erzierung die einfachften .und unbedeutendften find. In
der kirchlichen Goldfchmieilekunft ftellt fich Belgien, wie einige vortreffliche Ar-
beiten von A. Bourdon in Gent und J. Wilmotte in Lüttich, die in der Kunft-
IL DIE LÄNDER UND IHRE KUNST ARBEITEN.
119
Damaft-Tifchtuch mit rother Bonim
, narn (.-mei" /.riciini
göiiJdiEigiifMgjllPHlgigillgg^gÖ
: v(in Jof. Sforck ausgeführt von Küfferle in Wien •
halle ausgefeilt waren, bewiefen, zwar auf den Standpunkt jener Reform, welche
eine Umwandlung des Geräths und der Paramente nach mittelalterlichen Muflern
anflrebt, aber es gefchieht diefes ohne erfiiKlcrifchen Geift in genauer Imitation
der alten Stilarten, felbfl mit allen ihren Schwächen. Ebcnfo zeigten die belgi-
fchen Renaiffancemöbel weit mehr hiftorifche Stiltreue als z. B. die franzöfifchen,
während eine Anzahl Majoliken, die ebenfalls in der Kunfthalle ausgeftellt waren,
wenigftens in ihren Gegenfländen von ihren italienifchen Vorbildern unabhängig
waren; nur ftanden fie, weil allzufchwärzlich im Ton gehalten, an decorativem
Reize hinter ihnen zurück.
Kann fomit die moderne belgifche Kunftinduflrie, wie achtbar auch immer
fie fein mag, in keiner Weife fich mit ihrer Vergangenheit vergleichen, fehlt ihr
vor allem ein frifcher rühriger Krfindungsgeift, fo gilt das noch weit mehr von
dem Gefchwifterlande Holland. Es gab eine Zeit, wo diefe nördlichen Provin-
zen der Niederlande, mächtig zur See wie in der Politik, auch mit ihrem Ge-
fchmack den ganzen Norden beherrfchten und den Export ihrer Kunflinduftric
weit nach Süden trugen, wo fie mit weit mehr Originalität und Erfindung in hö-
herem Grade die Rolle fpielten, welche heute die Schweiz übernommen hat.
Haben wir doch felbft in dem gegenwärtigen Mobiliar von Tunis den Einfluss
von Altholland erkannt! Noch immer ift Holland eine ergiebige Quelle für den
Alterthumsfreund und den Antiquar, der unerfchöpflich gefchnitzte Möbel, Sil-
berarbeiten, gemalte Faiencen, kunftvolle Eifcnschlöffer und fonft mancherlei
Kunftwaare darin aufzufpüren weifs. Aber was liefert das heutige Holland von
gleicher Art dem Auslande? Wir wüfsten kaum etwas zu nennen, als die
fchillernden Imitationen chinefifchen Perlmutterlacks, die fich mitten in ihrem
Chinefenthum mit KaulbachTchen Compofitionen fchmücken, oder Kufsteppiche,
120
DAS KUNSTGEWERBE.
'mM'/'
II. DIE LANDER UND IHRE KUNST ARBEITEN.
121
Thongefafsc von Villtroy & üocli in Mettlacb, l,uxciiil)iir^'.
davon die Ausftellung allcrtlings aus Deventer einige fchönc Beifpiele in Smyrnaer
Art aufwies. Sonfl zeigte uns Molland von eigener Kunftiiiduftrie nur einige
Karten voll Silberarbeiten, zum Theil von grofsartigen Dimenfionen, wie z. B.
ein monumentaler Tafelauffatz. Diefe Arbeiten von Hoonebakker in Amflerdam
und van Kempen in Voorfchoten fSüd-IIoUand) leiden zum grofsen Theil noch
am Naturalismus oder laflen wenigftens das Streben nach edler Form vermiffen.
1 foUand hatte uns dafür bei dem Mangel eigener Arbeiten eine reiche Aus-
ftellung feiner afiatifchen Colonien verfchaflft, wie fie wohl ähnlich noch auf
keiner Weltausflellung zu fehen gewefen. Diefe Arbeiten der Malayen von Java
und Sumatra ftehen allerdings hinter den indifchen zurück, mit denen fie fehr
enge Verwandfchaft haben. Sie find im Ganzen weniger vollendet und fein in
la
122 DAS KUNSTGEWERBE.
der Arbeit und verhalten fich in der Ornamentation zu iiinen etwa wie das
Barocke zur Renaiffance, was wohl mit daher kommen mag, dass das arabifch-
perfifche Element in der indifchen Kunft dem buddhiftifch-religiöfen gegenüber
nicht hat zu der gleichen freien Geflaltung gelangen können. Indtffen giebt es
in Filigranen, goldtaufchirten Waffen, darunter die fchönften von dem Mufeum
des zoologifchen Gartens in Amflerdam ausgeftellt waren, vortreffliche Lei-
ftungen, und auch die goldgewirkten Seidenftoffe, obwohl an Reiz und Glanz
nicht mit den indifchen zu vergleichen , die in eigenthümlicher Weife durch
Wachstränkung ornamentirten „batiktirten" Banmwollfloffe find höchfl beach-
tenswerth.
2. Gruppe:' Spanien, Portugal, Italien, Scand inavien, Rufsland, Ungarn,
Rumänien und Griechenland.
Die Schweiz, Belgien und Holland fmd heute vielleicht noch am meiften
die Trabanten Frankreichs im kunftinduftriellen Modegefchmack ; Spanien und
Portugal find es auch noch, foweit fie modern find, aber gerade ihre moderne
Kunflinduflrie ifl; unbedeutend, und was fie an nationalen Elementen befitzen,
erregt in weit höherem Grade unfer Intereffe. Mit Schweden, Norwegen und
Rufsland ift es ähnlich, während Italien aus den Traditionen feiner grofsen Ver-
gangenheit foviel von eigener Kunflart fich bewahrt oder wiedererweckt hat,
dass es damit völlig auf eigenen Füfsen fleht. Was es an moderner Art bringt,
verfchwindet dagegen an Bedeutung und Intereffe. Dicfe Gruppe bewegt fich
alfo nur in fehr befchränkter Weife auf den Fufstapfen Frankreichs.
Der kunflinduftrielle Glanz Spaniens fällt ohne Frage in die arabifchen und
maurifchen Zeiten, alfo in das Mittelalter. Damals konnte Spanien mit feinen
Seidenftoffen, feinem geprefsten und vergoldeten Leder, feiner Faience-Induftrie,
feinen Waffen und fonftigen Eifenarbeiten felbfl anregend und beftimmend auf
das übrige Europa einwirken. Erhalten ifl; uns allerdings von diefer arabifch-
maurifchen Kunftthätigkeit fehr wenig; es fcheint, als ob das nachfolgende fpanifche
Regiment, wie es die Maure.sken felbfb von dannen trieb oder vernichtete, auch
mit den Ucberreflen und Erinnerungen ihrer Kunft gründlich aufgeräumt hat.
Nichtsdeftoweniger ruht faft alles, was die Induftrie Spaniens noch im fech-
zehnten und fiebzehnten Jahrhundert zu fchaffen vermochte, auf arabifcher Grund-
lage, vielleicht mit Ausnahme der Goldfchmiedekunft , welcher die Schätze
Amerika's eine Zeitlang, insbefondere für den Dienft der Kirche, erneuerten
Schwung gegeben hatten. Ihre Waffenfabrikation, ihre Faiencen, ihre Leder-
arbeiten, alles das geht, freilich mit zeitgemäfs veränderten Kunftformen, auf
demfelben Boden, in denfelben Werkstätten fort, bis es — und mit ihm die
Induflrie Spaniens — ■ gänzlich zu erfterben fcheint. Was wir auf unferer Aus-
ftellung davon fahen, das ift entweder reine Volk.sarbeit oder bereits moderne
und bewufste Wiederaufnahme.
Zu diefer bewufsten Wiederaufnahme einer maurifchen Tradition, die nicht
ganz erftorben fein mochte, gehört die inter^ffanteftc Erfcheinung der fpanifchen
Kunftinduftrie, die mit Gold und Silber taufchirten oder incruftirten Waffen und
n. DIE LÄNDER UND ITTRT<: KUNSTARBEITEN.
123
fonftit^'cn Eifcngcräthc von Madrid und Toledo, deren erftc Beifpicle von dem
Madrider Zuloaga wir 1867 auf der Parifer Ausftellung fahen. Hier erregten fie
bereits in Anwendung auf Waffenflüci^e wie auf Schrcibgerath bei jedem Ken-
ner eine wohlverdiente Bewunderung, die heute bei ausgedehnter Vermehrung
der Gegcnftände allgemein geworden ift. Bewundernswürdig ift die Reinheit
und Schönheit der Ornamente und die Genauigkeit und Schärfe der fchwicrigen
Arbeit. Diefe grofsen Schilde, die zum Theil auch mit hochgetriebenen Figuren
verziert find (das Ilauptflück erwarb das öflerreichische Mufeuniy, diefe Kärtchen,
Schalen und Schmuckgcgcnftände , diefe Degen, Dolche, Meffer und Piflolen
machen mit regelmäfsigcn, fchön gezeichneten blanken Ornamenten auf dem
fchwarzen Stahlgrunde den nobelflen Effect.
Ebenholz-Caffelle von Battifla Galti in Rum.
Gleich nach diefen Arbeiten kommen an Intereffe die buntgeftreiften Gewebe,
urfprünglich mantelartige, in eigenthümlicher Weife getragene Decken der Volks-
tracht, die nunmehr zu Portieren, Möbelfloffen, Vorhängen vielfach benutzt wer-
den. Mit ihrer rationellen Ornamentation verbinden fich die fchönften Farben-
ftimmungen, wobei man den ebcnfo naturgemäfsen , wie reichen und effectvoUen
Befatz und Behang mit Franfen und Quaflcn nicht überfehen darf. Vor ihrer
Schönheit und Wirkung erblafst alles, was die fpanifche Weberei an modernen
Geweben von Tifchdecken und fonftigen Möbelfloffen ausgeftellt hatte. Auch
diefe geflreiften Gewebe find ohne Frage maurifche Tradition, eine lebendigere,
farbenreichere Variation des afrikanifchcn Burnus. Ihnen hätten fich die fpani-
fchen Spitzen in Schleiern, Mantillen und Kanten anfchliefsen können, ilie im
Gegenfatz zu den franzöfifchen und belgifchen ihre eigene Ornamentation be-
wahrt haben ; leider waren fie fo gut wie gar nicht auf der Ausflellung erfchienen.
Auch die Potcricn Spaniens haben unleugbar Reminiscenzen der maurisch-
arabifchen Zeit bewahrt. Allerdings nichf dasjenige Gefchirr von Porzellan oder
16*
124
DAS KUNSTGEWERBE.
o
a
rt
O
et
<
Faience, welches heute auf vornehmer oder gutbürgerlicher Tafel erfcheint ; denn
diefes , deffen Hauptvertreter die Fabrik von P i c k m a n in Sevilla ift , hält fich
am meiften an enghsche Vorbilder und fucht nur mit verfchiedenen, aber mifs-
lungcnen Imitationen der berühmten Alhambravafe der vvicderauflcbenden
U. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
Schätzung altarabifchcr
Kunft gerecht zu werden.
.Auch die zahlreich ausge-
feilten Fliefen erinnern
nur mit ihrer Ivxirtenz,
nicht mit ihrer künftleri-
fchen Art an die glänzen-
den Azulejos derChalifen-
paläftc. Dagegen \i\ es
das Volksgcfchirr in zahl-
reichen Beifpielen von gel-
bem oder ausgezeichnet
fchönem rothen Thon, das
mit feinen fchlanken, ge-
fchwungenen, zum Theil
auch bizarren Formen, die
fich noch heute im nördli-
chen Afrika wiederfinden,
feinen maurifchen Ur-
fprung deutlich erkennen
lafst.
Ganz das gleiche rothe
Volksgcfchirr finden wir
in Portugal, wo es aber
auch fafl die einzige Re-
minifcenz feiner früher
beendeten arabifchen
Epoche zu fein fcheint.
Einiges Strohgeflecht mit
einfach fchönen farbigen
Müllern dürfte vielleicht
noch ebendahin gerechnet
werden. Was fonfl Portu-
gals Kunflinduflrie an
Eigenthümlichkeiten bie-
tet, braucht nicht nach
feinem Urfprungc dahin
gerechnet zu werden, fo
z. B. die zierlichen, reizen-
den , aus ilcm Volks-
fchmuck entftanilenen
und zum Theil noch dahin
gehörigen Filigranarbei-
ten , deren eine grofse
Anzahl ausgeftellt war
Tafelauff.-ili aus veiTilbcrtem Ncufilber, von .\. Kitter & Co., Efslingen.
126 DAS KUNSTGEWERBE.
und die Augen der Befucher feffeltc. Einen andern Gegenftand von befonderem
Intereflc, den man vielleicht in Portugal am wenigflcn gefucht hätte, bildete
eine eigenthümliche Art der Faiencen, die Imitationen der Arbeiten von
Palissy, jener SchülTeln und Gcfäfse mit Schlangen, Fifchen, Eidechfen, Mufcheln
und Pflanzen , welche, im vorigen Jahrhundert fafl verfchollen , der modern-
ften Faience-Induftrie wieder den I lauptanflofs gegeben haben. Wir wer-
den noch mehrfach ihrer zu gedenken haben. Hier in Portugal ifl diefe
Kunfltöpferei von einer Gefellfchaft zu Üporto in die Hände genommen und
fcheint, trotz der bizarren Formen, mit einer gewiffen Bedeutung betrieben
zu werden. Die portugiefifchen Imitationen fchliefsen fich ziemlich eng an
ihre Vorbilder an, obwohl fie gegenftändlich das Genre erweitern und fich
durch blafsere Farbenhaltung von denfelben unterfcheidcn. Portugals Kunfl-
induftrie war aufserdem auch mit ganz modernen Gegenfländen vertreten, welche
zeigten, dass fic fich hierin nicht von den herkömmlichen Modeformen entfernt
und fich auf den bekannten Bahnen bewegt, fo z. B. mit gefchlifTenen Gläfern
und Porzellangcfchirr. Weder das Eine noch das Andere bot ein weiteres
Intereffe. Daffelbe ift es mit feinen Geweben, in denen alte Traditionen nicht, wie
bei Spanien, zu erblicken waren.
Aehnlich fcheint es bei Italien auf den erften Blick zu fein. Was kann
moderner fein, als feine glänzenden Seidenfloffe , die ganz dem bisherigen
franzöfifchen Gefchmacke folgen; was mehr wohlgefällig und reizend für das
Auge unferes Publikums als feine zierlichen, bald fentimentalen , bald humoriftifch
genrehaften Marmorarbeiten , die wohl mehr in das Gebiet der Kunftwaare als
der Kunftwerke gehören? Selbft feine kirchlichen Paramente und Stickereien
find noch im craffeften und gefchmacklofeften Jefuitenflil gehalten mit natura-
liftifchen Seidenblumcn auf goldenem und filbernem, in rohefter Art ornamentir-
ten Grunde.
Und doch war Italien intereffant und feine' Ausflellung höchfl. bedeutend.
Es zeigt eben zwei Gefichter. Das eine, eben dasjenige, welches durch die ge-~
nannten Gegenflände fich charakterifirt , ifl das moderne, wenigftens was man
bisher als modern bezeichcn konnte. Ks fchmcichelt zum Theil mit feiner
aufserordentlichen Gefchicklichkeit der Menge, die bei einem Kunftwerke nicht
nach dem Gehalte, fondern nach dem ficht, was es darfteilt, zum Theil bewegt
es fich auf den ausgetretenen Wegen des bisherigen franzöfifchen Gefchmacks
ohne Originalität, ohne Erfindung, felbfl ohne Gefchmack. Das andere Geficht,
und es ift glücklicher Weife fein jüngftes, kehrt fich der grofsen Vergangenheit
Italiens zu und trachtet die alten berühmten Kunflzweige nicht blofs zu imitiren,
fondern wieder zu beleben und der modernen , beffer der modernflen Induflric
wieder zu gewinnen. Zum Theil ift das nur die Fortführung und Belebung
einer alten Tradition, wie bei dem Mofaik, zum Theil ift es das Refultat wach-
fender Alterthumsliebe, zum Theil aber auch wahrhafte und bewufste Erneue-
rung, wie bei den venetianifchen Glasarbeiten.
Von einem bedeutenden Zweige diefer Richtung, von den gcfchnitzten
Möbeln nach der Muftern der Renaiffance haben wir fchon früher zu fprechcn
gehabt, Arbeiten, die heute allerdings noch mehr für den Export, für die
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
127
Wohnung fremder Kunftfreunde als für das italienifche Haus beftimmt find.
Nichtsdcftoweniger bilden fie bereits einen bedeutenden Kunftzweig, bedeutend
in künftlerischer Beziehung wie vom Standpunkte des Gefchäfts. Sie gehören
zu denjenigen Gegcnftänden, die antiquarifch wieder begonnen haben, nun aber
auch um ihrer felbft willen gefchätzt und gefordert werden.
In gewiffer Weife überholt find (liefe Möbel bereits durch die Glasfabrikation,
obwohl diefe eigentlich nur an einem Orte künfllerifch und grofsartig betrieben
wird, zu Venedig und auf feiner Infel Murano ; aber keine der erneuerten Künde
Platte aus gebranntem Thon, von Villeroy & Boch in Mettlach.
Italiens hat fich in fo kurzer Zeit fo felbftändig zu machen gewufst. Die
leichten zierlichen Gläfer der Renaiffancezeit, die mit ihren fchlanken und ele-
ganten Formen zu den gleichzeitigen Metall- und Faience-Gefäfsen ein fo treff-
liches und um der ftofflichen Ausprägung willen fo lehrreiches Seitenflück
bildeten, fie find alle untergegangen in dem plumperen Gefchmack der nach-
folgenden Zeit, mit ihnen alle die bunten Varianten, die gefh-ickten, gefponne-
nen , genetzten Gläfer, die fchönen blauen, rothen, violetten, grünen Farben.
Von der ganzen Muranefer Glasinduftrie, die ein halbes Jahrtaufend geblüht
hatte, war am Anfang unferes Jahrhunderts nichts geblieben, als die Perlfabrika-
tion, die einem fehr unkünfllerifchen Genre der Stickerei Vorfchub leiftete, und
ein rohes ordinäres Gefchirr von gefchmolzenem Glafe. Da kam vor etwa
128
DAS KUNSTGEWERBE.
Thefeus, von G. Vitalis in Syra.
zwanzig Jahren (oder kaum fo lange) ein venetianifcher Patriot, Dr. Salviati, feines
lierufes ein Advokat, auf den Gedanken, dicfen ehemals fo ruhmvollen und ein-
träglichen Induflriezweig in den ausgeflorbcnen Glashütten Murano's wieder zu
beleben. Die Sache war nicht leicht; denn wer einmal in Murano der Knt-
flehung diefer zierlichen, zuweilen überaus künftlichen Gefhfse zugefehen hat,
wie fie mit den einfachften Inflrumenten aus der Hand hervorgehen , der begreift,
wie viel Mühe, wie viel Geduld dazu gehört haben mufs , fo viele Arbeiter in
ebenfo viel Künfller zu verwandeln. Und heute ifl nun das alles gelungen, heute
find die Schwierigkeiten überwunden, und Murano ift wieder eine Statte fchwung-
OolJwaarcn von Cicifsel iS: Härtung in Hanau.
130 DAS KUNSTGEWERBE.
haft betriebener Glasfabriken, deren Leiftungen, deren Kunftarbeiten wir an
zahllofen Gegenftänden auf der Ausftelliing bewundern konnten, wo fie, dichtge-
drängt flehend , den vierfachen Raum hätten ausfüllen können. Wir wollen fie
nicht weiter schildern, die eleganten Trinkgläfer, die blumigen Lüftres, die Spie-
gel, die Vafen in klarem oder farbigem oder opalifirendem Glas, fondern uns
begnügen, fie in die Erinnerung der Befucher zurückzurufen. Aber Salviati ifl
bei diefem Triumphe nicht flehen geblieben. Ein zweites Genre alter Kunflübung,
das ihm feine Wiedererflehung verdankt, find die Glasmofaiken des Mittelalters,
deren grofsartige Ueberrefle noch fo manche Kuppel und Wandfläche italienifcher
Kirchen bedecken. Die Reflauration der Mofaiken von S. Marco, welche Salviati
übernahm, rief diefe Technik zuerfl wieder hervor, und heute findet fie durch
das InfHtut Salviati's an verfchiedenen Orten und in verfchiedenen Ländern bereits
grofsartige Anwendung. Die Ausflellung bot uns eine lehrreiche Auswahl der
mannigfachflen Mufler zu verfchiedenartiger Verwerthung, figürlich wie rein
ornamental. Auch an die alten farbigen Glasfenfler hat Salviati gedacht und
fabrizirt jetzt eine Fülle gefärbter Gläfer, welche an Nuancen, an Farbenpracht,
fowie darin, dass fie wohl das Licht durchlaffen, aber nicht in farbigen Strahlen
auf den Boden werfen, den alten am nächflen kommen dürften.
Die Bedeutung, welche Salviati in der Glasfabrikation hat, diefelbe kommt
für die italienifche Goldfchmiedekunfl der Familie der Caflellani in Rom und
Neapel zu. Ihre Beflrebungen, welche befonders auf die Wiedererweckung der
antiken Goldarbeiten hinausgingen und damit eine Veredlung der Formen und
des Ornaments wie eine Erweiterung und Verfeinerung der Technik im Gefolge
hatten, find fchon Jahrzehnte alt, vielleicht vom alten Pio Castellani fchon ein
halbes Jahrhundert, aber erfl neuerdings haben fie vollauf zum Ziele geführt.
Heute find die Goldarbeiten der Brüder Caflellani, deren fchönfle Stücke auf
der Ausflellung von den Mufeen erworben wurden, nicht blofs die erflen
Italiens, vielleicht der Welt, fie haben auch die übrigen Goldfchmiede Italiens in
ihre Bahn hineingezogen. Twerembold, Bellezza und Andere arbeiten zum
grofsen Theil mit in derfelben Richtung und was fliliflifch davon abweicht, ifl
in Zeichnung und Ausführung verfeinert und veredelt. Man vergleiche nur z. B.
die Faffungen des Mofaik- und Cameenfchmucks von Einfl und Jetzt, und der
Fortfehritt fpringt in die Augen. Mit Hülfe der Franzofen find die Formen des
antiken Goldfchmucks felbfl in die allgemeine Mode eingedrungen, freilich fran-
zöfirt. Diefem antikifirenden Modefchmuck fehlt freilich der Hauptreiz durch
die Abwefenheit des Filigrans, welcher den Caflellani mit Hülfe von Arbeitern
des Volksfchmucks faft in antiker Feinheit und Freiheit gelungen ift. Vieler
Orten hat fich im nationalen Schmuck das Filigran erhalten, nirgends aber wohl
in fo reicher Anwendung wie in Italien. Einmal wieder in den vornehmen
Schmuck übergegangen, hat es felbfl wieder an Bedeutung gewonnen und zeigte
fich auf der Ausflellung als ein blühender Fabrikszweig , der in Genua und Turin
feinen Hauptfitz hat.
Eng mit der Goldfchmiedekunfl verbunden find zwei andere Zweige ita-
lienifcher Kunftübung, der Cameenfchnitt und das Mofaik. Erfterer, obwohl
auch in Frankreich, Hanau, Wien geübt, behauptet in Rom uud Florenz wohl
IL DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
131
immer noch den erflen Rang. Die Mofaik-
arbeiten in Stein kommen Italien faft allein
zu, insbefondere die fchvvierigere Art in
Pietra dura, welche man auch die florenti-
nifche nennt und die ihre Bilder, meift Still-
leben, Früchte, Blumen, Inflrumente aus
den Steinfti-icken nach den Contouren der
Zeichnung ausfchneidet und in die fchwarze
Marmortafel einfetzt. Ihre Hauptverwendung
hat fie bei Tifchplatten , in kleinerer Art
auch bei dem Schmuck. Ihr gegenüber
fteht die f. g. römifche Mofaik, welche das
Bild, das reichere Gegenftände hat, Figuren,
Landfchaften , Architekturen, aus fehr klei-
nen regelmäfsigen Steinchen oder vielmehr
gefärbten Glasflückchen zufammengefetzt
und in einer Kittmaffe befeftigt. Für diefe
Art hat bekanntlich die päpftHche Fabrik
die Führung, aber, wie die Ausftellung lehrte,
find es zahlreiche Privatmofaiciften, welche
für den Schmuck arbeiten. Auch die Holz-
mofaik und Marqueterie wird in Italien
geübt, keineswegs aber mit der Schönheit
und Sorgfalt wie z. B. im fünfzehnten Jahr-
hundert.
Geht die neue Goldfchmicdckunft Italiens
auf antike Vorbilder zurück, neben welchen
die Mufler der Rcnaiffance noch eine geringe
Bedeutung haben, fo find es für die erneuerte
Kunft in Bronzen und Eifen grade die Arbei-
ten diefer Epoche, welche nachgebildet wer-
den. Italien gehört zu den wenigen Staaten,
die heute das gefchmiedete Eifen als Kunft-
arbeit wieder aufgenommen haben. Franci
in Siena führt uns nicht blofs die Copien
der alten Leuchterträger und Fackelhalter
von Florenz und andern Städten vor Augen,
fondern auch mit Ranken, Laub und Früch-
ten reichgefchmückte Gitter. Die Imitation
der alten Bronze- und Meffingarbeiten
fcheint ihren Hauptfitz in Venedig aufge-
fchlagen zu haben ; eine Reihe gröfserer
und kleinerer Giefsftätten nehmen daran Theil.
Auf der Ausftellung erfchien M i c h i e 1 i ,
zum Theil fchon mit Arbeiten von fafl
Candelaber in Eifcngufs von der Stollberg-
Wernigeroder Faktorei in Ufcnburg.
13*
132
DAS KUNSTGEWERBE.
monumentaler Bedeutung. Aus einer venetianifchen Giefsftätte ifl auch die reizende
kleine Figur des trinkenden Knaben von A. Hildebrand hervorgegangen.
In allen diefen verfchiedenen Kunftzweigen ifl; Italien ohne Zweifel auf gutem
Wege. Sind fie zum Theil noch zu fehr antiquarifch gehalten und daher zu unfrei
vom Standpunkt der Erfindung, fo wird doch der Uebung, dem Gefchick alsbald
Anficht der Rotunde vom Baffin aus.
die Originalität, die freie Schöpfung folgen, wie es zum Theil fchon gefchehen ifl;.
Gehen wir von Süden nach Norden, die Gruppe der grofsen Induftrieländer
einftweilen überfpringend , fo finden wir auch in den beiden fkandinavifchen
Ländern, Schweden und Norwegen, das Gemifch des Modernen und des
Eigenthümlichen, oder richtiger gefagt, beides unvermittelt nebeneinander. Aber
wie anders als in Italien! Befleht die Selbftftändigkeit und Eigenthümlichkeit
der italienifchen Kunftinduftrie in einem Zurückgehen auf feine glänzende Kunft-
vergangenheit zur Löfung der höchften kunftinduftriellen Aufgaben, fo ift im
Norden das Eigenthümliche nur national, nationale Hausinduftrie feiner länd-
lichen Bevölkerung, nur Arbeit für das eigene Haus und den eigenen Gebrauch.
Dass von diefer Art Induftrie oder menfchlicher Handarbeit noch vieles tradi-
tionell aus alter Zeit vorhanden fein mufs, darauf läfst uns fchon die Ausdeh-
nung des Landes, die geringe Dichtigkeit der Bevölkerung, die Entfernung und
Abgefchloffenheit der Ortfchaften fchliefsen. Und fo ift es auch, von Schonen
angefangen bis zum Nordcap hinauf.
Für das Schlofs, für die Kirche, für das wohlhabende Haus und überhaupt
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
133
Eckpavillon der Induftriehalle.
die Gefellfchaft, welche fich cinigermafsen auf der Höjie des Lebens befindet
und mit der Cultur gleichen Schritt hält, hat die fkandinavifche Induftrie nie-
mals -etwas Eigenthümliches gefchaffen. Die I lanfaftädte , dann Holland und
E^ngland forgten für den Bedarf. Die Spuren davon trifft man noch überall im
Lande. Nur ein Zweig der Kunflinduftrie, die geprefsten und vergoldeten Le-
dertapeten , findet fich mit feinen Ueberreflen fo häufig noch im Lande , felbft
in Bauerhäufern , dafs man ihn wohl der heimifchen Fabrikation zufchreiben
mufs. Es ift heute, wie die Beifpiele auf der Ausheilung zeigten, in Stockholm
mit Glück wieder aufgenommen und bewegt fich in den Muftern des fechszehn-
ten und fiebzehntcn Jahrhunderts. Erft im achtzehnten Jahrhundert wurden bei
Stockholm zu Rörstrand und Guftavsberg zwei Faiencefabriken gcfchaflfen, um
Haus und Tafel mit weifs glafirtem, buntverziertem Gefchirr zu verfehcn. Allein
fie hatten nur langfam Erfolg, fei es aus Mangel der Kräfte, fei es um derConcur-
renz willen mit dem billigen chinefifchen und japanifchen Porzellan, welches die
fchwedifch-indifche Gefellfchaft nicht blofs in Schiffen, fondern in Flotten ein-
führte. Auch bewegten fich ihre Arbeiten ganz in den Formen ihrer Zeit und
134 DAS KUNSTGEWERBE.
zeigten daher kiinftlerifch wenig oder keine Originalität. Nichtsdeftoweniger wer-
den ihre Arbeiten von beiden Fabriken heute wieder imitirt, feitdcm die
Faiencen überhaupt und diejenigen des achtzehnten Jahrhunderts insbefondere
— letztere ziemlich ungerechtfertigter Weife — wieder in Mode gekommen find.
Beide Fabriken waren ihrem Rufe entfprechend auf der Ausftellung vertreten,
fowohl mit diefen Faiencen wie mit Porzellangefchirr, insbefondere technisch
höchft wunderbaren Biscuitarbeiten, die aber fonfl kein künftlerifches Intereffe
boten. Rörftrand zeigte aufserdem mit Glück Art und Farbenftimmung der
Paliffy- Arbeiten auf mancherlei Geräth , zum Theil auch auf Oefen angewendet.
Von rein moderner Kunflinduftrie in Scandinavien waren ohne Frage diefe
beiden Fabriken die intereffantefte Erfcheinung. Aufser den imitirten Leder-
tapeten waren höchftens einige Bucheinbände bemerkcnswcrth. y Die zahlreichen
im Material fo vortrefflichen Eifenarbeiten , auch die feineren zeigten keinerlei
entfprechende Ornamentation.
Den Hauptreiz auf ein künftlerifches Auge übten die nationalen Arbeiten
in Geweben , Stickereien , Spitzen und Schmuckgegenftänden. Leider waren fie
nur an Coftümfiguren vertreten, die, fo vortrefflich fie in lebensvollen Gruppen
aufgeftellt waren , doch empfindliche Lücken liefsen. Einiges bot die fchwedifche
Ausftellung weiblicher Arbeiten zur Ergänzung. Wir vermifsten unter anderm
die Holzgefchirre Lapplands , die mit ihren gefchnitzten Ornamenten direct an
die Kunft des alten Scandinaviens anknüpfen, ebenfo in Roth und Schwarz
ornamentirte Leintücher aus dem Süden Schwedens und originell geftickte
Decken Dalekarliens. Immerhin gaben die Coftüme, insbefondere die der
Frauen, fowohl die norwegifchen wie die fchwedifchen , den Reichthum und die
Originalität der ornamentalen Motive zu erkennen, welche in diefen Arbeiten
wie ein ungehobener Schatz ruhen. Es ift nicht genug darauf hinzuweifen, wie
fehr fie in diefer Beziehung für die moderne Induftrie, die überall nach Neuem
fucht, zu verwerthen find. Ein, Verfuch ift auch bereits in Norwegen felbft ge-
macht, indem ein Goldfchmied in Chriftiania, Toftrup, die bäurifchen Filigrane
für modernen Schmuck und andere Gegenftände verwendet. Auch die Beftre-
bungen zur Hebung der weiblichen Arbeiten in Schweden, welche von Damen
geleitet werden und in der bereits erwähnten Specialausftellung ihren Ausdruck
gefunden hatten, weifen bereits auf die Benutzung der nationalen Kunftmotive
hin. Wenn das in erhöhtem Mafse gefchähe, würde es der fchwedifchen Kunft-
induftrie ein Intereffe geben, das ihr heute, wo das Auge von hergebrachter
franzöfifcher Mode überfättigt ift , abgeht.
Aehnlich wie in Skandinavien ift die Lage der Dinge in Rufsland, nur
dafs dasjenige, was modern ift oder richtiger gefagt, was für die moderne Welt
beftimmt ift, bedeutender erfcheint, und dafs zugleich mit mehr Confequenz und
Abficht eine Verbindung zwifchen den nationalen Kunftelementen und dem Be-
darf der gebildeten Welt angeftrebt wird. Auch Rufsland kann fich keiner künft-
lerifchen Vergangenheit rühmen, es kann nicht an ererbte oder erlofchene Tra-
ditionen anknüpfen, welche auf den Höhen der Cultur ftanden, wenn man nicht
etwa den Byzantinismus feiner kirchlichen Kunft dahin rechnet. Diefer Byzan-
tinismus aber ift erftarrt, mumifizirt uud in diefer Erftarrung, in feinem unab-
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
135
J_
änderlichen Typus befteht eben feine Eigenthümlichkeit; ihn wieder lebendig
machen wollen, das heifst ihn in feinem Charakter aufheben, ihn vernichten.
Diefe Art der ruffifchen Kunft, diefe Heiligenbilder und gegoffenen und emaillir-
ten oder gefchnitzten Cruzifixc und Triptychen oder was dahin gehört , mit zahl-
lofen kleinen Figürchen, fie find für eine Wiedererweckung oder eine Reform
der modernen Kunftinduftrie eine verlorene Sache. Der griechifchen Kirche an-
gehörend, find fie auch lediglich religiös, nicht national, oder doch erft in zwei-
ter Linie.
Was in Rufsland wirklich national ift, das ift entweder volksmäfsige Haus-
arbeit und fomit uralte Tradition, oder es ift afiatifch. Jene, die nationale
Kunfttrbeit, ift in Rufsland fo bedeutend wie irgendwo, zumal fie fich nicht auf
die eigentliche Induftrie, auf den beweglichen Hausrath und auf coftümlichc
Gegenftände befchränkt, fondern auch das Haus felbft mit feiner Ornamentation
Gufseifernes Käflcben von der StoUberg'fchen Factorei in Ilfenburg.
in fich begreift. Wir haben darüber bereits in unferer Schilderung der Bauern-
häufer gefprochen und gedenken diefes Umftandes nur hier, weil, wie wir gleich
fehen werden, diefe architektonifche Ornamentation der Bauernhäufer in der
modernen ruffifchen Induftrie eine Rolle zu fpielen beginnt. Von den hölzernen
Gebäuden abgefehen, war aber die nationale Hausinduftrie Rufslands auf unferer
Ausftellung in keiner Weife genügend vertreten. Einiges fand fich in dem Ge-
höft, das wir befprochen haben, anderes, namentlich Stickereien, hatten die
Mufeen ausgeftellt , aber als alte Gegenftände, nicht zur Vertretung der gegen-
wärtigen Arbeiten. Vor allem dürftig waren die Thonwaren und das hölzerne
Gefchirr, das in Rufsland noch von grofser Bedeutung ift, vertreten. Einen
beffcren Begriff von depi ornamentalen Reichthum in diefen Arbeiten bekommen
wir aus einem grofsen Werke, das' fich mit ihnen bcfchaftigt und fie zum Ge-
meingut machen will („Ornement national Russe. St. Petcrsbourg 1871"), fo wie
aus den erwähnten, von den Induftriemufecn zunächft angeregten Beftrcbungen,
fie in die moderne Kunft einzuführen.
Unferes Erachtens gefchieht das zum Theil in richtiger, zum Theil in un-
DAS KUNSTGEWERBE.
Camlelaber, nach Entwurf v. H. Claus ausgef. v. Ilollcnbacli.
richtiger Weife. Richtig ifl:
es, wenn eine Leinwandfabrik
(Grifenko in Petersburg) die
auf der Hausleinwand und der
Leibwäfche vorkommenden
gewebten oder geflickten Or-
namente zu dem gleichen
Zwecke, nur für feinere Kreife
wieder verwendet. Wir haben
fchon öfter für die farbige
Decoration des Hausleinens
plaidirt. Hier ift ein Weg
dazu eingefchlagen, den wir
nur billigen können. Auch
in die zur Decoration beftimm-
ten Seiden- und Brokatftoffe
find bereits nationale, neben
ihnen auch rein mittelalterliche
Motive aufgenommen worden
und erwiefen fich in der Aus-
ftellung der Fabrik von
Sapoinikoff zur Seite ganz
modern gehaltener Gewebe
als von höchft glücklicher
Wirkung.
Minder unbedenklich, ja
mehr als zweifelhaft in ihrem
Werthe erfchcint die Auf-
nahme der durchbrochenen,
in graden Linien gehaltenen
Ornamente der Holzarchitek-
tur, welche der Arbeit von
Lineal und Säge ihre Ent-
ftehung verdanken, in die
Goldfchmiedckunfl, deren
Material fich gerade der freien
plaftifchen Bewegung am
allergünfligften erweifet. Wir
fchicken die Bemerkung vor-
aus, dafs im Allgemeinen die
Ausftellung der ruffifchen
Goldfchmiedekunfi: , würdig
eines grofsen Reiches, eine
glänzende und intereffante
war, intereffant durch ver-
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
137
-r
fchiedenartige Verfuche und Orna-
mentationsweisen und insbefondere
auch dadurch, dafs fie mehr als
irgend eine andere von dem farbigen
Schmuck des Emails Gebrauch
machte. Aber grade diefes Email
war mit die Urfache, dafs das ge-
färbte Flachornament der Holzbauten
fo leichte Verwendung auf dem
Golde fand, auf den Gefäfsen wie
den Schmuckgegenftänden. Können
wir es uns auch gefallen laffen, dafs
fomit die plaflifche Erfcheinung in
eine malerifche verwandelt wurde,
eine Seite, die bekanntlich von der
modernen Goldfchmiedekunft nur zu
fehr vernachläffigt wird, fo find jene
Ornamente doch für Zweck und
Gegenfland zu fleif und darum unan-
gemeffen. Noch unangemeffener find
fie, wenn fie nicht cmaillirt werden,
fondern wie ausgefagtes Blech erfchei-
nen. Die ruffifche Goldfchmiede-
kunft litt aufserdem, nach Neuheiten
trachtend, an der Vermifchung wider-
fprechendcr Kunflweifen, wie z. B.
die fteifen Holzgefäfse mit dem
Naturalismus verbunden wurden, fo
dafs eine Eiche mit freien Figuren
darunter ein folches in Gold oder
Silber ausgeführtes Holzgefäfs trug
und ihre Wurzeln in ein ähnliches
conventionelles Poflament fchlug.
Auch in die Glasarbeiten der
kaiferlichen Fabrik find die Holz-
ornamente zur Verzierung von Ge-
fäfsen aufgenommen worden und
zwar mit aufliegenden Emailfarben,
fodafs auch die alte Technik nach-
gebildet erfcheint und diefe Arbei-
ten flark orientalifirenden Charakter
erhalten. Uebrigens hat fich die
kaiferliche Fabrik nicht ohne Glück
auch auf die Nacliahmung der älte-
ren venetianifchen Glasgefäfse mit
■^
Candelalier von der Berliner Aclicnpefellfchafl für
Ceutral-IIeizungs, Gas- und WafTer.nnlagen.
18
138 DAS KUNSTGEWERBE.
Malerei verlegt. Was Rufsland fonft an Kunftgläfern ausgeftellt hatte, bewegte
fich auf den veralteten Bahnen des böhmifchen Glafes und bot keinerlei Inter-
effc. Ebenfo wenig erfchien fein Porzellan intereffant, felbfl nicht da.sjenige
der kaiferlichen Fabrik, das keine neuen Wege eingefchlagen hatte. Eine ftoffliche
Eigenthümlichkeit für Rufsland (ind feine Malachite, aber ihre künfllerifche
Verwerthung, die mit reicher vergoldeter Bronze-Montirung fich im Genre der
Galanteriegegenftände hielt, fleht nicht auf der Höhe des Stoffes und des Preifes.
Die Formen find zu gewöhnlich modern, und das gilt auch noch von andern
Induflriezweigen, von den Bronzen, den Tapeten, den meiften Decorationsftoffen
und den Teppichen.
Aber die ruffifche Kunftinduftrie bietet noch eine andere Seite des Intereffes
dar, die wir fchon vorher mit als eine nationale bezeichneten, das ift die afia-
tifche, die uns übrigens in der ruffifchen Ausftellung weniger bedacht fehlen, als
es hätte fein follen. Den afiatifchen Erzeugniffen , insbefondere denjenigen aus
den neu eroberten Gegenden, war ein eigener Winkel zugewiefen worden und
diefer aus dem ethnographifchen Gefichtspunkt arrangirt. In reich verziertem
Pferdegefchirr, Goldfchmuck und Waffen, die ganz mit Türkifen bedeckt waren,
fand fich die Heimat diefes fchönen blauen Steines vertreten; aufserdem gab es
intereffantes Thongeräth, Gewebe und Stickereien, welche ihre Verwandtfchaft
mit der perfifchen Kunfl nicht verleugneten. Der Kaukafus fehlen uns mit feinen
Waffen und Stickereien wenig glücklich vertreten. In allen diefen Arbeiten ifl
noch echte orientalifche Art. Wo aber die afiatifche Kunfl tiefer nach Rufsland
vorgedrungen ifl, da läfst fie leider an Originalität heute nach. Dies gilt insbe-
fondere von den f. g. Tula-Arbeiten, Silberniellen, die noch vor wenigen Jahren
mit echt orientalifchen Arabesken als Verzierung von Waffen, Geräth und Dofen
den reizendften Effect boten, heute aber Landfchaften, Portraits und fonflige euro-
päifche Motive an die Stelle fetzen und mit Vergoldung vollends verderben.
Ka ifl; fchade, dafs die ruffifche Kunftinduftrie, die nach der einen Seite fich mit
alten und nationalen Elementen zu erfrifchen trachtet, hier einen ihrer fchönften
Zweige in Vernachläffigung zu Grunde gehen läfst.
Was Rufsland verfäumt hat, uns eine genügende Ausftellung feiner nationalen
Hausinduftrie vorzuführen, das haben die öftlichen Donauländer, Ungarn (mit
Croatien) und Rumänien, und neben ihnen Griechenland, in reichem Mafse
gethan. Es war freilich auch das Intereffantefte , was fie bringen konnten.
Die Commiffionen diefer Länder hatten den richtigen Gefichtspunkt feftgehalten,
dafs es fich hier nicht um eine ethnographifche Zufammenftellung oder um eine
touriftifche Merkwürdigkeit handle, fondern um einen Zweig der menfchlichen
Arbeit, der, commerciell allerdings vor fehr geringer Bedeutung, um fo gröfseren
Werth hat in künftlerifcher, culturgefchichtlicher, ja felbft in moralifcher Bedeu-
tung. Nehmt der ländlichen Bevölkerung diefe Hausarbeit, welche fie zwingt fich
zu befchäftigen, fich mit dem Nützlichen wie mit dem Schönen zu befchäftigen,
und ihr werdet fehen, wie diefe Bevölkerung in Cultur und Moral um eine Stufe
tiefer finkt. Entweder der Faulheit hingegeben, wird fie demoralifirt, oder nach
Befchäftigung fuchend, werden diefe Frauen und Mädchen, die jetzt den Schmuck
ihres Haufes, die Zierden ihres Lebens arbeiten, dem Maurer, dem Strafsen-
IL DIE I^NDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
139
>>>s>>>^>>>>>>->>>>v>>^>>^>>-'>v>%s>>>T>>5>-g^:y>>>^^^>>
Tcppich von John Rrinton & Co. in Kidderminfter.
bauer das Material zuführen, den Lehm und Mörtel bereiten und felbft bei den
gröbften Arbeiten folcher Art mit Hand anlegen. Und das fleht drohend bevor.
Der Untergang diefer nationalen Hausinduftrie ifi; fchwerlich abzuwehren, unfere
nivellirende Zeit duldet die nationalen Eigenthümlichkeiten nicht mehr. Erfor-
dert es fomit das gefchichtliche Intereffe, diefe alten Traditionen in Mufeen zu
fammeln, fo tritt noch ein anderes fehr modernes Intereffe hinzu, welches ihnen
Bedeutung verleiht. Wir haben fchon darauf aufmerkfam gemacht, dafs in ihrer
eigenthümlichen Ornamentation ein Schatz künftlerifcher Motive ruht, der unferem
nach Neuem bedürftigen Gefchmack, insbefondere auch unferenReformbeftrebungen
um fo mehr zu Statten kommt, als ihre Art durchaus rationell ift. Es kommt
nur darauf an, fie zu übertragen, fie verwendbar zu machen und fie zum Theil
zu verfeinern und zu veredeln.
Wer von dicfem Gefichtspunkte aus die Fülle von Gegenftänden, namentlich
in Geweben und Stickereien betrachtete, welche uns Ungarn, Croatien und Ru-
mänien vor Augen führten, der konnte über ihren Werth nicht länger in Zweifel
fein. Schon in der Farbe waren fie in ihrer Gefammtheit, wo nicht moderner
Kinflufs fchon zu fehen war, durchaus glücklich, und diefe Arbeiten aus der Hand
ungebildeter Bäuerinnen von ungarifchen, croatifchen, walachifchen Dörfern, fie bil-
deten darin den voUflenGegenfatz zu den Arbeiten unferer Damen, die ebenfo durch-
weg in der Farbe verkehrt find, wie jene gelungen. In der Zeichnung wie im
Schnitt der Gewänder ficht man wohl unterfcheidende Merkmale nach der Her-
kunft, aber ftilifhfch zieht fich ein gemeinfamer Charakterzug der Ornamentation
durch alle diese nationalen Arbeiten von Griechenland und Dalmatien an bis zum
Norden Skandinaviens, Rufsland mit cingefchloffen. Insbefondere gilt dies von
der Leinwand und ihren eingewebten geflickten oder fpitzenartigen Verzierungen
fowie von den grofsen gobelinsartig gewebten und geometrifch in reichen Farben
140
DAS KUNSTGEWERBE.
Uamalt-Decke vun l'rölfs fen. fei. Söhne in Grofs-Schoenau.
gezierten Decken. Manches erfcheint auch den einzelnen Ländern oder Gegenden
mehr eigenthümlich ; fo findet man in Rumänien fowohl im Stoff wie in der
Stickerei auch oricntalifche Motive, denen wir in der Türkei wieder begegnen,
fowie Griechenland mit den albanesifchen Provinzen und einem Theile Dalmatiens
die Goldbortenftickerei, insbefondere auf den Sammctjacken, in den zierlichft ge-
zeichneten Muftcrn und der cxacteften Ausführung für fich hat.
Neben diefen Geweben und Stickereien, dieals Hausarbeit der Frauen allerdings
den bedeutendften Theil ausmachen, find aber andere Zweige nicht zu überfehen.
Einiges vom Mobiliar, das aber nicht in hinlänglicher Menge zur Ausheilung ge-
kommen ift, haben wir fchon bei den nationalen Häufern zu erwähnen gehabt.
Die intereffanteflen und hübfcheften Gegenflände diefer Art waren eine Reihe
Seffel und Stühle in der rumänifchen Abtheilung, deren einfach gedrehtes Holz-
geflell mit bunten Borten, welche Sitz und Rücken bildeten , überflochten war.
Vor allem ift der originellen Thonwaaren zu gedenken, die von keinem diefer
Länder vernachläffigt waren und in reicher Fülle fchwarzes, rothes, grün und
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
141
r
Bodenfliefen von Villeroy & Boch in Moltlach.
bunt glafirtcs Gefchirr darboten. So roh zuweilen die Arbeit ift, fo eigenthümlich
und beachtenswerth find Art und Form, in welchen man auf unläugbar antike
Traditionen ftöfst. Hier auf dem romanifirtcn Boden des alten Möfiens, Daciens
und Pannoniens ift das allerdings auch nicht zu verwundern.
Bilden die nationalen Arbeiten das Hauptintereffe, fo würde man doch min-
deflens Ungarn ein grofses Unrecht thun, wollte man bei ihm allein diefer Art
Induflrie gedenken. Die Kunflinduftrie von l'eft zeigt ein fchr modernes civili-
firtes Geficht. Schliefst fich dicfclbe auch den in Wien herrfchcnden Richtungen
an, fo giebt es doch auch Fabriken und VVcrkftatten in Ungarn, die ihr eigenes
Gepräge tragen. Dahin gehören die zur Coflümirung nothwendigen Schmuck-
gegenftände, die mit Steinen und luiiails den alten farbigen Schmuck des fech-
zehnten Jahrhunderts wieder nachahmen, dahin gehört der Opalfchmuck lier Firma
Goldfchmidt, deffen Faffung und künftlerifche Bildung auf richtigem Wege
erfcheint. Vor allem aber ift dahin die Porzellanfabrik von Moriz Fi f eher in
142
DAS KUNSTGEWERBE.
Herend zu rechnen, die es auf Wiederbelebung des alten Porzellans abgcfchen
hat und in der Wiedergabe der verfchiedencn Arten, von Meifsen, Wien, Sevres,
Berlin, China und Japan von keiner andern Fabrik des Continents erreicht wird.
Es ift begreiflich, dafs diefes Ziel nur mit unendlicher Mühe, Geduld und finn-
cndem Denken in langer Zeit zu gewinnen war, und um fo mehr, wenn man be-
denkt, auf welchem Boden die Fabrik, fern von allen künfllerifchen Hülfsmitteln,
fich befindet. So mag das Rcfultat, wie es die eminente Ausflellung diefer Fabrik
erkennen liefs, mit Recht unfere Bewunderung erregen. In ihrer eigenthümlichen
Richtung hat die Fabrik gegenwärtig eine Technik, eine Sicherheit des Ver-
fahrens, eine Accurateffe der Arbeit erreicht, die um fo anerkennenswerthcr find,
weil Material und Feuer gerade bei dem harten Porzellan dicfen Eigcnfchaften
hinderlich find. Die Fabrik hat uns auf jeder Ausflellung mit kleinen Räth-
feln überrafcht, mit doppelwandigen, oben durchbrochenen Gefäfsen, mit Deckeln
jn beweglichem Charnier und ähnlichen Kunflftücken; diesmal ift eine gewaltige
durchbrochen gearbeitete Vafe auf grofsem vierfeitigen Poflament, deffen Wände
trotz der Wirkung des grofsen Feuers fcharf und grade wie gefägt erfcheinen, und
mit beweglichen glafirten Ketten umhängt sind, der Triumph ihrer Technik. Un-
garn follte unferes Erachtens mehr aus der Fabrik machen ; bei der unver-
gleichlichen Gefchicklichkeit, welche fie erreicht hat, könnte fie dem Lande als
Nationalanflalt die gleichen Dienfle leiflen und die Stellung einnehmen, wie fie einft
ihrer Zeit Meifsen und Wien inne hatten.
3. Gruppe: Frankrei ch, England, Oesterrcich, Deutschland.
Die internationale Frage des Gcfchmacks wird in den vier grofsen Induftrie-
ländern Erankreich, England, Oefterrcich und Deutfchland ausgekämpft und ent-
fchicden werden müfsen. Das letzte diefer Länder fcheint, feiner Ausflellung nach
zu fchliefsen, allerdings fern vom Ziele zu fein, aber die grofse Bewegung der
Kunftinduftrie ifl nicht eine Sache von heute auf morgen. Frankreich hat einen
Vorfprung von zwei Jahrhunderten, der nicht in einem Luftrum eingeholt fein
kann. Die Frage, um die es fich hier handelt, ift eine Frage der Lehre und der
Arbeit, eine Frage der Cultur, und Wissenschaft und Cultur arbeiten langfam.
Die Herrfchaft Frankreichs im Gefchmack datirt feit der Mitte des fiebzehn-
ten Jahrhunderts. Es ift merkwürdig, dafs fie beginnt mit feiner kriegerifchen
Gloire, die doch auch erft feit Richelieu oder vielmehr feit Ludwig XIV. gerech-
net werden kann, und heute mit ihrem Untergang mindeftens in Frage geftellt
ift. Der franzöfifche Gefchmack begleitet fomit vollftändig die Zeiten des Ver-
falls in der Kunft. Seine Weltbedeutung beginnt mit dem Aufenthalt des grofsen
Manieriften Bernini in Frankreich und der Gründung der franzöfifchen Kunftin-
duftrie durch Colbcrt, und durchlebt ununterbrochen in nie angefochtener Herr-
fchaft die Periode der franzöfifchen Barockzeit, des Rococo, den Gefchmack
Louis XVI. und felbft die Revolution und das Empire mit ihrer vermeintlichen
Antike, um im neunzehnten Jahrhundert mit dem Rococo von vorn zu beginnen
und im zweiten Empire bei der Stilart Louis XVI. ftehen zu bleiben. Kein Wun-
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
143
der, dafs von Generation zu Generation im gleichen Geifle fortarbeitend, die
ganze franzöfifche Künftlerfchaft, foweit fic der Induftrie angehört, den Character
diefer Kunflepochc vollkommen zu dem ihrigen, zu ihrer Natur gemacht haben,
dafs Willkür, Caprice, Regellofigkeit, trotz aller eminenten Gefchicklichkeit, welche
das Refultat zweihundertjähriger Arbeit ift, nach wie vor das innerfte Wefen
ihres Gefchmacks, ihrer Kunflinduftrie bilden. Und diefes VVefcn irt mit dem
Nimbus, der die franzöfifche Kunftarbeit, die franzöfifche Mode umQrahlt, fo fehr
die Ueberzeugung der Welt geworden , dafs die Willkür , das individuelle Belie-
ben felbfl: zum philofophifchen Princip des Gefchmacks, zu seinem eigentlichen
Wefen erhoben ifl, wodurch Gefchmack und Kunft nothwendig in einen unver-
föhnlichen Gegenfatz treten mufsten. Hatte das achtzehnte Jahrhundert Gefchmack
Faience-Gefafse und Teller von Th. Deck in Paris.
— Kunfl; hatte es bekanntlich wenig — , fo konnte das fechzehnte Jahrhundert»
die Zeit der Renaiffance, die Zeit einer ftilvollen Kunfl keinen gehabt haben, oder
nur da, wo es beginnt, willkürlich zu werden, wo das Barocke feinen Anfang
nimmt. Dann hatte fich auch die franzöfifche Kunflinduftrie des neunzehnten
Jahrhunderts aufserhalb der Kunft geftellt.
So fehr wir diesen Gegenfatz zwifchen Gefchmack und Kunft principiell in
Abrede ftellen müfsen, fo ift doch das Letztere, die ifolirte Stellung der franzö-
fifchen Induftrie abfeits der Kunft thatfächlich nicht unrichtig. Mit ihren Bizar-
rerien, ihrer Willkür und Stillofigkeit bildet fie im gewiftem Sinne einen Gegen-
fatz. Folgerichtig mufste fich eine Oppofition, die fich gegen fie, gegen diefe
ihre Eigenfchaften erhob, auf den Standpunkt der Kunft ftellen und mufste den
Stil, einen Gefchmack, der mit den Principien der Kunft in Uebereinftimmung fich
befindet, ihnen gegenüber fetzen. Das ift bekanntlich von England aus zuerft ge-
144
DAS KUNSTGEWERBE.
Stuhl und Stoff, componirt von J. Storck, ausgeführt von Haas & Söhne in Wien.
fchehen. Anfangs wohl kaum mit voller Klarheit über den principiellen Gegenfatz der
äfthetifchen Frage, aber diefe Klarheit mufste alsbald d^s erfteRefultat diefer Ikftre-
bungen fein. Oeflerreich und Deutfchland haben fich diefen Beftrcbungen angefchloffen
— wie weit, das werden wir noch fehen, — die Bewegung ifl heute eine allge-
mein europäifche geworden.
Selbft Frankreich hat fich dem Einflufs diefer Reform im Sinne einer ftil-
vollen Kunfl; anftatt des willkürlichen Gcfchmacks nicht entziehen können , fo
fehr ihm anfänglich dicfelbe widerftrebte und widcrflrcben mufste. Seine dies-
malige Ausflellung legte Zeugnifs davon ab. Wir fahen mancherlei und zum
Theil entfchiedene Anfänge auf dem neuen Wege, die fich nicht verkennen liefsen,
IL DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
145
Seffel aus dem Salon der Kaiferin, entworfen von J. Storck; Stoffe und Stickerei von Haas & Söhne;
Ausführung von Maffa & Sohn.
fo fehr auch der franzöfifche Künftler es verfteht, was ihm Neues geboten wiril
— und er bedarf des Neuen — in feine Eigenart umzuwandeln. Im Grofsen und
Ganzen freiUch ift der franzöfifche Charakter derfelbe gebheben, foviel er fich
auch den Strömungen der Zeit bequemt, fo fehr er felbft fein Gebiet erweitert
hat. Von der Verkehrtheit ihres innerften Wefens abgefehen, behauptete aber
die franzöfifche Kunftinduftrie ihre Höhe und ihre Gröfse; fie ifl; nur im Kinzehien
erreicht, im Einzehien aber auch entfchiedcn übertroflfen worden; ihrer Viel-
feitigkeit kommt bis jetzt keine andere gleich.
Wir haben fchon oben gefehen", wie in der franzöfifchen Wohnung fich zu
]»
146 DAS KUNSTGEWERBE.
dem Salon im Gefchmack des achtzehnten Jahrhunderts das Speifezimmer im Stil
der Renaiffance gefeilt hat. Die Tendenz dazu ift allerdings von älterem Datum,
und wir brauchen diefen Stil hier wenigflens nicht mit Nothwendigkelt auf Rech-
nung der neuen Reform zu fetzen. Aber wir haben auch auf dem Gebiete der
Decorationsgewebe einer Anzahl Sammet- und Seidenfloffe, fowie einiger Tapeten
zu gedenken gehabt, die, im Stil der Renaiffance, felbft des Mittelalters gehalten,
entfchieden erfl durch die neuen Gcfchmacksbeftrebungen in den andern Ländern
angeregt worden find. Und es waren das auf der Ausftellung grade die fchön-
ften Leiflungen der franzöfifchen Sammetweberei. Ebenfo hat die kirchliche Kund
in geflickten und gewebten Gewändern, wie insbefondere die reiche Ausftellung
von Henry in Lyon erkennen liefs, eine vollkommene Umwandlung in der Rich-
tung der mittelalterlichen Reform , wie fie von Deutfchland ausgegangen ift, vor-
genommen. Selbft die goldenen und filbernen Kirchengefäfse und Geräthc be-
fanden fich in der glänzenden Expofition von Poussielgue-Rusand zum weit-
aus überwiegenden Theil auf dem heften Wege dahin.
Minder ausgefprochen zeigt fich diefes bei den franzöfifchen Bronzen. AUer-
dings haben diefe eine bedeutungsvolle Neuerung in jenem Sinne aufzuweifen;
aber fie liegt mit ihren Formen wenigftens noch an der Gränze jener Zeit, welche
der franzöfifche Gefchmack während feiner Herrfchaft durchlaufen hat. Diefe
Neuerung find die blanken Meffingarbeiten in Lüftres, Lampen, Leuchtern, Uhren
und anderem Hausgeräth, wie fie feit wenigen Jahren Mode geworden find und
allerdings weit beffer zu dem neuen , ernfteren Stil der Wohnung paffen. Die
franzöfifchen Fabrikanten — unter ihnen fcheint Bagues vorzugsweife Specialift
in Meffing zu fein — nehmen aber nicht die guten Formen der Renaiffance zum
Mufter, fondern diejenigen des fiebzehnten Jahrhunderts, woher der Charakter des
Barocken niemals vollftändig abgeftreift erfcheint. Weitaus die überwiegende
Maffe des zahllofen Bronzegeräths, das in fo mannichfacher Weife dem Haus-
gebrauch zu. dienen hat , hält fich in den Formen des achtzehnten Jahrhunderts
und erfcheint daher auch vergoldet, fei es für fich allein, fei es in Verbindung
mit Porzellan , mit Marmor oder anderem Material. Die franzöfifche Bronzein-
duftrie ift aber auch fchon früher gefchickt gewefen in den verfchiedenen bräun-
lichen, fchwärzlichen und grünlichen Farbentönen der Bronze, und fie machte
auch diesmal vor den ähnlichen Arbeiten der übrigen Länder diefen Vorzug
geltend, freilich auch nicht immer ohne einen bizarren Anftrich, indem es ihr
zuweilen mehr um die täufchende Nachahmung der antiken Patina als um die
Schönheit zu thun ift.
Man mufs aber die Bedeutung der franzöfifchen Bronzeinduftrie nicht allein
in dem Haus- oder Luxusgeräth fuchen ; fie hat noch ein zweites kaum minder
bedeutendes Gebiet, worin fie heute noch fo gut wie allein fteht, das find die
Figuren. Mit diefen Figuren, welche das ganze Gebiet von lebensgrofsen freien
Geftalten bis zu kleinen Gruppen, Figürchen und Büften für Schreibtifch und
Etageren umfaffen und oftmals mit höchfter Delicateffe, felbft mit Raffinement
(wie bei Deniere einige Beifpiele zu fehen waren) ausgeführt find, erhebt fich
die Bronzefabrikation eigentlith zur hohen Kunft, aber fie ift es doch wieder
nicht, weil fie wie ein induftrielles Gefchäft für Vervielfältigung behandelt wird.
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
147
Die Ausftellung Barb^dienne's, des gröfsten Vertreters diefer Richtung, wird mit
feinen Copien von antiken Figuren, mit feinen Sclaven von Michelangelo, mit
den Thüren von Lorenzo Ghiberti unfern Lefern in bewundernder Erinnerung fein.
Noch eine neue Seite boten die franzöfifchen Bronzen dar, allerdings fran-
zöfifch ihrem Beginne nach, die aber doch der Reform zugute kommt, das ift
Steinzeugkrug von A. Sältzer in Eiftnacb, grau mit blauen Ornamenten.
ihre Verbindung mit Email. Zahlreiche Gegenftände fahen wir bei Barbedienne
wie auch bei Chriflofle und in der Ausftellung anderer Fabrikanten fich mit ilem
farbigen Schmelz bedecken und dadurch den Bronzen einen neuen, feit Jahrhun-
derten in diefer Anwendung nicht geiibten Schmuck wieder gewähren. Die crfle
Wiederaufnahme fand wohl bei kirchlichem Kupfergeräth als Email champlevc
ftatt, in Schwung kam fie aber nur, als die altchinesifchen Zellenfchmelze mit
ihrem prachtvollen tiefblauen Colorit nach der Eroberung Peking's in Maffe zu
u
148
DAS KUNSTGEWERBE.
Tafelauffiitze in vergoldeter Bronze, entworfen von Heinr. Claus, Ausführung von
D. Mollenbach Söhne in Wien.
uns herüber kamen. Die Imitation, die im Anfang unter zu viel Vergoldung litt,
ifl heute vortrefflich und fchmückt zahllofes Geräth von Lampen, Vafen, Cande-
labern, Schalen u. f. w. , und hat in vielen Beifpielen, die frei ornamentirt find,
bereits die chinefifche Erinnerung abgelegt.
Auch die Eifcnarbeiten begeben fich auf den Weg der Reform, infofern
wenigftens, als im Gegenfatz zum Gufs das Schmiedeeifen wieder als künflle-
rifcher Gegenftand betrachtet wird, mehr allerdings in Verbindung mit der Ar-
chitektur, für Gitter, Stiegengeländer und ähnliche Arbeiten, als bei kleineren und
IL DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
149
Kanne und Pukal, nach KiUwurl von l'riedr. .Scliinidt aufgeführt von J. und L. Lubnicyr in Wien.
feineren Gcgenftänden, Schlöffern und Befchlägen, bei denen die alten techni-
fchen Ornämentationsvveifen noch immer vermifst werden. Aber was die Aus-
ftcllung von jenen gröfseren Arbeiten darbot, namentlich in den ausgezeichneten
Leiftungen von Baudrit und Bernard, dem ifl; es fo ergangen wie dem Meffing;
es geht in feinem Stil nicht über das fiebzehnte Jahrhundert zurück und fteht fomit
künfHerifch noch innerhalb der Gränzen des eigentlichen franzöfifchen Gefchmacks.
Die franzöfifchen Arbeiten in edlen Metallen haben nicht minder Verände-
rungen aufzuweifen, aber fie liegen im Ganzen mehr in der Richtung der Antike
als irgend eines anderen Stils. Zweierlei trug dazu bei. Einmal waren es die
15ü DAS KUNSTGEWERBE.
Imitationen des antiken Schmucks in Italien, deren Beifall die franzöfifchen Gold-
fchmiede nicht ruhen liefs, bis fie, wenn nicht den antiken Schmuck felbft, doch
feine formellen Motive in Mode gebracht hatten. Zum anderen war es die Auf-
findung der antiken Silbergefäfse bei Hildesheim, welche einen aufserordentliche-n
Einflufs übte. Eine Reihe verfchiedenartiger Silberarbeiten, die fich den Origi-
nalen mehr oder minder anfchliefsen oder auch nur ihre Weife frei verwenden,
bekundeten dies insbefondere bei der grofsartigen Ausflellung von Christofle,
dem bedcutendflen Vertreter der franzöfifchen Silberfabrikation. Die Ausflellung
diefes berühmten Haufes vertrat in ihrer Vielfeitigkeit den ganzen Zweig fowohl
nach den Gegenftänden als auch nach den verfchiedenen Arten der Decoration
und der Technik. Eine Anzahl Gegenftände von Leuchtern, Candelabern und Ta-
felgeräth gehörte noch dem modernen, in den Formen diefes und des vorigen
Jahrhunderts fich bewegenden Genrp an; die Fabrik hatte aber abfichtlich ihre
neueren Gegenflände und diejenigen , welche mehr der Kunfl; als dem Gefchäft
angehören, nach Wien gebracht. Um fo günftiger flehte fich das Urtheil über
ihre Leiflungen, die in Feinheit der Arbeit, der Cifelirung, in Behandlung und
Farbe des Silbers, im Email, in der feineren Technik des Taufchirens und Incru-
flirens höchft bewundernswürdig find. Was wir an den Arbeiten auszufetzen
haben, das ifl aber das fpezififch Franzöfifche, die Willkür der Formen und die
häufige Ueberladung des Ornaments. Es gab aber auch Ausnahmen, und zahl-
reiche Ausnahmen, die in jeder Beziehung reizend und vollendet waren.
Auch der Goldfchmuck hat, wie gefagt, die Richtung zu antiken Formen
angenommen, doch war er im Vergleich zu den eigentlichen Juwelierarbeiten,
vor denen er zurücktrat, aufiallend gering vertreten. Rein antikifirten Gold-
fchmuck fall man eigentlich nur bei einem einzigen Fabrikanten, Emile
Philippe, der fich in verfchiedenem Genre bewegt; bei ihm erkannte man_
auch ägyptifche und byzantinifche Vorbilder. Derfelbe zeigte ferner in klei
nerem cifelirten Silbergeräth nach den Muftern der Renaiffance höchft vortreffliche
und vollendete Arbeiten. Der Diamantfchmuck dagegen, der von einer Reihe
Ausfteller wieRouvenat, Mellerio, Otterbourg u.a. materiell glänzend ver-
treten war, hielt fich noch allzufehr in naturaliftifchen Motiven: Blumen, Blätter,
Zweige, Federn, ganz mit Diamanten, hatten bei weitem das Uebergewicht vor
ftilifirten Zeichnungen. Uebrigens erfchien der franzöfifche Schmuck nicht blofs
mit Edelfteinen, fondern auch in Verbindung mit Email, mit Cameen und Korallen
äufserft vielfeitig; felbft der indifche Schmuck mit goldglänzenden Käferflügeln
fehlte nicht.
Die auffallendfte und durchgreifendfte Veränderung, welche die franzöfifche
Kunftinduftrie neuerdings erlitten hat, zeigten wohl die glafirten Thonwaaren, und
zwar dadurch, dafs die Kunftfaiencen dem Porzellane hinzugefügt worden find.
Diefes für die Gefchichte der modernen Cultur höchft bemerkenswerthe Ereig-
nifs, die Wiederaufnahme der alten Faience, mufste fo kommen. Die Franzofen
konnten daher nicht zurückbleiben, als die Sache von England und Italien aus
begonnen wurde. Heute find ihre Leiftungen höchft bedeutend, nach Umfang
wie nach künftlerifchem Werthe, aber auch infofern wieder acht franzöfifch, als
diefer Induftriezweig wie ein freies Feld erachtet wird, fich nach allen möglichen
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNST ARBEITEN.
151
Richtungen zu ergehen. Binnen wenigen
Jaliren ift der ganze Umkreis diefcs Fabrikats
räumlich und zeitlich in Nachahmungen er-
fchöpft. Darunter befinden fich allerdings
auch die franzöfifchen Faiencen des fiebzehn-
ten und achtzehnten Jährhunderts, aber der
Kunftvverth derfelben ift zu gering, um dabei
flehen zu bleiben. Neben ihnen oder vielmehr
vor ihnen fchon waren die italienifchen Majoli-
ken, die fpanifch-maurifchcn Faiencen, die
Rhodifer und perfifchen Arbeiten, die indi-
fchen.japänifchen und chinefifchen, dieHirfch-
vogel- und die Paliffy-Poterien vertreten, und
7war »fo , dafs der einzelne Fabrikant oder
Künftler eine Spezialität bildete. So hatte
Deck uns vorzugsweife folchc Arbeiten vor
Augen geführt, deren Werth in figürlicher
Malerei befland, C o 1 1 i n o t und P a r v i 1 1 c e ar-
beiten in orientalifchem Genre, jener mehr
nach China und Japan fich hinneigend, diefer
in perfifch-türkifchen Motiven, Barbiz et ifl
Imitator von Palissy und fo ähnlich andere.
Das Gebiet, welches auf diefe Weife die
Faiencen gewonnen, nämlich das mehr deco-
rative in grofsen Dimenfionen, hat das Por-
zellan feinerfeits verloren. Wenn wir eme
Anzahl grofser Sevresvafen, die in der Kunft-
halle ausgeftellt waren und wohl überwiegend
älteren Datums find, ausnehmen, fo hatte
auch in der That die franzöfifche Porzellan-
fabrikation, wie fie uns in der Ausheilung vor
Augen trat, folche coloffale Prachtflücke auf-
gegeben und fich auf die kleineren und fei-
neren Arbeiten und insbefondere auf das
decorirteTafelgefchirr befchränkt. Und hierin
hielt fie fich, im Gegenfatz zu den in alle
Weite fchweifehden- Faiencen, an ihre eigene
Vergangenheit, nicht mit Unrecht, denn die
weiche Sevresmaffe der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts hat in der That,
wenn man fie ein wenig mit ihren eigenen Augen zu betrachten verlieht, höchft
zierliche und reizende Gegcnflände gefchaffen. Diefer Anfchlufs an die Vergangen-
heit ifl aber wieder mit grofser Freiheit gefchehen, nicht mit ängftlicher Nachah-
mung, und fo zeigte das franzöfifche Porzellan neben manchen Gegenlländen, denen
man die Imitation von Altfevres fchon aus der Ferne anfah, viel reizende, feine
und originelle Decpration. So licfs trotz mancherlei Seltfamkeiten , wie z. B.
Auf Glas geätztes Ornament von Gugnoii (lU
in l'aris.
Qitter aus Gufseifen, von der Coalbrookdale Company, Shropshire.
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
153
Dunkelgrünes Glas mit Gokt und farbigem Email, nach altvenetianifchen Muftern, von Lobraeyr.
des Nacre-Porzellans oder bemalter Biscuitfiguren und trotz der Abfonderung
von S^vres, das Porzellan im Ganzen fich den übrigen Zweigen der franzöfifchcn
Kunftinduftrie würdig an die Seite ftellen.
Hat die Kunfliiiduftrie Frankreichs trotz fo vieler Veränderungen, die der
Zeitflrömung gefolgt find, im Wcfcii ihren alten und eignen Charakter bewahrt,
fo kann man das von derjenigen Englands nicht fagen. Die nunmehr zwan-
zigjährigen Bemühungen zur Reform des Gefchmacks und zur Hebung der eng-
»
154
DAS KUNSTGEWERBE.
lifchen Kunftarbeit haben in jedem Falle das Refultat gehabt, dafs fich England,
fonft der letzte, jetzt unter die erften Staaten auf diefem Gebiete geftellt hat,
dafs es felbft Frankreich in manchem Zweige erfolgreiche Concurrenz bietet, und
dafs fein eigener Gefchmack in der That feitdem umgefchaffen ift. Wir haben
das fchon oben bei der Befprechung der modernen Wohnung in Bezug auf das
Mobiliar conftatirt.
Eine andere Frage ift es aber, ob diefe Veränderung des Gefchmacks voll-
kommen den reformatorifchen Tendenzen entfpricht, mit welchen fie begonnen
wurde, ob fie in Bezug auf Schönheit und Reinheit des Stils, in Bezug auf Ge-
fundheit der Ideen dasjenige gehalten hat, was man von ihr erwarten konnte.
Und diefe Frage muffen wir, fo fehr wir den Auffchwung, die lebendige, ftreb-
fame Regfamkeit der englifchen Kunftinduftrie , die bisher dem Continent ein
Muflcr fehlen, auch anerkennen, doch zum überwiegenden Theil verneinen. Die
englifchen Kunflarbeiten, wie fie fich auf unferer Ausftellung darf\ellten, machten
den Eindruck, als fänden fie fich nicht, als bedürften fie der Führung und irrten
ziellos umher, und grade das Gegentheil ift es, was man hätte erwarten dürfen.
Man erkennt ein aufserordentliches und vielfeitiges Gefchick, was früher nicht
vorhanden war, man erkennt das Streben, das Höchfte zu leiden, man findet auch
in zerflreuter Fülle viele vollkommen gelungene und bewundernswürdige Gegen-
flände, und doch ift der Gefammteindruck kein befriedigender, weil durch das
Ganze ein Zug der Verwilderung geht.
Allein die englifchen Glasarbeiten waren es, welche in ihrer Art einen har-
monifchen und befriedigenden Eindruck machten. Die richtigen Wege waren
eingefchlagen , die Formen ausgezeichnet, die Arbeit vollendet. Das englifche
Glas ift befchränkt in feiner Weife. Als bleihaltiges Kryftallglas beruhen feine
Eigenfchaften in der klaren, wafferhellen Durchfichtigkeit, wie in der Kraft, das
Licht in prismatifche Farben zu brechen. Jene Eigenfchaft führt zu den feinen
und zierlichen glatten Formen mit geätzten oder eingefchliffenen Ornamenten,
wofür uns die ächten Kryftallgefäfse der Renaiffance die reinften und vollkom-
menften Mufter aufgeftellt haben. Diefes Genre wird denn auch von der eng-
lifchen Glasinduftrie mit höchfter Kunft gepflegt; die Ausftellungen von James
Green, Dan i eil u. A. (viele waren es nicht, die ausgeftellt hatten) zeigten zahl-
reiche bewundernswürdige Beifpiele. Die andere Eigenfchaft des enghfchen Glafes,
das Licht in die prismatifchen Farben zu zerlegen, leitet von felber zu einer
kryftallinifchen oder diamantirten Behandlung der Oberfläche durch den Schliff.
Diefe Manier ift minder fein als die erftere, aber fie gewährt den decorativen
Reiz, die Tafel mit farbigen Lichtern zu überftrahlen. Auch bei Lüftern bewährt
fich diefe Kraft auf das glänzendfte. Der grofsartigc Kronleuchter von James Green
ftrahlte weithin mit feinem farbigen Diamantlicht. Seit dem vorigen Jahrhundert
haben die Engländer diefe Manier ausgebeutet und fie in neuerer Zeit förmlich
zum Prinzip gemacht. Aber die Gefäfse litten früher unter der Schwere und
Plumpheit der Formen. Erft diesmal erkannte man auch hier mit Entfchieden-
heit das Beftreben nach edleren Contouren.
Das Gefammturtheil, welches wir über die englifche Kunftinduftrie äusge-
fprochen haben, läfst fich wohl am klarften durch die Kunftfaiencen begründen,
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
155
-+
einen neuen, aber höchft charakteri-
ftifchen und in gewiffem Sinne bereits
glänzenden Induftriezweig. Derfelbe
war auch mit einer Reihe von Aus-
ftellern, Copeland, Minton, Da-
niell, Mortlock, Royal Worce-
fler Works, Wedgwood u. A.
weit grofsartiger vertreten als das
Glas. Vor wenigen Jahren kannte Eng-
land nichts in Faiencen als fein ge-
wöhnliches weifsglafirtesTifchgefchirr;
heute verficht es Palaft und Haus,
Zimmer und Garten mit diefem farben-
prächtigen Luxusgeräth und belegt
Wände und Fufsboden mit den bunt-
glafirten Fliefen. Aber fo ausgedehnt
die Production, fo ausgedehnt und
mannigfach ift auch das künfllcrifche
Genre. Die englifche Faienceinduflrie
leiflet heute alles, fie ahmt die fchwie-
rigflen Producte der Vergangenheit
nach, die Majoliken wie die Henri-
deux-Gefäfse in all ihrer Zierlichkeit,
Reinheit und delicaten Technik; es
ifl ihr gelungen, all die mannigfaltig-
ften Farben und Töne der chinefifchen
Faiencen, die zum Theil an Ort und
Stelle verloren gegangen find, wieder
zu erfinden: aber der Gebrauch, den
fie davon macht, ift keineswegs immer
ein glücklicher. Härte der F"arben und Disharmonie in der Zufammenfetzung ift
ein Fehler, der nur- zu oft, namentlich bei den gröfseren 'Gegenftänden vorkommt;
treue Copien, wie die Henri-deux-Gefäfse bei Minton, find wundervoll gelungen,
aber die eigene Anwendung, welche die Fabrik von diefem zierlichen Genre für
gröfsere Arbeiten macht, ift ebenfo mifslungen. Der fchlimmfte Fehler, das ift
die Willkür der Compofitionen ohne Rückficht auf Formenfchönheit und Verftand ;
die widerhaarigften Dinge werden barock zufammengeftellt. Die englifche Indu-
ftrie geht in folchen Bizarrerien viel weiter noch als der franzöfifchc Gefchmack.
Das hindert nicht, dafs es unter der Menge des Verkehrten auch zahlreiche be-
wundernswürdig feine wie efifectvolle Gegenftände gab.
Die gleichen Bizarrerien liefs das Porzellan erkennen, ein Induftriezweig, der
fich gleich dem franzöfifchcn vor der Uebermacht der Kunftfaiencen auf das feine,
zierliche Genre zurückgezogen hat, was übrigens fchon ftofflich für das englifche
glafige Material allein angemeflen ift. Da fah man (bei Mortlock u. A.) Taften,
bei denen die Henkel mit bunten Schleifen angebunden erfchienen oder bei
Stuhl au dem Alelier der Actiengcfellfchaft
„Renaiffance" in Berlin.
M*
156
DAS KUNSTGEWERBE.
Der Rhein, Relief an einer Punschbowle von O. König.
denen die Unterfchalen von einem halbgeöffneten Fächer, alfo von einem Kreis-
fcctor, gebildet waren und dergleichen Unfinn mehr. Neben ihnen ftanden Teller
und Taffen mit den zierlichften , höchft angemeffenen Randornamenten, fein und
Bodenfiiefen, von Rob. Minton Taylor, Fenton, Stoke upon Trent.
elegant im Effect, gefund im Gedanken. So paarte fich das Gute und das Schlechte.
Einzelne Fabrikanten hatten auch ihre Specialitäten gebracht, alte wie neue, fo
Wedgwooddie gefärbten Biscuitarbeiten mit cameenartig aufliegenden Reliefs, fo
die Royal Worcefler Works ihre Elfenbeinimitationen in chinefifchen Formen,
viel bewunderte Arbeiten, denen wir abfolut keinen Standpunkt des Gefchmacks
abzugewinnen vermochten, da die gelungene Imitation des Elfenbeintons doch
nur eine Künftelei und keine Kunfl ift.
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
157
Die Donau, Relief an einer l'vinschbowle von O. König.
Nicht minder haltlos zeigten fich die Silberarbeiten. Bei den beiden grofs-
artigften Ausftellern, Elkington und Hancocks, war fogar das veraltete, natu-
raliftifche Genre der Gefäfse aus Eulen, Bären, Füchfen u. f. w. nicht wenig zahl-
reich zu fehen und ebenfo die Schalen und fonfliges Geräth tragenden Kichbäume,
Palmen, Farren und anderes Gewächs. Die franzöfifche Silberfabrikation hat
diefen verkehrten Gefchmack bereits völlig ^verbannt, oder fic hatte klug und
weife alle derartigen Gegenftände zu Haufe gelaffen. Auf der Ausflellung war
Tabourcl aus Kbenholz, in dreifarbigem Sammet, von Haas & Söhne in Wien.
nicht einer zu fehen. Uebrigens waren diefelben bei Elkington auch nur ein
Genre von vielen; es gab aufserdem Tafelgeräth in griechifchem Stil, in den
franzöfifchen Formen des achtzehnten Jahrhunderts, allerlei RenaifTancegeräth,
namentlich Schilde und grofse Schalen und Imitationen chinefifchcr Emailarbeiten.
Eine Reihe grofser Tafelauffätzc und Feflgefchenke oder Ehrenpreife zeigten die
Bedeutung der Aufgaben, welche diefer Fabrik geftellt werden. Auch bei ihnen
fah man die verfchiedenften Stilarten. Wirkhch hervorragend durch künftlerifche
158
DAS KUNSTGEWERBE.
Bedeutung und die Wiederaufnahme alter ächter Technik war nur die f. g. Helicon-
vafe, eine Arbeit von Morel-Ladeuil. In gleicher Weife wie El kington die
Silberarbeiten, vertrat Hanc ocks den Gold- und Juwclenfchmuck. Darunter gab
CS in gricchifchcm oder ägyptifchcm Stil höchfl gelungene Leiflungcn, daneben
hielten fich andere Gegenftände in der allerfchlimmflen modernen Art, die wir
fchon anderswo als den Manchcttcnflil bezeichnet haben. Am meiften zog der
Diamantenfchmuck von Hancocks die Augen auf fich, zumal der ganze reiche
Schmuck der Gräfin Dudley, der, aus Hancocks' Werkflätte hervorgegangen,
fich dabei befand. Aber die Formen, in denen diefe blitzenden Steine zur Ver-
wendung gekommen waren, hätten in den meiften Fällen edler und auch wirk-
ungsvoller fein können.
Beffer als die Gold- und Silberarbeiten liefsen diejenigen in unedlen Metallen,
in Bronze, MeffingundEifen, den Einflufs der beabfichtigten Reform erkennen. Von
diefen waren die am meiften charakteriftifchen Gegenftände, das Beleuchtungs-
geräth, Kirchcngeräth und anderes in Meffing allerdings fehr fchwach durch einige
Birminghamer Fabriken vertreten; die Hauptfabrikanten fehlten. Indeffen das,
was vorhanden war, gab mit feinen vorzugsweife mittelalterlichen Formen und
feiner theilwcife polychromirten Verzierung wenigftens einen Begriff von der Art,
wenn man auch die Bedeutung diefer Arbeiten, die mit der modernen englifchen
Gothik in enger Beziehung flehen, daraus nicht zu erfehen vermochte. Die übri-
gen Bronzen, insbefondere die Beleuchtungsgcgcnflände, in der gröfseren Zahl
vergoldet, hielten fich mehr an die Formen der Rcnaiffance, allerdings ohne Ent-
fchiedenheit und auch ohne befondere Schönheit. Die figürlichen Bronzen find
in England noch nicht vertreten. Auch die geschmiedeten Eifenarbeiten, foweit fie
künftlerifcher Natur find, wenden fich mit Entfchiedenheit dem Mittelalter zu, und
es gab unter den ausgeftellten Gegenfländen ganz vortreffliche Leiftungen, von denen
eingrofses, reich mit Bändern, Stäben, Ranken, und Laub gefchmücktesThor mit-
fammt feinen durchbrochenen Pfoflen von Barnard, Bishop & Barnards zu
Norwich wohl als die erflc englifche, vielleicht die erfte auf der ganzen Ausflel-
lung zu nennen ift. Auch hier zeigt fich der Einflufs der modernen Gothik, die
in England wohl augenblicklich fefleren Boden hat als auf dem Continent und
dort mit mehr Energie und Entfchloffenheit als irgend ein anderer Stil von den
tüchtigften Architekten erhalten wird.
Läfst die englifche Kunflinduftrie in ihrer Gefammtheit die beflimmte Rich-
tung vermiffen, welche wir nach der Dauer und der anfänglichen Energie der
Reformbeflrebungen dort zu erwarten hatten, fo tritt fie in Oefl er reich, deffen
ähnliche Beflrebungen von weit jüngerem Datum find, unverkennbar hervor. Es
ift noch nicht ein Jahrzehnt, dafs diefelben mit der Begründung des öfterrei-
chifchen|Mufeums Halt und Mittelpunkt gewannen, und für diefen Zeitraum haben
fie, allerdings begünftigt durch eine äufserft bewegte Bauperiode und unterftützt
durch bedeutende Architekten, welche gleich den alten Meiftern Paffion und Ta-
lent gleichzeitig der Kleinkunfl als der nothwendigen Ergänzung ihrer grofsen
architektonifchen Gedanken zuwendeten, bereits reichliche Früchte getragen.
Diefen Beweis hat wohl die Ausfliellung geliefert.
Allerdings war die öflerreichifche Ausflellung fehr gemifchter Art. Es kam
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
159
Emaillirle Vafe von Chriftofle & Co. in Paris.
ein Umftand hinzu, der, fcheinbar günflig, auch feinen Nachtheil mit fich führte.
Oefterreich, als dem Unternehmer der Ausflellung, war ein unvcrhältnifsmäfsig
grofser Raum zugefallen, und e.s war daher auch dem minder Bedeutenden ge-
ftattet, fich in grofser Maffe breit zu machen. So fahcn wir denn auch alles auf
der Ausftellung vertreten, was noch ganz und gar auf dem Standpunkt des ver-
alteten und verkehrten Gefchmacks fteht, was entweder der Neuerung widerf^rebt
oder, weil zu abgelegen in der Provinz, noch nicht von ihr berührt werden konnte.
Anderes, was in grofser Abficht begonnen und als etwas Befonderes gemeint
war, zeigte fich vieliach als mifslungen, wie denn lias nicht anders fein kann,
wenn junges frifches Leben fprudelt und die Ideen noch nicht abgeklärt find
160
DAS KUNSTGEWERBE.
Portrailmeclaillon Mollke's modellirt von Zumbiisch.
oder die Kräfte zur Ausführung fehlen. Während andere Staaten durch die Be-
engtheit des Raumes gezwungen waren, auszufcheiden und minder Bedeutendes
zu Haufe zu laffen, hatte das alles in der öflerreichifchen Abtheilung ungehindert
Aufnahme finden können und drückte das Gute.
Nichtsdeftoweniger erkannte man Zweierlei mit Beftimmtheit, einmal über-
haupt die Exiflenz des Lebens auf dem ganzen Gebiete der Kunftinduflrie, eine
neue, früher unbekannte Luft, Regfamkeit und Schaffensfreudigkeit, und zum
anderen, dafs dennoch alles Gute und wirklich Neue in einer beflimmten Richtung
lag, die mit gewiffer confequenter Abficht verfolgt fehlen. Dafs in diefer Rich-
tung vieles nur Verfuch, vieles nur in der Tendenz gut war, liefs fich ebenfo-
wenig verkennen. Aber für den kurzen Zeitraum eines Jahrzehnts, mit dem man
die zweihundertjährige Dauer der franzöfifchen Gefchmacksherrfchaft vergleichen
mag, ifl auch das fchon Hoffnung erweckend. Und noch Eines ift zu bemerken:
fowohl die neue Richtung, die von der öflerreichifchen Kunftinduflrie heute ein-
gefchlagen wird, als auch ihre Leiflungen in derfelben find unabhängig vom fran-
zöfifchen Gefchmack, von franzöfifchen Muflern.
Wir haben demnach eigentlich die Ausftellung der öfterreichifchen Kunftin-
duflrie in zwei Theile zu fchciden, in eine alte und in eine neue. Uns kann hier
nur die letztere intereffiren, da wir in unfrer gedrängten Ueberficht nur das Hervor-
ragende zu würdigen im Stande find. Wir begnügen uns daher damit, die Exi-
ftenz eines zweiten Theiles und feines minder günftigen Eindrucks conftatirt zu
haben.
Dafs jene* beftimmte Richtung, von welcher wir gefprochen haben , vorzugs-
weife jene der Renaiffancc ift, haben wir bereits früher in unferer Kritik des
öfterreichifchen Mobiliars anjjegeben. Dafs es grade die Renaiffancc ift, in wel-
cher die Reform fich vollzicHj, das gefchieht nicht aus irgend, einer Paffion oder
IL DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
161
Nordporlal der Induftriehalle.
einer Vorliebe derjenigen Perfönlichkeiten, welche die Träger der Bewegung find,
fondern weil die Renaiffance unferem modernen Auge am nächften liegt, weil
fich innerhalb ihrer Formen Zweckmiifsigkeit und Schönheit für unfer Bediirf-
nifs, für unfer Gefühl am heften vereinigen laffen. Diefe Ucbereinftimmung der
Renaiffanccformen mit der Natur der Dinge ift das Hauptmotiv für ihre erneu-
erte, aber frei moderne Wiedererwerbung. Sie fchliefst keine andere Stilart aus,
die auf demfelben gefunden Boden ruht und fich derfelben Vorzüge erfreut, wie
denn bekanntlich die Decoration des Orients mit vollem Recht unfere Teppiche
zu beherrfchen beginnt.
Diefe rationelle Auffaffung der Renaiüance tritt befonders klar in der künfl-
lerifchen Umwandlung des bohmifchen Glafes zu Tage, die fich, wie natürlich, faft
unbewufst über den Stil vollzieht. Das böhmifche Kryflallglas ifl dem Bergkry-
fiall nachgefchafifen und fucht ihm in feinen Eigenfchaftcn möglichft ähnlich zu
werden. Nun find uns eben im ächten Kryftall aus dem fechzehnten Jahrhun-
dert ganz wunderbar gelungene und ausgezeichnet fchöne Gefäfse mit der ent-
fprechenden Decoration in eingefchliffener Arbeit erhalten, und es ift daher felbft-
verftändüch , dafs die Reform diefe als Mufter nimmt. Was L. Lobmeyr im
Verein mit Kralik (Firma Meyer's Neffe in diefer Richtung mit Hülfe der
162 DAS KUNSTGEWERBE.
heften künftlerifchen Kräfte Wiens, wie Storck, Hansen u. a. gefchaffen hat,
fteht in erfter Linie unter allen Leiftungen der modernen Glasinduftrie. Sein
Vorgang ift bahnbrechend; viele der böhmifchen Fabrikanten find demfelben
gefolgt und zeigten auf der Ausftellung bereits hübfche Arbeiten in derfelben
Richtung, die man allerdings zuweilen unter der Maffe der veralteten farbigen
und mit anfpruchsvollen Malereien bedeckten Gegenftände erft auffuchen mufste.
Liegt hierin die eigentliche oder mindeftens die höchfte künftlerifche Art
des böhmifchen Glafes, fo doch nicht die einzige. Eine. zweite Art ftrcbt es den
Engländern in dem kryftallinifchen, diamantirten Schliff gleich zu thun, aber mit
aller Vollendung kann fie den Effect des englifchen Glafes nicht erreichen, weil
das böhmifche vermöge feines Materials nicht in der gleichen Weife in Farben
fpielt. Es werden daher auch die böhmifchen Kryftall-Luftres niemals diefelbe
Wirkung machen, und fic haben demnach ihr künftlerifches Princip anderswo,
nämlich in der Schönheit und Reinheit der Formen zu fuchen. Diefes Ziel war
auch bei den neueren Kronleuchtern Lobmeyr's mit Erfolg angeftrebt. Die
dritte Art des böhmifchen Glafes, auf welche fich die Reform bezieht, ift diejenige
des geiärbten Glafes, fei es in der Maffe, in der ganzen Oberfläche, aus welcher
die Zeichnung herausgefchliffen wird, oder theilweife. Diefe Art war vielleicht
am tiefften gefunken und bedurfte daher auch am meiften der Hebung. Wir
fahen auch mannichfache Verfuche dazu, nicht blofs beiLobmeyr, deffen neue
Gedanken auch hierin am durchgreifendften waren, fondern auch _bei anderen,
z. R. bei Ullrich mit zierlich gefärbten Randornamenten; indeffen erfcheint der
Erfolg keineswegs fo fchlagend wie bei dem klaren Kryftallglas. Manche Ver-
fuche knüpften an alte venetianifche Mufter von gefärbtem Glafe mit farbigen
Ornamenten in gelungener Weife an.
Das Porzellan ift nicht fo glücklich folche Vorbilder der Vergangenheit zu haben,
wie fie das Glas in den Kryftallgefäfsen oder in den venetianifchen Glasarbeiten
des fechzehnten Jahrhunderts befitzt. Die Uebertragung der Art der italienifchen
"Majoliken auf Porzellan hat fich nicht bewährt. Das chinefifche und japanifche
Porzellan vermag allerdings in vieler Beziehung lehrreich zu fein, aber es ift
fchwer für eine nicht geübte Künftlerfchaft, das Barocke davon abzuftreifen und
das Gute zu behalten. Das moderne öfterreichifche Porzellan wendet fich daher
in feinen Neuerungen den beften Muftern der ehemaligen Wiener Fabrik zu, die
bei ftcifen Formen in der Ornamentation allerdings höchft reizende Vorbilder
bieten. Es ift daher zugleich bei diefer Imitation die Aufgabe, die Formen freier
und lebendiger zu geftalten. Verfchiedene Verfuche auf diefem Wege fahen wir
bei allen öfterreichifchen Porzellanfabriken, die ausgeftellt hatten, die gelungenften
wohl* bei Haas & Czizek nach Zeichnungen des Architekten Alois Haus er.
Ift im Porzellan die Neuerung bereits rührig und lebendig, fo ift bei der
Regfamkeit und dem Auffchwung, welcher die öfterreichifche Kunftinduftrie er-
griffen hat, eine auffallende P>fcheinung, dafs die Kunftfaiencen, die in England
und Frankreich bereits eine fo aufserordentliche Rolle fpielen, noch keinen nen-
nenswerthen Vertreter gefunden haben, ebenfoWenig die glafirten Fliefen. Die
Znaimer Fabrikanten haben mit ihrem ausgezeichneten Material allerdings die
Delfter Art nach Muftern aus dem öfterreichifchen Mufeum zu erneuern verfucht.
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
163
und find damit dccorativ auf richtigem Wege, aber der künftlerifchc Wcrth fteht,
noch fehr niedrig. Auch in den Oefen rührt fich eben erft ein leifer Anfang
zur Beffcrung mit anderen Farben und Formen mehr nach Muftern der Renaif-
fance. Ebenfo fteht erft im Beginn einer vielleicht bedeutungsvollen Zukunft
eine andere, mehr architcktonifche Decoration in glafirter Faience, die gegenwär-
tig mit den neu erfundenen Emailfarben von Kosch von der Wiencrberger Zie-
gel- und Thonwaaren Fabrik geübt wird. Ihre Anwendung zeigte im Grofsen
das von Ferftel entworfene und mit eingebrannten Malereien von Laufberger
gcfchmückte Thor (S. 69) und im Kleinen ein reizender Wandbrunnen von
Faience-\ afen, von GeofTruy & Co. in Gien (Loirel).
Teirich in der Art des Luca dcUa Robbia (S. 37). Auch hier fchen wir die
öftcrreichifchc Kunftinduftrie auf dem Wege der Renaiffance.
Die gleiche Richtung fchlagen mit noch mehr Entfchiedenheit die Silber-
arbeiten ein. Die grofse Menge der Gegenftände in imitirtem Silber für den
Gebrauch von Tifch und Tafel hatte' freilich des Veralteten, namentlich auch der
naturaliftifchon Gegenftände, wie wir fie unter anderem bei Elkington erwähnt
haben, in überwiegender Menge. Die Hauptarbeiten aber in achtem Silber bei
Klinkofch, Meyer, Granichftädten und anderen waren im Stil der Renaif-
fance gehalten, darunter vortreffliche Tafelauffätze mit dem dazu gehörigen Ge-
räth , frei , fachgemäfs und nicht als Monumente gedacht, wie fo viele ähnliche
Arbeiten auf der Weltausftellung. Vorragend waren darunter die Arbeiten und
Compofitionen von König und Teirich. Für unfer Auge hatten alle diefe
öfterreichifchen Arbeiten einen Fehler: fie waren zu grau, bleiern und todt im
Silberton. Eine eigenthümliche Stellung nimmt unter den Wiener Goldfchmieden
Ratzersdorfer ein mit feinen zierlichen emaillirten Arbeiten von Gold und
164
DAS KUNSTGEWERBE.
Jardiniere in vergoldeter Bronze nach H. Claus' Entwurf von D. lloUenbach Söhne in Wien. (Vgl. 8.45.)
Silber, aus Kryftall und Halbedelfteinen, Kärtchen, Trinkhörnern, Bechern, Schalen,
Uhren u. f. w., alle in Art der feinften Cabinetflücke der Rcnaiffancc gehalten.
Seine reiche Ausftellung litt nur unter der Finfternifs der Rotunde, wo fie ihren
Platz erhalten hatte. Auch die öflerreichifchen Juwelierarbeiten zeigten bereits
mehr als die eines anderen Landes die Hinneigung zur ftilvollcn Zeichnung, wenn
auch mehr im Geift der Renaiffance als in ihren Formen. Unter den fchönen
Arbeiten bei Aegidi, Biedermann, Granichflädten, Köchert u. a. hatte
wohl der Diamantfchmuck nach Hänfen 's Zeichnung bei dem letztgenannten
(f. die Abbildung auf S. 17) den meiften Reiz.
Das Vorwiegen einer ftilvoUen Zeichnung ift auch das unterfcheidende Merk-
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNST ARBEITEN.
165
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iiiiiiiiiiiillllllllllllililllilllllllllllllllllllllUilllllüllllliiiiiil
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Jugdichiiiiik uu.i gebeiztem Eiehenhol/, (.■lUwmicii von (_ . Grali, aiisyelulirl
von H. Irmicr in Wien.
mal zwifchen den öfterreichifchen und franzöfifchen Bronzen, bei welchen letzteren
wir bereits die Willkür der Compofition als die charactcriftifche Erfcheinung,
wcnigftens was das Geräth betrifft, hervorgehoben haben. Die franzöfifchen
Bronzen behaupten allerdings noch ihre Vorzüge, die vor allem in der Ausbil-
dung nach der figürlichen Seite beftchen und fodann in der Behandlung der
Oberfläche, was Cifelirung und Farbe betrifft. Die öfterreichifchen Bronzen be-
fchrankcn fich auf Geräth und find in überwiegender Mehrzahl vergoldet, aber
beiden befferen Fabrikanten, wiellanusch, Ilollenbach, GrüUemeyer find
die Formen reiner und edler als bei den franzöfifchen. Auch der Mcffinggufs,
der künftlerifch erfl begonnen hat , wendet fich den fchönen Formen des fech-
166 DAS KUNSTGEWERBE.
zehnten Jahrhunderts zu, während die Franzofen die des fiebzehntcn zum Mufler '
nehmen. Unter Hansen 's Einflufs zeigen die Wiener Bronzen auch viel Hin-
neigung zu gricchifchen Motiven. Die Fabrik von Lerl & Söhne fucht die ein-
facheren f. g. Galanteriegegenftände zu veredeln. Es ifl: das ein anerkennens-
werthes Streben, da grade diefe Gegenflände in den letzten zwanzig Jahren unter
den verkehrtcften Ideen litten und fich ^um fchönc Form und hübfche Erfchei-
nung gar nicht mehr kümmerten.
Mit diefen Galanteriegegenftänden flehen die Arbeiten in Leder in enger
Beziehung. Wenn es fich um Prachteinbände handelte, fo fpielten Bronze und
Email und Steine eine gröfsere Rolle dabei als das Leder. Zum Theil ifl; das
noch heute der Fall, wenn auch in gemäfsigterer Weife. Die zahlreichen Pracht-
arbeiten, die wir bei Rosenberg, Klein, Rodeck, Groner und anderen auf
der Ausftellung fahen, machen wenigftens vom Email einen weitgehenden Ge-
brauch, fetzen es aber flacher in das Leder ein als früher. Statt Email fah man
auch wieder Einfätze von gemaltem Porzellan ohne Umrahmung in Ichwarzem
Leder, was eine harte Verbindung macht. Weit beffer Und feiner ifl der
Efl"ect, wenn farbiges Leder mofaikartig nach der Zeichnung und nach dem
Mufler des Zellenfchmelzes behandelt wird. Die Ausftellung zeigte mit und
ohne Metallcloifons höchft reizende Arbeiten in diefem Genre. Damit nähern
wir uns den einfachen Ledereinbänden mit zierlichen Arabesken in Golddruck
nach dem Mufter der alten Grollier-Einbände, wie fie heute von Franzofen und
Engländern vortrefflich imitirt werden. Auch die öfterreichifche Ausftellung
zeigte gelungene Arbeiten von Wunder & Kölbl und von Franz Kritz.
Endlich muffen wir bei der öfterreichifchen Kunftinduftrie noch einer Neue-
rung gedenken, die bedeutungsvoll ift, nämlich die Wiederaufnahme des Schmiede-
eifens. Zuerft für die Kirche angewendet, find auch die meiften Arbeiten (nach
Schmidt und Ferftel) in gothifchcm Stile gehalten. Da aber auch die civile
Baukunft von folchen Geländern, Gittern und Thorbefchlägen Gebrauch macht,
fo hatte die Ausftellung bereits eine ganze Reihe derartiger Gegenftände im Stil
der Renaiffance aufzuweifen. Von den Wiener Schloffern , die daran betheiligt
waren, nennen wir Biro, Milde, Rosmanit, Kirchmayr. — Wie hier, fo
herrfcht der gothifche Stil auch in der ganzen übrigen kirchlichen Kunft , foweit
fie wirklich Bedeutung hat, fowohl in den Geweben und Stickereien, z. B. bei
Giani in Wien und Uffenheimer in Innspruck, wie bei den reichen eniail-
lirten Goldfchmiedearbeiten von Brix & Anders, welche vorzugswcife Gefäfse
und Geräthe nach Zeichnungen von Schmidt und Lippert ausgeftellt hatten.
Wer die. Ausftellung Deutfchlands mit einiger Gründlichkeit muftertc, der
konnte trotz der Verworrenheit des Eindrucks nicht überfehen, dafs fich auf ver-
fchiedenen Gebieten wenigftens die Anfänge derfelben Bewegung und derfelben
Richtung zeigten, die wir in der öfterreichifchen Kunftinduftrie bereits mit Ent-
fchiedenheit ausgefprochen fanden. Wir haben das bei der Befprechung des
deutfchen Mobiliars fchon mit Nachdruck anzuerkennen gehabt. Diefe Eigen-
fchaft wäre aber noch deutlicher hervorgetreten, wenn nicht das Arrangement,
die Aufftellung in der deutfchen Abtheilung fo durchaus ungünftig und unvor-
theilhaft gewefen wären.
u. DIE ländp:r und ihre kunstarbeiten.
167
Nicht zum geringen Theil beruht es mit hierauf, auf der völligen, wie ab-
fichtlich erfcheinenden Vernachläffigung der aflhetifchen oder kiinülerifchcn Seite
des Arrangements, wenn der I'lrfolg der deutfchcn Kunflinduftric in den Augen
des grofsen Publikums — und die Stimme war allgemein — einer vollen Nieder-
lage gleich kam. Und eine folchc Niederlage ifl; nicht blofs eine Sache der Ehre,
fondern hat auch eine fehr materielle Seite, über welche das Urtheil einer Jury
nicht zu trüRen vermag. Uiefcr Kindruck, diefer Mangel an Erfolg waren aber
ficherlich nicht in dem Mafse nothwendig gewcfen, wenn zu rechter Zeit Unificht
und kiinfllerifchcs Gcfchick gewaltet hätten. Bcifpielsweife führen wir die Gold-
fchniiedearbeitcn an. I lätte man zu den kleinen, gut und vortheilhaft arrangirten
Schmuckarbeiten von Hanau und den füddeutfchen Städten die in gewiffer 1 lin-
ficht eminenten Silberarbeiten von Berlin, München, Nürnberg hinzugefügt, hätte
man rechtzeitig für eine würdige Vertretung der rheinifchen Goldfchmicdekunfl,
insbefondere der kirchlichen, geforgt, die ganz und gar unzulänglich vertreten
war, hätte man das alles in würdiger Aufteilung zu einem Ganzen vereinigt, fo
würde die deutfche Goldfchmicdekunfl eine höchft refpectable Figur auf der Aus-
ftellung gefpielt haben. Aehnliches läfst fich von den kofibaren Geweben des
Rheinlandes und Sachfens fagen, die fich fehr unvortheilhaft präfentirten.
So wie es fich dem Auge darftellte, konnte das Arrangement nur die Schwäche
der deutfchen Kunflinduflrie, die Unficherheit und Zerfahrenheit der Reflrebungen,
den Mangel an Reiz und Originalität vergröfsern. Das Gute, was vorhanden war,
kam auf diefe Weife nicht einmal zur Wirkung. Die gcmeinfamen Züge erfchie-
nen in der Zerriffenheit wie rein negative, die guten Tendenzen, die man fchon
kennen mufstc, knüpften fich an einzelne Pcrfönlichkeiten, einzelne Anftalten oder
zeigten fich an einzelne Orte und Landfchaften gebunden. Auch fo kamen fie
nicht zur vollen Geltung, wie z. B. die kunftinduflriell bedeutendfte Gegend
Deutfchlands, das Rheinland, in keiner Weife feiner Bedeutung gemäfs auf der
Ausflellung erfchiencn oder dargeftellt war.
Auch in der zerftreuten Aufltellung erfchienen die deutfchen Gold- und Silber-
arbeiten, insbefondere aber die letzteren, neben den Möbeln als der bedeutendfle
Zweig der deutfchen Kunflinduflrie. Berlin, München, Nürnberg liefsen erkennen,
dafs es ihnen an grofsen Aufgaben nicht fehlt, auch bemerkte man mit Vergnü-
gen, dafs es hier wirklich Künfller und bedeutende Künftler find, die an folchen
Werken thcilnehmen. Der zieriiche Pokal auf feinem reichgebildeten Poflament
mit Figuren und finnreichen Emblemen, im Stil der deutfchen Renaiflance ge-
halten, den Kreling zum Jubiläum des Herrn von Gramer -Klett gefchaflfen,
ifl ein Stück ächter freier Goldfchmicdekunfl. Ausgeführt ift derfelbe von Winter
in Nürnberg. Aus demfelben Atelier ifl: ein zweites fchön gearbeitetes Stück
nach einem Entwurf von Wanderer hervorgegangen, das nur an Beflimmungs-
lofigkeit leidet. Von ganz anderem Genre find die Berliner Silberarbeiten der
berühmten Fabriken von Vollgold und von Sy & Wagner. Vorragend find
die grofsen Werke, welche denkmalartig zur Erinnerung an die grofsen Siege
oder als Ehrengcfchenke für die Sieger gefchaffen wurden. Leider find fie nur
zu fehr Denkmal, mehr Monumente der Sculptur als Silberarbeit. Im Uebrigen
bemerkte man mit Vergnügen, dafs der antikifirende Puritanismus der Berliner
168
DAS KUNSTGEWERBE.
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Service von emaillirtem Kryftallglas, von Chriftofle & Co. in Paris.
Goldfchmiedekunfl; nachläfst. Man fah da.s theils an dem Uebergange zu Renaiffanceformen,
in denen fchöncs Tafclgcräth von Schalen und Candelabcrn ausgcftcUt war, theils in der
Aufnahme einer allerding.s noch fchwachen Vergoldung. Auch zeigte fich vortheilhaft der
Einflufs der Hildeshcimer Gefäfse auf eine lebendigere Bildung des Ornaments.
Auch in dem Goldfchmuck, wie er zahlreich und wohlgeordnet in der CoUectivausflellung
der füddeutfchen Goldfchmiedcflädte Hanau, Pforzheim, Gmünd, Stuttgart zu fehen war, zeigte
fich entfchiedener Fortfehritt, theils in der Zeichnung, mehr aber noch in der Verfeinerung
und Erweiterung der Technik. Nichtsdeftoweniger, obwohl diefer Schmuck auch in Nachfolge
der franzöfifchen Mode fein ornamentales Gebiet durch Aufnahme antiker Motive erweitert
hat, leidet er immer noch an den alten Uebeln, Mangel an origineller, wirklicher Erfindung,
höchfl willkürlicher, mechanlfcher Zufammenflellung der verfchiedenartigften Ornamente und
einer Fülle gefchmacklofer, nichtsfagender, unkünftlerifcher Motive. Welchen Einflufs könnte
n. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
169
Lehnftuhl mit olivenTrirbigem Atlasbeziif; , nach Entwurf von J. Sturck aiisjjclührl von Haas & Söhne.
diefer fo blühende Induftriezweig mit wirklich guten Arbeiten auf den populä-
ren Gefclimack ausüben!
Auch den Arbeiten in unedlen Metallen, in Bronze und Eifen, haben wir
nicht viel Gutes nachzurühmen. Die Ilfenburgcr Eifengüffe nach älteren Arbeiten
find allerdings von ausgezeichneter Technik, aber es find eben nur Copicn.
Schmiedeiferne Arbeiten feinerer decorativer Eifentechnik vermochten wir nicht
aufzufinden. Die Bronzen, die in zahlreichem Leuchtgeräth , vorzugsweife Ber-
liner Art, vertreten waren, hielten fich in den Grenzen des Anftändigen, ohne
irgend Reiz oder Schönheit zu zeigen. Nur das kleine emaillirte Geräth von
Schreibzeugen, Schalen, Leuchtern u. a. aus der Fabrik von Ravene & Sufs-
mann in Berlin ift ein hübfches Genre, wohl geeignet das gleiche Geräth von
glatter Bronze, das bis heute den Dienft thut, anmuthig zu erfetzen.
In der ganzen deutfchen Thonwaarcnfabrikation erfchien eigentlich nur eine
Fabrik, die von Villeroy & Boch zu Mettlach, rührig und lebendig. Sie
hat fich fchon einen gewiffen Namen durch ihre mit guten Ornamenten verfe-
henen incruflirten Fliefen erworben. Diesmal führte fie uns eine Fülle künfller-
ifchen Geriithes vor in forgfältigfter Zeichnung und Ausführung. Nur litt es im
u
170
DAS KUNSTGEWERBE.
Ganzen wie im Einzelnen an einem grofsen Eehler: meift unglafirt und matt in
der Farbe, war es decorativ trocken und reizlos. Wer in feiner Erinnerung die
Ausflellung der Majoliken von Ginori oder der Faiencen von Deck in Paris
damit vergleicht, wird den Gegenfatz fofort begreifen. Die beiden königlichen
Porzellanfabriken von Berlin und Meissen hielten fich genau auf bekanntem alten
Standpunkt. Das hat nun zwar auch fein Gutes, namentlich wenn man eine fo
Armleuchter im Stile I.ouis XIV., von Suffe freres in P.iris.
berühmte und auch fo verdienftlichc Vergangenheit hinter fich hat, wie die fäch-
fifche Fabrik, und vor wenigen Jahren noch mochte das der ganz richtige Stand-
punkt fein ; allein heute, wo fich alles rührt und regt auf dem weiten Gebiete der
Kunflinduflrie, ift es mit dem Stehenbleiben für folche Fabriken, die den Beruf
zu Kunft- und Muflcranflaltcn haben , wohl nicht gethan. Auch einige neue
Malereien, auf die alten Formen angebracht, genügen wohl nicht der Aufgabe.
Das übrige deutfche Porzellan, das von verfchiedenen Privatfabriken ausgeftellt
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARHEITEN.
171
war, hielt fich auf dem allcrgewöhnlichflen Standpunkt der veralteten franzöfi-
fchen Mode.
Nicht bclTer fah es mit den deutfchen Glasarbeilen aus. Nur die Fabrik
von Graf Schaf fgotschc zu Königshüttc zeigte mit einigen zierlicheren For-
men, meift nach englifchen Muflern, den Einflufs der jüngften Beflrebungen ; im
Uebrigen trachtete fie ziemlich vergebens, das alte Genre durch vollkommnere
Candelaber im Stile Louis Xlll., von SuiTe freres in Paris.
Malerei zu veredeln. Der Weg ift eben nicht der rechte. Die Münchener Fabrik
von Steigerwal d's Neffen ftand mit ihrer Ornamentation unter dem Einflufs
des dortigen Kunftgefchmacks, aber fic verkannte dabei die wefentlichen Eigen-
fchaften des Glafes.
An Specialitäten, die manche rühmliche Seite zeigen, fehlte es der deut-
chen Kunflinduftrie nicht. Wir nennen in diefer Beziehung Meyer's Anflalt
für kirchliche Kunft in München und ihre reiche Ausflellung gefchnitztcn Kir-
32*
172
DAS KUNSTGEWERBE.
Uhr im Stile Louis XIII., von Suffe freres in Paris.
chengeräths mit vortrefflichen Figuren von der Hand des Bildhauers Knabl.
Auch fonft war die Kirche von der deutfchen Ausftellung nicht fchlecht bedacht,
insbefondere mit Geweben und Stickereien, von München, Augsburg, wie vom
Rheine her. Nur die rheinifchen Goldfchmiede waren, wie fchon oben bemerkt
worden, ganz unzulänglich vertreten. Selbft im Weifszeug für Tifch und Tafel
regt fich, befonders in fächfifchen Fabriken, ein befferer Geifl;, wenn auch hier
das Richtige zum Theil auf falfchem Wege, in der kunftvoUen figürlichen Zeich-
nung, ftatt in der decorativen Wirkung, gefucht wird. Einen völligen Umfchwung
zeigt die Ornamentation der Schwarzwälder Uhren, die in fabrikmäfsigen Betrieb
gekommen find; nur find fie leider mit ihren naturalifüfchen Schnitzereien ganz
auf dem Holzwege.
So zeigt fich wohl überall in der deutfchen Ausflellung der Geift, zuweilen
auch nur der Wunfeh der Neuerung, der Wunfeh, fich frei und unabhängig im
II. DIE LANDER UND IHRE KUNST ARBEITEN.
173
Uhr im Stile Lu
iic friircs in Pari.-.
Gefchmack zu Hellen. Aber feiten gelingt der Vorgang, oder er bleibt vereinzelt,
oder es täufcht die Unfichcrhcit des Weges. Es fehlt an Klarheit, an entfchie-
dener Führung, an dem Anblick guter Vorbilder, die den Gefchmack reinigen und
das Auge bilden, es fehlt endlich an crnfler, gemeinfamer, entfchlolTener Thätig-
keit auf dem ganzen Gebiete. Auch das wird und mufs kommen ; die Indolenz
wird und niufs überwunden werden. So negativ der Erfolg der deutfchen Kunfl-
induftrie auf der Ausflellung war, fo vielfach und beftimmt traten doch für das
tiefer fehende Auge die Verfuche der Reform hervor. Die Bewegung ifl in Flufs
gekommen und wird, weil die Strömung für fie ifl, ficherlich, wenn auch vielleicht
langfam zum Ziele kommen. Und infofern hatten wir Recht, Deutfchland bereits
mit unter denjenigen Staaten zu betrachten, wo die internationale Frage des Gc-
fchmacks ausgekämpft wird. •
m
DAS KUNSTGEWERBE.
Uhr, aus dem ägyptifchen Zimmer von A. Fix in Wien.
4. (Iruppe: Der Orient; China und Japan.
Da das Wefen der orientalifchen Kunft in der Flächcndecoration liegt, fo ift
mit der Schilderung der Wohnung, ihrer Decoration und der Gewebe, welche
fie zur Ausflattung bedarf, wie wir fie oben verfucht haben, bereits die Haupt-
fache gegeben. Indeffcn kennt die orientalifche Weberei gewiffe Stoffe, meid
zur Kleidung beftimmt, die im coloriftifchen Princip nicht einerlei mit dem der
Teppiche find; es giebt aufserdem vcrfchiedcne Induftriezwcige, zumal in Metall,
die noch ihre befondere Bedeutung haben, und endlich fcheiden fich zwei Länder
von dem übrigen, unter der Religion oder dem Kunfteinflufs des Islam flehenden
Orient aus, China und Japan nämlich, deren wir noch nicht gedacht haben.
Was jenes zweite coloriftifche Princip der gewebten Stoffe betrifft, fo tritt
es zu dem der Teppiche in einen gewiffen, allerdings nur gewiffen Gegenfatz.
Denn beiden ift das gemeinfam, erftens, dafs fie niemals mit Schatten und Licht
erhöhen und fo die Fläche für das Auge aufheben, und zweitens, dafs fie, fo
fehr fie auch die Farben brechen mögen, um belebende, reiche Fülle der Töne
zu erhalten, niemals diefelben mit Grau ertödten oder in Grau verwandeln. Das
orientalifche Colorit ift niemals fchwächlich, verblafen und verblafst, verwäffcrt
und fchal, wie das des achtzehnten Jahrhunderts, ift niemals fchmutzig, trüb und
widerwärtig, wie das der franzöfifchen Revolution und des Empire, ift niemals
grau oder bunt und roh, wie das der erften Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts.
Im Allgemeinen ift das coloriftifche Princip der orientalifchen Teppiche, eine
Fülle verfchiedener Farben fowohl in ganzen wie gebrochenen Tönen fo durch-
einander zu vertheilen, dafs keine Farbe als die herrfchcnde hervortritt, fondern
fich für das Auge in angemeffener Entfernung nur ein gemeinfamer Ton ergiebt,
IL DIE LANDER UND IHRE KUNSTARI^EITEN.
475
der feinen Reiz und feinen Vorzug in dem fchillernden, fchimmernden Spiel der
Farben befitzt, die ihn zufammenfetzen. Diefe Vertheilung I<ann in mehr blumi-
ger Art gofchehen, wie bei den indifchen und perfifchen Teppichen, oder mehr
geometrifch und ohne beftimmte Zeichnung, wie es denen Vorderafiens eigen-
thümlich ift. lüne Ausnahme, davon machen faft die Mehrzahl der Smyrnaer
Teppiche, bei denen Roth und Grün, insbefondere das erftcre als Grund, in breiten
Maffen auftreten. Die zahlreichen Beifpiele auf der Ausftellung in der indifchen,
perfifchen und türkifchen Abtheilung liefsen das deutlich erkennen.
Was bei den Teppichen die Ausnahme, der Gegenfatz der Farben, ift bei
den Kleiderfloffen des Orients eine fehr häufige Erfcheinung. Allerdings folgen
auch fie zum Theil dem Princip der Teppiche, fogar in noch erhöhtem Mafse,
d. h. in kleinerer Vertheilung, was z. B. von den tibetanifchen und perfifchen
Shawls gilt; aber diefes Farbenprincip ifl durchaus nicht das einzige. Ich erin-
nere hier beifpielsweife an Shawls, Mäntel und andere Gegenftände indifcher
Fabrikation, bei denen auf dem Grunde von indifch rothem Kafchmir von vollfter
Gluth der Farbe grofsblumige flilifirte Stickereien in weifser Seide ausgeführt find.
Auch viele türkifche feidene Prachtftofife, welche ganze Farben in breiten Streifen
gegen einander ftellen, gehören hierher, namentlich auch die arabifchen Burnus
von Syrien bis nach Marokko. Die Ausftellung zeigte dafür die Beifpiele in F'ülle.
Ebenfo ift die Art, wie die Indier in den Geweben mit dem Golde umgehen und
es verwerthen, eine doppelte: entweder vertheilen fie es in kleinen Muflern auf
einfarbigem Grunde oder mit verfchiedenen anderen ungebrochenen, vollfaftigen
Farben, oder fie laffen es in blanker Fläche wirken, wobei der Faden felbft fchon
glatt und fpiegelnd ift. Diefes zweite Princip ift wohl dasjenige, welches den
Eindruck einer effectvollen Pracht, die ja auch ihre Berechtigung hat, hervorzu-
bringen geeignet ift, während es das erftere, das Teppichprincip, mehr auf Ruhe
und Feinheit, jedoch keineswegs auf Farblofigkeit abgefehen hat. Wir fehen
daher jenes zu dem genannten Zweck nicht blofs noch heute im Orient ange-
wendet, fondern wir können es durch alle Zeiten verfolgen, bis es im achtzehnten
Jahrhundert erftirbt.
Zwifchen beiden Principien liegt eine unerfchöpfliche Fülle von Varianten,
die fich bald der einen, bald der andern Seite mehr zuwenden, fo dafs das Stu-
dium der orientalifchen Gewebe immer neues Vergnügen, neue Belehrung bot.
Sicherlich waren fie auch niemals fo umfaffend vereinigt wie auf diefer Aus-
ftellung, wenn man auch vielleicht in London mehr Prachtexemplare fah.
Aber, wie fchon oben gefagt, erfchöpft fich das Intereffe der orientalifchen
Kunft nicht in der textilen Arbeit. Der Often ift die urältefte Heimat der Me-
talltechnik; und alle feinere Kunft in Eifen und Stahl hat fich heute faft allein
noch in Afien erhalten. Europa hat im Verlauf der letzten Jahrhunderte, im
Verfall der Kunftinduftrie feit der Renaiffance, all das verlernt und vergeften, wo-
mit einft feine Wafifenfchmiede und Schloffer glänzten, und was uns heute Spanien
auf der Ausftellung davon vorgeführt hatte, das war eine glückliche Wieiierauf-
nahnie alter arabifch-maurifcher Kunft. Zwar hat auch der Orient heute in diefen
Künften nachgelaffen, und was uns der Norden »Afrika's, Aegypten und die Türkei
mit allen ihren Provinzen von verzierten Waffen fehen liefsen, das war wohl
176
DAS KUNSTGEWERBE.
Porzellanvafen, von Mintons in Stoke lipon Trent.
noch die alte Technik, aber in durchaus roherer Arbeit. Noch fchlimmer fah es
mit dem Goldfchmuck aus. Das FiHgran hat fich wohl überall erhalten, aber
nirgends fah man auch nur eine Annäherung an die antike Feinheit.
Die heutige oricntalifche Metallkunft beginnt, wenn man bedfere Arbeit ver-
langt, erft jenfeits des Kaukafus und in Perfien. In der perfifchen Abtheilung
waren verfchiedene Waffenftücke ausgeftellt, zumal Helme, Bruftpanzer, Arm- und
Beinfchienen , welche noch gute Goldtaufchirung in trefflichen alten Arabesken
zeigten; fie wurden aber dennoch in jeder Beziehung von den indifchen Waffen
und Rüftungsftücken übertroffen, davon eine Vitrine eine grofse Anzahl verei-
nigte. Auch war es Indien allein vom Orient, China und Japan ausgenommen,
welches noch mit feiner Goldfchmiedekunfl: glänzte, mit feinen zierlichen Schmuck-
arbeiten in Gold und Silber, mit äufserfl effectvoUer Verwerthung der Steine und
vor allem mit einem ganz vortrefflichen transluciden Email. Die indifchen Me-
U. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
177
Irdene Schüffein von Villeroy iS: Hoch in Melllach.
tallarbeiten zeigten fich ebenfo vielfeitig in der Technik, davon manche heute
Indien allein gehört, wie fein, forgfältig und vollendet in der Ausführung.
Ueberhaupt muss man Indien als dasjenige Land betrachten, wo fich die
orientalifche Kunfl am reinflen, vielfeitigften und vollendetften erhalten hat. Das
bewies auch unfere Ausftellung, obwohl von dem ganzen Orient vielleicht grade
diefes Land am mindeflen feiner Bedeutung entfprechend vertreten war. Man
fand wohl Gegenflände von aller Art der Kunftarbeit, wie fie dort geübt wird, aber
feiten in befonders glänzenden Heifpielen. Leider beginnt auch für die indifche
Kunft eine europäifche Frage, und die Anilinfarben helfen das Colorit, und eng-
lifche Zeichenlehrer die reizenden, ftilvollen blumigen Ornamente verbefiern.
Die Kunft Indiens und Perfiens hat foviel Verwandtfchaft , dafs man oft in
Verlegenheit fein wird, ob man einen Gegenftand feiner ICntftehung nach diefem
oder jenem Lande zufchreiben foU, niemals aber wird ein einigermafsen kundiges
Auge fchwanken zwifchen diefen beiden Ländern einerfeits und Ciüna und Japan
andrerfeits. In früheren Zeiten hat ohne Frage eine Culturverbindung zwifchen
Oftafien und -jenen beiden Ländern ftatt gefunden, und man mag als ficlier an-
nehmen, dass vor einem Jahrtaufend vielleicht und fpäter noch, als die Kund
des hinimlifchen Reichs der Mitte glücklichere Zeiten kannte und noch nicht
den coloffalen Zopf von heute trug, die chinefifchc Kunftarbeit und die chincfifche
»
178
DAS KUNSTGEWERBE.
Ornamentation höchst anregend auf die perfiche eingewirkt hat und dass mit ihrer
Hülfe jener Zweig des muhamedanifchen Kunftflils gefchafifen ift, welcher noch
heute in Perfien und Indien lebt. Daher zeigen denn auch die alten chincfifchen
Arbeiten, je älter fie find, um fo mehr Vcrwandtfchaft damit. Das Nähere freilich
ift mit unferer heutigen Kenntniss nicht feftzuftcllen; wir wiffen des Genaueren
nicht, wann und wie der heutige perfifch-indifche Decorationsftil cntftanden ift.
In jedem Fall aber ift diefer Stil ein muhamedanifchcr und kein altindifcher ; er
gehört dem Islam an, nicht dem Brahmaismus oder Buddhismus, und feine Ueber-
tragung nach Indien kann fchwerlich vor die Periode der arabifchen Invafion
fallen.
Heute fcheidet fich die oftafiatifche Kunft ftreng von derjenigen Perfiens
und Indiens. Während die letztere fich rein im Stile erhalten hat und wohl
fchwächer, aber nicht barock geworden ift, bildet grade für die chincfifche und die
japanifche Kunft die Bizarrerie den eigentlichen, entfcheidenden Charactcrzug.
Es find in beiden Stilen diefelben Grundelemente, diefelben decorativen Prin-
cipien, aber in China und Japan find fie alle in das Barocke umgewandelt. Die
Unregelmäfsigkeit, das plötzliche unmotivirte Abfpringen von der Linie und der
Regel ift zum Princip erhoben, grade wie im chincfifchen Garten der Wanderer
auf Schritt und Tritt von Ueberrafchungen frappirt werden foll und die querften
Dinge mit einander abwechfeln. Daher die Seltfamkeit der Formen, die ver-
fchnörkelten Ornamente, die wunderlichen Coftüme, die ungraziöfen Bewegungen,
die krumme und eckige Haltung der Menfchen. Wir finden diefen Character
überall in jeder Kunftarbeit, mehr freilich noch bei den älter, verfteifter und knö-
cherner gewordenen Chinefen als bei den immer noch jugendfrifcheren Japanern.
Was fich aber hiermit an Kunft und Gefchmack vereinigen läfst, das befitzen
beide Völker noch in hohem Grade, obwohl ihre heutigen Leiftungen bei weitem
nicht mehr das find, was fie ehedem waren. Namentlich hat China in der Treff-
lichkeit feiner Arbeit abgenommen, und manche feine und gute Technik ift heute
vergeffen. Nichtsdeftoweniger zeigte ihre Ausftellung, die namentlich von Seiten
Japans umfaffend und mit grofsem Verftändniss der Aufgabe beforgt war, dafs
noch ein gut Theil, ja mitunter ein glänzendes Theil übrig ift, wovon die bef-
fere Hälfte auf Japan kommt.
In Einem find noch alle chinefifchen und japanifchen Arbeiten gut, in der
Farbe. Können die neuen Gegenftände auch hierin fich nicht mit den älteren
meffen, wie z. B. die ganze ' chinefifche Ausftellung nichts bot, was fich im Co-
lorit den alten Zellenfchmelzgefäfsen an die Seite ftellen liefse, fo ift der Sinn für
Harmonie, für feine Farbentöne doch nicht verloren gegangen. Dies ift faft das
einzige Verdienft, welches die Porzellanarbeiten diefer Länder noch befitzen, da
auch die Formen mit der Zeit plumper, barocker und reizlofer geworden find.
Jetzt verlegen fich die Japaner auch bereits auf das Imitiren europäifcher Formen.
Die gleichen Reize zeigen durchweg die Seidenftoffe und die wundervoll au.sge-
führten Stickereien; diefe meift lebhafter in den Farben, zuweilen fehr lebendig
und naturaliftifch in Blumen und Vögeln gezeichnet, ftets ohne Angabe von Schat-
ten und Licht, jene zum Theil von feinen, zum Theil von tiefften und fatteften
Farben, zum Theil höchft zart in der Harmonie, andere wieder mit breiten Gold-
II. DIE LÄNDER UND IHRE KUNSTARBEITEN.
179
papicrfailen durchfchoffen , von brillanteftem Effect. Neben Porzellan und Ge-
weben ftehcn wohl die Mctallarbeiten am höchften. Die chinefifchen Bronzen,
zum grofscn Thcil dem Gottesdienft gewidmet und daher meift von den baro-
ckeften Formen, können fich mit ihren Vorgängern nicht meffen, aber im zier-
lichften Schmucke aus Goldfiligran, der auffallend frei von barocker Zeichnung
ift, bringen fie noch heute die feinften Arbeiten, wahre Mufeumsftücke, zu Stande.
Dagegen find die japanifchen, mit Silber taufchirten Bronzearbeiten, die aller-
dings in den Formen auch nicht ohne ihren Zopf find, von erftaunlicher Gefchick-
lichkeit und Vollendung. Ihnen ftellt fich das japanifchc Goldlack, das in allen
Leuchter aus dem egy|)tifcheii /.immer von A. Fix in Wien.
Imitationen auch nicht annähernd erreicht wird, würdig zur Seite, während die
entfprechenden chinefifchen Arbeiten an Gefchmack und Technik fich bei weitem
geringer zeigten. Ebenfo find die chinefifchen Emails gefunken und haben nicht
einmal die alte Technik des Zellenfchmelzes bewahrt, fondern ftatt deffen die
unfolidefte Art des gemalten Emails auf dünnem Kupferblech angenommen. Die
Japaner üben noch das cloifonnirte Email und zwar mit grofser Feinheit der
Technik, aber an coloriftifchem Reiz flehen diefe Arbeiten weit hinter ihren chi-
nefifchen Vorgängern aus dem Mittelalter oder dem fechzehnten und fiebzehnten
Jahrhundert zurück. ^
So war die Kunft d^efer Länder Ollafiens längft im Rückgang begriffen. Das
Schlimmfte aber ifl, dass heute ihre europäifche Frage an fie herantritt. Japan fetzt
fich mit allen Kräften auf europäifchen Fuss und ftrebt, fich modern zu civili-
23'
180
DAS KUNSTGEWERBE.
fireii. Schon ifl es in das Harmonie-Conccrt der modernen Culturftaaten aufge-
nommen, feine Gefandten refidiren an den Höfen, geben diplomatifche Diners
und halten specchcs trotz Beust und Gladstone. Wir haben die kleinen Männer
in buntgefticktcr Tracht, die Säbel auf dem Bauche, kommen und fich in Salon-
herrn mit Frack und Cylinder verwandeln fehen. Und nun haben fie gefammelt,
was die europäifche Civilifation und die europäifche Induflrie fchafft^ und haben
es als Mufler in die Heimat gefendet. Wir bezweifeln nicht, dafs die klugen
Männer mit den kleinen, fliUen, liftigen Augen recht daran thun, zum Heile ihres
Volkes und ihres Landes, aber wir, die Freunde jeder guten, gefchickten und
vor allem originellen Kunflarbeit, wir werden viel Vergnügen einbiifsen und werden
ein andermal ftatt der reizvollen, eigenthümlichen, wenn auch bizarren Gegen-
fl^pde barbarifche Copien unferer eigenen Werke zu fehen bekommen. Kaum
wird eine andere europäifche Weltausflellung — möge fie zögernden Fufses
kommen ! — uns diefe Länder und wohl den ganzen Orient wieder in voller
Originalität vor Augen führen.
Jacob Falke.
Vafe von Villeioy & Boch in Mettlach.
DIE FRAUENARBEIT.
Ißl
Vafeii von ViUeroy & Hoch in Mettlach.
Die Frauenarbeit.
Es fällt nicht leicht' das vielgeftaltige, unbeftimmbare Gefüge, das die Frauen
feit Menfchengedenken mit Nadel und Faden, mit Spinnrocken und Webftuhl,
und mit fo vielem anderen oft abfondcrlichen Werkzeuge 7.u fchaffen haben und
zu erfinden verftehcn , mit klügelndem Sinne zu beleuchten, zu erklären, ihm
Zweck und Beftimmung abzufragen, ^nd das Unfafsbare in Reih und Glied zu
ftellen, um es vergleichender Betrachtung zu unterziehen. Und doch mufs auch
die Frauenarbeit, das regellos erfundene, undcfinirbare Gebilde, die kühle Kritik
über fich ergehen laffen, da es fich nun einmal hinausgewagt hat in die Schran-
ken, in welchen Taufende der Werke des ewig raftlos erfindenden Menfchengei-
ftes, gleich ihm, vor dem Urtheile der Mitwelt fallen oder beftehen.
Solche Kritik fcheint um fo mehr am Platze, als fich die Aufmerkfamkeit
der Betheiligten feit neuerer Zeit der Frauenarbeit als Induftriezweig immer mehr
zuzuwenden beginnt, und als da und dort ihre Technik in Produkten der Indu-
ftrie und des Gewerbes zu bedeutender Geltung gelangt. Die Erfindungen, die
Umgeftaltungcn auf dem weiten Gebiete der Frauenarbeit hören hierdurch auf,
bedeutungslos zu fein, und die Richtigkeit der Arbeit, ihr Schönheitsgrad, ihre
Zweckmäfsigkeit find Lebensfragen für die Arbeit felbfl und nicht feiten für
ihre Verfertigerin geworden. Es gibt Arbeiten von hohem Kunftwerth und an-
dere, die eines folchen gänzlich baar find, es gibt lohnende Arbeiten und nicht
lohnende, es gibt folche, die, auf das Haus beschränkt, das Spielzeug des einzel-
nen Individuums bleiben, und folche, die das Gemeingut von Taufenden von Men-
182
DIE FRAUENARBEIT.
Mufter aus der Uobbinet- und Spitzenfabrik von Faber & Damboeck in Wien.
fchen werden, den Wohlftand ganzer Familien, ganzer Landftriche bedingen, und
fomit von hoher nationalökonomifchcr Bedeutung find. Viele diefer Arbeiten
kennen wir, die fich als der Segen ganzer Völkerfchaften gezeigt; wieviele fich
bei richtiger Verwendung , bei Verbefferung in Technik und Material in gleicher
Weife dienftbar machen liefsen, ifl; heute wohl noch nicht zu beftimmen; dafs
deren Zahl grofs ift, ifl: gewifs.
Die Ausfliellung hat reichlich Gelegenheit geboten , vergleichende Studien
über den Werth und Unwerth der Frauenarbeit zu machen, fie hat uns die Fort-
DIE FRAUENARBEIT.
1S3
r
Mufter aus der Bobbinet- mid Spitzenfabrik von l'aber & Damboeck in Wien.
fchritte in einzelnen Zweigen gezeigt, fie hat die Irrthümer in Form, Farbe und
Material nachgewiefen, fie hat die Arbeiten des Orients und des Occidents, der
Stadt und des Landes, der Schule und des Haufes nahe aneinander geftellt, fie
hat alte Technik und neue gebracht, fie hat den Erfindungen des Luxus und
der Mode, fie hat der Dürftigkeit und Armuth Rechnung getragen, fie hat die
Entflehungsgefchichte mancher Technik, ihren Werth, ihre Verwendbarkeit, ihren
Verbreitungsbezirk gezeigt und uns manche Erfcheinung erklärt, der wir bisher
keinen Grund abzufragen wufsten.
Die verfchiedenen Länder hatten der Frauenarbeit fehr verfchiedenen Raum
in ihren Ausftellungen zugewicfen. Einzelne, wie Oefterreich, Schweden, haben
ihr eigene Gebäude gewidmet, andere haben fie mitten unter anderen Produkten
des Landes, zerftreut und vereinfamt gebracht, viele haben fie als glänzenden
Schmuck verwendet, und manche haben fie nur hie und da, im Dienfte anderwei-
tiger Induftrie des Landes, auf Kleidern, auf Einrichtungsgegenftänden und ähn-
lichen Dingen ausgeftellt, wo fie je nach Werth und Unwerth eine hervorra-
gende oder eine dürftige Rolle spielte.
Unter den Ländern, welche der Frauenarbeit den geringften Platz einräum-
ten, ift vor allem Nordameri<ka zu nennen, wo fich von Frauenhand nichts
vorfand als ein reizender Straufs von Blumen, aus Wachs geformt, von Dornro-
fen, Lilien, wilden Weinranken und dergleichen, von naturgetreuen, in F'orm
184
DIE FRAUENARBEIT.
Lanipadaire, von Suffe fr&res in Paris.
und Farbe tadellofen Blüthen und Blättern, die
nur in der Zufammenftellung leider verfehlt waren,
und ein Bouquet von natürlichen Blumen, denen
der Farbftoff auf chemifchem Wege genommen
war, fo dafs die Pflanzenfafer wie ein feines
Spitzengewebe erfchien , eine Art Mumificirung,
die von Frauenhand ausgeführt, vielleicht von
Frauenkopf ersonnen, einen doppelt traurigen
Effect abgab.
Reizender als mit diefem letztgenannten
Produkte zeigte fich die Frauenarbeit in Süd-
amerika, wo fie zwar auch gering vertreten
war, dafür aber einige köflliche Specialitäten
brachte. Für's Erfte waren da die Fächer aus
Federn, von den Fräulein Natte aus Rio Janeiro
ausgefeilt. Nach der Ausfage diefer Damen
haben' fie vor zwölf Jahren die glänzende Erfin-
dung gemacht, Fächer aus gebogenen Federn
zufammenzuftellen, fie mit Bluriien aus gleichem
Materiale, mit kleinen Vögeln, blitzenden Koli-
bris in allen Farben, mit Käfern in metallifch
leuchtenden Flügeldecken zu fchmücken und
damit einen -in feiner reizenden Ausführung ganz
neuen Handelsartikel zu fchafifen. In dem AteUer
der Damen Natte find nur Frauen befchäftigt,
welche die äufserfl: gefchmackvoUe Arbeit üben,
die Zufammenftellung der Fächer in ihren ein-
zelnen Beftandtheilen anordnen, fowie die Feder-
blumen, von denen prachtvolle, glühende Zweige
vorlagen, und den Damenfchmuck aus Käfer-
flügeln, in feinen Golddrath gefafst, zeichnen, und
bis auf wenige Handgriffe vollenden. Ein gan-
zer Schrank war mit den reizenden Objekten
gefüllt, mit braungrünen, goldig leuchtenden
Blüthenranken , mit Fächern in allen Farben,
vom fchneeigen Weifs bis zum glühenden, pur-
purnen Roth. In jedem Fächer, deffen rund
geftellte Federn ihre Spitzen fanft nach innen
bogen, fafs ein Vöglein mitten in dem weichen
Flaum und lugte hervor, oder zitterte ein Blü-
thenfträufschen, das fich ftets durch dunklere
Farbe von dem Rahmen abhob. Es ift hier be-
fonders zu betonen, dafs alle die Federn unge-
künftelt , ohne fremde Farbe, ohne Zuthat ver-
wendet waren, und dafs die volle Schönheit
DIE FRAUENARBEIT.
185
Vifitenkartcnfchale, nach Entwurf von j. Storck ausgeführt von A. Klein in Wien.
der Arbeit in dem feinfühlenden Gefchmacke lag, der das von der Natur fo
reich gebotene Material in tadellofer Weife zu wählen und zufanimcnzufügen
verfteht. — Weniger glücklich erfunden präfentirten fich unter den Blumen-
zvveigen, dem blitzenden Käfervolk, den blauen glänzenden Faltern, die nebfl
den Fächern den Schrank füllten, einige tropifche Landschaften, Palmen, Hüfche
und dergleichen, aus Federn gemacht, eine kleinliche Verirrung des Gefchmackes,
welche zum Glücke nur in wenigen verfchwindenden Producten vorhanden war.
Abfeits von diefer Ausftellung war eine andere Specialität der Frauenarbeit
zu finden, eine Spitzenarbeit, welche Ruffino d'Almeida aus Baja eingefandt.
Es waren das Tafchentücher aus Batift, in welche durch das Ausziehen der
Stofffäden und durch das Vernähen derfelbcn, breite, durchfichtige Bordüren ge-
fügt waren. Diefe Arbeit, welche in Brafilien von den Damen und den Nege-
rinnen in aufserordentlich kunflfertiger Weife geübt wird, ift in allert Hausindu-
ftricarbeiten der europäifchcn Frauen, in den Leinengevvändern der Orientalinnen,
überall wo mühfame Technik geübt vvird, als Randverzierung zu finden. Nur
anderes Material wird in allen anderen Ländern zu dem durchfichtigen Saume
verwendet, und in fo zarter, fragiler Art hatte ihn, aufser Brafilien, nur noch ein
Land, nämlich Indien, gebracht. Es ift zu beklagen, dafs bei der grofsen Mühe,
mit welcher folche Arbeit gefciiaffen wird, die Zeichnung der Bordüren hier faft
186 DIE FRAUENARBEIT.
durchwegs häfsliche, naturaliftifche Blumengewinde und ähnliche Darftellungen
brachte, welche den gefammten Effect verdarben. — ■ Einige Goldftickereien, das
brafilianifche Banner, von dem Haufe der .Findlinge zu Fcrnambuco ausgeftellt,
und mehrere Erfindungen und Arbeiten von Dilettantinnen waren theils unfchön,
theils unbedeutend, und zogen wenig Beachtung auf fich. — Sehr zu bedauern
ift, dafs Amerika nichts von den weiblichen Hausinduftriearbeiten feiner wilden
und halbwilden Volksftämme brachte; es hätten diefe Dinge gewifs ein inter-
effantes Material zu vergleichenden Studien gegeben, wie es aus Afien und
Afrika zur Ausftellung gelangt war, wo es ficher zu den fchwungvollften, reizend-
ften Erfcheinungen gehörte, welche in den glänzenden Hallen des Induftriepala-
ftes das Auge des Befchauers feffelten.
England hatte ebenfo wie Amerika nur eine unbedeutende Zahl von Frauen-
arbeiten ausgestellt. Als vielgepriefenes Ausftellungsobject erfchienen die Irländer
Spitzen, von denen eine reiche Collection von George Smith ausgeftellt und von
einer Gefellfchaft zur Unterftützung der hilfsbedürftigen Landbevölkerung ge-
fammelt und eingefandt war. Diefe Spitzen , welche von ganz jungen Mädchen
zum Verkaufe gearbeitet werden, erfchienen in reizenden Zeichnungen und von
vortrefflicher Technik, namentlich waren ornamentale Bordüren von tadellofer
Erfindung unter den Hunderten von Deffms, die da vorlagen.
Nebft diefen Spitzen hatte England nur einige Kunftftickereien und eine Tam-
bourarbeit gebracht. Unter den erfteren präfentirte fich in höchft auffallender
und grotesker Weife ein Wandfchirm, von Lady Carrington gearbeitet, welcher
auf weifsseidenem Untergrunde ein Ornament in bunter, lofer Häkelarbeit zeigte,
welche letztere mit Seidenbdrden eingefafst, und hie und da durch Stickerei er-
gänzt war. Die Idee war nicht unglücklich gefafst; es liefse fich mit folcher
Technik ganz Reizendes zufammenfügen ; leider war hier die Zeichnung eben
nicht von eminenter Schönheit, und die Ausführung, namenthch in den Contou-
ren, nicht präcis genug, um den Eindruck, welchen die Arbeit machte, nicht in
ungünftiger Weife zu beeinträchtigen. Weit tadellofer in der Ausführung, weit
zweckmäfsiger zeigte fich die vorerwähnte Tambourarbeit, welche auf einem
fchweren, fchafwollenen Möbelftoffe als bunte Guirlande in Streifen niederlief.
Die Arbeit war ebenfalls in Wolle durchgeführt und fah durch glückliche Far-
benwahl, durch Einfachheit des Deffins elegant und anmuthig aus und wies in
glänzender Weife nach, wie günftig fich die einfache Technik des Kettenftiches
zu folchem decorativen Zwecke verwenden läfst.
In gleicher Weife hatte Spanien diefelbe Arbeit auf Portieren als Schmuck
gebracht. Es waren das Vorhänge von fchwerem bunten Schafwollgewebe, mit
dicken Klöppelfranfen , in den hellen Farben des Südens prangend, Bordüre an
Bordüre gereiht, in welchen reizende Arabesken erfchienen ; zwifchen diefen ge-
webten Bordüren war hie und da ein matter Streifen deffinlos geblieben, und
hier war dann mit groben Tambourftichen in dicker Wolle eine Reihe von ftili-
ftifchen Ornamenten, von Blüthen, Vögeln und anderem Zierath angebracht, der
durch Zeichnung, Farbenwahl und Technik einen glänzenden Effect erzielte. Der
fo verwendete Schmuck fprang, mitten in den glühenden Farben des Stoffes,
nicht in's Auge, fondern brachte im Gegentheile Ruhe in das bunte Gewimmel,
DIE FRAUENARBEIT.
187
Stickereien eines Seffels, entworfen von Lieb, ausgeführt von Giani in Wien.
M«
188
DIE FRAUENARBEIT.
er liefs fich finden und entdecken, und feffelte dann durch die Eleganz, welche
er der ganzen Decoration verlieh.
Zwifchen diefcn Portieren hindurch führte der Weg zu der Menge der Aus-
ftcllungsobjecte, welche Spanien gebracht hatte, und unter denen hie und da,
mitten unter den Werken der Männer, oft in abfonderlicher Zufammenftellung
die verfchiedenartigen Arbeiten von Frauenhand zu finden waren. Darunter
zeigte fich wohl wenig hervorragend Gutes, wenig, das die Aufmerkfamkcit
dauernd zu feffeln vermochte. — „A Santa Cecilia, erftes Etabliffement Spaniens
Einbände in Leder-Mofaik und Ilandvergoldung von Wunder & Kölbl in Wien.
für alle Arten von Stickereien in Seide und Wolle" war über einem Schranke
zu lefen, der eine bunte Reihe von gefticktcn Bildern, Zeichen- und Lithogra-
phie-Imitationen, Gobelinflickereien, Perlflicharbeitcn und dergleichen enthielt. In
der Technik war da meifl; nur Tadcllofes zu fehen. Zweck und Ziel der Arbei-
ten waren faft durchfchnittlich verfehlt, wie diefs bei Imitationen von Kunftwerkcn
in Farbe und Blei, bei mit Perlllich geflickten Gcfichtern, und ähnlichen Verir-
rungen des Gefchmackes nicht anders möglich ifl, von einem Schwerfleine nicht
zu reden, den eine plaflifchc Landfchaft aus Schafwolle und Seide zierte, von
anderem altem Spielzeug, wie es die Frauen in kindifch verwendeter Mufsczeit in
allen europäifchen Ländern zu unbekanntem Zwecke fchafTen, und das hier mit-
ten unter den Arbeiten mühevoller Technik prangte. Die Zeichnung diefer letz-
teren war meifl gut, die Durchführung präcis, und beide hätten, in anderer
Weife verwendet, unfehlbar Glück gemacht. Es ifl das überhaupt eine betrü-
bende Thatfache, welche auf der Ausftellung aller europäifchen Länder mehr
DIE FRAUENARBEIT.
189
oder weniger auffallend zu Tage trat,
dafs die Frauen, mit einer ganz merk-
würdigen Kunftfertigkcit in ihrem
Fache ausgcrüftet, über Zweck und
Anwendbarkeit derfelben vollkommen
im Unklaren find. Was fich mit dem
glänzenden Materiale , mit hervorra-
gend künfllerifcher oder gcfchmeidiger
Technik erzielen läfst, haben einzelne
diefer Frauen in eminenter Weife ge-
zeigt; wie fich diefes Material und
eben diefc Technik zu Abfcheulich-
keiten zufammcnfügcn laffen, haben
wir nur au.s den Arbeiten des Abend-
landes, nie in denen des Morgenlan-
des gefehen.
Eine Arbeit, deren Material von
vornherein zu verdammen ift, und
die fich ebenfalls nur in Europa finden
läft, ifl die Stickerei mit Menfchcn-
haarcn, die kläglichfte Vcrirrung, der
fich die Frauenarbeit fchuldig gemacht.
Sie war auch in Spanien vertreten,
wo Marie C. Sievert de Hoto eine
kleine Sammlung diefer mühfeligen,
gefchmacklofen Experimente ausge-
ftellt hatte.
Von Wcifsftickereien war nur
eine vorhanden, ein Tafchentuch mit
reicher Bordüre, gut gearbeitet, aber
gänzlich verfehlt in der Zeichnung
und durch die Maffe der Stickerei,
welche auf dem feinen Gewebe ladete.
In folcher Arbeit, die zu der mühe-
vollflen Technik gehört, welche die
Hand der Frau mit Nadel und Faden
übt, find überhaupt äufserft feiten
gute zwcckmäfsige Zeichnungen zu
finden. Die Ausllellung hat uns, in
allen Ländern, aus welchen die Weifs-
ftickerei vertreten war, übjecte von
kindifcher oder von unpaffender Er-
findung, auf dem durchfichtigen Stoffe
ausgeführt gezeigt; feiten, dafs die
Arbeit einen ruhigen, gewinnenden
Pradicr's Phryne, Bronze von Suffe frites in Paris.
«t
190
DIE FRAUENARBEIT.
Effect hervorbrachte, und den Zweck, den feinen Untergrund feiner Structur
entfprechcnd zu fchmücken und nicht blos aufdringlich oder nichtsfagend zu
erfcheinen, erfüllte.
An einer der Säulen in der Halle, welche die Ausftellung Spaniens enthielt
fland eine Coftümfigur, die Frau des Landes, in leider fehr modernifirter Tracht,
der keine Eigenthümlichkeit , kein nationaler Charakter, aufser dem fchweren
Metallfchmucke am Hälfe und in den Ohren, abzufehen war. Nur das weifse
Spitzentuch, das um die Schultern gefchlungen lag, erinnerte an die vielgerühmte,
vielbefungene Mantille, und diefes Kleidungsftück trug auch eine Arbeit halb-
vergeffener Technik an fich, die durch Tüll gezogenen Fäden, welche wir noch
hie und da in den Schleiern finden, welche unfere Grofsmütter trugen. Derzeit
ift diefe Arbeit faft gänzlich aus Europa verfchwunden und hat fich auf der Aus-
ftellung, aufser in Spanien, nur in einigen reizenden Muftern, die Egypten brachte,
vorgefunden. Draufsen im Parke hatte fich Spanien ein kleines, einftöckiges
Haus erbaut, in deffen Räumen es neben manchem alten Geräthe wunderbarer
Art, neben Waffen, Bildern, Kirchenparamenten , neben Rüftungen; mit köftli-»
chen Zeichnungen bedeckt, neben Glasmalereien, alten Urkunden und Büchern
auch das bunte Ding, die Frauenarbeit, mit einem Plätzchen bedacht hatte. Es
waren da mehrere Schulen ausgeftellt, darunter das Taubftummen- und Blinden-
inftitut zu Madrid, welches einige fehr hübfche Leinwebereien, grobe Näharbei-
ten, Weifsftickereien und bunte Tambourarbeiten brachte, welche letztere auf der
Wäfche, namentlich auf Hemden Verwendung fanden, und dadurch an die Arbei-
ten der flavifchen Hausinduftrie gemahnten. Traurig fahen neben diefen einfachen
Dingen die Luxusexperimente in Farbe, mit Seide, Wolle, Chenille, Atlas und
Blumen aus, Reliefarbeiten, Kiffen mit dicken rothen Wollblumen, und fonftige
häfsliche Erfindungen, neben denen eine in Zeichnung und Ausführung unedle
Goldftickerei prangte.
Beffer fahen fich die Arbeiten des Lehrerinnenfeminars zu Madrid an, worun-
ter jedoch leider auch die Lithographie-Imitationen und die grellfarbigen Bunt-
ftickereien zu beklagen waren, in welchen hie und da die Matadore des Regen-
bogens einen unentfcheidbaren Streit um den Vorrang führten.
Verföhnlich, ernft, gewinnend trat uns dagegen eine alte, herrliche Kunft-
ftickerei entgegen, die über einer der Thüren des Haufes hing, ein Kirchenpara-
ment in Gold und Seide in längftverblichener Pracht, von der noch hie und da
der glitzernde Faden erzählte, der in architektonifcher Zeichnung die Figuren
umrahmte, die eine über der anderen den Rand des fchweren Gewandes zierten.
Portugal hatte aufser einer Collection ziemlich gewöhnlicher Klöppelspitzen,
die ein ganz befcheidenes Plätzchen einnahmen, keine Arbeit von Frauenhand
ausgestellt. Ein Schrank, der theils mit Kinderfpielzeug, mit alterthümlichem, un-
förmlichem Holzgcrümpel naiver Art, theils mit Thonfigürchen, Typen aus dem
portugiefifchen Volke, gefüllt war, zeigte uns die Frauen in nationaler Tracht,
mit dem breitkrämpigen , runden P'ilzhutc, dem weifsen, fchleierartigen Tuche,
das über den Rand des Hutes niederfällt, mit dem bunten Mieder, dem weifsen
Oberhemde, dem kleinen Tüchlein, um die Schultern gefchlagen, und dem dunk-
len, faltigen Rocke, der bis an die Knöchel reicht. Die Figürchen, welche die
DIE FRAUENARBEIT.
191
Moltke in feinem Arbeitszimmer zu Verfailles, von A. v. Werner.^)
Frau auf dem Weg zum Markte, mit dem weiten runden Korbe am Arme oder auf
dem Kopfe darflellen oder mit dem reizenden Kruge antiker Form, oder mit
anderem, hübfchen Geräthe, diefe Figürchen geben uns zwar einen netten Ein-
blick in volksthümliches Leben, aber fie zeigen uns nichts von der Arbeit, welche
an dem Coftüm der Frau von ihrer Hand herrühren mag, nichts von Technik und
Material , nichts von den eigenthümlichen Erfcheinungen , welche die weibliche
Hausindüftrie jedes Landes, fomit auch gewifs die Pnrtijgals aufzuweifen hat.
In dem kleinen, portugiefifchen Schulhaufe, welches manche höchft empfeh-
lenswerthe Einrichtung und eine intereffante Sammlung von Lehrmitteln ent-
hielt, hatten zwölf weibliche Schulen , darunter acht Vereins- und zwei Klofter-
*) Mit Erlaubnifs des Verlegers ans Fechner's Deutfch-franzöfifchem Krieg (Grote'fche Buchhand-
lung in Berlin) abgedruckt.
192
DIE FRAUENARBEIT.
Iphigenia von A. Feuerbacli.
k
fchulen ausgcftellt. Die Frauenarbeiten, welche diefe Unterrichtsanftalten brachten,
waren durchfchnittlich gut; wenig oberflächliches Spielzeug war da zu finden,
namentlich hatte die Normalfchule zu Liffabon gut gearbeitete Lingerien und fehr
hübfche Klöppelfpitzen ausgeftellt. Die Volksfchule zu St. Engraine brachte
neben anderen Arbeiten einen Straufs von Blumen, aus Seidenfaden und Silber-
draht gemacht, eine Decorationsarbeit, welche wir, aufser hier, nur im öfterrei-
chifchen Pavillon für Frauenarbeiten von der Mand einer Dilettantin ausgeführt
fanden, wo wir das reizende, fchwankende Bouquet jedenfalls mit mehr Freuden
begrüfsten, als hier, wo folche, entfchiedene Luxusarbeit aus den Räumen der
.if
194
DIE FRAUENARBEIT.
Volksfchule, der erften Unterrichtsanftalt des ungefchulten Kindes, zur Ausftel-
lung gelangte.
Frankreich hatte wenige Arbeiten weiblicher Schulen exponirt; es waren
da fehr hübfche Klöppelfpitzen, worunter eine mit 400 Klöppeln angefertigt war,
eine Arbeit, welche die unter der Leitung der soeurs de la providence ftehende
Arbeitsfchule aus der Stadt Bayeux eingefandt hatte. Eine bunte Mifchung von
Arbeiten, Blumen, Stickereien in Weifs und in Farben, von Näharbeiten aller
Art, von Malereien auf Glas und Porzellan, von Zeichnungen u. f. w., hatten die
katholifchen gewerblichen Schulen aus Paris exponirt, deren derzeit 22 beftehen,
und zwar 12 weltliche und 10 Klofterfchulen , in welchen 1200 Schülerinnen un-
terrichtet werden. Der Zweck diefer Schulen ift, den Mädchen eine allgemeine,
wiffenfchaftliche Bildung zu gewähren und fie in irgend einem gewerblich tech-
nifchen Fache zu unterweifen. Zu letzterem Zwecke find befondere Curfe ein-
gerichtet, welche die Handelswiffenfchaften, das Zeichnen, das Malen auf Email,
auf Porzellan und auf verfchiedenerlei, gewebten Stoffen, das Holzfehneiden, das
Notenftechen, das Coloriren, das Gold- und Silberpoliren, die Blumenfabrikation,
und alle Arten von Frauenarbeiten begreifen. Leider waren die eingefandten
Arbeitsproben nicht gür.ftig ausgeftellt, fo dafs es fchwer hielt, fich ein entfchei-
dendes Urtheil über ihre Befchaffenheit zu bilden , da namentlich den Frauen-
arbeiten und den Blumen die Reife und ihre Fährlichkeiten deutlich anzuse-
hen waren.
Viel köftlicher zeigte fich die Frauenarbeit in anderen Abtheilungen der fran-
zöfifchen Ausflellung, als Beigabe, als Schmuck, als glücklicher Gedanke, der
da und dort auf Gegenftänden anderweitiger Induftrie, auf Geweben, Einrich-
tungsflücken , auf Wohnungsgeräthen, auf Kleidern, und dergleichen zu Tage
trat. Die Franzofen haben beffer und klarer als die meiften anderen europäi-
fchen Völker dargethan, was fich mit Hülfe der Frauenarbeit erzielen läfst, wie
fie namentlich zu decorativen Zwecken zu verwenden ift, und haben gezeigt, wie
diefelbe mit voller Wahrung des abendländifchen Charakters, ohne Benützung
der allgewinnenden orientalifchen Motive und Farbenpracht, durch fchwunghafte
Zeichnung, durch richtige Anwendung, durch glückliche Erfindung in Form und
Technik einen eminenten Effect hervorbringen kann.
Zu dem beften diefer Art zählten die Fenfterdraperien, die Portieren, die Sto-
res, von denen in den Ausftellungen der Wohnungseinrichtungen, wie durch Zu-
fall angebracht, und unter den Expofitionsgegenftänden einzelner Firmen rei-
zende Dinge zu finden waren. Von Vorhängen hatte die Firma Meunier &Co.
eine glänzende Erfindung vorgeführt, Draperien aus locker gewebtem Leinenftoffe,
wie wir ihn an den Oberhemden der Orientalinnen fanden, und an diefen Stoff
fpannenbreite Bordüren gefügt, die aus breiten und fchmalen Bändchen mit dem
Guipureftiche zufammengefetzt und verbunden, eine fchwungvolle, in grofsen Zü-
gen entworfene Zeichnung hervorbrachten. In Weifs und in Drapfarbe waren diefe
Vorhänge gearbeitet, die als Mufter decorativer Frauenarbeit gelten können. Von
ebenfo reizendem Effecte find die Stores in Tüllapplication, die Vorhänge, welche
als Lichtdämpfer, als Schutz gegen Infecten vor das Fenfter gefpannt werden,
und die auf durchfichtigem Untergrunde köftliche Zeichnungen in dichterem
DIE FRAUENARBEIT.
195
Stoffe-, der mit dem Kettenftiche durchzogen und eingerahmt ift, aufweilcn. Da
waren Stores in bunter Farbe, mit pompejanifchen Deffins, von heiterer, anmu-
thiger Wirkung, andere VVeifs in Weifs, und noch andere, in welchen die Zeich-
nung drapfarbig auf weifsem Untergrunde erfchien, und in denen ganz naturali-
ftifche Motive durch die Grazie, die Kühnheit der Zeichnung und durch die Ele-
ganz des matten Farbentons eine feffelnde Wirkung hervorbrachten. Vögel,
Blumen, Ranken wimmelten da durcheinander, Schilfgras, Waffer, felbft einige
Wolkencontouren waren flüchtig in den Schleier des Untergrundes gezeich-
net, alles fo leicht, fo graziös, als wäre es in der Secunde entflanden, nicht die
Spur der laftenden Hand, die daran gefchaffen, war da in dem Bilde zu fehen,
das auf dem durchfichtigen Untergrunde, wie in Luft und Licht hinein gezau-
bert erfchien.
Von anderer Art, aber ebenfo gewinnend durch die Schönheit der Technik,
durch Farbenvvahl und durch Zeichnung waren die verfchicdenen Portieren, die
in Sammt, Seide und Schafwolle die reizendflen Verzierungen brachten. Da
waren Deffms in feinen Seidenbörtchen, in Stickerei und Tambourarbeit auf At-
las ausgeführt, Lificren und Arabesken in kühlen, fanften Farben, durch die hier
und da ein goldener Faden blitzte; da waren breite, glühendrothe Stoffbordüren
an dunkle Vorhänge gefügt, und in dem prunkenden Stoff Figuren in Seide und
Sammt ausgeführt, in reicher griechifcher Formenfchönheit , Amoretten und Ge-
nien zwifchen Blumen- und Fruchtgewinden, Arabesken und Ranken, alles fo
warm, fo ftimmend in Farbe und Ausführung, dafs man über dem behaglichen
Eindrucke den Prunk und die Pracht der Erfcheinung vergafs. An anderer Stelle
waren in Schafwollftoffc, in Rips, fchmalc Blumenränder mit farbiger Wolle tam-
bourirt, eine anfpruchslofe Verzierung, in leicht durchführbarer Technik, und
doch ganz einzig im Effect. Die Franfen ftimmten in Farbe und Licht mit dem
Dcffm, der Untergrund war fo matt, dafs jedes Blättchen darauf zur Bedeutung
kam, die Zeichnung war fo fchlank, fo leicht, fo flüchtig, dafs jedes Blumenköpf-
chen, jedes Blatt, jeder Halm aufwärts zu ftreben fehlen, und fich dadurch, ohne
aufdringlich zu fein, wie eine nothwendige Zier ergab, die da am Rande Platz
finden mufstc, um dem unfcheinbaren Untergrunde Reiz und Anfehen zu geben.
Solcher Schmuck, von Frauenhand ausgeführt, läfst fich in jedem Gemache in
glücklicher Verwendung denken, da er durch einfache Schönheit mit jeder Um-
gebung ftimmt.
Schwerer durchführbar als diefe Decorationsarbeiten , von künftlerifchem
Werthe in Technik und Zufammenftellung , zeigten fich die Stickereien, welche
Frankreich auf Kleiderftoffen und auf Kirchenparamenten ausgeftellt hat. J. A.
Henry aus Lyon hatte darin Unübertreffliches gebracht, in Wahl des Colorits, in
ernfter Pracht, in reizenden Motiven; desgleichen hatten Tafsinari und Cha-
tcl Stickereien auf braunem Sammt und auf lichtblauer Seide ausgeftellt, von
denen die erfleren durch warme Farbenfchönheit, die letzteren durch ganz unbe-
fchreibliche Zartheit ausgezeichnet erfchienen. Wunderbar fchön zeigten fich
mannigfache Stickereien in Seide und Atlas auf Kleiderfloffen ausgeführt, darunter
Blumen von fchimmernder Schönheit, Blüthenranken, bemoofte Baumzweige,
Knospen in fchwarzem Seidenftoffe, mit filbernen Fäden durchzogen, alles mit
«•
196
DIE FRAUENARBEIT.
reicher Pracht in den Linien, in der Zeichnung, im Materiale ausgeflattet. Auf
einem weifsen Atlasfloffe, der mit Rofenzweigen überfchüttct war, waren unten,
am uiivullcndeten Ende, die Zeichnungen zu fehen; in wenigen fchwarzen Stri-
chen lag die Pracht und Schönheit angedeutet, die weiter oben Blume um Blume
in üppiger Fülle zeigte. Diefe Arbeiten waren alle mit ganz merkwürdigem Ta-
lente angelegt und ausgeführt, kein Zuviel und kein Zuwenig war da zu ent-
f
Poftameiilofcn, bunl in l'.irbc cinychrannt,
von Bernhard Erndt in Wien.
Ofen, von Bernhard Erndt in Wien, in drei Farben,
Grund dunkelbraun, Ornamente gelb und grün.
decken, und jede einzelne Blüthc, jede einzelne Ranke lag wie nach einem un-
verbrüchlichen Gefetze an ihrem Platze.
Von Dilettantenarbeiten haben wir in Frankreich nur eine einzige entdeckt,
eine Chenilleftickerei, welche fich ,,broderie au passe" betitelte, und die an manche
Arbeit gemahnte, die wir wirklich vor längftvergangener Zeit gearbeitet gefehen,
und von der wir Einzelnes, ganz Vortreffliches, namentlich in der dänifchen
Ausftellung wiederfinden werden. Die vorliegende Stickerei ftellte einen Kakadu
zwifchen langfchaftigen Blättern fitzend dar, und war von Madame Marie Bigot
DIE FRAUENARBEIT.
197
fchr gut ausgeführt. Weniger glücklich als alle die vorgenannten Arbeiten
prafcntirten fich einzelne Erfindungen, von Frauenhand gefchaflfen und von
kleinen Firmen ausgeftellt, darunter ein l'olflcr aus Federn, ein abfcheuliches,
blaues Ding, und manches Geräthe und mancher Beftandtheil der Kindertoilette,
Eiferne Tifchplatte von E. G. Zimmermann in Hanau.
jenes Zweiges, in welchem die weibliche Phantafie die merkwürdigften Abnor-
mitäten fchafft. Geflickte Kleidchen von unbeftimmbarer Form , Schuhe mit
einer Laft von Schmuck aller Art und aller Qualität darauf, und ähnliche, kin-
difche Dinge.
Glänzend zeigte fich Frankreich in zwei Arbeiten von F'rauenhand, die als
allbekannte Induflriezweige in den europäifchen Ländern ihren Weg auf den
Weltmarkt hinaus gefunden haben, und wegen der Art der Production, der fa-
brikmäfsigen Erzeugung, wohl nur andeutungswcife ihren Platz in diefem Be-
198 DIE FRAUENARBEIT.
richte finden dürfen. Es find diefs die Blumen und Spitzen, die in wunderherr-
liclicr, klarer Schönheit auf der franzöfifchen Ausflellung erfchienen. Anmuthig
in Zeichnung und Material, von gewinnender Pracht waren die fchleierartigen Ge-
webe, die da als Kleider, als Toilettefchmuck , als Ränder und Kanten ausge-
ftellt waren; aber noch überrafchendcr, noch glänzender in ihrer Art zeigte fich
die Fülle von Blumen, die fo ausfahen, als wären fie alle von derfelben, unfehl-
baren Künfllerhand gefchaffen. Es war da ein grofser Schrank, der eine ganze
Blumenwelt, ihr Entflehen, ihr Erblühen, ihr Welken und Vergehen fafste, mit
einer Naturwahrheit, mit einer Grazie dargeflellt, wie fie nur das Künftlerauge
dem Leben abzulaufchen vermag. Die Franzöfinnen haben ein ganz wunderba-
res Gefchick in der Wahl des verfchiedenartigen Materials, aus dem fie ihre Blu-
men bilden; der Stoff, aus dem fie jede einzelne Blume geftalten, fcheint nur
für diefe gefchaffen, und dadurch gewinnt fo eine kunftvoll erzeugte Blumenge-
meinde den Anflrich originaler Wahrheit. Schwere Rofen, Tropenpflanzen, Wald-
blüthen , Moosköpfchen , matte Frühlingsblümchen mit den fchwanken Stielen,
das bunte Gelichter auf Feld und Wiefe, mit den ftcilrechten, kecken Köpfchen,
das alles lag und fland, und blühte und prangte, und ftarb da zwifchcn Moos,
Fels, Gras und Baumftämmen, wie wir es feit Menfchengedenken draufsen über
der duftigen Erde blühen, prangen und fterben fehen. ■'
Viel trug, nicht zu dem Werthe , wohl aber zu der reizenden Erfcheinung
aller der Arbeiten, die wir hier befprochen haben, das glückliche Arrangement
bei, das aufser in der Ausftellung der Schularbeiten, fich überall in der franzö-
fifchen Abtheilung geltend machte. Da war in der Anordnung der Blumen, der
Spitzen, der feidenen, fchimmcrnden Stoffe nichts Dürftiges, nichts Klügelndes,
das war wie mit vollen Händen gegeben, und hatte dadurch den berückenden
Reiz überftrömender Schönheit an fich.
Belgien hatte eine reiche Ausftellung von der weltberühmten Frauenarbeit
des Landes, den herrlichen Spitzen gebracht, worunter viele von märchenhafter
Schönheit waren. Die „Compagnie des Indes" hatte prachtvolle Gewebe diefer
Art ausgeflellt, Spitzen und Toiletten, die wie mit Blüthen übcrfchüttet erfchienen,
feine Kanten in reizender Zeichnung, vieles davon ganz mit der Hand geklöp-
pelt, manches mit Hülfe der Mafchine gearbeitet, Blumen, Schmetterlinge, Ara-
besken mit der Nadel genäht, alles von wunderbarer Feinheit, tadellos gefügt.
Wie viele Frauenhände in Belgien mit diefer echten , mühvollen Frauenarbeit be-
fchäftigt fein mögen, läfst fich annähcrungsvveife fchliefsen, wenn man bedenkt,
dafs manche Firma, wie die von Buchholtz & Comp., 3000 Arbeiterinnen
und darüber zählt.
Nebfl diefen herrlichen Spitzen hatte Belgien nur Blumen gewöhnlicher Art,
und die Arbeiten von Schulen gebracht. Die Ausflellung der Elementarfchulen
Belgiens, welche ein unfcheinbares , dürftiges Plätzchen einnahm, zeigte von
weiblichen Handarbeiten wenig Bemerkenswerthes, bis auf hübfchc Strohgeflechte
und gute Knüpfarbeiten, die von Kinderhand geübt, in der erften Schule neben
den anderen Arbeiten ganz am richtigen Platze find und weitere Verbreitung
verdienten. Arbeiten vorzüglicher Art hatte das „Atelier de charite" zu Belem
gebracht. In diefe, auf dem Schlöffe Belem in Oftflandern befindliche Schule
DIE FRAUENARBEIT. 199
werden junge Waifcn, arme Mädchen aus dem Orte felbft und der Umgegend
aufgenommen, und in allen weiblichen Handarbeiten, namentlich aber im Weifs-
fticken unterrichtet. Proben tler Leiftungsfahigkeit der Schule lagen vor, nieift
ausgezeichnete Arbeiten, namentlich in der Technik tadellos, wenn auch hie
und da Zweck und Ziel der Arbeit nicht ganz praktifch feflgehalten waren.
Die Schule ift ein l'rivatunternehmen, welches unter der Leitung Frau von Ker-
chove's fleht und fich der beften Erfolge erfreuen foU.
In Holland ging die Frauenarbeit leer aus; da war nichts von dem bun-
ten Zeug zu fehen , aufser in einigen Kleinigkeiten , welche der im Haag befte-
h ende Frauen verein „Arbeit adelt" eingefandt hatte, und die in hübfchen Spitzen-
arbeit A, Frivolitütkrägelchen, kiinftlichen, grob gearbeiteten Blumen, und einer
Collection von winzigen Figuren, von Puppen in den verfchiedenen Trachten tles
Landes, befland. Diefe Arbeiten, die Kleider mit allem Schmucke und Zierath
darauf, wie ihn die weibliche Hausinduftrie Hollands fchafft, waren in den Schu-
len des Vereines von Kindern angefertigt, welche dort nebft einigen Arbeiten,
die ihnen zum Erwerbe dienen können, alle die Hefchäftigungen und die Kunft-
fertigkeiten üben lernen, welche ihnen im täglichen Leben von Nutzen fmd.
Der Verein befteht feit lO — 12 Jahren und hat zahlreiche Zweigvereine gegrün-
det , welche in allen gröfseren Städten des Landes Schulen zum Unterrichte ar-
mer Kinder erhalten.
Einen kleinen Erfatz für den Abgang von modernen Frauenarbeiten hatte uns
Holland in einzelnen Objecten der reizenden Ausftellung vorgeführt, welche die
Producte feiner Colonien begriff. Zwifchcn Thee, Kaffee, Holzfchnitzereien,
Thierfellen, buntem Zierath aller Art, Waffen, Gefchnieiden, Hausgeräthen und
anderen Dingen lugte bald da, bald dort ein blitzender Faden, auf fchillernder
Seide ein JJlümchen, ein kunflvoU durchbrochenes, feines Gewebe hervor, das
uns die Spur der Frauenhand erkennen liefs. Borneo und Java hatten Blu-
men aus Federn gebracht, darunter manche reizend und gut, manche nur halb
geglückt. Borneo hatte, aufser diefen Blüthchen, Gold- und Silberftickereien ge-
zeigt, auf Sandalenriemen, auf Schuhen in Leder und Sammt. Meift waren es
Thiere, die da prangten, ein Hahn mit zwei Köpfen, Schmetterlinge, auch flili-
firte Blumen in rothem oder goldenem Felde. Es ift überhaupt in's Auge fal-
lend, welcher Gunft fich bei allen halbcivilifirten Völkern die rothe Farbe er-
freut; fie kommt im Range nach dem Golde, und wo der leuchtende Faden
fehlt, da mufs etwas von dem feurigen Roth durchglühen.
Vom indifchen Feftlande waren F"lachftickereien in Wolle von ziemlich häfs-
Ucher Ausführung zur Ausftellung gelangt, ganz anders als folche Arbeit von
dem Indien, das feine herrlichen Schätze unter der Aegide Englands zur Aus-
ftellung gebracht hatte, uns gewiefen ward. Klein und unbedeutend waren einige
Blumen, Perl- und Goldftickereien auf Pantoffeln, merkwürdig und fchön dage-
gen war die Bordüre eines Tafchentuches , diefelbe Arbeit in Batift, welche wir
in Brafilien gefehen, nur dafs hier die Zeichnung viel reiner und von ftilgerech-
ter Schönheit war.
Hinter einem hohen Portale, das in einer vielfarbigen Draperie, in Sammt
und Gold und Seide die Wappenfchilder aller Kantone zeigte, hatte die Schweiz
200
DIE FRAUENARBEIT.
Album in Leder-Mofaik, Zeichnung von F. Wunder, Ausführung von Wunder & Köllil.
ihr Lager aufgcfchlagen. Weifs in Weifs fah dem Befucher, der vom Induftrie-
palafte aus diefen Ausftellungsraum betrat, die Frauenarbeit des Landes von
allen Wänden, allen Tifchen, allen Schränken entgegen, und zeigte durch den
Reichthum, mit welchem fie hier vertreten war, welche Rolle ihr im Lande zu-
gewiefen ift.
Rings an den Wänden hingen die Stores in TüUapplication, theils mit der
Hand, theils mit der Mafchine ausgeführt, in den Schränken waren die feineren
Handarbeiten ausgeflellt, die Kleider, die Tafchentücher, die Garnituren, alles mit
einer Fülle von Stichen, von Blumen, von Arabesken bedeckt. An einem der
Seitentifche arbeiteten ftets tagüber zwei Frauen, welche durch ihre Hantirung
Einficht in die Technik und in die Leiftungsfähigkeit einzelner Arbeiterinnen
gewährten. Nach der Ausfage diefer Frauen verdienen die Stickerinnen, bei bedeu-
tender Fertigkeit , 12 — 20 Francs per Woche. Die Arbeiten werden alle im
Haufe gemacht, wo die Kinder, die kleinen fchulpflichtigen Mädchen und die
DIE FRAUENARHEIT.
201
Store, entworfen von Storck, ausgefillirl von Kaber & Oamböck in Wit
202
DIE FRAUENARBEIT.
Mutter dabei thätig find , und fodann an die Kaufhäufer geliefert oder an Hau-
firer veräufsert, welche damit in die Welt hinaus wandern.
Unter den vielen Arbeiten, welche da prangten, und von denen manche
von tadellofer Schönheit waren , fand fich eine grofse Zahl, die durch verfehlte
Zeichnung , durch UeberfüUe des Dcffins , oder durch zu knappe Anordnung in
Form und Schnitt, trotz aller ausgezeichneten Technik, keinen gewinnenden Ein-
druck machte. Die Anwendung naturaliftifcher Motive ift in den Arbeiten vor-
herrfchend, der Blumen, Ranken, Blätter mit ihrem Gezweige, des willkürlichen
Gewimmels, das da, wo die Grazie dabei zur Geltung kommt, feinen unbcftimm-
baren Reiz ftets behaupten wird. Leider fehlte aber hier nicht feiten die leichte,
fchwungvoUe Anlage; alle die Blumen, die Knospen, die Stengel und Blätter
erfchienen als eine mit kunftfertiger Hand ausgeführte Maffe von Stichen, die
zu einer Lafl von einzelnen Gewinden zufammengefügt waren, und viel, fehr
viel Stickerei auf einem möglichft kleinen Raum zufammcngedrängt zeigten, und
nichts weiter. Es gab hiervon glänzende Ausnahmen , namentlich waren einige
Tafehentücher vorhanden, mit köfllichen, ornamentalen Bordüren.
Hie und da waren zvvifchen diefen Arbeiten, zwifchen den Kleidern, den
Vorhängen, den Tüchern, die im glänzendften Weifs fchimmerten, einige Bunt-
ftickereien zu finden, wenige mit der Hand, die meiden mit der Mafchine aus-
geführt, die in der Schweiz mit Macht daran arbeitet, für die Frauenhand einzu-
treten. Neben den höchfl unfchönen Experimenten mannigfacher Art, von denen
das abfcheulichfte ein Lehnftuhl mit einem buntgeftickten Straufse war, den die
Mafchine mit trübfeliger Starrheit in den Stoff gewebt hatte, waren da grobe
Tambourarbeiten auf Vorhängen und Draperien zu fehen, die mit der Mafchine
ausgeführt, ganz vortrefflich ihren Zweck erfüllten, und kecke, grofse Zeichnun-
gen aufwiefen, die fich in voller Schönheit von dem durchfichtigen Untergrunde
abhoben.
Haararbeiten, Imitationen von Lithographien waren neben der weltbekann-
ten weiblichen Indullriearbeit des Landes zu fehen. Die erfteren gehörten zu
jener Gattung von halb überlebter Manipulation, von Flechtwerk , Kleben,
Sticken, Knüpfen, von jener Arbeit, die fich an die Darftellung von allem Erdenk-
lichen und allem Sichtbaren wagt, von Blumen, Bäumen, Häufern, Denkmälern
und Bildniffen aller Art, und die wir als eine verfchrobene Erfindung echt cu-
ropäifcher Art leider noch überall, wo die Frauenarbeit fich in allen Nuancen
ihrer Technik zeigt, mit in den Kauf nehmen muffen.
Die Imitationen von Lithographien, welche wir hier von Marianna Bren-
tani-Vigle gio ausgeftellt fanden, gehörten zu den heften Arbeiten diefer Art,
die wir bedauerlicher Weife auf der Ausftellung in reichem Mafse vertreten
fanden. Dilettantinnen und Firmen, Kunftftickerinnen, Klöfter, Schulen hatten
diefe Arbeit repräfentirt, in welcher mit feiner Florfeide Strich um Strich die
Zeichnung nachgeahmt wird, um mit namenlofer Mühe ein Bild zu fchaffen, das
um ein Minimum des Koftenpreifes folcher Arbeit viel correcter, viel dauerhafter
in jeder Bilder- oder Kunfthandlung zu erftehen ift. Die Lithographie-Imitation
ift eine jener Arbeiten, durch welche die Frauen klar beweifen, wie gering viele
von ihnen das höchfte Gut des denkenden Menfchen, die Zeit, anfchlagen, und
DIE FRAUENARBEIT. 203
wie wenig fie im Stande find, das einfache Rechenexempel zu machen, das ihnen
nachweift, ob das Refultat ihrer Arbeit im Verhältniffe zu der aufgewendeten
Mühe fleht. Es fei hier noch einmal betont, dafs die vorliegende Stickerei zu
den beflcn ihrer Art zählte; die Zeichnung war gut gewählt, die Ausführung
kecker als fonft, die Stiche gröfser, daher die Mühe geringer und der Ein-
druck nicht fo peinlich, als durchfchnittlich der ift, den folche Arbeiten auf den
vernünftigen Befchauer machen.
In dem kleinen Schweizerhaufe, im Parke, waren neben mannigfachen Holz-
fchnitzereien die Arbeitsproben vieler Schulen ausgeftellt, worunter auch die
mehrerer weiblicher Unterrichtsanftalten zu finden waren. Einzelne diefer Schu-
len brachten ein reiches Sortiment der verfchiedenartigften Nutzarbeiten, und
die Volksfchule aus dem Aargau fandte einen ausgezeichneten Lehrplan für
den Unterricht in den weiblichen Handarbeiten, welchem Plane zufolge die
Schülerin in einem fechsjährigen Lehrgange mit allen Fächern der Frauenarbeit,
infofern diefelbe für das Haus und die Familie von unbedingtem Nutzen ift, voll-
kommen vertraut wird, ohne die Zeit mit jenen Lu.xusarbeiten zu vergeuden,
welche das Programm der mciften Mädchcnfchulen bis zum Uebermafse füllen.
Italien, das Land, welches durch das bunte, reizende Gemifch feiner Aus-
ftellungsobjecte, und namentlich durch feinen vielfach angefochtenen Verfuch,
die Kunft in bedenklicher Weife zu popularifiren, die MafTe der Befucher für
fich gewann, Italien hatte auch der Frauenarbeit einen bedeutenden Raum zuge-
wiefen, und dort rückhaltlos zur Anfchauung gebracht, was die Frauen des Lan-
des für ausftellungswerth erachteten.
Es war eine grofse Zahl weiblicher .Schulen vertreten, viele mit ausge-
zeichneten Arbeiten, viele mit Abfonderlichkeiten merkwürdiger Art, die gewöhn-
lich in das Gebiet der Buntftickerei gehörten, und die auffallendften Ge-
fchmacksverirrungen zeigten. In Wcifsftickereien hatten das Stabilimento delle
figlie di Gesü, das Educandato della Miseria, die Giunta municipale zu Mailand,
die Scuola superiore zu Modena, das Orfanotrofio di Sinigallia die prachtvollften
Arbeiten ausgeftellt, von welchen wohl hie und da die Zeichnung nicht ganz ge-
lungen, die Ausführung aber tadellos war. Von eben folcher Reinheit und
Schönheit zeigten fich in vielen Schulen mannigfache Nutzarbeiten, namentlich
Knüpfarbeiten, von denen das Educandato della Miseria ein gutes Sortiment
brachte, und Stopf- und Flickarbeiten, in welchen die Ausftellung der ifraeliti-
fchen ScHule zu Florenz vor allen e.xcellirte. Sehr traurig fah es dagegen
hier, wie fchon oben erwähnt wurde, mit den bunten Luxusarbeiten aus,
mit den Stickereien in Wolle und Seide, von denen einzelne Schulen Bilder,
Landfchaften in Stramin gcftickt und ähnliche Spielereien brachten, in welchen,
abgefehen von den verfehlten Motiven, in Wahl und Zufanmienftellung der Far-
ben hie und da unglückliche Eingebungen zu Tage traten.
Denfelben Eindruck, welcher den Gefammtcharakter der Ausftellung man-
cher Schulen, trotz der guten Nutzarbeiten, die fie brachten, als einen ungünfti-
gen erfcheinen liefs, weil die lautfprechendften Objecte, die in allen Farben
fchimmernden Arbeiten, nicht nur häfslich, fondern oft fogar lächerlich waren,
den gleichen Eindruck empfing der Befchauer wieder, wenn er fich von den
204
DIE FRAUENARBEIT.
Goldftickerei auf rülhem Sammet, von Giani iii Wien,
Gefchenk an das (achfifche Königspaar zur goldenen Hochzeit.
Schulen weg den Frauenarbeiten zuwandte, von denen cihe bedeutende Zjihl
hier vorhanden war. Neben den köftlichen Spitzen aller Art, den geklöppelten
und genäliten Kanten , den Merletti di Palestrina , den Venetianer Guipuren,
von denen ausgezeichnete, in Zeichnung und Technik gleich prachtvolle Objecte
vorlagen, neben fehr nachahmungswürdigen Knüpfarbeiten, neben mühfamen,
vortrefflichen Weifsftickcreien aller Art zeigte fich eine bunte, in allen Farben
des Regenbogens prangende, die Blicke- der Befucher herausfordernde Galerie
von geflickten Bildern, Landfchaftcn , Genrebildchen , Porträts , von Schlachten-
bildern, von Lithographie- nnd Photographie-Imitationen , alles mit Nadel und
Faden ausgeführt, bis auf eine grofse Zahl von Händen, Armen und Gefichtern,
welche gemalt und in die bunte, geflickte Garderobe, welche das eigentliche
Goldflickcei auf rothem Sammet, von Giani in Wien,
Gefchenk an das (achfifche Königspaar zur goldenen Hochzeil.
DIE FRAUENARBEIT.
205
Bild ausmachte und füllte, hineingcklcbt waren. Es machte einen wirklich
faft betäubenden Eindruck, wenn man diefes Gemifch von Chriftusköpfen , Ge-
lehrten, Monarchen, von Kindern und Heiligen da in allen Farben fchillern
fah, ohne Ziel und Zweck folcher Arbeit errathen 7.u können, in welcher felbft
die Schönheit und Tadellofigkeit der Technik durch deren Verwendung dem Be-
fchauer verleidet war.
Wahrhaft erquickend in diefem Uebermafs von Gefchmacksverirrungen zeigte
fich eine Arbeit in feiner Leinwand, eine Bordüre nach Art der durchbrochenen,
mittelft ausgezogener Stofffäden und kunflvoller Vernähungen erzeugten DefTms,
welche wir in den Ausflellungen der brafilianifchen und der indifchen Frauen
gefehen. Diefe von Clorinda Nencini verfertigte Arbeit war in prachtvoller
Zeichnung ausgeführt, tadellos fchön und rein in jeder Linie, von crnftcm, edlen
Charakter; fie ftand ganz würdig den Spitzen zur Seite, mit denen die Ausftel-
206 DIE FRAUENARBEIT.
lung prangte, und half die mannigfachen Spielarbeiten überfehen, die hie und
da ihren Platz gefunden hatten, die gefchnitzen Kirfchkerne , die Blumenflräufse
aus Mufcheln und ähnliche veraltete, halb vergeffene Dinge, die Ergebniffe nutz-
los verbrachter Mufsezeit.
Getrennt von dem Ausftellungsraume der Schul- und Frauenarbeiten, drü-
ben im Induftriepalafte felbft, waren da und dort noch einzelne weibliche Arbei-
ten zu finden, die fich von fehr verfchiedenem Werthe zeigten. Da waren Flach-
ftickereien von eminenter Technik, figürliche Darftellungen von Angela Span-
dari ausgeftellt; wenige Schritte weiter war eine klägliche Ilaararbeit zu fehen,
ein Landfchaftsbild , das durch mehrfaches Beftreichen des Papieres mit Gummi
oder einem ähnlichen Klebeftoff, und durch Beftreuen der angefeuchteten Stellen
mit feingefchnittenen Haarendchen zu Stande gebracht wird. Die Ausftellerin
des confufen, wirren Dinges, das fich in widerftrebendcr Häfslichkeit als Land-
fchaftsbild präfentirte, wies eine Medaille auf, welche fie auf der Weltausftellung
zu London für diefe Gefchmacksabnormität erworben hatte. Aehnlich in Erfin-
dung und ähnlich in Häfslichkeit zeigte fich eine Gefellfchaft von Vögeln aus
Schafwolle gemacht , kleine borftige Geftalten , die einen ganzen Schrank von
oben bis unten füllten, und durch ihre traurige Erfelieinung nur von der Mühe
und Plage erzählten, die fie gekoftet hatten. Glänzend fahen dagegen die Ar-
beiten des Albergo dei Poveri zu Genua, die Weifsftickereien von Paolina
Carnaghi, die geklöppelten Spitzen von Domenica Zennoro aus.
Italien hat klarer als manches andere Land gezeigt, welche Gebiete die
Frauenarbeit berühren darf und welche nicht; es hat die Arbeiten guter P>fin-.
düng und guter Technik neben die kindifchen Experimente von P'rauenhand ge-
ftellt, und hat dadurch erfichtlich gemacht, von welchem Reiz und welchem
Werth die einen, von welcher traurigen, von welcher lächerlichen Erfcheinung
die anderen find. Leider ift dies letztere den Frauen felbft noch lange nicht
klar, und die Ausrufe des Entzückens, mit welchen die Befucherinnen der italie-
nifchen Ausftellung die geftickten Modebilder für herrliche Gemälde erklärten,
machten faft einen ebenfo betrübenden Eindruck wie die Arbeiten felbft.
Aehnliche Verirrungen, wie wir fie in Italien gefunden, wies die Ausftellung
des deutfchen Reiches auf; nur war hier mit gröberen Mitteln, mit derbe-
rem Material, mit viel ungefchlachterer Technik gefündigt, und dadurch der
Effect ungleich grotesker als dort. Unter den Frauenarbeiten , welche Deutfch-
land gebracht hatte, waren wenige von Dilettantinnen ausgeftellt, fondern mcift
von Firmen, die in hohen Schränken eine bunt durcheinander gewürfelte, ftolze
Prachtausgabe moderner Gefchmacksverirrungen darboten. Da waren die dicken
Wollblumen in allen Farben und allen Gröfsen, die geftickten Bilder mit in Oel
gemalten Gliedmafsen und Gefichtern, welche mit Hintanfetzung aller wohlthä-
tigen lUufionen in die Stickerei hinein geheftet waren, da zeigten fich die figür-
lichen Darftellungen in Kreuzftichftickerei , die viereckigen Augenfterne und Na-
fen, die derben Farbenabftufungen und Schlagfchatten von Roth und Blau in
allen Gefichtern, und da prangte ein ganzer Garten von grellen, lärmenden Blu-
men in allen Farben, die durch die Pfätenfion abnormer Schönheit einen dop-
pelt bedauerlichen Eindruck machten. Was da fchon in der einzelnen Arbeit
DIE FRiiUENAl^BEIT.
207
durch Farbe und Zeichnung, durch Technik und Material gefündigt war, das
trat im Ganzen, in der ZufammenfteUung, durch das prunkhafte, meift gc-
fchniacklüfe Arrangement noch verdoppelt zu Tage. Diefe grellen Farbentöne,
welche da unvermittelt neben einander lagen, diefe Menge von gleichartigen,
gleich lärmenden Objecten machten durch ihre rückhaltlos marktfchreierifche Er-
fcheinung den Effect unfehlbaren Selbrtbewufstfeins. Solche decorativcn Frauen-
arbeiten, wie wir sie hier auf Kiffen, Ofenfchirmen und Teppichen zu fehen beka-
men, find abfolut unvcrwendbar, abfolut häfslich, abfolut verfehlt; ihre Technik
ifl irrthümlich, ihre Farbenzufammenflellung ift unmöglich, ihrer- Zeichnung man-
gelt die Wahrheit; ein einziges Stück, wie deren jeder Schrank zu Dutzenden
aufzuweifcn hatte, genügt, um ein wohl eingerichtetes Gemach zu entflellen, um
aus dem bcftangelegten Arrangement Ruhe und Behagen zu entfernen.
Auch unter den einzelnen Dilettantenarbeiten, die fich hier vorfanden, war
da und dort eine ähnliche Gefchmacksrichtung zu entdecken, wie wir fie eben
in den Schaukäften gefehen; auch da prangte zuweilen eine kühne Abfonderlich-
keit in Gold- und Glasperlen und dergleichen wohlfeil gruppirtem Materiale, ohne
Rückficht auf Ziel und Zweck der Arbeit. Aber in der Technik war hier viel
mehr Fleifs und Ernfl zu fehen, und einzelne Dinge, wie die ausgezeichnete
Flachflickerei von A. Lentvör, verdienten unbedingtes Lob, wenn nicht in
der Zeichnung unläugbare Mängel zu Tage getreten wären.
Reizend, wie überall, wo fich folche Arbeiten finden, zeigten fich irifche
Spitzen, nach alter Klofterarbcit angefertigt, die Imitation von Venetianer Gui-
pure in Batifl: genäht, einige ausgezeichnete Wcifsftickcreien und vorzügliche
Weifsnähereien aller Art.
Drüben in dem Pavillon, welcher die Ausftellung der Unterrichtsanftalten
des dcutfchen Reiches fafste, war auch eine nicht geringe Zahl von weiblichen
Schulen vertreten, welche die verfchicdenartigften Frauenarbeiten brachten. Es
waren da die Vereinsfchulen, Töchterfchulcn, Privatinftitute, Klofterfchulen, Wai-
fenhäufer, Blindeninftitute und die Seminare zur Heranbildung von Lehrerinnen
zu finden.
Unter den Vereinsfchulen brachte der Lette- Verein die Arbeitsproben
feiner Handels- und Gewerbefchulen, nebft den Handelsbüchern, Mafchinennähe-
reien, Kunftblumen, Holzfchnitzereien, Handarbeiten verfchiedener Art, durch
die er einen befriedigenden Einblick in das Programm feiner Lehranftalten gab.
Der badifche Frauenverein, welcher unter dem Protectorate der Grofs-
herzogin Luife (teht, exponirte nebft einer Anzahl ausgezeichnet fchöner Hand-
arbeiten, nebft Spitzen imd Stickereien, den Flachs, den Hanf und die Baum-
wolle in verfchiedenen Stadien der Bearbeitung, von der getrockneten Pflanze
bis zum feinen, wohlgefponnenen und gedrehten Faden, Muftcr der Fabrikation
von Porzellan- und Beinknöpfen und Glasperlen, und einige eminent fchöne
Luxusarbeiten, darunter eine Decke aus Segeltuch, die durch gute Zeichnung
und glückliche Erfindung ganz befonders bemerkenswerth erfchien.
Der Verein zur Förderung weiblicher Er werbsthätigkeit hatte nebft
den Hand- und Mafchinennähereien Mufterzeichnungen, Lithographien und Frei-
handzeichnungen, nach der Natur ausgeführt, gebracht.
208
DIE FRAUENARBEIT.
Kamin in weifser Glafur, von Ccrnhard Enidt in Wien.
Die Ccntralleitung des Wohlthätigkcitsvcreines in Stuttgart hatte
die Arbeiten verfchiedener Induftriefchulen und die des Blindeninftitutes derfelben
Stadt ausgeftcllt. Das Lehrprogramm der letztgenannten Anftalt ift bedeutend
befchränkter, nach den Arbeitsproben zu fchhefsen, als das der provinzial-
(ländifchenBlindenanftalt zu Hannover, welche fechzehnfädige Korbflech-
tereien, Hand- und Mafchinennäharbeiten, Strickereien, Perl-, Häkel- und Filetar-
beiten, Haartreffenproben und fehr nette und hiibfche Flechtarbeiten vorwies.
Aehnlich zeigte fich das Arbeitsfortiment der k. Blindenanflalt zu Dres-
den, welches, fowie die vorgenannten Inftitute, kleine Wunderwerke des Fleifses
und fubtiler Gefchicklichkeit aufzuweifen hatte.
Luftiger und bunter als dicfe Arbeiten, die wir nicht ohne den trüben Ge-
danken fehen können, dafs fie in ewiger Nacht gefchaffen worden, um das Auge
des Sehenden zu erfreuen, zeigten fich die Producte der verfchiedenen Arbeits-
fchulen, die bald mit Gefpinnftcn, Webereien und Näharbeiten in befcheidener
Weife das Refultat der Schulthätigkeit aufwiefen, bald ein vielartiges Gemenge
von Erfcheinungen zur Schau (teilten , das beffer von den Räumen der Schule
ferne bhebe. Vortheilhaft zeichnete fich hier die Arbeitsfchule zu Schwab.
Gmünd aus und die zu Reutlingen, von welcher letzteren das vortreffhche Lehr-
DIE FKAUlvXARHKIT.
209
^ r ▼ T T V /
Uodcnfliefen, von Villeroy & Boch in Melllach.
Programm durch cntfprechende Arbeiten erfichtlich gemacht war. Aus den IVi-
vatinflitutea war durchfchnittlich ein Conglomerat von Gegenftänden eingefandt,
welches klar zeigte, dafs da kein Syflem unverbrüchlich eingehalten wird; in
vielen derfelben war auf Nutzarbeiten vcrhältnifsmäfsig wenig Rückficht genom-
men, hie und da zeigte fich eine reizende Arbeit von guter Erfindung und ta-
dellofer Ausführung, daneben präfentirte fich eine Gefellfchaft von Abfcheulich-
keiten, von jenen bunten, geirttödtenden Straminarbeiten, von jenen traditionellen,
dicken Wollblumen, von den Rahmen, Schirmen, Confolen aus Waldfruchten
und von ähnlichen Dingen, mit welchen die einzelne Frau wohl nach eigenem
Belieben ihre Mufsezeit ausfüllen mag, für die fie nur fich felbft verantwortlich
ift, von Arbeiten, die aber in den Räumen der Schule, über Hunderte von Kin-
dern verhängt, eine Sünde an dem jungen, aufkeimenden Geifle find, der unter
folcher Befchäftigung ermatten und erlahmen mufs. '^
Angefichts diefer häfslichen Luxusarbeiten, welche da aus einzelnen Schu-
len, deren Zweck es wäre, nebft der manuellen Fertigkeit auch den Gefchmack
der kleinen Mädchen zu bilden, zur Ausftellung gelangten, mufsten wir der ein-
fachen Arbeiten der weiblichen llausinduflrie anderer Länder denken, jener Ar-
beiten, welche die Bauersfrau zum Schmucke ihrer Gewebe verwendet, un<l des
Reichtluinis an Schönheit und zweckmäfsiger Zier, der fich für die Schulen er-
werben liefse, wenn fie fich folche Vorbilder zu Nutze machen, und die Kinder
die einfache Technik folcher befcheidenen, köfllichen Luxusarbeit lehren, fie mit
dem unerfchöpfilchen Schatze der guten, in Taufenden von Muftern vorliegen-
<len Zeichnungen vertraut machen würden.
In der Halle, <lie zum Nordportale des Induflriepalaftes fuhrt, war noch eine
andere weibliche Unterrichtsanftalt mit dem reizenden Ergebniffe ihrer Tliatigkeit,
die königl. fächfifche Spitzenklöppel fchule ausgeftellt. In Schwarz und
K
210 DIE FRAUENARBEIT.
in Weifs hingen und lagen da in einem grofen Schranke die Tücher, Schleier und
Spitzen, manche tadellos fchöne Arbeiten von ganz jungen Mädchen, den 12 bis
16 Jahre zählenden Schülerinnen angefertigt. Die Anflalt befitzt derzeit 2000
Zöglinge, welche dort den Unterricht geniefsen und für ihre Arbeit entlohnt
werden. Die Jüngeren derfelben verdienen bei einer täglichen Arbeitszeit von
6 bis 7 Stunden, von welcher 3 bis 4 Stunden in der Woche für den Nähunter-
richt entfallen, 30 bis 70 Thaler im Jahre, während die älteren Schülerinnen bei
Fleifs und nöthiger Gefchicklichkeit circa 140 Thaler jährlich mit Spitzenklöp-
peln erwerben.
Dänemark hatte einen kleinen, ganz befcheidenen Raum in dem Riefen-
bau des Induftriepalaftes inne ; man mufste es fuchen, um es zu finden und fich
dort der mannigfachen, hervorragenden Produkte der induftriellen und kunftge-
werblichen Thätigkeit des Landes, der ausgezeichneten Arbeiten in Holz, Thon
und Metall zu freuen, mit welchen es auf der Ausftellung glänzte. Und in
einer halbverborgenen Ecke des dänifchen Ausftellungsraumes , nett geordnet,
zu einer befonderen Gruppe vereint, waren da die Frauenarbeiten des Landes,
die von Dilettantenhand gemacht, die der Schulen, und die der nationalen weib-
lichen Hausinduftrie.
Unter den Schulen, von denen nur wenige vertreten waren, zog insbefondere
das Blindeninftitut zu Kopenhagen die Aufmerkfamkeit auf fich. Es hatte
eine reiche Ausftellung der Arbeiten von weiblichen Zöglingen gebracht, unter
denen alle Arten von Strick-, Häkel-, Filet-, Nadel- und Knüpfarbeiten, Ma-
fchinennähereien , Stroh- und Tuchflechtereien vertreten waren , alles fauber und
gut, manches überrafchend fchön gemacht.
Neben den Schulen fchimmerten in Seide und in bunten Farben die Arbei-
ten der Dilettantinnen, die vorzüglichen Stickereien auf Tuch und Sammet, rei-
zende Blumengewinde, köftliche kleine Thierftudien , ganz wunderbare Erfindun-
gen , in Technik und Zeichnung tadellos , wie wir fie kaum fonft irgendwo in
der Ausftellung gefehen. Die dänifchen Frauen haben mit glücklicher Hand
den lohnenden Verfuch gewagt, naturaliftifche Motive mit Nadel und Faden dar-
zuftellen, einen Verfuch, den fo viele Frauen zum Scheine gemacht, und der
doch nur da zu rechtfertigen ift, wo er fo gelingt, wie diefs hier der Fall war.
Mit ausgezeichnetem Verfländnifs für Form und Farbe , mit dem richtigen Sinne
für die Schwächen und die Schönheiten der Natur, waren da kleine Epifoden,
wie fie fich draufsen im Frühlingsgrün, auf Bufch und Baum, und zwifchen
blühenden Zweigen und Ranken abfpielen, in winzige Bildchen gebracht, die
uns mit überrafchender Naturwahrheit entgegen fchauten. Es war nicht die
Seide, die unfer Auge feffelte, es glänzte nirgends der Faden durch, es war eine
regellofe, jedem Lichtfunken, jedem Schatten, jeder Biegung angepafste Technik,
die das Ganze zufammenfügte, das auf dem dunklen Sammet lag und ein lieb-
liches Bild voll frühlingsgrüner Blätter abgab, in welchem die Vögel vergnügt
niederhockten , die Blümchen glühten und prangten , fich läffig gegen einander
lehnten oder mit den prunkenden Köpfchen durch die Grashalme fchauten.
Neben diefen kleinen Studien, aus denen die reiche Lebensluft der glückli-
chen Erfindung uns lachend entgegen fah, war eine andere Frauenarbeit von
DIE FRAUENARBEIT.
211
liodenlliefeii von Villeroy & Hoch in Mctil.icli.
meifterhaftcr Technik ausgcftellt, eine fogcnanntc Kloftcrflickerci , von Mathilde
Safse ausgeführt. Es war diefs das Bild eines alten Vorflehhundcs, auf einem
Wandteppiche angebracht, und nach einer Studie von Otto Bache angefertigt.
In grofsen Zügen, keck und kühn, wie die eigentliche Frauenarbeit es fonfl; nicht
wagt, war da die Zeichnung, die Farbe gehandhabt; die Imitation der Malerei
fiel fcheinbar weg, da fich das ganze Ding fo plaflifch, fo zaufig gab, als wäre
es der Natur entnommen, und als fchaute der finftere, ernfte Gefelle mit den
halbgefchlüffenen Augen und den fchlappen "Ohren uns leibhaftig aus dem
Schranke entgegen. Die eigenthümliche Technik, welche diefer Arbeit zu Grunde
Bodenfliefen von Villeroy & Hoch in Mettlach.
liegt, pafst fich mit Vorzug Gegenfländcn von grofsen Dimenfionen an; andere
Vcrfuche , welche von derfelben Hand vorlagen und kleinere Objecte darflellten,
erfchienen gewöhnlich und unbedeutend.
Neben dem zottigen Burfchen, den wir eben befchrieben haben, neben
den grünen Buchenzweigen in dem anderen Schranke, neben den Kolibris,
den Goldammern, den Schmetterlingen mit den glänzenden Schwingen, neben
den Eriken und fonftigcm Blumenvolk aus Wald und Haide nahmen fich andere,
nicht ganz glückliche Erfcheinungen doppelt unglücklich aus. Die gedickten
Porträts in Florfeide, von denen hier zwei zu finden waren, das Abendmahl da
lioiicnflicicM v«Mi MitUuii^ m Suikt- u[mhi I'hh:
87*
212
DIE FRAUENARBEIT.
Luftre, Stil Louis XIII., von Suffe freres in Paris.
Vinci's auf Batift mit fchwarzcr Seide genäht, Blumen aus Fifchgräthen und
aus Tuchabfällcn, und ähnliche, mcifl ganz ernfl gemeinte Spielereien hatten hier
ebenfalls, wenn auch in fehr bcfcheidenem Mafse, ihr Plätzchen gefunden uml
erzählten uns die alte Gefchichte von zwecklos vergeudeter Mufsezeit.
Ganz allerliebft nahm fich mitten in der bunt gemifchten Gefellfchaft ein Blu-
menflraufs von Federn gemacht aus, deffen Auffchrift erzählte, dafs die Ausftel-
lerin, Maria Prior, dicfe Arbeit ohne Unterricht unternommen, ein Jahr geübt
DIE FRAUENARBEIT.
21»
Camiclabur, ciilwurkii vmi 11. Cl.ius, ausgefülirl von 1). 1 lulit iii>.K ii .^uhne.
214 DIE FRAUENARBEIT.
habe, und dafs fie feit der im Jahre 1872 ftattgchabten nordifchen Expofition,
aus dein Erträgnifs diefer Arbeit reichen Gewinn ziehe. Die Blumen waren fehr
hübfch und gemahnten, wenn auch in fchüchternerer Erfcheinung, an die Bhithen-
zwcigc, welche wir in fo glänzender Art in der brafilianifchcn Au.sflellung gefe-
hen. Es fcheint die Fabrikation der Federblumen, welche wir auf der Ausftel-
lung über alle Länder verbreitet fanden, überhaupt ein reiches Feld der Frauen-
thätigkeit zu bieten , und was fich da mit glücklichem Gefchmacke , mit der
undefinirbaren Gefchicklichkcit der Frauenhand leiften läfst, haben die Damen
Nattc bewiefen.
In befonderen Schränken, getrennt von den modernen Luxusarbeiten, waren
die Arbeiten der weiblichen Hausinduftric des Landes zu fehen, Gefpinnfte
und Gewebe, das glänzende Garn und das fchwere, derbe Linnen, bunte Schaf-
wollftoffe, geklöppelte Spitzen, feine Näharbeiten ganz merkwürdiger Technik,
Krägelchen, Hemden, auf denen eine Laft von Weifsftickerei lag, manche von
grotesker Erfindung, manche leicht, graziös in Zeichnung und Ausführung, wie
aus Spinnenfäden gewebt. Es waren da die Tücher aus Leinewand zum täglichen
Gebrauch, Hand- und Tifchtücher, an deren Rändern die Fäden, ftatt des Sau-
mes, zu breiten, fchweren Bordüren verknüpft waren, die in langen Franfen ende-
ten. Auf Schürzen und Hemden prangte die durchbrochene Arbeit aus vernähten
und ausgezogenen Fäden, die hier prachtvolle Deffins aufwies, ornamentale Zeich-
nungen vortrefflicher Art, ernfl und ftilgerecht und doch zu graziöfen Verfchlin-
gungen angewendet.
Neben diefen Näharbeiten zeichneten fich die Hedebosynings, die Sticke-
reien der Haidebäuerinnen, der Frauen, die in dem Haideland bei Roe.skilde am
Isefiord wohnen , auf das Glänzendfte aus. Einige diefer Arbeiten mit den fei-
nen Gitterbordüren waren auch drüben unter den Arbeiten der Dilettantinnen
zu finden; fie find eben um ihrer Schönheit willen in die Stadt gewandert und
werden dort von der Hand der vornehmen Frauen nachgeahmt und mit Ge-
fchick geübt. Es ift das eine Erfcheinung, welche auch in anderen nordifchen
Ländern zu Tage tritt, dafs dort die Bewohnerinnen der Städte fich die Erfin-
dungen der nationalen weiblichen Hausinduftric, ihre Technik und ihre Zeich-
nungen mit vielem Gefchick zu Nutze machen, dafs fie die reich gebotenen
Motive zu neuem Zwecke verwenden, und mit glänzendem Arbeitsmateriale aus-
gerüftet, den befcheidenen Arbeiten vom Dorfe einen neuen, bisher ungekannten
Reiz verleihen. Wir werden auf diefe Erfcheinung in Schweden und Rufsland
zurückkommen, und mögen dabei der Arbeiten unferer füdllavifchen Frauen
gedenken, der reichen Schönheit, die fich dort offenbart, und wieviel fich davon in
die dürftigen Erfindungen modernen Geiftes einfügen und verweben liefse, um
ihnen eine andere, glücklichere Geflalt zu geben.
Dänemark hatte nebft den Hausinduftriearbciten, dem geflickten Leinenzeug,
den Fraucnklcidern , den brocatencn Mützchen , den breiten Halskraufen , , den
Schürzen, Tüchern, den fchweren Hemden mit der grotesken Zeichnung in Tam-
bourftich darauf, auch eine Reihe von kleinen Coftümfiguren gebracht, von
Frauen und Männern in allen Nuancen der Landestracht, im Sonntagsputze und
im Werktagskleide, die Frau auf dem Wege zum Markte, als Braut und an der Ar-
DIE FRAUENARBEIT.
2i:
beit, mit Spindel und Spule und Nadel und anderem Arbeitsgeräthe. Es ifl
eine bunte Gefellfchaft ; auf jedem Fleckchen l">de in dem kleinen Lande
haben die Menfchen eine andere Tracht, von jeder Infel zur andern kommen
Leute in anderen Hüten, in anderen Röcken und Schuhen, und es giebt ein
luftiges IJild, fich alle die Geftalten in ein und demfclben Lande, zur Marktzeit,
vielleicht in derfelben Stadt, durcheinander wimmelnd zu denken.
In der Ausftellung Schwedens war nicht nur die eigentliche Frauenarbeit,
fondern auch die Arbeit von Frauenhand überhaupt reichlich, und nicht feiten
in ganz ausgezeichneter Weife vertreten. Draufsen in dem einftöckigen Schul-
haufe, im Parke, lagen die Arbeiten der Schülerinnen der verfchiedenften Un-
terrichtsanftalten vor; in dem kleinen Jagdpavillon mit dem fpitzen Thürmchen,
den traulichen Gemächern hatten die Frauenarbeiten des Landes , die von der
Hand der Dilettantinnen in allen Gebieten weiblicher Induftriearbeiten, die kunft-
gewerblichcn und künftlerifchen Verfuche ihren Platz gefunden, und durch die
zahlreichen Produkte weiblicher Erfindungsgabe, durch die luftigen und die ern-
ften I'^xperimentc, die da in mannigfacher Form und mannigfachem Stoffe zu
Tage traten, fich zu einem bunten, feffelnden Hilde geftaltet.
Für's Erfte waren es die Schulen, welche hier, wie dies wohl nur in wenig
anderen Ländern der Fall war, durch gute, tadellofe Arbeit glänzten. Es lag
ein eigenthümlicher Charakter ernfter Ruhe und Ordnung über den Uingen,
welche aus den vcrfchicdenartigften Schulen, aus Dorf und Stadt zur Ausftel-
lung gelangt waren. Faft nirgends war eine kindifche Spielarbeit zu finden,
überall trat Syftem, Zweckmäfsigkeit, Fleifs und Klarheit in der Anordnung und
in der Ausführung zu Tage, und machten den Weg, den fich die Schule vorge-
fetzt, aus den Arbeiten erfichtlich. In den Landfchulen ift der Spinnrocken und
der Webftuhl noch daheim; reinliche Gefpinnfte, weifse und bunte Kattunge-
webe, Bänder und Litzen mit netten Deffins lagen aus der Volksfchule vor,
welche nebft diefen echt nationalen Arbeiten ein reiches Sortiment von Strick-
und Näharbeiten und von allerliebflen Rohrgeflechten brachte.
Im Schulhaufe hatten 35 Schulen ausgeftellt, darunter, nebft der vorgenann-
ten Volksfchule, eine grofsc Zahl von Arbeitsfchulen, Kleinkinderafylen, Elemen-
tarfchulen. Privat inftituten , nebft mehreren Gewerbefchulen , darunter eine für
Bauernkinder, eine Landwirthfchaftsfchule, eine weibliche Volksfchule, Afyle für
Blinde, für Taubftumme und Blödfinnige.
Unter den Arbeiten der Privatfchulen war, ebenfo wie in den öffentlichen
Unterrichtsanftalten, nichts von den Luxusgegenftänden , von den Modeerfindun-
gen zu fehen, mit welchen jene Anftalten in den meiften anderen Ländern, zum
Leidwefen des Befchauers, prangten. Nett, reinlich präfentirte fich eine Reihe
von Arbeiten, wie fie, mit anmuthigem Schmucke verfehen, überall am Platze
find; keine prunkende, verletzende Farbe forderte den Blick heraus, keine
Formverirrung ftörte den guten P^indruck, den man empfing, und manche aus-
gezeichnet fchöne Zeichnung verlieh den einfachen, vortrefflichen Arbeiten einen
hervorragenden Werth. Einige der Schulen waren aus Raummangel aus dem
Schulhaufe nach dem Jagdpavillon hinüber gewandert , wo fie in einer überra-
fchend bunten Gefellfchaft zu finden waren. Auch hier, unter den Arbeiten der
216
DIE FRAUENARBEIT.
Dilettantinnen, waren reichlich die mannigfachften
Gefpinnfle von Frauenhand vertreten; Flachs und
Wolle glänzten in weichen Fäden und erzählten
von dem fernen, nordifchen Lande, von den lan-
gen Winterabenden, von Frort, Eis und Schnee
und von der flillen, durchwärmten Stube, in der
das Spinnrad noch fchwirrt und fein eintöniges,
bei uns fchon halb vergeffenes Liedchen fummt.
Neben den WoU- und Lcinenflrähnen waren , in
fafl natijrlicher Folge, die verfchiedenften Gewebe,
vom bunten, kattunenen Tüchlein bis zum köft-
lichen, , weichen Teppich zu finden. Unter den
Matten, Decken und Teppichen zeichnete fich ein
folcher, von Carin Sparrman ausgeftellt, durch
feine mittelalterliche vortreffliche Zeichnung und
durch die Schönheit des Gewebes aus. Viele von
den Webereien, von den Näharbeiten und Sticke-
reien, welche hier vorlagen, waren in Zeichnung
und Technik den 1 lausinduftriearbeitender fchwedi-
fchen Bauernfrauen entlehnt. Fremdartige, runen-
gleiche Linien und Schnörkel, wie wir fie weiter
drüben auf den Stoffen und Decken von Bäue-
rinnen gewebt gefehen, prangten hier in Sammet
und Seide, in reichen, wolligen Teppichen, auf
Kiffen und Gardinen. Es waren da die modernen
Arbeitsrtofife verwendet, mit denen unfere Hände
vertraut find, aber in ganz anderer Weife, fo ein-
fach, fo prunklos und dabei fo fchön, fo richtig
gefügt, dafs ihnen alles Flitterhafte, alle Anwart-
fchaft auf Vergänglichkeit zu fehlen fchien. Mögen
diefe l'"arben ausbleichen, mögen die Seide und
der Sammet ihren Glanz und Schimmer verlieren,
die Linien, die fich da auf dem Untergrunde weich
oder kühn verbinden, fie bleiben zurück, und wer-
den von der Schönheit der Arbeit erzählen, fo
lange ein l-'aden zum anderen hält.
Neben diefen Geweben und Stickereien in bunter Wolle und Seide zeigte
fich eine andere Frauenarbeit, die wir fchon in manchem anderen Lande gefe-
hen, die aber in ihrer eigentlichen Schönheit im Norden Europa's, und nament-
lich in Schweden zu Haufe ift. Es ift das die Arbeit in weifser Leinewand , in
welcher durch das Ausziehen von Fäden und durch das Vernähen derfelben
die verfchietlenartigfben Deffins zu Stande gebracht werden. Die Schwedinnen
nennen diefe Naht, welche in den Hausinduflriearbeiten des Landes eine emi-
nente Rolle fpielt, den Siurrjaii»i, zudeutfch Schnürfaum, und haben die Tech-
nik und die Verwendung der Arbeit, ebenfo wie dies in Dänemark gefchehen,
Lam[ie, aus dem egyptifchen Zimmer
von A. Fix in Wien.
DIE FRAUENARBEIT.
217
Teppich von Schütz & Jucl in Würzen.
um ihres abfonderlichen Reizes willen auf die Gegenftände moderner Induftrie
übertragen, wo fie fich in ihrer ganzen edlen Schönheit zeigt.
Weniger glücklich als diefe Arbeiten, welche fich als charakteriftifche Er-
fcheinungen auf der Ausftellung Schwedens fanden, erwiefen fich niannigfaciie
andere Frauenarbeiten, welche wir in gleiclicr Erfindung, wenn auch nicht im-
mer in gleicher Ausführung, in fo vielen anderen Lantlern gefehen. DieSchmuck-
u
218
DIE FRAUENARBEIT.
gegenftände aus Waldfrüchten und aus Fifclifchuppen, die Lampenteller aus
Federblumen, Arbeitstafchen aus Tannenzapfen, Garnituren, Rahmen, Lampen-
teller aus gleichem oder ähnlichem Material, einige Haararbeiten zu Brechen und
Medaillons verwendet, die waren auch hier zu finden, aber fie wurden reichlich
gedeckt und aufgewogen durch die Kiffen von blendendem Linnen, auf denen
der Schnürfaum prangte und durch die pobelingewebe, welche, von der Hand
der Frauen gefchaffen, dem Ausftellungsraume manche prachtvolle Decoration
verliehen. "■
Neben den Frauenarbeiten aus der Stadt waren die der Bäuerinnen zu fehen.
Kleider mit dem volksthümlichen Gepräge , die Häubchen von verfchiedener
Form, kleine, nette Kopftücher, die fich wie Mützchen über die Stirne flülpen,
Schürzen in Streifen gewebt, von dichtem teppichartigem Stoffe, in hellen freund-
lichen Farben ,' fchmale , bunte Bänder, von denen eine Menge vorne an der
Schürze herabhängend getragen wird. Die Frauen von Dalarne hatten köftliche
Spitzen eingefandt, manche von ganz merkwürdiger Schönheit, ebenfo Sticke-
reien, Schnürfaumarbeiten, Handfchuhe aus Leder und aus Tuch, die an der
Oberfeite in bunter Stickarbeit prangten, Halstücher, Gürtel u. f. w. Man konnte
fich ein vollkommenes Bild der weiblichen Trachten des Landes zufammenftel-
len, wenn man die vielen buntfarbigen Dinge in's Auge fafste, die da in den
mannigfachflen Arten von Technik, Formen und Material erfchienen. Zwifchen
den Kleidern, den Hüten, Röcken, Schürzen, waren noch viele Dinge zum
Schmuck des Haufes, zum Verbrauch, zur Deckung der Bedürfniffe des tägli-
chen Lebens ausgeftellt; Gefpinnfle, wie wir fie in der Schule und unter den
Arbeiten der Städterinnen gefunden, Gewebe aus Zwirn, aus Wolle, aus gezupf-
ten Lappen; damaftenes Tifchzeug, gewebte Decken, darunter die fchönen,
fchweren Snärgewebe, die Teppiche und Vorhänge, mit welchen die fchwedifche
Bauersfrau bei feftlichen Gelegenheiten Tifche und Bänke bekleidet und die
das Fremdcnftübchen fchmücken, das in jedem Bauernhaufe des müden Wan-
derers harrt und das Befle birgt, was die kunfifertige Hand der Hausfrau zu
fchaffen vermag. Unter diefen Snargeweben waren viele nach uralten Muftern
angefertigt, mit prachtvollen, ftilgerechten Zeichnungen, und von weicher, köft-
licher Farbenmifchung. Daneben waren die Wandbekleidung, die Drättaduk, die
gewebten Bänkadrättar , die Bankbekleidungen in blau und weifs zu fehen,
während da und dort auf einem koftbaren Teppich , auf einem gewebten und
geflickten Tuch Scenen aus der Gefchichte des Tages oder der .Vergangen-
heit erfchienen, felbftgefchaffene Gemälile, mit welchen die Frau die dürf-
tigen, hölzernen Wände ihres einfamen Haufes fchmückt. Tiefe, ftille Ein-
famkeit fah dem Befchauer aus allen diefen Dingen entgegen , aus den Coflüm-
flücken, von denen jedes durch die Hand der Frau gegangen, und die den ganzen
Kleidungsbedarf reichlich deckten, aus den Schmuckgegenftänden , ilen Dingen
zum täglichen Gebrauch, den Kiffen, den Handtüchern, den Bettlaken mit der
breiten, mühfeligen Schnürfaumbordüre, den reizenden Strohgeflechten, dem ge-
knüpften Zügel- und Zaumzeug; Jahre der Mühe, der einfamen Arbeit liegen
über diefen Dingen.
J5eweglicher, wenn auch oft nicht weniger ernft, zeigte fich dem Befchauer
DIE FRAUENARUEIT.
2IU
Kanne, in türkilcliem Stil, von ParviUee in Paris.
in einem anderen Geniaciie des kleinen Jagdpavillons eine Sammlung vun Ver-
fuchen auf gewerblichem, künftlerifchem und wiffenfchaftlichem Gebiete, welche
die l'Vauen Schwedens zur Ausftellung gefandt. Da waren Bücher, in Frau
Luife Flodins' Buchdruckerei zu Stockholm vun Frauen gefetzt und gedruckt,
da waren künflliche Zähne von der Zahntechnikerin Frau Gällftedt ausgeftellt,
Kinrichtungsftiicke mit Perlmutter eingelegt, von Frau Lundqvist angefer-
tigt, technifche Erfindungen verfchiedener Art von Frauen gemacht, ferner Sta-
tuetten, Büftcn und Basreliefs, von weiblichen Bildhauern gemeifselt, Meduillen
von Frau Lea Ahlborn, Graveurin an der königlichen Münze zu Stockholm
gravirt, y\quarell- und Oelgemälde, Bilder fpitzbergifcher Blumen und fchwcdi-
fcher Gewächfe, die letzteren von Fräulein Sjöberg für die königliche Akade-
mie der Wiffenfchaften in Stockholm gemalt, Lithographien , xylographifche Ar-
beiten, Kartenzeichnungen, darunter die prämiirte Karte der l^fenbahnbrücke zu
Upfala, von Fräulein Hedda Karlholm gezeichnet, Holzfchnitzereien, einige
ij«
220
DIE FRAUENARBEIT.
Trinkhorn aus Bergkryflall, Gold- und Relief-Eraail,
von Ralzersdorfer in Wien.
reizende Dinge in altnurdifchcni Stil, Photographien, Zeichnungen, Compofitio-
nen, kurz von fafl jedem Gebiete, in dem fich der freie, fchafifcndc Menfchen-
geift bis heute verfuchte , war ' da etwas zu finden. Es gab einzelne Dinge in
der bunt gemifchten Gefellfchaft, bei denen der wahre, fchöpferifche Götterfunke
bei ihrem Entftehen fchon erlofchen war; aus der Durchfchnittzahl der Arbeiten
fah ernftes Streben dem forfchenden Auge entgegen, und der Gefammteindruck,
den der Befucher empfing, war der, dafs hier die Frauen des ganzen Landes
zufammengeflanden haben, um den Fremden ein Bild zu geben von dem, was
fie denken, was fie werden und fchaffen wollen durch ihre eigene, wenn auch
vielleicht theilweife noch nicht ganz gefchulte Kraft.
Norwegen hatte von Frauenarbeit nur die Dinge zur Ausflellung gebracht,
welche auf einigen weiblichen Coftümfiguren exponirt waren; Näharbeiten, den
Schnürfaum auf Tüchern und Hemdbefätzen, die hübfchen, buntfarbigen Schürzen,
mit den feinen Lifieren, nette Häubchen und abenteuerliche Brautkronen aus
Blumenftäbchen, mit klingelnden Münzen behangen, gewebte Bänder und Gürtel.
Es waren, wie natürlich, diefelben Arbeiten, die wir in Schweden gefehen, mit
demfelben foliden Gepräge, mit den traditionellen Zeichnungen in jedem bun-
ten Streifen, und mancher ganz unfcheinbaren Zier, die aber dem Kennerauge
als ein kleines Prachtwerk nationaler Technik crfchien.
DIE FRAUENARBEIT.
221
Gefchnitzter Holzrahmen, von KruUini in Kloreiu.
Oefterreich, welches, wie Eingangs erwähnt worden, der Krauenarbeit
einen bcfonderen Raum erbaute, hatte die Arbeiten der weiblichen Schulen, der
Dilettantinnen und der nationalen weiblichen Hausinduflrie fo ftreng gefondert,
wie kein anderes Land.
Die Volks- und Bürgerfchulen waren, als die element.irften Untcrrichtsanllal-
ten des Landes, an den Eingang des Ausftellungsraumes gerückt, dann folgten
222
DIE FRAUENARBEIT.
die ftädtifchen Töchterfchulen, dann die Lehrerinnen-Bildungsanftalten, die Wai-
fenhäufer, die Klofterfchulen , die Vereinsfchulen, dann die Privatinftitute und
endlich die weiblichen Strafanftalten. An die Schulen reihten fich die Arbeiten
von Dilettantinnen , und auf diefe folgte eine kleine Sammlung der nationalen
weiblichen Arbeiten des Landes, die durch das mannigfach geftaltete Material,
durch Form, Farbe und Schmuck ein abfonderlichcs, feffelndcs Bild abgaben.
Wir wollen, der Aufftellung folgend, mit den Schulen beginnen und von die-
fen berichten , von der Volksfchule , die aus den hohen Eichenfehränken mit
einer reichen Zahl von Strick-, Näh- und Häkelarbeiten herauslugte, von Nutz-
arbeiten, wie fie diefe Schule lehren foU, um ihren Zweck zu erfüllen. Hier
und da fah aus der Menge von weifsen Geweben, von Mützen und Jäckchen,
von Strümpfen und Hemdchen eine befonders gute, ganz ausgezeichnet zweck-
mäfsige Arbeit hervor, worunter namentlich die Stopf- und Flickarbeiten zu nen-
nen find, welche die Volksfchule zu Roveredo brachte. Die Schulen der gröfse-
ren Städte trugen fo ziemlich daffelbe Gepräge; Kinderarbeit im wahrften Sinne
des Wortes, hier und da ein kleiner Verfuch, irgend eine Luxusarbeit einzu-
fchmuggeln; ein F"rivolitätenkrägelchen , eine bunte Stickerei oder dergleichen.
Mit befonders lobenswerthen Arbeiten waren die Schulen zu Freudenthal in
Sehlefien und zu Roveredo vertreten. Von der Schule im Dorfe, im Gebirge
tief drinnen im Lande bekamen wir hier wenig zu fehen, fo fehr es uns ge-
freut hätte, ihre Arbeiten mit denen ähnlicher Schulen Oefterreichs und anderer
Länder zu vergleichen. Aus Tirol hatte nur eine Schule eingefandt, die ein ge-
häkeltes Mufterband und zwei Strohhüte brachte.
Einen Schritt weiter finden wir die Schulen, die weit höhere Aufgaben zu
erfüllen haben, als die, in welchen das ganz winzige Kindervolk aus- und einpil-
gert. Es ift das auch ein ganz anderes, viel bunteres Bild, das fich uns zeigt,
manche fehr gute, manche tadelnswerthe Arbeit, wenig, dem Originalität oder
reizende Erfindung zuzufprechen wäre. Eine grofse Zahl diefer Schulen hat einen
eigenthümlich befchränkten Weg auf dem Gebiete der weiblichen Induftriearbei-
ten eingefchlagen. Die Dinge find wie nach einer beftimmtcn, nicht immer ge-
glückten Schablone angefertigt, und wo von diefer abgewichen wird, ficht ein
folchcr Verfuch meift mehr einem Extemporiren als einem ruhigen, überlegten
Schritte oder einer guten Erfindung gleich. Am traurigften aber macht fich die
Schablone in den bunten Arbeiten, in den Geweben mit W^oUe und Seide, in
den philiftcrhaften Stickereien, auf dem geduldigen Stramine geltend. Je fühl-
barer diefes Erbübel der Schularbeiten da und dort zu Tage trat, um fo glück-
licher zeichneten fich die Unterrichtsanftalten aus, welche Gutes, Neues in Form
und Farbe brachten, welche durch zweckmäfsige Arbeiten, durch richtige An-
ordnung einen gewinnenden Eindruck machten. Zu diefen war hier das Wai-
fenhaus zu Görz mit guten Kunftftopfereien und reizenden, Knüpfarbeiten zu
zählen, ferner die Schule zu St. Urfula in Wien, welche neben eminenten Weifs-
ftickereien ein ausgezeichnet fchönes Kiffen brachte, das nach einem, dem öfter-
reichifchen Mufeum entnommenen Mufter angefertigt war, ferner die Privatin-
ftitute Goldhann und Frank, die Schule der englifchen Damen zu
Roveredo, welche vortreffliche Nutzarbeiten brachte, die Schule zu St. Ur-
DIE FRAUENARBEIT. 213
fula in Görz, welche ausgezeichnete Handknüpfarbeiten und eine fchöne Mu-
üerlsarte von genullten Spitzen ausftellle.
Unter den Vercinsfchulen waren fiebcn Gruppen zu finden. Die Schulen
des l'rauenwohlthätigkeitsvereines, die des Frauenvereines für Arbeitsfchulen,
des ifraelitifchen Therefien-Kreuzer-Vereines und des Frauen-Krwerb-Vereines in
Wien ; aus den Provinzen die des fleicrifchen Gewerbe-Vereines in Graz , des
l'Vaucnvereines in Innsbruck und des Frauen-Krwerb-Vereines in Prag. Die
meiflen diefer Vereine hatten die Ausftellung nur mit weiblichen Handarbeiten
befchickt, durchfchnittlich mit guten, tadcllofen Näharbeiten, unter welchen ganz
befonders die Lingerien hervorzuheben find, welche die 17 Schulen des P'rauen-
vereines für Arbeitsfchulen ausftellten, Unterrichtsanftalten, in welchen die klei-
nen Mädchen für ihre Arbeit entlohnt, und durch fehr zweckmäfsige und humane
lunrichtungen zu Sparfamkeit und Fleifs angeleitet werden.
Der Wiener Frauen - Erwerb-Verein hatte neben feinen Nähftuben
und feiner höheren Arbeitsfchule , welche aufser ganz vorzüglichen Mafchinen-
und Handnähereien , eine fehr fchöne veneziancr Spitze brachte, die Arbeiten
feiner gewerblichen Zeichenfchule, feiner Ilandelsfchule, feiner franzöfifchen und
feiner englifchen Sprachfchule und feiner telegraphifchen Lchrcurfe ausgeftellt.
In ähnlicher Weife hatte der Prager Frauen-Erwerb-Verein die Ausftel-
lung befchickt; auch hier waren gute, gefchmackvollc Lingerien vertreten, neben
den Ausarbeitungen der Handels- und Telegraphenfchule des Vereines.
Von den Lehrerinnen-Bildungsanftalten hatten fich zehn, theils durch Ein-
fendung von einzelnen Arbeiten , theils durch Expofition des Lehrganges an der
Ausftellung betheiligt. In den Arbeiten vieler diefer Inftitute machte fich in
auffallender Weife die Schablone geltend, deren ich früher Erwähnung that. Ob
das Jäckchen aus Prag , aus Brunn oder aus Innsbruck kam , ob das Häubchen
da oder dort fein abgebrauchtes lofes Mafchenmufter erhielt, ob das fteif ge-
ftärkte Mufterband, das locker gefügte Krägelchen von dicfem oder jenem Hafen
auslief, es war das gleich, eines fall dem anderen in Monotonie, in nichtsfagen-
der Zeichnung, in oft mifsglückter, herkömmlich irriger Form ähnlich. ICbenfo
erfchienen viele reizlofe oder verfehlte Arbeiten in farbiger Wolle, gehäkelt, ge-
ftrickt oder auf Stramin geftickt; namentlich unter diefen letzteren waren alle die
kümmerlichen, in Form und Farbe entftellten Produkte weiblicher Erfindung
vorhanden, die wir in den anderen Schulen entdeckt und dort gerügt haben.
Es ift dies eine bedauerliche l'^rfcheinung, gegen die hier in den Anftalten, in
welchen die Lehrerinnen gebildet werden, unter deren Leitung einft eine unbe-
rechenbare Zahl von Mädchen ihren ganzen Schatz von Gefchmack und Ar-
beitsroutine erwerben wird, mit doppeltem lufer anzukämpfen ift. lünige der
Inftitute machten bezüglich der oben erwähnten Fehler höchft lobenswerthe Aus-
nahmen ; unter diefen find befonders die Lehrerinnenbildungsanftalt von
Wien, die einen ausgezeichnet gut gearbeiteten Lehrgang ausftellte, und die von
Graz zu nennen.
Die Ausftellung der weiblichen Strafanftalten üefterreichs füllte einen be-
fonderen Schrank; Neudorf, Lankowitz, Wall. Meferitfch, Repy und Lemberg
hatten eingefandt. June Gruppe von verfchiedenartigen Arbeiten war da zu
224
DIE FRAUENARBEIT.
l'eiielope. Von L. Droffis in Athen.
fehcn ; die Gefpinnfte und Gewebe , wie wir fie in den Volksfchulen dei nordi-
fchen Länder gefunden, Klöppelarbeiten, Strickereien, Häkel-, Filet-, Guipure-,
Pofamentierarbeiten, prachtvolle Weifsftickereien und Näharbeiten, Handfchuhe,
Blumen, Gold- und Silberftickereien. Die meiften diefer Anftalten betrachten ihre
Sträflinge als Zöglinge , die fie für ein neu zu beginnendes Leben vorzufchulen,
gegen deffen W^echfelfälle fie fie zu fchiitzen haben, und denen fie einen bis da-
hin ungekannten Schatz von Kenntnifl'cn mitgeben, um fie bei ihrer Freilaffung
erwerbsfähig und dadurch felbftändig zu wiflen. Die meiften Sträflinge werden
daher fchon während ihrer Gefangenfchaft nicht nur unterrichtet, fondern für
ihre Arbeit entlohnt, fie werden mit der Ausführung von Beftellungen betraut.
DIE FRAUENARBEIT.
225
Theil <ler IJecoiaiion iiiicr lifchplalto in llul/.niofaik, von Kami in Sieiia.
welche der Anflalt von aufsen her zukommen, und fie werden dadurch mit den
Anforderungen des Marktes und der Kunden bekannt gemacht, fo dafs fie, wenn
fic einft die Arbeit auf eigene Rechnung betreiben , nicht mit den Schwierigkei-
ten des Neuhngs zu kämpfen haijen. Die Arbeiten der verfciiiedenen Anllalten
waren durchgehends vorzüglich fchön und gut ausgeführt, und namentlich die
Nettigkeit und Correctheit, welche überall zu Tage traten, machten einen aufser-
ordentlich günfligen Eindruck.
Unter den Arbeiten von Dilettantinnen war da eine MalTe der vcrfchieden-
artigflen Producte weiblichen l'^leifses und weiblicher lirfindung, wie wir fic drüben
in dem fchwedifchen Jagdpavillon gefchen. Nur noch reicher, noch vollzähliger
war hier jeder einzelne Arbeitszvveig vertreten, und mancher trat in folcher Menge
von Objecten auf, dafs an deifer l'.rfcheinung deutlich die Gefchmacksrichtung
der Mode und der l'Vauen zu erkennen war. Naharbeiten verfchiedener Art,
köRliche Weifsflickereien, Strick- und Häkelarbeiten, IJunt- Kunft- und Gold-
Aickereien bildeten die hervorragenden Gruppen guter Frauenarbeit, die hier in
oft malerifcher Drapirung ausgestellt waren. Unter den Kunftflickcreien prangten
Mefsgewiinder, Altartucher, reizende Zimmerdecorationen, unter welchen letzteren
namentlich die Arbeiten von Severine v. Czaykowska und ein Ofenfchirm, von
»
226 DIE FRAUENARBEIT.
Gräfin Zichy-Metternich ausgeführt, zu nennen find. Die erftgenannten Arbei-
ten beftanden in der kunfl- und gefchmackvollen Aufbefferung alter, fchwerer
Seidengewebe, die durch gute Stickerei und Umnähung zu reizenden Möbelfloffen
adjuflirt waren; der Ofenfchirm war im japanefifchen Style mit Schwung und Vir-
tuofität ausgeführt, und in der leichten graziöfen Zeichnung geftaltet, die mit
wenigen kühnen Zügen eine ganze kleine Wundermähr erzählt. Daneben waren
die prachtvollen Goldftickereien der Kunflftickereifchule des Herrn Uffen heimer
zu Innsbruck, ein Shawl von Baronin Paula Bülow gezeichnet und geflickt, einige
Tifchteppichc in tadellofer Ausführung, eine Mappe von Clementine Kohnb erger
eine anmuthige Arbeit, ein blühendes Idyll in fchimmernder Seide, einige Kiffen
in verfchiedenfter Decoration, Fächer, Kleider, Schirme, Bänder, vieles darunter
ganz ausgezeichnet gut, manches nicht eben beffer als die Mehrzahl folcher Ar-
beiten, weniges,' das nicht dem Plätzchen zum Schmucke gereicht hätte, an dem
wir es zur Schau geflcUt fanden.
Neben dem fchimmmernden Gepränge der Buntflickereien , der Arbeiten in
Gold und Seide, glänzte an anderer Stelle ein anderes Gewebe in feinen, weifsen
Fäden, eine der köftlichflen, vornehmften Frauenarbeiten, von der wir bisher in
jedem Lande einzelne Proben gefehen. Es waren das die Spitzen, die fich hier in
der oefterreichifchen Ausflellung in befonders grofser Zal vertreten fanden. Auf
Kiffen , auf Bordüren, auf Fächern, auf Schirmen , als durchfichtige Kanten, auf
Kiuderkleidcrn, auf Mützen und Jäckchen, in den mannigfachften Arten der Technik,
in point-lace, in venezianer Guipure, in point de Rome, als irifche Spitze, als
dicht gefügte Klöppelfpitze, in den zarten points d'aiguille und als weltberühmte
brüffeler Spitze erfchien das feine Gewebe, und lag bald in weichen Falten über
dem feidenen oder fammtenen Untergrunde, oder hing wie aus Duft gewebt, in
hunderten von Blüthchen und Arabesken als zarter, durchsichtiger Schleier hinter
den Glasfeheiben der Schränke. Die Spitzen gehörten zu dem Vorzüglichsten,
das die Ausstellung gebracht hatte, und namentlich in den venezianer Guipuren
fanden fich einzelne übjecte von ganz vortrefflicher Zeichnung und tadellofer
Ausführung. Zu dem Besten, das hier zu nennen ifl, zählte die Arbeit der Schwe- '
ftern Cargnielli, ferner die von Opu i ch-Fon tana, und die des Wiener Frauen-
Erwerb- Vereines, welche letztere die schwungvollfle und anmuthigfte Zeichnung
aufwies.
Eine Arbeit welche in gleicher Menge wie die Spitzen vorhanden war, die
aber durch ihre Erfcheinung nicht daffelbe glänzende Zeugnifs für die in-
duflrielle Thätigkeit der Frauen abgab, waren die kleinen Frivolitäten, die
Sternchen aus feiner, weifser Baumwolle gefügt, die hier ebenso wie die glän-
zende, vornehme Spitze auf Kiffen, Decken, Vorhängen als Bordüren erfchienen,
fich an die Taschentücher als Ränder fügten, auf Krägelchen, Manfchetten, Schir-
men, auf Toilettegardinen, auf Nadelpolflern, auf Häubchen, Bändern, allüberall
einfanden, wo fich ein folches, wenig charakteriflifches Zierwerk befefligen läfst.
Gedankenlos gefchaffen, ohne befonderes Merkmal, ein Spielzeug zwifchen den
Fingern, vergänglich wie wenig andere Arbeiten, zeichneten fich die unzähligen
Frivolitätengebilde durch nichts als durch den mehr oder weniger feinen Faden
vor einander aus, und empfahlen fich durch wenig mehr als durch die tadellofe
DIE FRAUENARBEIT.
227
Nettigkeit, mit der fic ausgeführt waren, und der Hcfchaucr nahm von deii grofsen
und kleinen Dingen, die da aus folcher Arbeit gefügt waren, wohl kaum einen
anderen Eindruck mit fich fort als den, dafs or ein ungezähltes Heer von blen-
dend weifsen Sternchen beieinander, mehr oder weniger lofe verbunden, gefehen.
Viele andere Erfindungen der Neuzeit oder der Mode, die fich hier geltend
zu machen Richten, hat die 7\ufnahmsjur>' nicht zugelaffen, unter diefcn vor allem
die aufgequollenen, gefchorenen Wollblumen, die bunt geflickten Bilder, die Rah-
men aus VValdfrüchten, die aufgelegten und aufgenähten Tuchblumen, von denen
eine grofse Menge zur Ausheilung gefandt wurden, und eine traurige Verirrung
des weiblichen Gefchmackes erkennen liefsen. Mit um fo mehr Freude waren
dagegen einzelne, fehr hübfche Arbeiten ganz neuer Art zu begrüfsen, darunter
einige Tifchtüchcr, von denen eines auf ilrapfarbigem Untergrunde bunte Sträufs-
chen, mit Baumwolle gearbeitet, als Bordüre zeigte, ein zweites auf gleichfarbiger
Leinwand, in fchwarzer Seide, mit ruffifchem Stiche genäht, allerliebftc, figürliche
Vignetten in chinefifchem Stile trug, und ein drittes die vortreffliche Krcuzflich-
arbcit, der wir in der weiblichen Hausinduftrie aller Länder begegnen, in einer
fehr gut gezeichneten, mit roiher 13aumwolle ausgeführten Randverzierung auf-
wies. Derlei Arbeiten find befonders bemerkeswerth, weil fie klar darlegen, wie
weit das Feld ift, auf dem ficli die Frauenarbeit in Gutem und in Neuem frei
ergehen kann, und wieviel Grazie und wieviel Schmuck fie auf die einfachen Ge-
räthe für den täglichen, häuslichen Bedarf zaubern kann, auf denen bis heute
ein? Eintönigkeit der Geflalt und der Farbe laftet, welche die gleichen Gegen-
llände im Haushalte der nordifchen Frauen nicht kennen.
Neben den bisher genannten Arbeiten zeigte fich eine vielgeflaltige Menge
von verfchiedenartigen Erfcheinungen, von Experimenten auf mannigfachem Ge-
biete, darunter manche gute Leiftung, manches verfehlte Stück Arbeit, manche
neue Erfindung, untl mancher halb überwundene und halb überlebte Gedanke,
der hier noch einmal zu Tage trat. Blumen aus Papier und aus Leder, unter
den erfteren ein reizender Kranz von der Meifterhand der Gräfin Baudiffin ange-
fertigt, Malerei auf Seide, Porzellan, Leder und auf Holz, einige Webearbeiten
auf winzigen Webftühlen, ein gefiochtener Brautfchleier, Holz- und Papier-
fchnitzereien, xylographifche Arbeiten, Blumen aus Schwarz- und Wcifsbrod ge-
knetet, Teppiche und Decken aus Tuch- oder Seidenrtückchen mofaikartig zu-
fammengenäht, eine langwierige, mühfelige Arbeit, ein ]5ücherfchrank mit einge-
legten Bildern, von Gräfin Anna Braida in verfchieden gebeizten Hölzern ausge-
führt, ein grofser Tcppich aus Kleiderfloffabfällen geftrickt, Albums und Körbchen
aus Briflolpapier, getrocknete Blumen, und noch viele andere Dinge waren da,
wie fic weibliche Phantafie erfindet und weibliche Hände formen, oft reizend und
geglückt, oft ein Spielding, das man ficht, um es wieder, und, nicht feiten, gerne
zu vergeffen.
Wenn wir die ganze bunte Reihe überfchaut, die fich da in meift fröhlichem,
hellfarbigem Gewände zeigte, fo kehrten wir mit ftets erneutem Vergnügen zu
einer ganz merkwürdig fchönen Arbeit zurück, die unter den Kunflflickereicn hing,
und die Blicke aller fachverftändigen Befucher feffelte. Es war diefs ein von
Anna Kupka geflicktes Tuch, deffen Zeichnung von ProfefTor Storck entworfen,
»•
228,
DIE FRAUENARBEIT.
in glücklicher Farbenwahl ausgeführt,
die Arbeit zu einem der hervorragend-
llen Objecte der Ausfteilung geflaltete.
Als ein reizender, abfondcrlicher
Schmuck des Raumes, welcher die
Frauenarbeiten fafste, erfchienen die
Producte der weiblichen Hausipduflrie
mehrerer cisleithanifchen Provinzen
Oeflerreichs, der Lander Tirol, Steier-
mark, Dalmatien, Mähren, Schleficn,
Galizien und Bukowina. Steiermark
und Tirol hatten nur wenig einge-
fandt, das erftere einige fchimmernde
Goldhauben, geflickte Kopftücher und
ein „Almtuch" mit rother Kreuzllich-
arbeit, die nette Hülle, mit welcher
die Körbe überdeckt werden, in denen
die Almerin Butter und Käfe von der
Alpe zum Thal hinabträgt. Auch
Dalmatien hatte nur wenige Objecte
gebracht, einige geflickte Hemden,
rothe Käppchen mit Silber geflickt,
ein Flechtwerk aus Aloefäden, gewebte
Teppiche und Satteltafchen. Von die-
fen Dingen, unter welchen fich nament-
lich die Webereien durch orientalifche
Schönheit in I'arbe und Zeichnung auf
das Günfligfle darflellten, war drüben
im Induftriepalafte eine bedeutend
gröfsere Zahl ausgeflellt. Dort fahen
wir die Kreuzflicharbcit des Nordens
in füdlichcr Farbenmifchung prangend,
auf den Hemden der Männer und
Frauen neben dem Schnürfaume an-
gebracht, der hier wohl in ilürftiger
Geflalt erfchien , aber dennocii fein
altes Recht als durchsichtige Randver-
zierung in den linnenen Gewändern
behauptete. Neben diefen Arbeiten
nordifcher Technik fchimmerten die
Goldbenähungen in Schnürchen und
Flitter auf den Oberkleidern der Männer und in den Schleiern der Frauen, darunter
manche reizende Zeichnung, wie fie Perfien und Griechenland brachten, während an
anderer Stelle der groteske, derbe Schmuck flavifchen Urfprungs zu Tage trat, die
Metallverzierungen an Hals und Bruft, die derben Knöpfe und Ketten, die bun-
Standbild Rauch's, von l'r. Drake.
tcn Bander und Schleifen, von denen ganze Bündel, vorne am Hemde befeftigt,
über die Hruft niederflattern. Goldene Nadeln, durchfichtige Schleier, hohe Braut-
kronen aus Blumen und Federn, goldbenahte Mieder und Jäckchen voll Flitter
und Schmuck und dazu die einfache crnftc Arbeit des Nordens auf dem wcifsen
\
T"
230
DIE FRAUENARBEIT.
Linnenzeuge wurden aus den verfchicdcncn Landflrichen Dalmaticns gebracht.
Daneben glänzten die Alocfäden, aus denen manches fpit/.enartige Krägelchen
oder Tiiclilein geknüpft war, und prangten die Teppiche und Decken in ihrer
fröhlichen Farbenfchönheit und den undefinirbaren, weichen Linien ihrer fchwung-
vollen, untadeligen Zeichnung.
Mähren hatte im Pavillon für Frauenarbeiten weit reicher ausgcftellt, als es
die vorgenannten Länder gethan. Es waren da die Weifsftickereien und die
bunten Arbeiten zu finden, mit welchen die Bäuerin ihre Schürzen, Röcke und
Kopftücher fchmückt, Coftümftücke mannigfacher Art, die Oberhemden mit Arm-
und Ilalsbefätzen, in fchwarzer oder gelber Seide geflickt, bunte Mieder mit fil-
bernen oder goldenen Blumen bedeckt, weite Schürzen aus Wollflofif, aus Seide
oder Sammt mit einer bunten ßlumenbordüre geflickt; Kopftücher, wie fie die
Mädchen zum Tanze und die Frauen zum Kirchgange tragen ; die Velums, lange
breite Schärpen mit fchöner Stickerei in fchwarzer Seide; Tücher in welche die
Bauerfrau fich beim Qpf ergange des Sonntags hüllt; die abfonderlich geformten
Hauben aus Tüll, mit weifsen Fäden durchzogen, die zierliche Deffins in den
glatten Unterfloff bringen.
Einige der Arbeiten welche hier vorlagen, haben ihren Weg in die Welt
hinausgefunden, wie die Lofchitzer Weifsftickercien, die Ilotzenplotzer Spitzen,
die mit Perlen durchftrickten Häubchen und Lätzchen. Die letztgenannte Arbeit
wird in den fehr armen Bezirken des Landes angefertigt, und theils im Haufe
verbraucht, wo die kleinen Kinder die fchweren, harten Perlenguirlanden im Ge-
webe der weifsen Häubchen, nach I>andesfittc, im Sonntagsflaatc tragen muffen,
theils von Händlern und Haufierern einzeln aufgekauft, und nach dem In- und
Auslande, nach Bayern, nach Ungarn, und insbefondere nach der Türkei verfandt.
Ebenfo geht es mit den Weifsflickcreien und den geklöppelten Spitzen; beide
Arbeiten werden von den ärniflen Bewohnerinnen des Landes angefertigt und
gegen ein kleines Entgelt an Unterhändler veräufsert, welche die billige Waare,
mit reichem Gewinn, in die meiflen Kronländer Oeflerreichs und hinaus in die
Fremde fenden. Aufser diefen Spitzen und Stickereien war wenig verkäuflich,
das da vom Dorfe zur Ausftcllung gewandert kam; die vielen gehäkelten und
geflickten Schürzenbänder, die Tücher, die Überhemden mit den prunkvollen,
breiten Spitzenkrau fcn, die rothfeidenen Mieder, die Leibchen in Silberbrocat,
und was da mehr von folchen Dingen crfchienen war, zeigte fich als flolzer Be-
fitz der einzelnen PVau, der hier wohl prangen, aber wieder dahin zurückkehren
foUtc, von wo er gekommen.
Schlcfien hatte nur einige Coflümftücke gebracht, darunter die langen, grell-
rothen Strümpfe, den faltigen kurzen Weiberrock und das feidene Mieder, in
welchen die Mädchen dort zu Lande erfcheinen; daneben zeigte fich eine primi-
tive Goldflickerei und ein Sortiment geklöppelter Spitzen, ähnlich denen, welche
Mähren ausgeflellt, und die um ihrer Haltbarkeit und ihres befcheidenen Prcifes
willen reiche Verbreitung verdienten.
Aus Galizien und aus der Bukowina war eine Menge fremdartiger üb-
jccte, abConderlicher, in Form, Farbe und Material eigenthümlicher Dinge zur
Ausftellung gelangt. Diefe Länder, welche noch verhältnifsmäfsig ferne von der
DIE FRAUENARBlilT.
231
Ilccrftrafse des Verkehres liegen, bergen einen reichen Schatz uralter Sitte, ur-
alter Trachten; dort ift noch das graue Linnen als Kleid, das Teppichgewebc
als Schürze und Ueberwurf, der bronzene Schmuck und das l'erlgehänge , der
lange, vielfach gewundene Gürtel und manche abenteuerliche Kopfbedeckung
daheim, rlie halb der Turban des Südens, halb das fchwere, verhüllende Regen-
tuch des Nordens ifl. Galizien, das weite Land mit feinen verfchiedencn Völ-
kerfchaften, zeigte eine Menge der verfchiedencn Trachten, von denen theils im
Pavillon für Frauenarbeiten theils im Induflriepalafte eine intereffante Sammlung
zu fehcn war.
Lange Hemden von Linnen, mit mancher ausgezeichnet fchönen Kreuzftich-
bordüre in fchwarz und roth oder in vielfach zufammengeflellten Farben auf
Aermel un<l 15ruft, locker gefügte, wollene Tücher ftatt der Röcke, fchmale ge-
webte Gürtel mit reizenden Deffins, Ueberwürfe aus Leinwand oder Tuch und
irgend eine abfonderliche Kopfbedeckung, ein Mützchen mit rother Wolle, mit
Perlbändern, mit Blumen gefchmückt, ein kleiner Turban, ein Strohhut, eine
Spitzenhaube mit gebaufchter Kraufe, ein verfchlungenes Kopftuch oder derglei-
chen machen das Coflüm der J'raucn aus. Die Kopfbedeckung und die Perl-
fchnüre am Hälfe mit den bronzenen Gehängen unterfcheiden in manchem I^nd-
üriciie allein die Tracht der P'rau von der des Mannes, und auf (liefe Dinge wird
daher befondere Liebe und Sorgfalt verwendet. P'eine nette Zeichnungen ziehen
fich durch die vielfarbigeiv Perlbänder, welche das Mädchen am Hälfe und auf
der Mütze trägt, die fchwcren Zierrathe von Silbet oder von unedlem Metalle
tragen alle P'ormen und alle Geflaltcn, die ihnen die Phantafie ihrer Bildner zu-
erkennt, um dem weiblichen Gefchmacke zu genügen, und ilie Kopfbedeckungen
in ihrer höchft verfchiedenartigen Erfcheinung find das Ergebnifs ebenfo ver-
fchiedenartiger Sitten und Gebräuche, und erzählen, ob ihre Trägerinnen weiter
gegen Süden oder gegen Norden wohnen, ob fie alt oder jung, vermählt oder
unvermählt find, ob fie ihren Hochzeitstag feiern oder zum Tanze ziehen, ob
fie das Brautgemach betreten oder zum letzten Gange gefchmückt, mit dem dürf-
tigen, leinenen Mützchen hinaus zum Kirchhof wandern.
Bei der Einfachheit der Gewänder, ihrer meift reizlofen Form und dem fchwc-
ren, derben Material ift an ihre Schönheit keine befondere Anforderung zu ftel-
len ; und doch überrafcht hier und da die Pracht der F.arbe und Zeichnung in
den meift grob ge.irbeiteten Kreuzftichbordüren imd dem Schnürfaume, der das
Liimengewebe fchmückt, und in den Gürteln, Teppichen und Decken, von denen
manche als ein fchünes muftergiltiges Gewebe auf der Ausftellung erfchien.
Südlicher angehaucht , reicher in P'arbe und Stoff zeigten fich die Dinge,
welche aus der Bukowina zu uns gelangten. Auch hier find die fchwcren
Oberhemden aus felbftgewebtem Linnen mit den Kreuzftichlifieren, die Klei-
dungsftücke, wie fie die Männer und Frauen tragen, die gewebten Gürtel, Ta-
fchen und Teppiche, die Schürzen aus einem gobelinartigen Stoff, wie wir fie in
Schweden und Norwegen gefehen, aber zwifchen (liefen ernftcn, nordifchen
Frauenarbeiten und den einfachen Gewändern baufcht fich hier und da ein fei-
flener Rock, fchimmert ein florartiges Gewebe, ein" Hemdchen mit feiner Spitzen-
kraufe und einem flimmernden Jiefatz von Goldfäden und PMitterftcrnchen oder
232
DIE FRAUENARBEIT.
Das Nalionaldcnknial für König Maxiinilian II. v.>ii ü.iycin, von C. Zumljufcl».
DIE FRAUENARBEIT.
233
(ioldfchnmck, von Cadcllani in Koni.
;4län7.t ein breiter, metallener Gürtel, in welchem ein paar mächtige Glasftücke
flatt der Edelfteine prangen. Drüben in Galizien war die Brautkrone ein aufge-
thürmtes, luftiges Flcchtwerk aus grünen Hlättern und Zweigen, hier ift fie ein
prunkvolles Gebäude aus rother Seide, aus Perlen, Blumen und Pfauenfedern,
die fich ftolr, emporbäumen; aus den Perlfchnüren und Korallen, die wir in Ga-
lizien am Hälfe der P^rauen gefehen, find hier fchwere Gehänge von Silber- und
Goldmünzen, von metallenen Kreuzen und vielfarbigen Amulets geworden , und
neben ilen befcheidenen Häubchen und Mützen fehen wir manchen zarten Schleier,
auf welchem feidene Blümchen in bunter Stickerei fchimmern, oder weiche Schär-
pen von gleicher Arbeit, ein reizendes Gefchenk, welches die Braut dem künf-
tigen Gatten am Hochzeitstage reicht.
Einzelne der Arbeiten zeugen von orientalifchem Urfprunge, fo die Seiden-
ftickereien, in Deffin und Technik, und in dem Metallglanze, der in einzelnen Li-
nien durch das ganze Gewebe geht, und die Teppiche mit ihrer einfach fchönen
Zeichnung und der glücklichen Farbenwahl. Diefe Teppiche find von der Bauern-
hütte nach dem llerrenhaufe gewandert, wo jüdifche Weber mit Gehülfen und
Handwerkszeug fich, nach Landesfitte, oft für Wochen niedcrlaffen , um fo ein
dichtes, wollenes Prachtltück unter den Augen der Hausfrau anzufertigen. Im
Dorfe webt fich die Bäuerin felbft die fchwere Decke, mit der fie ihre Stube
fchmückt.
P2inen noch viel reicheren Schatz als das cisleithanifche Oefterreich hatte Un-
garn in den Hausinduflriearbciten feines Landes aufzuweifen. Im Induflriepalaflc
30
234
DIE FRAUENARBEIT.
waren die Arbeiten der flavifchen, fiebenbiirgifchen und rumänifchen Bevölkerung
Ungarns neben denen Slavoniens und Croatiens gruppirt, wälirend draufsen im
Parke, in dem fächfifchen Bauernhaufe und in der hölzernen wallachifchen Hütte,
fich ergänzende Studien machen liefsen. In diefer letzteren war wenig zu finden ;
auf einem niederen Webfluhl war ein fchnialer, teppichartiger Stoffftreifen aus-
gefpannt, etwa eine Schürze, wie wir fie, oft einfach, oft mit bunter, ausnehmend
fchöner Stickerei verziert und mit blitzenden Goldfäden durchzogen , an der
Wand hängen fahen, oder ein Stück der wollenen Decke , wie fie über die roh
gezimmerten, mit Stroh gefüllten Betten gebreitet war. Aufser dem Webfluhle
war da der Spinnrocken, einige grobleinene Hemden mit der Kreuzflichverzie-
rung auf Bruft und Aermel, und einige andere dürftige Wäfchftücke mit fchma-
len Bordüren im Schnürfaume und der eigenthünilichen Flechtarbeit, die wir an
Handtüchern und ähnlichen Dingen in Dänemark gefunden.
Viel freundlicher als das vereinfamte wallachifche Haus mit feinen öden,
freudlofen Wänden, empfing den Befucher das Haus der fiebenbürger Sachfen,
in welchem, nebfl; manchem nationalen Geräthe, hinter den Glasthüren der ge-
höhnten Commode eine ganze Sammlung von nationaler Frauenarbeit, auf dem
Sonntagsftaate der Bewohner zu finden war. Weifsftickereien in breiten Rän-
dern auf Hemden, Schürzen und Tüchern, fchwarze Seidenflickereien , zwifchen
deren Arabesken, goldene Flitterfternchen und blitzende Linien prangten, Deffins
mit weifsen Fäden in Tüll genäht, Flachftickereien in Wolle und Seide auf den
fchweren Kleidern des Mannes, kleine Mützchen, metallene Gürtel und ähnliche
Schätze füllten den Schrank.
Viel hübfcher und viel eigenthümlicher als diefe Dinge zeigten fich die
Kreuzflicharbeiten in blau, fchwarz und roth, mit denen die hochgefüllten, weifsen
Kiffen , die auf den Betten im Wohnzimmer und in der Gaftftube lagen , reich
verziert waren. Köftliche Deffins von fliilgerechter Klarheit lagen auf dem Lin-
nenzeug, Arabesken, Blumen in reizenden Linien und origineller Schönheit.
Diefelbe Arbeit war drüben im Induftriepalafte zu finden; auch da hatten die
fächfifchen Frauen Siebenbürgens von den wunderhübfchen Kreuzfhcharbeiten
auf Decken , Tüchern und auf Linnenzeug aller Art die prächtigften Dinge ge-
liefert. Statt der feinen Ranken, die fich über den Rand der Kiffen hinzogen,
waren da fchwere Bordüren in glühendem Roth auf weifsem Untergrunde ausge-
führt, neben denen an anderer Stelle graziöfe Lifieren oder leichte Bändchen in
zarten Linien erfchienen. — Neben den Kreuzflicharbeiten zeigten fich viele
Flachftickereien , die aber von den erfleren an Schönheit und Originalität weit
übertrofi'en wurden. Ganze Käftchen lagen da voll von diefen Arbeiten;
ganz wunderhübfche Dinge, eine Fülle von Erfindungen in den Zeichnungen, in
der Anwendung ftilgerechter Motive waren da zu fehen , von denen eine grofse
Zahl mit ihrer frifchen Schönheit als belebendes Element in unfere moderne
Frauenarbeit mit vielem Glücke einzuführen wären.
Unter den Arbeiten der flavifchen Hausinduflrie zeigte fich das verfchie-
denartigfle Material von dem fchweren , dicken Schafwollfaden bis zur Seide
und zum blitzenden Golde, in höchft willkürlicher Farben - Mifchung verwen-
det. Auf den weifsen Überhemden, mit den kurzen, weit gebaufchten Aer-
DIE FRAUENARBEIT.
235
t
mein prangten Flachfiickereicn in Wolle und Silber neben der Goldfpitzc, die
den Rand verzierte, lün luftiges, fröhliches Leben, das nicht viel nach Ziel
und Zweck fragt, lag auf ilen nieillen Dingen, ilie faft von kindifcher Freude
am Vielgeftaltigen erzahlten. Mützen und Hauben in allen Formen, mit Spitzen
Blumen, Bamlern, Federn beiieckt, mit Gold iiberfchüttet , prunkende, flitter-
bedeckte Gewander, grofsblumige Röcke, fchillernde Mieder und flatternde
Schleifen, mit Thicrbildern an allen Rändern, machten manchen Aufputz
aus. Daneben aber zeigten ficli feine, vornehme Stickereien in gelber Seide
Tajielc vun iJaliii in l'aris.
und Silber auf irgend einem Gewand oder zitterten funkelnde Goldarabesken
durch eine weiche Spitze oder glühte eine farbenprächtige Bordüre, als Rand-
verzierung eines Gewebes, in feltener Pracht. Vielfach waren hier in den Ar-
beiten die Motive aus der Thierwelt zu finden, oft recht nett gruppirt, am
richtigen Platze, oft toll und grotesk, in kindifch naiver Zufammenftellung
oder wirrem Durcheinander; oft Pferde, Vögel und Frauengeflalten , die hinter
einander herfprangen, und durch die regelmäfsige Wiederholung delTelben Mo-
tives einen doppelt komifchen Effect machten. Zuweilen waren diefe Bilder
mit bunten Farben in den Rand eines Tuches gezeichnet, zuweilen fchimmerten
fie in einer durchfichtigen Spitze und liefsen nur in feinen Linien die Skizze er-
rathen, die hier dem Gewebe zu Grunde lag.
Noch viel prunkvoller in der F'arbe, noch viel glänzender in Schmuck und
Zier als die ebengenannten Arbeiten zeigten fich die Producte der rumänifchen
JO*
236
DIE FRAUENARRItIT.
Hausinduftrie Ungarns, die
Gewebe, die Gewänder, auf
deren Form und Technik
wir fpäter, in dem Berichte
über die Ausftcllung der
Romania wieder zurück-
kommen werden.
Ungarn felbft hatte
an Frauenarbeiten Coftüm-
ftücke vcrfchiedenftcr Art,
Strohgeflechte , gewebte
Stoffe, Blumcnund ähnliche
Dinge gebracht, darunter
manch prunkendes Gewand,
Mieder und Schürzen mit
Gold und feidenen Blumen
bedeckt, feine Spitzenge-
webe, durch die fich Flittcr-
arabcsken mit glühenden
Kelchen zogen, Spitzen mit
fchwarzer Seide und Gold
durchwirkt, manches feine,
elegante Tuilettcflück, auf
dem eine ganze Flulh von
Glanz und Schimmer lag.
Und mitten unter all der
prunkenden Schönheit, un-
ter dem leuchtenden Ge-
funkel lag allerorts das
Flachsbündel mit feinem
feinen zaufigen Fadenge-
wirre, und der Spinnrocken,
und erzählten, dafs fie hier
in dem vielgeftaltigen Ge-
pränge daheim feien , und
die Grundlage wären von
all der Schönheit.
Aus Croatien um!
S 1 a V o n i c n war sehr wenig
von den fchönen weitge-
rühmten Arbeiten der Haus-
induftrie eingefandt worden,
von den köftlichen Sticke-
reien in Gold, in Wolle und
Seide,in welchen die orienta-
Treppcrigclancler von Mefriiig,
voll Denicre in Paris.
lifchc Technik tiiiklin{;;t und oricntalifchcr Farbcnfinn, von den fchönen, tlilgerechtcn
Zeichnungen, mit denen die Bauersfrau alle Gewänder fchmückt. Das k. k. öfter-
reichifche Mufeuni für Kunft und Induflrie hat eine Samnilung fulcher Arbeiten
erworben, die uns die gan/.e Scliönheit, den Reichthuni der Erfindung zeigt, welche
hier aus. unfcheinbarem Material, mit den dürftigflen Mitteln köftliche Dinge
fchafift. Es find grobe Leinwandhemden, auf Bruft und Aermel mit lockeren
Kreuzflichbordüren benäht, die durch ihr lofes Gefüge einen plaftifchen Kflfecl
abgeben, wie wir ihn in ähnlicher Weife nur auf den Gewändern der Frauen
von Marokko gefehen. Auf Tüchern, Schürzen und Überhemden erfcheint der
Schnürfaum als Spitze verwendet, hier und da ifl er in die Schleier als feiner
Rand mit Goldflittcr unil lichtrother Seide verwebt. Blumen, Arabesken, Thier-
und Menfchengeftalten find im Schnürfaum, in der Flachflickerei , in den Kreuz-
238 DIE FRAUENARBEIT.
ftichbordüren, in der Klöppclfpitzc und in den VVcbcarbeitcn zu finden, oft kin-
difch naiv und grotesk, oft mit Schwung in ernfter, einfacher Zeichnung ange-
bracht. Ueberall khngt in den Arbeiten der Norden und der Süden gleichzeitig
an. Die Nelkenknofpe und die vollerblühte Mohnblume, die Vögel mit dem
gehobenen Flügel, der Ilahn, das fpringendc Böcklein und ähnliche Erfcheinun-
gen, wie wir fie auf den Frauenarbeiten Rufslands finden, und die Farbengluth
in den reizenden Ornamenten, die blitzende, flitterdurchwebte Spitze, der Schmet-
terling zwifchcn funkelnden Sternen und glühenden Blumenblättern, wie wir fie
im Süden entdecken, liegen auf allen Gewändern bald in mühevoller Arbeit, bald
leicht und lofe hingeworfen, wie im Spiele.
Von allen diefen Producten der weiblichen Hausinduflrie waren nur die
Teppiche, die flachen Gewebe, auf der Ausfl;ellung vertreten, mit ihrer bunten
Farbenpracht und der meifl fehr fchöncn flilgerechten Zeichnung.
Neben den Arbeiten nationalen Urfprunges brachten die transleithanifchen
Länder einige unbedeutende und einige unfchöne Frauenarbeiten von Dilettan-
tinnen, darunter manches von überlebter Erfindung. Die Ausftellung des Haus-
frauenvereincs und die des Fraueninduflrievcreincs enthielten der Mehrzahl nach
echte Dilettantenarbeiten moderner Erfindung, von der fchwercn Tuchblumc auf
Decken untl Polftern bis zu den Bildern aus Gewürzblumcn, aus Menfchenhaaren
und auf Stramin geftickt. Hie und da zeigte fich mitten unter diefen traurigen
Dingen irgend eine Kante, ein Streifchen, denen die volle Schönheit der nationa-
len y\rbeiten eigen war, wie wir fie in der Hausinduflrie des Landes gcfehen, und
folche Erfcheinungen , nebfl guten, praktifchen Nutzarbeiten, warfen ein verföh-
nendes Licht auf die ganze Gruppe, in welcher die mannigfachen Verfchroben-
heiten, die da in allen Gcflalten prangten, mit gewöhnlicher Aufdringlichkeit um
den Vorrang ftritten.
Alles, was wir in Ungarn von den Frauen der vcrfchiedenen Volksftämme
gearbeitet fahen, das hatte Rumänien, mit dem Glänze und dem Reichthum
des Südens überfchüttet, in mannigfacher Geflalt wiedergebracht. Die Aushei-
lung der Frauenarbeiten des Landes bildete einen Glanzpunkt in dem Räume,
welchen Rumänien einnahm ; da flimmerte, funkelte und blitzte alles, da leuchtete
die dunkle Farbengluth auf allen Gewändern, und ein reizendes Gewirre von
golddurchfponncnen Schleiern, feidenen Blumen, flitterbedeckten Schürzen, von
Flor und Spitzen, von Silberfäden und fchweren, fchimmernden Perlgehängcn zog
das Auge des Befchauers auf fich.
Der Untergrund, die Technik, aus welchen diefe blendende Herrlichkeit
entfteht, find die des Nordens. Die Leinwand, dicht oder locker gewebt, der
dunkle Schafwollftoff, hie und da die leichte Seide, wie wir fie in der Bukowina
gefehen, w'erden zu den Gewändern verarbeitet, und auf'dicfe Stoüfe wird mit
dem Kreuzfliche in bunten Farben, oder in Flachflickerei, das Gewirre von Bor-
düren und Arabesken gezeichnet, das nicht feiten den ganzen Untergrund be-
deckt. Hie und da gibt die Technik des Südens GaftroUen, der Tambourflich
und die Schnürbenähungen ziehen ihre biegfamen Linien über den Stoff" und
legen fich in reizender Farbenmifchung zu Gewinden und Ranken zufammen.
Erfl über diefe , mei(\ einfachen Zeichnungen in anfpruchslofer Technik ausge-
DIE FRAUENARBEIT.
23U
führt, ift dann das metallifche Lichtgefunkel des Südens, das bleiche, leuchtende
Silber, das glühende Gold gebreitet, die in feinen Fäden fich durch die Arabes-
ken und Ornamente fchlingen, oder als eine Lafl von Glanz und Schimmer den
Untergrund decken, als Flitterfternchen die Blumenkelche füllen, und taufend
Stellen finden, die fie mit ihrem zitternden Lichte beleben. Die Coftümftücke,
auf denen die reiche Zier von Frauenhand liegt, find die Überhemden in Lein-
wand, in leichter Seide und in Flor, die Schleier, die gewebten Gürtel aus Schaf-
wolle und Flitter, und das Prachtwerk, die Schürze, welche aus zwei Theilen be-
fleht, von denen der kürzere vorne, der längere rückwärts getragen wird. Stickereien
in Farben, mit Gold und Silber durchwirkt, bedecken das teppichartige Gewebe,
an deffen Rand lange, mit Flitter gezierte Wollfranfen genäht find, welche an
der oft nur fpannenbreiten Schürze als ein bewegliches, meift glührothes Ge-
hänge prangen.
Ruffifche Krüge.
Auch hier, mitten unter dem Gefunkel, ifl der Schnürfaum zu entdecken, mit
Silberfäden und Seide durch webt, der fich am Rande des Schleiers, des durcli-
fichtigen Kopftuches hinaufwindet, welches letztere neben Blumenkränzen und
langen, feinen Goldfirähnen , die lofe, wie bewegliche Strahlen, über die Schul-
tern bis zum Saume des Gewandes hinabfallen, den Haarfchmuck der Frauen
ausmacht.
Von bunten Webereien brachte Rumänien, aufser den Schürzen und den
Bändern welche den Gürtel bilden, und deren Enden, mit Flitter und Quäftchen
gefchmückt, vorne herabhangend getragen werden, eine bedeutende Zahl von
Teppichen, Decken und Tafchen, mit denfelben undefinirbaren, ftilvollen Zeich-
nungen und derfelben fröhlichen Farbenfchönheit, wie wir die gleichen Gewebe
unter den Arbeiten der füdflavifchen Frauen, ferner in Galizien und in Dalmatien
gefehen.
Abfeits von den Arbeiten der Hausinduftrie waren fchöne Goldftickereien
auf purpurnem Sammt ausgeflellt, Pelze, Sättel und Männerkleider, ferner alte
und neue Arbeiten zu kirchlichen Zwecken, i'.iramente, Bihler, «larunter eine
Grablegung Chrifli, eine Menge von in Ocl gemalten Gefichtcrn, Händen, Füfsen,
über die ein Goldgeftricke hie und da gebreitet war; häfsUch wie alles ähnliche.
240
ÜIE FRAUENARBEIT.
Ilaiulfpiegel von W. J. Thomas in London.
Die Frauenarbeit Griechenlands ift mit der Rumäniens verwandt; es ift
da daffelbe füdliche Blitzen und Flimmern, das Goldgefunkel und die leuchtende
Pracht der Seide. Aber Griechenland hatte wenig eigentliche Hausuiduflriearbei-
ten im ftrengen Sinne gebracht, aufser einigen Cofliimflücken, wie feidene Röcke,
das Mieder mit den Arabesken und Vögelchen in Gold benäht, die feine Spitzen-
fchürze, das Oberhemd mit der breiten Ilalskraufe, den Halsfchmuck aus Bän-
dern, Perlen und Metallgehängen und den Kopfputz aus Bandfchleifen, Blumen,
Flitter und dem kleinen, feinen Spitzenfchleier, der über den Nacken der Grie-
chin niederfällt.
Neben diefen Dingen, die vereinzelt zu fchen waren, prangten die Arbei-
ten der Städterinnen, Gewänder von reicher Schönheit, Luxusgegenflände mit
DIE FRAUENARBEIT.
241
Emaillirle Mclallplatle von Elkingtoii & Co. in liirmingham.
Grazie und Glanz ausgeflattet. Auf Tuch, Sammet und auf fchwerer Seide wareo
köflliche Ornamente mit auf<^enähten Goldfchnürchen gezeichnet; oft lag
diefer Schmuck als breite Bordüre, die ihre Ranken, Palmen und Gewinde bis
in den Mittelgrund hinein fpann, bald als feines Bändchen am Rande des Ge-
wandes. I lie und da war eine leuchtende Farbe in die Blume , in das Orna-
ment eingeführt, glühte mitten in dem matten Golde eine funkelnde Linie aus
Flitter oder Bouillons gewoben. Auf Schuhen, auf Jäckchen, Ueberwürfen, Gür-
teln und Schleiern lag diefe helle, elegant durchgeführte Pracht. Selten fand
fich eine verfehlte Zeichnung oder eine mifsglückte Farbenmifchung ; alles fah
überfchüttet mit Reiz und Schönheit aus, und nur wo die Arbeit von der
Technik nationaler Erfindung abwich, machten fich Irrthümer geltend.
Neben den bunten, fchimmcrnden Gewändern war die Gold- und die Sei-
denfpitze des Orients zu finden, die letztere als das feine, filigranartige Gewebe,
welches mit der Nadel angefertigt wird, und eine der mühfamften, wenigfl lohnen-
den Arbeiten von Frauenhand ifl. In fubtiler Reinheit ausgeführt, erfchien fie
hier am Rande der Schleier, der weiten, hängenden Aermel des feinen, feidenen
u
242
DIE FRAUENARBEIT.
Obergewandes, wo fie als Blümchen, Arabesken und Falter in wechfelnder Ge-
ftalt fich zeigte.
Die Ausftellungen einiger weiblichen Unterrichtsanflalten , der Communal-
fchule zu Corfu, der Inftitute Arfakion und Surmelis zu Athen, hatten ausge-
zeichnet fchöne Arbeiten, Weifs- und Buntftickereien, Spitzen, Nähereien, gute
Stopfarbeiten gebracht. Einige Luxusarbeiten, wie eine Gobelinftickerei des In-
ftitutes Arfakion und einige reizende Filctguipurearbeiten, welche die Schule
Surmelis brachte, gehörten zu den beflen Dingen der Ausftellungf leider wurde
der günflige Eindruck, welchen der Befchaucr hier empfing, durch manches Pro-
duct ganz kläglicher, curopäifcher Erfindung geflört, durch lärmende Tuchblumen
und Straminftickereien und durch ähnliche Dinge von unfchöner Farbe und
plumper Geflalt.
An der Schwelle der Ausflcllung Griechenlands, und hoch oben an den W^än-
den des weiten Raumes, waren die gewebten Teppiche und Decken zu fehen,
von denen viele zu den Producten der Hausinduflrie des Landes zu zählen find,
und deren Mehrzahl durch p'arbenfchönheit und Zeichnung ihre Verwandtfchaft
mit den Geweben ähnlicher Art, welche Dalmatien, die Bukowina und Rumänien
aufwiefen, deutlich bekundeten.
In anderer Weife prunkend und prangend als die Frauenarbeit in den bei-
den Ländern, über welche eben berichtet worden, zeigte fie fich in Rufsland,
wo einzelne Producte folcher Phätigkeit als fremde, abfonderliche Erfcheinungen
fich vorteilten. Hier ifl; es die Kreuzflicharbeit auf weifsem' Linnen, das bunt-
bedruckte kattunene Gewebe und die grobe geklöppelte Spitze, welche den
erften Rang im nationalen Gewände der Frau und auf den mannigfachen Wäfch-
ftücken, dem Leinenzeug, den Tüchern behauptet. Effectvolle Zeichnungen,
breite und fchmale Bordüren aus flilgerechten Blumen, Sternen, Arabesken zu-
fannnengefügt, laufen in Blau oder Roth auf dem weifsen Untergrunde rund um
den Saum des Rockes, auf diefe Bordüre folgt eine geklöppelte Spitze oder ein
Zwifchenfatz, der in den Stoff genäht ifl, dann ein farbiger, meift grell rother
Kattunflreifen, auf dem eine naive Zeichnung von gelben Blumen und Ranken
erfcheint, und dann wieder die Klöppelfpitze und wieder die Kreuzftichbordüre,
und fo fort, Rand an Rand, in bunter Farbe und weifser Spitze vom Saume bis
zum Gürtel hinan. Ebenfo find die Schürzen gefchmückt; ein fchmaler weifser
oder blauer Streifen zeigt den eigentlichen Grundftoff, dann kommt Zierrath an
Zierrath in bunter P'arbe, Klöppelfpitzen mit rothen Hähnen, mit Böcken und
Ziegen darin, glührothe Bänder von Kreuzflicharbeit mit ausgezeichnet fchönen
Ornamenten von claffifchem Gefchmack und dazwifchen die hellfarbigen Stoff-
bordüren, die wie ein luftiger Gedanke durch das. Gewebe gehen. Blau und
Roth dominiren ; wo fich die Kreuzflicharbeit zeigt, ifl fie in diefen Farben aus-
geführt, auf den Handtüchern, dem Tifchzeug find die Ornamente von leuchten-
dem Roth oder tief dunklem Blau, die Stoffftreifen in Seide und in Wolle find
von gleicher P'ärbung, und nicht nur in der geklöppelten Bauernfpitze, fondern
felbfl in einigen prachtvoll gezeichneten Venezianer Guipuren läuft der rothe
Faden keck und verwegen rund um die fchönen Blumen und Arabesken, die in
dem kühlen, blendend weifsen Untergrunde liegen.
DIE FRAUENARBEIT.
243
Abgefehen von folcher Verirrung nationalen Gefchmackes, wie fie an der
edlen Venezianer Spitze zu Tage trat, hatte Rufsland unter feinen Frauenarbeiten
wenig ausgcflcllt, das nicht zur Nachahmung höchlichfl empfehlenswcrth erfchiene,
und namentlich hat es die Verwendung der Krcuzrtichborduren auf Tifchtüchern,
Handtüchern, Bloufen und Kinderklcidern in entzückend fchönen Deffins und
Vafe in Limoufiner Ail, vuii Mintons in Stoke upon Trent.
in reizeniler Art nachgcwiefcn. Es gibt kaum einen fröhlicheren Schmuck als
diefe glührothcn Bordüren auf dem wcifscn Untergrunde, die durch die edle,
ftilgerechte Zeichnung das einfache Gewebe zu einem Gcgenftande von künfl-
lerifchem Wcrthe umgeftaltcn.
Eine Reihe von prachtvollen Stickereien und alten, halbverblichenen Ge-
weben hatte die Gefellfchaft zur Förderung der Künfle ausgeftellt. Unter diefen
Arbeiten waren Kleidungsflücke, Paramcnte, Kronen, Mützen von abfonderlicher
Art; Seide, Gold, Perlen lagen auf dem erflorbenen Untergrunde, aus dem die
31«
244
DIE FRAUENARBEIT.
Schatulle von Serpenlin, Bronze und Halbedelfteinen, nach Entwurf von R. Steche ausgeführt
von der Sächfifchen Serpentir.-Gefellfchaft in Zöblilz im fächl. Erzgebirge.
iJc^k^
DIE FRAUENARBEIT.
245
KnuiiLi von <lcr Züblilzer SerpciUin-Gcfcllfchafl.
alte Pracht in einzelnen Funken noch leuchtete. Auf den meiften Dingen laftete
die Stickerei mit allem T'runke, wie wir ihn auf Kirchengewändern fehen ; vielen
der Gegcnflimdc war nicht Zweck und Uefliinniung abzufragen , fie waren eben
ein Stück alter , vergangener Herrlichkeit, von der losgetrennt fie nun hier, in
dem gläfernen Schrein, dem Auge de.^ forfchenden Hefchauers vorlagen.
Die AusftelUmg Finnlands zeigte von Frauenarbeiten, aufscr einer Weifs-
ftickerei von feltener, äufserft mühevoller Technik, nur echte, rechte Hausindu-
ftrieproducte, gewebte Tücher, Schuhe aus breiten Baflftreifen geflochten, Spitzen-
mützchen und kleine feidene Hauben, Hemden mit Tambourarbeit gefchmückt,
und in roth und weifs mit dem ruffifchen Stiche auf allen Säumchen benäht,
Strohgeflechte, Hüte und Matten. Mitten unter allen diefen Dingen lag der
246 DIE FRAUENARBEIT.
Spinnrocken und fland der Webfluhl, auf welchem, in einzelnen verflochtenen
Fäden, ein Stück des einfachen, groben Linnenzeuges lag, das hier in fchweren,
aufgerollten Ballen zwifchen den Holzfchnitzereien, den Flechtarbeiten und man-
chem Geräthe von Männerhand geformt, zur Schau geflcllt war.
Am nördlichen Ende der ruffifchen Ausftellung, kaum getrennt durch ein
hohes Portal, zeigte fich die Expofition der Länder des Kaukafus und von
Turkestan, wie eine glühende, tropifchc Blume, welche der Zufall mitten auf
die fremde, nordifche Erde herabgefchleudert hat. In orientalifcher Farbe und
Schönheit fchimmerte und prangte da Alles und leuchtete vor allem die Frauen-
arbeit, die auf Seide und Sammet, mit Goldfaden und filbernen Schnüren das
fonnige Gepränge des Südens hinzauberte. Schwere fammetene Decken, Ge-
wänder von oripntalifchem Schnitt, Gürtel , in denen Flitterquaften hingen, Vor-
hänge mit hochaufklimmenden fremdländifchen Blumen und kühnen Arabesken,
durch welche Sterne blitzten und der filbernc Halbmond leuchtete, gemahnten an
das Morgenland, an die Türkei, in deren Ausflellungsraum unter einem Balda-
chin von farbenprächtigen, fchweren Geweben , und unter fanft gebogenen Pal-
menzweigen, die Frauenarbeit des Landes an bevorzugter Stelle erfchien.
Wir haben es hier nicht mehr mit der Arbeit von Frauenhand allein zu thun,
wenn wir die herrlichen Gold- und Seidenftickereien, die bunten Teppiche, die
Schleier, Kiffen, Decken und Gewänder betrachten, welche die Länder des Orients,
welche Perfien, Indien, die Türkei, Tunis, Marokko, Egypten zur Ausflellung ge-
bracht hatten. Wir wiffen', wie fehr die Hand des Mannes hier im Spiele ifl:,
wieviele der wunderprächtigen Farbeniiiifchungen, der kunflgerechten Zeichnun-
gen, der glücklidien Zufammenftellungen in Form und Material ein Werk des
Mannes find, der hier zu Lande das reizende Gefüge, das die PVau allerorts als
ihre Arbeit kennt, mit feiner Erfindungskraft belebt und gekräftigt hat und mit
deffen Hülfe das weltberühmte, unnachahmliche, in Form und F"arbe untadelige
Induftrieproduct zu Stande kommt, das wir als orientalifche Frauenarbeit kennen.
In Tambourflich auf Seide, Tuch und Gazefloff, in Goldflickerei auf purpur-
nem Sammet, in Flachflickerei auf Leder und anderen Stoffen, in Benähungen
mit Gold- und Silberfchnürchen zeigten fich die vornehmflen Arten der Technik
in den Arbeiten der Türkei. Wie begreiflich, war kaum ein Ding zu fehen,
auf dem nicht irgend ein leuchtender Funke lag, bald als blitzender Faden, der
fich gehcimnifsvoll durch das Gewebe zog, bald als flimmernde Spitze, die am
Rande des Gewandes oder des Schleiers hing, bald als eine Laft von Gold und
Silber, die mit prunkendem Gefunkel, fchwer und mächtig auf dem Unter-
ftoffe lag.
In der Tambourararbeit, der eigentlichen Technik des Morgenlandes, hat
fich die Türkei weit hinter den anderen Ländern des Orients gezeigt. Gröber,
unregelmäfsiger reihte fich hier Stich an Stich, als dies in Perfien und nament-
lich in Indien zu finden war; die Arbeiten fahen lofe und weniger gediegen aus,
wenn fich auch die Macht der guten Farbe mit allem eigenthümlichen Reize in
ihnen zur Geltung brachte. In glücklicher Verwendung war die Tambourarbeit
auf dem Kleide einer der vielen Coflümfiguren zu fehen, mit welchen der Aus-
ftellungsraum der Türkei gefchmückt war. Auf geftreiftem Stoffe, der in hellen
DIE FRAUENARBEIT.
247
und dunklen Farben gezeichnet war, lief in einem weifsen, ziemlich breiten
Streifen eine fchmale Guirlande von ftilifirten Hlumen hinauf, ein zartes Gewinde
im Kettenftich ausgeführt. Die Arbeit fah anfpruchslos und doch reizend aus;
man mufste fie fuchen, um fie zu finden, ,und doch guckten die lilümchen, Bliit-
ter und Ranken mit eigenthümlicher, freundlicher Schönheit aus -allen Falten
des Gewandes hervor.
Viel prunkvoller als folche Arbeit zeigte fich die Goldftickerei, welche auf
Decken und Kiffen prangte. Auch an diefer Arbeit war hier und da die Aus-
führung nicht ganz tadellos, die Zeichnung nicht von hervorragender Schönheit; .
aber eben nur hier und da; eine grofsc Zahl der herrlichen Arabesken, die auf
Sammet und Seide mit goldenem Faden gezeichnet lagen, fchimmerten in der
ganzen, räthfelhaften Pracht des Orients.
Zwifchen den kofibaren Dingen, die fich mit Seide und Metallglanz iiber-
fchüttet zeigten, fanden fich einzelne Erfindungen und Arbeiten leichterer Art,
die halb im Ernfle, halb im Spiele Verwendung fanden. Feine, goldene Säum-
chen fpannen fich an den Schleiern hinauf, feidenc Blumen lagen auf den leder-
nen Riemen der Sandalen geflickt, einzelne Halbmonde und Sternchen flimmer-
ten auf Ueberwürfen von weifsem Gazefloff, wie durch Zufall hingeflreut, die
feidene, griechifche Spitze zeigte fich in aneinander gereihten IJlümchen und
Blättern, in allen Farben verwendet, während die Goldfpitze am Rande des
Schleiers, des Oberkleides und des Tafchentuches prangte.
Unter den Arbeiten, welche in den Schränken ausgeflellt waren, fand fich
wenig oder nichts , das an die Technik des Abendlandes oder gar des Nordens
gemahnte, man miifste denn einiger entfetzlichcn Modearbeiten gedenken, eini-
ger fiatzenhaften Gebilde, \\ eiche irgend ein Inflitut zu Conflantinopel als Schul-
arbeiten ausgeflellt hatte. Dafür fand fich aber an ilon Cofiümftücken , an den
Gewändern der Männer und Frauen, die draufsen in der Halle an den hohen
Säulen (landen, manche Arbeit wohlbekannter, anheimelnder Art. Da war der
Schnürfaum auf manchem leinenen Hemde, da klomm an. manchem Gewände
eine fchmale IJordüre von Kreuzftichen empor und fchmiegte fich eine derbe
geklöppelte Spitze um den Aermel des Unterkleides, über dem ein koflbarcs,
mit Gold und prunkendem Flitter bedecktes, in Seide fchimmerndes Gewand lag.
Die Technik des Nordens war hier zu finden, aber fie friflete ein kümmerliches
Dafein ; der vollen Schönheit entkleidet, welche fie in ihrem Heimathlande kennt,
halb verborgen, nur wie geduldet, verfchwand fie vor der hellen Pracht der
Seide und des Goldes, deren eigentliches Reich an der Schwelle des Orients
beginnt.
Die Arbeiten, welche Egypten, Tunis und Marokko brachten, und
welche hier, wie überall, wo der Süden auf der Ausdellung vertreten war, als
eine reizende, die Blicke feffelnde Decoration erfchienen, trugen durchfchnittlich
das Gepräge des Orients. Es war da derfelbe Glanz, derfelbe Schimmer über
die Gewäniier gebreitet, was durch Frauenhand gegangen, hatte unfehlbar etwas
von der weichen, üppichen Pracht des Südens abbekommen, und nur in einem
einzigen Schranke der egyptifchen Ausflellung waren nüchterne, düfter gefärbte
oder wenigflens prunklofe Frauenkleider zu fehen ; kattunene Beinkleider und
248
DIE FRAUENARBEIT.
Kärtchen in Kbenholz, vergolileter Bronze und Email, von Ratzcrsdorfer in Wien.
Ueberwürfe, wcifse fchmale Tücher, die wie Schürzen über die Bruft herabfielen,
weifse, weite Mäntel aus BaumwolUloff, und einfache, fchwarze Lederfchuhe bil-
deten die Beftandtheile des ganzen Coftüms. Wie in Feuer, Licht und Farbe
getaucht erfchienen dagegen die fcidenen Gewänder , die im Gegenfatze zu fol-
cher traurigen Drapirung, mit Gold und Flitter, mit Blumen, Ranken und Orna-
menten bedeckt waren, und die theils in den Schränken zur Schau lagen, theils
hell, blitzend, mit Bändern, Perlen, Gold und Flitter gefchmückt, fich als Coftüm
der Frauen von Tunis und Marokko erwiefen.
Unter den Arbeiten , welche aus diefen Ländern zur Ausflellung gelangten,
zeigte fich ein eigenthümliches Gemifch, eine Regellofigkeit in Technik und
Ausführung, wie fie drüben im Orient kein Land vorgewiefen hat, und mancher
DIE FRAUENARBEIT.
249
Caffette in rpanifchcr laufcliirler Arbeit, von Zuloaga.
Anklang an weit Entferntes , an Dinge, die wir im Herzen Europa's daheim ge-
fehen; es waren da viele abfonderliche Erfindungen, aufgebaut auf afiatifche
Pracht in Material und Zeichnun<T, und ausgefi.ihrt mit Hülfe eingewanderter, eu"
ropaifcher Technik. So waren da in der Ausfteiluiig Egyptens Blumen in far.
biger Seide, deren Fäden-durch feinen Florftoff gezogen waren, eine Arbeit die
wir, zwar in Weifs, aber doch nur in Spanien getroffen, und die feit Jahrzehn-
ten aus Europa verfchwunden fcheint, früher aber hier hoch im Schwünge war;
ferner brachte Marokko eine eigenthümliche Stickerei auf locker gewebtem Un-
tergrunde, von welchem fich Stich um Stich lofe abhebt, fo dafs die Arbeit auf
den erflcn Blick einem Geftricke gleicht, eine Technik, die nur in Hausinduftrie-
arbeiten der füdflavifchen Frauen wiederzufinden ill;; gleich überrafchend wie
diefe F>fcheinung zeigte fich die Uebereinflimmung mancher Zeichnung mit de-
nen der füdflavifchen und ruffifchen Ornamente, da hier in Marokko ebenfo wie
dort, das gehörnte Böcklein, der Vogel, die Fraucngedalt mit den in die Seite
geftemmten Armen zu finden waren, nur dafs fie hier nicht in der geklöppelten
Spitze oder in der Kreuzflichbordüre erfchienen, fondern in fchimmernder Seide
auf reichen Decken prangten. Ferner hatte Tunis IJordüren in drapfarbiger Seide
auf weifsem Untergrunde flach gellickt ausgeftellt, wie folche Arbeiten in gleicher
Farbe und von gleicher Schönheit der Zeichnung unter den Producten der Haus-
induftrie Mährens vielfach auf Hemdbefätzen und Vclums der Frauen zu fin-
den waren.
Diefe halb abendländifchen Erfcheinungcn , die uns anheimelnd aus dem
fremden, orientalifchen Gewände entgegenfchauten, waren da in einer glänzenden
aa
250
DIE FRAUENARBEIT.
Umgebung anderer Art. Herrliche Stoffe in purpurner Seide durchwebt, Klei»
der, auf denen ein ganzer blitzender Regen von goldenen und filbernen Blüthen
lag, koftbare Vorhänge und Decken zu religiöfem Gebrauch, mit pomphaft fchwe-
rer Zeichnung, mit Ampeln, Säulen und aufflrebenden Blätterranken in Gold-
ftickerei bedeckt, Schuhe, Schleier, Ueberwürfe, alles mit dem leuchtenden Ge-
funkel überfchüttet. Befondere Vorliebe und Sorgfalt war dem Schmucke der
Sättel, der Pferde- und Kameeldecken gewidmet. Es waren da einzelne diefer
Dinge mit feltenem Reichthum ausgeftattet; dunkelgrüner oder purpurrother
Sammet bildeten den Untergrund, auf dem mit UeberfüUe und Verfchwendung
Zierrath an Zierrath fich zu breiten Bordüren, zu fchwungvoll verfchlungenen Eck-
flücken aneinander reihten, und mit Gold, Silber und Flitter oft hohe Knaufe
aufbauten, in denen vielfarbiges Metall wie ein Regenbogen fchillerte.
Mannigfach gefchmücktes Sattelzeug war auch faft die einzige Frauenarbeit,
welche die Ausflellung Centralafrika's, die fich an die Egyptens fchlofs,
aufzuweifen hatte. Hier, wo die freundliche Bahn der Cultur ihrem Ende zugeht,
wo aller Schmuck, aller Luxus verfchwindet und nur die dürftigen Gcräthe für
den Bedarf dürftiger Exiftenzen zur Stelle waren, hier fand fich wohl nichts von
Gold und Seide auf den hoch gebauten Sätteln und den fchmalen langen Decken,
die vom Rücken des Kameeies herabhängen. Statt folcher glänzender Zier waren
weifse kleine Mufcheln in geraden Linien und Arabesken aufgenäht, viel-
farbige Glasperlen und Stoffendchen daran gereiht, und wo der Schmuck und
der Luxus ihren Gipfelpunkt erreichten, hie und da ein winziges Plättchen Flitter-
gold angebracht. Wie Kinderfpielzeug fehen diefe Embryonen des Luxus und
der verfeinerten Bedürfniffe aus; fie find eben ein Anfang, wie er taüfendmal da-
gewefen , und wie ihn jedes Ding gehabt ; der Weg ifl; weit von den kleinen,
weifsen Mufchelreihen auf den ledernen Decken zu der funkelnden, blendenden
Pracht, wie fie dort im Nebenraume, auf Sammet und Seide und den prunkenden
Gewändern lag; aber der Weg ifl da, und mag es noch fo lange währen, er wird
endlich zurückgelegt werden.
Ein Frauengewand darf nicht vergeffen werden, das unweit von dem hier
ausgeflellten kleinen Beduinenhaufe an der hölzernen Wand hing, und als Gegen-
fatz von culturhifl:orifcher Bedeutung dem Rahet, der Schürze aus Lederfträhnen,
welche die Mädchen als einzige Bekleidung tragen, diente. Es waren Bein-
kleider und ein Oberhemd aus grobem, weifsen Baumwollfloffe, die an den Nähten
und Säumen reich mit Arabesken gefchmückt waren ; in bunter Schafwolle tam-
bourirt zeigte fich eine einfache, folgerechte Zeichnung, die an der Bruft des
Oberkleides fich in Rofetten und feinen Lifieren ausbreitete und nach unten,
nach dem Rande des langen Gewandes, fpitz zulief.
Hatten die Türkei und die Culturländcr Afrika's die Macht des Goldes und
des Silbers auf den prächtig fchimmernden Geweben gezeigt, fo wies Perfien
den anmuthigen, allbezwingenden Zauber der Farbe nach. Aus allen Schränken,
von allen Wänden grüfste ein fröhliches, leuchtendes, glühendes Farbengemenge,
ein Meer von unentwirrbaren Blumen und Arabesken, die auf Teppichen,
Decken, Tüchern und Gejvändern lagen, und, trotz aller Fülle und aller Mannig-
faltigkeit der Farbentöne, fich wie die gefchaute Harmonie darflellten. Es ifl
DIE FRAUENARBEIT. 251
weltbekannt, wie die herrlichen bunten Shawls und Decken entflehen, die hier
in der perfifchen Ausflclhing alle Blicke fcfleltcii, wie der Untergrund nach be-
flimmter Zeichnung aus verfchieden gefärbten Stofifstücken mühevoll zufamnien-
genäht wird, und wie erft über das fo bereitete Gefüge mit Seide und Wolle
geflickt, tambourirt und der Goldfaden gezogen wird, der hie und da in den
Blumen leuchtet. Der Effect folcher Arbeit ifl, bei der glücklichen Wahl der
Farbe, wie fie hier immer zu Tage tritt, ein unfehlbar gewinnender, da nicht nur
die Zeichnung der Stickerei, voll Grazie und Licht, das Auge felTelt, fondern aus
jedem Ornament die Farbe des Untergrundes voll Kraft und Leben hervor-
leuchtet.
Türkifche Kruge.
Mühevoll wie diefe Arbeit, zeigte fich faft alles, was hier mit Nadel und
Faden zu Stande gebracht erfchien. Da waren die feinen, meifl; dünn geflreiften
Schawls, in deren fertiges Gewebe taufende von winzigen Blümchen und Arabesken
eingenaht find, und zwar in fo meiflcrhafter Weife, dafs niemand die Entftehungs-
art diefer Deffins, dicfer unzählbaren kleinen Ornamente ahnt, der nicht darüber
belehrt wird ; ferner waren da die kurzen, gamafchenartigen Beinkleider der per-
fifchen Frauen, die aus einem dürftigen, groben BaumwoUftofif gemacht find,
welcher aber mit reizenden Bordüren von flilifirten Blumen und Arabesken in
Seide gc-fhckt, fo dicht bedeckt ifl, dafs nicht ein Faden des urfprünglichen Ge-
webes fichtbar bleibt, und aus dem lofen Stoff ein fchweres, dichtes Gefüge
wird. Ebenfo merkwürdig wie diefe Arbeit, die nirgends in gleicher Art zu
finden war, zeigte fich hier das Kind des Nordens, der Schnürfaum, der mit
weifser Seide als reizendes, ganz unübertrefflich gearbeitetes Gitterwerk in den
Schleier der perfifchen Frau eingewebt war, wo er die einzige durchfichtige Stelle
für das Auge der Trägerin bildet. Eine andere Arbeit, die durch Technik, Ma-
.terial und Zeichnung an Europa gemahnte, war eine feine Strickerei, kleine.
33*
252
DIE FRAUENARBEIT.
Armfeffel von Levy & Wurms in Paris.
fchafwoUene Söckchen, vielfarbig mit feinen Bordüren, wie wir ganz diefelbe Art
unter den Hausinduftriearbeiten Dalmatiens, der Frauen aus dem Gebiete Ra-
gufa's gefunden. Diefelbcn Palmen , Blümchen , Arabesken waren mit kunfl-
fertigcr Hand eingewebt, diefelben Farben wechfelten, und felbft in der ausge-
zeichneten, feltenen Feinheit des Materiales war zwifchen hier und dort kaum
ein Unterfchied.
Wenn nun, wie oben angedeutet, der Charakter der Technik, welche der pcr-
fifchen Frauenarbeit zu Grunde liegt, der des mühevollen Schafifens ift, mit dem
glänzende, lohnende Refultate erzielt werden, fo fand fich doch auch hier manches
Ding, auf dem mit kecken Zügen, und mit grobem, derbem Matcriale ganz wun- ,
dervolle Effecte hervorgebracht waren. Schwere Decken und Teppiche, welche
als Unterlage für die feineren, koftbareren perfifchen Gewebe ähnlicher Art
dienen, lange Draperien aus filzartigem Stoffe, welche zum Verfchluffe und als
Schmuck des Zeltes angebracht werden, zeigten auf weifsgrauem Untergrunde
DIE FRAUENARBEIT.
253
Armfeffcl von Roudilloii in l'aiis.
fchöne, farbenprächtige Bordüren, Blumen, Arabesken, in grober Schafwolle tam-
bourirt, die leicht und kühn, mit langfchaftigen Blättern, mit Ranken und Ge-
winden zur Höhe ftrebtcn. Nicht alle Dcffins waren gleich glücklich gewählt,
hie und da krabbelten Pferde und Reiter in poffenhaften Geftalten den Rand
der Decke entlang, aber nur hie und da, und Blume und Arabeske trugen den
Sieg über diefe Ausgeburten einer kindifchen Phantafie davon.
Wenn das Gold in den fonftigen Arbeiten Perficns durch die Farbe ver-
drängt wird, fo behauptet es fein Recht in den Gewändern der Frauen.
Auf dem feidcnen Unterkleide, auf dem mit eingewebten Blumen ge-
fchmückten Leibchen, in dem Gazeftoffe des Oberhemdes, in dem mit Flitter
geftickten weifsen Mantel, überall blitzt und blinkt der Goldfaden durch, und er-
zählt die alte Mähr von der ihm angeborenen Wunderpracht. Auf dunklem
Sammet lag in einem Schranke eine Sammlung köftlicher Arbeiten vor, Gold-
und Silberbenähungen, Arabesken, in denen zwifchcn goldenen Ranken filbeme
254 DIE FRAUENARBEIT.
Vögel und Blumen leuchteten, Arbeiten, welche weniger durch die Zeichnung
als durch Glanz und Schimmer an ähnliche Producte Indiens erinnerten.
Die Gold- und Silberbenähung, der koftbarfte und blendendfte Schmuck der
Gewebe ift fo recht eigentlich in Indien daheim, und was diefes Land von
folchen Dingen, von mit Gold und Silber überfchütteten Gewändern und Decken
gebracht hatte, wurde von keinem anderen Lande erreicht. In den Prachtwerken
indifcher Technik dient der Goldfaden oder das blitzende Schnürchen nicht als
Randverzierung, nicht als koftbarer Schmuck, fondern wird zum Beflandtheile
des Gewebes, das es nahezu vollkommen bedeckt, und welches nur hie und da
durch die meift herrliche Zeichnung blickt, und ihr als dunkler Untergrund, als
Folie dient, aus der das fchimmernde Gepränge mit doppelter Gewalt leuchtet.
Die Deffins erfcheinen meifl in grofsen Zügen gezeichnet, da ifl nichts kleinlich,
nichts angflvoll klügelnd überdacht, fondern leicht, fchwunghaft fchlingt fich
Palme um Palme ineinander, und zieht grofsartige weite Linien über den dunklen
Sammet oder die purpurne Seide, auf der die Lalt von Gold und Silber liegt.
Während der Befchauer wie geblendet vor diefen blitzenden, glühenden
Dingen ftand, welche die Mehrzahl der Schränke füllten, begegnete fein Auge
da und dort auch anderen, weicheren Geweben, auf denen die köftliche Seide, der
feine, wollene Faden lag, und in verfchiedenartiger Technik verwendet, dem Unter-
floffe originellen Reiz verlieh. Es waren da Uebervvürfe und Shawls, auf denen
mit weifser oder mit fchwarzer offener Seide grofse Blumen und Ornamente in
Flachftickerei ausgeführt waren, und den ganzen Untergrund bedeckten. Die
Arbeit fah lofe gefügt aus, die Stiche waren fehr lang und die ofTene Seide lag
nicht knapp und ftramm auf dem Stoffe; aber eben dadurch machte die Arbeit
einen unendlich fchmicgfamen, weichen, kühlen Eindruck, fo wie man fich die
Gewänder denkt, die unter der heifsen, indifchen Sonne mit Behagen zu ver-
wenden find. Ebenfo köfllich und weich waren die Shawls von Cafchmir, auf
denen die Seide gleich den Schnürchen in fchöner Zeichnung aufgenäht war,
und durch die hie und da ein flimmernder Goldfaden zog, und dem Ganzen- den
Reiz fröhlichen, hellen Schmuckes verlieh. Die Shawls, nach perfifcher Art mit
feinen Deffins durchnäht, dafs fie fo ausfehen, als wären die Blümchen und Orna-
mente hineingewebt, waren auch in Indien zu finden, und darunter mancher, in
welchem ein ganzes Heer von Menfchen- und Thiergeftalten durcheinander
wimmelten, oft komifch grotesk gefügt, meifl aber in finniger Anordnung, fo
dafs fich bei näherer Betrachtung Bilder und Scenen aus der Gegenwart und
Vefgangenheit Indiens in dem fcheinbar wirren Durcheinander enträthfeln liefsen.
Viel naiver als diefe gewebten oder genähten Krieger und Frauen, Kameele,
Pferde, Vögel, Fürflen und Diener zeigten fich hie und da Nachbildungen der
Thiere in Seide und Gold, auf fammetenen Decken, der Löwe, der Hirfch im
Sprunge, mit dicken Füfsen, einem rothcn Zünglein und Augen voll leuchtenden
Flittergoldes.
Die Tambourarbeit in bunter Seide, wie fie überall im Orient geübt wird,
hatte Indien in unvergleichlicher Schönheit gebracht, und jedes Ding erfchien
tadellos, auf dem die feinen Kettenftiche lagen, die nicht feiten mit anderer
Technik vereint, neue, niegefehene Erfcheinungen abgaben. Mohn- und Cactus-
DIE FRAUENARBEIT.
255
blüthen in rother glühender Seide tambourirt, aus deren Kelchen goldene Staub-
fäden hingen^ Arabesken, zvvifchen denen die Flügeldecken blitzender Käfer
fchimmerten, feine feidene Blumen, durch die fich breite, fchwere goldene Bänder
fchlangen , und ähnliche reizende Erfindungen voll Eleganz und Tracht, zeigten
fich hier in ]'\ille. Oft war es ein köftlicher, reicher Unterftoff, auf dem folche
Zier lag, oft ein dürftiges, kattunenes Gewebe, das befcheiden und fchüchtern
aus dein wunderbaren, das Auge blendenden Zierwerk von tropifchen Blumen
und glüheiulem Golde hervorlugte.
Merkwürdig war es hier, in all diefem Glänze, unter all den Gewändern,
von denen manches wie ein funkelndes Gefchmeide erfchien, eine Arbeit zu ent-
Glafirte lürl<ifclie Kiiij;
decken, die uns durch ihre Fügung weit weg, bis hoch in den Norden Europa's
verfetzte. Es war das eine Decke, aus verfchieden gefärbtem, bunt bedrucktem
Kattun zufammengenäht, die aus Vierecken, aus Würfelkreuzen in weifsem
Untergrunde, und aus grellfarbigen Streifen befland, ein Ding, das ganz fo aus-
fah wie die Röcke, die Decken, die Schürzen, welche Rufsland zur Ausheilung
gebracht hatte. Unfcheinbar, vereinzelt, kaum bemerkt hing das fremdartige
Zeug hier zwifchen Gold und Seide, ohne dafs fein Urfprung, die Gefchichte
feiner .Uebertragung nach dem fernen, füdlichen Lande zu erforfchen war.
Weit verfchieden von der Frauenarbeit des übrigen Orients zeigte fich die
Japans und Chinas. Die Technik, welche in diefcn beiden Ländern vorzüg-
lich geübt wird," ift die der Flachflickerei mit gedrehter und mit ofTener Seide,
und zwar in letzterem Falle mit Fäden, deren Glanz und Feinheit unnachahmlich
erfcheint. Zart, dünn und doch flramm liegt die Stickerei auf dem Untergrunde,
Faden an l-aden, mit langen Stichen, die ineinander übergreifen, fich vermengen,
je nachdem eine neue Farbe, ein Schatten- oder Lichtton in die Zeichnung ein-
zuführen ift, wobei fich oft grofse Flächen ergeben, über denen die langen Fäden
256
DIE FRAUENARBEIT.
mit unvergleichlicher Glatte und feinem
Glänze ausgefpannt liegen. Viel weiter ge-
trennt als durch die Technik erfcheinen die
Frauenarbeiten Chinas und Japans von
denen anderer Länder durch die Zeichnung
und deren Motive. Hat uns der übrige
Orient die fliliflifche Hlume und die aus
ihr geflaltetc Arabeske als Hauptftück der
Deffms gezeigt , fo ift hier der Baum mit
feinen Aeflen und Zweigen, mit feinen
Blättern und Blüthen, die Vogelwelt mit
ihren leichten, graziöfen Geflalten, das
Waffer, die Luft mit ihrem Wolkenheere
der Vorwurf, der diefen Arbeiten zu Grunde
liegt. In China find es meid die Ariflokra-
ten der Vogelwelt, die köfllich befiederten,
fchimmcrnden Gefellen, wie Kraniche,
Pfauen, Reiher, die Eisvögel der Tropen,
der Paradiesvogel und viele andere, welche
fich auf und unter irgend einem breitäfli-
gen Nadelbaume zufammengefunden, wäh-
rend von nahe und ferne noch andere
Genoffen herzu fliegen, und mit ihren
.farbenprächtigen Schwingen durch die
Wolken ziehen. Japan bringt dagegen
wechfelvoUere Bilder, kleine S.tudien, die
fich dem täglichen Leben entnehmen laffen,
wie Vöglein, die fich im Halmenwald zur
Mittagsruhe zurecht rücken, den Hahn,
der halb in Stolz und halb in Liebe vor
feinen Hennen auf und nieder paradirt,
Reiher, die von ihrer Sommerreifc heim-
kehrend, in fröhlicher Gemeinfchaft durch
die Lüfte ziehen, Infecten, die in Luft und
PVeude durch die Gräfer fchwirren, oder
die fich wild befehdend, mit abenteuerli-
chen Geberden gegen einander rennen.
In China ift die bunte Gefellfchaft, die
wir draufsen auf dem grünen Baume ge-
fehen, auch auf die Gewänder übertragen;
zwifchen blitzenden, goldenen Halbmonden
und Sternen, zwifchen Wolken und blauen
Wogen fchwimmt und fchwebt das beflü-
gelte Volk auf dem feidenen Kaftan hin,
und nicht feiten waren feidene Shavvls und
DIE FRAUENARBEIT.
257
Eifemer Tifch von E. G. Zimmermann in Il.mau.
Tücher zu fehen, deren Zeichnung einen Vogel zeigte,' der in einem überquel-
lenden Meere von glühenden Hiunien unterzugehen fcliicn.
Als Gegenfatz zu folciier UeberfüUe, die oft wie in Ueberniuth und Ver-
sa
258
DIE FRAUENARBEIT.
zückung gefchaffen zu fein fcheint, als Gegenfatz zu dem bunten Gewimmel, in
welchem der hoch aufgebäumte Drache, kämpfende Vögel und fchwirrende In-
fecten durcheinander krabbeln, haben Japan und China vielfach die Skizze als
Bild, als gemalte, geflickte und gewebte Mähr gebracht, als finnige, nicht feiten
höchft klare Darftellung der einfachen, reizenden Scenen, die fich täglich und
flündlich draufsen unter freiem Himmel ergeben, zwifchen Schilfgras, Moos, am
Uferrande, auf der Felfenhöhe. In wenigen kecken Zügen war fo ein Bild ge-
zeichnet, in welchem Reiher oder Paradiesvogel, die Schwalbe, die jagende Katze,
der fratzenhafte Affe oder irgend ein anderer, oft ganz unfcheinbarer Gefeile in
treuer Darflellung und doch in dem verklärenden Lichte finniger Dichtung erfchien.
In Japan zeigte fich hie und da die Frauenarbeit in derfelben Verwendung
wie in der Türkei, nämlich als erhöhter Schmuck fchon deffinirter Kleidfloffe,
und zwar nicht fo befcheiden wie in dem letztgenannten Lande, als tambourirte
Bordüre, welche die hellen Streifen des Gewebes ziert, fondern geradezu prunk-
voll auf koftbaren Stoffen, in welche glühende, farbenprächtige Blumen gewebt
waren, zwifchen denen fchillernde- Falter, blauflüglige Libellen und tropifche
Vögel auf- und niederflogen , welche in der unvergleichlichen Technik des
Landes ausgeführt, wie gemalt erfchienen.
Japan und China zeigten uns, gleich dem kleinen Dänemark, wie fich na-
turaliftifche Motive in der Frauenarbeit verwenden laffen, ohne gegen die unde-
finirbaren Gefetze des guten Gcfchmacks zu verftofsen. Halb Wahrheit, halb
Dichtung und Erfindung, trugen diefe Arbeiten das Gepräge echt künfllerifchen
Werthes an fich, ohne den jede Frauenarbeit, bei welcher Zeichnung und Farbe
in's Spiel kommen, dauernden Reizes entbehrt. Willkürlicher angelegt, freier in
der Wahl des Vorwurfs , aber cbcnfo glänzend in der Ausführung zeigten fich
die Arbeiten Japans und Chinas neben denen des Orients. Angehaucht von der
Farbenfchönheit des Südens, überfchüttet von dem Sonnenglanze, der dort über
der Erde liegt, haben wir die Frauenarbeit des Morgenlandes in ihrer vollen,
blühenden Pracht gefehen. In dem dunklen, fchattenreichen Haufe des Orients
ift die Frauenarbeit die fchimmernde, lei'.chtende Decoration, die Licht und Leben
in die Räume bringt und fie wohnlich macht und fchmückt; fie ift zu folchem
Zwecke befonders geeignet, und was wir von ihr uns in Technik, in Zeichnung,
in Wahl des Materiales aneignen können, wird der europäifchen Frauenarbeit zu
ftatten kommen und ihr einen würdigen Platz neben den köftlichflen Decoration.s-
arbeiten moderner Induftrie einräumen.
Aus eben den europäifchen Arbeiten haben wir gefehen, dafs fie weit
weniger in der Technik als in l'arbcii und Zeichnung hinter denen des Orients
zurückblieben. In widerfinniger Verwendung von unzweckmäfsigem Materiale,
von geiftlofer Erfindung, häfslich in Form und Colorit fahen wir hunderte von
Dingen in fo tadellofer Technik ausgeführt, wie (ie nur die vollkommenften Ar-
beiten des Morgenlandes gezeigt. Es ift fafl unbegreiflich, wie fich Mufter und
Motive von fo unberechtigter Exiftenz, deren manche Länder ganze Heere
brachten, feit vielen Jahrzehnten -ein fafl unbeflrittencs Bürgerrecht in dem hoch-
cultivirten Europa erwerben konnten. Akademieen, Kunflfchulen , Mufeen find
entftanden, Kunfl und Gewerbe nehmen einen Immer mächtigeren Auffchwung
DIE FRAUENARBEIT.
259
Bunlglafirter Kaminofen, von der Thonwaareiifabrik der Magdeburger Bau- und Creditbank.
und ftreben nach Verfeinerung und Klarheit, in taufend Geflalten tritt die Ver-
allgemeinerung des Schönheitsgefühls zu Tage, das fich allcrwärts Bahn zu
w
IT
260
DIE FRAUENARBEIT.
PorzcllauvAic, n.icli Entwurf von A. Haufer, von Haas cV l..^. ^i. in Schlaggenwald.
brechen fucht ; nur die Frauenarbeit hält fich abfcits auf dem alten Wege und
fleht aus, als wäre fie nur da, um als Zeitvertreib für muffige Stunden zu
DIE FRAUENARBEIT.
2t) 1
■C-Aji»,
Li;uchtcr von BailjcdiL'iuicj in Paris.
dienen, dem man nicht Ziel und Zweck vorfchreiben darf, und der fich keinem
Vernunftgefctze unterzuordnen vermag.
Die Weltausftellung hat uns reichlich Gelegenheit gebotenj vergleichende
Studien zu machen, fie hat uns die einfachen Arbeiten der nordifchen Frauen
gezeigt, ihren Wcrth, ihren Reiz, fie hat uns gezeigt, wie mit dem befcheidenflen
Materiale, mit dem dunklen Baumwollfaden auf weifsem Grunde fich kleine,
unvergleichliche Kunflwerke durch edle, richtige Zeichnung fchafifcn laffen , fie
hat uns daneben den Orient in feiner ganzen glanzvollen Schönheit gewiefen,
fie hat uns da und dort erfichtlich gemacht, was der Frauenarbeit dauernden
Werth verleiht, wo fie als ein würdiges l'roduct der Menfchenhand tlen Werken
der Induftrie und der Gewerbe wohlberechtigt zur Seite fteht; fie hat uns gezeigt,
welche Bahnen fie zu gehen, welchen Zwecken fie fich zu wiilmen hat, wenn fie
vor den iVnforderungen gefteigerter Cultur beflehen , und fich als ein nutz-
bringendes Glied in dem grofsen, rafch bewegten Triebwerk der Induftrie der
Gegenwart und Zukunft erweifen will. Aglaia v. Endercs.
262
OEFFENTLICHE KUNSTPFLEGE.
-•HUIlHiiHllllillMIIII
Kelicl vun der l'urllcliiiUbmcdaille.
OefTentliche Kunstpflege.
Die Weltausftellung hat auf dem Gebiete der bildenden Künde, fpeciell auf
dem der Malerei keine neuen überrafchenden Resultate gezeigt, aber alte Wahr-
heiten und Lehren neu bekräftigt. Darin ift für die bildende Kunft der eigentliche
Werth der Ausheilung zu suchen.
Neue hervorragende Talente find nicht zur Geltung gekommen; nicht ein
Künfller ifl zu nennen, von dem man fagen könnte, er habe Ueberrafchendes
geleiflet. Das Ueberrafchcnde ifl; in unfern Tagen fafl unmöglich geworden. Die
Kunftvercinc und die Jahresausftellungcn bringen in reicher Fülle das, was in den
Ateliers producirt wird, und was etwa durch diefe nicht bekannt wird, das wird
es durch die Kunflfchriftfteller, die Kunfthändler und jene verfchämte und fcham-
lofe Reclame, welche fclbflverfländlich aus reinem Intereffe für die Kunfl laut genug
davon fpricht. Niemand darf Geh daher darüber wundern, dafs er in den Kunfl-
fälen der Weltausflellung durch abfolut neue Erfcheinungen nicht überrafcht
wurde. Für Wien machte nur E. v. Gebhardt eine y\usnahme.
Auch von einem Fortfehritte in der Kunfl ifl diefsmal nicht unbedingt zu
fprechen. Nur die Architektur und die Kunftgewerbe — beide vorzugsweife in
Oeflerreich — haben von fortfchreitenden Bewegungen, die nicht beflritten werden
können, Zeugnifs abgelegt. Die Malerei hingegen ifl eher in einer rückfchreiten-
den als in einer auffteigenden Bewegung begriffen. Das Befte, was an Gemälden
zur Anfchauung kam, haben Franzofen und Engländer geliefert, und diefe nicht
mit neueren Bildern, fondern mit älteren Werken, die mit Rückficht auf die Zeit
ihrer Entftehung eigentlich grundfätzlich von der Weltausftellung ausgefchloffen
fein follten.
Was aber die Ausftellung klar zur Anfchauung gebracht hat, das ift der
Einflufs der grofsen Bildungsanftalten auf die Kunft, auf ihre Stellung zum Staate,
zur Kirche, zur Gefellfchaft, der Einflufs, welchen die focialcn Strömungen der
Gegenwart auf die Kunftproduction ausüben.
OEFJ<'ENTLICHE KUNSTPFLEGE.
203
Frankreich vor Allem lehrt den Werth einer ^rüiuUichen Künftlerbildung auf
Akademien kennen, wahrend das deutfche Reich in diefer Beziehung faft Alles
zu wiinfchen übrig läfst. In Dcutfchland macht fich allein die Schule Piloty's
in München geltend, die eigentlich nicht durch die Akademie, sondern neben
ihr exiftirt und Zweige der Kunft — das Genrebild und das fogenanntc
hiflorifche Genrebild — pflegt, die eines akademifchen Unterrichtes und einer
akademifchen Methode des Unterrichtes cntrathen, ja defto mehr gedeihen, je
weniger fie fich an Akadcmifches anfchliefsen. In diefer Beziehung ifl Piloty eine
Specialität, deren F;influfs auf die Künftlerbildung bei dem Zuflande der Akade-
mien im deutfchen Reiche, der ein fafl troftlofer ift, nicht hoch genug angefchla-
gen werden kann.
Wo gäbe CS im deutfchen Reiche eine* Anflalt, die fich nur im Entfernteften
mit der Academie des Beaux-Arts in Paris, der Academie de France im Rom
meffen könnte? Wo wird dafelbfl mit folcher Confequenz die Kunft grofscn Stils,
'wo mit dem Ernfte betrieben, wie an der franzöfifchen Akademie? Wo find Künft-
lerpreise und Ausftellungen fo wohl organifirt und fo confequent durchgeführt,
wie in Frankreich? — Ich habe bereits aus Anlafs der crften Weltausftellung")
in Paris auf die Confequenzcn der Organifation des Kunflunterridits in Frankreich
aufmerkfam gemacht - für Oefterreich nicht ganz ohne Erfolg — und damals
fchon nachgewiefen , dafs die unbeflreitbare Suprematie Frankreichs in Angele-
genheiten der Kunfl; wefentlich von der trefflichen Organifation der Kunrtanflalten
und der Kunficrziehung abhängt, die bis in die Zeiten Colbert's, in gcwiffer Be-
ziehung bis in die F>anz des I. zurückreicht. Auf der Wiener Weltausftellung
trat diefe Thatfache noch entfcheidender in den Vordergrund. Aber nicht genug
damit, — auch der Anthcil des Staates und der Gcfellfchaft macht fich in Frank-
reich ganz anders bemerkbar als im deutfchen Reiche.
Im deutfchen Reiche giebt es keine Akademie der bildenden Künfte, die im
Stande wäre, der deutfchen Nation jenen Fonds folider Kunfibildung zuzuführen,
wie dies in Frankreich der I'all ift. Mehrere deutfche Akademien bewegen fich
in fo beengten Verhältniffcn, dafs von einem Einfluffe dcrfclben auf die Kunftbil-
dung der Nation nur in fehr befcheidenem Mafse die Rede fein kann. Die Düffel-
dorfer Akademie ift gröfsercm ftaatlichcn Einfluffe faft entrückt. Die Münchener
Akademie, in der Zeit ihrer Blüthe von einem grofsen und grofse Ziele verfol-
genden Künftlerftand umgeben, getragen von den Ideen der Romantik auch in
P'ragen der Künftlerbildung, ficht fich gegenwärtig vereinfamt, unil niufs, wie die
Diiffeldorfer Malerfchule, ihren Blick auf den Markt werfen und das pflegen, was
diefer begehrt. Die Dresdener Akademie hat ihren Schwerpunkt in den beiden
Ateliers für Plaftik, welche in den Händen von Hähnel und Schilling liegen. Und
die Berliner Akademie, die am meiden dazu berufen fem foUte, einen Mittelpunkt
für grofse Kunftbeftrebungen zu bilden und für die deutfche Kunft das zu fein,
was die Berliner Universität für die deutfche Wiffenfchaft zur Zeit ihrer Gründung
war, — jetzt freilich nicht mehr ift — die Berliner Akademie ift von allen deutfchen
*) Briefe über die moderne «Kmirt Frankrcich-i aus Anlafs dur l'arifer Wetlausflellung von 1855.
Wien 1858.
264
o]':ffrntliciie kunstpflege.
mMm^
Angelica (Orlando Fiiriofo), von A. Pialli.
OEFFENTLICHE KUNSTPKLEGE.
265
Kunflandalten diejenige, die am wenigften leiftet und am meiften von dem ent-
fernt ift, was man von der Kunftakadeniie des erften, tonangebenden deutfchen
Staates erwarten foUte.
Allerdings hat das deutfche Reich den Vorzug, dafs es höhere Kunftanflalten
in einer grofsen Anzahl von Städten befitzt, aufser den genannten in Stuttgart,
Königsberg, Weimar, Karlsruhe, Nürnberg — und dafs eben dadurch das Kunfl-
teldlialche von Miiitoii in Slokc upon Tient.
leben felbft weniger monoton, reicher und lebendiger geftaltet erfcheint als das
franzöfifche. Aber diefe Vielgeftaltigkeit des deutfchen Kunftlebens ift von un-
beflreitbarem Vortheile doch nur dann, wenn fie an gewiffe Vorausfetzungen ge-
knüpft irt, die leider nicht immer vorhanden und Krankreich gegenüber nicht
ganz zutreffend fuul. Auch in manchen franzöfifchen Städten aufserhalb Paris
giebt es gute Kunftfchulen, der Unterricht in den Parifer Ateliers bietet hinlänglich
Spielraum für ein reichbewegtes, nach vcrfchiedenen Principien auseinander-
34
266
ÜEFFENTLICHE KUNSTPFLEGE.
gehendes Kunflleben, und die Provinzialniuseen find fchon feit langer Zeit viel
beffer organifirt, als die im ganzen deutfchcn Reiche.
Die deutfchen Höfe find nicht mehr grofse Mittelpunkte für Kunflbeftre-
bungen, wie es theilweife früher der F'all war. Nur fehr wenige deutfche Fürflen
find Amateurs und Kunftfreunde im eigentlichen Sinne des Wortes, — «adparent
rari nantes in gurgite vasto». An den Höfen werden neben höfifchen Intereffen
nur politifche, kirchliche und Familienangelegenheiten gepflegt. Für das Kunftleben
ifl diefs nicht ohne üble Folgen; faft überall dominirt eine gewiffe Bureaukratie
— und insbefondere die Baubureaukraten find es, welche der Entwicklung der
Architektur und der mit ihnen in Verbindung flehenden decorativen Künfte im
deutfchen Reiche hemmend in den Weg treten.
Der Mangel an vornehmen und an reichen Amateurs mit wirklicher Kunfl-
bildung, welche in F"rankreich und England fo zahlreich find, weift die Künftler
auf Hervorbringung eines gewiffen Mittelgutes hin und drückt wie die künftlerifche
Fachbildffng fo auch die Kunftfchulen, vor Allem die Malerfchulen auf ein ge-
wiffes Mittelmafs in dem, was gelehrt, in dem was angeftrebt wird, herab, das
theilweife weit abfeits von dem liegt, was die eigentliche Kunft und Kunftbildung
verlangt. Dazu kommt noch das überwuchernde Kunftvereinsleben, das gleich-
falls die Mittelmäfsigkeit in der Kunft befördert.
„Nicht dafs die Franzofen talentvoller find, als wir Deutfche, — fagte
zu mir vor Kurzem ein hervorragender deutfcher Künftler drückte uns auf
der Weltausftellung, fondern das, dafs die Franzofen mehr und gründlicher lernen,
als es bei uns der Fall ift." — Und das ift eine der wichtigften Lehren, welche
die Weltausftellung uns gab; es mufs der Kunftunterricht an den deutfchen
Kunftfchulen umfaffender und gründlicher betrieben werden, wenn überhaupt die
Schäden der modernen deutfchen Kunft von ihren Wurzeln aus befeitigt werden
follen, die im Unterrichte, ihren Boden haben. Es ift allerdings der akademifche
Kunftunterricht pedantifch und doctrinär betrieben worden, und es ift gut gewe-
fen, dafs die Romantik und der Realismus, die jetzt an den meiften deutfchen
Kunftfchulen dominiren, den akademifchen Zopf entfernt haben, der jede poe-
tifche Eigenart erdrückte. Aber nachdem dies gefchehen ift, wird es doch wieder
gut fein, auf das Methodifche des Unterrichtes ein befonderes Gewicht zu legen
und mit mehr Gründlichkeit das zu pflegen, was einzig und allein Gegenftand
des akademifchen Unterrichtes fein kann. Und das ift es, was die franzöfifchen
Künftler fo auszeichnet; fie haben Schule, fie wiffen mehr und wiffen gründlicher;
und fie befchäftigen fich mit dem, was zum Wefen der grofsen Kunft gehört, an
ihren Kunftfchulen ernfthafter.
Sie kennen nicht blofs die Antike und den menfchlichen Körper gründli-
cher, als die deutfchen Künftler; fie haben auch eine eingehendere Kenntnifs der
alten Meifter. Nicht blofs das zur Gewohnheit gewordene Studium der alten
Gemälde im Louvre giebt ihnen das Fundament zu einer tüchtigen künftlerifchen
Fachbildung, nicht blofs die Art und Weife, wie fie an ihren Akademien in Rom
und Athen Kunft überhaupt, alte Kunft fpeciell ftudiren, fondern auch ihr Um-
gang mit den Amateurs und mit den Kennern erweitert ihren künftlerifchen Ge-
fichtskreis. Sie wiffen, was ein vinttir bedeutet, in der Vergangenheit wie in der
OEFFENTLICHE KUNSTPFLEGE.
267
Gegenwart. Die franzöfifchen Kiinftler leiden nicht unter dem geiftig nivelliren-
den Einfluffe der Vereine, unter dem fcluiblonenartigen Tractamente, das für
Kauf- und Händlerbilder ausreicht, aber die kiinltlerifciie Individualität in ihrer
VVury.el angreift. Allenlings kommen den franzöfifchen Künftlern auch Traditionen
zu flatten, welche im deutfchen Reiche fafl; gänzlich verloren gegangen fmd:
die Traditionen der Kunftpflege am Hofe, im Staat, in der Kirche und der Ge-
meinde.
Es \i\ in h'rankreich eine feflflehende Tradition, dafs die Pflege der Kunft zu
den Aufgaben aller diefer genannten Factoren gehöre. Ill diefs im deutfchen
Reiche in demfelben Grade der Fall?
Sfeiiueug von Daltoii.
Im deutfchen Reiche haben die Ideen der romantifchen Schule den Refl der
akademifchen Traditionen zerflört. Ohnehin waren diefe felbst nicht bedeutend,
und in keiner Weife fo feft begründet, wie es in Frankreich der Fall war. Die
Methoden des Unterrichtes individualifirten fich, je nach der fubjectiven Anficht
des l'rofeffors; der nachfolgende konnte und wollte vielleicht nicht an das an-
"knüpfen, was und wie fein Vorfahr lehrte. Das Lernbare wurde auf ein Mini-
mum reducirt. Nicht blos in der Malerei, fondern auch in der Sculptür und in
der Architektur macht fich dies geltend. In vielen deutfchen Städten nahmen,
wie auch in Wien — wo unter Rösner, van der Null und v. Sicardsburg reine
Romantiker lehrten — den architektonifchen Unterricht nicht die Akademien,
fondern die polytechnifchen Inftitute unter ihre Fittige; dort wird umfaffender und.
268
OEFFENTLICHE KUNSTPFLEGE.
vviffenfchaftlicher in Architektur unterrichtet, als an Akademien, wo faft nur noch
ein Atclicrunterricht gegeben werden kann.
In der Sculptur und in der grofsen Figuren-Malerei tritt die Ucberlegcnheit
der franzöfifchen Schulung der deutfchen gegenüber eclatant hervor. Die päda-
gogifchen Verfucher, fei es vom Standpunkte der Romantik, fei es von dem des
modernen Realismus — einer fchwächlichen Kunflpflanze gegenüber dem gewal-
tigen NaturaHsmus der flämifch- holländischen, fpanifchen und ncapolitanifchen
Schule des XVII. Jahrhunderts — haben an der Akademie in Paris keinen Platz.
Präfentir-Teller in Kryftall, Kaffung in vergoldetem Silber und Email, von Ratzersdorfer
Das Verhältnifs zur Antike, die permanente Hinweisung auf die grofsen Tradi-
tionen der toskanifch-römifchen Schule des XV. und XVI. Jahrhunderts werden
durch die Akademie in Rom und durch die vorhergehende Schule an der Aka-
demie in Paris auf eine fefle, nicht leicht zu verrückende Grundlage geftellt.
Des Lernbaren in der Kund ifl aber mehr, als die Romantiker zugeben woll-
ten, und mehr als jene Künftlef zugeben, die an den deutfchen Akademien in
der Blüthezeit des poetifirenden Romanticismus ihre Studien gemacht. Diefe er-
weifen fich heutzutage als abfohlt ungenügend. Pline Umkehr ifl nöthig. —
Vor uns liegt die «Lifte des objets exposes par la Ville de Paris» (Ex-
position universelle de Vienne 1873. Paris 1873. 143 S.) Was ftellte die Stadt Paris
in erfler Linie aus? Es waren Gegenftände der Kunft.
i
OEFFHNTLICHE KUNSTFFLEGE.
2Hfl
Kanne in Bergkryftall mit Silberfaffung, von Ratzersdorfer in Wien.
Unter dem „Service des travaux d'architccturc" fanden fich der
Juflizpalaft von J. L. Duc, die Handelskammer von Bailly, die Kirche des h. Am-
brofius von Ballii, die Kirche des h. Aiiguftinus von Baltard, die Kirche des h. Bern-
hard von Maf;ne, die Kirche des h. Fran/.-Xaver von Liiffon u. f. f., einige Com-
munal- und Schulbauten, die Fontaine des Theeitre frangais, die St. Michel um!
Luxembourg von Davioud u. a. m. Am interelTanteften find die Projecte zur
Reftauration des Hotel de Ville, insbefonde/e die von Ballu und Deperthes, aus-
gezeichnet mit dem erften Preis. Man ficht, die Stadt Paris verwendet felbfl-
fländige vXrchitekten zu ihren Bauten.
Diefer Abtheilung reihte fich der «Service des Beau.x-Arts» an und zwar
peinture: tableaux, dessins, aquarelles, photographles, vitraux; ferner sc ulpture,
270
ÜEFFENTLICHE KUN^TPFLEGE.
gravure en medailles, gravure cn taille douce, tapifferies. Der Katalog dos
Service des Beaux-Arts umfafst 54 Seiten. Er verdient eine eingehende Be-
trachtung.
Unter den Hiflorienmalern , die im DienRe der Stadt Paris gemalt haben,
kommen Künfller aller Richtungen vor, Barrias, Delacroix, die beiden Flandrin,
Glaize, Heffe, Jobbc-Duval, Lehmann, Eencpveu, Robert-Fleury, Signol, Yvon
u. A. m.
Die meiften der Oel-, Fresco- und Glasgemälde find für Kirchen der Stadt
Paris, in zweiter Linie für andere Communalbauten ausgeführt. Daffelbe gilt von
der Bildhauerei; auch in diefer Abtheilung erfcheinen Künfller vcrfchiedener Stil-
richtung, Carrier-Belleufe, Duret, F'remiet, Guillaume, Maillet u. f. f. Die alte
Gewohnheit, Denkmedaillen auf wichtige Ereigniffe prägen zu laffen, hat die Stadt
Paris aufrecht erhalten
Cafretlo Voll V., d. Zimmenuann in Hanau.
Unter den Kupferflichen find Blätter, mit dem Grabftichel ausgeführt, nach
Gemälden aufgezählt, welche der Stadt Paris gehören. Kurz, diefe Ausftellung
der Stadt Paris war ein Fingerzeig für alle jene, welche wiffen wollen, woran es
liegt, dafs die Kunft in Frankreich fo mächtig gedeiht. Nicht blofs die Kunfl-
fchulen Frankreichs find beffer organifirt und werden nach höheren Gefichts-
punkten geleitet, die Künfle flehen auch im Budget der Commune. Aufser Wien
wäre keine Stadt Mitteleuropa's im Stande, eine Ausflellung ähnlicher Art vor-
zuführen, und Wien felbfl; nur auf dem Gebiete der Architektur und der decora-
tiven Künfte, nicht der Sculptur und der Malerei.
In Oeflerreich aber ift es nur die Stadt Wien, die aus Communalfonds
die Kunfi fördert — wir rechnen dazu den Rathhausbau, den Bau und die y\us-
fchmückung der Kirche unter den Wcifsgärbern, die monumentalen Brunnen auf
dem neuen Rathhausplatze, die Bronzegüffe des Donner'fchen Brunnens auf dem
Mehlmarkte u. A. m. — aber wie fähe es mit Prag, Innsbruck, Lemberg, Krakau
oder anderen Städten aus, in denen Künfller leben? Was thun die Communen
für fie, wie faffen diefe die Kunftaufgabe innerhalb der Commune auf? Es fcheint
OEFFENTLICHE KUNSTl'FLEGE.
271
faft, als ob die guten Vater diefer I lauptftädtc über diefe ihre Aufgabe noch
wenig naciigetlaclit hatten.
Aber wenden wir uns zum deutfchcn Reiche — wie fleht es mit der Kaifer-
ftadt an der Spree, wie mit dem Communalbudget anderer Grofsftadte in diefer
Beziehung? Ich fehe die Phyfiognomien unferer künftlerifchen Freunde fich er-
heitern, wenn fie eine folche Frage beantworten follen ; — und jeder weifs, was
diefes ironifclic Lächeln zu bedeuten hat. Die grofsen Communen thun faft gar
nichts für Sculptur und Malerei, und fowenig wie möglich, — häufig nur foviel
wie die Staats- und Stadtbfiubehörden erlauben — für Architektur als Kund.
Die Commune von l'aris läfst Fresken und Altarbilder für Kirchen malen
1 irckc-l der (.'alTelto aiil S. 270, vun E. G. Zinmujiiu.iiHi 111 ll.m.iu.
und folgt darin dem Heifpiele, welches der Staat in Frankreich giebt, — und die
Commune von Paris gehört nicht zu denjenigen Corporationen, welche der kirchlichen
Gefinnung verdächtig und. Gerade deswegen ifl: es bezeichnend für ihre Stellung
zur Kunft, dafs sie die Malerei für die Kirche zu ihren Aufgaben zählt. Es liegt
darin der grofse Unterfchied in Auffaffung der Kunflförderung dielTeits und jen-
feits der Vogefen. Hier pflegt man die Gefinnung, dort die Kunft. In Frankreich
benützt man jede Gelegenheit zur Förderung der Kunft, im deutfchen Reiche
geht man derfelben, fo viel es anftändiger Weife nur geht, aus dem Wege, —
vor AUeni auf dem Gebiete der Kunft für die Kirche. Man hat gegenwärtig
vielleicht den guten Vorwand, die feindfelige Stellung der Kirche zum Staate
und der Nation nicht durch Kunftunterftützung ftärken zu wollen; in Wahrheit
aber hat man keine Vorftellung von der Bedeutung der kirchlichen Malerei für
die Förderung der Kunft. Es fehlt, wie an der rechten Kunftbildung, fo auch an
tieferem Kunftverftändnifs.
Auf der einen Seite macht man die Beftellungen für Kunftwerke in der Kirche
von der Stilrichtung und der (icfinnungstüchtis'keit der betreffenden Künftler ab-
272
OEFFENTLICHE KUNSTPFLEGE.
^ C)<^,' i-
hängig, ganz untreu allen Traditionen der Ge-
fchichte, allen Beifpielen, welche Frankreich, Bel-
gien und Italien geben, und fchliefst damit Künft-
1er erflen Ranges und ganze Stilrichtungen von
derKunftübuiig für die Kirche aus; von der andern
Seite dünkt man fich für zu freifinnig untl liberal,
um Künftlern noch mit Aufgaben zu kommen,
für welche in den modernen Iwangelien keine
Stelle zu finden ift. In Frankreich kennt man
weder diefe Gefmnungsmalerei, noch diefen dün-
kelhaften Liberalismus, der jeder Berührung mit
der Kunfl in der Kirche fcheu aus dem Wege
geht, fondern man giebt Künftlern die in Deutfch-
land wie in Oefterreich fo feltene Gelegenheit, fich
in Vorwürfen grofsen Stiles zu verfuchen, wie fie
die Kirchenausfchirtückung verlangt, fo oft fich
eine folciie Gelegenheit darbietet. Daher kommt
es, dafs in Frankreich die Gewohnheit, im grofsen
Stile zu arbeiten, nicht aufgehört hat; eben des-
wegen haben die franzöfifchen Kunftausflellungen
einen vornehmen, das Ideal nie verläugnenden
Charakter, während die öfterreichifcheunddeutfche
Kunflausflellung wie eine vergröfserte Kuiifl\'er-
einsausflellung unter den Arkaden in München,
unter den Tuchlauben in Wien, bei Sachse in
Berlin oder Schulte in Düffeldorf ausfieht, —
ermüdend durch Vorführung von Bildern deffel-
ben Charakters, fich meiflens befchränkend auf
Genrebilder und Landfchaften und einige Portraite,
denen man anfieht, dafs das grofse Portrait, wel-
ches aus der Uebung der grofsen Hiftorienmalerei
hervorgeht, nicht gepflegt wird, während die
wenigen hiftorifchen Gemälde, eigentlich mehr der
hiftorifchen Decorationsmalerei als der hiftorifchen
Kunfl angehörend, die Bedürfnifslofigkeit ihrer
Erfcheinung, das Nicht- im Einklänge-Stehen mit
den Anforderlingen des Staates und der Gefell-
fchaft in wahrhaft betrübender Weife an der Stirne
tragen.
Allerdings hat fich das Wechfelverhältnifs der
bildenden Kunfl zur Gemeinde im deutfchen Reiche
etwas gebeffert; aber das Verhältnifs der Kund
zur Kirche und felbft zum Staate könnte fich in
keinem trüberen Lichte zeigen, als es auf der
Wiener Weltausflellunir trefchah.
OEFFENTLICHE KUNSTPFLEGE.
273
Faft auf jeder Seite des franzöfifchen Kunftkataloges ift das ftolze Wort zu
lefen: «Appartient a l'Ktat,» — fchr feiten würde man auf einem Kataloge in
Preufsen, Oefterreich, Bayern, Sachfen diefes Wort hinzufügen können. Der Staat
giebt eben fo wenig wie möglich Geld aus, und faft fcheint es eine Verlegenheit,
wenn irgend ein deutfcher Künfller, getrieben von dem Drange, etwas im grofsen
Stile zu arbeiten, was über das Mafs der Vereins- und Handelsbilder hinausgeht,
mit einem Werke hillorifchen Stiles auftritt und l^rfolg hat, was man bei der ftetigen
Ebbe des Kunftbudgets machen foU mit Werken, die fchon ihrem Gegenftande
Egyptifcher (loWfchmuck.
nach das laute Geheimnifs vcrrathen, dafs fie gemalt find ohne Auftrag, dafs fie
für keine flaatlichen Hedürfniffe beflimmt find, und dafs der Staat — ungleich
den franzöfchen Nachbarn — fo bedürfnifslos in Sachen der Kunfl, fo bureau-
kratifch-haushälterifch ift, dafs er weder beftellen kann, wie der franzöfifche, noch
auch wollte, wenn er es könnte.
Wahrend die Königreiche Italien und Ungarn ft)rcirte Verfuche machen, die
Kunfl an das politifche Räderwerk des Staatskarrens zu befeftigen, und fie dort
beftimmt fcheint, die treibenden Gedanken der Politik durch die Action der
Künftler zu verftiirken, geht man in Oefterroich und liem deutfchen Reiche mit
u
274
OEFFENTLICHE KUNSTPFLEGE.
einer Naivetät vorwärts, die auf der Weltausftelliing flark markirt war. Die deut-
fchen Siege in dem letzten franzöfifch-deutfchen Kriege haben einige Schlachten-
bilder, einige Portraitbilder von, wenn auch achtbarem, doch nicht hervorragen-
dem Werthe hervorgerufen. Sonft war, eine Haupt- und Staatsaction aus der
preufsifchen Gefchichte ausgenommen, kaum ein gröfseres Gemälde auf der
Ausflellung, aus dem hervorgehen würde, dafs man die Pflege der modernen
Kunit mit den Factoren des Staates und mit den Anforderungen des grofsen
Stiles in Einklang bringt.
Während Frankreich durch ein wohlorganifirtes Syftem von Ankäufen mo-
derner Bilder dafür forgt, dafs den Anfchauungen der Nation und der kunflge-
bildeten Amateurs voUfländig Rechnung getragen wird, fchreitet man durch die
modernen Abtheilungen der Belvederegalerie in Wien, der neuen Pinakothek in
München, der modernen öffentlichen Bilderfammlungen in Berlin und Stuttgart,
ohne die Spur eines überlegten oder organifirten Syftemes von Ankäufen und Be-
ftellungen von Staatswegen zu entdecken. Auch bei der Decorirung von öffent-
lichen Gebäuden, ungleich dem in Frankreich bereits in Uebung beflehenden
Syftem, fcheut man fich , das, was man thut", in eine einigermafsen organifche
Verbindung mit Kunflpflege und Künftlerförderung zu bringen.
Man fagt immer, der Staat in Deutfchland ift arm, das Volk ist wohlhabend,
aber nicht reich; es kann nicht beftellen wie in P'rankreich. Aber man vergifst
dabei, dafs die Pflege der grofsen Kunft in PVankreich dazu beiträgt, die Nation
reicher zu machen, und dafs all der Glanz, welchen die franzöfifche Kunftindu-
ftrie entwickelt, die Folge der gröfsercn Kunftpflege und Kunftbildung ift. In
P'rankreich weifs man, dafs man mit den Akademien in Paris und Rom, mit den
Staatsmanufacturen in Sevres und den Gobelinsfabriken in Paris und Beauvais
nicht blofs die Künftler und die Kunft fördert, fondern auch die Nation berei-
chert und das Ausland befteuert. Denn aucli das deutfche Reich, trotz feiner
angeblichen Sparfamkeit, bezahlt die franzöfifchen Bronzen und Spitzen, Porzellan-
waaren und Gemälde fehr theuer — während es aus übelverftandener Spar-
famkeit fein Kunftbudget und feine Staatsfabriken, wie die Weltausftellung zeigte,
nicht fo dotirt, um dem franzöfifchen Einflufs gewachfen zu fein, feine erften
Akademien verkümmern läfst, für grofse hiftorifche Malerei im Dienfte des Staates
und der Kirche nicht forgt und fein Bauwefen von dem Einfluffe des Beamten-
thumes nicht emancipirt.
Es fcheint zwar gegenwärtig in kunftgewerblicher Beziehung im deutfchen
Reiche die Erkenntnifs zum Durchbruche gelangt zu fein, dafs mit dem Ausmafse
des Kunftunterrichtes, wie es bis jetzt üblich war, gebrochen werden, dafs neue
Wege betreten werden muffen. Aber es ift unfere volle Ueberzeugung, dafs die
Kunftgewerbe nicht getrennt von der grofsen Kunft und der Kunftpraxis geübt
werden können, und dafs, wenn jene gehoben werden follen, auch die Schäden
in der grofsen Kunft, die fich im deutfchen Reiche auf der Wiener Weltausftel-
lung deutlich genug gezeigt haben, befeitigt werden muffen.
Was Oefterreich in diefem Momente mächtig fördert, ift die gewonnene Ein-
ficht in das, was fowohl der Kunft. als der Kunftinduftrie Noth thut, die grofsen
monumentalen Bauten, die Befreiung der Architektur von der Bureaukratie, die
OEFFENTLICHE KUNSTPFLEGE.
275
Rcformbevvegung auf tkin Gebiete der Kunft, die
jetzt in Flufs j^cbraciit ift, - - was Oefterreich liemnit,
das ift die politifche Zwietracht im Innern, die man-
gelnde Ueberzeugung bei Vielen, einem Staatsleben
anzugehören, gleichen Ciilturzwccken zu dienen. In
diefen Dingen fteht Oefterreich nicht blofs hinter
Frankreich, fondern auch hinter dem deutfchen Reiche
zurück.
Der Kunft im deutfchen Reiche fehlt, wie fie
auf der WeltausftelUin^ crfcliien, der Zug nach dem
lileale, die Ueberzeugung, dafs die Kunft als ein
völkerbildendes und völkererziehendes Element einen
l-'actor im Staatsleben bildet, der auch im volkswirth-
fchaftlichen Sinne durch Nichts erfetzt. werden kann,
— fowenig wie grofse Kunftfchulen, d. h. Schulen,
welche grofse Ziele in der richtigen Methode verfol-
gen, nicht durch Kunftfchuk'ii erfetzt werden können,
die am Kndc Niemandem dienen, als kleinen Ama-
teurs, Kunstvereinen und Bilderhändlern.
Was es nützt, wenn Talente, wie Schinkel und
Rauch, Cornelius und Klenze, Rietfchel und Schnorr
von Staatswegen in den Kreis einer grofsen Wirk-
famkeit verfetzt werden, hat die deutfche Nation
ebenfo zur Genüge erfahren, wie das, was fie damit
verloren hat, feiner Zeit Talente, wie Carftens, Genelli,
Rahl, Üverbeck zurückgefetzt zu haben.
Der Franzofe verfteht es am heften, eine Künft-
lerindividualität par excellence zu fchätzen und zu ver-
werthen; ihm gilt in erfter Linie nicht die Richtung,
fondern das Talent. Jeder begabte franzöfifche Künft-
1er weifs es, dafs, wo auch immer er leben möge,
der Staat feine fchützende und fördernde Hand über
ihn ausftreckt; Frankreich verläfst feine Künftler nicht.
Ift aber einmal ein deutfcher oder öfterreichifcher
Künftler aufserhalb feines Vaterlandes, wie feiten ift
es, dafs die Heimat fich feiner erinnert. Nicht der
Künftler. entfremdet fich dem Staate; der Staat ent-
lafst den Künftler aus feiner Fürforge. Sowenig fich
die Commune Wien feiner Zeit um ihre hervorragen-
den Kinder, Schwind, Rahl und Steinle gekümmert
hat, ebenfo ift vereinfamt und verlaffen von feinem
Vaterlande üverbeck in Rom geftorben, ohne dafs
weder feine Vaterftadt noch fein Vaterland feine
künftlerifche Frbfchaft übernommen hätten.
is ;>ri: 1
3W^^:i
Guldnickerci auf rulhem
Sammet von Uiani.
SS«
276
OEFFENTLICHE KUNSTPFLEGE.
Rahmen, in Gold und Schwarz, von Ch. Ulrich jun. & Co. in Wien.
Und dicfs ift eben eine der vielen Confequenzen davon, dafs der Staat die
Pflege der Kunft nicht als zu feiner Sache gehörig betrachtet, die Kunft und die
Künftler fich felbft überläfst, während jeder, der auf der Wiener VVeltausflellung
die franzöfifche Kunft betrachtete, die führende Hand des Staates wahrnahm, eine
Hand, die es gewohnt ift, die Sache der Kunft als eine Sache der Nation feft-
zuhalten. Diefs gilt nicht blofs in den hier berührten Fragen: in noch höhcrem
Grade machte fich in Frankreich die ftaatliche Intelligenz geltend, wenn man die
glänzende Ausftellung der «CoUection des monuments historiques de France»
(appartenant ä l'Etat) und die XVIII. Gruppe: «Materiel et procedes du genie
civil, des travaux publics et de l'architecture» eingehend unterfuchte. — Und irre
OEFFKNTLICHE KUNSTI'FLP:GE.
277
SchülTel von Million in Sloke iipuii Treiit.
icli nicht, fo liegt darin der gröfste Werth der Weltausftellimg in Wien für die
dcutfche Nation, dafs fie derfelbcn nahe gelegt hat, das Wechselverhaltnifs des
Staates zur Kunft auch nach der Seite hin zu prüfen, wo es fich nicht um die
/Vusbeutung der Kunft für politifche oder Staatszvvecke, fondern um interne
l-'ragen der Kunft, um die Erziehung des Volkes zur Kunft und die Förderung
der Vülkswohlfahrt durch die Kunft handelt.
R. V. Eitclbcrgcr.
•C*^
■278
PLASTIK UND MALEREI.
Schale in cinaillirtciii Mclall vuii Elkiii^lon.
Plastik und Malerei.
I. Einleitung und Uebersiclit.
Die darRcllcndcn Künde, l'laftik und Malerei, fpielten auf der Wiener Welt-
ausflellung räumlich eine fehr hervorragende Rolle. Es war ihnen ein besonderes
Gebäude eingeräumt, deffen Flügel (Pavillons) einen geräumigen Hof umfchloffcn,
und in ihm hatte fich eine fehr grofse Zahl von Künftlern zum Theil mit ansehn-
lichen Reihen vcrfchiedenartiger Werke verfammelt. Trotzdem bot die Aus-
flellung als Ganzes betrachtet lange nicht ein fo befriedigendes Bild von der
Kunfl; der Gegenwart, wie man hätte erwarten follcn, und wie es die Parifer
Weltausflellung von 1867 annähernd bot.
Die Gründe diefer Erfcheinung find verfchiedener Art. Nicht ganz unberührt
blieb auch die Kunft von dem verfehlten Anordnungsprincipe der gefammten
Ausftellung; denn wiewohl _ fie dem Namen nach ifolirt und innerhalb ihres
Kreifes zufammengehalten auftrat, fanden fich doch fehr wefentliche zu ihr ge-
hörige Stücke an verfchiedenen Punkten der y\usflellung zerflreut vor, und es
war nur um fo flörender, diefen verlorenen und verfprengten Theilen nachgehen
7,u muffen, je mehr das Vorhandenfein derfelben mit dem vorgeblichen Princip
im Widerfpruche ftand.
Dazu kam, dafs das eigentliche Kunfllocal, man darf fagen, fo ungünftig wie
möglich war. Es liegt anderen Berichtcrftattern ob, die AufftcUung von Kupfer-
flichen und architektonifchen Zeichnungen in offenen hölzernen Hallen auf ihre
I. i:iNLEITUNG UND UKHERSICHT. 279
Zulaffipjkeit zu prüfen. Aber auch denjenigen Räumen, welche mit Bildern und
Sculi)turen angefüllt waren, manfjelte es an den werentlichflen l<>forderniffcn :
zunächft an Uebcrfichtlichkeit. Das Scheitern der „Exposition des Amateurs", von
der nur ein kleines BruchlUick zur Ausführung kam, machte Räume disponibel,
deren fich die viel zu klein angelegte Kunfthalle für die Aufftapelung der ihr zu-
gewiefenen Schatze mit Vergnügen bemächtigte, die aber ganz zusammenhangs-
los gewi ff ermafsen einen Ariadnefaden nöthig machten, um fich in der Gesammt-
heit der einer Kunft gewidmeten Räume zurechtzufinden.
Ferner waren trotz diefer unverhofften, aber sehr erwünfchtcn ]'>weiteriing
die Kunrträume bei Weitem zu klein. Nicht nur, dafs, wie z. B. von Deutfch-
land bekannt und nachweisbar ift, ein fehr erheblicher Bruchtheil der zur Aus-
flellung angemeldeten Werke nicht etwa ihrer Unzuläffigkcit wegen, fondern
lediglich aus Mangel an Raum hat zurückgewiefen werden muffen, fo dafs man
manches fchätzbare Werk in Wien bedauernd vermiffen mufste, • — fondern felbst
die zugelaffenen mufsten fo hoch über einander gehängt werden, wie es mit
einer rationellen Bilderanordnung unbedingt unverträglich ift. Die zuläffige
hüchfle Grenze der Behängfläche von 15 bis 16 Schuh war zum Thcil um mehr
als die Hälfte überfchritten , fo dafs eine wirkliche Beurtheilung der IJilder zur
Unmöglichkeit wurde.
Hierzu gefeilte fich nun noch der Umfland, dafs gerade die Haupträume ein
fo abfcheuliches Licht hatten, wie es kaum in irgend einer der europäifchen Ga-
lerien angetroffen wird. Wenn es wahr fein follte, dafs dies, wie man fich aus-
drückte, die ,, Generalprobe" für die Beleuchtung der neu zu erbauenden kaiser-
lichen Museen in Wien war, fo verfprächen diefelben die fchlechtefle Oberlicht-
beleuchtung von allen bisher errichteten zu bekommen. Nur unter den aller-
günftigflen Witterungsverhältniffen war einigermafsen etwas in den Hauptfälen
zu fehen, und wer, wie der Berichterflatter, Gelegenheit gehabt hat. Hunderte
der hier ausgeflellten Kunflwerke bereits an anderen Stellen gründlich und unter
mehr oder weniger guten Beleuchtungsverhältniffen zu betrachten, der fühlte fich
auf Schritt und Tritt beklemmt durch das Gefühl , dafs kein einziges Kunflwerk
wiederzuerkennen war, ein Umfland, der auf die Freudigkeit, fich überhaupt
ein Urtheil über bisher unbekannte Sachen zu bilden , fehr niederfchlagend
einwirken mufste. Auf der Parifer Ausflellung war von einem folchen Hemm-
niffe der liefchauung nicht im Geringflen die Rede, fondern dort entfprach die
niedrig angebrachte, reichlich gefpendete und in paffender Höhe gedämpfte
Oberlichtbeleuchtung allen Anforderungen, die an eine gute Beleuchtung ge-
macht ^werden können, und flellte wohl das Ideal deffen dar, was durch Ober-
licht überhaupt zu erreichen ifl. — Boten nun auch die Nebencompartimente
mit ihrem Seitenlichte günftigere Verhältniffe dar, fo waren hier grofsentheils des
entfetzlichen Raummangels wegen auch die Fenfterwände mit Bildern und an-
deren Kunftwerken behängt, die da natürlich felbft für die eifrigeren und gewiffen-
hafteren Bcfucher der Ausftellung ihr Grab fanden.
Wenn man fich zu all diefen Schwierigkeiten noch vergegenwärtigt, dafs über
die meiden und jedenfalls über die hervorragendften der hier zufammengeflolTe-
nen Kunftwerke fich d.is Urtheil durch mehrfache Befprechung von Fachleuten und
28«
PLASTIK UND MALEREI.
durch die öffentliche Meinung zum Theil bereits feit Jahren fixirt hat, dafs anderer-
feits zahlreiche an den Fingern herzuzählende Werke, die als epochemachend und
für gewiffe Zeitftrömungen im höchften Grade bezeichnend jedenfalls zur Signatur
der zeitgenöffifchen Kunfl; unzweifelhaft beitragen, aus diefen und jenen Gründen
der Ausftellung fern geblieben waren, — ich erinnere nur daran, dafs u. A. die
Namen Wilhelm v. Kaulbach, Lourens Alma Tadema, Gustave Courbet vergeblich
gefucht wurden, — dafs weiter durch das Vorhandene oft ganze Richtungen der
Kunfl, der Kunftcharakter einer Nation oder die Eigenart eines Künftlers in fal-
fchem Lichte erfchienen: fo erhellt, dafs die Pflicht des Berichterflatters gerade
über diefen Theil der Ausflellung vor allen anderen fchwierig ifl.
Woran auch follte er fich halten? Hätten wir eine durchgehende grofse
Strömung, welche fich in der Gefammtrichtung der Kunfl zur Geltung brächte,
Kuffifche Krüge.
wie etwa das gefammte Kunflgewerbe bis in feine äufserflen Vorpoflen hinein
es fich anmerken läfst, dafs es energifch an feiner Wiederherflellung, an feiner
Zurückführung zu flrengen und fieberen Stilprincipicn arbeitet, fo dafs die Theil-
nahme an diefen Beflrebungen das Mafs des Intereffes und des Beifalles für die
einzelnen Leiflungen beflimmt, fo wäre noch allenfalls ein Faden zu finden, an
dem die einzelnen Thatfachen, ohne ein entflellendes und entflelltes Bild zu lie-
fern, aufgereiht werden könnten. So aber, wo die widerfprechendflen Strömun-
gen ungehindert neben und durcheinander in der Kunflwelt hergehen, wo jeder
einzelne irgend bedeutende Künfller bein.ahe eine felbfländige und ifolirte Erfchei-
nung ifl und für fich gewürdigt werden mufs, und wo es alfo für das Gefamnitbild
auf Richtigkeit und Vollfländigkeit diefer einzelnen Bilder ankommt, mufs man
beinahe daran verzweifeln, in diefer Richtung zu einem auch nur halbwegs be-,
friedigenden Resultate zu gelangen.
I. EINLEITUNG UND UEBEllSICHT.
281
Hierbei ifl noch gar nicht einmal daran gedacht, dafs weder die einzelnen
Nationen noch die Generaldirection der Ausheilung gewiffenhaft und flreng in
der Innehaltung des Termincs gewefen find, über welchen nicht in die Vergangen-
heit zurückgegriffen werden durfte. Theoretifch war die Kunft des letzten De-
cenniums hier vertreten; aber in Deutfchland traten frühe Arbeiten aus dem
Steinzeugkrüge von H. Doulton .S: Co. in London.
Anfange der 50er Jahre von Charles Hoguet und Eduard Hildebrandt auf Krank-
reich fchmückte fich mit den Werken Eugene Delacroix's, der bekanntlich 1855
bereits geftorben ifl, und um fo flörender war diefe Einmifchung ungehöriger
Elemente, als fie, wie beifpielsweife die Werke Delacroix's, einen Mafsflab der
Beurtheilung an die Hand gaben, der für die modernen, eigentlich zur Ausflel-
lung berufenen Arbeiten nichts weniger als erwünfcht fein konnte. Der allgemei-
nen Herrfchaft des Machwerkes, der Routine und des Calcüls trat hier ein dä-
monifcher, gewaltig fchöpferifcher Kündler gegenüber, mit dem die, zahmere oder
ausfchweifende Gegenwart nicht einen Strang ziehen konnte.
Nach alle diefem mufs mehr als jede andere 15erichterflattung diejenige über
die darflellende Kunfl auf der Weltausftellung Verfuch und Skizze bleiben ; fie
mufs iJas feflzuflellen fuchen, was fich im Wiener Frater mit unzweifelhafter
Deutlichkeit herausgeÜcllt hat, und das wird meift tlas fein, was keiner Welt-
86
282
PLASTIK UND MALEREI.
ausftellung bedurft hätte, fondern was aus der früheren Erfahrung bereits hin-
länglich feflfleht; und fie wird, foweit dies ohne ermüdende Weitfchweifigkeit
und Eintönigkeit möglich ift, das Einzelne verzeichnen muffen, das als befonders
hervorragend von Zeit zu Zeit immer einmal wieder betrachtet zu werden ver-
dient, oder das der bisherigen Beobachtung fich entzogen hat.
In letzterer Beziehung wird freilich, wenn von der fubjectiven Schranke des
einzelnen Berichterftatters abgefehen und die Summe des hiflorifch Bekannten als
Mafsflab angenommen wird, gar nichts Erhebliches zu notiren fein. Kein einziger
neuer befonders genialer Künftler und kein einziges neues fehr bedeutendes Kunft-
werk hat fich auf der VVeltausflellung zum erften Male dem Publicum dargeflellt.
Eine ganz geringe Modification erleidet diefes auch fchon von anderer Seite in einem
früheren Abfchnitte diefes Berichtes gefällte Urtheil allenfalls, wenn man in den
Begriff der Weltausflellung das gefammte Wien des Ausflellungsjahres mit ein-
bezieht und das Auftreten Adolph Hildebrand's im öfterreichifchen Mufeum
und der Caterina Cornaro von Hans Makart im Künftlerhaufe mit in Betracht
zieht, was allerdings eine gewiffe Berechtigung hat, da nur private Gründe zum
Theil ganz berechtigter Natur die Sonderausftellung der betreffenden Arbeiten
veranlafst haben.
Ein gleich von vorn herein fehr auffallender Mangel der Kunft auf der
Wiener Weltausflellung war das Fehlen der monumentalen Kunfl. Ich
denke dabei natürlich nicht etwa blofs an öffentliche Denkmäler; ich verflehe
diefen Ausdruck auch natürlich nicht in dem von Detmold verdienter Lächerlich-
keit preisgegebenen Sinne der fogenannten und einft allein feiig machenden
Hiflorienmalerei, fondern ich denke an diejenige Kunfl, welche im innigften
Zufammenhange mit grofsen Bauunternehmungen aus dem Bedürfniffe einer Nation
und getragen von dem grofsen Sinne der Gefammtheit hervortritt.
In diefer Richtung war fafl: nur Frankreich in einigermafsen befriedigender
Weife auf dem Kampfplatze erfchienen; und dies der Wahrheit gemäfs an-
erkennen zu müfsen, fällt um fo fchwerer, als die beiden Hauptgründe diefer
P>fcheinung, wenn man unbefangen die Vorgänge beobachten kann, fich nur
allzuleicht ergeben und nichts weniger als erfreulich und rühmlich für uns fmd.
Erftlich treten derartige, Arbeitea dort in gröfserer Zahl hervor, weil feit
lange alle leitenden Gefellfchaftsklaffen, die Herrfcher refp. der Staat, die Arifto-
kratie, die Geiftlichkeit, die Gemeinden, die Nothwendigkeit eingefehen und eine
Ehre darein gefetzt haben, die Kunft bei jedem grofsen gemeinnützigen, von der
Allgemeinheit ausgehenden und für fie beflimmten Unternehmen in grofsartigem
Mafsflabe heranzuziehen, und fich dadurch in Frankreich bis in unfere Tage
felbfl unter der Herrfchaft der kleinlichflen Modethorheiten in der Kunfl die
Uebung und der Sinn für monumentale Gröfse in der Künftlerfchaft lebendig
und werkthätig erhalten hat.
Der zweite Grund jener Erfcheinung liegt darin, dafs eben diefelben leiten-
den Kreife in P'rankreich mehr als irgend fonfl wo das Bcwufstfein haben, dafs
es eine Ehre für fie felbft und für die ganze Nation und eine Auszeichnung
über alle übrigen Auszeichnungen ift, wenn fie fich gerade in diefer Richtung
fo glänzend wie nur immer möglich vertreten laffen. Daher die Anftrcngungen,
I. EINLEITUNG UND UEBERSICHT. 283
die von allen Seiten gemacht worden find, um Alles, was ii^end zu einer grofs-
artigen Rcpräfentation Frankreichs erfordert werden konnte, mit allen Mitteln
möglichft vollzählig zur Stelle zu fchaffen und in's rechte Licht zu ftcllen: wäh-
rend man fofort kleinlaut wird und als wohlgefchulter Bürger zu beschönigen
anfangen müfste, wenn man darauf blickt, wie bei uns derartige Dinge behandelt
werden. Ich möchte den Franzofen fehen, der es begreift, wie es möglich ift,
dafs in der deutfchen Kunftabthcilung der Wiener Weltausflellung nach den
Jahren 1870 und 71 die wahrhaft monumental gedachten Kunflwerke von der
Berliner Siegcsftrafse beim Einzüge der Truppen vergeblich gefucht werden.
Hatte doch auch die Stadt Berlin, in deren Befitze fich die Velen von der
Vafe vuii vciiL-uamlchcni Avcnuiringlas.
Triumphflrafse befinden, nicht einmal ihr „fchönes neues" Rathhaus ausgeftellt,
was freilich, wenn es aus Erkenntnifs von der Armfeligkeit und Kümmerlichkeit
diefes Bauwerkes unter allen Gefichtspunkten — fclbft dem der Zweckmäfsigkeit,
zu gefchweigen von dem der Schönheit, — gefchehen wäre, eine nur zu grofse
Berechtigung hätte, aber unzweifelhaft wenigflens feinen Hauptgrund in dem
mangelnden Intereffe für diefe Seite des öffentlichen Lebens und die öffentliche
Kunflpflege hat.
Freilich, was ift von der Vertretung einer Stadt zu verlangen, deren Bürger-
fchaft es gefchehen läfst, dafs ein nationales Kunftwerk allererften Ranges, wie
das berühmte SiemeringTche Relief des Auszuges zum Kampfe, nicht nur nicht
in dauerhafter Weife ausgeführt und an öffentlicher Stelle aufgeftellt wird, fondern
dafs fogar das Original jener Arbeit in den Befitz eines Privatmannes übergehen
284
PLASTIK UND MALEREI.
Sefl'el von Ebenholz, mit Elfenbein eingelegt, nach Entwurf von J. Storck ausgeführt
von J. Haas & Söhne in Wien.
darf! Und in derfelben Zeit erfreut man fich pflichtfchuldigft eines ebenfo
kunfllofen wie koftfpieligen Werkes, welches unter dem angeniafsten Titel eines
„Nationaldenkmales" fich dem Volke darflellt. Wann wird endlich der kleinliche
Geifl und die philifterhafte Gefmnung aus den leitenden Kreifen in deutfchcn
Lan,den weichen, und das Culturideal für fie noch andere Dinge umfaffen, als die
Strammheit im Dienfte und die begeifterte Knappheit in der Finanzwirthfchaft?
Wenn man fah, was die Städte Paris und Wien — die letztere neben der Welt-
ausflellung in ihrer „hiftorifchen Ausftellung" — für ein Bild von fich und ihrer
Thätigkeit entrollten , fo konnte man nur mit Schauder daran denken , dafs es
I. EINLEITUNG UND UERERSICHT.
285
Seffel aus Ebenholz, nach Entwurf von J. Storck ausgefülirt von J. Haas & Söhne in Wien;
Stoff; violetter Sammet mit Gold.
eigentlich doch nicht zu viel verlangt wäre, wenn Berlin etwa gleiche Anftren-
gungen machte, um fich mit den Blüthen einer höheren Cultur zu fchmücken,
und wenn man die Spuren eines folchen Beftrcbcns felbft bis in den letzten
Winkel der Weltausftellung hinein ganz vergeblich fuchte.
Man wende hiergegen nicht etwa ein, dafs es an den Mitteln gefehlt habe,
und die vorhandenen für nothwcndigere Zwecke gebraucht feien. Erftlich hatte
man können und foUen nach dem Mafse der verliehenen Kräfte die Sehnfucht nach
den Zierden der Kunft bethätigen, und dafs auch nur dies gefchehen, wird fchwer-
lich Jemand behaupten wollen. Sodann ift noch nie ein Staat oder eine Stadt an
286
PLASTIK UND MALEREI.
der Pflege der Kunfl; zu Grunde gegangen oder bankerott geworden, und felbft
nach national-ökononiifchcn Grundfätzen für den Augenblick etwas übertriebene
Aufwendungen haben fich auf Umwegen in der Folgezeit mehr als bezahlt ge-
macht. Oder wer bereut beifpielsweife in ürcsden heute noch die coloffalen Sum-
men, welche in der Mitte des vorigen Jahrhunderts für die Verfchönerung Dres-
dens und feine Bereicherung mit Kunftfchätzen aller Art aufgewendet worden
find r Es liegt eben lediglich an dem Mangel an Sinn , dafs bei uns nichts
gefchieht, und diefer Mangel an Sinn ift ein Zeugnifs von Mangel an Cultur.
Als die drei Grofsmächte auf dem Gebiete der Kunfl ftellen fich ichon ilurch
ihre räumliche Entfaltung, aber auch durch das, was fie bieten, Frankreich,
Oeftcrreich (mit Ungarn) und Deutfchland dar. Nur bei dicfen ift die
Kunft nach allen Richtungen hin ungefähr gleichmäfsig entwickelt, und nur fie
zeigen einen felbfländigen eigenartigen Charakter.
Alle anderen Nationen find mehr oder weniger von diefen Hauptmächten
abhängig, fo Belgien von Frankreich, Holland thcils von diefem , theils von
Deutfchland (überhaupt auf diefer Ausftellung fehrmäfsig vertreten); die Schweiz
als ein Boden für internationale Einflüffe; der fkandi na vi fch e Norden, ja
felbfl Rufsland fafl ausfchliefslich von Deutfchland her, hauptfächlich durch
die Düffeldorfer Malerakademie beflimmt. Spanien, welches an den Traditio-
nen feiner Vergangenheit zehrt und fich am Borne der franzöfifchen Kunfl zu
beleben verfucht, trat in einer innerlich und äufserlich fo auffallenden Weife zu-
rück , dafs man es nur mit den unklaren politifchen Zufländen des Landes ent-
fchuldigen kann. Portugal hat es vorgezogen, zu paufiren.
So bleiben nur noch England und Italien von den europäifchen Staaten
übrig; denn das osmanifche Reich zählt gar nicht mit, und Griechenland
weifl eigentlich nur einen einzigen Künfllcr auf, und das ifl unter graecifirtem
Namen ein Dcutfcher. I^ngland hat etwas ganz Sclbfländiges zu bieten in feinen
Aquarellgemälden und überhaupt in feiner Malerei, und Italien elektrifirt das
Publicum durch feine Sculpturen.
Die aufsereuropäifchen Länder fchweigen in diefem künfllerifchen Völker-
concerte, wenn nicht etwa der eine und der andere Herrfcher in den Befitz eines
europäifchen Künfllers gekommen ifl, der dann ihn felbft oder feine Minifler oder
auch Anfichten aus feinem Lande oder dergleichen malt. Von irgend einem natio-
nalen Charakter einer folchenKunftvertretung kann daher gar keine Rede fein. Der
einzige aufsereuropäifche Staat, der mit einiger Selbfländigkeit hätte auftreten
können, wenn er fich die Mühe gegeben hätte, und wenn er nur fo gut vertreten
gewesen wäre, wie in Paris 1867, find die Vereinigten Staaten von Nord-
america, aber kein Menfch kann einen Begriff von dem bekommen, was dort in
der Kunil gelciftet wird, wenn er nichts weiter kennt, als was die Wiener Welt-
ausflellung ihm vorführte. Die klangvollflen Namen wurden vergeblich gefucht,
und Werke von folchcm Intercffe und folchcr anfprechenden Wirkung, wie Paris
fie bot, Bilder von Eaftniann Johnfon, dem amerikanifchen Knaus, und Anderen,
waren nicht zu finden.
IL DIE KATALOGE.
287
II. Die Kataloge.
Eine ganz ausdrückliche Rüge verdient Alles, was
an Kunftkatalogen für dieWeltausftellung officiell erfchie-
nen ift, mit einziger Ausnahme des franzöfifchcn und des
befonderen belgifchen Kunftkataloges. Selbft Deutfch-
lands officieller Katalog, der diesmal wohl der befte
unter allen Specialkatalogen der Nationen zu fein fich
rühmen durfte, wurde fofort unbrauchbar, fo wie er fich
dem Kunflbereiche näherte; während er in allen übrigen
Gruppen Nachweife über die Ausfleller und die noth-
wendigen Erläuterungen der ausgeflellten Objecte giebt,
wird er bei der Kunfl von einer Dürftigkeit, dafs kaum
auf die Richtigkeit der Angaben, namentlich auf die
richtige Schreibart der Namen mit Sicherheit gezählt
werden darf.
Die Italiäner hatten diesmal nicht wie 1867 die
Tactlofigkeit, einen Katalog mit kritifirenden Bemerkun-
gen zu verkaufen; abgefehen von der unerhörten Un-
ordnung einer unalphabetifchen Aufzählung, bei der
nicht einmal die Arbeiten der Meifter bei einander flehen,
und die mit der Numerirung des officiellen Kataloges
nicht stimmt, war derfelbe aber auch fo dürftig, dafs er
Knndornament eines Thürvorhangs im Stile Henry II., Seide auf Sammel, von Roiidillon in Paris.
lediglich auf der Stufe des allgemeinen Kataloges flehen blieb ; und diefer — das mufs
fchliefslich hervorgehoben werden — war an Aermlichkeit und Unbrauchbarkeit ein
non plus ultra. Dafs er nur die allerunumgänglichften Angaben enthielt, verficht
fich zunächft von felber; dann aber war er fo eng und unüberfichtlich gedruckt, dafs
er für den Gebrauch bei einem Studium der Ausftellung gar 1 icht zureichte.
Schlimmer aber als diefe praktische Unbrauchbarkeit war der fo zu fagen Geift,
welcher fich in der Bearbeitung diefes Druckwerkes, von deflen erfter Auflage aus
Mitleid vollständig gefchwiegen werden mufs, auch noch in feiner zweiten „ver-
mehrten und verbefTerten" Auflage ilarftellte.
Es möge dem Berichterflatter über die Exposition des Amateurs vorbehalten
fein, über die wiffenfchafthche Unzugänglichkeit diefer Abtheilung des Kunst-
kataloges fich zu verbreiten : hier fei nur auf einige Kleinigkeiten hingewiefen,
die mehr allgemeiner Natur find und die Einheitlichkeit der Redaction des Ganzen
verbingen. So lefen wir auf S. 20 als t-rlle Ueberfchrift unter Schweden: „b)
288
PLASTIK UND MALEREI.
PoftameiUiifcn von Ucmliard Erndt^ Wien.
II. DIE KATALOGE.
289
Sogenannte (!) Objets d'art". Auf S. 24 ift ein Schild des Freiherrn Anfehn v.
RothTchild „reich mit Goldtouchirarbeit verziert, in der Mitte ein Reiterkampf,
hf rum allegorifche Figuren". Auf dem grofsen Verduner Altare von Klofter-
neuburg (S. 29) ift auf einem Täfelchen dargeftellt „die Opferung der h. drei
Könige". S. 47 unter No. 13 findet fich eine „prachtvolle applikirte Perlen-
stickerei"; und was dergleichen Schönheiten mehr find.
In dem eigentlichen Kataloge über die bildenden Künfte der Gegenwart
(Gruppe XXV) fpielt nun die Schwierigkeit, die fremden Zungen zu überwinden,
eine Hauptrolle. Mit unglaublicher Gefchmacklofigkeit werden z. B. in der eng-
lifchen Abtheilung die umftändlichen englifchen Titulaturen feierlich überfetzt:
„Portrait der ehrenwerthen Frau fo und fo", „von dem höchft ehrenvvcrthen I lerrn
1 Lindleuchter in Meffing, von Deniöre in Paris.
fo und fo geliehen." Wie man es bei Quintanern beobachtet, laffen die Schwierig-
keiten der Uebertragung den Ueberfetzer die eigene Sprache vergeffen: No. 55
hcifst „Der gespenftcrifche Jäger". No. 56 ift „Eine Schöne und ein Thier" 'es ift
das nämlich eine Dame, welche einem Hunde eine Schüffei vorhält"). No. 64 wird
überfetzt: „Der fchüchterne Schüler" (allerdings auch auf dem Rahmen des Bildes),
während eine Dame im Tanzen unterrichtet wird. No. 103 erfcheint der Befitzer
des Bildes, Sir G. E. Street, Efqr., als „Mitglied der Quaritocks Hügel in Somer-
fetfhire", während der letztere Genitiv, und zwar richtig „Quantocks-Hügel", zu
den beiden fonft unverftändlichen erftcn, den Gegenftand bezeichnenden Worten
„Am Fufse" gehört. — Auch die kleine Kunftabtheilung der Vereinigten
Staaten ift nicht ohne Komik davongekommen: gleich der erfte Künftler heifst
„Wart Am es van" ; fpäter heifst der geniale Erfinder des Telegraphen „Morse".
In Spanien ift eine Eintheilung nach den Künften auch nicht einmal verfucht;
was der Malerei angehört, wird in der Regel als „Oelgemälde" bezeichnet — auch
wenn es mehrere von demfelben Meifter find, unter einer Nummer. Die Namen
der Künftler find nicht feiten falfch angegeben, und an dummen Ueberfetzungen
37
290 PLASTIK UND MALEl^I.
wie „Rette, wer kann," fehlt es auch hier nicht. Von einer Benutzung des
Kataloges war Mangels einer Numerirung der Bilder felber keine Möglichkeit ge-
boten. (Die fpäter auftauchende Numerirung ftimmte nicht.) — ■ Man fage nicht, dafs
dies Schuld der fpanifchen Ausftellungscommiffion fei, die in ihrem ganzen
, Bereiche ein Labyrinth anftatt einer geordneten Ausftellung dargeboten hat. Die
Kunftabtheilung hatte ihre eigene Verwaltung, und es wäre keine übertrieben
grofse Mühe gewefen, wenn fich Jemand die Zeit genommen hätte, die 82
Nummern fpanifcher Kunftgegenflände vvenigftens in einer ebenfo ungenügenden
Weife wie alles Uebrige zu katalogifiren und ein paar Nummern anzuheften.
Selbfl mit dem Franzöfifchen fcheint die officielle Katalogscommiffion auf
einem fehr gefpannten Fufse geftanden zu haben, und auch hier das eigene Sprach-
gefühl durch den Dämon der fremden Zunge verwirrt worden zu fein. Als Ueber-
fchrift der Kupferstich-Abtheilung in dem Verzeichnisse der Kunftwerke Frank-
reichs wird das franzöfifche „Gravures" mit „Gravirungen" überfetzt. (In der Ab-
theilung der Schweiz steht an derfelben Stelle „Zeichnende Künfte"!) Rembrandt's
„Piece de cent Florins" erfcheint, No. 1066, als „Hundertgulden flück" flatt
„Hundertguldenblatt". „La femme adultere", was bekannthch die Ehebrecherin
heifst, wird unter No. 852 „Das ehebrecherifche Weib". Die franzöfifche „Societe
de Gravüre" verwandelt fich — vor No. 1 1 56 — in eine franzöfifche Kupfer-
ftecher-Gefellfchaft. No. 72 ift ein „Gelübde zur heiligen Anna." No. 287 ftellt
den „guten Samaritaner" dar, ftricte Ueberfetzung ohne Berückfichtigung der
deutfchen feftftehenden Terminologie. Die falfche Namenform geht natürlich
durch. — No. 295 war nicht „Die menfchliche Thorheit", fondern „Das Schaufpiel
der menfchlichen Thorheit" zu benennen. No. 1378 und 1379 find „Denkmünzen
an" etwas. No. 1353 zeigt eine „Genofeva-Capelle"; und fo wird die Heilige
noch unzählige Male gefchrieben, einmal - No. 178 — aber der Abwechfelung
wegen auch richtig. No. 1384 find „Cariathyden" (mehr Fehler in der Recht-
fchreibung des Wortes find abfolut unmöglich!), No. 1571 giebt es einen „Arti-
medes", und dergl. mehr.
Auch die öflerreichifche Manier, den abhängigen Genitiv an eine falfche Stelle
zu fetzen, wirkt oft recht komifch, wie z. B. wenn No. I160 als „Bruchftück eines
Bildes in Wafferfarben des Correggio" erfcheint. Uebrigens find auch fchätzbare
Entdeckungen auf dem einft ergebnifsreichen und hier wieder mit Nutzen betretenen
Wege des der Unwiffenheit günftigen Zufalles gemacht worden: Unter No. 25
wird als Quelle über den Tod des Sokrates ftatt des bekannteren Phaedon der
bisher leider noch nicht herausgegebene Phedrus nachgewiefen , noch dazu mit
dem Zufatze ,,oder über die Seele". -- Nach No. 514 exiftirt im Vatican ein
„Saal des Marktbrandes". — Bei No. 556, einem Kirchen-Interieur, lefen wir:
,,Die alten Weiber auf dem Platze Navone ä (heifst bekanntlich im Italienifchen
„hat") Santa Maria della Pace, Rom." Richtig wäre: „Die alten Hökerinnen von
der Piazza Navona in (der nahe gelegenen Kirche) S. M. della Pace." — Durch
No. 1317 lernen wir „Chriftus im Vorhimmel" kennen; das wird wohl wieder
ein neues Dogma geben! Neu ift auch No. 1145 „Der h. Johann".
Auch manchen Künftlernamen bekommen wir in merkwürdigen neuen For-
men zu hören: vor No. 2 „Gleyer" (Gleyre), vor No. 120 „Zamarois" ^Zamacois),
II. DIE KATALOGE.
291
No. 67^ „Chabanel" (Caband), vor»No. 752 Ingres mit Vornamen „Autjuftin"
(Augufle). Diefe Auslefe wird als Probe geniigen; doch mögen noch zwei Namen
anderer Art eine Vorftellung von der Reichhaltigkeit an Fehlergattimgen geben:
No. 58 erfcheint ein „Herakles T h eraphonios", (vermuthlich flatt Trophonios;
beiläufig kennt die griechifche Mythologie einen Herakles diefes Beinamens
überhaupt nicht! und No. 212 begegnet uns der „h. Thomas von Aquinus" (jetzt
Aquino, im Alterthum Aquinum ; die Kataloglesart wahrfcheinlich entflanden auf
dem Wege einer genialen Conjectur auf Grund eines verlefenen „Thomas
Mcllinjjleiiclitcr, von Denicrc in Paris.
Aquinas"). — Schliefslich mag hier, da die Claffification diefes Preisftückes auch
jedem Anderen als mir Schwierigkeiten machen dürfte, die ganz buchllabliche
Reproduction einer l'rachtftellc auf S. 126 Platz finden:
1487 Jefus' (!) Einzug in Jerufalem. nach einer
Wandmalerei von Hipp.
1488 Flandrin in der Kirche St. Germain des pres.
Das ift gewifs unübertrefflich! — Zu dem „Jefus'" bildet ein nicht übles Pendant
J^o. 1331: „Clovis' Taufe". Diefe macht den fchicklichflen Uebergang zu einer
anderen hübfchen Kategorie von Schnitzern.
«7»
292
PLASTIK UND MALEREI.
Oft wird nämlich in der abgefchmacktcflcn Weife überfetzt und verdeutfcht,
anderwärts wieder, fichtlich aus reiner Unwiffenheit, das Franzöfifchc flehen ge-
laffen ; bei dem Einen wie bei dem Anderen entftehen aus Unbekanntfchaft mit
den Dingen felber die lächerlichften Irrungen. Hier einige Beifpiele bunt durch-
einander: No. 1047 "^^^ Halbkreis des Palafles der fc honen Künfte"
(ohne Rücküberfetzung ganz unverfländlich !), während unmittelbar zuvor, No.
1046, die Anbetung der h. drei Könige „in der Cathedrale von Cöln" aufge-
führt wird. Die fchon erwähnte No. 1317 ftammt aus der „Capelle des Fonts
der Euflachiuskirche". Hier hat der Schreiber offenbar nicht gewufst, dafs „cha-
^f-.V^M.^.*..
Bacchanal, Relief von Kuntlmaiin.
pelle des fonts (baptismaux)" Taufcapelle heifst. Als No. 1474 figurirt der „Brunnen
von Luxemburg" ; hätte hier der Schreiber nur wörtlich „des" oder „vom" Luxem-
burg überfetzt, fo hätte er einigermafsen eine Unwiffenheit vor dem Lefer wenig-
ftens allenfalls verheimlicht, und diefer die Wafferkunftanlage im Garten des
Luxembourg verflehen können. — No. 3 giebt es „Beinchen -Spieler". No. 369
mufste man fich erft befinnen, was wohl „Die Kirche der heil. Maria vom Heil
zu Venedig" (della Salute) fein dürfte. — Auch wird in das Ueberfetzen durch
wahrhaft geniale leichte Aenderungen ein überrafchend neuer und tieferer Sinn
gelegt, z. B. No. 11 19: „Die Madonna von Cafa di Terra nuova.
Ein herrliches Stück Quintanerüberfetzung, das bekannter gemacht und im
Gedächtniffe behalten zu werden verdient, fleht ganz befcheiden wie ein Veilchen
unter No. 148. Das dort verzeichnete Bild ftellt — unter dem höchft verftänd-
nifsvollen Titel „Die Hochzeit der Nibelungen" — Brunhildens Brautnacht dar,,
und da fragt — nach dem Kataloge — die fchöne Maid den gebundenen Gün-
II. DIE KATALOGE.
thcr, den „kühnen Mann" in feiner nicht weniger als reckenhaften Situation, „des
Morgens, ob er wünfche, dafs fie ihn ihren Leuten fehen laiTe alfo gefcffelt von
den Händen einer Frau". — Das ifl wohl ein würdiger Schlufs dicfer kleinen,
aber hochfeinen Auswahl aus der franzöfifchen Katalog- Abtheilung. — Bei der
Schweiz heifst es grundfätzlich ein „Cadre" flatt ein Rahmen. Im Belgifchen
Verzeichniffe ift bei einem Bilde von Henri Leys, No. 292, das allerdings zu fchwer
zu überfetzende Wort „pelerinage" ftehen geblieben oder, da daffelbe dem
Corrector ebenfo unbekannt war wie dem Schreiber, vielmehr: „Le Peterinage".
Dass mit dem Italienifchen noch mehr Malheur paffirt ift, verfleht fich wohl
von felbft. Dass aber bei Giufcppc Mengoni die Würde des Comthures zum
S t ä d t e n a m e n geworden, ifl denn doch etwas zu flark. Andrei und A n d r e i n i
heifsen Beide Francesco, nicht Ferdinand, wie im Kataloge fleht. Bigamonti
und Rigamonti, die Beide „ein Hirtenmädchen" gemacht haben füllen, sind natür-
Salzgefäfse, Slil Henri II., von Minton in Stoke lipon Trent.
lieh identifch; die erftere Namenform ift die richtige. Matteucci fchreibt ("ich
natürlich mit zwei c. Della Nave — wenn man es nicht, wie im italienifchen
Spccialkataloge gefchehen, in ein Wort fchreiben wollte — unter D aufzuführen, ift
verwirrend, wenn fich z. B. findet: „Negro Dal, Peter" und „Chirico di, Jakob",
wo wiederum die Folge der Wörter falfch ift. Des Letzteren Bild ift bezeichnet :
„Der Vaterlands-Verräther etc. Buoso da Duera" (ftatt: di Duero) ; genau wie
„Ritter pp." — „Lisi, de Benedikt" ift noch verkehrter als die vorigen Namenbe-
zeichnungen, denn jedenfalls gehört (das oder) ein Komma vor den Vornamen, und
ferner ift bekanntlich „de" kein italienifches Wort: der Künftler heifst Delisi. Sein
Bildwerk wird benannt : „Die Jugend Archimedes" mit einem unmöglichen Genitiv.
,,Epifode aus dem Blutbade der unfchuldigen Kinder" (No. ']^) ift wieder um-
ftändliche und ungefchickte genaue Ueberfetzung, wo der deutfche Sprachgebrauch
das Richtige leicht an die Hand gab. —Was mag wohl eine „Vorfitzbank" (No.
103) fein? Schauerliche Verundeutfchung von „banco presidenziale". Die „Ein-
impfung" (No. 187) ohne abhängigen Genitiv — fagt kein Menfch aufser einem
294 PLASTIK UND MALEREI.
verzweifelten Ueberfetzer. „Amore in agguato" heifst nicht „Die Liebe auf der
Lauer" (No. 195), fondern „Amor auf der Lauer", wie denn überhaupt die
Synonymität der Liebe und des Liebesgottes in den romanifchen Sprachen dem
armen Ueberfetzer vieles Stolpern verurfacht hat. — ■ „I primi fiori" kann doch
nicht „Die erfte Blut he" heifsen, fondern bedeutet „Die erften Blumen". —
Wer fagt denn (zwifchen No. 544 und 545 : „Marcello läfst feine Pfalmen durch vier
Frauenzimmer— „Signore" fleht im Italienifchen! — fingen"? — Und fo könnte
das Sündenregifter in infinitum fortgefetzt werden. Doch mag ein recht fchwerer
Fehler hier fchon die Reihe befchliefsen : Ueber No. 621 : „Kupfersticharbeiten"
(fchöne Art zu katalogifiren 1) fleht fett gedruckt zu lefen: „Kallographie, könig-
liche, zu Rom, Rom". Ein jeder ficht, dafs nur ein ganz gedankenlofer Menfch
fo das italienifche „Calcografia" verprudeln konnte.
In der griechifchen Abtheilung erfcheint unter No. 16 „Die Venus von
Milos" — ftatt von Melos oder Milo — „vollkommen ergänzt" unter dem Namen
des P h i 1 i p p o t i s ftatt unter dem des K o f f o s. — Das Verzeichnifs der griechifchen
üelgemäldc beginnt mit den Werken des Nikiphoros Lytras aus Attika unter
ilen Nrn. 23 und 24, und ebendiefelben Bilder treten unter dem Namen „Lytras
N., Athen" noch einmal als No. 38 und 39 auf, das zweite aber hier der Ab-
wechfelung wegen als Sylvefter- Abend, während es früher Neujahrstag war; das
erftere falfch als ,, Brander von Canaris", während es vorher als „Kanaris, Brander-
fchitf", bezeichnet war.
Natürlich ift der Katalog überall von gleicher Befchafifenheit, und es könnte
nun auch noch die fkandinavifchc, die ruffifchc und jede andere y\btheilung durch-
gegangen werden. Doch genug der traurigen Lefe. Es fei nur noch bemerkt,
dafs unter „Rufsland" über den Werken Ludwig Bohnftedt's ein ganz bcfon-
derer Unftern gewaltet hat. Da ift beinahe Alles falfch: Villa Borhardt — ftatt
Borchard, Villa Rapherr — ftatt Rapher, Villa March (auch eine Nummer zu
wenig, 37 gehörte mit dazu) — ftatt Marc. Troftenetz, Gouv. Charkow. —
Wie lange wird man noch bei allen grofsen Ausftellungen derartige Gegen-
ausftellungen machen muffen, und wann endlich wird man begreifen, dafs das
wichtige und fchwierige Gefchäft der Katalogifirung nicht in die erften heften,
fondern in zuverläffige und berufene Hände zu legen ift, und nicht nur in beru-
fene, fondern auch in folche, die etwas thun wollen und nicht für die gewiflen-
hafte und fachgcmäfse Ausführung der ihnen übertragenen Arbeit entweder zu
faul find oder fich zu vornehm dünken r
III. Frankreich.
Es ift von allen Seiten ausgefprochen und beftätigt worden , dafs es den
Franzofen gelungen ift;, fich auf der Weltausftellung in allen Zweigen der Kunft
und Induftrie fo vertreten zu laffen, dafs auch nicht der mindefte Kinflufs des
grofsen nationalen Unglückes feit dem Jahre 1870 fich bei ihnen wahrnehmen
liefs. Da zu der in Frankreich allgemein herrfchenden richtigen Auffaffung von
der Wichtigkeit der Kunft für die Cultur und die Ehre eines Landes diesmal
III. FRANKREICH.
295
noch der befondere Antrieb gekommt-n ifl, jede Spur einer Scharte auszuwetzen,
fo ift von allen Seiten eine Rührigkeit und OpfervviUigkeit an den Tag gelegt,
die es bewirkt hat, dafs kaum ein irgendwie klangvoller Name aus der jetzigen
Kiinftlergeneration auf der Weltausftellung unvertreten war; und dabei hat
Frankreich es möglich gemacht, dafs faft kein Werk von der Ausftellung von
1867 hier wieder erfchienen ifl. Namentlich die bedeutendflen Künfller, ein
MeilTonnier, Geröme, Bouguereau, Boulanger u. f. w., auch die berühmten Por-
trätmaler, wie Cabanel, Duran, Neue Jacquemart u. A. treten mit durchweg neuen
Werken auf.
In ihrer Gefammterfchcinung zeigt diefe modernfte franzöfifche Kunfl wie-
derum, däfs das künfllerifche Können und Wiffen fich dort einer Pflege erfreut,
wie vielleicht nirgend fonfl wo. Jeder Meifter felbft zweiten und dritten Ranges
ift bewufst und klar in feinen Zielen und beherrfcht ficher und gewandt die zu
feinem Zwecke erforderliche Technik; Unfertigkeiten in Zeichnung und I'infel-
führung kommen nicht vor, abfolute Thorheiten, gräuliche Fadheiten und Albern-
heiten , wie fie anderwärts wohl vorgeführt zu werden pflegen, gehören hier fo
zu den Ausnahmen, dafs man vielleicht fagen kann, man findet fie gar nicht,
abgefehen natürlich von einem Gefichtspunkte, auf den ich nach diefem der All-
gemeinheit gefpendeten Lobe hinweifen mufs. Der technifchen Meifterfchaft fleht
nämlich ein Mangel an einfach natürlichem Gefühl, an wahrhaft künfllerifchen
Ideen gegenüber, und es wird diefem Mangel mit einem Hafchen nach den
pikanteren, barockften, mitunter abflofsendflen Sujets abzuhelfen gefucht, fo dafs
man fich einem Gefühle der Unheimlichkeit und der Refremdung in den Räumen
der franzöfifchen Kunfl kaum entziehen kann. Aber diefe Schwächen werden
durch jene guten Eigenfchaften fafl in Vegeffenheit gebracht, deren inniger Zu-
fammenhang mit der Cultivirung einer wahrhaft grofsartigen national-monumen-
talen Kunfl vorher ausgeführt ifl. Liegt es doch auch gar nicht so fern, die
unnatürlichen Appetite, welche fich in der Auswahl der Stoffe kundthun, auf
die ungefunde Temperatur der gefeil fchaftlichen Atmofphäre während der letzten
Decennien zurückzuführen, und wenn man auch in den augenblicklich herrfchen-
den Zurtänden Frankreichs noch keine Gewähr für eine gefundere Luft finden
kann, in welcher die Kunst ruhig Athem fchöpfen könnte, fo ifl doch die
Rückkehr zu foliden Zufländen immerhin näher gerückt, als noch vor wenigen
Jahren.
Hin höchfl anerkennenswerthes Taktgefühl haben die Franzofen darin be-
währt, dafs fie die riefigen Schlachtenbilder, durch welche fie die früheren Grofs-
thaten ihrer „unbefieglichen Armee" zu verherrlichen flets übermäfsig beflrebt
waren, nicht haben auf tlcr Weltausflellung erfcheinen laffen, fondern dafs die
Kriegsbilder, die überhaupt vurhanden finil, fafl ausfchliefslich dem letzten Kriege
angehören und zwar ihre Vorwürfe in genrehafter Aufiaffung und, beiläufig gleich
hier zu erwähnen, mit einer feltenen Vortrefflichkeit behandeln; fo z. B. was
Protais und Berne-Bellecour in diefer Art geliefert haben. All die zahlreich ge-
malten Fanfaronaden und Beleidigungen des Gegners hat man unterdrückt.
296
PLASTIK UND MALEREI.
Grabdenkmal von 15. Afinger.
ül FRANKREICH.
297
W''ti
298 PLASTIK UND MALEREI.
Es wäre eine eben fo erfreuliche Aufgabe, wie es durch die Gerechtigkeit erfor-
dert wird, der monumentalen Kunfl der Franzofen eine eingehende Würdi-
gung widerfahren zu laffen; und doch mufs es aus Mangel an Raum unterlaffen
werden. Nur eine fummarifche Ueberfchau ifl; möglich, welche aber um fo mehr
dem Bedürfniffe an diefer Stelle genügen kann, als die Franzofen, hier wie überall
Meifler in der Infcenefetzung, die Hauptmaffe ihrer monumentalen Kunfl: in über-
fichtlichem und impofantem Gefammtbilde vorgeführt hatten. Wir meinen die fchon
angedeutete Special au sfl eilung der Stadt Paris, welche ihrer eigenthümli-
chen Zufammenfetzung wegen fich in das Gruppenfchema der Weltausftellung nicht
einfügte, und deshalb ganz abgefondert aufgeftellt werden mufste, leider aber
keinen felbfländigen Bau zum Aufenthaltsorte angewiefen bekommen hatte, fon-
dern am Ende einer „Zwifchengalerie" (eines überdeckten Hofes), gegen die Haupt-
halle des Induflriegebäudes durch eine Ausftellung von Wag^n u. f. w. maskirt,
einen für viele Befucher unentdeckten Aufenthalt gefunden hatte. Solche unfind-
bare Räume, welche in dem Weltausftellungspalafte von Paris 1867 durch keine
Kunft herzuftellen gewefen wären, brachte eben das winkelige, unorganifche und
confufe Syftem des Wiener Baues reichlich und fpontan hervor.
Dort fahen wir nun die Entwürfe zu 48 ausgeführten Bauwerken der Stadt,
dazu von achten prächtige monographifche Bearbeitungen, ferner eine muflerhafte
Monographie über das verbrannte Hotel de Ville, und endlich fechs Concurrenz-
pläne für deffen Wiederaufbau. Als architektonifche entziehen fich diefe Werke
der Beurtheilung an diefer Stelle : fie werden fie nach Bedürfnifs von anderer Seite
erfahren. Aber wir fehen überall Maler und Bildhauer, oft in beträchtlicher An-
zahl, als „Mitarbeiter" aufgeführt ; zum Beweife, dass überall bei öffentlichen Ge-
bäuden, von dem Juflizpalaft, der Dreifaltigkeitskirche und dem Chätelet-Theater bis
herab zu .Schulen, Mairien und Cafernen, den bildenden Künflen würdige Auf-
gaben in der Theilnahme an der monumentalen Geftaltung zu Theil werden.
Theils für diefelben, theils für zahlreiche andere Architekturen der franzöfifchen
Hauptftadt fahen wir in Skizzen, in Cartons und Modellen, in fertiger Ausführung
und in verfchiedenartigfter Reproduction von Malern und Bildhauern monumentale
und zum Theil fehr umfangreiche Arbeiten geliefert, und — fei es auch mit we-
niger Originalität und Genie — die jüngeren in den Spuren der grofsen Vor-
gänger voranfchreitend.
An diefe felbfl: werden wir noch vielfach erinnert. Eugene Delacroix ifl
durch feine drei Gemälde in der Engelcapelle der Kirche St. Sulpice vertreten,
jene mächtigen Ausbrüche einer gewaltigen und fruchtbaren Phantafie, welche
durch das Ung^ftüm ihrer Lebensfülle einen beftechenden Erfatz für die man-
gelnde flilvolle Regelmäfsigkeit und Symmetrie der Compofition darbieten. H i p p o-
lyte Flandrin, der ernfle und feierliche Meifler, der gröfste, den Frankreich
je im religiöfen Fache grofsen Stiles hervorgebracht, giebt in feinen Malereien
der Kirche St. Severin und der Kirche St. Germain des pres fowie in den herr-
lichen Fresken aus der Kirche St. Vincent de Paule einen Maafsftab, der freilich,
flreng zur Anwendung gebracht, für die Jüngeren vernichtend ifl:. Hierzu kommt
noch die grofsartige Zeichnung vonJean Augufle Dominique Ingres: „Die
Apotheofe des Homer", urfprünglich als Deckenbild für einen der Antikenfäle
JL
III. FRANKREICH.
2ftlt
im Louvre entworfen, unzweifelhaft die bcftc künfllerifche Frucht, welche durch
das — vielfach verwirrende — Studium der Schule von Athen in Raffael's
Stanzen gezeitigt ift.
Der alte Nicolas Robert Fleury hat fogar noch neuerlich thätig in die
monumentale Kunftproduction eingegriffen und durch zwei fehr tüchtige Dar-
ftellungcn aus der Gefchichte der franzöfifchen Handelsgefetzgebung — für den
Kanne in vergoldetem Silber mit Kmailmaleiei, von Rntzersdorfer in Wien.
grofsen Sitzungsfaal des neuen Handelsgerichtshofes — ■ das fchon vor Jahren
ausgefprochene Urtheil Julius Meyer's, „dass des Künftlers l'hantafie fich ausge-
lebt habe", handgreiflich widerlegt. Der älteren Generation ift auch Alexandre
Heffe beizuzählen, deffen Scenen aus dem Leben des h. Franz von Sales (in
der Kirche St. Sulpice), zu feinen gelungenflen Schöpfungen gehörend, längfl
ihre Stelle in der Gefchichte gefunden haben. Auch Emile Signol repräfentirt
mit feinen religiöfen Malereien in verfchiedcnen Kirchen ein Entwickelungsftadium
der franzöfifchen Malerei, welches durch eine fühlbare Kluft von den Richtungen
S8*
30Ü
PLASTIK UND MALEREI.
der unmittelbaren Gegenwart gefchieden ift. — Sie Alle "und noch einige Andere
vergegenwärtigen das goldene Zeitalter der modernen Kunft Frankreichs, in wel-
chem binnen wenigen Jahrzehnten eine feltene Reihe fchöpferifcher Ingenien den
künftlerifchen Ausdruck einer neuen Weltanfchauung auf den verfchiedenften
Wegen fuchte und fand.
Von da zu den Jüngften, deren Werke nach der Zeit ihrer Entftehung ftreng
genommen einzig das Recht hatten, hier zu erfcheinen, ift, wie fchon bemerkt,
ein grofser Schritt, und nichts weniger als in auffteigender Linie ! Und doch, welche
Fülle achtbaren Könnens, welche reiche Mannichfaltigkeit der Richtungen, welcher
Ernft der Bemühung, oft welche Fruchtbarkeit — wenn auch nicht recht eigentlich
der Phantafie, fo doch der Hand! Mari denke an die raftlofe und ftaunenswerth
Tapete aui dem Kail'eipavillon, von Giani in Wien.
umfangreiche Thätigkeit eines Henri Lehmann (die freilich in der Weltaus-
ftellung durch vier Photographien nicht einmal als andeutungsweife repräfentirt
gelten konnte) ; wie hat er fich mit einer wahren Allgefügigkeit den verfchieden-
artigften Aufgaben anzubequemen verftanden, und eigentlich nie, ohne durch eine
edel geführte Linie, durch eine gewiffe vornehme Gröfse der Sinnesart, durch eine
gefchickte und nicht unkräftige P'ärbung decorativ eine bedeutende Wirkung her-
vorzubringen, mag auch dem einzelnen Werke gegenüber mit noch fo vielem
Fug der Vorbehalt gemacht werden können, dass weder Gedanke noch Erfin-
dung irgend welche Tiefe und eigenartige Kraft hat
III. FRANKREICH.
301
Ein Schaufpicl anderer Art bietet Alexandre Cabanel dar. Mag ihm
fein Fiasco auf dem Gebiete der Kunft grofsen Stiles mit feinem „verlorenen
Paradiefe" von der 1867er Ausftellung auch unvergeffen fein, — in diefem Jahre
zeigte er, dass nur der Stoffkreis damals ihm fern, nicht die Wucht einer monu-
mentalen Aufgabe an fich über der Sphäre feines Vermögens lag. Sein „Triumph
Faience-Schüffel, 'ans Roerftrand, blau mit weifs.
der Flora", riefiges Deckengemälde für einen Saal des Louvre, zeugt von einer
fpielenden Leichtigkeit in der Ueberwindung der gröfsten Schwierigkeiten. Die
Vcrthcilung der Maffcn durch den Raum, die anmuthigen Bewegungen, das freie
und leichte Schweben der Geftalten, der freudige und doch mafsvolle Schwung in
allen Theilen der Compofition verrathen den vollbürtigen Meifter der grofsen Kunft.
Nur die matte fufsliche Färbung, die fich zu keinem ernften Gegenfatze zwifchen
vollen ungebrochenen Tönen auffchwingen kann , gemahnt an die fchwächftc
Seite des Malers, der mit jener bekannten „Geburt der Venus" feinen Ruf be-
gründet hat; und es i(l felbft nicht unwahrfcheinlich, dass auch diefer Mangel in
302 PLASTIK UND MALEREI.
dem Ensemble der betreffenden Scialdecoration minder fchwer empfunden werden
wird. Wer fich von der Trefflichkeit der Compofition recht fchlagend überzeu-
gen will, der braucht nur die überrafchend kräftig ausgefallene Photographie an-
zufehen. — Bei Cabanel hat fich Julius Meyer's Vcrmuthung, bei der man 1867 ein
Fragezeichen zu machen fich gedrungen fühlte, beflätigt: „Es fteckt wohl in dem
gut gefchulten Maler das Zeug zu ernfteren Arbeiten, wenn es ihm gelingt, aus
diefem frivolen Gebiete herauszutreten." Von Frivolität ift in diefem Gemälde
keine Spur, wenn auch freilich ebenfowenig eine warme, lebhafte Empfindung
dies Geflaltenheer durchftrömt.
Indem wir die zahlreichen Namen der fonfl noch mit monumentalen Ar-
beiten Befchäftigten muftcrn, fällt uns die zunächll fcheinbar befremdliche That-
fache auf, dafs Künftler der allerverfchiedenften Richtungen in einem oder dem
anderen Stadium ihrer Entwickelung durch die praktifche Uebung in der grofsen
Kunfl hindurchgegangen find. Es ift höchfl: anziehend und belehrend, Art und
Grad des Gelingens oder Mifslingens mit der anderweitigen früheren, gleichzeitigen
oder fpäteren Bewährung des Künfllers in Vergleich zu (teilen. Dass aber fo
grundverfchiedene Künfller gelegentlich verfuchsweife zu folchen Arbeiten heran-
gezogen werden, das fetzt die — wenigftens inftinctiv vorhandene — richtige
Ueberzeügung voraus, dafs nur durch einen ernfthaften Verfuch die Tragweite
der Begabung zuverläffig ermittelt werden kann, und dafs felbfi; das ausgefprochene
Talent oft von felbft nicht auf feine eigentlichen Wege kommt, oder nach fchüch-
ternen, andeutenden aus eigenem Antriebe ausgeführten Proben nicht hinlänglich
erkannt wird. Wie foUte es nicht auch in der Kunfl gelten : „Es wächfl: der Menfch
mit feinen höhern Zwecken"? Und ift nicht die Ausführung höher denn die Skizze,
nicht die monumentale Leiftung begeiflernder als das ohne Beftimmung gemalte
Staffeleibild r
Nächft jener fubjectiven Vorausfetzung — im Befleller — hat diefe vielfeitige,
faft allfeitige Antheilnahme der Künfller an den monumentalen Arbeiten aber
auch noch eine objective — in den Künfllern felber. Was bei uns noch immer
Gegenfland der Erwägung ift, ob und wann dem angehenden Künftler eine indi-
viduelle Richtung gegeben und geftattet werden foll, das ift in der Praxis der fran-
zöfifchen Künftlerbildung längft und mit beftem Erfolge in der einzig richtigen
Weife entfchieden. Bei uns fühlt fich der junge Akademiker fchleunigft als
Künftler, geniefst akademifche Freiheiten, und trägt lange Haare und einen Ru-
benshut. Er achtet Alles gering, was er nicht kann oder nicht verfteht, und sieht
die ganze Kunft befchloffen in dem , was ihm zufällig — entweder wirklich oder
auch nur nach feiner Meinung — gelingt. Es fitzt unferer ganzen Akademie-
wirthfchaft, wenn auch mit Worten in Abrede geftellt, doch thatfächlich der
alte Zopf noch im Nacken, zu glauben, dass es möglich, und fomit Aufgabe fei,
jemanden zum Künftler zu machen. Es wird auch von den Künftlerbildungsan-
ftalten her jeder Zögling als Künftler angefehen, deffenoft gewiss höchft ver-
kehrter und befchränkter Individualität eine Berechtigung zuerkannt und eine
Rückficht erwiefen wird, auf die doch lediglich erft die fertige, bewährte Künft-
lernatur Anfpruch hat.
Bei den Franzofen weifs man und beachtet man ftrengftens, dafs von der
m. FRANKREICH.
303
Kunft nur das Handwerk lehrbar ift, diefes aber auch in grofsem Umfange ficher
gelehrt werden mufs, und in folchem Umfange fchwierig und langwierig zu erlernen
ift. Und wie die Erfahrung lehrt, dafs die Leute, die in einer Schule, in einer Stadt,
in einem Lande nach derfclben Methode und denfelben Vorlagen fchreiben gelernt,
(loch fpäter eine verfchiedene und für jeden charakteriflifche Handfchrift be-
Seffel im Stile Henri II., von Roudillon in P.nris.
kommen, un<l diejenigen, welche den gleichen grammatifchen Unterricht genoffen
haben, trotzdem jeder einen befonderen .Stil fchreiben, fo hat man — verniinftiger-
weife — auch nicht gefürchtet, durch eine wohlüberlegte ftrenge Organifation
für den Unterricht in dem gefammten handwerklichen Theile der Kunft die in-
dividuelle Entwickelung und Bethätigung der einzelnen fertigen Künftler zu ge-
fährden oder zu pracludiren. Ja, man hat fogar die Leitung und Ueberwachung
der jungen Künftler mit gröfstem Vortheile auf eine Stufe ausgedehnt, auf der
unfere frühreifen Herren Akademiker dei^leichen als fchnöden Hohn und perfon-
304
PLASTIK UND MALEREI.
Vorhangsbordiire aus dem Kaiferpavillon, von Giani in Wien.
liehe Beleidigung mit Entriiftung von fich weifen würden. Der Erfolg der abwei-
chenden Aufifaffiing und Behandlung — „An ihren Früchten foUt ihr fie erkennen!"
— ifl aber der: Während bei uns die jungen Künfller, die früh nach Italien ver-
fchlagen werden, dort in der Regel Schiffbruch leiden, und höchfl feiten fich einer
auf feiner Römerfahrt zu etwas Bemerkenswerthem, vorher noch nicht von ihm
Erreichtem entwickelt, exiftirt in Frankreich kaum ein einziger Künftler von einiger
Bedeutung und einigem Rufe, der nicht den „grand prix de Rome" unter feinen
Ehrenauszeichnungen aufzuführen hätte, und deffen Berühmtheit nicht von feinen
pflichtmäfsigen, unter der Förderung und Ueberwachung der franzöfifchen Akade-
mie in Rom entftandenen „envois de Rome" datirte.
Die franzöfifchen Staats-, flädtifchen und kirchlichen Behörden und die
Privaten, welche in die Lage kommen, gröfsere künftlerifche Arbeiten in Auf-
trag geben zu muffen, wiffen daher von vornherein, dafs jeder Künftler, der
feinen regelmäfsigen akademichen Gang abfolvirt hat, unbedingt „fein Handwerk
III. FRANKREICH.
305
Emailtaffl mit dem Portrait der Uiaua von l'oitiers, von Pottier.
verlieht". Und während 99 Procent unferer jungen „Künftler", fünf, fechs Jahre
nach Beginn ihrer Studien vor eine felbftändige monumentale Aufgabe geftellt,
(wenigftens innerUch und in unbelaufchtcn AugenbHcken) ein Geficht machen
würden, wie ein Junge, der in der erden Schwimmftunde an der Leine in's tiefe
Waffer geworfen ift, plätfchcrn die franzofifchen im gleichen Falle — um in dem
Gleichniffe zu bleiben — mit wohliger Jimpfindung als fichere Schwimmer in dem
vertrauten Elemente umher. Macht Einer in übermüthiger Laune Tollheiten,
nun , fo finkt er unter ; es kommt auf feine Geiflesgegenwart und Kraft an, ob
er wieder emporkommt. Aber in der Regel halt die genoffene flrenge Zucht von
'allzu waghalfigen und verderblichen Extravaganzen fern.
Daher die überrafchende Erfcheinung, dafs felbft Leute von einer fo eigen-
thümlichen und bizarren Geiftesbefchaffenheit, wie Augufle Glaize, fich mit
306
PLASTIK UND MALEREI.
ziemlich gutem Anflande im grofsen Stoffe bewegen, unfelbftändige und im
höheren Sinne unproductive, wie etwa Eugene Lencpveu (um für beide
Arten etwas ältere Namen, deren Entwickelung zu iiberfehen ifl;, beizubringen),
fich doch durch eine gewiffe Unanftöfsigkeit und äufsere Zuverläffigkeit als brauch-
bare Kräfte empfehlen können.
lieber dem Allen aber fchwebt herrfchend und beftimmend jene grofsartige
Kunflgefmnung der Franzofen, in der fie allerdings auch eine gewiffe Aehn-
lichkeit mit den alten Römern haben, mit dem ungeheuer wesentlichen Unter-
fchiede jedoch, dafs es ihnen an wirklicher Begabung zur künfllerifchen Produc-
tion und zu fchöpferifchem Auftreten nicht gleich jenen gebricht. Dadurch hat
bei ihnen, und zwar unter allen modernen Völkern bei ihnen einzig und allein,
die Kunft in Staat und Gefellfchaft diejenige Stellung, die ihr bei einem Cultur-
volke erflert Ranges gebührt, die ihr vorzuenthalten das Zeichen ifl, dafs dem
betreffenden Volke zu einem Culturvolke erflen Ranges doch noch etwas fehlt.
Nur um nicht mifsverftanden zu werden , nicht um uns über uns felbft zu
täufchen und zu tröften, fei ausdrücklich bemerkt, dafs natürlich nicht die Wür-
digung der Kunft im öffentlichen Leben der Nation allein fchon ein pofitives
Kriterium für den Rang eines Culturvolkes abgeben kann. —
Ein weiteres Eingehen auf Einzelheiten aus dem Gebiete der franzöfifchen
Monumentalmalerei wollen wir uns — als relativ unerfpriefslich — erlaffen,
ja felbft der Plaftik an diefer Stelle nur eine kurze ]'>wUhnung zu Theil werden
laffen ; und zwar aus zwei Gründen. Einmal ifl: die Bildhauerkunft ihrer Natur
nach wefentlich monumental, und ihre Uebung in monumentalem Sinne begrün-
det daher nicht eine fo durchgreifende und entfchiedene Theilung der Production,
wie im Gebiete der Malerei. Zweitens aber darf fich die franzöfifche Sculptur
nicht nur nicht der gleichen kraftvollen Blüthe rühmen, wie die Malerei — fie
fleht in der modernen Welt ja immer und überall hinter der letzteren zurück, —
fondern fie hat auch nicht einmal relativ eine ähnliche Bedeutung erlangt. Die
Plaflik ifl eine fpröde Kunft und verträgt keine gewagten Experimente. Sie ifl
daher wohl gelegentlich durch überkühne Neuerungen aus den Fugen gegangen,
aber ein claffifcher moderner Typus — wie in der deutfchen Kunfl durch Thor-
waldsen und die Schadow-Rauch'fche Schule — ifl dort nicht producirt worden.
Ein ficheres, felbflbewufstes Können hat fie mit der Malerei gemein — es flammt
bei Beiden aus gleicher Quelle. Eine gewiffe Unverzagtheit im Wurf ift auch ihr
aus diefem Grunde eigenthümlich. Der einzelnen Künfller Erwähnung zu thun,
kann hier unterlaffen werden. Nur Francisque Jofeph Duret, der form-
gewandte Meifler des h. Michael mit dem Drachen, an der Fontaine St.
Michel, und zahlreicher anderen öffentlichen Denkmäler in Paris, der fein etwas
theatralifches Wefen durch nicht forcirte Gröfse der Erfindung und entfchiedenes
Schönheitsgefühl — freilich ohne die Gabe tieferer Charakteriftik — in Vergeffen-
heit bringt, mag an diefer Stelle feines Lobes verdienten Antheil erhalten.
III. FRANKREICH.
307
Als einen weiteren Glanzpunkt der franzöfifchen Kunftabtheilung darf man
wohl unbedenklich die Vertretung des Portraits bezeichnen, und zwar vertritt
hier wiederum die bereits genannte Nelie Jacquemart, Schülerin des jüngfl
verdorbenen Leon Cogniet, die höchfte Höhe. Ihre zehn Portraits, die von
einfachen Bruftbildern bis zu ganzer Figur gehen, Männer und Frauen in dem
'verfchiedenften Alter darftellen und die verfchiedenften Charaktere im Coftüme
und in der Farbcnhaltung zum Ausdrucke bringen , find eben fo viele Meiflcr-
werke, jetles in feiner befondcren Richtung; eine unübertreffliche, ungezwungene
Seidenltolf, aiil l'apier j^eliiannl, von Haliii in Paris.
Nobleffe in der Haltung, charaktcriftifcher und lebendiger Ausdruck der Köpfe,
ein gefchicktes Arrangement, fehr reine und präcife Zeichnung und eine aufser-
ordentlich fchöne I'^arbc zeichnen diefe Gemälde gleichmäfsig aus und reihen
fie dem Beften an, was die Kunft im Portraitfache überhaupt hervorgebracht hat.
Das Portrait einer jugendlichen, reizvoll fchönen Dame in kirfchrothem Kleide,
ganze F'igur, würde felbft die Nachbarfchaft van Dyck'fcher Bildniffe ziemlich
ungefährdet beftehen.
Zwifchen diefer Dame und den heften männlichen Vertretern des Faches
ift ein grofser Abftand, wiewohl auch mehrere der bekannten und bewährten
Meifter des Rildniffes nicht unrühmlich vertreten waren. Ich nenne Alex a ndre
Cabanel, deffen Portraitgruppe im I'^lorentiner Coftüm des 15. (niclit, wie der
Katalog fchreibt, des 14.) Jahrhunderts nur etwas mehr Wärme in der Behand-
lung haben dürfte, um für vorzüglich zu gelten. Ferner Charles Landelle,
308
PLASTIK UND MALEREI.
dcffen fämmtliche Bilder eigentlich Portraits oder wenigftens Charakterfludien
find. Wunderbarerweife fleht gerade dasjenige unter diefen Bildern, welches er
doch ficher mit der meiflen Liebe gearbeitet hat, die Gruppe feiner beiden
Söhne, in der Malerei auffällig zurück, während das- Bruftbild der Frau S., jener
ftolzen Brünette, die fo recht den Landelle'fchen Gefichtstypus zeigt, in jeder
Hinficht von hervorragender Schönheit ift.
Eine eigenthümliche Enttäufchung bereitete dem deutfchen Publicum
Carolus Duran, der das unverdiente Glück gehabt hat, das Portrait der
Stühle mit geprefstem Leder, von B. Ludwig in Wien.
Frau F. von Leopold Flameng meifterhaft radirt zu fehen und dadurch bei allen
Lefern der Gazette des Beaux-Arts die Vorflellung eines eleganten, feinen Künfllers
erweckt zu haben. Seine drei lebensgrofsen Frauenbildniffe in ganzer Figur,
unter denen fich auch das erwähnte befand, zerftören diefe Illufion gründlich;
feine Behandlung hat etwas Brutales, und weit entfernt von jener echt franzö-
fifchen Grazie, die im Portrait faft nie verleugnet wird, kokettirt er förmlich mit
einer decorativen Malweife, die keineswegs durch harmonifche- Wirkung und
treffende Charakteriftik mit fich verföhnt. Er ift ein Maler der Toilette und der
Schminke, und nur, wo es fich um grobe Effecte handelt, ift er an feinem Platze.
Daher auch das Portrait der wenig anziehenden Frau Rattazzi ihm am heften
III. FRANKREICH.
309
gelungen ift und den meiften Beifall bei denen, die feiner Kunft überhaupt Beifall
zollen mochten, eingetragen hat.
Eine andere Ueberrafchung der mcrkwürdigflen Art bereitete den Kunft-
frcunden Claude Ferdinand Gaillard. Der gefchätztc Radierer, der Meiflcr
jenes unvergleichlich feinen Blattes nach Jan van Eyck's „Mann mit der Nelke",
ftellte fich gleichzeitig mit fechs Portraits als Oelmaler vor; er überträgt die
gröfste Tugend des rcproducircndcn Künftlers, keine eigene Aufifaffungsweife
und keinen felbfländigen Stil, fondern die Gabe der Anbequemung an jeden
fremden zur höchflen Entwickelung gebracht zu haben, auch in die eigene
Malerei, wo diefer Vorzug niindeftens von geringerem Werthc ift. In der That
Stuhl von Schmidt & Sugg in Wien.
würde Niemand darauf kommen, diefe fechs Gemälde demfelben Künftlcr zuzu-
fchreiben , fo verfchiedenartig ift ihr Charakter nicht nur je nach dem verfchie-
denen Naturell der Dargcftellten , fondern auch durch die Tinfelführung, durch
die Farbengebung und die gefammte Auffaffung. Während er in einem weib-
lichen BildnifTe zeigt, dafs er von van Eyck gelernt hat, die furchtbarfte Häfs-
lichkeit mit der unverbrüchlichften Treue darzuftellen und zu einem Wunder der
Kunft zu machen, fehcn wir in dem Bildniffe eines Herren mit der Brille die
zartefte Detaillirung mit der markantcftcn Zeichnung vereint. Und während
Abbe Rogerfon in halb lebensgrofsem Mafsftabe uns liebenswürdig und freund-
lich mit gefundem Geifte und Körper in das Auge fchaut, fteht der Commandant
310 PLASTIK UND MALEREI.
des Freifchützen- und Plänklercorps vor Paris mit einer Krankhaftigkeit der ganzen
Erfcheinung vor uns, die etwas Grauenerregendes hat, und der bleiche Teint des
hohlbackigen Gefichtes geht in furchtbarer Monotonie durch das graublaue Wamms
der Uniform in den tonlos ftumpfen grauen Hintergrund über, — ein unheim-
liches Enfemble. Das kleine Portrait des Grafen R. in gelbgrauem Rock ifl in
feiner fchlichten Eaceftellung nur fo hingefchrieben, der ganze Mann, wie er leibt
und lebt, in ücherer, ruhiger Vornehmheit mit überlegendem und überlegenem
Geifte. Nicht weniger ift in feiner draflifchen Art der „normannifche Typus" ge-
lungen. In allen diefen verfchiedenen Auffaffungs- und Behandlungsweifen haben
wir das Gefühl, dafs der Künftler feinen Gegenftänden vollfländig gerecht wird,
und wir fehen ihn mit unbefchränkter Meifterfchaft über eine unverbrüchlich
fichere Technik gebieten, der jedes Mittel recht und jeder Zweck erreichbar ifl,
und fo mag der Totaleindruck der Bilder je nach der Eigenthümlichkeit der
Dargeftellten und der fubjectiven Zu- und Abneigung der Befchauer mehr oder
weniger anziehend fein: jedes feiner Bilder ift von eigenartigem und feffelndem
Intereffe, ein Lob, welches kaum hoch genug angefchlagen werden kann, An-
gefichts der Fluth gleichgültiger Menfchenabbildungen, mit denen in ewiger
Monotonie und Langweiligkeit die meiflen Portraitkünfller unferer Tage die
Ausftellungen überfchwemmen , ohne uns für fich und ihre Opfer intereffiren
zu können. Das verftehen die franzöfifchen Portraitkünftler fafl durchgängig,
und darin liegt ihre grofse Uebcrlegenheit.
Man darf auf diefen Umfland keineswegs ein zu geringes Gewicht legen,
denn die Blüthe der Portraitkunft ifl; von der Blüthe der Kunft grofsen Stiles
durchaus nicht zu trennen und ihre nothwendige Vorausfetzung. Alle Meifter
der grofsen Malerei, die auf verheifsungsvollen Wegen gewandelt find und die
höchfle Spitze künftlerifcher Entwickelung bezeichnet haben, find im Portrait
grofs gewefen, und wo eine hohe Kunfl ohne gleichzeitige Blüthe der Portrait-
kunft fich gezeigt hat, da war die Frucht taub, die Nachfolge glitt unmittelbar
in den Verfall hinein. So wird uns der Zuftand der Portraitkunft innerhalb der
Kunftübung einer Nation zum untrüglichen Mafsflabe für die Ausfichten, welche
fich derfelben eröffnen. Eine Nation, welche über eine folche Bildnifskunfl ver-
fügt, wie die Franzofen, hat in der Kunft noch lange nicht ihr letztes Wort ge-
fprochen, auch wenn unter den einzelnen künfllerifchen Erfcheinungen und felbfl
in überwiegender Zahl unter der Production einer längeren Epoche fich tief
gehende Spuren einer geiftigen Ermattung und einer künftlichen Ueber-
reizung der Affecte, die nur auf den äufserlichen Effect losarbeitet, zeigt. Geht
daneben eine fo tüchtige und fo folide, vielfach geübte Portraitkunft her, wie in
Frankreich, fo bedarf es eben nur etwas veränderter äufserer VerhältnÜTe, welche
die Ueberreizung herabftimmen und an Stelle des gefuchten einen gewachfenen
würdigen Stoff der Kunft darbieten, um wieder das Gröfste erreichen zu laffen,
namentlich wenn durch alle Mifswege hindurch fich eine fo veilfeitige gewandte
und allerfeits mit Sicherheit bewältigte Technik erhält, wie das in Frankreich der
Fall ift; und auch die Concentration und einheitliche Schulung fämmtlicher
künftlerifchen Kräfte, welche durch die überlegene Stellung der Parifer Akade-
mie und durch die römifche Akademie herbeigeführt wird, kann im Intereffe der
III. FRANKREICH.
3t 1
Ausprägung eines nationalen Ty-
pus kaum hoch genug angefchla-
gen werden. Dürfen wir z. B. in
Deutfchland auch hoffen , durch
die Decentralifation und die un-
gefähre Gleiciiflellung der ver-
fchiedenen Kunrtfchulen in Nord
und Süd, in Oft und Wert ein
vielfarbigeres Bild unferer natio-
nalen Kunfl zu entfalten, fo wer-
den wir ducli die Schwierigkeiten,
daraus eine Eiirlieit zu machen
und eine höchfte, umfaffende
Repräfentation der nationalen
Kunft etwa in einem' einzelnen
grofsen Künftler zu finden, für
doppelt grofs halten muffen.
Mit dem Vorerwähnten dürfte,
was an ganz ungewöhnlichen
Werken der Portraitkunft vorhan-
den war, hinreichend vollftändig
aufgezählt fein. Nur ein fehr vom
Gewöhnlichen ab weichendes Bild-
nifs fordert noch eine Betrach-
tung: dasReiterportrait des Gene-
rals l'rim, vonHenri Regnault
(f. die Abbildung auf S. 229).
Krank auf dem Wege von
Rom nach der Heimat in Mar-
seille angekommen (September
1868), vernahm der junge Künftler
(damals noch nicht ganz 25 Jahre
alt), dass Spanien sich erhoben,
die Königin verjagt und die Repu-
blik erklärt habe. Elektrifirt
durch den Reiz der grofsen Idee,
für die es ihm felbft beftimmt
war, dereinft zu fterben, — denn
fo, als einen Kampf für das
republicanifche Princip, fafste er die verlängerte und verzweifelte Gegenwehr
Frankreichs gegen die unwiderftehlich siegreichen Heere Deutfchlands auf, als
deren Opfer er bei Bougival fiel, — eilte er, kaum einigermafaen hergeftellt, nach
dem Schauplatze der Ereignifse, und hatte die Genugthuung, am 8. Oktober
dem Einzüge des Helden der Revolution, Juan Prim's, in Madrid beizuwohnen.
Der Eindruck war so gewaltig, dafs er ihn als Künftler objectiv zu geftalten
Stickerei von einem Kinderkleid, üflcrreiclülclie 1-rauen.irbeit.
312
PLASTIK UND MALEREI.
Schreibtifch, entworfen von König & Feldfcharek und C. Graff, ausgeführt von Michel und Hanufch in Wien.
III. FRANKREICH.
313
Ä acJ « « W hd W fed Ijri W ^ be^^fe!*!^^
sjtfttrtoäaaaetrx-
'ZtCSR
Egypiifcher Cioldfclimuck.
fich gedrungen fühlte, und wenige 1, Geltung bringt, das ift ganz erftaunlich
Monate nachher übcrrafchte das lebens- zu fehen.
grofse Bild — beinahe eben fo fehr Mit Recht ifl: darauf hingewiefen
Hiftorie wie Portrait — worden, dafs die Be-
die Befucher desParifer
Salons (1869) und be-
gründete entfcheidend
den Ruf feines Urhebers.
Der Kopf des Reiters ift
von einer ausdrucksvol-
len Blässe; energifch
trotz feiner kleinen Figur
lenkt er mit feftcr Hand
fein auffallend grofses
Pferd, einen prächtigen
feurigen Rappen mit flat-
ternder Mähne. Bunte,
erregte Geftalten umge-
ben — mit bewunderns-
werther Kraft unterge-
ordnet— jubelnd, fchrei-
end und Fahnen fchwin-
gend den Helden des
Tages; wie diefer bar-
häuptig, mit herrschen-
der Ruhe in dem Strudel
der ihn unitofenden Lei-
denfchaft das Rofs pa-
rirt, wiesichtbarlich eine
Epoche entfcheidender
Kämpfe in dem vorgeftellten Momente
gipfelt, wie das Leben felber fich
hier unarrangirt in einem Höhepunkte
geifliger Spannung und Aufregung zur
Tafel in MajoUca, von Ginori
in Uoccia bei Klorenz.
kanntfchaft mit Velaz-
quez und mit dem wun-
derlichen , aber dämo-
nifch gewaltigen Goya
unfern Künftler folche
Töne gelehrt hat. Die
eigene freie und breite
Pinfeiführung, zumal in
den Nebenpartien, die
bewufste Sicherheit, mit
der in möglichft wenigen
und unvermaltenPinfel-
ftrichen — gewisserma-
fsen durch lauter ein-
zelne Drucker ^- die
charakteriftifchen Züge
prägnant wiedergegeben
find, das verräth eine Be-
geifterung und ein Kön-
nen , eine Unmittelbar-
heit der Schöpfung, die
nur allzufelten ifl. Wie
zahm , wie langweilig
wird, obwohl an fich
recht gut, ja fogar be-
deutend, gegenüber die-
fem Bilde etwa Camphaufen's Friedrich
II. und der grofse Kurfürft ! Fürwahr :
die Kunft der Malerei ifl eigentlich
die Kunft, regelmäfsig und fchön zu
40
314
PLASTIK UND MALE;REI.
fehen, d. h. mit inflinctiv ficherm Blicke die wirkungsfähigen Bilder in dem
flüchtigen Wechfel der wirklichen Erfcheinungen zu erkennen und feilzuhalten.
Es wird wenig Muftergültigeres nach diefem Grundfatze getroffen werden, als dieser
Prim, und ich flehe nicht an, ihn nicht blofs für das bedeutendfle Werk
Regnault's zu erklären, fondern es zu den hervorragendften , bezeichnendften,
vollendetften Kunftwerken zu reihen, welche das letzte Jahrzehnt hat entflehen
fehen. —
Die franzöfifche Kunftverwaltung — das verfteht fich von felbft — bringt
es mit fich, dafs diefes Bild — wie alle als Markzeichen der modernen Kunft-
richtung in Frankreich fich darfteilenden Kunflwerke — dem Staate gehört. Man
ift dort längft fo klug, in diefer Richtung lieber zu viel als zu wenig zu thun,
und das, was fich unter dem Angekauften nach Jahren und Jahrzehnten etwa als
im Momente der Entftehung und der P>ftehung überfchätzt herausftellt, lieber
entweder auszuschliefsen oder an die zahlreich beftehenden Provinzial- Museen
abzugeben , als die Hauptfammlungen des Staates in die peinliche und lächer-
liche Lage zu verfetzen, hinterdrein auf die epochemachenden Arbeiten der Ver-
gangenheit Jagd machen zu müfsen, und dabei dann auf das zufällig noch Käuf-
liche — alfo auf die »beaux reftes« ftatt auf die »premices« der Kunftproduction —
angewiefen zu fein und gleichwohl in die Höhe gefchraubte Preife zahlen zu
müfsen, nachdem der Künftler felbft nicht feiten bei Lebzeiten aus Mangel an
Abfatz zu annehmbaren Bedingungen — namentlich für gröfsere Arbeiten — in
Noth gerathen, mindeftens an der vollen, freien Entfaltung feiner Fähigkeiten
gehindert worden war.
Das bemerkenswerthefte Werk Regnault's nächft diefem Prim, seine Salome,
machte die Wiener Ausftellung nicht weitern Kreifen bekannt, dagegen fein
letztes grol'ses Bild, in Tanger, als Nachwirkung der in Spanien und in Afrika
empfangenen Eindrücke, während des Sommers 1870 entftanden und eine Hin-
richtung ohne Urtheil unter den maurifchen Königen zu Granada darftellend.
Am Eingange eines maurifchen Palaftes hat ein grofser Henker mit bronzefarbenem
Teint, angethan mit einem langen rofafarbenen Rocke, fein unfeliges Gefchäft
vollzogen. Zu feinen Füfsen liegt in jener überwendlichen und ungefchickten
Stellung, welche, wie man fagt, den Gliedern der Enthaupteten eigen ift, der
Leichnam einer prächtig gekleideten Perfönlichkeit. Sein Haupt, blutlos und
bleich, ift auf die unterften Stufen der im Vordergrunde befindlichen Treppe ge-
rollt; eine grofse rothe Blutlache breitet fich über die weifsen Marmorplatten aus.
Der aufrechtftehende Henker, ungemein ftolz und befriedigt, fein Amt nach allen
Regeln der Kunft geübt zu haben , wifcht gleichgültig die kaum benetzte blitz-
helle Klinge feines Yatagan an dem Zipfel feines Gewandes ab.
In diefem Vorgange, welchem ein Delacroix natürlich eine Wendung zum
Tragifchen gegeben' hätte, und der in der That nicht übermäffig heiter ift, hat
Regnault in erfter Linie eine Gelegenheit erblickt, gewiffe Farbenverbindungen
zu probiren, eine in der Salome noch nicht dagewefene Harmonie der Töne.
Der Scharfrichter hat, wie fchon gefagt, die bräunlichen Fleifchtöne der Afrikaner;
fein Gewand hat eine Farbe ähnlich derjenigen halbverwelkter Rofen; ein fchmaler
weiffer Linnenftreif umzieht feine Stirn. So in einer Tonleiter gehalten, deren
III. FRANKREICH.
315
Kraft durch den Widerfchein einer indirecten Beleuchtung gcmäffigt wird, hebt
fich die Figur von einem glitzernd hellen Hintergrunde ab, der Vorhalle eines
alhanibraartigen Gebäudes, auf deffcn Wänden die Arabeske erglänzt und die
unzähligen I'-rhebungen der gemalten und vergoldeten Stuckverzierungen in einem
fahlen Lichte fchimmern. Wenn man von der weifsen Binde abfieht, die die
Stirn der Figur heraushebt, ifl die Wirkung erftrebt durch den wohlthuenden
Gegenfatz analoger Farbcnwerthe, indem das vcrblafste Rofa mit dem bräun-
lichen Roth zufammenquillt, das Orange mit den Vergoldungen.
Streng genommen hätte es Regnault hierbei können bewenden laffen, aber
unverzagt bis zur Unklugheit hat er für den untern Theil feines Gemäldes ein
ganz anderes Syflem zu Grunde gelegt. Die weifsen Treppenftufen, die purpur-
rothen Flecken des ftrömenden Blutes, der leichenhafte und fchon in's GräuUche
fchillernde Kopf, der Körper des Enthaupteten, luxuriös in ein Gewand von
grüner Seide gekleidet, deffen fchreiende Farbe noch durch einen hochrothen
Gürtel gehoben wird, — • all das bildet ein Enfemble von flarken und lebhaften
Farbenwerthen , die fich gegenfeitig durch ihre Nebeneinanderflellung fleigern,
und die — wenn man den Fall unter dem Gefichtspunkte der literarifchen Kate-
gorien betrachten wollte ■ — wohl als ein einigermaffen wunderbares Mittel für
den Ausdruck der Gemüthserfchütterung erfcheinen dürfte, welche eine fo tief-
traurige Scenc hervorbringen follte. Das Drama fpricht hier nicht feine natür-
liche Sprache, und man könnte in diefer Combination von Tönen eine bis zum
Paradoxen kühne Gefuchtheit fehen. Unter dem einfachen Gefichtspunkte
der Coloriflik hat der Urheber der »Hinrichtung ohne Urtheil« zwei Bilder in einem
geliefert. Das Auge wird ein wenig beunruhigt durch diefen neckifchen Gegenfatz
in fich.*)
Und wenn es nur das Auge wäre! Aber das Gemüth wirft in einer Weife
gepeinigt durch diefe Darftellung, die kaum zu überbieten fein dürfte. Sclbfl; der
franzöfifche Kritiker, deffen Worte ich unten wiedergegeben, hat etwas davon
gemerkt, wenn er fagt: »Dies Gemälde war in dem Werke Regnault's ein neuer
Beweis nach fo vielen anderen, dafs er die Dinge nur fall und fehen wollte von
ihrer malerifchen Seite, und dafs er nicht bis zur Seele in die Tiefe drang. Un-
zweifelhaft zeigt fich eine Spur von Gedanken in dem Portrait Prim's ; aber er
giebt nichts mehr der Art in feiner Judith; in der Salome ift er unfafsbar; fehr
wenig ift davon in der »Hinrichtung ohne Urtheil« vorhanden. Das Dramatifche
war nicht das Gebiet Regnault's, und obgleich fic ihn verfchwenderifch ausge-
ftattet, hatte die gütige F'ee unter ihren Gefchenken die Gabe der Thränen
vergeffen.» Bruno Meyer.
•) Das Vorftehende, faft wörtlich genaue Ueberfetzung der Schilderung des Bildes in dem von Paul
Mantz verfafslen Auffatze der „Gazette des Beaux-Arts" über Henri Regnault {1872, I, p. 81 fg.), kann
dem deutfchen I^fer als eine treffende und an fich vorzügliche Probe der franzöfirchen , den tech-
nifchen Gefichtspunkt vor jedem andern, fall mit Ausfchlufs jedes andern, zur Geltung bringenden
Kunftkritik gelten. Es thäte nur gut, wenn auch wir diefer .Seite der Beurtheilung mehr Rechnung
trügen, als bis jetzt meifteniheils gefchieht. I.eider geben in diefer Beziehung gerade die in Deutfchland
der Kritik waltenden Künftler ein nichts weniger als glänzendes Vorbild.
40«
316
PLASTIK UND MALEREI.
ijS^
Uhr von Ratzersdorfer in Wien.
Zu dem Beden und Gcfündeften , was die franzöfifchen Säle entliielten, ge-
hörten auch diesmal wieder die Gemälde der beiden grofsen Genremaler Breton
und Meiffonier.
Jules Adolphe Breton malt das Landvolk feiner Heimath, der ehemaligen
Provinz Artois, in den einfachften Situationen, im unmittelbarften Zufammenhang
mit der Natur. Die ruhige Gröfse feiner Charakteriftik , der fchHchte Ernft der
Auffaffung, verbunden mit einem Zuge des Ahnungsvollen und Tiefen, der durch
die eigenthümliche Schönheit der Farben- und Lichtwirkung unterftützt wird,
find aufserordentlich und finden in der ganzen modernen Kunft nicht ihres
Gleichen. Es find nicht novelliftifch intereflante Situationen, welche er darftellt,
nicht humoriftifche Epifoden, in weldhen fich die einzelnen Charaktere launiger
III. FRANKREICH.
:(17
und individueller entwickeln können. Von diefer Richtung, welche in der dcut-
fchcn Volks- und Sittenmalerei die herrfchende ift, bleibt Breton's Weife weit
entfernt; flatt der frohen Laune, welche bei den Deutfchen waltet, tritt uns bei
ihm gewöhnlich eine leife Melancholie entgegen, rtatt des dramatifchen Elemen-
tes gibt ein epifches Motiv oder nocii häufiger ein lyrifches den Gruntlton an. Die
abfichtslofe Einfachheit in Situation und Charakteriflik ift bei Breton das Gröfste,
fie prägt feinen Werken einen unvergleichlichen Adel auf, fie bringt es mit fich,
dafs die Menfchcn, die er malt, eine fo unbedingte und felbftverftändliche Be-
rechtigung der Exiftenz haben, fo vollkommen mit der Natur verfchmolzen er-
fcheinen, in der fie ftchen. Da fanden wir zunächft Breton's Hauptwerke aus
MajoUca-Gefäfse, von Minton in Sloke uiion Trent.
der Galerie des Luxembourg : „Die Segnung der Felder" (1857), eine ländliche
Proceffion, welche in glühendem Sonnenlicht durch die Kornfelder hinzieht, und
das noch fchönere, zwei Jahre fpäter entftandene Gemälde : „Die Heimkehr der
Aehrenleferinnen ;" ferner zwei neue Gemälde aus den Jahren 1871 und 1872:
„Die Freundinnen", drei Bauernmädchen, welche Arm in Arm plaudernd
durch die Kornfelder hinwandeln; an Qualität und Feinheit der Stimmung
den Aehrenleferinnen verwandt, aufserordentlich fchön durch die Art, wie
hier drei weibliche Charaktere zufammenklingen ; und „Die Quelle", ein Bild in
lebensgrofsen Figuren und zwar nur mit zwei Geftalten junger Landmädchen
am Brunnen. Ganz im Schatten gehalten, heben fie fich vom lichten Abend-
himmel ab. Die weiblichen Charaktere find bei aller Schlichtheit voller Anmuth
318 PLASTIK UND MALEREI.
und Adel. Und wie ifl: auch in diefen beiden Bildern wieder der Frieden des
Abends zum Ausdrucke gebrachtl Inmitten der gedämpften, dämmernden
Stimmung überrafcht uns die fiebere Klarheit, mit der jede Form zur Geltung
kommt, bei aller Unbefangenheit find Bewegung und Haltung überall edel und
flilvoll. Wie richtig exiftiren die Figuren im Raum, wie vollendet ift die Model-
lirung auch in den dunkelflen Schattenpartien, wie fein umfpielt das Licht die
Umriffe der Körper! Und — bei aller coloriflifchen Meifterfchaft , aller Breite
des Vortrags — welche keufche Discretion!
Das V orzüglichfte , was von Louis Erneft Meiffonier vorhanden war,
befland in zwei ganz kleinen Bildchen aus dem Jahre 1869, zu denen Antibes
die Scenerie geliefert hat. Auf einer Strafse, die fich neben der Mauer hinzieht,
läfst er das eine Mal einen Reiter und einen Fufsgänger fehen, die bei glühen-
dem Sonnenlicht ihres ' Weges ziehen ; das zweite Mal eine Kegelpartie von
Soldaten in der Uniform des erften Kaiferreichs. Jedesmal volles, fcharfes Licht
und reizlofe Gegend, aber eine Sicherheit der malerifchen Wirkung, die über
jeden Begriff geht, eine Schärfe der Beobachtung, die kühl, ruhig, fogar manch-
mal felbfl: mühfam alles Gegenftändliche mit der äufserften Genauigkeit und Ge-
diegenheit fefthält, eine Fähigkeit, im allerklcinften Mafsftabe zu arbeiten und
dennoch im Vortrag breit zu fein. In diefer Hinficht erfcheint namentlich das
zweite diefer Bilder als ein wahres W'under. Verwandt ift der Halt von drei
Reitern vor einer Schenke, ein Motiv, welches der Künftlcr fchon früher, in etwas
anderer Compofition, behandelt hatte. Ein kleines Kriegsbild, zwei fran-
zöfifche Chaffeurs zu Pferde in einem entlaubten Walde, ift wahr und malerifch.
In einem Genrebilde von 1872 tritt dann Meiffonier uns plötzlich in einem für
ihn ungewöhnlich grofsen Mafsftabe entgegen, den er aber mit gleicher Vir-
tuofität zu beherrfchen fähig ift. Es ftellt einen Schildermaler dar, welcher
einem fchmunzelnden Wirthe das für diefen gemalte Aushängefchild mit einem
]3acchus auf dem Faffe zeigt. Beide Geftalten, im bürgerlichen Coftüni vom Ende
des vorigen Jahrhunderts, find von einem fo lebendigen und behaglichen Humor
des Ausdrucks, wie er fonft bei dem überwiegend kühlen Meiffonier nicht vor-
kommt, und fo nähert er fich hier den alten Holländern, die in rein malerifcher
Hinficht feine Vorbilder waren, auch in der alten launigfrohen, gemüthlichen
Auffaffung.
Zwifchen allen diefen kleinen Genrebildern hing aber endlich ein grofses
Kriegsbild, an welchem Meiffonier feit einer langen Reihe von Jahren gearbeitet
hat und das hier, obwohl noch nicht ganz vollendet, zur Ausftellung gekommen
war: „Napoleon 1807". Dem „Napoleon 1814", den der Künftler früher gefchaffen
hatte, kommt dies neue Bild an grofsartigem hiftorifchen Geifte nicht gleich,
aber höchft lebendig ift das Vorbeifaufen der Küraffiere zum Angriff dargeftellt
und die gefchichtliche Erfcheinung als folche ift mit grofser Sicherheit und
Kenntnifs feftgehalten, die Arbeit allein, die uns aus, diefem Bilde entgegentritt,
flöfst Refpect ein; welche Studien liegen hier jedem einzelnen Motiv, jeder Gc-
ftalt, jedem Pferde zu Grunde! Doch im Ganzen möchte man vielleicht zu dem
Schluffe kommen, dafs das Einzelne fich nicht in allen Theilen harmonifch
zufammenfchliefst , dafs hier und da der Eindruck des mosaikartig aus kleinen
III. FRANKREICH.
319
Stücken Zufammengefügten überwiegt. Vielleicht wird das bei der Vollendung
des Ganzen noch überwunden werden, aber wer weifs, ob es dem Künftler bei
feiner beifpiellofen Gewiffenhaftigkeit je gelingen wird, das Gemälde foweit zu
führen, dafs er felbfl es für beendigt halten kann.
Unter den Malern des Landvolks reicht keiner auch nur entfernt an Breton
heran. Eugene Ivcroux ifl; in feinem Hauernhaufe vor dem Begräbnifs fchlicht
und charaktervoll. Auffallend flau und vcrblafen in der Farbe, ohne Charakter
in der Zeichnung, fowie unzureichend in der Individualifirung erfcheint Marchai
in feinen Gemälden aus dem elfäffifchen Bauernleben, obwohl er hier durch zwei
Theekeffel von Hancocks & Co. in London.
anerkannte Werke aus früheren Jahren, den „Lutherchoral" (1813) und den
„Mägdemarkt zu Buchsweiler" (1864), aus dem Luxembourg, vertreten war.
Dort eine fchwächliche Sentimentalität ohne poetifche Kraft, hier ein unächter
Humor, der fich zu abfichtlich giebt; in folchen Zügen kann das ländliche Sitten-
bild der Franzofen nicht mit dendeutfchenMeiftern des Faches wetteifern. Dagegen
zeigt der Elfäffer Guflav Brion Anklang an deutfche Gefühlsweife, mag er auch
an Lebendigkeit und Geift in Situation und Charakteriftik einen Knaus oder
Vautier night erreichen. Seine „Rafl der Pilger nach St. Odilien" ift ernft und
tüchtig, fein „Flofs auf dem Rhein" bei nebligem Morgen ift malerifch glücklich
und voll guter Motive. Eugene Feyen erfreut in feinen kleinen Strandbildern
mit zahlreichen Figuren durch den zarten Ton, die feine Lebendigkeit, das fiebere
malcrifche Gefühl. Neben der Naturbeobachtung ift hier auch das Studium guter
hoUändifcher Meifter, eines Wouwermans und A. van de Velde, wahrzunehmen.
L^on Bonnat offenbart Lebensgefühl und coloriftifche Kraft in einigen
orientalifchen wie italienifchen Genrebildern, befonders aber in der vortrefflichen,
320
PLASTIK UND MALEREI.
III. FRANKREICH.
321
unmittelbar packenden, lebensgrofsen Gruppe einer Italienerin, der ihr Kind
laciiend um den Hals fällt. Hebert dagegen erfchien in feinen hier vorhande-
nen grofsen Bildern aus dem italienifchen Leben kaum auf alter Höhe ; fie find
anfpruchsvoU und ohne Frifche, die MelanchoUe , welche für ihn einll ein fo
wirkfames Mittel des Ausdrucks war, ift hier krankhaft überreizt. Eugd-ne
Ifabey malt nach wie vor kleine Bilder mit einem bunten Gewimmel von
Figuren in malerifcher Tracht der Vorzeit, breit und keck vorgetragen und von
Bronzegitter, entworfen von Heinr. Riewel, ausyeflihrt von 1). Ilcillenljach Sohne in Wien.
grofsem decorativcm l'^ffect. Tony R obert-Fleury erfcheint inclen beten-
tlen alten Weibern in der Kirche Santa Maria della l'ace zu Rom viel kräftiger
und charaktervoller als in feinem grofsen hiflorifchen Gemälde.
Ohne auf die Bilder von dem geiflreichen Vibert, von Leloir, Bouhinger,
Fichel, Chavet weiter einzugehen, muffen wir doch noch bei zwei vorzüglichen
kleinen Kriegsbildcrn (Icheii bleiben. „Der Kanonenfchufs" von Etienne
Berne-Bellecour hatte im Salon von 1872 durchfchlagenden Erfolg. Es jfl
eine Schanze mit franzöfifchen Soldaten; eben iil ein grofses Gefchütz abgefeuert
worden; gefpani* beobachten die Naheftehenden die Wirkung des Schuffes.
Das ift ruhig, kühl, mit ficherfter Beobachtung und überzeugender Wahrheit ge-
geben. Protais' Gemälde „1870", ein Schlachtfeld, aufweichen! ein fchwerver-
41
322 PLASTIK UND MALEREI.
wundeter Franzofe noch die Fahne umklammert hält und mit letzter Kraft um-
herfpäht, ift nicht ohne tendenziöfen Anflug, über ftimmungsvoli und von dufte-
rer Poefie.
Neben diefem gefunden Realismus, der mit echt malerifcher Gefühlsweife
verbunden ift, fanden wir aber auch Aeufserungen jenes krankhaften Geiftes, der
fich unter dem zweiten Kaiferreich entwickelt hatte. Die Arbeiten des vielbe-
wunderten J e a n Leon Gerome haben unverkennbare künftlerifche Qualitäten,
doch fie find auf den überreizten und dadurch abgeftumpften Sinn einer blafirten
Gefellfchaft berechnet. Wenn ich „berechnet" fagte, fo ift dies zwar eigenthch
zu viel. Die bewufste Speculation des Künftlers mag bei der Wahl des Stoffes
wie bei der Behandlung ihre Rolle fpielen, fie ift aber eigentlich nicht die Haupt-
fache, fondern im Ganzen bewegt fich Gerome ziemlich unbefangen in feiner
Welt. Nur dafs er eben nirgend durch ein tieferes inneres Intereffe, durch einen
idealen Zug geleitet wird; dafs ihm zweierlei fehlt, ohne das kein echtes künftle-
rifches Schaffen, auch im realiftifchen Stile, möglich ift: die Frifche und die
Wärme des Gefühls. Sein Wiffen, feine archäologifchen und ethnographifchen
Intereffen beftimmen ihn, indem er culturhiftorifche Sittenbilder aus dem claffi-
fchen Alterthum oder Scenen des modernen orientalifchen Lebens malt; und
wenn er auf diefem Wege vorzugsweife zu Gegenftänden kommt, die theils ftark
finnlich gefärbt, theils furchtbaren und graufamen Inhalts find, fo mag das eben
nur deshalb gefchehen, weil er zu wenig Feuer, Geift, Gefühlswärme und idealen
Sinn hat, um dem Einfachen ein tieferes Intereffe abgewinnen zu können. Kr be-
fitzt weder Erfindung, noch Gefühl für Schönheit der Form und für den wahr-
haft poetifchen Reiz der Farbe. Aber das, was er beobachtet oder durch
Wiffen und Studium fich zurechtgelegt hat, giebt er mit ungewöhnlicher Ge-
nauigkeit und Schärfe in Geftalten und Oertlichkeit wieder, wie nach der Photo-
graphie gearbeitet, und bei meift kleinem Format der Bilder fauber, faft geleckt,
allerdings auch leblos und elfenbeinern in den nackten Partien trotz aller Sorg-
falt der Durchbildung. Gerade bei diefer eleganten Zierlichkeit der Behandlung
wirkt die Darftellung des Gräfslichen oder finnlich Erregten, welche bei feuriger
Kühnheit der Auffaffung und des Vortrags erträglich wäre, oft um fo ver-
letzender.
Bereits bekannt ift die Wache am Eingang der Mofchee P^l - Affaneyn , an
der abgefchlagene Häupter aufgcfchichtet und aufgehängt find — fchr frappant,
aber mit ftumpfer Nüchternheit, die um fo brutaler wirkt, vorgetragen. Dann
fahen wir ein figurenreiches Gladiatorenbild, das zu feinem früheren, berühmten
Bilde „Ave Caefar, morituri te salutant" eine Art Gegenftück bildet. Der fieg-
reiche Fechter fetzt den P'ufs auf den Körper des niedergeworfenen Gegners
und fchaut triumphirend umher, während die erregte Zufchauermenge, nament-
lich die Weiber, ihm das Zeichen geben, jenem den Garaus zu machen, und der
Kaifer dabei gleichgültig Früchte verzehrt. Auch hier ift die Roliheit des Ge-
fühls geradey.u unerträglich. Ueberlegen find eine orientalifche Badefcene, ge-
fliffentlich unfchön componirt, aber mit gut durchgebildetem*I''rauenkörper, ein
in der Stimmung fehr charaktervolles Wüftenbild mit einem Araber neben feinem
verfchmachtet hingefunkenen Pferde, endlich eine Spazierfahrt des Harems zu
_L
III. FRANKREICH.
323
Krollleuchter, entworfen von M. Claus, ausgeführt von D. Hollcnbach Söhne in Wien.
Waffer, intercffant durch die Wahrheit, mit welcher hier bei fchhcht grauem Ton
die duiiflige Schwüle der Stimmung wiedergegeben ift. Die Gruppe eines Sclaven-
niädchens und eines braunen, fluinpf dakauernden Knabens unter dem Katalogtitel :
«•
324
PLASTIK UND MALEREI.
„a vendre," darf nicht überfehen werden, weil Gcrome trotz feiner Gewöhnung an
kleines Format und feine, miniaturartige Behandlung hier einmal beweift, dafs
er auch lebensgrofse Figuren gefchickt und ohne Kleinlichkeit zu bewältigen
vermag, ifl: aber auch fonft nichts mehr als eine höchft correcte und kundige
Arbeit nach lebenden Modellen, ebenfo gefühllos wie alles Uebrige.
Gerome ift eine Erfcheinung, welche für die moderne franzöfifche Kunft
hüchfl; bezeichnend ifl; aber wenn er auch auf diefer Ausftellung wieder feine
Rolle fpielte, fo kann man doch keineswegs fagen," dafs diesmal feine Richtung
mit ihrem bedenklichen Hautgout befonders hervorgeflochen habe, ebenfowenig
wie man behaupten könnte, dafs die allerdings gelegentlich vertretene Malerei des
Nackten mit ftark fmnlichem Beigefchmack für den Gefammteindruck der franzöfifchen
Säle beflimmend gewefen wäre. Von dem 1871 jung verftorbencn Victor Gir au d
Ilalhband und Nadel vuii CallcUani in Rom.
fall man allerdings einen antiken Sklavenhändler, tler feine weibliche Waare an-
preifl, in lebensgrofsen Figuren. Es ift ein Gegenfland jener Gattung, die Gerome
in Mode gebracht hat, feinem Inhalte nach beinahe verletzend, doch von grofsem
malerifchem Gefchick. Da oder dort erblickte man ferner einen nackten weiblichen
Körper, der theils flehend, theils hingeftreckt, feine vollen Reize offenbarte. Nir-
gend war jene durch Schönheit verklärte Sinnlichkeit, jene zauberhafte Unbefangen-
heit der Exiflenz vorhanden, wie fie die grofsen venetianifchen Meifler ihren
Schilderungen unverhüllter Frauenfchönheit aufprägen, aber wir fanden auch nur
höchft feiten ein unlauteres Speculiren auf den fmnlichen Kitzel. Etwas derart
war allerdings in Jules Lefebvre's liegender Frauengeftalt vorhanden, die bei
bewundernswerthem Gefchick in der Auffaffung des Körpers und bei feltener
Feinheit der Zeichnung ganz der Sphäre des Getnein-Lüfternen angehört. Wenn
Alexandre Dumas fils, dem dies Bild gehört, an einem folchen Gegenftande
Gefallen findet, fo theilt er diefen Sinn mit dem verftorbencn Könige von Württem-
berg, der einen Raum feiner Wilhelma ganz mit Nuditäten anfüllte ; der Unter-
fchied ift nur der, dafs keine derfelben fo gut ift wie das Lefebvre'sche Bild.
Immer beffer, wenn diefe Hetärenmalerei eine Gattung für fich bildet, wenn fie,
um gewiffer Studien und Experimente der Künftler und gewiffer Privatliebhabereien
der Käufer willen, gefondert exiftirt, als wenn fie fich in die Malerei grofsen Stiles
eindrängt und wenn Damen der Halbwelt unter der Maske hiftorifcher Charaktere
aufreten, wie das mitunter gerade auf gepriefencn deutfchen Gefchichtsbildern
vorkommt. J.J. Lefebvre's „Wahrheit", mit eniporgehaltcner Fakel, macht den
III. FRANKREICH.
;525
Vcrfuch, bei Darftcllung nackter Frauen fchönheit auf I.inicnadel und Idealität der
Form auszugehen, etwa auf Jngres' Spuren zu wandern, doch ohne fonderliches
Glück. Sein neucftos Hild, y.uerft in dem Pariser Salon von 1872 erfchienen,
„La Cigale", fo genannt in Hinblick auf Lafontaine's bekannte Fabel, und in der
That hinfichtlich der Toilette „fort depourvuc", zeigt in der flehenden Frauen-
tcoflalt, die fich von heller Wand abhebt, einen glücklichen Rhythmus der Linien
Seffel im Stile Henri Tl., von Roudillon in l'ar-
und diefelbe wohlftudirte, feine Zeichnung, ifl aber zu glatt und kalt in der Be-
handlung und bleibt an Frifcho jedenfalls gegen jenes liegende Weib zurück.
Wenn Heu vier den l'rühling fymbolifch durch ein kaum noch ganz erblühtes
nacktes Mädchen darftellt, das auf einem blühenden Baume balancirt, fo ift das
durchaus nicht unlauter empfunden, wenn auch nicht ohne eine gewiffe unfrei-
willige Komik in der Wirkung, und „der Schlaf" von Bernard de Giro n de,
der glückliche Wurf eines jüngeren Künftlers, auch aus dem Salon von 1872,'
eine Schlummernde, deren Oberkörper aus der farbenprächtigen Decke hervor-
■.m PLASTIK UND MALEREI.
fchaut, ifl; harmlos finnlich ohne verletzenden Zug und coloriftifch wohl gelungen,
allerdings ohne höheres Schönheitsgefiahl.
Unter den Malern der Landfchaft, des Viehflücks u. f. w. überftrahlten die
Werke von zwei berühmten Verftorbcnen, Troyon undTheodore Rouffeau
an Naturgefühl, Mciflerfchaft des Vortrags, Colorit, Tonwirkung und poetifcher
Empfindung alles Uebrige. Aufscrdcm fanden wir Landfchaften von Frangais,
Cabat, Duprc, Diaz, Paul fluct, eine grofse Anzahl Bilder von Corot,
die bei der vollen Auflöfung alles Gegenfländlichcn in Schimmer und Duft, denn
doch von zauberhafter Wirkung des Tons find, mag es auch nicht an manierifti-
fchen Zügen fehlen, endlich mehrere Gemälde von Frangois Daubigny mit
ihrer Kühnheit des freien, fkizzenhaften Vortrags, dem faft ängftlichen Vermeiden
aller Linienfchönheit, der energifchen Wirkung ohne eigentliches Hafchen nach
Effect. Charles Pierre Daubigny arbeitet glücklich im Stil feines Vaters,
wie fein ausgeftclltes Strandbild zeigte. Von hoher poetifcher Schönheit find
die Winterlandfchaften, namentlich der Wald bei Sonnenuntergang , von dem
jüngeren Emile Breton.
Unter den Stillleben- und Blumenmalern, die zwar vorwiegend Alle mehr
auf glänzende decorative Wirkung als auf ein feineres Stimmungsleben ausgehen,
fe;ien Couder, Philippe Rouffeau, Desgoffe, Mme. Escallier, dann aber
namentlich Vollen um feiner meifterhaft gemalten Scefifche willen erwähnt.
Der franzöfifchen Plafliik wurde bereits oben im Zufammenhange mit
der monumentalen Malerei F"rankreichs im. Allgemeinen kurz gedacht. Wir
tragen dazu hier über die wichtigften der ausgeftellten Werke einige Bemerkun-
gen nach.
Schritt man auf das Hauptportal der Kunflhalle zu, fo fand man vor dem-
felben im Freien ein Marmorwerk von dem Baron Charles Arthur Bourgeois,
ein leidenfchaftlichcs Frauenzimmer, das fich mit der Linken in die Haare fährt
und die Rechte warnend emporhebt. Wer im Katalog nachfieht, erfährt, dafs
diefe Geftalt die Pythia darftellt und merkt dann auch, dafs fie auf einem Drei-
fufs fitzt; jeder Unbefangene hält fie für la France, die »Revanche!« fchreit. Die
Franzofen find aber viel mafsvoller als wir es ihnen zutrauen; Cabel's Gyps-
modell »1871« führt uns in der Figur Frankreichs nur ein Bild dumpfer ver-
zweifelter Trauer vor Augen. Die Begabung der Franzofen für das Pathetifche,
welche jenes Werk von Bourgeois in rhetorifcher Uebertreibung zeigt, tritt wirk-
famer und bedeutender in einer Marmorgruppe von Barrias zu Tage, dem
Knaben Spartacus, der zu den Füfsen feines gekreuzigten Vaters Rache fchwört.
Das Herbe des Motivs bringt auch hier und da eine gewiffe formale Härte mit
fich, aber die Compofition hat etwas Mächtiges, der Ausdruck ifl dramatifch.
Von denifelben Künftkr fanden wir, fowohl in Marmor wie in verfilberter Bronze,
ein fchlichtes, gut durchgeführtes Genrewerk: die Spinnerin von Megara. Com-
pofitionstalent mit anmuthiger Schönheit verbunden offenbart die Hebe von Car-
rier-Belleufe, einem Schüler von David d'Angers; von dem mächtigen Adler,
der über ihr zu wachen fcheint, bcfchattet, liegt die zarte Mädchenfigur weich
hingebettet auf Jupiter's Thron. Geflalten in fchlichter, idyllifcher Situation,
mögen die Motive aus der antiken Mythe gefchöpft fein oder nicht, gelingen den
III. FRANKREICH.
327
franzöfifchen Bildhauern am heften und geben die ficherfte Gelegenheit, ihr
Naturgefühl und ihre Empfindung für die Form zu bewähren. Durch lebendigen
Rhythmus der Bewegung zeichnen fich Gauthier's junger Wilddieb und Per-
raud's Erziehung des Bacchus aus, während deffen Geftalt der Verzweiflung
gut durchgebildet, aber kalt im Ausdruck ift. Der verftorbene Protheau er-
fcheint in feiner Gruppe »Unfchuld und lüebe«, eine Mutter mit ihrem Kinde,
etwas zu glatt, während Boiffeau in einer Gruppe zu Chateaubriand's Attala,
die junge Wilde, ihr todtes Kind beweinend, es bei zart behandelten Formen zu
einem tieferen Ausdruck der Empfindung bringt. Bei Conny's Gruppe »Brüder-
liche Liebe«, die fchon 1867 in Paris ausgeftellt war — das Aufnehmen eines
Verwundeten darfteilend — kann man trotz des gediegenen Studiums, das man
hier erkennt, fich nicht über das Schwere und Maffige der Körperbildung hin-
wegfetzen. Die »Schläfrigkeit« von Etienne Leroux, eine im Seffel fich
ftreckende, fich entkleidende Frauengeftalt, ift bei aller formalen Tüchtigkeit
doch zu gewöhnlich im Motiv und zu nüchtern in der Empfindung. Aizelin's
zarte Figur der trauernd fitzenden Pfyche mit der Lampe macht fich in Bronze,
wie man fic in der Ausftellung von Barbedienne fah, vielleicht noch fchöncr
als in Marmor. Ein neues Gypsmodell deffelben Künftlers ftellt in einem an-
muthigen Seitenftück hierzu Pfyche mit dem Kärtchen dar. Wir erwähnen noch
die ftehende Pfyche von Peiffer, die gefällig aufgebaute Gruppe »Quelle und
Bacli« von Chatrouffc, und das junge Mädchen am Brunnen von Truphcme,
fehr fein in der Auffaffung des jugendlich holden Körpers. Mirabeau's Stand-
bild von demfelben Künftler ift zu rhetorifch. Bei der Marmorftatue des Mar-
fchalls Peliffier von Crauk war das Gewöhnliche, ja Ikutale der Perfönlichkeit
nicht zu überwinden, während die geiftvoUe Bürte Samfon's von der Comedie
Frangaife Crauk's Meifterfchaft im Bildnifs bekundet. Unter den hiftorifchcn
Portraitfiguren fteht Caudron's fitzende Marmorgeftalt in erfter Reihe. Er hatte
allerdings an Houdon's Büfte ein wundervolles Vorbild, aber er zeigt fich deffen
in der geiftvollen Auffaffung des Kopfes, der Nobleffe und glücklichen Leichtig-
keit der Haltung und der meifterhaftcn Ausführung werth.
Weit überlegener, als in den Marmorwerken, trat uns aber die franzöfifche
Plaftik in den Bronze-Arbeiten entgegen. Die Franzofen haben zunächft das fiebere
Gefühl dafür, welche G.ittung von Arbeiten für Marmor, welche für Bronze ge-
eignet find. Sie wenden letztere in folchen Fällen an, in denen der Charakter fich
nicht fowohl dem Anmuthigen, Weichen, Ideal-Schönen, als dem entfchieden
Realiftifchen, dem Straff-Energifchen oder auch dem Keck-Humoriftifchen zuneigt.
Gerade nach diefer Seite hin find fie aber vorzugsweife begabt. Sie wiflen aufserdem
die Bronze vorzüglich zu behandeln, nicht nur im Gufs, fondern auch in der
Cifelirung. Da finden wir ftets die forgfamfte Durchführung, die gröfste Sicherheit
in der Ik'arbcitung des gegoffenen Stücks mit Meifscl, Feile und Bunzen, eine
Behandlung, welche dem Stoff gerecht zu werden, die Gewandung, das Haar, die
nackten Theile charakteriftifch ilurchzubilden verfteht. In der franzöfifchen Ab-
theilung des Induftriepalaftes gehörten die Bronzen zu dem Intereffanteften, die
Ausftellung von Barbedinne an der Spitze. In der grofsen Rotunde fah man
die Producte der Giefserei von Thi^bault & fils, darunter Jacquemart's Löwen
^
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328
PLASTIK UND MALEREI.
I.efendea Mäilcheii, Marmorli{;iir von laiilardini.
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330 PLASTIK UND MALEREI.
für die Brücke Kasr-el-Nil /.iiCairo und die Furie von der Herzogin von Marcello,
(Caftiglione - Colonna) , geborenen Gräfin d'Afifry aus Freiburg in der Schweiz,
ein Werk von wilder Leiden fchaft der Empfindung und mächtiger ]-"ormauffaffung.
Gute Büften von derfelben hochbegabten Dame waren in der Schweizer und der
franzöfifchen Abtheilung der Kunfthalle zu finden. Die Mitte der Rotunde füllte
der riefenhafte Brunnen des verftorbenen Klag mann, gegoffen von Durenne.
Sein Aufbau kam nur deshalb nicht zur vollen Geltung, weil die ungefchickt ver-
baute Rotunde das nicht zuliefs; er braucht einen weiten, freien Raum, wie die
Place de la Concorde, um rechte Wirkung zu machen.
Betrat man die Kunflhalle, fo erblickte man auf den Treppenwangen die co-
loffalen, heroifch kühnen Thiergruppen von Augufte Cain: Löwe und Tiger mit
ihrer Beute. In der offenen Halle fland Fremiet's grofses Reiterbild des Her-
zogs Ludwig I. von Orleans, eine Ritterfigur von vollendeter Coflümbehandlung,
wahrhaft hiftorifchem Gepräge, auch in der Aufifaffung, zum Beifpiel in dem voll-
kommen ruhig flehenden Pferde, dem mittelalterlichen Geifte entfprechend, aber
ohne archaiflifche Manier. Mercie hat fich in feiner Statue des David, der auf
Goliath's Haupt feinen Fufs fetzt, von dem berühmten Werke Donatello's im Motiv
beeinfluffen laffen, zeigt aber wirklich etwas von dem Geifte des altflorentinifchen
Realismus in feiner Schöpfung. Das gilt in noch höherem Mafse von Paul Du-
bois' Johannes dem Täufer, dem hageren Knaben von feltener Energie und Adel
der Charakteriftik. Auch deffen florentinifcher Sänger ift eine treffliche und pikante
Coftümfigur, ähnlichen italienifchen Verfuchen weit überlegen, naiv empfunden
und hiftorifch treu im Charakter.
Von Clefinger fanden wir ein in Silber ausgeführtes, mit Vergoldungen
und Cameen gefchmücktes Standbild der Phryne, die vor den Richtern fteht.
Das lebhafte Gefühl für die finnliche Schönheit fchliefst hier doch die Nobleffe
nicht aus. Auch feine Tänzerin in l^ronze ift eine kecke und lebendige Figur.
Caille's Bacchus mit dem Panther, Maillet's Jäger, Blanchard's junger
Equilibrift, Moulin's l'"und in Pompeji, Tournois' Bacchus als Erfinder der
Komödie find glücklich bewegte, tüchtige Arbeiten. Bei Lequesne's römifchem
Sklaven, wie bei Sanfon's römifchem Tänzer ift die ftraffe Bildung des Mannes-
körpers mufterhaft durchgeführt. Der Schlangenbändiger von Bourgeois, keck
und geiftvoll, zeigte uns den Künftler von einer günftigeren Seite als in feiner
früher erwähnten Pythia, und ebenfo hat Delaplanche durch feinen Knaben auf
der Schildkröte — ■ ein allerliebftes Motiv — feine in Marmor ausgeführte, übervolle
Eva weit übertrofifen. Von Moreau-Vauthier fanden wir eine kecke Amorfigur
und einen an der Quelle knieenden Trinker, welcher nur von Hildebrand's Trinker
übertroffen wird. Salmfon's Spinnerin ift eine fcharf und forgfam durchgeführte
Gewandfigur. Der Ariftophanes des verftorbenen Frangois Clement Moreau
ift ein edles und ausdrucksvolles Charakterbild. Carpeaux führte uns aufser
feiner gefälligen Genrefigur eines neapolitanifchen Fifchers mehrere Büften in
Terracotta vor, die bei vielem Geifte doch zu fehr in das Süfsliche und Sinnliche
hineinfpielen. Von kleineren Bronzen feien die Gladiatoren von Guillaume,
fowie Mene's wohlbekannte, lebendige und geiftreiche Arbeiten: der reitende
Jäger mit den Hunden und der Araber zu Pferde, genannt.
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
331
IV. Deutschland. Oesterreich und Ungarn.
Wenn auch die grofsen hiftorifchen, religiöfen, mythologifchen und allcgori-
fchcn Gemälde der franzöfifchen Abtheilung durchfchnittlich nicht das waren, was hier
den Befchauer vorzugsweife anzog, wenn auch C abanel, Tony Robert-Fleury,
Ulmann, Antigna, Sirouy, Barrias nicht ih dem Mafse wie Meiffo-
nier, Breton, MUe. Jacquemart, Gaillard, Daubigny uns reine künft-
lerifche Befriedigung gewährten, fo hatten ihre Arbeiten doch nach einer andern
Seite hin ernfte Bedeutung. Sie legten fiir die Art, wie die franzöfifchen Maler
ftudiren, Zeugnifs ab. Bilder folchen Charakters und fo grofsen Formats kamen
in gröfserer Anzahl nur in der franzöfifchen Abtlicilung vor. Sie find ein Beweis
für die ernften Beflrebungen der Künfller, zu einer möglichft gediegenen Be-
herrfchung der Form, zu möglichfl; ficherer Haltung bei bedeutenderen Dimen-
fionen zu kommen. Dafs folches Streben feinen Werth hat, lernt man am heften
da erkennen, wo es fehlt, wie in der deutfchen Kunfl. Unfere Maler fchaffen
ihre Landfchaften, ihre Genrebilder für den Markt, feiten wagen fie fich an folche
Aufgaben, die einen gröfseren Aufwand von Kraft und Mitteln verlangen. Sie
find auch nicht in der Lage, dies thun zu können. Niemand würde es ihnen danken
und ihre Arbeit bezahlen. Anders fleht es in Frankreich, wo in folchen Fällen
der Staat eintritt, das Streben zu belohnen. Wenn irgend etwas den franzöfifchen
Bilderfälen jenen bereits früher hervorgehobenen Charakter einer gröfseren Ruhe
und Harmonie gegenüber dem wirren, bunten Durcheinander der deutfchen Säle
gab und es mit fich brachte, dafs man dort in einem Mufeum, hier aber nur in
einem Kunftbazar zu fein glaubte, fo ift es eben nicht fowohl die gröfsere künft-
lerifche Begabung der Franzofen überhaupt, als die durchaus andere Stellung
der franzöfifchen Kunft im Staate und im öffentlichen Leben.
Vor Allem muffen wir uns davor hüten, nach hergebrachten V'orftellungen
uns etwas auf unfere eigene Gründlichkeit und Gediegenheit gegenüber den
leichtfertigen und flüchtigen Franzofen zu Gute zu thun. Gerade umgekehrt ver-.
hält fich die Sache. Der Wetlftrcit, der in der Kunfthalle der Weltaus-
ftellung ausgefochten wurde, führte nicht fo fehr das Talent als vielmehr die Ge-
diegenheit der Ausbildung und der Arbeit als entfcheidende Mächte in das
Treffen, und gerade in diefer Beziehung find uns die Franzofen um vieles
voraus.
Die echte Bildung des Formenfinns fehlt nicht nur unfern Handwerkern,
unferm grofsen Publicum, fie mangelt bei uns gewöhnlich auch den Künftlern.
Es ift ein eigenthüniliches Unglück für die Entwicklung der modernen deutfchen
Malerei, dafs diejenigen Meifter, die einen grofsen und eigenthümlichen Formen-
finn befafsen, einen viel originelleren und genialeren als irgend ein P'ranzofe:
Cornelius und die meiften übrigen Künftler der idealen Richtung, niemals zur
vollen Ausbildung diefes Formenfinns kamen, über dem Wurf der Erfindung die
folide Durchführung und das Studium der Natur verfäumten, in der Farbe nicht
die Zeichnung, in der Modellirung nicht den Umrifs, im Carton nicht die Skizze
erreichten und unfähig waren, bei gröfserem Mafsftabe die Geftalten mit wahrem
«•
332
PLASTIK UND MALEREI.
Leben zu erfüllen; dafs ferner diejenigen Richtungen, die auf gröfsere
Durchbildung des Könnens Gewicht legten, mit wenigen Ausnahmen einen
eigentlichen Formenfinn überhaupt nicht befafsen, worin die ältere Düffeldorfer
wie die moderne Piloty'fche Schule, ob auch fonfl; noch fo verfchieden, zufammen-
llimmen. Nur auf dem Gebiete der Plaflik , wenigftens foweit die Schule von
Gläfer von M. Wentzcl in Breslau.
Gottfried Scha"dow, Rauch und Riclfchel reicht, fleht es um die Bildung
des Formenünnes, um die volle Beherrfchung der Form in Deutfchland befTer.
In der Malerei haben wir noch immer mit den Folgen jener halben, unzufammen-
hängenden Entwicklung zu kämpfen, die mit unferer früheren politifchen Zerriffen-
heit in einer gewiffen Beziehung fleht.
Vor keinem Gemälde auf der Ausftellung pflegte das Publicum fich in fo
dichten Gruppen zu fammeln, vor keinem fühlte es fich in folchem Grade zur
Bewunderung verpflichtet, wie vor Piloty's grofsem Bilde in dem Mittelfaal:
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
333
dem Triumph des Germanicus. Schon der riefige Umfang hat etwas Imponiren-
des. Ift doch nach Dctmold's Anleitung zur Kunftkennerfchaft das Kennzeichen
der hiftorifchen Malerei nicht nur der gefchichtliche Gegenfland, fondern nament-
lich eine gcwiffe Gröfse! Ja, wenn es nur die rechte wäre! Der Triumph des
Germanicus ift an und für fich kein ungünftiger Gegenftand für die Malerei. Er
bietet dem Künftler Gelegenheit zur Entfaltung reicher malerifcher Mittel; die
von Tacitus gcfchilderte ungebrochene Hoheit der Thusnelda, welche dem Wagen
des Siegers voranfchreiten mufs, ift zugleich ein Motiv, das der Darflellung auch
ein geiflig bedeutendes Gepräge aufdrücken kann. Aber Piloty war nicht im
Stande, dies geiflige Moment zum vollen und wahren Ausdrucke kommen zu laffen.
Das äufserliche Theaterpathos, welches innerlich hohle Charaktere zur Schau
GlSfer von M. Wentxel in Breslau.
tragen, gewahrt für diefen Mangel keinen l'>fatz. Diefe Thusnelda, welche ihren
Knaben an der Hand, an der Tribüne des Kaifers vorüberzieht, zeigt keine Spur
von echter Gröfse mitten in der Erniedrigung; fie, wie die Weiber, die ihr folgen,
find prahlerifch gefchmückte Huhldirnen mit anfpruchsvoll aufgebauten und nach
neuer Mode künftlich-nachläffig arrangirten Frifuren. Ein gewaltiger Apparat ift
entfaltet, aber der Apparat allein macht kein hiftorifches Bild. Alles ift vor-
handen, was fich an äufsercm Aufwand irgend erwarten läfst: der thronende
Kaifer und die zufchauenden Damen, die römifchen Senatoren und der deutfche
334 PLASTIK UND MALEREI.
Verräther, Gefangene in ihren Banden und aufgeregte Weiber aus dem Volke,
ein greifer Barde, den ein römifcher Soldat höhnend am langen Barte zupft, ein
Bär an der Kette, der dem Zuge vorausgeführt wird. Aufdringlich bis zum
Widerwärtigen baut fich links im Vordergrunde zu den Füfsen der ehernen
Wölfin ein Haufe, von Beuteftücken , Gefäfsen, Koftbarkeiten und niedergefun-
kenen germanifchen Prieftern empor. Ueberall entfalten fich gewaltige Maffen
von Draperien. Die Gefchicklichkeit in der Bewältigung diefes Aufwandes , die
Bravour in der Pinfeiführung entfprechen dem, was man von Piloty's bewährter
Kraft erwarten kann. Wirkfam ifl die Dämpfung des Sonnenlichtes durch das
ausgefpannte Zeltdach zur Anfchauung gebracht, malerifch effectvoll find be-
fonders die ferneren Partien, namentlich die Gruppe um den Triumphator felbfl,
der in der Ferne die Siegesftrafse einhergezogen kommt. Und doch fleht nicht
einmal die Farbe auf Piloty's voller Höhe, der Vortrag hat etwas Flaues und
Unkräftiges; nicht nur die Formen find ungenügend durchgebildet, auch im Ton
ifl das Fleifch ohne Wahrheit; freihch — wefshalb follen Damen der Art, wie fie
hier vor uns Parade machen und nach Blicken hafchen , nicht auch gefchminkt
fein? Man empfindet hier fafl eine Sehnfucht nach der fattcn und glänzenden
Stoffmalerei, in der fonft Piloty das Befle leiflet. Es ifl, als hätte er diesmal
fich in jenem Spiel der Töne, das, ohne fich um das Gegenfländlichc zu küm-
mern, rein um feiner felbfl willen da ifl, verfuchen wollen, wie wir es von feinem
Schüler Makart kennen. Zugleich fehen wir manche Eigenfchaften des Kaul-
bach'fchen Stils: den grofsen Aufwand an Mitteln zum Aufbau einer reichen
Compofition, das Streben nach rein Gnnlichem Effect, bcfonders bei den weib-
lichen Geflalten, den zur Schau getragenen Schein der Gröfse, nur dafs Piloty
alle diefe Elemente nicht in dem Mafse wie Kaulbach durch den Rhythmus der
Linien zu bändigen im Stande ifl. Alles in Allem gerechnet, hat Piloty dem
hiftorifchen Gegenftande doch nur den Vorwand zu einem prunkenden opern-
haften Aufzuge entnommen. Manche kühlen und nüchternen Gefchichtsbilder
der Franzofen find uns daher viel lieber, denn fie enthalten weit mehr Wahrheit
der Handlung, weit mehr fachlichen Ernfl.
Ueber der Thür zu den deulfchen Sälen hing: »Nero, das brennende Rom
betrachtend« von Ferdinand Keller in, Karlsruhe. Auch hier mufs man die
Wahl eines malerifchen Stoffes für ein hiftorifches Situationsbild, das Streben
nach energifcher und reicher Farbe anerkennen. Aber dem coloriftifchen Ein-
drucke fehlt es an feinerer Abwägung, die Farbenpracht drängt fich zu ab-
fichtlich auf, während uns auch hier wieder klar wird, wie fehr die deutfchen
Verfuche einer Malerei höheren Stils im Nachtheil gegen die franzöfifchen durch
den Mangel an rechter Beherrfchung der Form find , welche die fchwerfälligen
und anfpruchsvollen Weiber zu den Seiten des Imperators, der häfsliche nackte
Flötenbläfer im Vordergrunde zu auffällig vermiffen laffen.
Gerade im Vergleich mit dem neuen Bilde von Piloty kann man der
Schöpfung von Guflav Richter, mag man gleich ihre Grenzen kennen, den
Refpect nicht verfagcn. Sein »Bau der Pyramiden« zeigt nicht entfernt fo viel
Leichtigkeit der Mache, aber ein viel gediegeneres Studium, ein ernfleres Durch-
arbeiten der Form, die fich unter der Schönheit der Farbe nicht verflüchtigt, ein
IV. DEUTSCHLAND, ÜESTERREICH UND*UNGARN.
335
gewiffenhafteres Bewältigen des gegebenen Materials. Wohl mufs man zuge-
sehen, dafs der Künfller fich*nicht immer über die Abhängigkeit vom Modell
emporgearbeitet, dafs manche Gruppen und Geftalten nicht abfichtslos genug
erfcheinen; aber er halt fich von dem opernhaften Wefen l'iloty's frei; in dem
crnften Beftreben, ein culturhiftorifches Genrebild in grofsem Mafsftabe zu geben,
drückte er demfelben auch das Gepräge eines Stils auf, der dem Umfang ent-
fpricht. Nach einer anderen Seite hin kann uns aber auch Bendemann's Weg-
führung der Juden in die babylonifche Gefangenfchaft eine Erquickung nach dem
Anblick von Piloty's Werk gewähren. Ohne folche finnlich feffelnde und impo-
nirende Macht, felbfl ohne eigentlich ergreifende Individualitat und ohne das
Gepräge des wahrhaft Genialen, ift fie doch das I'roduct einer edlen künftleri-
Tapete von L'i;i
fchen Gefinnung, die einen grofsen tragifchen Vorwurf in feinem Wefen zu er-
faffen, die Empfindungen wahr und edel zum Ausdruck zu bringen vermag, die
nicht raftet, bis fie die Handlung in das fefle Metrum fchöner, geläuterter Grup-
pen und Linien gefügt hat, fich aber dabei nicht mit der Phrafe zufrieden giebt.
Einen gröfseren Gegenfatz hierzu kann es kaum geben als Adolph
Menzel 's Krönungsbild, das, aus durchaus realiftifcher Anfchauung heraus ge-
boren , auch deren Einfeitigkeit fcharf , doch zugleich in voller Originalität zum
Ausdruck kommen läfst. Seine Stärke liegt in der fcharfen Individualifirung, in
der durchdringenden Charakterifhk jeder einzelnen Perfönlichkeit. Was Menzel
geben wollte und was man von ihm verlangte, war nicht nur ein Kunftwcrk, es
war zugleich ein hiflorifches Document. Diefer Rückficht brachte er freiwillig
fchwere Opfer, ihr allein ifl es zuzufchreiben , wenn Menzel, fonfl durch und
^ durch in feiner Anfchauung auf das Malerifche gerichtet und ein Meifler im
336
PLASTIK UND MALEREI.
Toilettesfpiegel von Hanufch & Dziedzinski in Wien.
kühnen, virtuofen und fpielenden Vortrag dennoch hier zu der vollen malerifchen
üefammtwirkung nicht durchgedrungen ift. Das Wirkliche und Gegebene in der
Art des Vorgangs, in dem Ornat und dem Anzug der einzelnen Perfönlichkeiten,
in der Oertlichkeit, fogar ihr zerftreutes Licht nicht ausgenommen, fah er als
etwas unverbrüchlich Feftflehendes an, und verzichtete auf glücklichere Anord-
nung, auf effectvolle Beleuchtung, die ihm fonfl: in fo hohem Mafse zu Gebote
fleht, er ging gerade auf die Sache felbft los. Aber mit welcher Macht! Kein
Zweifel, dafs das grofse Publicum und zugleich die im Bilde felbfl vorkommen-
den hohen Damen zufrieden gewefen wären, wenn ein Meifter coloriftifcher Bra-
vour, ein Gallait, oder auch unfer Julius Schrader", mit diefer Aufgabe be-
traut worden wäre. Das Wefentliche aber von Menzel's Werk hätte kein Anderer
nur annähernd zu geben vermocht. Diefer Realismus, dem die unbedingte
Wahrheit des Charakters über Alles geht, und der diefelbe mit fo felbftlofer
Hingebung herausarbeitet, ift ein echter Zug der deutfchen Kunft, die ihren
^;
h
IV. DEUTSCHLAND, OKSTERRHICH UND UNGARN.
337
Silljerner Tafclauffatz von Morel-Ladeiiil in l'aris.
Dürer und Holbein befeffen. Von diefem Bilde kann man dreift behaupten, dafs'
feine Bedeutunjj, und zwar die künftlerifche wie die gefchichtliche, in Zukunft
fortwährend wachfen wird. Wer aber nicht über die Einfeitigkeit hinauskommen
kann, mit der uns Menzel hier in der That entgegentritt, der konnte wenigflens
auf der Ausflellung fehen, dafs der Künftler auch noch Anderes vermag. Da
waren wieder ein paar jener kleinen Genrebilder mit ihrer frappanten, charakte-
teriflifchen und geiftvollen AuffalTung des wirklichen und augenblicklichen Lebens
vorhanden — Strafsenleben an den Parifer Boulevards, eine Scene im Erterhazy-
Keller in Wien und eine Miflionspredigt im Walde — die gerade 4urch ihren
rein malerifchen Werth, durch die Kraft und den Reiz in Ton und Haltung
iiberrafchten.
Durch einen viel zu hohen Platz wurde Eduard von Gebhardt's Abend-
mahl in dem Eindruck beeinträchtigt, den es unzweifelhaft auch in Wien bei
befferer Aufftellung gemacht hätte. Diefe geiftvolle, wahrhaft neue und eigen-
338
PLASTIK UND MALEREI.
thümliche Auffaffung des biblifchen Stoffes hat allerdings beftimmte Grenzen,
über die Gebhardt immerhin nicht hinauskommt, aber jedenfalls war auf der
Ausflellung kein zweites religiöfes Bild von fo warmer, gemüthvoUer und origi-
neller Empfindung vorhanden.
Seit mehreren Jahren find ferner bereits bekannt: die ruhende Nymphe im
Walde von Ferdinand Schaufs, im Vortrag vielleicht nicht fehr kräftig, aber
in der Stimmung fein , dabei bemerkcnswerth durch die mafsvolle Behandlung
des Nackten, die nicht fowohl den berüchtigten Mühler'fchen Bannftrahl, als den
Ankauf von Seiten der Wiener Akademie begreiflich macht; dann auch Henne-
berg's »Jagd nach dem Glück«, eine der beften neueren Erwerbungen der Na-
'tional-Galerie in Beriin. Es gewährte ein befonderes Intereffe, wieder vor diefes
Bild zu treten, nachdem man eben auf der franzöfifchen Seite Sirouy's Ge-
mälde gleichen Gegenflandes gefehen. Es kann kein Zweifel darüber beftehen,
dafs der deutfche Künfller den Vorwurf ungleich geiflvoller, fchlagender, origi-
neller gefafst hat. Der Kriegsmann zu Rofs, der mit verhängtem Zügel auf
fchwindelnder Bahn dem lockenden Truggebilde nachjagt, über den Körper des
geliebten Weibes hinweg, das fich ihm warnend in den Weg geworfen, während
ein zweiter Reiter, der Tod, ihn bereits einholt und der Boden im nächften
Augenblick unter ihm fchwinden wird: das ifl treffend und mit fchlagender Ver-
körperung des allegorifchen Motivs erfunden, im Geifte der deutfchen Kunfl des
i6. Jahrhunderts, die fich mit Vorliebe in folchen Todesphantafien erging, aber
zugleich wieder neu und eigenthümlich. Und doch wird es vielen, die erft die
Photographie und dann das Original kennen lernten, ähnlich ergangen fein, wie
mir felbft. Ich fand nicht Alles, was ich erwartet hatte. Bei ficherer Meifterfchaft
in der Farbe klebt diefer doch zu fehr die Schwere des Materiellen an ; das
phantaflifche Element hätte in Vortrag und Lichtwirkung zur Geltung kommen
müfsen. Sirouy's glühendes Colorit trifft eher den richtigen Ton. In der Ge-
ftalt der Glücksgöttin felbfl haben fich weder der Franzofe noch der Deutfche
hinreichend über das Conventionelle erhoben.
Eine neue Erfcheinung bot uns Auguft von Heyden in feinen Wal-
kyren, die über das Schlachtfeld reiten, voll Schwung in der Erfindung, aber
nicht bedeutend und mächtig genug in Formen und Ausdruck. Heyden tritt
uns viel anziehender und ganz anders der Sache Herr in -feinen kleineren Ge-
mälden gegenüber, dem fein geftimmten »Fefttagsmorgen« aus der Berliner Na-
tionalgalerie und der ,,Prinzeffin Clemence", welche die Bedingung erfüllt, fich den
Abgefandten des Königs von Frankreich, der um fie wirbt, nackt zu zeigen.
Ein eigener, gefährlicher Vorwurf, der nur dann wahrhaft künftlerifch verwerthet
werden kann, wenn der Maler ihn mit vollem, fchlichtem Ernfl, ohne den leife-
flen Anflug des Gefallfüchtigen und Sinnlichen giebt. Das aber hat Augull von
Heyden durchaus verftanden ; feine Auffaffung ift das ausgefprochene Gegentheil
von derjenigen Gerome's in der »Phryne vor den Richtern« , in welcher das
widrige Aufwallen der Lüfternheit und das Speculiren auf folche den Ton an-
geben. Mit ruhigem Adel 'tritt die völlig entkleidete Prinzeffin aus dem Vor-
hang, der ihr Lager umfchliefst, hervor; ehrfurchtsvoll laffen die Abgefandten,
der alterte knieend, ihre Augen auf dem fchönen Weibe ruhen, wie auf einem
/
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
i
'.m
Kiinftwerk. Das Ganze ifl zugleich ein vollendet durchgeführtes, ftimmungsvolles
mitlclalterliches Interieur, aus deffen reicher Farbenpracht der nackte Kör[)er
herrlich hcrauslcuchtet.
In mehreren genrehaften Gefchichtsbildern fanden wir endlich aufs Neue gute
alte Bekannte wieder: Schrader's jungen Shakfpeare als Wilddieb, der, der
Stuttgarter Galerie gehörig, in einem der letzten Säle hing, C. Becker 's colo-
riflifch vortrefflichen Carl V. bei Anton Fugger, Treidler's Abendmahl der
Kurfürftin Elifabeth, das als die gediegene Arbeit eines jüngeren Künftlers auf
der letzten Berliner Ausnclluiig verdiente Anerkennung fand, zwei Lutherbilder
von Gu/lav Spangen berg, von denen die Gruppe der bibelüberfetzenden
Reformatoren zwar zu trocken in Charakteriftik und Behandlung ifl, dagegen
Luther bei der Hausmufik im Kreife der Seinen durch die Wahrheit in der Auf-
faffung der gefchichtlichen Charaktere in wohl gewählter, einfacher Situation
und durch die naive Anmuth in den Kindern uns als ein Mufter feiner Gattung
werth bleibt.
Uebcrblickt man die Schöpfungen, von denen wir eben gefprochen, fo bleibt
fchliefslich immerhin das erfreuliche Refultat, dafs von den älteren und bewähr-
ten Meiflern der DüfTeldorfcr und der Berliner Schule, von Bendemann und
Menzel, hervorragende Werke vorhanden find, die fie in voller Kraft des
Schaffens zeigen, dafs aber auch eine Reihe jüngerer Kräfte mit folchen Arbei-
ten auf den Schauplatz tritt, die in Umfang und Stoff über das hinausgehen, was
die Nachfrage des gewöhnlichen Bildermarkts verlangt, und ein ernftes Streben
nach höherem Schwünge in der Auffaffung, nach immer gröfserer Bewältigung
der künftlerifchen Mittel offenbaren. Bei den Münchenern aber ifl felbfl: das nicht
der Fall. Keine Spur ifl; mehr davon zu fehen, dafs hier der Platz war, wo
Cornelius, Schnorr, Heinrich Hefs ihre grofsen idealen Compofitionen ge-
fchaffen. wo Kaulbach dicfer Richtung, zwar nicht zum Guten, wie wir meinen,
aber immerhin bedeutfam, eine neue Wendung gab, wo bis vor Kurzem Moriz
V. Schwind gelebt und gefchaffen. Das Haupt der entgegenftehenden realifti-
fchen Schule, Piloty, feiert mit feinem neuen grofsen Bilde vor der Menge
einen Triumph, fleht aber in Wahrheit mit demfelben am Anfang des Endes,
und wie lebhafter auch auf Künfliler verfchiedenfler Rightung als Lehrer gewirkt,
fo hat er doch nur unter den Ungarn Nachfolger auf feiner eigentlichen Bahn
gefunden.
Von mythologifchen Bildern ifl Bcyfchlag's anmuthige, aber fehr gefall-
füchtige und moderne Pfyche zu nennen. — Adamo's «Sturz Robespierre's»
giebt uns eine höchfl; lebendige, frappante Schilderung des hiftorifchen Moments,
bei kleineni Mafsflabe gut angeordnet und auch in den einzelnen Geftalten hin-
reichend charakteriflifch. Ein gröfseres Gefchichtsbild war dann nur noch in
Wilhelm Lindenfchmit's »Tod Wilhelm's von Oranien « vorhanden. Aber
das Ganze nimmt fleh eigentlich aus, als fei es für eine flüchtig fkizzirte lUuftra-
tion erfunden. Wir vermiffen alles, was einer Compofition in diefem Mafsflabe
den feflen Halt und den Mittelpunkt geben müfste. Da ift kein tiefer erfafster
Charakter, kein geiftig ausreichendes Zur-Anfchauung-bringen des Momentes. Die
Figuren fcheinen gcwiffermafsen alle die Treppe hinunterzufallen, welche die
41*
340
PLASTIK UND MALEREI.
Eichenholzfpiegel, nach Kntwurf von C. Grafl' ausgeführt von F. Kupka in Wien.
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
341
Nulsbaumbüchcrfchrank, von F. Rumaiielli in Kloreiu.
342
PLASTIK UND MALEREI.
Scencrie bildet. Diefes Gemälde kann ebenfowenig wie John Knox vor den
Bilderflürmern oder wie Falflaff mit den luftigen Weibern, ein Bild, dem der
feinere, unbefangene Humor fehlt, für die wahren malerifchcn Qualitäten von
Lindenfchmit ein Zeugnifs ablegen. Man mufste fich freuen, hier auf's Neue fein
früheres Werk, Hütten im Streit mit franzöfifchen Edelleuten, zu fehen. Zwar
befleht der hiflorifche Moment hier nur in einer Prügelfcene, aber die kecke,
trutzige Hauptgeftalt ifl höchfl: lebendig und charakteriftifch erfunden und die
coloriflifche Wirkung ifl; ebenfo glänzend wie cnergifch.
Nicht ohne krankhaften Zug find die neuen Arbeiten von Gabriel Max,
aber die tiefe diciitcrifche l'lmpfindung, die jedem feiner Bilder zu Grunde liegt,
hat bei aller modernen Sentimentalität ihren Reiz, und Max befitzt die maleri-
fchen Mittel, um die lyrifchcn Stimmungsmomente, auf die es ankommt, wirkfam
zur ErfcheinUng zu bringen. Keines feiner jetzigen Bilder ifl; fo bedeutend wie
feine chriflliche Märtyrerin am Kreuz, keins fo zart und duftig wie fein Adagio,
um an diefe Werke aus den letzten Jahren zu erinnern, aber fein Bild »Verblüht«
— das Mädchen, das nacii der Rückkehr von Fefl und Jubel, während fchon der
Morgen durch die Scheiben blickt, auf ihrem Bette fitzt und, im Begriff, den
glänzenden Flitterftaat vollends abzuftreifen, fchmerzlich über ihre entfchwindende
Jugend nachfinnt, — ifl; klar und treffend in pfychologifcher Hinficht. Nicht in
gleichem Mafse kann man das von dem »Frühlingsmärchen« fagen. Warm und
fchlicht ifl; das » Stillleben « , die finnige Clavierfpielerin im einfamen Gemach.
Die poetifche Wirkung ergiebt fich leichter, wo der Künftler nicht aus der
Gegenwart, fondern aus einer früheren Zeit feine Vorwürfe holt, wie in dem
blinden Mädchen, das am Eingange der Katakomben den Befuchern die Lampe
darreicht. Gretchens Erfcheinung in der Walpurgisnacht, mit dem rothen Streifen
am Hälfe, fefl an den Felfen gedrückt, effectvoU beleuchtet — das gröfste diefer
Bilder — geht völlig in das Seltfame über, wirkt aber durch den gefpenftifchen
Reiz auf die Phantafie.
Leider haben wir in der modernen Kunft fo oft zu der Wahrnehmung
Grund, dafs bedeutende Talente mitten in ihrem Streben den Halt verlieren und
einer krankhaften Anwandlung unterliegen. Eine folche fpricht aus den Bildern
des verflorbenen Victor Müller, der Waldnymphe, dem Adonis, bei aller
originellen coloriftifchen Kraft, bei unläugbar packenden Zügen. Durch und
durch krank erfcheint der Schweizer Arnold Böcklin, der hier im Kreife der
Münchener auftrat. Wo find die Tage hin, in welchen er jene Landfchaften und
Stimmungsbilder der Galerie Schack hervorbrachte? Sein Centaurenkampf, von
unleugbar dämonifcher' Gewalt, ifl doch fchon von einer grenzenlofen Formlofig-
keit. Und nun gar feine Pietä ! Eine zerfliefsende mufikalifche Empfindung rifs
den Künftler hin ; die äufserfte Leidenfchaft des Schmerzes , den nahenden Troft
wollte er in zauberhaften Lichtwirkungen darfteilen, aber ihm zerrann dabei jede
Geftalt, die Farbenwirkung ward zu einem blofsen Feuerwerk.
Ganz anders ftand ein dem Ebengenannten in früheren Beftrebungen nahe
verwandter Künftler, Anfelm Feuerbach, da. Man fah nicht feine grofsen
Arbeiten der letzten Zeit, die erft fpäter vor die Oeffentlichkeit getreten find,
fondern nur die vor Kurzem für die Stuttgarter Galerie erworbene, unfern
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
343
Lefern durch den Holzfchnitt bekannte Geftalt der Iphigenie am Meeres-
flrande, bei fchlichtem Ton und Vortrag durchaus edel und haltungsvoll. Jetzt
gehört der Kiinftler, gegen den fein Vaterland, befonders feine engere Heimath
Baden, fich flets kühl und ablehnend verhielt, Oefterreich an und wird in Wien
ficher Gelegenheit zu Schöpfungen, die feiner werth find, finden. Auch das
Talent bedarf der Sonne, wie die Pflanze, wenn fie gedeihen foll. Kann es uns
wundern, wenn Feuerbach, dem feine Nation fo lange die Anerkennung, deren
er werth war, das Feld der Thätigkeit, das er brauchte, verfagt hat, in manchen
der letzten Werke nicht zu der vollen und freien Schönkeit, zu dem Ziele, das
Kmailvafeu vtin Pottier in Paris.
er fich ftellte, gelangt ifl? Seine Iphigenie, wie einfach, faft unfcheinbar auch
immer, beweifl, dafs er fich dennoch die Gefundhcit des Wefens bewahrt hat.
Auch das trug wefentlich zu dem minder günftigen Ausfehen der Münchener
Schule bei, dafs die Portraitmalerei faft gänzlich ausgeblieben war. Unter den
norddeutfchen Bildnifsmalern fahen wir Julius Schrader, der namentlich mit
feinem lebendigen Portrait des grofsen Iliftorikers Leopold von Ranke, fowie
durch Moltke's Bildnifs ILindruck machte. Guftav Graef zeichnete fich durch
das Portrait Roon's, dann durch ein grofses Knabenbildnifs aus und bewies in
dem Portrait einer fchöneii Frau , dafs er die coloriflifche Würde und die ge-
fättigte Ruhe der Erfcheinung, welche wir an den venetianifchcn Meiftern be-
wundern, nicht umfonft fludirt hat. Elegante Damenportraite waren ferner von
Guftav Richter, Friedrich Kaulbach, Ernft Hildebrandt, PaulKiefs-
ling da. Von Richter's zwei neuen Bildniffen, die den Kunftler felbft und
344
PLASTIK UND MALI':REI.
Treppengeländer in Hron/.e, von P. Ilollcnhacli Sühne in Wien.
feine Gattin mit ihren Kindern darflcllcn, geht das erflere zu fclir in das
Arrangirte.
Aus der Münchener Schule zogen nur zvs'ei Portraits von jüngeren Künft-
lern die Aufmerkfamkeit auf fich, eine in der Farbe kräftige, fchlicht leben-
dige Studie von Rudolph Hirth und ein weibliches Knieflück von Wilhelm
Leibl, deffen malerifche Virtuofität unverkennbar ift, das aber durch das Streben,
ausfehen zu wollen, wie ein altes liild, etwa der Rubens'fchen Schule, zu ge-
fucht und dabei zu verblafen in der Farbe crfchelnt. Auch folche Experimente
find krankhafter Natur.
Auf jeder grofsen Ausflellung finden wir von Neuem beflatigt, dafs die
deutfche Kunft fafl: nirgend ein fo eigenthüniliches und gefundes Leben entfaltet
als in demjenigen Zweige des Sittenbildes, tler feine Stofl'e aus dem heimifchen
IV. DICUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
345
üronzegitler, nach Kntwiirf von H. Claus ausgeführt von D. HoUenliach.Söhjie in Wien,
Volksthum wählt. Wie gewöhnlich, ftand auch jetzt Knaus in erfter Linie. Eine
Reihe bedeutender Schöpfun<^en, zum Theil bereits bekannter, war in Wien von
ihm vorhanden, zunachfl das Bild aus der Berliner Nationalgalerie: „Wie die
Alten fangen, fo zwitfchern die Jungen", der Kindertifch bei dem ländlichen Feft.
Man hat es vielfach nicht in dem Mafse wie andere Arbeiten des Meifters gelten
laffen wollen ; ich glaube, nicht mit Recht. Ich kann nicht finden, dafs von der
launigen und liebenswürdigen Frifche in der Schilderung des Kinderlebens da-
durch viel verloren gegangen, dafs der Künftler es in Tracht und Charakter
des vorigen Jahrhunderts zurückverfetzt hat; zu der einen Aufgabe, die er fich
ftellte, hat er,damit noch eine zweite gefügt, aber beide gelöft. Eine ganz andere
malerifche Kraft offenbart freilich noch das ländliche Begräbnifs, das in diefer
alltäglichen und kleinen Welt eine tief ergreifende Tragik entfaltet und ihr nicht
M
346 PLASTIK UND MALEREI.
blos durch die individuelle Charakteriftik, fondern auch durch Farbe und Hal-
tung, durch das Stimmungsleben der winterlichen Scenerie Ausdruck verleiht.
Das kleine Gemiilde „Die Gefchwifler", halb Bildnifsgruppe, halb Genrebild, ifl:
ein Juwel an Eleganz und Zartheit. Höchft anziehend ift das Portrait eines
flehenden kleinen Mädchens; nicht minder der kleine „Freibeuter", ein Bube,
der fich der geflohlenen Rüben freut, herzig in feinen Lumpen. Dazu kommt
das neuefte gröfsere Werk von Knaus , eine Bauernberathung im Schwarzwalde.
In rein malerifcher Beziehung möchte ich es dem Begräbnifs nicht gleichftellen,
der durchgehende Terra-di-Siena-Ton mit feinem röthlich-bräunlichen .Schimmer
giebt der Haltung etwas Conventionelles; dafür ifl; aber die Charakteriftik von
urfprünglichfler Kraft und Lebendigkeit, die Zeichnung fämmtlicher 1^'iguren bei
ziemlich grofsem Mafsflabe fefl; und meiflerhaft, die Durcharbeitung jedes ein-
zelnen unter diefen originellen, fcharf ausgeprägten, kräftig aus der Mitte des
Lebens gegriffenen Charakteren zeigt Knaus auf feiner vollen Höhe. Die
fchwarzwälder Bauern in ihrer derben Tüchtigkeit, ihrem zähen Fefthalten am
Alten und Hergebrachten, ihrer Gewichtigkeit in Berathung der kleinflen An-
gelegenheiten , find nie wahrer gefchildert worden. Wie paffen dabei die Men-
fchen in ihre Umgebung, in das ländliche Zimmer mit den fchlechten Heiligen-
bildern, dem grünen Kachelofen, der Hühnerfamilie im Vordergrunde, hinein!
Die Ausflellung wies kein Gefchichtsbild auf, das eine fo tief gehende und
wuchtige Charakteriflik des Einzelnen, ein fo lebendiges, draftifches Ineinander-
greifen aller Charaktere zeigte.
Neben Knaus mufs man ftets B. Vautier nennen; durch fie beide nimmt
Düffeldorf in der Volksmalerei den erflen Platz ein. Nur feine ländliche Tanz-
flunde, der Berliner Nationalgalerie gehörig, hing in der deutfchen Abtheilung,
die übrigen Bilder fanden wir in dem Saale der Schweiz, aber ihre Stoffe find
ebenfalls aus dem deutfchen Volksleben, aus dem Schwarzwalde, geholt und
Vautier's ganze Richtung ift durch feinen engen Anfchlufs an das deutfche
Kunftleben bedingt. Da fehen wir einen Landmann beim Advokaten, ferner
ein ftilles, ergreifendes Bild: ein Bauer mit feinem Töchterchen am Kranken-
bette der Frau, endlich das grofse figurenreiche Bt'gräbnifs, das er im Herbft
1871, gleichzeitig -mit dem Bilde deffelben Gegenftandes von Knaus, vollendet
hat. lün folcher Colorifl, wie diefer, ift Vautier nicht, das ift bekannt, und wir
dürfen nicht erwarten, dafs, wie bei Knaus, aus der Farbe felbft die Seele des
Vorgangs rede; dennoch ift das Bild durchaus harmonifch in der Durchführung
und bei der reichen Gruppirung, bei der F"ülle der Geftalten entfaltet fich hier
eine folche Tiefe und Feinheit des Gemüthslebens, folche Verwerthung aller
jener Momente des Ausdrucks, welche die Situation mit fich bringt, eine bis auf
den Grund gehende Vertrautheit mit jenem Volksftamm , dafs man wohl fagen
darf, fo vollftändig und fo ineinandergreifend hat der Künftler uns alle diefe
Eigenfchaften kaum jemals offenbart. An Innigkeit geht Vautier noch über
Knaus, und bevvundernswerth ift vor Allem die Befcheidenheit, mit welcher er
feine Kenntnifs vom Empfindungsleben des Volkes zum Ausdruck Jsringt. Nicht
nur den Gegenftand des Begräbniffes haben Knaus und Vautier hier gemein,
auch den Volksftamm, der die Perfönlichkeiten liefert, und fogar ein paar her-
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
347
vorflechende Züge in der Compofition. Das Interefiante ift luiii aber gerade, zu
fehen, wie die beiden Meifter, jeder feiner Natur entfprechend, aus diefem Vor-
wurf etwas ganz Verfcliiedenes gellaltct haben.
Unter den Düffeldorfern fleht den beiden vorigen Karl Hoff an Bedeutung
zunächft. Aufser einem kleinen Damenportrait und tinem geiflvollen Rococo-
bildchen ,,Sub rosa" trat er hier wieder mit dem erften gröfseren Hilde auf, mit
welchem er durchfchlagenden Erfolg hatte, der „R;ifl auf der Flucht", welches
Schönheit der Farbe, glückliche malerifche Verwerthung des Coftüms aus dem
17. Jahrhundert, die Wahl eines növelliflifch anziehenden Vorwurfs und eine
feine Spannung des Ausdrucks verbindet. Vom ^Mtmeifter Rudolph Jordan
und von Hi ddemann fanden wir ihre bekannten Bilder aus der Nationalgalerie,
von Siegert den pikanten „ Liebesdienft". Wir erwähnen noch Lafch, Plath-
ner, l'-rncfline Friedrich fen, Salentin, Geertz, der in feinem grofsen
Bilde ,,tlie Verurtheilung" verfucht, auf der Bahn von Munkacfy zu wandeln;
in Schilderung der Nachtfeite des Volkslebens, bei breiter Behandlung und viel
zu viel Beinfchwarz, nicht ohne Glück, aber ohne rechte Eigenthümlichkeit,
endlich Karl Schlöffer in Weimar, der in zwei Genrebildern coloriftifche Kraft
mit Gediegenheit des Ausdrucks verbindet.
Unter den Berliner Genremalern fanden wir W. G e n t z mit einigen trefflichen
Bildern egyptifchen Lebens, Fritz Werner mit mehreren jener fcharfen
kleinen Gemälde im Coflüm des vorigen Jahrhunderts, Kraus und Fritz
Paulfen, der letzterem nacheifert. Von Friedrich Eduard Meyerheim,
der, in Richtung und Technik einer anderen Zeit angehörend, uns doch noch
immer durch feine fülle Liebenswürdigkeit entzüdct, waren zwei feine, faubere
Bildchen da. l'aul Meyerheim hatte faü Alles ausgeftellt, womit er feit Be-
ginn feiner Laufbahn Eindruck gemacht hat: die Menagerie mit ihrem behag-
lichen Humor und ihrer feinen Beobachtung ties Malerifchen, den hoUändifchen
Antiquar, die Savoyardenkinder, die draftifche Schaffchur, endlich den Abend im
Walde, dereine feiner gediegenflen Arbeiten ift und fich durch das echte Stimmungs-
leben , durch das völlig ineinander Aufgehen der Landfchaft und der einfachen
Staffage, durch den fchlichten Ernft, der doch poetifch wirkt, auszeichnet. Den
gröfseren Märchenbildern gegenüber, die er und fein Bruder Franz zu decora-
tivem Zwecke gemalt, ift von vielen Seiten bemerkt worden, dafs doch dem
behaglichen Realismus des Erften, wie der pikanten Schilderung mittelalterlichen
Interieurs und Coftüms bei dem Zweiten der Charakter des eigentlich Märchen-
haften fehle. Aber das Rothkäppchen im Walde von Paul Meyerheim ift
und bleibt allerliebft; bei fo tüchtiger Behandlung fo viel unbefangenes, frifches
Leben und fo viel gemüthvolle Freundlichkeit! ,
Den Berlinern ift endlich Wilhelm Riefftahl, jetzt in Carlsruhe, anzu-
reihen, von dem wir drei bedeutende Werke vorfanden, die Morgenandacht der
Paffeyerer Hirten aus der Nationalgalerie (1864), die ihm zuerft feine jetzige künft-
lerifche Stellung fchuf, den AUerfeelentag im Bregenzerwalde, diefen Friedhof
in wohlthuender Abendbeleuchtung (i86g) und ein Hochthal am Säntis mit einer
Trauerverfammlung vor einer Bergkapelle. Dies letzte Werk , von erheblichen
Dimenfionen, gehörte zu den wichtigften Bildern der deutfchen Ausftellung und
44>
348
PLASTIK UND MALEREI.
ifl ebenfo bedeutend durch die überrafchende Wahrheit in der Schiiderunfj der
Alpennatur, wie durch die reiche, flcts individuell charakterifirte, gediegen durch-
gearbeitete und dein Ganzen zu richtiger Wirkung eingeordnete Staffage.
Die glücklichfte und begabtefte Natur unter allen Gcnremalern der Münche-
ner Schule ift Franz De fr egger, der Tiroler Bauer, der erft im Alter von
fünfundzwanzig Jahren fich der Kunfl zuwendete, dann mit feinem Speckbacher,
der 1869 auf der Münchener Ausflellung erfchien, einen durch fchlagenden Erfolg
hatte, und der nun hier, obwohl ihn längere Zeit eine jetzt glücklich überwun-
dene Lähmung an das Lager gcfeffelt hielt, in vier neuen, höchfl anziehenden
Werken uns entgegentrat, Defrcgger ift in dem Volksleben, aus dem er her-
vorgewachfen, zu Haufe ; leicht und einfach findet er die Situationen, in welchen
Teller von Mintons in Sloke iijion Trcnl.
dies immer neu und eigenthümlich, und zwar vorwiegend im Charakter des Be-
haglichen und Herzlich-Gemüthlichen, zum Ausdruck kommt. „Der Ball auf der
Alm" zeigt uns in dem tanzenden Paare, dem kecken, lufligen Alten und der
drallen Dirne Geflalten von überrafchender Lebendigkeit und Wahrheit. Eine
befonders reiche , in jedem Zuge anfprechende und individuelle Compofition
zeigt ein zweites Bild „Das Preispferd", das im Triumph in das heimifche Dorf
zurückgeführt und da von Alt und Jung bewundert wird. Auf den zwei andern
Gemälden kommt der Ausdruck des Gemüthes noch feiner und wärmer, ohne
jeden fentimentalen Anflug, ohne jedes Hinauffchrauben über die gegebene
Sphäre, zur Geltung. Das eine , „Die Brüder", fchildert die Rückkehr eines
jungen Schülers, der in der Stadt feine Studien durchgemacht, in das bäuerliche
Vaterhaus, wo ihn die Seinen in froher Herzlichkeit und doch mit der Empfin-
dung, dafs er etwas l?cfonderes fei, begrüfscn und er das kleine, in der Zwifchen-
zeit angelangte Brüderchen, das ihn fremd anftarrt, in die Arme nimmt. Wie
liebenswürdig ift endlich der Eintritt der wandernden italienifchen Sänger in
die Tiroler Bauernftube ; wie acht der Gegenfatz zwifchen den frohen, bchag-
Uchen Infaffen des Haufes, von denen jeder voll Theilnahme, jeder fo, wie es feinem
Alter und Charakter zukommt, auf die ungewohnten, fchwermüthigen Töne laufcht,
und dem armen, fremden Wanderer mit feinen Kindern, die fchüchtern in die
IV. DEUTSCHLAND, ÜESTERREICH UND UNGARN.
349
y. ■
Metallfpieijel von Harbddiiimc in l'aris.
Thiirc getreten finil ! Das hat D^^lregger gefchaffen, wahrend Tchweres körper-
liches Leiden ihn heninito, und hat hier einen nierkwürtiigen Heweis voller
geiftiger Freiheit unter äufserer Befchränkung abgelegt. In nialerifcher Hinficht
offenbart fich die vollkommenfle Herrfchaft über die Sache, das künfllerifchc
350 PLASTIK UND MALEREI.
Gefchick, das er fich in der Schule von Piloty erworben, zugleich aber eine Ein-
fachheit, die nie mit den Mitteln prunkt und immer nur das giebt, was die Sache
felbft verlangt.
Diefe Gefundheit, diefe echt deutfche Richtung berührt uns um fo erfreu-
licher neben manchen Verfuchen jüngerer Münchencr Gcnremaler, die, flatt
fchlicht zu geben, was fic fohcn und empfinden, fich in feltfamen malerifchen
Experimenten ergehen. Der hochbegabte Munkacfy wurde für Manche, wie
Guftav Meier, wie Rudolph Hirth, in feiner Hopfenlefe, wie Spring, ein
gefährliches Vorbild, mag auch das Talent namentlich der beiden letzteren un-
verkennbar fein. Nennenswerthe Lciftungen aus dem Gebiete der Volksmalcrei
waren dann befonders noch von Gabi, Eberle, Epp, H. Kauffmann, Kurz-
bauer, den wir in den öfterreichifchen Sälen wiederfinden, vorhanden. Von
Anton Seitz fahen wir wieder ein paar jener höchft fauber und fein durch-
geführten, im Ausdruck anziehenden und lebendigen Bildchen, die feine Speciali-
tät find. Der geiflreichfte unter den Münchener Genremalern ift Eduard
Grützner, zu deffen bekannten Kartcnfpielern ein allerdings fehr derb gc-
rathener Falftaff mit Dortchen Lakcnreifser auf den Knieen und eine prächtige
Scene im Klofterkeller kamen. Der feiig über dem Glafe eingenickte Keller-
meifter, der wohlbeleibte, behäbige Prior, der alle Würde, deren er habhaft wer-
den kann, aufbietet, und der hagere Fanatiker, der ihm den Uebelthäter zeigt,
find mit dem glücklichften Humor erfundene Charaktere. Grützner's Einflufs
fehen wir bei Ortlieb, der uns Mönche in der Klofterküche, der reichlichen
Liebesgaben fich freuend, vorführt. Ueberhaupt haben viele Münchener Genre-
maler eine ausgefprochene Vorliebe dafür, Pfaffen und ihre Gefellen mit ftark
fatirifchem Zug zu den Hauptperfonen ihrer launjgen Bilder zu machen, fo
R. S. Zimmermann, der uns eine hochkirchliche Deputation in dem fürft-
lichen Vorzimmer aufmarfchirt zeigt, und namentlich Matthias Schmidt, der
die geiftlichen Herren in Situationen , wie fie für ihre Beziehungen zum VoHce
bezeichnend find, fchildert : beide fo ftark tendenziös, dafs die ruhige künftlerifchc
Wirkung keine ungeftörtc ift, aber der letztere mit entfchiedenem Geifl und mit
ficherem malerifchem Gefchick.
Der Piloty'fchen Schule, der direct oder indirect auch die meiften Genre-
maler ihre Ausbildung verdanken, gehört auch Hermann Kaulbach an, der
alfo Wege geht, die von denen feines berühmten Vaters Wilhelm von Kaul-
bach fehr verfchieden find. Und doch trifft er manchmal wieder mit diefem
zufammen; fein gröfseres Bild, Mozart, der todtkrank der Probe feines Requiem
beiwohnt, erinnert durch die fehr fcharfe, auf die Spitze getriebene Charakteriflik
gerade an Wilhelm von Kaulbach's frühere Zeit. Das Gefchick in der Anord-
nung wie in der malerifchen Behandlung ifl unverkennbar; fchade nur, dafs ein
giftig-unangenehmer Ton, motivirt durch den grünen Vorhang, durch welchen
links das Licht fällt, über das Ganze ausgegoffen ift. In dem zweiten Bilde
„Hanfei und Gretel bei der Hexe", ift der Ton des Märchens verfehlt, die Nei-
gung zur Karikatur fchlägt in das Fratzenhafte um.
Der jüngere Claudius Schraudolph erfreute uns durch eine coloriftifch
glückliche , anziehend aufgefafste Scene aus dem „Fauft", den Spaziergang am
UNFEHLBARE NIEDERLAGE.
"
• Jf von E A.Seenuum in Leip'iig:
Drude von F ABmddiinia in liripsig
IV. DEUTSCHLAND, OESTIIRREICH UND UNGARN.
£
3äl
üflertage. Seine ganz befondere Stellung nimmt A. von Ramberg in diefer
Schule ein. Sinnig und fein empfindend, bildet er ein Ciegengewicht gegen jene
einfcitig auf frappante coloriflifclie l^ffccte ausgeiienden jüngeren Maler, er weifs
dem einfachftcn Vorwurf ein poetifches Gepräge aufzudrücken und fetzt der allein
mit der Mache prunkenden Virtuofität feinen mafsvollen Adel entgegen. Ohne
eigentlich Colorift zu fein, entfaltet er in jenem Interieur, da.s ein Liebespaar im
Coftüm lies vorigen Jahrluinderts — etwa Werther und Lotte? — in traulichem
Zufammenfein darftcllt, ein zartes Stimmungsleben, weifs er in einem Genrebild
aus der Welt des 17. Jahrhunderts, „Nach Tifche" nicht nur die geiftige Wirkung
ISettftelle, von Blafchke in WUii.
des Gefanges, welchen die fchöne junge Dame anflimmt, nicht nur das vornehme
Behagen, welches die ganze gefeilige Gruppe athmet, fein zu fchildern, fondern
das Atlaskleid nach dem Vorbilde der altholländifchen Gefellfchaftsmaler wieder-
zugeben und ein vollendet durchgebildetes Helldunkel zu erreichen. Wo aber
junge Künfller auf der Bahn Ramberg's fortzuvvandeln fuchen, da fchreiten fie
häufig trotz überrafchender Bravour und Begabung über die Grenze hinaus. M.ag
Albert KeUer's Gemälde „Chopin" das übertrieben Moderne in der Zimmer-
einrichtung, wie in der Toilette der zwei jungen Damen, die hier clavierfpielend
und zuhörend der Situation ihren Inhalt geben, noch fo frappant fchildern, fo
ftreift der Ausdruck doch gar zu fehr an das Süfsliche und Affectirte. Ein anderes
Interieur: „Zur Audienz bei Ludwig XIV.," ift dagegen coloriftiXch ebenfo hal-
352
PLASTIK UND MALEREL
tungsvoll wie eigenthümlich ; eine dritte Arbeit, die flehende Dame mit dem
Fächer, nimmt fich nur wie ein gelungenes Exercitium im Stile der holländifchen
Kleinmaler aus.
Seit wenigen Jahren fpielt in München Wilhelm Dietz eine grofse Rolle,
der fein aufserordentliches Lehrtalent fchnell bewährt und der verdienftvoUen,
zum Theil aber fchon überlebten Piloty'fclien Schule gegenüber ein frifcheres
Leben in die Kreife der jüngeren Maler gebracht hat. Seine vier kleinen Bilder
find in der Erfindung ohne alle Eigenthümlichkeit, bei dem Halt von Reitern im
Soi)ha und Stuhl iii hellblauem Atlas, von Haas it Söhne in Wien.
Coftüm des vorigen Jahrhunderts lehnt er fich in diefer Hinficht unbefangen an
Meiffonier, bei den Kriegs- und Lagerfcenen im Charakter des dreifsigjährigen
Krieges nicht minder unbefangen an Philip VVouwermans an. Ganz fein eigen
find aber die rein malerifchen Qualitäten, die er hier entfaltet, der coloriftifche Sinn,
der ebenfo von den alten Holländern, wie von den modernen Franzofen genährt
worden ifl, das haltungsvolle Verfchmelzen von Landfchaft und figürlichem
Motiv, die eigene Stimmung, welche der unfcheinbarfte Vorgang bei fo meider-
hafter malerifcher Behandlung gewinnt. 1 lie und da fehen wir die deutlichen
Spuren feines Einfluffes in dem „Spaziergang" von Ludwig Loefftz, in der
"T
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN. 353
Portiere in hellblauem Atlas, von Ph. Haas & äöbne in Wien.
354 PLASTIK UND MALEREI.
Mühle im Sturm von Aiiguft Holmberg, einer Landfchaft, die von den meiden
Productionen der Münchener Landfchaftsmalerei fehr verfchieden ift. Dafs eine
Kraft, wie Dietz, den ftrebenden Talenten eine überrafchende Anregung giebt
und ihnen ganz neue Seiten der Anfchauung erfchliefst, ift fichtlich. Nur bleibt
abzuwarten, ob auf diefem Wege auch eine vielfeitigere Ausbildung, ein gröfse-
rer geifliger Auffchwung zu erreichen find.
Nahe verwandt ift die Richtung einiger polnifcher Maler, die fich den Mün-
chenern angefchloffen und unter denen Max Gierymski in erfter Reihe fleht.
Seine Heimath gewährt ihm die Stoffe, ihr Leben in Krieg und Frieden ift ihm
vertraut. Ohne je an fchärfere Durchbildung der einzelnen Individuen zu denken,
behandelt er fie in Gruppen und Maffen, die fich der landfchaftlichen Gefammt-
wirkung unterordnen, mit ficherer Meifterfchaft. Das Treiben der Dorfbevölke-
rung in friedlicher Dämmerungftunde, der Zug der Kofacken auf der Landllrafse,
die Rafl; der Infurgenten am Waldesfaum unter trübem Winterhimmel gewinnen
überzeugende Exiftenz. Je fchlichter Alle.s gegeben ift , meift in gedämpftem,
grauem Ton, um fo wirkungsvoller tritt der echt coloriflifche Sinn des Malers
hervor, der dabei jede Art von Stimmung und Beleuchtung in ungefuchter
Wahrheit feflhalt, die Abenddämmerung am Waffer mit dem feuchten Dunft,
der jede Beflimmtheit der Umriffe verfchwinden läfst, wie die flernhelle Nacht mit
dem erleuchteten Dachfenfter am Bauernhaufe.
Den Genrebildern muffen wir die Kriegsbilder anreihen, deren Behandlung
in der neueften Kunft, nicht zum Nachtheil der Sache und vollfländig flilgemäfs,
wenigftens foweit die Stoffe aus der Gegenwart gefchöpft werden, eine über-
wiegend fittenbildliche ifl. Jofeph Brandt in München erfcheint in feinem
ziemhch grofsen Gemälde: „Die Niederlage der Türken vor Wien (1683)" wahr-
haft überwältigend durch die Art, wie er die Maffen auf einanderplatzen läfst,
das wilderte Gewühl fchildert, bei aller Unerfchöpflichkeit des Einzelnen doch
die gröfste malerifche Einheit und ein* prangendes glühendes Colorit erreicht.
Zu folchen Farben und Effecten giebt das moderne Kriegsbild von vornherein
keine Gelegenheit. Immerhin verdienen ein paar kleine Bilder diefer Gattung
von Lang und Braun in München Beachtung. Unter den norddeutfchen
Schlachtenmalern erfchien zunächfl Hunten mit feiner bereits bekannten heffi-
fchen Divifion bei Saint-Privat, Bleibtreu mit feinem nicht eben glücklichen
Uebergang nach Alfen, dann aber auch mit dem eben fo frifchen wie haltungs-
vollen kleineren Bilde, das wir vorletzten Herbft in Berlin begrüfsten: den Bayern
vor Paris. Seine neuefte Leiftung : der Kronprinz nach der Schlacht von Wörth,
zeigt viele gute, lebendige Motive, läfst aber die volle Ruhe und P^inheit der
Haltung vermiffen. Graf Härrach hat mit feinem vorgefchobenen Poften im
Morgennebel vor dem Mont Valerien wie mit den Verwundeten in den Wein-
bergen von Wörth einzelne, in fich abgefchloffene Motive aus dem Kriegstreiben
herausgegriffen, nicht zur Darflellung eines beftimmten Ereigniffes, fondern um
ihres malerifchen Werthes oder ihrer tieferen Empfindung willen und hat bei
aufserordentlicher Meiflerfchaft in der Beleuchtung, bei mächtigem Eindringen
in das Empfindungsleben, Schöpfungen hervorgebracht, die nicht ihres Gleichen
finden. Eine neue Leiftung ift Anton von Werner's Moltke vor Paris. Es
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
355
war ebenfo taktvoll, bei der gegebenen Aufgabe, die Charakterfigur des Helden
in diefe genrehafte Situation zu verfetzen, wie auch den Mafsflab nicht zu grofs
zu wählen. Der Feldherr felbft, wie er zu Roffe hält und den Trupp Infanterie
und Artillerie im Hohlwege zu feinen Füfsen vorbeiziehen läfst, dominirt; aber
er ift in glücklichflem Wurf der Erfindung in die Mitte eines frifch bewegten
Kriegslebens, das fich ungefucht und lebendig entfaltet, geftellt. Jede Gruppe
hat ihr fpontanes Leben, der gefunde Humor fordert fich herzhaft feinen Platz.
Alles ifl: echt , aus der Sache heraus , gegeben, die Schilderung der herbftlichen
Scenerie, der Blick auf das ferne Paris find höchfl wirkungsvoll, die Haltung
ifl; klar, beftimmt, gut abgewogen, aber vor Allem, wie es dem deutfchen
Realismus entfpricht, kommt die Charakterifhk des Einzelnen zu ihrem vollen
Recht.
Während Berlin das vorzüglichfte Architekturftück der Ausfliellung geliefert
hatte, in Carl Graeb's berühmter Innenanficht des Halberflädter Doms aus der
Nationalgalcrie, fpielte es in der Landfchaftsmalerei keine fonderliche Rolle. Um
fo beffer war die ältere Richtung der Düffeldorfer Landfchaftsmalerei mit ihrer
discreten Technik, aber liebevollen Empfindung für die Heimath, ihrem gemüth-
vollen Sich-Einleben in die Natur durch die Bilder von Carl Friedrich Leffing
in Carlsruhe und von dem feither geftorbenen Augufl: Weber vertreten. Ihnen
gegenüber trat auch die realiflifche Düffeldorfer Richtung in voller Kraft auf,
zunächfl getragen durch die beiden Brüder Achenbach, Andreas, der im
Norden, am Mühlbach, wie am Seegeflade und in den Canälen Ofl;ende's heimifch
ifl, Oswald, der Italien fammt dem Gefchlecht, das heut auf diefem Boden
wandelt, mit ebenfo frappanter Kühnheit fefthält. Beide überftrahlte aber diesmal
noch Hans Guide in Carlsruhe, der mit ebenbürtiger Meiflerfchaft ein Gefühl
für Schönheit der Linien, für vollendete Abwägung der Maffen verbindet und
neben der Keckheit der beiden Achenbach, die oft darauf ausgeht, gerade im
Fefthalten des fcheinbar Zufälligen ihre volle Macht zu zeigen, die beruhigte
Kraft, die zur Anmuth zurückgekehrt ifl, offenbart. Waffer und Luft malt er
mit gleicher flofflicher Wahrheit wie vollendeter Wirkung des Tons. Das Bild
auf der deutfchen Seite , der Hafen von Chriftiania mit glitzerndem Sonnenlicht
auf der fpiegelklaren Fluth, ifl; ebenfo vollendet wie das gröfsere Gemälde im
Saal der Norweger, das hier gleich mit erwähnt fei, der Nothhafen an der nor-
wegifchen Küfte bei Sturm, Regen und wild bewegten Wellen, mit den düftern
Felfen, die fich vom lichteren Himmel abheben.
Von Düffeldorfer Landfehaftern feien noch Oeder, Frifche fo.vvie, in Bildern
aus Italien, namentlich Hertel erwähnt. Burnitz in Frankfurt a. M. geht bei
fchlichten Anfichten aus der nächften heimathlichen Umgebung mit Glück auf
die feinen Tonwirkungen nach Art der franzöfifchen Landfchaftsmaler aus. Eine
verwandte Richtung bildet fich unter einer jüngeren Künftlergruppe in Weimar,
Fedderfen, Flickel, von Gleichen-Rufswurm heran, während zugleich
Graf Kalkre uth von neuem durch mehrere ftimmungsvoUe Alpenlandfchaften
vertreten war, und Meifter Friedrich Preller eine jener grofsartigen ftilvollen
Compofitionen gebracht hatte, die nur in der Oelmalerei bei weitem nicht fo wie
in der monumentalen Technik zur Geltung kommen.
45*
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN. 357
358 PLASTIK UND MALEREI.
Die Miinchencr Schule hatte eine folche Fülle von Landfchaftsbildern ge-
liefert, dafs fie fafl ermüdend wirkte, aber unter diefen waren Meifterwcrke, wie
die beiden Ifargegenden von dem nun verflorbenen Eduard Schleich, wie die
vier Gemälde von Augufl; Lier. Von letzterem fanden wir eine hochpoetifche,
grofse Abendlandfchaft; nicht minder fchön find zwei Seitenftücke hohen Formats,
ein einfamer herbülicher Wald mit flillem Gewäffer in abendlicher Stimmung und
ein Frühlingsbild: der Eingang eines Dorfes, Bäume, an denen die erften Blüthen
imd Blätter fpriefsen, Schafe auf der Weide, ein altes Weib, das feines Weges zieht,
das Ganze ebenfo freudig und heiter wie jenes fchwermüthig in der Stimmung,
endlich eine Landflrafsc im Herbftregen, von aufserordcntlich wahrer und frap-
panter 15eobachtung. Im Ganzen waren von den Münchenern viele cunventionelle
Alpenanfichten vorhanden, um der »fchönen Gegend« willen gemalt, aber auch
eine Reihe guter Bilder, meift einfachen Charakters von Blau, Willroider,
Paul Weber, Roth, Splittgerber, Pofchinger, Robert Schleich,
Ebert, Rafch und Anderen, Winterlandfchaften von Stademann, ein gutes.
Gletfcherbild von Steffan, eine fchöne Waldland fchaft von Kotfch.
Der berühmte Thiermaler Friedrich Voltz war durch ein paar gute, neben
früheren Arbeiten aber keineswegs übcrrafchende Gemälde vertreten. Als feine
Nachfolger erfcheinen Mali und Baifch, während Braith durch feinen derben
Realismus und feinen kecken Vortrag, doch ohne vollkommen ruhige malerifche
Haltung, P^indruck macht. Als Mufter im Thierftück erfchien diesmal Otto
Gebier, der die Schafe ganz unvergleichlich malt, nicht nur die Erfcheinung mit
merkwürdiger naturaliflifcher Sicherheit feflhält, fondern auch des phyfiognomi-
fchen Ausdrucks Herr ifl und die Thiere wirklich als Individuen charakterifirt.
Das machte es ihm möglich, fie hier in eine pikante, genrehafte Situation zu
verfetzen; die Heerde, den Leithammel an der Spitze, nähert fich neugierig der
Studie eines Malers, die Eins ihres gleichen darftellt, während der Hund in der
Abwefenheit feines Herrn treulich Wacht hält und eben bei vorläufiger Zurück-
haltung den Augenblick abwartet, in dem er einzugreifen hat. Könnte man es
auch für zweifelhaft halten, ob der Künftler recht daran that, feinen Gegenfland
in dies Gebiet hinüberzufpielen, fo ifl es doch hier jedenfalls mit dem herx.hafte-
flen Humor und ohne ein Hinauffchrauben des Thierlebcns über feine Grenzen
gefchehen. — Von Berliner Thiermalern war der früh verflorbene geniale S c h m i t f o n
durch ein paar ältere Studien und Bilder repräfentirt ; Brendel, Ockel, Stef-
feck crfchienen in gewohnter Qualität. Adolph Schreyer in P'rankfurt a. M-
bewährte fein ficheres malerifches Gefühl, feinen breiten, in franzofifcher Schule
gebildeten Vortrag, feine überzeugende Tonwirkung in mehreren Bildern, deren
fchönftes ein wallachifcher Wagen bei trübem Wetter auf fumpfiger Strafse ifl.
— Unter den Stillleben ift eine gröfsere Arbeit von Augufte Schepp in Carls-
ruhe, fehr fleiffig und namentlich in der Behandlung der todten Vögel wahr und
gediegen. Die Blumenmalerei fchienc für die Deutfchen fafl eine untergegangene
Kunft, wäre nicht des verflorbenen Victor Müller's Blumenmädchen, mit
feinem wundervollen Reichthum glühender F"arben und feinem bezaubernden
decorativen Gefchick vorhanden gewefen.
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN. 359
In der öflcrreichifchen Abtheilung der VVeltausftellung vermifste man
noch mehr als in der deutfchen die Gefchloffcnheit der Entwickelung und der
künftlenfchen Ausbildung. Die Verfchiedenheit der Nationalitäten, welche diefen
Staat bilden, hat an fich fchon die Folge, dafs die lunzelnen fich bald von diefer,
bald von jener Richtung und Schule angezogen fühlen. Immerhin überwiegt das
deutfche Element, und unfer modernes deutfches Kunftleben wäre lückenhaft,
wenn wir nicht das, was Oefterreich hervorgebracht hat, mit hinzurechnen
könnten. Nur in der öfterreichifchen Abtheilung fanden wir heute noch eine Er-
innerung an jenen grofsen Umfchwung in der deutfchen Kunfl, welchen Corne-
lius und Overbeck am Anfang diefes Jahrhunderts durchfetzten , in den Werken
von Jofeph Führich, der einfl als einer der bedeutendflen und felbftändigflen
Nachfolger auf Overbeck's Bahnen weiterging. Nicht fowohl zwei kleinere Ge-
mälde, die in der Farbe gar zu fehr den heutigen Anfprüchen gegenüber zu-
rückbleiben, als zwei grofse Kartons : das jüngfle Gericht und der Sturz der Ver-
dammten, zeigten fein mächtiges Compofitionstalent, und am anziehendften tritt
er uns als lUuftrator entgegen, ebenfo fein Stilgefühl wie feine finnige Erfindung,
feine milde Gefühlswärme offenbarend, in den Zeichnungen zur Nachfolge Chrifti
und zur Parabel vom verlorenen Sohn.
Eine ebenfalls fchon abgefchloffene Epoche vertraten die Friescompofitionen
für die Univerfität in Athen von dem verflorbenen Carl Rahl, der unter den
Meiftern des idealen Stils es wie kein Anderer verftand, auch die Farbe zu mo-
numentalen Zwecken auszubilden und Hand in Hand mit der Architektur zu
fchaffen. Dafs diefe Eigenfchaften, dafs überhaupt fein Geifl und fein Stil noch
immer in feiner Schule lebendig find, wurde auf der Ausftellung durch die Farben-
fkizzen von Griepenkerl für den Sitzungsfaal der Akademie der Wiffenfchaften
in Athen bewiefen.
Einer der geiftvoUflen und bedeutendflen unter Wiens modernen Malern ifl;
Heinrich von Angeli. Von neuem fah man hier diejenigen Bilder von
feiner Hand, die feinen Ruhm begründet haben, das dramatifch-bewegte, meifter-
lich durchgebildete Genrebild »Der Rächer feiner Ehre« und das vornehme
Portrait einer fchwarzgekleideten Dame; noch ein kleineres italienifches Genre-
bild : ein Geifllicher , welcher einem Weibe aus dem Volke die Abfolution ver-
weigert, und mehrere Bildniffe kommen hinzu. Feuriger Schwung, hinreifsende
Genialität find eigentlich nicht Angeli's Eigenfchaften, wohl aber eine nach jeder
Seite hin ausgebildete Meifterfchaft in Farbe, P'orm und malerifcher Auffaffung.
Dem gröfseren wie dem kleineren Mafsftabe bequemt er fich ftilvoll an; dort
gelingt ihm eine gediegene Nobleffe, hier eine reizvolle J-^leganz ; die feine
Durchbildung jedes Details, die meifterhafte Stoffmalerei treffen mit aufser-
ordentlicher Sicherheit der P^xiftenz aller Figuren im Räume zufammen. Da-
neben behauptet fich aber der dramatifche Gehalt der dargeftellten Scenen, der
Ausdruck der Empfindungen und Leidenfchaften in ungefchmälerter Kraft, mag
auch immerhin die kühle Kefonnenheit, mit welcher Angeli die malerifchen
Mittel handhabt, etwas von ihrem Wefen auf die geiflige Auffaffung übertragen.
Unter Angeli's Bildniffen erblickten wir auch das Portrait des Kaifers Franz
Jofeph in ganzer, lebensgrofser Figur, welches durch feine ftilvojle Schlichtheit
H60
PLASTIK UND MALEREI.
iiv.za, von Leon lloiinat.
und klare Beftimmtheit in der Charakteriftik Eindruck macht. Bei diefer Auf-
gabe hatte der Künftler einen hervorragenden Concurrenten in Franz Lenbach,
von dem ebenfalls ein grofses Bildnifs des Monarchen zu fehen war. Diefes aber
befriedigt bei weitem nicht fo fehr, wie andere Schöpfungen des Künfllers. Die
weifse Uniform in Verbindung mit den rothen Höfen ift an und für fich un-
günftig, aber Angeli hat bewiefen, dafs fich diefe Schwierigkeit überwinden läfst.
Lenbach dagegen, fonfl ein hervorragender Colorift, ifl derfelben nicht Herr ge-
worden. Die farbige Gefammtwirkung ift hart, die Wolken, die fich im Hinter-
grunde fammeln, wirken unruhig und gefucht, und feltfani irt der rothe Reflex,
der von den Höfen auf die Tifchdecke fällt. Mag das auch bei einem Meifter
wie Lenbach überrafchend klingen, fo mufs man doch wohl annehmen : die Auf-
gabe, ein Portrait im repräfentirenden Stil zu fchaft'en, hatte ihn, der nun einmal
im Bildnifs feine eigene Art und Auffaffung hat, genirt. Viel natürlicher giebt
er fich in mehreren anderen, dem Umfange wie der Anordnung nach ziemlich
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
361
Schild in getriebener Arbeit, von Zuloaga in Madrid.
anfpriichslofen l^iklniffen; namentlich der Kopf Richard Wagner's \(\ von claffi-
fcher Einfachheit und ficherer Charakteriflik. Wie I.enbach die alten Meifter gut
kennt und ihnen technifch viel verdankt, fo empfindet er auch manchmal den
Drang, mit ihnen in der Auffaffung felbfl; zu wetteifern, und zwar in Frauen-
bildniffen neuerdings mit Rembrandt's Fähigkeit, durch Coftüm und Lichtwirkung
den Abgebildeton einen befonderen, geheimnifsvollen Zauber zu verleihen.
Hierin ift Lenbach ohne Widerrede geiftvoll, doch nicht immer ganz natürlich,
nur eine junge Frau in einem Hauskleide von halb alterthümhciiem Schnitt, in
einem goldig-grün funkelnden Ton, ift ebenfo originell wie lieblich.
Das Bedenkliche einer Richtung, die wefentlich auf die Nachahmung alter
Meifter ausgeht, lernen wir am deutlichften bei Canon kennen. Seine „Loge
Johannis", vier Priefler der verfchicdenen chrifllichen Confeffionen, vereinigt zu den
Füfsen des Chriftuskindes, das auf dem Schoofse des thronenden Mofes fleht,
362 PLASTIK UND MALEREI.
ift doch lediglich durch die Reflexion eingegeben. Das ganze Bild befitzt nicht
einen tiefer befeelten, von geiftigem Leben durchdrungenen, unmittelbar zur
Empfindung fprcchenden Zug. Und ebenfo waltet auch in dem Machwerk
das Recept vor: viel Virtuofitiit , viel Gefchicklichkeit in der Anordnung, viel
Kraft und Bravour in der Farbe; diefe aber ahmt zur Hälfte Rubens, zur Hälfte
die Venetiancr ii;ich, jedesmal mit Hinzunahme des vergilbten Firniffes alter
Bilder; von origineller coloriftifcher Auffaffung ift keine -Spur. Canon ift ein
glänzendes Talent, wenn es für decorative Zwecke zu fchaffen gilt; manche
Einzelfiguren, welche diefer Gattung anzugehören fcheinen, namentlich die grofse
Geflalt eines Jägers im Coftüme der Vorzeit, zeigten auch jetzt wieder, was er
kann. Aber hiermit und mit einigen gelungenen Portraits ift feine Bedeutung
erfchöpft.
Unter den übrigen Bildern gröfseren Formats verdienen dievlängft bekannte
»Ruhende Bacchantin« von Felix, ein in glühendem Colorit gehaltenes Bild aus
dem Volksleben Italiens, »Taubenopfer«, von Jofeph Fux Erwähnung. Von
Bildniffen fielen , neben manchen guten Arbeiten anderer Künftler, noch zwei
durch eine gewiffe Eigenthümlichkeit auf, ein junges Mädchen von Rudolph
Huber, in fein abgewogener Haltung beinahe farblos, offenbar höchft charak-
teriftifch; von Eiduard Charlemont eine Gruppe von zwei Knaben im Coftüm
des 17, Jahrhunderts, bei grofser Fähigkeit, das Malerifche der Erfcheinung feftzu-
halten, doch von etwas zu weitgehender decorativer Breite.
Die Gefammtwirkung der öfterreichifchen Ausftellung büfste viel dadurch ein,
dafs Hans Makart's letztes grofses Bild, Venedig der Katharina Cornaro
huldigend, nicht in ihren Sälen zu fehen war. Da dies Werk aber gewiffer-
mafsen nur durcli Zufall hier fehlte und gleichzeitig in Wien an anderem Orte
ausgeftellt war, mufs es jedenfalls mit in Betracht gezogen werden.
Uns Allen ift es noch frifch im Gedächtnifs, wie Makart vor wenigen Jahren
mit feiner ungewöhnlichen coloriftifchen Begabung als ein Phänomen auftrat und
von der einen Seite eine geradezu leidenfchaftliche Bewunderung, von der
anderen einen nicht minder erregten Widerfpruch erfuhr. Unmittelbar nachdem
feine „Peft in P'lorenz" aller Orten in Deutfchland eine fo feltene Wirkung ge-
macht hatte, gefchah das Ueberrafchende, dafs fie in Paris von der Jury des
Salons zurückgewiefen wurde. Keine Prüderie lag dem zu Grunde, wie man es
fich meiftens in Deutfchland eingebildet, fondern ein rein künftlerifches Urtheil.
Die Mängel der Zeichnung, die Willkür und die ungenügende Durchbildung der
Form waren für das Auge der Franzofen, denen gediegene Kenntnifs der
Form die erfte Vorbedingung des künftlerifchen Schaffens ift, fo anftöfsig, dafs
keine noch fo glänzende Eigenfchaft anderer Art fie das Unzulängliche diefer
Arbeit überfehen laffen konnte.
Das mufs man nun unbedingt dem neuen Werke zugeftehen, dafs es in
diefer Beziehung bedeutende P^ortfchritte zeigt. Jene abfohlte Gleichgiltigkeit
gegen alles Gegenftändliche, gegen Inhalt und Geftalten, wie damals, finden wir
hier nicht mehr; jenes ausfchliefsliche Gefühl für das harmonifche Zufammen-
klingen der Farben an fich, das — nach Lübke's Ausdruck — diefelbe Wirkung
thun würde, wenn man das Bild auf den Kopf ftellte, ift hier in beftimmte
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
363
Grenzen gebannt. Auch jene ungefundc
Lüfternheit in Situation und Ausdruck, wie
früher, ifl verfchwunden. Makart's Kraft ifl
entfchieden an der gröfseren Aufgabe gewach-
fen. Es kam dabei dem Künfller zu flatten,
dafs er fich an ein grofses Vorbild hielt, wel-
ches in coloriftifcher Beziehung feinem Ideale
am meiflen entfprach, an Paolo Veronefe.
Ein folcher Anfchkifs wäre nicht in jedem Falle
als ein Vorzug anzufehcn, wohl aber hier,
da Makart's nach einer Seite hin aufserordent-
liches, fonft aber nicht hinreichend durchge-
bildetes , vielfach des Haltes entbehrendes
Talent es nöthig hatte, fich anzulehnen. Auch
in diefem grofsen und figurenreichen Bilde ging
er keineswegs auf Geflaltung einer dramati-
fchen Situation, auf lebendigere Entwicklung
der Charaktere und des Empfindungslebens
aus, er ftellte fich, wie meifl; Paolo Veronefe,
nur die eine Aufgabe, ein feftliches Dafein
zu fchildern. Nicht nur für die Hauptmotive
der Anordnung konnte er fich dabei an Paolo
halten, fondern deffen Welt kam feinen Ab-
fichten auch mit der ganzen Art ihrer Erfchei-
nung, mit ihrer Tracht und Scenerie entgegen,
und keiner wird dem Künftler daraus einen
Vorwurf machen wollen, dafs er in Architektur
und Coftümen das. Venedig des i6. Jahrhun-
derts fich vor uns entfalten läfst, nicht das
des 15., wie es die Aufgabe eigentlich mit fich
bringen würde.
Katharina Cornaro, welche Giacopo II. von
Lufignan, König von Cypern, zu feiner Ge-
mahlin erkoren, thront zur Rechten, neben ihr
fleht der rothgekleidete Gemahl , und zur
Huldigung drängt fich Alt und Jung heran,
in erfler Reihe Damen mit Koflbarkeiten und
Mädchen mit Blumen, die fich vor ihr auf die
Kniee werfen. Da fticht ein braunes Weib,
das, aufrecht fchreitend, einen Korb auf der
Schulter trägt, dort ein Neger, dann wieder
ein Lautenfpieler aus' dem Gewühl hervor.
Die prächtigen Stoffe, in welche alle gekleidet
find, das leuchtende P'leifch, der grofse rothe
Vorhang über der llauptgiuppe, die Segel, die
liorduie, cnlw. v(m C GralT, auägeführt
von C. ürächsler in Wien.
46*
364
PLASTIK UND MALEREI.
Candelaber aus Bronze, nach Entwurf von
Ybl ausgeführt von D. Hollenbach Söhne
in Wien.
Terraffe und Baluflradc, die Architektur
des Hintergrundes klingt harmonifch, ge-
fattigt, glühend, beraufchend in farbigem
Wohlklang zufaniinen, fo dafs kein anderer
moderner Künftler hierin Makart erreicht.
Wundervoll flehen die Figuren im Räume,
fie fmd dabei zu einer wirklichen Compofi-
tion verbunden, die grofscn Maffen find mit
Gefchick und Sicherheit bewältigt. Die
Wirkung der Farbe ifl bei ihm keine rein
äufserliche, dem Effect allein dienende und
materielle ; fie wird freilich auch nicht, wie
bei Eugene Delacroix, zur Offenbarung des
tiefflen inneren Empfindungslebens, aber
einen poetifchen Zauber übt fie dennoch
aus. Widerliche Züge , wie fie fonft bei
Makart ftörten , find kaum vorhanden;
höchftens fehlt es dem kleinen Mädchen
in der Nähe der Hauptfigur an Natürlich-
keit und Gefundheit des Ausdrucks. Dann
kann man vielleicht fagen, dafs die Geftalt
des rothen Gondoliers, der fich fcitwärts
im Vordergrunde von dem blauen Gondel-
zelt abhebt, zu fchreiend und zu abficht-
lich auf den Farbeneffect fpeculirt.
Mifst man freilich Makart an feinem
grofsen Vorbilde, fo mufs man zugeben:
jene Feinheit der Uebergänge, jene Mäfsi-
gung und Zartheit mitten im Reichthum,
wie Paolo Veronefe, erreichte er nicht;
beifpielsweife behandelt er die Luft, die
Architektur des Hintergrundes viel zu wuch-
tig und materiell. Vor Allem aber fehlt
Makart eins: die eigentliche Individualifirung.
Seine Geftalten find nur da, um diefe Stoffe
zu tragen und um fich in diefe Gruppen zu-
fammenzufchlicfsen. Nirgend finden wir
eine Pcrfönlichkeit, die zum wirklichen Cha-
rakter herausgebildet ifl, nirgend ein Auge,
aus dem wahres geifliges Leben fpricht.
Eine gewiffe Lähmung fcheint die Figuren
zu bannen, ein Scfileier, durch welchen
Bewufstfein und Wille nicht hindurchblicken
können , liegt über den Gefichtern ; halb
traumwandelnd erfcheinen diefe Menfchen
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
365
vor uns. Das ift ein — im bedenklichen Sinne
des Wortes — moderner Zug, der Makarl's Werk
nicht zu jener gefunden Freudigkeil und Sicher-
heit des Dafeins kommen iäfst, wie fie die Werke
der grofsen Venotianer athmen. Er ifl; aus die-
fem Grunde kein grofser Ki.inftler, fondern ein
Virtuofe erflen Ranges; als folcher aber ift er
diesmal für uns in höherem Grade und reiner
als fonfl geniefsbar, weil er feine Bravour mehr
in der Gewalt hat.
Die Schlachtenmalerei war in den öflerreichi-
fchen Sälen faft reicher vertreten , als in denen
des deutfchen Reiches. Alte Siege Oefterreichs
find für den Kaifer, den Erzherzog Albrecht oder
für l'erfönlichkeiten der hohen Ariftokratie von
Sigmund 1 ' A 1 1 e m a n d und von W i 1 h e 1 m
Emelc (jetzt in Karlsruhe) gemalt worden.
Erfterer ift überlegen in dem malerifchen Erfaffen
der Situation, verbunden mit feiner und beftimm-
ter Durchbildung, während Letzterer im Ein-
zelnen von gediegenen Studien Zeugnifs ablegt.
Unter den hiftorifchen Genrebildern, das
hcifst folchen , in denen Coflüm und Scenerie
einer früheren Epoche das malerifch beflimmende
Element bilden, war keines vorhanden, das an
Angeli's Rächer feiner Ehre auch nur entfernt
heranreichte. Sehr hübfch trifft Franz R üben
in feinem Turnier aus der Zeit Kaifer Maximilian's
den rechten Ton ; die Liebe und zugleich die
Lebendigkeit, mit welcher er fich in die Vorzeit
verfetzte, fprechen aus jedem Zuge. Eugen
Blaas bewies im Jahre 1867 durch ein kleines
Bild „Decamerone," Jünglinge und Damen im
altflorentiner Coflüm, die fich in der Kirche
finden, coloriflifche Begabung, Sinn für die hifto-
rifchen Erfcheinungsformen und liebenswürdige
Aimiuth. Jetzt befitzt man neben diefem Ge-
mälde mehrere fpätere und mufs leider conftati-
ren, dafs jedes folgende fchwächer wird. Wil-
helm Koller, jetzt in Brüffel, ift ganz der ge-
fuchten Alterthümelei anheimgefallen, welche
dort, unter Einflufs von Leys, fich wie eine
Krankheit eingeniftet hat.
Nur da giebt es Gefundheit in der Kunft,
wo der Künftler mit eigenen Augen ficht, wo
Lampenftänder v.
366
PLASTIK UND MALEREI.
er felbfl ein Verhältnifs zur Natur hat und frei von aller Angewöhnung unbe-
fangen zu geben weifs, was er fieht. Was A. Pettenkofen in feinen
kleinen Genrebildchen — zweiundzwanzig fah man ausgeflellt — befonders
auszeichnet, ifl nicht blos das malerifche Gefchick, durch welches er mit
den bcflen Franzofen wcitteifert, fondern die Sicherheit des Blicks, mit der er
flets den Nagel auf den Kopf trifft. Seine Stoffe behcrrfcht er unbedingt, die
Menfchen wie die landfchaftliche Umgebung, in die fie hineingehoren, mag er
buntes ungarifches Markttreiben oder das Landvolk bei feiner Arbeit, die luftige
Fahrt flotter Gefellen durch die weite P'läche oder das hagere, braune, feltfamc
Volk der Zigeuner darflcllcn, das fich im kümmerlichftcn Dafein wohl fühlt.
Niemals eigentlich hiimoriftifch, ifl dabei Pettenkofen immer geiflreich, frappant.
Battiktirter Stoli
echt malerifch. Alois Schönn ifl in feinen figurenreichen Bildern aus dem
italienifchen Volksleben mitunter etwas bunt, was trotz der lebendigen Be-
obachtung flört; dagegen find ihm der Vorhof einer Synagoge und der
Gänfemarkt in Krakau mit den höchft charakteriftifchen Geflalten polnifcher
Juden wohlgelungen. Eine ältere Richtung unter den Wiener Genremalern ver-
tritt Friedrich Friedländer, dem es mcift darauf ankommt, zunächfl durch
das Gcgenftandlichc an fich zu intereffiren, dem Publicum irgend eine Gefchichte
zu erzählen. Manchmal gefchieht diefes nicht ohne Glück, gewöhnlich aber
bleibt der malerifche Werth zu fehr zurück, der Witz ift abfichtlich, der morali-
firende Beigefchmack ftört. Auch ein jüngerer Maler, der fich der Münchener
Schule angefchloffen , Kurzbauer, hat ein gröfseres Genrebild von ausge-
fprochen novelliftifchem Charakter gemalt und damit Erfolg gehabt: „Die ereilten
Flüchtlinge". Auch hier fehlt es nicht an einem moralifirenden Beigefchmack,
aber die Situation ift jedenfalls dramatifch entwickelt, bei zahlreichen Neben-
figuren, die alle lebendig in die Handlung hieingezogen find.
Die jüngere Generation der Wiener Landfchaftsmalcr dankt gröfstentheils
Albert Zimmermann, dem Meifter ftrengen, heroifchen Stils, der diesmal
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IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
367
indeffen nicht zu feinem Vortheilc erfchien, ihre erfle Ausbildung, hat fich aber
in der Folge ganz andern Richtungen in die Arme geworfen. Sie wirkt nicht
durch Compofition und Linienführung, fondern durch den Ton, unter Einwirkung
der neueren franzöfifchen Landfchaftsmalerei. Unter Allen gebührt Eugen
Jettel der Preis, der überall ein zartes Stimmungsleben entfaltet, in feinen
Strandbildern, wie in der duftigen Partie aus Oberbayern mit See, Tannenwald,
Bergen, die von Wolken verhüllt find, und Krähen als der einzigen Staffage.
Hugo Charlemont folgt einer verwandten Richtung. Daneben erwähnen wir
Seelos, Schäffer, Schindler, Obermüllner, Lichtenfcls. Der belgi-
fchen Technik fteht Robert Rufs nahe, der, befonders in einer Anficht aus
Rotterdam mit Windmühlen , Canälen und lebendiger Staffage , Kraft des Tons,
liaitiktirte Stdrt'e aus Sumalia.
breiten Vortrag und perfpectivifch wirkungsvollen Aufbau, bei kühner Wahl
eines nahen Augenpunktes, zeigt. Strengeren Stil haben die egyptifchen Land-
fchaften von Bernhard P"iedler aus Berlin, jetzt in Trieft. Auch der Thier-
maler Otto von Thoren, der fich ganz der franzöfifchen Schule angefchloffen,
wirkt durch die fichere Beherrfchung des landfchaftlichen Stimmungslebens.
Neben ihm fei von den Thiermalern noch Bühlmeyer genannt. 1-Indlich darf
Max Schödl nicht vergeffen werden mit feinen ganz kleinen, äufserfl feinen
Stilleben, auf denen Gefäfse und Geräthe, von grofser Accurateffe und Wahr-
heit in der Wiedergabe des Materials, die Hauptrolle fpielen.
Einen befonderen Genufs gewähren endlich zwei Meifter im Aquarell :
Rudolph Alt und Ludwig Paffini. Vergleicht man Alt, von dem wir An-
flehten von Rom's Ruinen, vom Innern der Peterskirche, von einer Ecke des
Dogenpalaftes in Venedig fanden, mit Carl Werner in Leipzig, von dem in
einem der Nebenpavillons mehrere vorzügliche Anfichten aus Italien, Egypten,
dem Orient vorhanden waren, fo finden wir nicht das Streben, das Einzelne,
namentlich in den architektonifchen Partien, miniaturartig fein, mit äufserfter
Schärfe wiederzugeben, fondern Alt geht zunächft auf die malerifche Gefammt-
36S
PLASTIK UND MALEREI.
Garnitur in Kryftallglas, von Luiji.it).
Wuii.
Wirkung .lus, erreicht fie bei fchüchtem Vortrag mit (chlagender Sicherheit, ift
im Architektonifchen aber ebenfo charakteriftifch wie in der landfchaftlichen Hal-
tung und fetzt die Staffage lebendig und meiflerhaft an ihren Platz. — Wie er
die Gegenden und Bauwerke, fo fchildert Paffini die Menfchen Italiens. Er
dringt ganz in ihren Charakter ein, verbindet aber mit dicfer klaren Objec-
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IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
369
Detail der Holzarcaden des Ausftelluiigsplalzes, gezeichnet von F. Baidinger.
tivität des Blickes einen ungewöhnlichen Sinn für das Schöne im Volksthuni.
Das prägt fich in der ungefuchten Anmuth der Kinder beim Religionsunterricht,
wie in der ruhigen Würde der geiftlichen Herren in ihren Chorflühlen aus. Da
wo andere Schilderer des Volksthums den Ton des Humors anfchlagen würden,
ifl ihm ein kaum merklicher Hauch der Ironie genug. Mag er uns alltägliche
Geftalten vorführen, fo feffcln fie uns doch immer durch ein befonderes geifliges
. Intereffc. Mitunter fleigert der Künfller den Ausdruck in das echt Dramatifche,
47
370 PLASTIK UND MALEREI.
wie in der „Beichte", einem Blatte mit nur zwei kleinen Figuren, der Dame in
Schwarz, die, tief erregt, bekennt, und dem Priefter, der ernfl, "voll geiftiger
Würde mit dem Blick ihr Innerftes durchdringt. Auch in zwei Kinderporträten
ift Paffini cbenfo einfach wie liebenswürdig, und hier, wie ftets, bei vollendeter
Meifterfchaft und Grazie des Vortrags ohne die leifefte Gefallfucht.
Die öflerreichifchen Maler, von denen wir bisher gcfprochen, find meifl
deutfcher Abflammung oder haben wenigflens alle deutfche Bildung genofTen.
Dagegen war auf der Ausftellung eine ungewöhnliche Erfcheinung vorhanden, in
der fich, in Gefinnung und in künftlerifcher Erziehung , eine andere Nationalität
mit voller P.ntfchiedenheit ausfpricht: der Pole Jan Matejko aus Krakau.
Er erfchien in diefen Räumen als fremdartige Natur, trat aber dabei wuchtig
genug auf, mit fechs Bildniffen und vier grofsen Gefchichtsbildern. Diefe be-
herrfchten den Saal, in welchem fie hingen, vollfländig, indem die deutfch-öfter-
reichifchen Maler ihnen nichts an die Seite zu fetzen hatten, was an Umfang
und mächtiger Charakteriftik auch nur entfernt heranreichte. Für meine Em-
pfindung wirkten die Bildniffe am beften, ganz befonders das Porträt eines fchwarz
gekleideten Gelehrten von ausgefprochen flavifchem Nationaltypus, geiflvoU,
höchft individuell und von gefchloffcner malerifcher Haltung. Noch mehr zog
das Porträt einer fchwarz gekleideten Dame mit weifsem. Spitzenkragen und
blonden Locken, effectvoll fich von einem ziemlich hellen Teppich - Hintergrund
abhebend, die Augen auf fich. Das magere, etwas verlebte Geficht, das Arifto-
kratifche der Tournure wirken feffelnd und pikant, nur die gar zu männlichen
Hände fallen auf. Ein anderes Damenbildnifs flöfst durch den unangenehm
violetten Fleifchton ab. Eine Gruppe von drei Kindern macht den Eindruck
des aufserordentlich Naturwahren und Charakteriftifchen ; aber wie ifl es möglich,
Kinder fo anmuthlos aufzufaffen ! Dafs bei dem Künftler neben vielen ganz emi-
nenten Eigenfchaften doch die Grazien ausgeblieben find, ift das Refultat, das
feine hiftorifchen Gemälde beftätigen. Das unerfreulichfte derfelben ift Kopernicus
— natürlich in feiner Eigenfchaft als Pole! — der in ziemlich leerer, theatralifcher
Begeifterung auf feiner Sternwarte einen Monolog hält, das bedeutendfte eine
Predigt des Jefuiten Skarga, welcher auf feine vornehmen Zuhörer einen er-
fchütternden , in jedem Charakter fich mächtig ausprägenden Eindruck hervor-
bringt. Aber auch dies Bild hat eine ftörende Eigenfchaft, über die man fich
nicht hinwegfetzen kann, den ungefunden violetten Ton, den auch Matejko's
berühmtes Bild im Belvedere, dem keines der im Prater ausgeftellten gleichkommt,
die polnifche Reichstagsfcene, befitzt.
In den beiden neuen grofsen Bildern hat fich Matejko darüber hinausgear-
beitet, aber auch hier ift die malerifche Haltung keine glückliche. Eine über-
rafchende Bravour tritt in jedem einzelnen Zuge hervor. Sie rundet die Figuren
meifterhaft ab und läfst fie plaftifch heraustreten, fie beherrfcht die Farbe zum
Zwecke naturaliftifcher Wirkung, fie glänzt in der Stoffmalerei. Aber das Ganze
erfcheint fleckig und unharmonifch, ohne jede Ahnung von der abgewogenen
Licht- und Schattenwirkung, die allein das Bild zum Bilde machen kann, ohne
wahre Exiftenz der Figuren im Räume, ohne eigentliches Stilgefühl. In dem
Allen oflfenbart fich gerade bei fo mächtiger künftlerifcher Kraft ein Zug des
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
371
Barbarifchcn , ja des Brutalen , und diefen wird auch die Darftellung der
Handlung felbfl: nicht los. Befonders gilt das von dem Könige Stephan Bathory,
den die ruffifchen Gefandtcn um Frieden anflehen, diefe von wahrhaft thierifcher
Rohheit, der König von Natur mifsgeftaltet und widerwärtig im Ausdruck,
während die Befchwörung der Union zwifchen Polen und Lithauen unter König
Sigismund Augufl (1569) immerhin durch die kühne Sicherheit imponirt, mit
welcher bei einer folchen Haupt- und Staatsaction dramatifche Charaktere in
Scene gefetzt find. Dafs ein Kunftwerk zum äfthetifchen Gefühl zu fprechen, dafs
es fich an das tiefere Empfindungsleben zu wenden habe, kam freilich Matejo
nicht in den Sinn. Es ifl: etwas Eigenes um die hiftorifchen Stoffe : fie find dem
Vcrftändnifs des Bcfchauers nur mit Mühe zugänglich, fie find nur feiten wahr-
Seffelbezug, türkifche Seidenflickerei mit Gold.
haft malerifch günftig, fie laffen durch die Bedingungen, die in ihnen liegen, fo
feiten das rein Menfchliche, das wahrhaft Künfl:lerifche zur Geltung kommen;
und wenn man das Goethe'fchc Wort: »das Befle an der Gefchichte ifl: der
Enthufiasmus, den fie erregt,« auf die Hiftorienmalerei anwenden wollte, fo würde
fich nur fragen, was für ein Enthufiasmus denn gerade von der polnifchen Ge-
fchichte hervorgerufen werden kann?
In keinem Saal der ganzen Kunfliausftellung trafen wir ein fo buntes Durch-
einander wie in dem ungarifchen: Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle, Kupfer-
fl;iche hingen an denfelben Wänden. Oben fchloffen die Cartons von Lotz
und Moriz Than für den Fries im Treppenhaufe des National - Mufeums das
Ganze ab. Beide find Schüler des verftorbenen Rahl und haben fich hier in wür-
digen, edlen hiftorifchen Compofitionen, die freilich keine hervorragende Origina-
lität verrathen, bewährt. Im Uebrigen merkt man bei Than in Stil und Farbe
nur noch wenig von diefer Schule, mag er fich gleich in phantafl;ifchen wie rea-
47«
372
PLASTIK UND MALEREL
len Stoffen, in Scencn aus Dichtern wie in grofsen Gefchichtsbildern verfuchcn.
Das Bildnifs von Franz Pulszky ift ihm noch am heften gelungen. Was
man von Liezenmeyer und Alexander Wagner fah, gehört zu den
mäfsigercn Productionen der Piloty'fchen Schule. Im Uebrigen konnte man fich
Gläfemer Krug, mit Silber befchlagen, von Lobmeyr in Wien.
die Betrachtung der grofsen ungarifchen Hiftorienbilder fchenkcn; ein gcfchicht-
lich bedeutender Stoff giebt an fich noch kein Bild. Von GuftavKeleti, L.
Paal und Victor Meszöly fanden wir hübfche.Landfchaftcn. Im Ganzen
trat uns aber nur eine bedeutendere und eigenthümliche Künftlerperfönlichkcit
in diefem Räume gegenüber: Michael Munkacfy.
Erft vor wenigen Jahren trat er mit einem Bilde, dem Verurtheilten, auf und
hatte in Deutfchland wie in Frankreich durchfchlagenden Erfolg. In eine duftere
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
373
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Vafe in (Uas und üronze, entworfen von Hänfen, ausgeführt von Lobmeyr in Wien.
und niedere Sphäre des Lebens hinabfteigend , wufste er aus diefer ein drama-
tifch erfchütterndes Bild zu geftalten und überrafchte zugleich durch feine unge-
wöhnliche malcrifche Potenz. Schon verftand er es, jüngere Talente auf feine
Bahn zu ziehen. Unter den Münchenern wie den Düffeldorfern haben wir ein-
zelne Künfller kennen gelernt, die, nicht zu ihrem Vortheil, ihm in der Auf-
faffung wie in der Malweife nachzueifern fuchen. Sein Weg ift ein ganz eigener,
der für andere gefährlich werden mufs. Das gröfste der Bilder, »Nachtfchwärmer«,
374
PLASTIK UND MALEREI.
zeigt einen Trupp Gefindel, der, auf der Strafse aufgegriffen, am Morgen von
Soldaten nach der Wache transportirt wird; darunter gefährliche Strolche, her-
abgekommenc Subjecte, ein verführter junger Menfch, der befchämt zu Boden
blickt und von einer jungen Magd mit Schrecken erkannt wird. Durch diefen
Zug kommt ein unmittelbar dramatifch wirkendes Element in die Scene. Eine
gaffende Weibergruppe am Tifch der Hökerin und nachlaufende Kinder vollen-
den die Compofition. Munkacfy befitzt die Fähigkeit, das Düflere und Niedrige
im Dafein des Menfchen ficher, fogar mit dramatifcher Wucht zu fchildern.
Aber eine Freudlofigkeit, die furchtbar ift, breitet fich über feine Schöpfungen
aus, das Oede und Häfsliche waltet überall ohne den Icifeften verföhnenden Zug.
Noch auffallender als bei diefer dramatifchen Compofition, in welcher folche
Auffaffung fich durch den gewählten Vorwurf rechtfertigen läfst, ifl die Einfeitig-
keit des Künftlers bei kleineren und fchlichteren Compofitionen, bei der Alten,
welche Butter macht, bei der Heimkehr des Betrunkenen zu feiner Frau. Dies
Bild ift durchaus widerwärtig. Der elende Lump , den ein Anderer heimführen
mufs, das ältere Kind, das auf dem Tifche herumkriecht, das Weib mit dem
Säugling an der Brufl find fo dumpf und ftumpf, dafs man fich mit Ekel ab-
wendet; ein Gegenftand, den nur der Humor erträglich machen könnte, bleibt
hier ganz in die Sphäre des Gemeinen gebannt. Auch die malerifche Behand-
lung von Munkacfy , wenn auch erftaunlich , ifl doch nicht eine folche , die uns
wahrhaft künrt;lerifch befriedigt. Die Breite der Pinfeiführung, die Fähigkeit, das
Körperliche aller Figuren frappant heraustreten zu laffen, geht in das Aufser-
ordentliche, aber der ftarke Gebrauch von Beinfchwarz, das Düflere des Tons
wirken ermüdend und führen zur Unwahrheit. Weder für das Morgenlicht auf
der Gaffe, wie es das erfte Bild verlangen würde, noch für die Intcrieurwir-
kung auf den anderen ift diefe Haltung und Stimmung charaktcriftifch. Bei aller
Anerkennung, die ein folches Talent fordert, wollen wir froh fein, dafs unfere
deutfche Volksmalerei andere Bahnen geht, dafs fie in das tieffle Gemüthslebcn
des Volkes, fei es ernft, fei es humoriftifch, eindringt und die fchlichte Wahrheit
der Erfcheinung über die Bravour fetzt.
Der Ueberblick über die deut f che Plaflik mit Einfchlufs der öfterrei-
ch ifchcn bot im Ganzen kein befriedigendes Ergebnifs. Trotz einzelner an-
erkennenswerther Leiftungen fühlte man fich enttäufcht, man vermifste gröfsten-
theils die Meifter, auf welche wir als auf unfere heften ftolz find, man hatte in dem
Vorhandenen keinen Mafsftab für das, was geleiftet werden kann und während
der letzten Jahre auch wirklich geleiftet worden ift. Das kümmerliche Material
des Gypfes überwog, die Maffe des Vorhandenen war gleichgültig und bedeu-
tungslos , Schülerarbeiten , welche auf eine Weltausfteliung nicht hingehören,
machten fich breit. Zu dem Beften gehörten immer noch die grofsen monumen-
talen Werke, in denen der hiftorifche und realiftifche Charakter überwiegt; die
ideale Plaftik, welche in der Darftellung der fchönen Menfchengeftalt ihr Ziel
ficht, war fpärlich vertreten.
So kam es, dafs auf der Weltausfteliung die deutfche Plaftik von der
franzöfifchen in Schatten geftellt wurde, obwohl die Sculptur im franzöfifchen
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
375
.\Htttr
Kunfllebeii niemals auch
nur entfernt eine fo do-
minirende Stellung^ ein-
genommen iiat, wie die
Malerei. Bei viel gerin-
gerem Idealismus der
Empfindung hatten die
Franzofen doch gerade
viel mehr gediegene
Bildwerke idealen Cha-
rakters ausgeflellt. In
der ganzen Nation ifl
eben das Verftändnifs
für die plaftifche Schön-
heit ungleich verbreite-
ter, der Künftler kann
eine ganz andere Nach-
frage nach folchen Arbei-
ten erwarten, kann ge-
wifs fein, dafs ihm die
Gelegenheit zur Aus-
führungin Marmor oder
in Bronze nicht fehlen
werde, kann es wagen,
feineArbeiten gleich von
vornherein in edlem
Material auf den Markt
zu bringen. Die Plaftik
hat hier überall im Privat-
haufe ihre Stelle, und
ebenfo wendet ihr der
Staat feine Theilnahme
zu, glaubt nicht genug
gethan zu haben, wenn
er den Bildhauern die
Standbilder berühmter Männer aufträgt,
fondern legt gerade auf diejenigen Werke,
die um der Form felbfl: willen da find,
Gewicht, erwirbt fie für feine Mufeen
oder für die Ausflattung öffentlicher
Gebäude.
Auffällig war namentlich das Zurück-
ftehen der Berliner Sculptur. Albert
Wolff's »Juflitia« und feine Gruppe
»Kunft und Induftrie«, für das Denkmal
S.^ngerfe(liiokal in verfilbertem Neu-
filber, nach Entwurf von Jiil. Maefs
aiisgef. von Ritter & Co. in Efslingen.
Friedrich Wilhelm's III.
in Erz gegoffen, find fehr
mäfsige Arbeiten. Das
Gypsmodell zum Stand-
bildeRauch'svonDrake
(f. d. Abb. S. 228) zeigte
uns dicslängfl berühmte
Meifterwerk von Neuem.
Afinger's Grabdenk-
mal wurde den Lefern
ebenfalls im Holzfchnitt
vorgeführt (S. 296). Unter
den Arbeiten jüngerer
Bildhauer nennen wir
E n k e's höchft lebendige
Negerbüfte mit dem Pa-
pagei, dies Mufler wir-
kungsvoller Polychro-
mie in Bronze, Otto's
Gruppe des Fauns mit
der Nymphe, das vor-
trefflich durchgeführte
badende Weib von
Reinhold Begas,
während wir feinen be-
reits etwas älteren, in
der Auffaffung unedlen,
in den Formen fchwül-
fligen Mercur gern ver-
mifst hätten. Seine
eherne Brunnenfigur des
Knaben mit dem Schlau-
che auf dem triefenden
Haar, ifl von folcher
Keckheit und folchem
reizenden Humor, dafs wir fie flets von
Neuem mit Vergnügen fehen, und die
bekannte Gruppe Venus und Amor
nimmt fich ebenfalls bei kleinem Mafs-
ftabe in Bronze gut aus. Unter den
Büften mufs Keil 's Bildnifs des Kaifers
wegen feiner feinen Beobachtung und
guten Durchführung genannt werden.
Die deutfch-römifche Schule hatte nichts
Aufsergewöhnliches aufzuweifen: aufser
PLASTIK UND MALEREI
Theebielt von vcii'iUjertein Neufilber, von Kitter & Co. in Kfslingeii.
der Judith von Emil Wolff noch verfchiedene Arbeiten von Jofeph Kopt
aus Stuttgart, mit denen ich mich aber nicht fo fehr, wie mit früheren Werken,
befreunden kann. Die Pietas ifl eine würdige, doch nicht fehr urfprüngHche
Gruppe. Die Leiftungen genrehaften Charakters find anmuthig, oft felbfl über-
zierlich, doch ohne wahrhaft frifchen, kecken Wurf C. St ein häufer 's Marmor-
figur eines nackten, fitzenden Mädchens am Schilf würde, bei edler Durchbil-
dung der formen und vollendetem Schwünge der Linien, nur im Kopfe etwas
weniger Eleganz und mehr individuelles Leben vertragen können und hätte mit
der Benennung »Ophelia« verfchont bleiben follen.
Die Dresdener Schule hielt diesmal den Ruf der deutfchen Monumental-
Plaftik am wirkfamflen aufrecht. Breymann's eherne Statue Heinrich's des
Löwen für Braunfchweig ifl echt plafhfch empfunden, von ftilvoller Gröfse und
gediegen durchgeführt. Donndorf hatte bei feinem Reiterbilde Karl Auguft's
für Weimar, das wir hier im Gypsmodell fahen, die fchwierige Aufgabe, den
wefentlich für das geiftige Leben bedeutungsvollen Fürften zu Pferde darzuftellen,
fchuf aber ein wahrhaft individuelles, ausdrucksvolles Bild. Dabei erinnere man fich,
dafs auch A u g u fl; \V i tt i g in Düffeldorf, deffen längfl berühmte Hagar-Gruppe wir
hier wieder fanden, und Kundmann in Wien, von dem mehrere gute Düften und
Reliefs, fo wie die empfindungsvolle und edel aufgebaute Gruppe des barmlierzigcn
Samariters unter den öflerreichifchen Sculpturen zu fehen waren (f. d. Abb. S. 92,
93 u. 292), in Dresden ihre Schule durchgemacht haben. Ebenfo der Schweizer
Robert Dorer, deffen Nationaldenkmal für Genf fich in der Rotunde erhob:
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
377
Bordüre, entwarfen
zwei hoheitsvolle Frauengeftalten , die Stadt Genf, als
die zartere, welche fich an die mächtige Helvetia lehnt,
das Ganze klar und fchlicht im Motiv , vornehm in der
Durchführung. Wie fteht das Bafeler Monument der
Schlacht von St. Jacob von Ferdinand Schlot h hier-
gegen zurück!
In der Münchener Plaflik trat diesmal eine jüngere
Richtung und mit ihr ein freieres und urfprünglicheres
Leben in den Vordergrund. Es ift tröftlich, dafs fich
dort neben der geifllofen und ermüdenden Galerie von
Puppen, mit welchen die einheimifche Schule alle Strafsen
und öffentlichen Plätze ausgeftattet hat, bald ein fo ge-
diegenes Werk wie das Denkmal Maximilian's II. von
Z u m b u f c h erheben wird, welches, theils fchon in Bronze-
Ausführung, theils in bronzirten Gypsmodellen auf dem
Platze zwifchen den deutfchen Annexen fland. Hier tritt
uns ein wirklich plaflifches Gefühl bei charaktervollem
Anfchlufs an den Stil der italienifchen Renaiffance ent-
gegen. Zunächfl befriedigen die glückliche Architektur
des Sockels, welche dem Zufammenwirken mit dem
Architekten Hügel zu danken ifl, die breiten und mäch-
tigen Verhältniffe des Aufbaues, die kühnen und fprechen-
den Umriffe (f. S. 232). Die allegorifchen Geftalten, welche
frei vor dem Poflamente fitzen, fmd einander an künftleri-
fchem Werthe nicht gleich, jedenfalls aber ift die vordere,
der Friede, eine Jünglingsgeftalt von hohem Adel. Die
tragenden Knabenfiguren an den abgefchrägten Ecken
des Poftamentes ftellen die glücklichfte Verfchmelzung
zwifchen den plaftifchen und architektonifchen Theilen
her und die Figur des Königs, voll fchöner Humanität
und fürftlicher Würde der AuiTaffung, bei glücklichem
Faltenwurf, vermag die reich bewegten unteren Partien
energifch zu bcherrfchen. Zumbufch gehört feit kurzem
Wien an, und in der öfterreichifchen Abtheilung war er
von F. Kifchbach, ausgeführt von IF. Engelhardt in Mannheim.
tö
378 PLASTIK UND MALEREI.
noch durch mehrere treffliche Portraitbüftcn und Reliefs vertreten. Endlich zog noch
ein Münchener Bildhauer von entfchiedenem Talent, aber oft auf bedenklichem
Wege, die Aufmerkfamkeit an: Michael Wagmüllcr, deffen Entwurf zu einem
Nationaldenkmal fchon unter den Concurrenz-Entwürfen für das Niederwald-Monu-
ment in Berlin zu fehen war. Die malerifche Verwilderung ift hier auf die äufserfte
Spitze getrieben, manche kühnen Ausfchreitungen von Reinhold Begas find noch
übertrumpft, von deffen krönender Gruppe auf der l^erliner Börfe ift die Wind-
mühlenflügel-Armftreckung der Hauptfigur entnommen, zahlreiche leichte Per-
fonen, die aus früheren Bildern Makart's entlehnt fein könnten, treiben am Pie-
deftal ihre Gaukelei. Von hier ifl nur ein Schritt bis zu dem drolligen Zucker-
bäckerftil jener Zopfmonumente, welche auf dem Graben in Wien und auf dem
Marktplatz in Mannheim zu Ehren Gottes ftehen. Dagegen find ein Paar Genre-
ftücke, die Weine Bronze eines Mädchens mit einer Eidechfe, das in Marmor aus-
geführte junge Mädchen, welches mit einem Kind auf feiner Schulter fpielt, trotz
der übertriebenen malerifchen Gewandbehandlung liebenswürdig, keck und leben-
dig, und ebenfo flott wie geiftreich tritt uns endlich Wagmüller in mehreren Por-
traitbüften, darunter derjenigen von Paul Heyfe, entgegen.
Von den Bildhauern Oefterreichs haben wir zwei der bedeutendften , Zum-
bufch und Kundmann bereits erwähnt. Von Fernkorn war noch das Modell
feines bereits 1860 enthüllten Reiterbildes des Erzherzogs Karl, von dem ver-
ftorbenen Hans Gaffer ein Ganymed in Bronze zu fehen. Otto König er-
freute durch mehrere launige und geiftreiche Figuren in kleinem Mafsftabe, Vin-
cenz Pilz bewährte fich als einen productiven, feine Aufgaben kühn und kräftig
angreifenden Künftler. Da fahen wir mehrere Denkmalsentwürfe, die er bei
Concurrenzen eingefendet hatte, ohne jemals den rechten Erfolg zu haben, und
doch hätte namentlich feine Goethe-Skizze (für Berlin) entfchieden mehr Beach-
tung verdient. Man hatte Recht, das zu weit Greifende des Programms zu
tadeln, den fchwungvollen Aufbau und die wahrhaft plaftifche Anlage hätte man
aber nicht verkennen foUen. Mehrere gröfsere Modelle führten uns einige der
lebensvollen hiftorifchen Bildnifsfiguren aus dem Veftibul des Arfenals und von
der Elifabethbrücke vor.
Nicht im Ausftellungspalaft, wohl aber gleichzeitig im Oefterreichifchen
Mufeum fanden wir Arbeiten eines jungen deutfchen Bildhauers ausgeftellt, die
Alles übertreffen, was die Ausftellung felbft an plaftifchen Darftellungen bot.
Diefer Künftler ift Adolph Hildebrand aus Jena, jetzt in Italien.
Wir wiffen nur zu gut, dafs die Plaftik nicht in dem Mafse wie die Malerei
im Stande ift , der modernen Empfindungsweife als Organ zu dienen und den
Inhalt des heutigen Lebens auszufprechen. Ihre ganze Exiftenz ift heut eine be-
dingte, dem Bildhauer fehlt das entgegenkommende Verftändnifs des Volkes,
wenn er das eigentliche Ideal feiner Kuiift offenbaren will, ja noch mehr, er
felbft vermag die wahrhaft plaftifche Empfindung nur feiten harmonifch auszu-
bilden und rein zu bewahren. Um fo freudiger muffen wir deshalb eine echt
plaftifch fühlende und geftaltende Natur begrüfsen, die, wahrhaft vom Hauche
des Genius berührt, durch alle Hemmniffe ahnungslos ihren Weg verfolgt, fo
ficher, als ob es nicht anders fein könnte, als ob ein anderer Himmel uns lächelte,
380
PLASTIK UND MALEREI.
als ob die Kluft minder grofs wäre, die unfer heutiges Sein und Denken von der
Welt der Hellenen trennt. Eine folche Natur ift Adolph Hildebrand. Thor-
waldfcn's fitzender Schäferknabe mit dem Hunde, der Inbegriff keufcher Anmuth,
holder Natürlichkeit und edler Formvollendung unter den plaflifchen Werken
der Neuzeit, ift nicht fchöner als Hildebrand's fchlafender Hirtenknabe, ■ der fanft
hingegoffen dafitzt, rückwärts gegen den Kaumf^amm gelehnt, in holdem Schlum-
mer. Ungefucht, fchlicht und dabei bezaubernd find die Motive der Haltung:
der linke Fufs vorgeflreckt, der rechte angezogen, im rechten Arm der Hirten-
flab, der linke läffig herabhängend. Zarte Jugendlichkeit bei vollendeter Bildung,
feine Naturbelaufchung , ficheres Formverfländnifs wirken hier zufammen. Un-
Details zu M. Semper's Wandvertäfelung.
mittelbarkeit des Naturgefühls, Unfchuld und Grazie verbinden fich mit voller
Kraft und Gefundheit , kein Zug des Gcfallfüchtigen fpielt hinein. Vielleicht ift
die hintere Linie des Halfes und des Nackens etwas zu ftark, doch nur diefer
kaum merkliche Einwand läfst fich gegen die herrliche Durchbildung der Geflalt
erheben. Die charakterifhfche Behandlung der feften wie der weichen Partien
des Körpers, die feine Brechung der Flächen an Leib und Hüften, die Indivi-
dualifirung und vollkommene Durchgeifligung des ganzen Baues find bewunderns
werth. Bei gröfster Gediegenheit und Vollendung der Marmorausführung bleibt
doch jedes Prunken mit der Technik als folcher fern, und der erquickende Ein-
druck diefer Schöpfung wird erhöht durch den warm goldigen Schimmer, den
der Künfller dem Marmor zu geben gcwufst hat. Das edle Korn des Materials
wirkt ungetrübt, aber das kalte, todte Weifs ift vermieden, über die Schöpfung
ift ein wohlthuender Hauch des Lebens ergoffen.
Von einer andern Seite und zwar nicht minder geiflvoll und trefflich zeigt
IV. DEUTSCHLAND, OESTERREICH UND UNGARN.
381
fich der Künftler in einer männlichen Portraitbüfte, fo charaktervoll und mächtig
fchlicht wie ein alter Römerkopf. Endlich fah man von ihm noch die kleine
Bronzefigiir eines Trinkers. Es ifl; ein flehender bacchifcher Jüngling, das Haar
von Ephcii durchflochten, Trauben in der Linken, während er mit der Rechten
die Schale zum Munde führt und fchlürft. Der entfchicdenere Realismus, welchen
das Bronzewerk durch die Eigenfchaften des Materials felbfl beanfprucht, ifl: hier
ebenfo glücklich getroffen, wie die zarte Anmuth bei der Marmorfigur. Der Zug
des Sinnlichen, der Durfl, das Verlangen, das Behagen prägen fich in der Körper-
haltung wie im Ausdruck mit ungemeiner Lebendigkeit aus.
Details zu M. Scui[)cr's Wandverläfelung.
Während in der modernen Sculptur bald conventioncllc Leerheit und aka-
demifche Kälte, bald zügellofer Naturalismus und Hinübergreifen in das Maleri-
fche das Feld behaupteten, flehen diefe Arbeiten mitten inne, von jeder moder-
nen Krankhaftigkeit unberührt. Von Hildebrand's Geftalten möchte man fagen,
was ein Zcitgenoffe vor denen von Carflens ausrief: »Jeder ifl fo unbekümmert
um fich, fo ganz eins mit fich, dafs man fühlt, dies find wahre Menfchen.«
Detail zu M. Semper's Wandvertäfelung.
382
PLASTIK UND MALEREI.
Tabouret, Goldftickerei aus dem Kaukafus.
V.^Die Schweiz, Belgien, Holiand, SItandinavien, Russland, Spanien, Italien und England.
Deutfchland, Ocfterreich mit einbegriffen, und Frankreich find die
beiden grofsen Mächte, die fich in der modernen Kund gegenüberftehen. Gegen
ihre Leiftungen treten diejenigen aus den übrigen Staaten und Nationen erheb-
Uch zurück. Die Künftler der Schweiz neigen fich, den Nationahtäten der
Alpen-Republik entfprechend, in ihrer Richtung und Ausbildung nach drei ver-
fchiedenen Seiten hin. Anton Barzaghi-Cattaneo aus Teffin, jetzt in Mai-
land, zeigte fich in zwei Studienköpfen und einem hübfchen Genrebild als Italiener,
der Waadtländer C. Gleyre in Paris auch diesmal als Franzofe, durch feine
flötende nackte Mädchengeflalt, die, zart und fauber, dennoch von feiner eigent-
lichen Bedeutung kaum einen rechten Begriff gewähren konnte. Auch A.Pott er in
Genf ifl von der neueren franzöfifchen Landfchaftsmalerei beeinflufst. Die meiflen
übrigen Maler, felbfl diejenigen aus der franzöfifchen Schweiz, find dagegen
deutfch in Können und Empfinden. Wir brauchen kaum mehr bei Einzelnen
flehen zu bleiben, indem wir Vautier, unflreitig einen der gröfsten lebenden
Meifter, bereits vorweggenommen haben. »Die Kappeier Milchfuppe« von
Albert Anker ift ein ganz hübfches hiflorifches Genrebild. E. Stückelberg
in Bafel bewährte fich als einen finnigen, zarten, anfpruchslofen Portraitmaler und
entfaltete in mehreren kleinen Stimmungsbildern, befonders in der Wahrfagerin,
bei edler Durchbildung des Ausdrucks und bei gedämpftem Tone einen wahr-
haft poetifchen Reiz. Die Schweizer Landfchaftsmalerei, namentlich wenn fie
ihre Motive aus den Alpen holt, will nicht viel bedeuten. Rudolph Koller
in Zürich ift ein ausgezeichneter Viehmaler, wahr und plaflifch in der Darflellung
der einzelnen Thiere, nur in der Haltung des Ganzen, in der harmonifchen Aus-
bildung der landfchaftlichen Umgebung minder glücklich, was gerade bei den
in Wien ausgeflellten gröfseren Bildern auffiel.
V. DIE SCHWEIZ, BELGIEN, HOLLAND, SKANDINAVIEN ETC. 383
Die moderne belgifche Malerei gehört zu den intereffanteften Erfchei-
nungen des neueften Kunftlebens. Dies kleine Volk brachte es, der grofsen
künftlerifchen Vergangenheit eingedenk und gefördert durch eine verftändige
Kunftpflege von Seiten des Staates, zu einer höchft anfehnlichen technifchen
Ausbildung, die nicht blos hervorragenden Meiftern, fondern allen Lernenden
und Strebenden zu Gute kam. Es machte feine Kunflproducte zu einem be-
deutenden Exportartikel, der zum nationalen Wohlflande beitrug. Aber die
Glanzepoche der belgifchen Malerei dauerte nicht lange und ifl jetzt vorüber.
Von gefunder Fortentwickelung und urfprünglicher Lebenskraft ifl: heut in diefer
Schule wenig zu fpüren, fie befteht eben nur als ein höherer Induflriezweig weiter.
Die gepriefenen Hiftorienmaler der früheren Jahrzehnte, Gallait, 'de Bicfve,
N. 'de Kayfer, erfchienen auf der Wiener Ausfl:ellung ziemlich fchwach, nur
der Erfte unter ihnen zeigte fich noch in zwei Bildniffen auf der alten Höhe, in
demjenigen des Minifters Dumortier und dem noch fcliöneren des Herrn Saint-
Paul de Singay. Die weltmännifche Erfcheinung mit röthlich-blondem Bart und
vortrefflich durchgebildeten Händen ifl ebenfo elegant wie correct aufgefafst
und hebt fich pikant von dem lichtgrauen Hintergrunde ab.
Die Nüchternheit, welche dem belgifchen Realismus bei all feinem Glänze
von Anfang an eigen war, trieb Künftler anderer Gefinnung zu einer fo ent-
fchiedenen Oppofition, dafs fie auch ihrerfeits zu weit gingen und in das ent-
gegengefetzte Extrem verfielen. Dafs fich die belgifche Regierung veranlafst ge-
fühlt hatte, zur Ausftellung auch eines der coloffalen Gemälde von Antoine
Wiertz zu fenden, für das die Wiener Bezeichnung »Der grofse Krach« der
Kürze wegen beibehalten werden möge, trug nicht wefentlich dazu bei, den
ohnehin unruhigen grofsen Mittelfaal der Kunflhalle harmonifcher zu machen und
konnte auch dem Künftler felbft nicht viele neue Anhänger gewinnen. Zur Er-
gänzung mochte man die Photographien anderer Gemälde in der belgifchen Ab-
theilung des Induftriepalaftes betrachten. Wiertz hatte ganz recht, dafs er nie-
mals ein Bild verkaufen und nie eins ausftellen wollte. Ohne diefe Vorficht
wäre er nicht zu feinem Ruhme gelangt, oder er hätte ihn wenigftens nicht lange
bewahrt. In fein Atelier bei Brüffel, diefen Raum von mehr als Reitbahngröfse
— feit dem Tode von Wiertz ein öffentliches Mufeum — ■ mufs man treten, hier
diefe Schaar von Bildern entfprechend grofsen Formates rings um fich her fehen ;
die ganze Atmofphäre des Raumes, fowie der Katalog des Herrn Watteau mufs
den Befucher belehren, dafs er in einem Heiligthum ftehe, dafs der Geift, der
hier wirkte, ein Meffias gewefen fei. Die räumliche Görfse an fich macht
immer fchon eine gewiffe Wirkung, diefer Ocean von Farbe und von bewegten
Geftalten umfängt die Phantafie. Wenn man jenes Gewirr von Fratzen und Ver-
zerrungen vor fich hat, welche »drei Minuten eines abgefchlagenen Kopfes« dar-
ftellen foUen, wenn man das lehrreiche Gemälde: »ein Grofser der Erde« be-
trachtet, das in Wandhöhe einen Fufs nebft dem Bein bis zum Knie darfteilt,
und auf welchem man allmählich auch noch den ganzen Polyphem gewahr wird,
wie er hinter feinem Beine fich in der Verkürzung niederbeugt und einige kleine
zappelnde Menfchengeftalten zum Verfpeifen aufgreift, dann findet man den
»grofsen Krach« und ähnliche Bilder gar nicht mehr feltfam und phantaftifch,
384
PLASTIK UND MALEREI.
Granatfchmuck mit OoldfalTung, von GoUlfchmidt in Prag.
und ein paar mafsvollere kleinere Gemälde, wie die Gruppe von fchwebenden
Geflalten, denen Wiertz den Titel zugewiefen hat: »die menfchliche Macht hat
keine Grenzen«, ein im Rubens'fchen Stil coloriftifch werthvolles Bild, findet
man dann fogar fchön. Rubens war das Ideal von Wiertz, nur dafs der moderne
Nachfolger, feiner ganzen Natur nach, einen fo echt humanen, gefunden, lebens-
frohen Geift wie Rubens gar nicht verliehen konnte. Die Principien des Colorits,
welche er Rubens abgefehen , walten auch in dem »grofsen Krach« , nur dafs
Schwere und Undurchfichtigkeit die Nachahmung von dem Original unterfchei-
den ; ebenfo hat Rubens die Vorbilder zu diefen fchwebenden, himmelanfleigen-
den, ftürzenden, zu Knäueln fich ballenden Gewalten geliefert. Dafs Wiertz dies
Alles eigentlich nur zu einem religiöfen und politifchen Kunftftück der Rhetorik
aufwendete, ift feine Sache und geht den Hefchauer nichts an; diefer hält fich
an die Erfcheinung felbft, und wenn fie ihm auf der Wiener Weltausftellung ent-
gegentrat, fo mochte fie ihm fehr fremdartig vorkommen, aber er wird nicht läug-
nen können, dafs fich hier eine ungewöhnliche Kraft offenbart und fchliefslich
bedauern, dafs eine fo begabte Künftlernatur der Krankhaftigkeit bis zum Wahn-
finn verfallen war.
Ein anderes ßeifpiel ungefunder Ausartung bei grofsem Talente gewährt der
verdorbene Henri Leys. Er theilt mit Wiertz den Zug, in dem Anfchlufs an
bedeutende kündlerifche Vorbilder der heimathlichen Vergangenheit fein Heil
V. dip: scuwkiz, Belgien, ikjlland, Skandinavien etc. sss
SchülTel vun Giiiori in Doccia.
ZU fuchen; er fchlofs fich zunächfl; an die Holländer des 17. Jahrhunderts in
feinen hiftorifchen Genrebildern, mit Feinheit und Verftändnifs, mit grofsem ma-
lerifchen Gefchick und echtem Gefühl für Lichtwirkungen, nicht fclavifch und
nicht ohne eigene Empfindung an. Ein Bild diefer Art, das Fefi:, welches die
Antwerpener Schützengilde zu Ehren von Rubens giebt, allerdings fchon 185 1
gemalt, war in Wien zu fehen. In der Folge aber wurde Leys mehr und mehr Ma-
nierifl. Er ging in feiner Alterthümelei immer weiter, in der niederländifchen und
deutfchen Kunfl; des 15. Jahrhunderts, befonders in den fpätcren Nachfolgernder
van Eyck'fchen Schule, fuchte er feine Vorbilder. Mitten unter einem Künfller-
gefchlecht flehend, welches in einer äufserlichen, oft feelenlofen Bravour aufging,
fühlte er fich durch die milde Befcheidenheit, die tiefe, doch nur fchüchtern fich
zum Ausdruck bringende Empfindung diefer alten Meifter angezogen. So be-
gann er in der Malerei rein die Localfarben zu betonen , ohne auf eine harmo-
nifche Gefammthaltung auszugehen, verzichtete auf jede Luftperfpective , ftellte
alle Figuren ungefchickt, hölzern, handlungslos hin, als kenne er den Körper
nicht und könne ihn nicht in Bewegung fetzen. Aber die Keufchheit feiner Vor-
bilder nahm er bei diefer erkünflelten Nachahmung nicht mit herüber, die Cha-
rakterifbk und das individuelle Leben derfelben verwifchte er bei folcher L.ihm-
heit und Abfichtlichkeit. Was wir noch auf der Ausftellung fahen, die Einzel-
figuren Philipp's des Guten um! der Maria von Burgund (1864), der Bürgermeifler
Lancelot von Urfel, die Miliz anredend, welche Antwerpen vertheidigen foll,
I_
386 PLASTIK UND MALEREI.
(1867) und die Pilger (1868) find dürftige, geiftlofe, gezwungene, und deshalb un-
angenehme Uebungen in alterthümlicher Manier.
Der Sonderling Wiertz blieb ohne Nachfolge, Henri Leys aber weckte
eine folche; eine grofse Anzahl junger Kiinftler machte diefe ungefunden Ver-
fuche, die zum Modeartikel für den überreizten Gefchmack geworden waren, mit,
und diefe Richtung gab fich für die wahrhaft nationale aus. F. Vinck, Lagye,
in feinen ganz hübfchen Interieurs mit auffallend fchwachen Figuren, Braecke-
laer fehen wir auf ähnlicher Bahn. Am talentvollften, mit einer gewiffen Mäfsi-
gung bewegen fich auf ihr Albrecht und Julian de Vriendt, der erfte in
feiner Jacobäa von Baiern, welche Philipp den Guten um Gnade für ihren Gemahl
fleht, der zweite in der heiligen Elifabeth mit ihren Kindern, welche von den Ein-
wohnern Eifenachs in das Elend geftofsen wird (f. die Abb. S. 124). Dies find Bilder
ziemlich grofsen Umfangs, denen man bei forgfamer Ausbildung und gediegener
Färbung wenigftens ein gröfseres Gefchick in der Haltung, ein felbftändiges Ge-
fühl nicht abfprechen kann. Frei von Alterthümelei find nur die beiden gröfseren
Hiflorienbilder von Emile Wauters, der wahnfinnige Hugo van der Goes, und
Maria von Burgund, welche die Schöffen von Gent um Gnade für ihre Räthe fleht.
Hier finden wir wenigftens ausdrucksvolle und lebendige Charaktere, aber eine
dumpfe, fchwere Farbe.
Neben den archaiftifchen Tendenzen weift die belgifche Malerei auch hyper-
moderne auf, die fich am fichtlichften in Alfred Steven.s verkörpern. Seine
fechzehn Bilder find pikante Cabinetsftücke von eigenartigem Reiz der Farbe,
jedes einzelne ein Bravourftück. Sie ftellen meiftens Damen aus der feinen Ge-
fellfchaft in allerlei Toiletten und in verfchiedenen Situationen dar, im Haus-
kleide, im Befuchs- und Promenaden-Anzug, als Wöchnerin im Bette, unbekleidet
im Bade, in hübfchen Interieurs oder mit aufgefpanntem Sonnenfchirm vor einer
rothen Tapete, wo derfelbe gar nicht nöthig ift. Dazwifchen erfcheint zur Ab-
wechfelung eine Japanefin vor dem Spiegel auf dem gröfsten diefer Gemälde.
Jedes der Bilder übt feinen Reiz aus. Aber von Inhalt und Gedanken ift nirgend
die Rede. Weder ein feines geiftiges Intereffe noch ein Zug gemüthlichen
Humors, wie in den Cabinetsftücken der alten Niederländer, fpielen hier hinein.
Die Geiftlofigkeit ift ein Zug, der in der modernen belgifchen Genremalerei
durchgeht. Willems malt nach wie vor Bilder, in welchen Atlaskleider die
Hauptrolle fpielen, ift dabei aber ohne Ausn.ihme hölzern und empfindungslos,
während in technifcher Hinficht ein Terburg und Metfu ihre Sache doch noch
beffer • verftanden. Madou bleibt mehr und mehr gegen frühere Leiftungen
zurück, er ift im Vortrag flau, im Ausdruck gezwungen-witzig. Die Volksmalerei
gelingt den Belgiern vollends nicht. Gerade, wo der Ton des Humors ange-
fchlagen werden foU, fehlt es ihnen an Naivetät und Leben.
Eine gewefene Gröfse ift auch der einft berühmte Thiermaler Verboeck-
hoven. Die jüngere Generation, wie Robbe, de Haas, Jofeph Stevens,
leiftet im Thierftück Befferes. Charles Verlat, jetzt in Weimar, verfteht es,
die Thiere fcharf zu individualifiren, ja fogar dramatifches Leben zu entfalten, in
den Hunden, die ein Kind vom Wolfe befreien. Nur follte er es bleiben laffen,
einen Amor zu malen, und auch feine Bildniffe, welche man auf der deutfchen
V. DIE SCHWEIZ, BELGIEN, HOLLAND, SKANDINAVIEN ETC. 387
'/••vvv^ai^
Candelabcr aus Terracolta, von Franz Naumann in Ploltendorf.
Seite fah, find hart und hölzern. Im Seeftück zeichnet fich Clays durch gute
Beobachtung, kräftige Pinfelführung und feine Haltung aus. Unter den Land-
fchaftsmaltrn, die ihre Motive wcfentlich in der heimathlichen Natur fuchen und
ähnliche Wege wie die neueren franzofifchen Landfchaftsmaler gehen, ftechen
Fourmois, van der Hecht, D. Schampheleer, belonders aber Lamorir
niere hervor, der auch etwas von der Poefie der älteren niederländifchen Land-
fchaft aufgenommen. Das gröfste feiner Bilder, ein flandrifcher Herbfttag mit
flehendem Gevväffer, hochflämmigen Birken und ferner Ortfchaft, ifl bei gedämpf-
tem Ton duftig und ftimmungsvoU.
Von dem belgifchen Bildhauer Fraikin fahen wir die glatte, aber anniuthige
Gruppe einer jungen Mutter mit ihrem Kinde-
Trotz der politifchen Trennung zeigen die Niederlande in der modernen
Malerei eine flarke Verwandtfchaft mit Belgien. Bei grofser Ausbildung der rein
malerifchen Seite bleiben auch die Holländer im geifligen Ausdruck weit zurück.
»*
388
PLASTIK UND MALEREI.
Untere Partie eines Kirclienfenllers, Glasmalerei von 1'". X. Zettler in München.
und find gerade dadurch nicht eben ihrer grofsen Kunftvergangenheit wiirdig,
obwohl fie fonft — ■ und zwar ohne falfchen Archaismus — ■ manches von der-
felben zu lernen fuchen. In dem Saal der Holländer hingen faft nur Bilder, die
fich fehen laffen können. Das Durchfchnittsmafs der Ausbildung ift noch höher
als in Belgien, aber hervorragendere Schöpfungen, die fich tiefer dem Geifle ein-
prägen, find nicht darunter. Der eigenthümlichfte Künftler der Niederlande,
Alma-Tadema, fehlte diesmal. C. Biffchop hatte einige Genrebilder, ein vor-
nehmes und lebendiges Herrenportrait und zwei Charakterfiguren in holländifchem
Nationalcoflüm, lebensgrofs, in halber Figur, ausgeflellt; fein »Gretchen van
Marken«, gut gemalt, traulich und anziehend im Ausdruck, mufste dem Eintreten-
den fofort in die Augen fallen. Unter den Genremalern trat J. Ifraels am an-
fpruchvoUften auf. In Farbe, Helldunkel und malerifcher Wirkung eines Inte-
rieurs verfteht er feine Sache, aber die Geftalten entbehren der Individualität.
Man findet keinen Humor da, wo er hingehört, wie bei der Bauernfamilie bei
V. DIE SCHWEIZ, BELGIEN, HOLLAND, SKANDINAVIEN ETC. 389
Creileiiz von Cooper & Holt in London.
390
PLASTIK UND MALEREI.,
Tifche, und auch mit der Tiefe der Kmpfindung ift es nicht weit her; denn diefe
müfstc in ganz Anderem Heften als in dem Titel: »Durch Finfternifs zum Licht«,
welchen er bei einem ländlichen Begräbnifs an den Rahmen gefchrieben hat.
Auch in den Bildern aus dem Volksleben von Sadee fehlt das individuelle
Leben, Hermann ten Kate erfcheint kaum auf früherer Höhe, die Scenen aus
dem Fifchcr- und Seemannsleben von Elchanon Verveer fmd von ziemlich
wohlfeiler Laune. Stroebel hat namentlich in einem feiner Bilder, einem
Goldfchmiedsladen, ein gefälliges Interieur mit Figuren und Durchblick in das
Freie nach Art des Pieter de Hooghe gefchaffen. In Trigt's hiftorifchen
Genrebildern aus der Gefchichte der deutfchen Reformation — nur Predigt-,
Unterrichts- und Disputations- Motive — ift auch auf die Interieur- und Licht-
wirkung ein ftärkercs Gewicht als auf die wirkliche Herausbildung der Charak-
tere gelegt.
Ausgezeichnete Leiflungen finden wir in der Architektur- Malerei, in Bos-
boom's ftimmungvollen Kirchen- Interieurs, in C. Springer's ziemlich grofsen,
klaren, prncis gezeichneten Anflehten der Rathhäufcr von Leyden und von
Lübeck. Beide werden auf diefcm Gebiete nur von unferem Graeb übertroffen.
Auch die Landfchaft fleht durchfchnittlich auf einer erfreulichen Höhe. Die
flotten Waldpartien von Bilders, die Gemälde von Boks, Borfeleu, J. Bak-
huyfen, J. F. van Deventer, van der Maaten, W. Roelofs, J. G. Vogel
zeugen dafür, S. L. Verveer ift in feinen holländifchen Stadtanfichten vortreff-
lich. P>benfo finden wir mehrere gute Seeftücke, unter denen zwei Bilder von
Heemskerk van Beert in erfter Reihe flehen. T. Bakhuyfen malt Blumen
flott und kühn, zwei Damen, A. Haanen und M. Vos, zeichnen fich im Still-
leben aus. Eine andere Dame, Henriette Ronner, ift längft als eine treff-
liche Hundemalerin bekannt. Unter den übrigen Thierbildern ift namentlich ein
Pferdeftück von A. Mauve hervorzuheben.
Alles, was die S ka ndi na v i fchen Länder in lier Kunft leiften , ift ledig-
lich dem Zufammenhang mit deutfchem Geift und deutfchcr Bildung zu ver-
danken, ift Product ihrer Düffeldorfer Colonie. Wenn fie hernach den Zufammen-
hang mit dem eigenen Vatcrlandezu wahren wiffen, aus deffen landfchaftlicher Natur,
aus deffen Volkstluim ihre Vorwürfe wählen, fo bewähren fie dadurch nur die
Richtung und Gefinnung, zu der fie der Umgang mit dem deutfchen Geifte ge-
führt hat. In Gude haben wir den bedeutendften Meifter aus diefen Ländern
bereits berückfichtigt. Norwegen befitzt aber noch einen zweiten Landfchafts-
maler erften Ranges, L. Munthe in Düffeldorf, der durch zwei herrliche, ftim-
mungsvolle Bilder, den Saum eines herbftlichen Birkenwaldes und einen Winter-
abend bei Thauwetter, vertreten ift. Unter den Landfchaftsmalern find dann
noch Jaco b fon, Morten Müller und zwei Schüler von Gude, J. Nielfen
iMuI Frithjof Smith, beachtenswerth, dazu kommen ein paar hübfche Archi-
tekturftücke von Lerche in Düffeldorf. Der Altmeifter der norwegifchen Volks-
malerei, A. Tidemand, tritt uns in einer freundlichen Compofition, die jedoch
kaum auf feiner früheren Höhe fteht, einem Brautzuge im Walde, entgegen.
Unter den fchwedifchen Gemälden fiel durch feinen Umfang ein fonft nur
mäffiges Gefchichtsbild , König I'rich XIV., von Graf Georg von Rofen, in
V. DIE SCHWEIZ, BELGIEN, HOLLAND, SKANDINAVIEN ETC. 391
die Augen. Die befl"eren Genreftücke, von Fagerlln, Jernberg, Nordenberg,
find fämmtlich aus Düffeldorf eingefendet. In einem Gemälde von Heiander ift
der directe Einflufs von Carl Hoff, in einer Arbeit von Agnes Börjeffender
von Wilhelm Sohn zu erkennen. Die dänifche Malerei nimmt fich nicht fon-
derlich aus; höchftens ein paar Marinen von Johann Carl Neu mann und von
Sörenfen und einigen behagliche Genrebildchen von Carl Bloch, meiftens
Mönche in verfchiedenen launigen Situationen, verdienen Beachtung.
Unter den zahlreichen Arbeiten des dänifchen Bildhauers J erichau find
die beiden hervorragendften längft bekannt: zwei badende Mädchen, mäfsig in
der Erfindung, aber gefällig durch das weiche Sich-Aneinanderfchmiegen der
Körper, wenngleich ziemlich flau in der Behandlung; fodann die weit überlegene,
lebendige und herrliche Gruppe des Pantherjägers.
Die Zahl der ruffifchen Künftler war nicht bedeutend und der Saal, der
ihre Arbeiten enthielt, fah faft ebenfo unruhig und verworren aus, wie der un-
garifche, da Zeichnungen und architektonifche Aufnahmen unmittelbar neben
den Gemälden Platz gefunden hatten. Die Ruffen wiffen im Allgemeinen, woher
fie ihre künftlerifche Bildung zu holen haben, ihren Arbeiten ficht man wenig
nationale Urfprünglichkeit, dagegen eine deutfche oder franzöfifchen Kunfter-
ziehung an. Letztere läfst ein gröfseres Bild von Heinrich Semiradski
vermuthen, welches in dem internationalen Mittelfaal hängt: »die Sünderin«, nach
dem gleichnamigen Gedicht von Tolftoi. Diefe Dichtung kenne ich nicht, fie
behandelt aber offenbar die Gefchichte der Magdalena, welche durch Chrifli Er-
fcheinung aus ihrem üppigen Leben aufgerufen wird. Der rufTifche Maler hat
eine grofse Genrefcene bei effectvoUem, füdlichem Sonnenlichte daraus gemacht,
mit zahlreichen, gefchickt in Scene gefetzten Figuren, aber mit einem falonfähigen,
ausdruckslofen blonden Chriflus und auch fonft ohne wahre geiftige Befeelung des
Vorgangs. Eine verwandte Richtung tritt uns in einem gut angeordneten und ge-
fchmackvoll durchgeführten Gemälde von WaffiliWerefchtfchagin entgegen:
Gregor der Grofse ftraft die Geldgier, indem er einem Todten feine Schätze mit
in das Grab giebt. Alexander Kotzebue, der in München lebt, ift ein be-
deutender Schlachtenmaler, aber fein ausgeftelltes Bild, Avantgardengefecht
bei Karftula im Jahre 1809, hing fo hoch, dafs ich höchftens feine überfichtliche
Anordnung erkennen konnte , ohne fonft eines Urtheils fähig zu fein. Ein paar
kleine Schlachtenbilder von Willewalde find haltungsvoll und lebendig. Die
Schilderung des heimathlichen Lebens bei ftarkem Realismus tritt uns in Rie-
pin's Barkenziehern an der Wolga entgegen: echt ruffifche Typen, fehr derb,
faft brutal in der Auffaffung, aber mit dem Stempel des Wahren, bei glühendem
Abendlioht. Minder glücklich ift Waffili Peroff, deffen raftende Jäger ebenfalls
naturaliftifche Kraft, doch mit ftarker Uebertreibung des Ausdrucks, verrathen.
Conftantin Makovski fchildert ein winterliches Volksfeft in St. Petersburg,
die Butterwoche, mit vielen lebendig beobachteten Einzelheiten, ohne rechte
Haltung. Anziehender find die kleinen Genrebilder von Wladimir Makowski,
knöchelfpielende Kinder, glücklich im Charakter beobachtet, etwas fpitz im Vor-
trage; fodann die »Nachtigallen-Liebhaber«, ein fehr hübfches ruffifches Interieur,
endlich das Vorzimmer eines Arztes. Karl Huhn ift in feinen Kinderbildern
392
PLASTIK UND MALEREI.
Gothircbes Grabmal, nach Fr. Scbmidt's Entwurf ausgeführt von A. Wafferburger in Wien.
wk
n.
V. DIE SCHWEIZ, BELGIEN, HOLLAND, SKANDINAVIEN ETC. 393
Toilette-Spiegel, von Ravene & Sufsmann in Berlin.
SO
♦
394 PLASTIK UND MALEREL
fauber und allerliebfl, wahrend ein liiflorifches Genrebild: Vorabend der Bartho-
lomäusnacht, in der Hallunkcn-Fhyfiognoniie des Franzofen, der fich das weifse
Kreuz an den Hut befeftigt, ganz witzig und dabei gut gemalt ift. Zwei kleine
Genrebilder des Finnländers Carl Janfon, Seeleute beim Kartenfpiel und liraut-
wcrbung, fcheinen die IJüffeldorfer Schule zu verrathen. Daffelbe ift wohl auch
bei der Landfchaft eines Finnländers, Berndt Li ndh olni, der bellen in diefem
Saale, voll feinen Stimmungslebens, der I^'all, während aufserdem eine flache
Gegend mit fumpfigem Boden von Szuchodolsky, ein kühl geflimmtes nordi-
fches Strandbild von Eugen Dücker, und der Eisgang auf der Newa von
Alexius Bogoljuboff, klar, charakteriftifch und fein in der Perfpective, Be-
achtung verdienen.
Ueber die fpanifche Malerei im Zufammenhange zu fprechen, fühle ich
mich nicht im Stande. JJer Raum, welcher diefer Schule angewiefen war, einer
der Eckpavillons mit Kuppellicht, war von fchornfleinartigem Format und fo
dunkel, dafs man höchftens bei geöffneten Thüren durch das von unten ein-
fallende Licht etwas erkennen konnte. Unter den Malern diefer Nation fcheuen
mehrere den gröfstenMafsftitb nicht; fo Mercada, welcher den Tod des heiligen
Franz von Affifi dargeflellt und dazu Ghirlandajo's berühmtes Frescobild benutzt
hat, und Dominguez, deffen Tod des Seneca ein ernfles Studium, gute fran-
züfifche Schule, etwas von David's akademifchem Stil, aber kräftige Farbe und
realiftifche Energie zeigt. Ein Genrebild von PeUicer, welches das abend-
liche Strafsenleben in Madrid charakteriftifch fchildert, ein ftattliches, in der
Farbe prunkvolles Damenportrait von Navarrete, ein Mädchen in Volkstracht
von Rodriguez fielen mir noch am meiflen in die Augen.
Zu den Nationen, welche in der Malerei bereits an der Grenze der europäi-
fchen Cultur flehen, gehören merkwürdiger Weife auch die Italiener, das gröfste
Kunflvolk der modernen Welt, dem Europa im 15. und 16. Jahrhundert die
Wiedergeburt des Gefchmacks verdankt. Noch immer ifl auf andern Gebieten
etwas von der alten Begabung zu fpüren, doch in der Malerei find die Italiener
halbe Barbaren; fie treten anfpruchsvoU auf, oft im grölsten Mafsflabe, fie prun-
ken mit ihrer Virtuofität der Technik, dabei haben fie aber fafl niemals ein echtes
Gefühl für die Farbe, nie ein feines durchgebildetes Verfländnifs der Form.
Ihre grofse künftlerifche Vergangenheit, noch heut das Ideal der modernen Welt,
ifl für die Italiener nicht vorhanden; fie find in der Auffaffung und Mache völlig
modern, ebenfowcnig kennen fie aber auch ihre Natur, ihr Land und Volk, ihre
Gegenwart; das, was um feiner Schönheit willen Menfchen aus allen Nationen,
und befonders die Künfller, über die Alpen lockt, wird von ihnen nicht verflan-
den, theilnahmlos gehen fie an Alledem vorbei. Motive aus dem Volksleben
Italiens, wie von dem Wiener Paffini, lebensvolle Geflalten aus diefer Welt,
wie von dem Franzofen Bonnat, Blicke in die landfchaftliche Schönheit diefer
Gegenden, wie von Oswald Achenbach, finden wir hier nicht. Wie wenig
können fich neben folcher Naturauffaffung — um zunächfl bei der Landfchaft
zu bleiben — Arbeiten wie die von Vertu nni fehen laffen. Künfller, die mehr
P^igenthümlichkcit befitzen, glauben in der Landfchaft nur dann etwas leiften zu
können, wenn fie die Schönheit der heimifchen Natur, der fie fich nicht gewachfen
V. DIE SCHWEIZ, BELGIEN, HOLLAND, SKANDINAVIEN ETC. 395
fühlen, ängftlich vermeiden, das möglich^ Langweilige, Üede und Häfsliche auf-
fuchen und dies nicht etwa mit feinem Stimmungsleben zu durchdringen fuchen,
fondern es mit kalter photographifcher Schärfe fefthalten. Roffano's Viehmarkt
aus der Gegend von Neapel, eine fchnurgerade Allee, welche das ganze Bild
ausmacht, ifl für diefc Art von Landfchaftsmalerci bezeichnend. Pittara's Thier-
ftückc fchcinen ein gewiffes Studium Troyon's zu verrathen, bleiben aber gegen
das Vorbild durch ihre Trockenheit weit zurück.
\jl(n von weifsem opakem Glas, von Lolimeyr in Wien.
Eher öffnen fich den Italienern dann die Augen, wenn fie über ihre Grenzen
gehen; die befte Landfchaft, in der Technik allerdings ganz franzöfifch, ifl ein
dufteres VVüftenbild mit lagernder Karawane von Pafini; auch das italienifche
Feldlazareth bei der Belagerung von Paris, von Carlo Nogaro, ift ein effect-
volles Winterbild. Ein Hühnermarkt von Cipriani, mit lebendigen Motiven und
einigen gut aufgefafsten Mönchscharakteren, ein Heiligenbilder- Händler, deffcn
Kram von Landleuten bewundert wird, von Girolamo Induno, gehören zu den
befferen Schilderungen aus dem italienifchen Volksleben. Das fcinfte und talent-
vollfte aller italienifchen Gemäkle, die wir hier ausgeftellt fahen, ift aber feinem
Stoffe nach aus dem ruffifchen Volksleben gegriffen, die Brautfchau von Ro-
50*
396
PLASTIK UND MALEREI
Schild in Treib-, Cifelir- und Taiifchirarbeit, von Elkington & Co. in Birmingham.
berto Fontana; die junge Braut ficht ganz entkleidet da, um fich fo den weib-
lichen Anverwandten des Bräutigams zu präfentiren, der Ausdruck der Prüfenden
ifl fein und mannigfaltig; die geduldige Schamhaftigkeit der Hauptfigur, die wir
kaum im Profil fehcn, und die durch ein Streiflicht pikant beleuchtet ifl, wirkt
allerliebfl. Eine zweite Arbeit deffelben Künftlers, die Gefpenfterfcene aus
Robert dem Teufel, trifft den Ton recht gut und ifl, bei feiner Zeichnung, poe-
tifch in der Wirkung des Mondlichtes. Aber es ifl fehr bezeichnend für die
künfllerifche Gefinnung des modernen Italiens, dafs die Malerei zu ihren Vor-
würfen eine Anleihe bei der Oper macht.
Zu den beflen Künfllern gehört fodann Bertini, von dem wir zunächfl zwei
Bildniffe, fein eigenes und das der Prinzeffin Margherita, fahen, nicht eben tief
nr
V. DIE SCHWEIZ, BELGIEN, HOLLAND, SKANDINAVIEN ETC. 397
Füllung, in Eifen getrieben, von A. Katfche in Wien.
im Ausdruck, aber mit Bravour und Leben durchgeführt. Seinen beiden kleinen
Mädchen, welche Tauben füttern, fehlt trotz mancher feinen Züge doch die
rechte Naivetät. Von den zwei hiflorifchen Genrebildern ifl das eine: Leonardo,
die Beatrice von Efte malend — diefe nach einem Kopf in der Ambrofiana zu
Mailand — ein Coftümflück ohne fonderlichen Geift, doch von fauberer Durch-
führung, während das andere, Franz I. von F'rankreich und der Marfchall Tri-
vulzio , durch wirkungsvolle coloriflifche Haltung befriedigt. Ein originelles
Talent tritt uns in Bianchi entgegen; feine Gefangftunde in der Sacriftei mit
dem cholerifchen alten Maeftro, welchen die Chorknaben mit ihrem Mangel an
Gehör in Verzweiflung bringen, ifl glücklich und geiflvoll; hier wie in einem
anderen Gemälde, betende Frauen am Altar, fpricht fich ein eigenthümliches,
398 PLASTIK UND MALEREI.
freilich das Bizarre auffuchendes Farbengefühl aus. Ganz anmuthig ifl; eine Malerin
in ihrem Atelier von Domenico Induno, ein hiibfches Interieur. Zu den befferen
hiflorifchen Genrebildern gehören Gamba's Goldoni, der, auf der Gondel ein-
herfahrend, das venetianifche Volksleben betrachtet, Lodovico Norfini's
Jacob II. von England , der des Herzogs von Monmouth Bitte um fein Leben
zurückweift. Nicht ohne Geift fchildert Patini das wilde Treiben in Salvator
Rofa's Atelier.
Eine merkwürdige Eigenfchaft der Italiener ift, dafs ihnen das Gefühl für das
eigentlich Malerifche häufig fehlt, dafs fie die Grenzen zwifchen dem, was der
Dichtung und was der bildenden Kunft zukommt, fo oft verkennen. Gar häufig
ift; ihre Abficht, bei Genrebildern dem Publicum eine rührende Gefchichte zu er-
zählen. Da wirft fich in Mion's »Häuslicher Scenc« ein junger Mann, etwa wie
Goethe's Clavigo, reuig zu den Füfsen der einft Geliebten und Verlaffenen, die
krank im Lehnfluhl fitzt, von ihren tiefbetrübten Angehörigen umgeben. Ein
andermal fehen wir, wie der Geldmcnfch feine Tochter verhandelt hat, trotz der
Thränen der Mutter und der armen Braut, trotz der innigen Theilnahme von
Verwandten und Hausgenoffen. Alcffandro Zezzos nennt fein Bild »\yeder
Gemahl noch Sohn«. Wer foU das der langweiligen fchwarzgekleideten Perfon
anfehen, die ftcif wie ein Plättbrett und mit der gleichgültigften Miene von der
Welt dafteht!
Auch bei den hiftorifchen Bildern fallen die Italiener häufig in den P'ehler,
das darftellcn zu wollen, was durch den Anblick des Bildes felbft, ohne eine Er-
klärung des Katalogs nicht verftändlich ift. Hieran leidet auch z. B. die Er-
mordung des Buondelmonti von Eleuterio Pagliano, ein Bild, dem es weder
an Lebendigkeit der Handlung, noch an Farbenfinn fehlt; und bei dem ziemlich
lahmen grofsen Bilde von Gianetti, das in dem internationalen Mittelfaal hing,
Giovanni Barbarigo, welcher der Königin Maria von Ungarn die Freiheit wieder-
giebt, hat man eine gewöhnliche Theaterfcenc ohne nähere Motivirung und ohne
individuelles Leben vor fich. Ciferi's Niedermetzelung der Maccabäer ift thea-
tralifch, aber gut aufgebaut, voll Haltung und Kraft der Farbe. Mitunter fehen
wir auch in Figurenbildern jenen äufserften Naturalismus losbrechen, den wir
bereits in der Landfchaftsmalerei gefunden. Gamma rano's »Epifode vom 20.
September 1870«, eine Infanterie-Attake in überlebensgrofsen, ganz von vorn ge-
fehenen Figuren, ift von frappanter, doch geradezu brutaler Wirkung. Von einer
unfreiwilligen Komik ift dagegen Lodovico Bufi's grofsesBild: König Vittore
Emmanuele, die Annexionen fanctionirend. Ein Künftler, der fonft kleine ele-
gante Genrebilder malt, ift hier über feine Sphäre hinausgegangen; eine gröfsere
Lahmheit und Geiftlofigkeit läfst fich nicht denken; die Menfchen fehen wie aus-
geftopfte Puppen aus. Offenbar das befte unter den gröfseren Gemälden war
Uffi's Aufbruch der Pilger nach Mecca; das bunte Gewühl der Karavane,
reich an charakteriftifchcn Typen, ift in fcharfer Beobachtung und ficherem male-
rifchem Gefühl und voller Verwerthung der glühenden füdlichen Beleuchtung
gefchildert.
Aber nicht fowohl durch ihre Malerei haben die Italiener Effect gemacht
als durch ihre Plaftik. Die ift ein beliebter Modeartikel, ein Hauptvergnügen
V. DIE SCHWEIZ, BELGIEN, HOLLAND, SKANDINAVIEN ETC. 399
des grofsen Publicums, gangbar und gut bezahlt, während unter den Werken
der Malerei aller Völker felbfl das Beliebtefle in diefer ungünftigen Zeit keinen
Käufer mehr fand.
Die Plaftik bildet in Italien einen Induftriezweig, der für den Export arbei-
tet und wefentlich nicht von felbfländig productiven Künfllern, fondern von ge-
fchickten Handwerkern betrieben wird. Ihre Stärke haben dicfe in der möglichfl
gefteigerten technifchen Virtuofität der Marmor-Ausführung, die für fie die Haupt-
fache bildet, während unftre Bildliauer fich meifl mit der Modellirung in 'I'hon
begnügen und das Marmorwerk nur als eine Copie des Modells, von Gehilfen-
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SeidenftofT von Giani in Wien, olivenfail)ig, die Ornamente in rotheni Sanimet erhöht; Kaiferpavillon.
hand ausgeführt, in die Welt fenden. Die Italiener wiffen fich in der Marmor-
technik bei fortwährender Uebung der Hand eine Routine anzueignen, die über
jeden Begriff geht, und gehen darauf aus, durch das rein technifche Kunflüück
zu wirken, wofür fie ftets ein williges Publicum finden. Das, was das eigentliche
Ziel der Plafhk ift, die nackte Menfchengeflalt darzuflellen , gilt ihnen nichts,
niemals gehen fie auf die IdeaUtät der P'orm aus, das Nackte hat für fie nur in-
fofern Bedeutung, als es einen Reiz auf die Sinne ausübt. Hierauf ifl: die Art,
in welcher fich die Geflaltcn bewegen, die Formen fich entblofsen, Bufen und
Nacken aus den Gewänden hervorfchauen, berechnet. Die Formen felbfl gehen
aber nur feiten über das Gewöhnliche hinaus. Während unfere Bildhauer gern
in Italien weilen, da ihnen unter diefem glücklichen Himmel eine gröfsere Un-
400
PLASTIK UND MALEREI.
ini^iwiii
l,;|,.u, w,ii i , II.,.:
.\ S.iliii 111 iJ.uaill.ult.
V. DIE SCHWEIZ. RRLGIEN, HOLLAND, SKANDINAVIEN ETC. 401
Befangenheit des Dafeins, eine edlere Plaftik der Körper entgegentritt, da fie
hier mit Leichtigkeit fchöne Modelle finden , die ihnen die Heimath nicht bietet,
haben die italienifchen Bildhauer faft ebenfowenig wie die italienifchen Maler für
die Schönheit ihrer eigenen Wirklichkeit Sinn. Nirgend finden wir bei ihnen eine
einfache Ruhe des Dafeins, fie gehen überall auf das Pikante aus, fie wiffen nur
durch das Gezierte, Gefall füchtige, lüflern fich Einfchmeichelnde des Motivs zu
wirken. Den Reiz des Machwerks zeigen fie nicht fowohl im Nackten, als im
Coflüm, fie wetteifern mit dem, was nur Sache der Malerei fein kann, indem fie
darauf ausgehen, die Stoffe des Anzugs, Linnen und Wolle, Sammet und durch-
fichtige Schleier, Spitzen und Schnüre mit der denkbar gröfsten Realität und
materiellen Wahrheit wiederzugeben, ebenfo die Vegetation des Bodens, das
zottige Fell des Hundes oder den Strickftrumpf in der Hand des kleinen Mäd-
chens, wie in zwei Kindergeflalten von Zannoni. So wird auch das Netz in der
Hand von Br aga'sFifcherknaben, das Gefieder der Hühner und das lange Haar
der Ziegen in Lombardi's Thiergruppen mit raffinirtefler Technik dargeflellt.
Mit diefer gefallfüchtigen Ueberfeinerung ifl; zugleich flets noch ein anderer Zug
verbunden : eine auf die Spitze getriebene Sentimentalität des Ausdrucks. Beides
gehört nothwendig zufammen, ohne diefe krankhafte Steigerung des Ausdrucks
würden die Gefichter neben den anfpruchsvoll und aufdringlich behandelten Ein-
zelheiten und Nebendingen nicht zur Geltung kommen. So ift die Wahrheit des
61
402 PLASTIK UND MALEREI.
Effectes auf der einen Seite von der äufserften Unwahrheit des Gefühls auf der
anderen Seite untrennbar.
Gerade bei Kindergeftalten in mancherlei Situationen — und folche lieben
diefe Bildhauer ganz befonders dar/uftellen — ifl die Sufslichkeit am unange-
nehmfit n. Uas beweifen manche y\rbeiten von PietroGuarniero, der nur zu-
weilen durch einen gevviffen Humor verföhnt, wie in dem kleinen Buben, der mit
äufserftem Widerwillen auf Befehl fein Gebet fpricht. Durch die übertriebene
Sentimentalität ftöfst auch die aufserordentlich elegante Coflümfigur ab, die
Guarniero für Raffael in feiner Jugend ausgiebt. Mitunter können wir uns trotz
des Widerfpruchs gegen die Richtung nicht dem Eindruck des echten Talentes
und des glücklichen Wurfes verfchliefsen, wie bei Francesco Barzaghi's
»Vanarella«, der kleinen Eitlen, die mit der langen Schleppe ihres Seidenkleides
kokettirt. Auch die Phryne deffelben Künftlers gehört bei feiner Behandlung
des Nackten zu den befferen Leiftungen; das durch und durch Sinnliche, die ge-
heuchelte Scham , die zur Schau getragene Nacktheit bringt das gewählte Motiv
von felber mit fich. Bei Ginotti's blinder Nidia — nach Bulwer's »letzten
Tagen von Pompeji« ifl recht hübfch ausgedrückt, wie fie beim Blumen-
pflücken, ohne zu fehen, ihren Weg fucht, aber Blumen, durch die Mittel der
Plaftik möglichfl naturaliüifch dargeflellt, find allerdings ein eigenes Ding. Tan-
tardini, der fonfl vorzugsweife Bewunderung gefunden, war diesmal befonders
glatt und conventionell. Zocchi's junger Michelangelo im Eifer der Arbeit ift
ein frifches und charaktervolles Genrewerk. Auf das gröfsere Publicum übte eine
Arbeit von Tabacchi Anziehung aus, welche für die äufserfte Verirrung diefes
italienifchen' Virtuofenthums charakteriftifch ift : eine Dirne im Debardeurcoftüm,
welche, die Maske in der Hand, verführtrifch auf einem zierlichen Tifchchen
balancirt — • das Motiv im Stil mancher llolzfchnitte des »Journal amufant«, und
dabei Stiefelchen mit hohen Abfätzen und Tricut in Marmor!
Kein italienifcher Bildhauer hatte fo durchfchlagenden Erfolg wie Monte-
verde mit feinem Gypsmodell: »Dr. Jenner, der an feinem Kinde die erfte Impfung
vornimmt« (f. d. Abb. auf S. 96). Auch hier tritt uns der äufserfte Naturalismus, die
zu malerifche Auffaffung, die Bravour im Coftüm entgegen, aber dabei ein fo
kecker Wurf in der Auffaffung, eine fo unmittelbare Lebendigkeit, dafs die
Wirkung nicht ausbleiben kann. Die gefpannte Aufmerkfamkeit des Arztes bei
der Operation, die charakteriftifche, haarfcharf der Wirklichkeit nachgebildete
Bewegung der Rechten mit der Pincette, das Sich-Eindrücken der Linken in das
Fleifch des Kindes find meifterhaft gegeben, nur der nackte Knabe felbft, wenn
auch flott, ift nicht ganz fo glücklich und unmittelbar in der Bewegung Von
Monteverde war auch noch ein Columbus als Jüngling da, welcher neben Fran-
ceschini's Trovatore zu den beften Coftümfiguren gehörte.
Nur in den Werken der Genreplaftik leiften die Italiener Beachtenswerthes,
ihre Arbeiten höheren Stils werden wenig Theilnahme finden. Die beftechen-
den Reize der Technik fallen fort, fchcn weil wir hier meift mit Gyps, ftatt mit
Marmor, vorlieb nehmen muffen, das Gefuchte und Widrige bleibt mitunter, wie
in Gallori's Nero in Weibertracht, oder die Auffaffung geht nicht über das
Conventionelle hinaus, wie inConfani's Victoria mit dem Schilde, Luccardi's
V. DIE SCHWEIZ, BELGIEN, HOLLAND, SKANDINAVIEN ETC. 403
Kain, Magni's Juftitia und feiner Sappho. Oldofredi's müder Mann von
Chifelhurft, ein Nachklang von Vela's flerbendeni Napoleon I., ift ganz charak-
tervoll. — ■
Nur die Kunft eines Volkes, des englifchen, haben wir noch zu be-
rückfichtigen. Es ift fachgemäfs, diefe für fich zu behandeln, denn fie hat ihren
ganz befonderen Charakter. Der Canal bildet auch 'in künftlerifcher Beziehung
Bronzeleuchtcr, von Elkington & Co. in Birmingham.
eine entfchiedene Trennungslinie zwifchen den britifchen In fein und dem Con-
tinent. Die englifche Malerei hat fich aui dem heimathlichen Boden felbft ent-
wickelt, meift unbekümmert um die künftlerifchen Strömungen in dem übrigen
Europa; fie findet ihr Publicum bei fich zu Maufe, fie arbeitet nicht für den Ex-
port, und der Markt auf dem Continent hat für fie nicht das mindefte Interefife.
Diefer Uinftand hat bei Gelegenheit der Wiener Weltausftellung nun zunächft
einen fehr günftigen Einflufs gehabt; die englifche Gemälde-Ausftellung war eine
gewählte. Die Künftler hatten nicht das gefchickt, was fie gerade fertig hatten,
was eben frifch von der Staffelei kam und des Käufers harrte, fondern aus dem
Privatbefitz, meift aus vornehmen Wohnungen und Sammlungen, war eine kleine
51*
404
PLASTIK UND MALEREI.
Stimmzettelurne für den deutfchen Reichstag, vo
11' - I
V. DIE SCHWEIZ, BELGIEN, HOLLAND, SKANDINAVIEN ETC. 405
Lampe, entwürfen von Hcyden, ausgeführt von der ISerliner Lampen- und Bron/.ewaaren-Fabrik
von Stobvvaffer & Co.
406
PLASTIK UND MALEREI.
Anzahl von Gemälden auserlefen worden, die fo ziemlich die Höhe deffen reprä-
fentirten, was die angefehenften Maler zu leiflen im Stande find. Der Eindruck
des englifchen Saales war daher ein ganz be(onderer, man glaubte fich in den
Raum eines englifchen Privatfammlers von feinem Gefchmack verfetzt.
Taufchirtu Schale von Ybarzabal in Eibar.
Als ich die englifche Malerei zuerft in England felbft kennen lernte, konnte
ich mich anfangs nicht recht mit ihr befreunden, bis ich einmal die grofse
Kunflausftellung in der Royal Academy und die Biklerfäle im South Kenfington
Mufeum des Abends befuchte, wo fich flets ein befonders elegantes Publicum
dort wie in Gefellfchaftsräumen vcrfammelt. Ich merkte fofort , dafs die Leute
nicht Unrecht hatten und dafs die Bilder fich in der That bei diefer Beleuchtung
am heften ausnahmen. Die englifche Malerei ift eine Malerei für Gaslicht. Die
Beftimmung der neueren englifchen Gemälde liefert dafür eine genügende Er-
klärung. Sie werden eigentlich nur für den Drawing room des Privathaufes ge-
fchafifen. Da liegt es in der Natur der Sache, dafs man fie Abends, bei künft-
licher Beleuchtung, vorzugsweife ficht und geniefst, und es fcheint, als ob fich
die Maler, vielleicht gröfstentheils unbewufst, darauf einrichten. Bei künftlicher
V..DIE SCHWEIZ, BELGIEN, HOLLAND, SKANDINAVIEN ETC. 4Ü7
Beleuchtung wird der coloriftifche Eindruck harmonifcher, während er fonfl durch
eine Vorliebe für gar zu lebhafte, fcharfe Gegenfätze leicht bunt, dabei durch
einen Zug des Gefallfüchtigen oft füfslich ift. Aber auch Auffaffung und Cha-
rakteriftik ftreifen oft an das Süfse, was mit dem ganzen Entwicklungsgange der
modernen englifchen Malerei, ihrem Losgelöflfein von aller gröfseren Tradition,
ihrem Schaffen für Privatliebhaberei, namentlich der vornehmen Kreife, zu-
fammenhängt.
Für kirchliche Zwecke hat die Kunfl: nichts zu thun, da die Formen des
Cultus dies verbieten, zu monumentalen Zwecken, zu der Decoration öffentlicher
Gebäude wird fie nicht herangezogen, und wenn einmal der Verfuch gemacht
wird, ihr folche Aufgaben zu gewähren , wie bei der Ausfchmückung der Parla-
mentshäufer, fo fällt die Sache ungenügend aus, denn hierzu fehlt es den engli-
fchen Künftlern an Sinn wie an Vorbildung.
Innenfläche der Schale von Ybarzabal; taufchirte Arbeit.
Einige Worte von Richard Redgrave in feiner Einleitung zu dem Kata-
loge der neueren englifchen Gemälde, meift aus dem Nachlafs von Mr. Sheep-
fhanks, im South Kenfmgton Mufeum, treffen den Nagel auf den Kopf, nur
dafs er gerade in dem, was uns als Einfeitigkeit der englifchen Schule erfcheint,
ihren Hauptvorzug erkennt: »Die Blüthe der englifchen Kunft« , fo heifst es an
einer Stelle, »entfaltete fich den Anforderungen derjenigen entfprechend, die fie
als eine Quelle des Genuffes in der Häuslichkeit lieben. Deshalb find unfere
Bilder klein, unfcren Privatwohnungen angemeffen, und ihre Gegenftände find
folche, mit denen wir leben und die wir lieben können, die uns eine Erquickung
in den Augenblicken der Ruhe nach der harten Arbeit des Tages gewähren.«
Trat man auf der Parifer Ausftellung des Jahres 1855, meint Mr. Redgrave, aus
den Sälen der franzöfifchen und continentalen Gemälde in die Galerie der engli-
Goldfclimuck voll Olto Knimhügel in Moskau.
fchen, fo kam man von Scenen des Kriegs und der Leidenfchaft, des Ringens
und des Leidens zu Scenen häuslichen Friedens, welche das Leben eines Volkes
wiederfpiegeln, dem lange eine ruhige Exiftenz vergönnt war. Und während die
grofsen holländifchen Genremaler des 17. Jahrhunderts, fetzt er hinzu, in ihren
Arbeiten wie Leute erfcheinen, die niemals lefen, weil fie blos Motive aus dem
alltäglichen Leben tiarftellen, ohne Zufammenhang mit der Literatur, ohne An-
fchlufs an heimifche oder fremde Dichter, finden unfere oder fremde Schrift-
fteller an den englifchen Malern ihre liebevollen lUuftratoren , und felbft wenn
diefe ihre Stoffe aus dem gewöhnlichen Volksleben fchöpfcn , fuchen fie irgend
einen rührenden Zug, eine zarte Epifode, einen füfsen Ausdruck einzumifchen,
durch welche auch diefe Gegenftände mit der edleren Menfchlichkeit in uns
felbfl verknüpft werden.
Uas Alles ficht unfer englifcher Gewährsmann für befondere Vorzüge an.
Wir dagegen finden in diefer einfeitig literarifchen Infpiration, in diefem zum
Theil moralifirenden und zum Theil fentimcntalen Zug der Kunflwerke eine
krankhafte Neigung, welche dem übertrieben modernen Wefen der englifchen
Schule entfpringt. Ohne Zufammenhang mit den herrlichften Epochen der Ver-
gangenheit, namentlich mit der italienifchen Renaifiance, ohne Antheil an
dem Auffchwung, welchen Frankreich und Deutfchland in unferem Jahrhundert
erlebten, im eigenen Lande durch keine frühere künftlerifche Ueberlieferung als
die des vorigen Jahrhunderts getragen, kommt die englifche Schule fchwer zu
V. Du<: SCHWEIZ, bp:lgien, Holland, Skandinavien etc. 409
Goldfchniuck von Otto Krumhügel in Moskau.
einem ausgebildeten Stil in Compofition, Ausdruck und Farbe. D<i^ bannt fie in
ganz beflimnite Schranken, aber innerhalb derfelben entfaltet fie in der That
manche überrafchende Eigenthümlichkeiten : Geifl und lebendigen Humor, glück-
liche Anmuth, feine Individualifirung, gute Beobachtung des Lebens, malerifchen
Reiz. Diefcn Eigenfchaften mufs man gerecht werden, befonders, wenn fic uns
in einer fo feinen Auswahl von Kunftwerken wie diesmal gegenübertreten.
Bei der Stellung der englifchen Malerei, wie wir fie eben fchilderten, ift es
felbflverftändlich, dafs gröfsere hiftorifche oder religiöfe Gemälde feiten auftreten.
52
410 PLASTIK UND MALEREI
Aber einige Ausnahmen von wirklicher Bedeutung waren in Wien vorhanden, unter
denen ein Gemälde von K. M. Ward, allerdings bereits aus dem Jahre 1854,
durch Umfang wie durch Energie der Behandlung hervorragt: des Herzogs von
Argyll letzter Schlaf. Der greife Gegner Carl's II. fchläft ungebrochen und fried-
lich in feinen Feffeln, während der Kerkermeifter und der Offizier, der ihn zum
Tode führen foll, tief ergriffen an feinem Lager flehen. Bei grofser Macht des
Ausdruckes und charaktervoller Zeichnung wirkt dies Gemälde zugleich durch
feine Tiefe des Tones und fein gut abgewogenes Helldunkel, das ein ernfles
Studium der Rembrandt'fchen Schule verräth. Von G. F. Watts war eine
Skizze vorhanden, die in kleinem Mafsftabe eine echte Gröfse der Compofition,
ideale Empfindung, ftilvoUen Aufbau und noble coloriftifche Haltung zeigt: der
Todesengel, der mächtig thront, während zu feinen Füfsen der greife König,
der feine Krone darbietet, der Ritter, der fein Schwert auf den Altar legt, der
Bettler, das Kind, das lebensmüde Mädchen nahen. Fr oft ift in feinen Ver-
fuchen, das Nackte zu idealifiren, kalt und conventionell. Seine Una unter den
Waldnymphen (1846) lohnt die Ueberfchreitung des Programmes wahrlich nicht.
¥. Leighton, der als Schüler von Steinle mit der ftrengen continentalen
Richtung im Zufammenhange fteht, hatte aufser einem anmuthigen antiken Genre-
bilde »Kleobulos und Kleobule« noch die lebensgrofse Halbfigur eines grün ge-
kleideten jungen Mädchens, das eben vom Gebete auffteht, ausgeftellt, zart im
Ausdruck und von feinem Reiz in Farbe und Vortrag. J. E. Millais, einft das
Haupt der fogenannten »PreraphaeUtes« erfchien diesmal, ohne alle früheren
idealen Beftrebungcn, nur als Portraitmaler, in Bildniffen von Kindern, allerlieb-
ften kleinen Mädchen, von echt englifcher Schönheit, aber etwas puppenhaft,
von einer zu abfichtlichen Virtuofität des Vortrags und kreidig im Ton. Unter
den Bildnifsmalern zeichneten fich dann noch J. P. Knight und Sir Francis
Grant aus. Das Jagdrendezvous des letzteren bewältigt, trotz mangelnder Luft-
perfpective, diefen fchwierigen Vorwurf fchrgcfchickt. Von dem berühmten, feitdem
verftorbenen Thiermaler Sir Edwin Landfecr fahen wir fein eigenes Portrait
nebft zwei Hunden, die ihm über die Schulter gucken, recht gemüthlich, obwohl dem
Künftler daffelbe wie manchen anderen Thiermalern , z. B. Verlat, begegnet,
dafs er auch das menfchliche Abbild kaum über die animalifche Exiftenz hin-
aushebt. Zwei andere Bilder von ihm find bekannte frühere Arbeiten: »Die Zu-
fluchtsftätte« — ein Hirfch in der Dämmerung am einfamen Hochlandsfee, diefe
durch den Stich allgemein verbreitete, poetifche Conception — und »Das arabi-
fche Zelt«, mit der ruhenden Stute, dem Füllen, Hunden und Affen, fchlicht und
tüchtig in der Charakteriftik des Thierlebens, doch ohne hinreichende Kraft des
Colorits.
Merkwürdig fpärlich trat die eigentliche Volksmalerei auf, der doch in Eng-
land ein Wilkie glorreich die Bahnen gewiefen hatte. Jene Schönthuerei in
Vorwurf und Behandlung, welche im Gemälde zunächft nur ein behagliches
Möbel des Wohnzimmers fieht, macht ihr mehr und mehr den Platz ftreitig.
Harvey's Aufbruch der Schulkinder, voll Frifche der Auffaffung und von glück-
licher Interieur-Wirkung im Charakter der alten Holländer, rührt fchon von 1846
her. Nicol's Gefchirrhändler ift eine joviale, köftliche Charakterfigur, kräftig
V. DIE SCHWEIZ, BELGIEN, HOLLAND, SKANDINAVIEN ETC. 411
Vafe mit Fufsgeftell, mit Gold- und Emailverzierung, von Lobmeyer in Wien.
5a*
412
PLASTIK UND MALEREI.
aus dem Leben herausgegriffen, theilt aber die gewöhnlichen Fehler des begab-
ten Künfllers, im Ausdruck faft übertrieben, im Ton zu violet zu fein. Thomas
Faed offenbarte mit grofser Energie des Ausdrucks auch diesmal eine ergrei-
fende pfychologifche Wahrheit bei blühendem, aber ruhigem Colorit. Der »Letzte
feines Stammes« ifl ein alter Schotte zu Pferde, der von den Seinen umgeben
am Strande der Ueberfahrt harrt; der fchwerc Abfchied von dem Vatcrlande
prägt fich in Allem tief ernfl aus. Während dies Bild fchon aus dem Jahr 1865
herrührt, ift ein neues, drei Kintlcr an einem offenen Grabe, nicht minder aus-
drucksvoll und echt empfunilen.
Im Ganzen überwiegt das hiflorifche Genre. Yeame's Konigin Elifabeth,
welche nach der Bartholomäusnacht den franzöfifchen Gefandten empfängt,
mir fchon vom Jahre 1866 her bekannt, ift in der Luftwirkung etwas hart, fonfl
höchfl charaktervoll in der pfychologifchen Erfchöpfung diefes peinlichen Mo-
Ilandleuchter von Raveiie & Siifbniaiin in Berlin.
ments und voll echten gefchichtlichen Lebens. Stowe fchildert König Eduard II.
in feiner Hingabe an den unwürdigen Günflling Gavcftone, welche den Unwillen des
Hofes erregt. Philipp Calderon erzählt uns mit Laune und geiftreicher Leben-
digkeit eine Scene aus den Vendce-Kriegen: englifche Soldaten finden nach der
Schlacht einen Knaben allein als Hüter im verlaffenen und geplünderten Gehöft.
Sein gröfseres Bild, ein junges Paar im Coflüm des 16. Jahrhunderts, das auf
dem Waffer treibt, führt den fentimentalen Titel »Sighing his foul into his I^dy's
face« — echt englifch! Es follten womöglich noch ein paar Verfe im Katalog
und am Rahmen flehen. Bei unleugbarem Reiz ifl hier doch die Süfslichkeit
auf die Spitze getrieben und die Figuren find eigentlich für das Motiv zu grofs.
In Stoff und Geifl ifl das Rococobild »fair quiet and sweet red« von Fields
dem vorigen verwandt. Wir hatten dann noch an Mark.s' mittelalterlichen
Bettlern, an Horsley's hübfchem Interieur mit Schachfpielern, fchönen Damen
und Courmachern im Collum des 17. Jahrhunderts und an Watfon's »Gift-
becher« unfere Freude, denn dies kleine Bild ficht viel zu gemüthlich aus, als
dafs wir im Ernft dem Cavalicr im Atlaskleide, der ein Fläfchchen in den Pokal
V. DIE SCHWEIZ, BELGIEN, HOLLAND, SKANDINAVIEN ETC. 413
leert, eine böfe yXbficht zutrauen könnten. Allcrliebrt, ^eiftreich und voll kecker
Laune ift Storey's » fcliüchtcrne Schülerin«, ein Giinschcn im Coftüm des
17. Jahrhunderts, das fich bei der Tanzfluiide un^efchickt anftellt. Frith über-
rafcht auch diesmal wieder durch feinen liebenswürdigen Humor und feine feine
Indiviilualifirun^, welche das Momentane und fchnell Vorüberfliegende im Aus-
druck ebenfo zart wie ficher feilzuhalten weifs. Während Lord Foppington, der
unverfchämte Schwätzer, feine Abenteuer einer Gruppe im Coflüm des vorigen
Jahrhunderts erzählt, ift der Ausdruck der jungen Dame am Fenfler, die kaum
verhehlen kann, wie wenig fie von dem Allen glaubt, fowie die Haltung der
anderen Schonen, die vor fich hinfchaut, wohl wiffend, wie nachdrücklich der
■lttlh«ltll WltH
Inclirdie ThoniTL'färsc.
flehende Ca valier fein Auge auf ihr ruhen läfst, fein und lebensvoll. Lewis und
Hodgfon führen uns orientalifche Sccnen vor, Paul F'alkoner Poole in
feinem gefpenflifchen Jäger, nach einer F>zälxlung des Decamerone, und Elmore
in feinem Bilde zu Bürger's Leonore entfalten dämonifchen Reiz und träumeri-
fche Phantaftik. Orchardfon in einer Fallflaff-Scene und Pettie, der uns
Probftein , den Narren aus »Wie es euch gefällt« , mit feiner Unfchuld vom
Lande vorführt, illuftriren Shakefpeare mit flotter Laune, nur in einem etwas zu
eleganten Stil.
Unter den Landfchaften fanden wir zunächfl eine Themfc-Partie mit Brücke
und Vieh von dem verfliorbenen Turner, und zwar offenbar ein früheres Bild,
vor Beginn jenes Manierismus, zu dem der Künftler, wie Dr. Liebreich vor
Kurzem nachgewiefen hat, durch eine Erkrankung des Auges geführt wurde.
Sonnig und duftig, offenbart dies Werk jene volle Pocfie der Luft- und Licht-
wirkung, deren der Künftler in feiner beften Zeit fähig war. Neben ihm zeich-
neten fich Linnel, Davis, Vicat Cole, diefer in einer einfachen Gegend bei
Abenddämmerung, und Richard Redgrave aus, deffen Richtung eine von
414
PLASTIK UND MALEREI.
der hcrrfchcnden ganz abweichende ifl:, und der in feinen durchfichli^en Wald-
partien auf die liebevolle, feine Behandlung des Einzelnen, der Rinde jedes
Stammes, der Gräfer des Vordergrundes ausgeht, ohne die harmonifche Ge-
fammtwirkung dabei zu trüben. Endlich bewährt fich E. W. Cooke auch dies-
mal wieder als ausgezeichneter Seemaler.
Ein befonderer Raum ward von den englifchen Aquarellen gefüllt. Die
Engländer bewährten auf's Neue ihre anerkannte Meifterfchaft in diefer Technik.
Aber trotz guter Arbeiten von Read, Barrett und Anderen waren es diesmal nicht
fowohl Landfchaftcn und architcktonifche Anflehten, welche den gröfsten Ein-
druck machten, als vielmehr eine Reihe hiftorifcher Scenen von Sir John Gil-
bert: Ludwig XIV. mit feinen Miniftern in den Gemächern der Frau von Main-
tenon Staatsrath haltend; eine Sccne nach der Schlacht von Nafcby; der Ein-
zug der Jeanne d'Arc in Orleans. Hier ift echtes gefchichtliches Leben und
grofsartige Charaktcriflik, verbunden mit einer ganz crftaunlichen Kraft des Tons,
wobei freilich zu beachten ift, dafs Gilbert im Aquarell, ohne eigentliche Rück-
ficht auf das befondcre VVefen diefer Technik, geradezu auf die Wirkungen der
Oelmalcrei ausgeht.
Die englifche Sculptur fpielte keine hervorragende Rolle. Weftmacott's
Eva wie feine Andromeda find nicht ohne Reiz der Bewegung, nähern fich aber
dem Thcatralifchen. Marfhall's Büfte „Undine" fpielt bei vieler Anmuth doch
in das Glatte und Süfse. Um ihrer Lebendigkeit und Frifche willen verdienen
die kleinen Thiergruppcn von J. E. Boehm Beachtung.
Alfred Woltmann.
DIE VERVIELFÄLTIGENDEN KÜNSTE.
415
Wandleuchter, entworfen von G. Schröfl, in Hronze ausgeführt von D. Hollenbach Söhne in Wien.
Die vervielfältigenden Künste.
I. Frankreich.
Der Kunftfreund, welcher den Kupferflich und was darum und daran hängt,
auf der WeltausRellung fludiren wollte, wandelte ziemlich einfanie, wenig betretene
Pfade — ■ und dies aus Gründen, welche zum Theil in der Ausftellung felbft zu
fuchen, zum Theil aber ganz allgemeiner Natur find. Die letztern find ja be-
kannt genug. Seit geraumer Zeit find unfer Gefchmack und die Productions-
verhältniffe dem Kupferflich fo ungünflig wie nur möglich. Das flrenge Grab-
ftichelblatt wird immer feltener — Weltausftellungen werden immer häufiger. Die
Bearbeitung einer grofsen Kupferplatte durch einen hervorragenden Meifter nimmt
416
DIE VERVIELFÄLTIGENDEN KÜNSTE.
Kryitallglasflafchcn von James Green in I.undon.
ja heutzutage einen längern Zeitraum in Anfpruch, als die haftige Begehrlich-
keit nach Neuem ertragen kann. Auch die leichtern Arten der Vervielfältigung,
die Radirung, der ITolzfchnitt, die Lithographie, muffen fich zur Ilhiftration be-
quemen, fich an das gedruckte Wort anklammern, um zu öffentlicher Geltung
zu gelangen. Ihnen kommt der entfchiedene Zug zum Malerifchen, der unfere
Kunft fo fehr beherrfcht, doch noch zu ftatten, während das Gefallen am grofsen
ftiliftifchen Kupferftiche dadurch nur beeinträchtigt wird.
So kam es denn, dafs auf der Wiener Weltausftellung nicht fowohl der
Kupferftich in Linienmanier als vielmehr jene feine Nebenbuhler Erfolge auf-
wiefen. Dies gilt insbefondere von der franzöfifchen Abtheilung, die wir hier
zunächft in'sAuge faffen. Zwar waren die Leiftungen der vervielfältigenden Künfte
in Frankreich durch die 153 Nummern, welche der Katalog unter der Rubrik
„Gravüre" aufzählt, nur fehr mangelhaft und unzureichend vertreten, aber auch
durch ihre Lücken, nicht minder als durch ilire Glanzpunkte war ihre Auswahl
lehrreich. Denn, mögen wir über die heutigen Zuftände Frankreichs denken,
wie wir wollen, mögen wir zu abfälligem Urtheilen über feine Errungenfchaften
noch fo fehr geneigt fein, im Wettkampfe auf dem Felde der Kunft und Kunft-
induftrie können wir nirgends eine franzöfffche Niederlage verzeichnen. Nur klein-
I. FRANKREICH.
417
Emaillirtc Schale, galvanoplaftifclie Reproduction von Elkington in London.
lieber Chauvinismus, der ja auch in deutfcher Druckerfchwärze üppig gedeiht,
kann der franzöfifchen Kunfl: auf der Wiener Weltausftelking den Siegerpreis
vorenthalten.
Bei diefer hervorragenden Stellung, welche wir nach unferm beüen Wiffen
und Gewiffen insbefondere der franzöfifchen Malerei zuerkennen muffen, gewinnt
auch die vervielfältigende Kunfl; der franzöfifchen Abtheilung ein höheres Intereffe.
So wagen wir denn einen Gang durch den offenen Corridor (zu deutfch: hölzer-
nen Schupfen), in welchem die grofsen und kleinen Kunflblätter dem Sonnen-
fchein, Wetter und Staub ausgefetzt und bunt über Eck zur Befichtigung auf-
gehängt find.
Schon diefe Art der Unterbringung hat etwas Geringfchätziges. Infoferne
ifl; die Stellung der vervielfältigenden Künfle in der Gegenwart allerdings gekenn-
zeichnet. Die Anftrengungen, welche insbefondere die Franzofen gemacht haben,
um ihre Malerei, im günftigften Lichte erfcheinen zu laffen, haben fich auf ihren
Kupferflich nicht erflreckt. Sie haben nicht, wie in der Malerei, auch hier über
den programmgemäfsen Zeitpunkt zurückgegriffen. Ja weit entfernt, die Werke
verflorbener Meifter des Kupferfliches mit auszuftellen, wie dies mit den Malern
Delacroix, Rouffeau, Troyon z. B. gefchehen, liefsen fie fogar ihre berühmteflen.
418
DIE vervielfältigendp:n Künste.
heute noch lebenden Stecher, als: Henriquel-Dupont, Jules und Alphonfe Fran-
gois, Achille Martinet u. A. m. , blos durch ihre Abwefenheit glänzen. In An-
betracht des unbeftrittenen Ruhmestitels, welchen die neufranzöfifche Stecher-
fchule feit den Tagen Wille's und Ikrvic's geniefst, in gerechter Würdigung ihrer
ebenbürtigen Weiterentwicklung durch einen fo rüftigen Veteranen wie Henri-
quel, ift uns die Kntfagung, welche die franzöfifche Commiffion hier geübt hat,
völlig unverftändlich. Sie läfst sich eben nur aus den bereits oben erwähnten,
ganz allgemeinen Gründen erklären.
Die franzöfifche Maler-Radirung ifl es daher vor Allem, was unferer Be-
wunderung fich darbietet. Die kleinen Blätter eines Leopold Fl am eng, eines
Claude-Ferdinand Gaillard, eines Jules Jacquemart fmd wahre Glanzpunkte
der ganzen Kunft-Abtheilung überhaupt. Wenn fie auch in der That nur funkte
find im Vergleich zu den klaftergrofsen Götzen der fogenannten Salle carree,
fo ifl doch wahrlich in dem kleinflen von ihnen mehr echte Kunfl befchloffen
als in fo manchem Ungeheuer von geölter Leinwand. Freilich hätte es keiner
Weltausftellung bedurft, um die Gebildeten aller Nationen mit den Spitzen der
franzöfifchen Radirer bekannt zu machen. Ihre Arbeiten, meifl ziemlich kleinen
Formates, find fchon durch ihre Publication bei gedruckten Werken, zumeift in
der „Gazette des Beaux-Arts" allgemein verbreitet. Ueber ihren hohen Kunfl-
werth konnte man fich daher längft allerwärts ein Urtheil bilden, welches durch
keine noch fo bunt zufammengewürfelte Auswahl ihrer Blätter eine Abänderung
erfährt. Diefes Urtheil geht dahin, dafs die moderne franzöfifche Radirung in
ihren erflen Vertretern die legitimfle Nachfolgerin der holländifchen im fiebzehn-
ten Jahrhunderte ifl. An den MuRern jener claffifchen Kunft hat fie fich auch
vor allen gebildet. Aeufserlich zwar fcheinen ihre Meifter aus der Descendenz
der alten l'arifer Stecherfchule hervorzugehen, fie wiffen auch den Grabflichel
trefflich zu handhaben, ja fie beuten feine feinden Mittel bis zum Raffinement
aus. Flameng zum Beifpiel nennt fich einen Schüler von Calamatta, feine Wie-
dergabe von Ingres' „Quelle" und „Angelica", fein Bildnifs der Kaiferin Jofefine
nach Prud'hon gehören zu dem Zarteften und Stilvollften, was der moderne
Grabflichel geleiftet hat; die Modellirung des Fleifches mittelfl freier Stichel-
punkte ifl; glücklich getroffen und hebt fich leuchtend aus der linearen Umgebung
hervor. Doch treten fchon diefe Ausnahmen aus der Linie heraus, welche die
flrenge Zucht der alten Grabflichel-Technik vorfchreibt. Vergleicht man vollends
die daneben flehenden fpätern Arbeiten des Meifler.s, wie das Selbftbildnifs von
(Juentin Latour, die Sa.skia Rembrandt's und Andere, fo fieht man in dem grellen
Gegenfatz diefer breiten und freien Behandlung deutlich, wie aller Zufammen-
hang mit den Traditionen der franzöfifchen Stecherfchule abgebrochen ifl. Aus
dem Schüler Calamatta's ifl ein eifriger Nachfolger Rembrandt's geworden, der
es fogar verfucht, das „Hundertgulden-Blatt" des grofsen Niederländers auf eigene
Fauft zu wiederholen. Der Strom von Farbe, der mit Delacroix und Genoflen
über die franzöfifche Malerei hereingebrochen, hat eben auch die vervielfältigende
Kunfl mit fich fortgeriffen. Ihre tüchtigllen jungem Kräfte folgen nothwendig
dem Zuge zum unbedingt Malerifchen, der unfern Gefchmack immer mehr be-
herrfcht. Sie find felbfl vor Allem Maler, wenn auch nur in Schwarz und Weifs.
I. FRANKREICH. 419
Aber mehr ,il.s das: viele von ihnen find auch Maler in der f^anzen Bedeutunc;
des Wortes — Maler, die es nicht verfchinähen , zur Radirnadel zu greifen, um
entweder die eigenen Gedanken oder die Grofsthaten früherer Meifler öffentlich
und vor allem Volke z.u erzählen.
Wer die in den GemiiKIefälen zcrflreuten Bildniffe Gaillard's aufmerkfam
betrachtet hat, jene liebevoll durchgeführten Charakterköpfe, welche mit dem
Leben der Gegenwart zugleich eine Jahrhunderte alte künfllerifche Wahrheit zu
athmen fcheinen, der wird es begreiflich finden, dafs ihr Meifler den »Mann mit
der Nelke« von Van Eyck aus der Galerie Suermondt, den »Condottiere« des
Antonello da Meffina im Louvre fo zu flechen verftand, dafs feine Platte nicht
füwohl eine Abbildung als vielmehr eine Wiedergeburt des alten Kunftvverkes
Teller vuii Miiiluns in Sluke upoii Treiit.
genannt zu werden verdient. Doch findet Gaillard's Genie in der Vertiefung in
minutiöfe Feinmalerei keineswegs feine Grenze, er weifs auch ganz andern An-
forderungen gerecht zu werden. Beweis davon ifl das grofse Portrait des Grafen
von Chambord, das nicht blofs in feiner architektonifchen Einfaffung, fondern
auch in der Stichelführung an den Gefchmack des vorigen Jahrhunderts erinnert.
Vergleicht man damit das lebensgrofs gemalte Bildnifs feines Mobilgarde -Capi-
täns, fo mufs man geftehen, dafs Gaillard doch leichter mit dem Stichel
als mit dem Pinfel eine breitere Behandlung der Formen zu bewältigen weifs.
Es geht ein antiquarifcher Zug durch diefe neuefle franzöfifche Stecherfchule,
die wir eigentlich Radirerfchule nennen muffen; denn ob auch Stichel und kalte
Nadel und alle möglichen Mittel der Abtönung bei ihr Anwendung finden, fo führt
doch die geätzte Linie, das erfte Wort und das Princip der malerifchen Freiheit waltet
überall vor. Zu dem Genius, zu dem technifchcn Gefchick ihrer erflen Vertreter ge-
feilt fich ein tiefes Verlfändnifshiflorifcher Kunflformen, kunftgefchichtlichcs Wiffen
und jene klare Anfchauung von der fCigenberechtigung der Vergangenheit, welche
der befle Schutz gegen kalten Eklekticismus ill. Mit Vorliebe lajTen fie alte Kunfl-
werke für fich felber fprechen, indem fie ihnen von den Ausdrucksmitteln ihrer eige-
nen Kunfl nur foviel und nicht mehr leihen, als zur Deutlichkeit nöthig ill. Ver-
as'
4-1
420
DIE VERVIELFÄLTIGENDEN KÜNSTE.
l^rrzr
Lampe von J. OrUllemeyer in Wien.
ftändigc Pietät nur kann einem reichen Künftler diefeEntfagung auferlegen. Ihm
gilt es, von den alten Meiflern zu lernen, nicht aber fie nachzuahmen. Daher
die Mannigfaltigkeit, mit der ein Jules Jac c] uemart jedesmal ein Anderer ifl,
je nachdem fein Gegenfland es ihm eingicbt. Im Vergleich zu feiner Schwefler
Nelie, der genialen Portraitmalerin , hinter deren vielbewunderten Bildniffen wir
Alles eher als eine zarte Frauenhand vermuthen würden, zeigt der geiftvolle
Radirer eine Nachgiebigkeit gegen feine Vorlagen, die faft an weibliche Schmieg-
famkeit erinnert. Zumal dort, wo der Farbenfinn durch merkwürdige Probleme
I. FRANKREICH.
421
Khreiipokal aus vergoldetem Silber, nach Th. Ilanfen's Entwurf ausgeführt von G. Simon in Wien.
angeregt wird, wie bei Reinbrandt, Frans Hals oder Van der Meer aus Delft
dringt er bis zu einem erftaunlichen Grade in die Feinheiten feiner Originale ein,
und das Alles, ohne lange zu taften, mit wenigen fichern Treffern. Am deut-
lichflen erhellen diefe feine Vorzüge an jenen einfachen Beifpielen, wo er mit
der blofsen Radirnadel einen Kryflallbecher oder einen Schmuckgegenftand wieder-
gicbt. Noch niemals vielleicht ifl der Charakter des Materials in fo geiflreicher
Weife bildlich dargcflcllt worden, wie in den Radirungen von Jacquemart.
hiftorifch-antiquarifchen Richtung
Wenn wir bei diefer, man könnte
fagen :
422 DIE VERVIELFÄLTIGENDEN KÜNSTE.
der franzöfifchcn Ratiirung länger verweilten, fo foll dies nicht zu Ungunften jener
Meifter gedeutet werden, welche ein weniger umfangreiches Regifter beherrschen,
vielmehr, wie in der Malerei, fo auch in der geätzten Zeichnung ihrer einmal
eingefchlagenen Richtung treu bleiben, als: Leun Gaucherei, Maxime Laianne
und deren Beider Schüler Brunet-Debaines und Rajon, ferner Delauney,
Rüchebrune, Veyraffat u. A. Ausgezeichnet find fie Alle durch einen feinen
Sinn für Lichtwirkung, fei es in Contraflen, fei es in feiner Abtönung. Beffer als
es hier auf kleinen Kupferplatten gefchieht, kann auch die kühnfte Malerei nicht
Schattenmaffen bewältigen, Raum- und Luftwirkung verfolgen. Eine befondere
Gruppe unter diefen Mciftern bilden noch diejenigen, welche mit Vorliebe archi-
tcktonifche Anfichten wiedergeben und dabei ein feltenes Verftändnifs hiflorifcher
Bauformen an den Tag legen.
Bedeutfame Anftrengungen macht auch die franzöfifche Lithographie in
ihrem Streben, fich der Radirung und wohl gar auch dem linearen Kupferflich
an die Seite zu flellen. Seitdem Alexandre Calanie und Eugene Blery die Ori-
ginal-Lithographie mit fo viel Erfolg cultivirt haben, ift die Steinzeichnung buch-
Aäblich falonfähig geworden. Sie dient nun manchen Malern als Surrogat für die
fchwierigere Kupferradirung, wie z. B. Achille S i r o u y. Andere bedienen fich ihrer
zum Studium und zur Reproduction fremder Werke, wenn es auch nicht Jedem
fo gut gelingt wie E. L. Vernier mit der Wiedergabe von Landfchaften Corot's,
deffen graue, (laubige Malweife wie für die Lithographie prädeftinirt erfcheint.
Kühne Neuerungen auf diefem Gebiete zeigen dagegen zwei von Alexandre Col-
lette ausgeflellte grofse Blätter, die Himmelfahrt Chrifti nach Pietro Perugino
und die heilige Familie des Königs Franz I. nach Raphael. Jene, theils mit der
Feder, theils mit dem Stift ausgeführt, ift ein Verfuch, den Contouren Fertigkeit
zu verleihen, ohne die Zartheit der Schattirung aufzuheben; diefe ift eine genaue
Nachzeichnung des berühmten Edelinck'fchen Stiches mittelft der Feder. Letztere
Lciftung ift von erftaunlicher Kraft und verfagt nur etwa beim Uebergang in die
höchften Lichter die Wirkung.
Eine Kunfttechnik, welcher die illuftrationsluftige Gegenwart und mehr noch
vielleicht die Zukunft eine grofse Rolle anweift, der Holzfchnitt, findet in
Frankreich gleichfalls erfolgreiche Pflege. Und zwar ift es nicht fowohl die über-
triebene, nach rohen Effecten hafchende Richtung, welche der Gaukler Guftav
Dore feinen Holzfehneidern aufgezwungen hat, es ift vielmehr eine ftreng zeich-
nende, mafsvoll abtonende Art und W^eife, welche uns auf der franzüfifchen Aus-
ftellung vorgeführt wurde. Dabei mufs es als eine ehrenwerthe, allerw|>rts nach-
zuahmende lunrichtung hervorgehoben werden, dafs die Hulzfchneider felbft als
ausftcllende Künftlcr auftraten. Der Spielraum, welcher dadurch dem perfönlichen
Ehrgeiz geboten wird, ift das befte Mittel, eine fo leicht zu induftriellem Betriebe
herabfinkende Kunfttechnik vor Verflachung und Verfall zu fchützen.
Schliefslich find wir aber auch dem franzöfifchcn Grabftichelblatte auf
der Weltausftellung noch eine nähere Iktrachtung fchuldig. Wie bereits oben
erwähnt, hat diefelbe allerdings wenig Tröftliches. Wo ift fie hin, die vergangene
Pracht, an welche die Namen Maffard, Maffon und Morin im Kataloge ohne ihr
Verfchulden erinnern? Faft fcheint es, als wäre die berühmte Stecherfchule,
I. FRANKREICH. 423
welche Colbert in den Gobelins einfl begründet, bis auf ihre letzten Ausläufer
ausgeftorben ; denn die altern anerkannten Meifler Cmd auf ihren Lorbeern fitzen
geblieben und haben blos ihre Jüngern, nicht immer viel verfprechenden Schüler
auf den Kampfplatz gefchickt. Pierre Met/machcr und G. N. Bertinot er-
fcheinen beinahe als die einzigen refpectabeln Vertreter des gröfsern monumen-
talen Kupferfliches, und der Letztgenannte ift vielleicht der Einzige, welcher feine
Ausführung mit tiefer, kraftiger Stichelführung zu vereinigen weifs, z. B. in feiner
Madonna mit Stiftern nach Van Dyck. Auch in dem genrehaften «Schutzengel»
nach Bougereau ift der Lichteffect nicht ohne Witz im Stiche wiedergegeben.
Was fonfl von Grabflichelblättern ausgeftellt war, gruppirt fich um die Societe
frangaise de gravure, welche zugleich auch felbfl als Ausftellerin auftrat, fo dafs
dadurch einige Blätter doppelt in der Ausftellung vorkamen, einmal nämlich
unter dem Meifternamen, das anderemal unter dem der Gefellfchaft. Diefe ward
im Jahre i8ö8 gegründet und beruht auf Jahresbeiträgen ihrer Mitglieder, denen
dafür die beffern Abdrucksarten der Platten refervirt find. Die Gefellfchaft ver-
folgt den Zweck, den ernften Kupferftich zu fördern, und erfreut fich des Präfidi-
ums von Henriquel-Dupont. Die Hoffnungen aber, welche man unter diefen
Umfländen auf die Pflege der alten Linienmanier durch die Gefellfchaft zu fetzen
berechtigt war, werden durch die bisher gelieferten Blätter nur in fehr mäfsiger
Weife erfüllt. Meift find es anfpruchslofe Arbeiten von Anfängern oder Kräften
zweiten Ranges; und auch jene Platten, welche hervorragenden Meiftern ihre
Bearbeitung verdanken, flehen nicht auf der Höhe deffen, was von guten Namen
zu erwarten wäre. So erklärlich und zweckmäfsig die Heranziehung jüngerer
Künftler zu den Aufträgen der Gefellfchaft fein mag, fo bedenklich '\(l das Ab-
fallen guter Meifler in's Mittelmafs, fobald fie für die Gefellfchaft thätig find.
Lobenswerth ifl: jedenfalls die Befchränkung ihrer Publicationen auf anerkannte
Werke alter Meifler. Mit der blofsen Publication des Gegenflandes erwirbt sich
aber eine folche Institution nur erfl den kleinern Theil ihrer Verdienfle. Die Art
der Reproduction fällt hier vor Allem in's Gewicht. An deren technifche und
künfllerifche Vollendung muffen die höchflen möglichen Anfprüche geftellt werden.
Am wenigflen dürfen fich tüchtige Meifler denfelben entziehen und die Gefell-
fchaft mit kleinern Abfällen ihrer Kunfl abfertigen. Wenn das möglich ifl:, fo
läfst es auf eine mangelhafte Organifation der Gefellfchaft fchliefsen, fei es, dafs
diefelbe gröfsere Arbeiten erfler Künfller nicht zu beflellen vermag, fei es, dafs
deren perfönliche Stellung zur Gefellfchaft jede fruchtbare Kritik ausfchliefst. Es
wäre fehr zu beklagen, wenn es auf diefem Wege der Societe frangaise de gra-
vure nicht gelänge, diejenige dominirende Stellung in dem regen Kunflleben
jenfeits der Vogefen einzunehmen, deren fie zur endlichen Erreichung ihres
fchönen Zieles bedarf
421
DIE VliRVIIiLFÄLTlGENDEN KÜNSTE.
Brunnenfigur von A. Schmidgrubcr.
426
DIE VERVIELFÄLTIGENDEN KÜNSTE.
Maiirchctlenknopf,
Gold niitblmall, von
E.Philippe in l'aris.
II. Deutsches Reich.
Im Gegenfatz zu den l'Vanzofen, welche fich insbefondere
durch die Ausdellungen ihrer Radirer hervorthaten, lag das
Schwergewicht in der deutfchen Abtheilung auf einigen grofsen
GrabflichelbUittcrn. Und zwar waren es einige Stiche nach Rafael,
welche mit den höchsten Anfprüchen auf monumentale Geltung
auftraten und daher vor Allem unfere Heachtung auf fich ziehen.
Man fpricht in Deutfchland viel und gern von der «grofsen
hiflorifchen Kunft». Man fleht zu ihr gewiffermafsen in einem
platonifchen Verhältniffe; man kann fie zwar nicht faffen und erreichen, man würde
fich aber fchämen, einzugeftehen, dafs man fein Ziel minder hoch gefleckt habe,
als es die nun einmal theoretifch und äfthetifch feftgeflellte Aufgabe der «grofsen
Kunft» verlangt. Leider läfst fich nur die grofse Kunft nicht auf demfelben Wege
machen, auf welchem die ganz inhaltslofe und theoretifche Schwärmerei des Publi-
cums gemacht wird. Der Künftler, welcher fich dadurch täufchen läfst und nur das
Unmögliche für ftrebenswerth hält, ifl mehr zu beklagen als anzuklagen. Indefs
er vornehmlich für feine Unflerblichkeit zu arbeiten vermcmt, huldigt er leicht
einem vorübergehenden Zeitgefchmacke, der auf keine tieferen Bedürfniffe und
Ueberzeugungen begründet ifl.
Unter folchen Umfiänden ift es ein Glück, wenn die reproducirende Kunft
fich den anerkannten Meifterwerken der Vergangenheit zuwendet. Hier allein
fteht fie auf ganz ficherem Boden. Die Anfprüche, welche die grofsen Meifter des
XV. bis XVII. Jahrhunderts an unfere Bewunderung ftellen, find unverjährbar.
Ihren Werken kann der Kupferftecher getroft den Aufwand von Zeit und Mühe
widmen, den heutzutage feine Technik koftet. Freilich find aber auch die An-
forderungen, welche fie an den Stecher ftellen, ungemein viel höher als die eines
modernen Vorbildes; denn einmal ift die claffifche Sprache der alten Meifter uns
urfprünglich fremd und ihr Verftändnifs fchwierig; fodann aber haben fich bereits
zahlreiche hochbegabte Stecher in ihrer Interpretation verfucht, ja bewährt, und
das Ergebnifs des modernen Künftlers fordert fomit zu den gefährlichften Ver-
gleichungen mit den ihrigen heraus. Dies wird um fo mehr der Fall fein, wenn
fich ein Zcitgenoffe an die Wiedergabe von Gemälden wagt, von denen bereits
grofse, bisher für muftergiltig angefehene Kupferftiche exiftiren.
Zwei folche Beifpiele lieferte uns nun gerade die deutfche Abtheilung auf der
Weltausftellung. Es find natürlich Stiche nach Rafael; denn es ift feit lange
fchon eine kupferftecherifche Zunftregel, nur Rafael und immer wieder Rafael zu
ftechen, und es fpricht gewifs für die Dauerhaftigkeit feines Credits, dafs es bisher
nicht gelang, ihn todtzuftechen. Im Gegcntheilc erregte Eduard Mandcl's Stich
nach der Madonna della Seggiola Auffehen, nachdem das Bild bereits einige
vierzigmal geftochen war. Und fo wenig Rafael's Werke in dem ungemeffenen
Vorrathe gleichzeitiger Meifterwerke vereinfamt daftehen, fo hat doch der mo-
derne Grabftichel ihm mehr gehuldigt als allen andern clafllfchen Künftlern zu-
II. DEUTSCHES REICH.
427
famincngenommcn. Zu den berühmtcften Stichen aber nach Rafael gehören
unftreitig und mit Recht Friedrich Müll er 's Wiedergabe der Madonna Sixtina
in Dresden und Longhi's Arbeit nach dem Spofalizio in der Brcra zu Mailand.
Es zeugt nun gewifs von nicht geringem Selbftvertrauen, dafs der deutfche
Kupferflich der Gegenwart gerade mit diefen beiden Meifterwerken in die Schran-
Kryftall-Spiegel, in Relief gefchliffen, von Krilz Ileckert in Petursdorf bei Warmbrunn in Schlefien.
ken tritt und fozufagen Concurrenzblätter für diefelben liefert. Wenn wir den
Recenfenten von Beruf und den allgemeinen Zeitungsftimmen glauben wollten,
fo wäre diefer kühne Wurf gelungen. Insbefondere ifl; die Sixtinifche Madonna
von Jofef Keller bei ihrem Erfcheinen Gegenfland ungemeiner Lobeserhebung
gewefen ; fogar auf Koflen der hcllleuchtenden Verdienfte Friedrich Müller's. Bei
der Seltenheit fo grofser Unternehmungen auf dem P'elde des Kupferfliches hat
es zwar fein Mifsliches, das ohnedies nicht allzu rege Intereffe des Publicums
54*
428
DIE VERVIELFÄLTIGENDEN KÜNSTE.
durch eine kühle Beurthcilung abzufchrcckcn ; auch war es erfreulich, dafs Keller
feine frühere blaffe Stichweife zu Gunflen einer tieferen Durcharbeitung der Platte
verlaffen hatte. Nun aber, wo der Meifter verdorben ifl:, dürfte es doch gerathen
Schreibzeug in Meffinggufs, von 1
fein, der Wahrheit die Ehre zu geben und die ihm dafür gezollten Lobfprüche
auf ihr, dem Sachverhalte cntfprechendcs Mafs zurückzuführen. Sein Werk ge-
hört jetzt der Gcfchichte an, fowie das Friedrich Müller's, deflen ehrwürdiges
Andenken nun fein Recht fordert. Wüfsten wir nicht längft, was wir an Mül-
ler's Madonna befitzcn : gerade der Vergleich mit der Kcllcr'fchen, die Beobach-
tung, wie weit dicfe hinter ihrer Aufgabe zurückbleibt, müfste uns darüber be-
lehren. Möglich, dafs vor dem Originale auch bei Müller nicht Alles haarfcharf
klappt; wie treu und wahr ftimmt aber der Total-Eindruck mit der Offenbarung
Rafael's zufammcn! Wie leuchten da die Geftalten im himmlifchcn Aelher, wie •
flattern die Gewänder der Madonna, wie bcflimmt fitzen alle Linien, wie glühen
die römifchen Kinderaugen? Das Alles ift bei Keller in's Schwarze und Unbe-
(limmte verflüchtigt. Die Draperien laften, wie durchnäfst an den Figuren, die
Augen find vcrwafchen und fehcn gcifterhaft glafig. Die Engelsgloric ifl flumpf
geworden. Ueber dem Ganzen liegt ein dumpfer Mehlthau, der die Zeichnung
verwifcht und über die fonnige Helle des Urbildes vollftändig täufcht. Das
Schlimmfle aber liegt in den inncrn Contouren des Flcifches. Das Körperchen
II. DEUTSCHES REICH.
429
UfMUJMJfHOFUll/ILIL.
Schild von Elkington in Birmingham.
des Chriflkindes ifl; ganz unverfländlich ; die reizenden anatomifchen Freiheiten
eines Rafael find zu knolligen Unwahrhdten umgeflochen worden; und die bei-
den Lieblinge des modernen Gefchmackes, die beiden Engelskinder an der un-
tern Brüftung, fchauen traurig in die Welt. Auffallend ifl: es, dafs hervorragende
Vorzüge Kcller's aus feinen frühern Arbeiten nicht auf fein letztes Werk über-
gegangen find. Angefichts der höhern Aufgabe, die er fich hier gcflellt hat,
follte man eine Steigerung feiner früheren bewährten Mittel vorausfetzen. Statt
deffen hat er die bcftimmtc klare Stichclführung, die feine Disputa und mehr
noch das Fresco von San Severo auszeichnen, im Stich der Sixtina aufgegeben
zu Gunften einer fpitzen, ftruppigen Stichweife, welche, ftatt coloriftifch zu wir-
ken, Lichtglanz und Sättigung der Schatten glcichcrweife unmöglich macht. Ich
kann mir diefc Verirrung eines bedeutenden Künftlers nur aus allgemeinen,
endemifchen Einflüffen erklären. Es ifl der coloriftifche Zug unfcrer Zeit, der
uns hier einen Poffen gefpielt hat.
Unwillkürlich wird man an die Manier erinnert, in welcher Henriquel-Dupont
vor einigen Jahren Correggio's Vermählung der heiligen Katharina auf's neue un-
430 DIE VERVIELFÄLTIGENDEN KÜNSTE.
ftcrblich gemacht hat. Aber Rafacl und Correggio, welcher Abflantl! Alles was
hier Tugend ifl, wird dort Sünde. Das Schwellen des Flcifches, das Vibriren
des Contours, der zitternde Farbennebel, der über der ganzen liildfläche lagert,
alles das hat mit Rafacl's Art nichts gemein. F""ür Correggio hat es Henriquel
unvergleichlich wiedergegeben. Sein Triumph — ■ ich kann mich des Gedankens
nicht erwehren — hat Keller nicht fchlafen laflcn, der doch aus P>fahrung wilTen
mufste, dafs Rafael nur in ganz beftimmten, klaren Umriffen, nur niittelft ein-
facher, gediegener Stichelzüge foRzuhalten ift. Aus der aligemeinen Begründung
von Kellcr's Irrthum fchcint mir aber auch eine allgemeine Folgerung hervorzu-
gehen, die nämlich, dafs auch uns das Verfländnifs einer rein ftiliflifchen Vollen-
dung der Zeichnung immer mehr abhanden kommt.
Beffer ficht es um das focben vollendete Spofalizio von R. Stang. Zu-
nächft ifl Longhi keine fo gefährliche F'olie wie Müller; doch ifl auch jener bei-
weitem nicht verdunkelt worden. Auch hier läfst die Beflimmtheit der Zeich-
nung Manches zu wünfchen übrig, z. B. das ausgefchliffene, unfichcrc Profil jener
Frau zur Linken, die fich auch im Original durch die abfcheuliche Drapirung
ihres Gewandes auszeichnet. Wenn fchon nicht beim fpätcren, fo können wir
noch weniger beim jugendlichen Rafacl ftiliftifche Genauigkeit entbehren. Dafür
würden wir den Farben-Contrafl gerne in den Kauf geben , durch welchen die
vordere Hauptgruppe von dem duftigen Hintergründe nicht abflicht — nein, ab-
fällt — ein F'ehler freilich, der bereits dem Originale anhaftet, vermuthlich feit
dfcr Zeit, da es von der dunklen Uebermalung des Grundes befreit wurde. Dem
nun wieder lichten Hintergründe aber und auch den kleinen Figuren in der Ferne
hätte es hier an der entfprechendcn Durchzeichnung nicht fehlen follen. Dicfen
Schwächen, welche indefs ebenfowohl als Conceffionen an den Zeitgefchmack
aufgefafst werden können, flehen auch grofse Vorzüge entgegen, als: folide Aus-
führung, liebevolles Eingehen in die Zartheiten des Vorbildes, willige Hingebung
an den Meifler. Immerhin bleibt Stang's Arbeit eine der bedeutendften Leiflun-
gen des modernen Kupferfliches.
Ganz anders freilich verficht fich Pxiuard Mandel auf die Wiedergabe Ra-
fael's. Der Altmeifler hat ja noch andere Zeiten gefehen, in denen grofse For-
menanfchauung und correcte Linienführung im Sinne der Alten in Ehren flan-
den. Es waren drei Blätter von ihm ausgeflellt. Zwei davon find in aller Welt
bekannt und beliebt, fo dafs es überflüffig wäre, ein Wort zu ihrem Preife aus-
zufprechen; es find die Madonna della Sedia nach Rafael und die Bella di Ti-
ziano, beide in Florenz. Diefe Blätter find aber weit übertroffen durch feine
neucfle Arbeit, durch die, zum erflenmale geftochene, kleine Madonna Panshanger
von Rafael, fo genannt von dem Wohnfitze des Lord W. Cowper bei Hertford, wo
fich das Bild befindet. Wenn man bei aller Meiflerfchaft der Technik von der
Sedia fagt, dafs die Schatten für das farblofe Bild zu tief gehalten feien, dafs
das unnachahmliche Profil der Nafe jeder Reproduction fpottet, und von der
Bella Tizian's, dafs die etwas harte Zeichnung des Kopfes nicht auf der Höhe
des ftupend getroffenen Beiwerkes fteht, fo fchweigt gegenüber der jüngflen Pu-
blication des greifen Meifters alle und jede Kritik. Wie fein und finnig find die
Strichlagen gewählt, wie delicat find fie angeführt! Die Zierlichkeit des Con-
II. DEUTSCHES REICH.
431
tours, das milde Leuchten des Fleifches, der helle Gefamnitton, ja auch das
Email der frühen Malweife — Alles echt rafaelifch! Wahrlich, der Kupferflich
mufs eine fchwere Kunfl fein, wenn grofse Meifter doch erft in ihren fpäten Jahren
ihr Beftes zu leiften vermögen! Von rechtswegen follte daher jeder Kupfer-
ftecher hundert Jahre alt werden.
Die Münchener Kupferflecher J. Bankel, Paul Barfufs und Johann Lind-
ner erfchienen mit guten Bildniffen; von Letzterem ifl namentlich das l'orträt des
deutfchen Kaifers, zwei Drittel der Lebensgröfse, keine gewöhnliche Leiftung und
wohl das Befle diefer Art. Sehr gelungen, von klarer, beflimmter Haltung ifl
Glasteller, ilunkelhlau und weifs emaillirt, mit Goklrmid, von J. & L. Lobmeyr in Wien.
Johann Burg er 's Kupferflich : „Bauer und Makler" nach Vautier; duftig auch
feine „Ruhe auf der Flucht nach Egypten" nach Van Dyck. Johann Kracker
hat fein Talent vergeblich an das letzte Gaflmahl der Generale Wallenflein's nach
Julius Scholtz gewandt; ein folcher Hexentanz von Glanzlichtern eignet fich über-
haupt nicht für den Grabftichel. Gut in einem grauen Tone gehalten ifl Chrifloph
Preifel's: „Verfäumte Effenszeit" nach K. von Enhuber. Seltene Vorzüge
kennzeichnen die Arbeiten von Profeffor J. L. Raab in München: „Die Ver-
laffene auf dem Tanzboden" nach Kindler hat einen gefälligen, lichten Gefamnit-
ton; das Porträt W. Kaulbach's ifl, obwohl breit und unverfchmolzen behandelt,
fehr ausdrucksvoll; dagegen fcheint die Radirung der Pietä nach Feuerbach zu
tief geätzt und ifl dadurch unklar.
432
DIE VERVIELFÄLTIGENDEN KÜNSTE.
W
ien etwas
Die grofse Landfchaft von J. Rich-
ter nacli C. Ebert ifl eine verdienüliclie
Arbeit, wirkt aber etwas unruhig. Diefen
fammtlich Münchener Künftlern reiht
(ich noch Friedrich Vogel an; in fei-
nem «Seni vor der Leiche Wallenftein's»
ift der Knalleffect auf gefchickte, mafs-
volle Weife wiedergegeben; dagegen
hat feine Zeichnung nach dem Bildniffe
der de Taffis von Van Dyck in der
Liechtenftein- Galerie zu
modern, albumblättlich
Anempfundenes , das
fich hoffentlich im Stich
wieder verlieren wird.
Auch A. Schult-
heifs: «Luther als
Chorknabe mit Andern
fmgend», nach Linden-
fchmit, ifl von guter
Wirkung und wäre es
noch mehr, wenn fich
die Lichtmaffe des
Stichfeldes beffer vom •
weifsen Rande ifolirte.
Die «Anbetung der
heiligen drei Könige»
nach Faolo Veronefe
von H. Steiffenfand
in Düffeldorf ifl eine
tüchtige Arbeit. Ein
ungemein liebenswür-
diger Meifler aber ifl
Profeffor E. W i 1 1 m a n n
in Karlsruhe. Niemand
verfleht es fo wie er,
landfchaftliche Reize
im Kupferftich wieder-
zugeben. Sein «Frühling» nach Knaus
ifl ein luftiges Stückchen. Seine Land-
fchaftcn nach Jules Coignet find kleine
Meifterwerke in technifcher Beziehung
und in dem Reichthume ihrer Tonfcala.
Die Jahreszeiten nach Marak waren die
einzigen bedeutenden Leiftungen der
KieclifläfchcliLii jiul GuMLilluiiy uiul lidel-
fteinen, von E. Philippe in l'aris.
Radirnadel in diefer Abtheilung. Auch
von Lithographie und Holzfchnitt ift
uns nichts Bemerkenswerthes aufge-
fallen, aufser etwa die Vignetten von
Albert Vogel in Berlin, meift Kriegs-
fcenen, welche zeichnend und für Text-
einlagen in Bücher recht ftilgemäfs be-
handelt find.
Das Fehlen aller fogenannten feinen
Kunftblätter in der deutlichen Abthei-
lung gäbe zu lehrreichen Betrachtungen
Anlafs. Die Species
der Liebhaber, welche
fich einft an diefem
kleinen Kaliber ver-
gnügte, ift ausgeftor-
ben. Was heute den
Ausfchlag giebt, ift das
Nietenblatt der diver-
fen Kunftvereine , das
nur an der Wand hängt,
um einemöglichft amu-
fante und gcmüthliche
Familiengefchichte zu
erzählen. An diefem
Genre mufs nun der
deutfche Kupferftich
fein Dafein friften und
wir dürfen ihn daher
nicht für alles das ver-
antwortlich machen,
was als regelmafsige
Ration den Mitgliedern
der verfchiedenen
Kunft -Vereine vor die
Krippe gefteckt wird.
III. Oesterreich und die übrigen Staaten.
Wie auf fo manchem andern Ge-
biete, gab uns die Weltausftellung auch
in der öfterreichifchen Abtheilung der
graphifchen Künfte Gelegenheit, zu
beobachten, was Nachfrage und guter
III. OESTERREICH UND DIE ÜBRIGEN STAATEN.
433
Wille felbft da zu fchaffen vermögen,
wo es urfprünglich an ausreichenden
Kräften und am Angebote mangelte.
Ifl; nur einmal ein erflrebenswerthes
Ziel gefetzt, der
Bewegung Spiel-
raum geboten, dann
finden fich wohl
bald auch Talente
ein, welche davon
Gebrauch machen.
Wie traurig ftand es
noch vor einemjahr-
zehnt in Wien um
die vervielfältigende
Kunfl! Unter der
Aegide privilegirter
Kunflvereine hatte
man es glücklich fo
weit gebracht, dafs
die Kupferpreffen
und lithographi-
fchen Anftalten fafl
nur mehr höhere
Maculatur lieferten.
Dafs die Kupfer-
ftich-Profa eines
Heinrich Rahl kei-
nen Nachwuchs
fand, brauchen wir
wohl nicht zu bekla-
gen, und in welchen
traurigen Ausläu-
fern die Stöber'fche
Schule fich verlief,
konnte man an
einem Portrait des
Kaifers beobachten,
MiUelflück für ein Aquarium, nach Entwurf von
O. König in Silber ausgeführt von J. GrüUemeyer
in Wien.
der reproducirenden Kunfl gegenwärtig
entfaltet. Nur die franzöfifche und die
deutfche Abtheilung laffen fich in die-
fer Beziehung mit der öflerreichifchen in
Vergleich flehen.
Allerdings find
es vorerft: nur einige
wenige Künfller, de-
ren Leiflungen uns
ein fo reiches Bild
vor Augen führen,
und .diefe find, wie
es nach der frühe-
ren Stagnation
nicht anders fein
konnte, meifl; aus
der Fremde zuge-
wandert. Nur auf
diefemWege konnte'
das Verfäumte fo
rafch nachgeholt
werden. An der
Spitze der neuen
Wiener Kupfer-
(lecherfchule fleht
Profeffor Louis
J a c o b y aus Havel-
berg in Preufsen,
ein Schüler Eduard
Mandel's und fowie
diefer ein eifriger
Ikkenner jener
flrengen, flilgerech-
ten Grabflicheltech-
nik, welche fich zu
Ende des vorigen
Jahrhunderts aus
der claffifchen fran-
das unter der Nummer 806 ausgeflellt
war und fich nur etwa durch den bei-
gefetzten runden Preis von fünfzig
Gulden auszeichnete.. Dafür lieferte
die Ausflellung ein erfreuliches Bild
von der regen Thätigkeit, welche ins-
befondere Wien auf allen Gebieten
Schule herausge-
zöfifchen Porträtiflen
bildet hat. Die Verdienste Jacoby's
beruhen vorzüglich im Porträtflich.
Die charakteriflifchen, fein durchgeführ-
ten Köpfe von Theodor Mommfen,
Henzen und Profeffor Brücke verdienen
umfomehr Anerkennung, als fie aus
65
434
DIE VERVIELFÄLTIGENDEN KÜNSTE.
originalen Aufnahmen des Meiflers felbft hervorgegangen find. Das kleine Bildnifs
Grillparzer's, welches die Gefammtausgabe von deffen Werken ziert, ifl die zarte,
mafshaltende Wiedergabe einer frühen Daffinger'fchen Miniature. Einen glücklichen,
fehr lobenswerthen Schritt nach rückwärts machte aber Jacoby mit dem Bruftbilde
Rokitansky's. Er geht darin von der des Kupferftiches unwürdigen Gepflogenheit
ab, den Kopf des l'ortraites haltlos in der Luft oder vielmehr auf der weifsen Papier-
fläche hängen zu laffen. Mit Verleugnung feiner Reichthümer hatte der moderne
Kupferflich diefe bequeme Ausflucht von der Armuth der Lithographie entlehnt.
Jacoby giebt nun dem geftochenen Bildniffe wieder feinen farbigen Hintergrund
zurück, deffen es bedarf, wenn es als fertiges modernes Kunftwerk und nicht als
Skizze und Bruchflück wirken foll. Eine folche fkizzenhafte Darftellungsweife
fei der Radiriing, dem Holzfchnitt und andern leichtern Arten der Technik un-
verwehrt, dem fchweren Kaliber des Grabflichels aber ziemen derartige Ab-
kürzungen nicht. Vielmehr erweift; es fich dem Kupferftiche vortheilhaft, wenn
auch der Grund noch durch irgend eine architektonifche Umrahmung einge-
fchloffen und zufammengehalten wird, wie dies Jacoby hier nach dem Beifpiele
der älteren claffifchen Meifter wieder verfucht hat. Eine andere, noch ungleich er-
freulichere Neuerung — ■ wenn wir die Rückkehr zu einer älteren, befferen
Uebung fo nennen dürfen — conftatiren Jacoby's Bildniffe von Kaifer und
Kaiferin, in ganzer Figur geftochen nach Winterhalter. Das Verdienft des
Stechers fteht hier um fo höher, je weniger ihm der Maler vorgearbeitet hat.
Immer wieder mufs aber hervorgehoben werden, wie hoch die Gunft der Ver-
hältniffe anzufchlagen ifl:, welche dem Künftler einen fo weitgehenden Auftrag
zu Theil werden liefs. Vielleicht dafs das feltene Beifpiel doch Nachfolge findet
und den Mächtigen diefer Erde die Wahrheit zu Gemüthe führt: dafs fich Stand-
bilder oder Denkmäler aere perennius am beften mittelft der Kupferplatte her-
ftellen laffen!
P2inen fehr begabten Schüler Jacoby's lernen wir in Johann Klaus aus Wien
kennen. Der noch unvollendete Abdruck eines grofsen Stiches nach der «Schlacht
von Kolin» von Sigmund L'Allemand, welchen der junge Künftler mit kaiferlicher
Unterftützung ausführt, verfpricht durch feine correcte Zeichnung und feinfühlige
Abtönung einen fchönen Erfolg. Die gleichen Vorzüge vermögen wir leider an
den Radirungen desfelben Künftlers, insbefondere an denen nach Canon, Schmit-
fon und Adolf Menzel nicht wahrzunehmen. Zum Gefolge Jacoby's gehört auch
der gewiffenhafte, liebenswürdige Nürnberger Johannes Sonnenlciter, deffen
«Junge Kätzchen» nach Knaus, «Speckbacher und fein Sohn» nach Defregger
und «Die ereilten Flüchtlinge» nach Kurzbauer überall gerne gefehene Gäfte fein
werden. In C. E. Forberg aus Düfl'eldorf ift der Wiener Stecher-Colonie ein
weiteres Talent zugewachfen. Dies verbürgt der gelungene Stich nach Vautier,
mit dem er auf der Ausftellung dcbutirte.
Eine feltene Begabung für die ftilgerechte und doch zugleich auch malerifche
Wiedergabe von Architekturwerken befitzt Heinrich Bülttmeyer aus Hameln
bei I lannover. Die grofse, prächtige Anficht des St. Stephans-Domes, die er im
kaiferlichen Auftrage vollendet hat, ift, wie keine andere, des Wiener Riefenwahr-
zeichens würdig. Und damit auch die Landfchaft und das Thierftück feine Ver-
III. OESTERREICH UND DIE ÜBRIGEN STAATEN.
435
tretung finden, defs waltet der emfige Grabftichel von Karl B. Port in feinen
grofsen Blättern nach Friedrich Voltz, Paufinger und Andreas Achenbach.
Die Radirung wird nur durch Einen namhaften Meifter vertreten; diefer
Eine aber wiegt für Viele, fowohl durch die Qualität feiner Lciftungen, wie durch
die I'roductivität, deren er fähig ift. William Unger aus Göttingen bildet eine
ganze Schule für fich. Er hat bei Niemandem gelernt , als etwa bei den alten
Meiflern, die er nachbildete, und fchwerlich wird auch Jemand bei ihm lernen,
wenigflens nicht Dasjenige, was ihn vor Allen auszeichnet; denn das ift einer
Uebertragung nicht fähig, es ift der Ausflufs einer ganz fpeciellen perfönlichen
Begabung. Wie kein Anderer, verfteht es Unger, jenes unfagbare Etwas, wel-
ches wir Farbe nennen, aus dem Faffe : Gemälde, in die Bouteille : Radirung, ab-
zuzapfen, ohne dafs der Geift, die Blume des edlen Inhaltes verloren geht. Das
fchwankende Spiel der Lichter, er weifs es mit der Spitze feiner Nadel feftzu-
halten ; in dem Streite von Hell und Dunkel zieht er mit Sicherheit die Diagonale
ihrer beiderfeitigen Wirkung ; nie ift er verlegen um die Stelle, welche mit Nach-
druck dem Aetzwaffer auszuliefern ift. Bedenkt man, dafs Unger unmittelbar
vor den Gemälden zu arbeiten pflegt und das Original gleich im Gegenfinne auf
die Platte reducirt, fo kann dies unfere Bewunderung für die Trcffficherheit des
Meifters nur fteigern. Es gehört ein ganz ungewöhnliches Gefchick dazu, eine
Reihe farbiger Effecte in fo compendiöfer Kürze wiederzugeben, ohne dabei fei-
nem Vorbilde untreu zu werden. Doch liegt es in der Natur diefer genialen
Begabung, dafs fie mit ganzem Erfolge nur auf jene Werke anwendbar ift, die
überhaupt einen folchcn Auszug unbcfchadet ihrer Wirkung vertragen, ja theil-
weifc durch dicfe Vereinfachung dem weniger geübten Auge fogar verftändlicher
und fomit wohlgefälliger werden. Das kunftgefchichtliche Gebiet, in welchem
das Scepter — foU heifscn die Radirnadel William Unger's unumfchränkt waltet,
ergibt fich daraus von felbft. Vom Clairobscur Correggio's zieht es fich fort zu
den Schlagfchatten der „tenebrofen" Italiener, von diefen erftreckt es fich hin-
über zu den Spaniern, um fich dann unter den farbengewaltigen Holländern des
ficbzehnten Jahrhunderts in's Endlofe auszubreiten. Was Unger auf diefem ihm
unterworfenen Gebiete der Coloriften zu Iciften vermag, hat er uns durch zahl-
reiche Proben bewiefen. Gerade für die Spitzen der malerifchen Entwicklung,
die zuweilen eine ziemlich fchwer verftändliche Sprache fprechen , gerade für
Frans Hals, für Rembrandt und die Seinen ift Unger der befte Dolmetfch. We-
niger fchon eignen fich die Gemälde eines Rubens für die gleichen Reproductions-
mittel. Bei aller Farbenpracht und üppigen Lebendigkeit feiner Darfteilung hält
Rubens überall an einer beftimmten zeichnenden Umfchreibung der Einzelheiten
feft. Mächtig dehnen und blähen fich feine Formen, aber bei aller Spannung
und Fülle durchbrechen fic ihre Umriffe nicht zu Gunften einer allgemeinen Licht-
vertheilung und Farbenftimmung. Eine Reproduction erfordert daher bei gröfsern
Dimenfionen jene klare, confequente Linienführung, wie fie Rubens felbft in der
von ihm geleiteten Stechcrfchule eingeführt hat. Die fchlichte und doch fo
glanzvolle Stichweife der Bolswert, Vorftermann, Pontius, de Jode wird für Ru-
bens immer claffifch bleiben. Am eheften hat noch der Altar des heiligen Ilde-
fons im Belvedere etwas von jener allgemeinen, in Duft zerfliefsenden Farben-
55*
436
DIE VERVIELFÄLTIGENDEN KÜNSTE.
Vifitiire in vergoldeter ßronze, nach Entwurf von A. Haufcr ausgeführt von J. Grüllemeyer in Wien.
Vifitenkartenfchale in vergoldeter Bronze, nach Entwurf von O.König ausgeführt von J. Grüllemeyer in Wien.
Atmofphäre, welche der Radirung wahlvcrwandt ift, und infoferne konnte Unger
doch auch an der grofsen Platte, die er nach diefem Hauptbilde von Rubens aus-
geführt hat, einen fchönen I^rfolg erringen.
Der Wiener Holzfchnitt findet die gcdicgenfle Pflege in dem Atelier Fr.
Wilh. Bader's aus Brackenheim in Württemberg. Seine Anflehten vom Weltaus-
ftcUungsplatze und die Anficht von Wien aus der Vogclperfpective find grofs-
artige technifche Lciflungen. Feinern künfllerifchcn Gcfchmack zeigen aber na-
mentlich feine Nachbildungen von verfchiedenen Gegenftänden der Kunftindu-
ftrie. Der Wiener Xylographen- Verein hat eine Reihe fchr tüchtiger Kräfte
aufzuweifen, deren Vielfeitigkeit der forgfältigen Durchführung im Einzelnen kei-
III. OESTERREICH UND DIE ÜBRIGEN STAATEN.
.437
Emaillirle Untertaffe, von Baranzewilfch in Moskau.
liehen in Email, von E. Philippe in Paris.
nen Eintrag thut; ich nenne nur: O. Mcnde, A. Hörn, L. Geisbe, A. Gün-
ther und Hermann Paar. Von I-etzterem flammt auch der vortreffliche Far-
benholzfchnitt nach dem Bildniffc des Greifes von Jan van Eyck im Belvedere.
Die Chromoxylographie ifl Eigenthum der „Gcfellfchaft für vervielfiiltigende
Kunft," deren PubHcationen hier überhaupt ziemHch viel Raum einnahmen.
Was die übrigen Staaten an Werken der reproducirenden Kunft ausgeftellt
hatten, ward von Frankreich, Deutfchland und Ocfterreich wo nicht an Zahl, fo
noch mehr an Bedeutung dermafsen übertroffen, dafs nicht viel zu bemerken übrig
bleibt. Die Schweiz befitzt in Friedrich Weber zu Bafel eine gediegene Kraft.
438 DIE VERVIELFÄLTIGENDEN KÜNSTE. III. OESTERREICII ETC.
Seine Grabftichclblätter nach Rafacl, Luini und Holbein erfreuen fich gerechter
Anerkennung; insbefondere das Bildnifs Amerbach's nach Letzterem erhebt fich
bis zu einer des Originals würdigen, coloriftifchen Wirkung. Die Bildniffe des
Kronprinzen und der Kronprinzeffin des deutfchen Reiches find zwar leichter,
doch nicht ohne Gefchmack ausgeführt. Belgien flelltc nur wenige, aber ge-
fchickte und feinfühlige Zeichner von franzöfifcher Schule u. A. Guftave Biet
und J. Delboete als Stecher, H. Danfe als Radirer und Fl. Van Loo als
Lithographen. Holland lieferte blofs Stahlftiche von J. H. Rcnnefeld und P.
J. Arendfen in Amfterdam.
Reichlicher hatte Italien ausgeftellt, als machte es den Verfuch, den alten
Ruf feiner Grabfticheltechnik noch zu retten. Von C. Raimondi erfchien ein
fehr grofses Blatt : Correggio's Himmelfahrt Maria im Dom zu Parma, zum Theilc
noch nach der Zeichnung feines berühmten Schwiegervaters Paolo Tofchi, aber
nicht mehr mit der weichen, fchimmernden Farbentiefe dcffelben ausgeführt. An
ähnlichen Härten leidet der grofse Stich Luigi Sivalli's nach dem fogenannten
„Tag" von Correggio. Sorgfältige Stichelblätter brachten noch T. A. Juvara, G.
Micale, M. A. Martini u. a. Einen eigenthümlichen Contraft dazu bilden die
kräftigen Radirungen von Francesco di Bartolo: Thierftücke und Bildniffe, die
wie aus dem Norden importirt erfcheincn; darunter ein Graf Cavour in ganzer
Geftalt mit einem Belcuchtungseffect <^ la Rcmbrandt. Auch ein Zeichen der
zte|lofen Strebungen in der heutigen italienifchen Malerei.
Nur England hatte noch im grofsen Mafsftabc gedruckte Kunflblättcr aus-
geftellt. Schöpfen wir noch einmal Athem zum letzten, fchwercn Gange! Der
Quantität nach fleht die englifche Abtheilung der franzöfifchcn am nächften, der
Qualität nach aber — ift es eine ganz andere Welt, in die wir uns hier verfetzt
finden. Es ift, als wandelten wir durch die kunfthiftorifche Schreckenszeit ver-
gangener Tage. An die Vergangenheit erinnert felbft der leider vcrftorbene R.
A. E. Graves, der einzige geniale Lenker des Stichels, der uns den „Blue Boy"
des Gainsborough vervielfältigt hat. Die modernfte Verbrämung bilden aller-
dings gelungene Nachbildungen von Kunftinduftrie-Gegenftänden durch die Etching
Clafs des Science and Art Departement im South-Kenfington-Mufeum. Effcct-
volle Ausnahmen find auch die Radirungen der drei Slocombe und von J. H.
M. Whiftler: Anfichten und Architekturen, gut gezeichnet, grell beleuchtet und
mit tüchtigem „Bart" gedruckt. Dazwifchen hin und wieder die Holzfchnitte des
,, Graphic," deffen unruhige Fauftpraxis mit den aus dem Grunde herausgeriffe-
nen Lichtern der foliden, wenn auch einförmigeren Illuftration der „Illuftrated
London News" den Rang abgelaufen hat. Faft alles Andere ift gemifchte, fehr
gemifchte Manier, Schabkunft, Aquatinta, Stahlftich und wie die edlen Surrogate
des kunftgerechten Kupferftiches alle heifsen! Brutale Originalität und flache Fa-
brication reichen fich hier in bewunderungswürdiger Weife die Hand. Wahrlich,
wenn dem fo ift, dafs uns dicfe Infulaner nur ein verfloffenes, früher allgemeines
Stadium der Kunftreproduction confcrvirt haben , dann mufs man es ja faft ein
Glück nennen, dafs die Sündfluth der Photographie über fie hereingebrochen ift,
um wenigftens den Markt des Continentes von diefcr Waare zu fäubern!
M. Tliaufing.
DER FARBENDRUCK.
439
Emaillirte Vafe, von Kavent & Sufsmann in Berlin.
Der Farbendruck.
Es ift nun einmal fo in unfern Tagen, dafs das Neue nicht feiten nur defs-
halb, weil es neu ift, das oft kaum in geringerem Grade nützliche Aeltere ver-
drängt. So fehen wir die Schwarzlithographie faft ignorirt, während der bunte
Steindruck in allen feinen Phafen zu immer gröfserer Geltung gelangt. Die Ur-
fache hievon liegt übrigens in diefem Falle wohl hauptfächlich in dem natürli-
chen Reizmittel der Farbe. Die meiften der lithographifchen Anftalten brachten
daher auf der Weltausftellung vorwiegend Farbendrucke zur Anfchauung, der
Schwerpunkt ihrer Unternehmungen hat fich eben fafl ohne Ausnahme ganz aus-
fchliefslich dahin gewendet.
440
DER FARBENDRUCK.
Beginnen wir unfere Revue mit Oefterreich, fo haben wir einer ganz refpec-
tablen Anzahl von Firmen zu gedenken, deren Leiflungcn fich mit ihrer Zeit und
den in anderen Ländern gemachten Fortfehritten zu mcffen im Stande find. Zu
den bedeutendften und alterten Unternehmungen in Wien, welche fich um die
Hebung des Oelfarbendrucks grofse Verdienfte erworben haben, zählt die k. k.
lithographifche Anftalt von Reiffenftein, welche eine wahrhaft impofante und
ebenfo gefchmackvoll arrangirte Ausflellung ihrer Werke veranftaltete. Die Thä-
tigkeit diefer Kunftanftalt umfafst alle Zweige der Lithographie von der kleinen
l'errifches Metallgeräth.
unbedeutenden Vignette angefangen bis zum vollendeten, in prächtigen Goldrah-
men gefafsten Oelfarbendruck. Durchweg begegnen wir in diefen mannigfachen
Leiftungen einem guten, von künfllerifchem Geifte befeeltem Gefchmacke. Auch
können wir nicht umhin, das Voi^ehen diefes Induftricllen anzuerkennen, neben
feiner freilich Allem überfchriebenen Firma auch die bei jedem Werke befchäftigten
künfllerifchen Kräfte an eigens angebrachten Täfelchen bemerkbar zu machen.
Fs machte diefs eine um fo beffere Wirkung, als die auf den Unternehmer gefallene
Auszeichnung demzufolge gleichzeitig auch denjenigen die verdiente Anerkennung
zuertheilte, ohne deren Mühen und kiinfllerifche Fähigkeiten die heften Abfichten
des Unternehmers gefcheitert wären. An den Oelgemälde- Imitationen der Firma
Reiffenftein möchten wir vornehmlich die Freiheit der technifchen Behandlung,
die Frifche und Klarheit der Farben, wie die characteriftifche und künftlerifche
Wiedergabe der Originale rühmen. Die oft ängftliche und daher fchablonenhafte
DER FARBENDRUCK.
441
Erfcheinung des gewöhnlichen Farbendrucks ift fafl ganz vermieden, während die
verftandnifsvolle, keine Mittel fcheuende Behandlung des Drucks bei felbflvcrrtänd-
licher Vermeidung nachträglicher Retouchen die Schönheit der Refultate wefent-
lich zu fördern vermochte. Der bekannte, treffliche Genremaler Franz Schams,
der begabte Landfchaftsmaler Varrone, der virtuofe Aquarellift und Porträtmaler
Pitner, der Lithograph Maraftoni, einer der beften feines Faches, u. A. haben der
genannten Firma durch ihre Arbeiten ganz ausgezeichnete Dienfle geleiflet und
wenn auch die Originale nicht immer von dem wünfchenswerthen Werthe fein
mögen, indem fie vorwiegend der beliebten Gattung angehören, welche auch auf
den Ausftelluneen am eheflen Liebhaber und Käufer findet, fo ift doch keines-
Zuckerdofe in Email-Champleve, von Barb(Jdienne in Paris.
wegs die Würde des Inftituts durch Darftellungen von Frivolitäten u. dgl. ge-
fchädigt worden.
Neben einer Reihe künftlerifch angeordneter und beftens ausgeführter Di-
plome, z. B. von der Hand Profeffor Laufberger's, neben einem maffenhaften
Materiale von Vignetten, Initialen, Adreffen u. f. w. wie auch kleineren und
gröfseren Publicationen, — wir nennen den tropifchen Urwald nach Selleny, litho-
graphirt von dem verdienftvollen Landfchaftsmaler G. Seelos und die Seegrund-
Darftellungen des Baron v. Ranfonnet, — fahen wir ein intereflant ausgeftattetes
Werk des Erzherzogs von Toscana über fpanifche Küftenländer, deffen erfter
Band vollendet ift und an deffen in Aquarcllmanier ausgeführten Blättern fich
vornehmlich die Landfchaftsmaler Selleny, Seelos, Nowopacky, Marak, Aug.
Schaeffer u. a. betheiligt haben. Aber auch den ernfteften künftlerifchen Unter-
nehmungen fich zuzuwenden, zeigt die Anftalt das Beftreben, worüber uns die
SS
442
DER FARBENDRUCK.
gelungene Reproduction der Tizian'fchen Kirfchen - Madonna durch Maraftoni
belehrt.
Eine fehr bedeutende Stellung unter den lithographifchen Kunftanftalten
Wiens behauptet auch die Firma Hölzel. Diefelbe ift mit grofser Opferwillig-
keit beftrebt, die beften künftlerifchen Kräfte an fich zu ziehen. Eine Reihe
guter, oft vortrefflicher Oelgemäldc-Imitationen nach Fr. Defregger, Eberle, Voltz,
A. Schönn, Ilanfch, Steffan, Riefer, Paul Delaroche, Rafael, Dürer, Murillo, van
Dyck u. a. kennzeichnen das Beflreben, Ausgezeichnetes zu leiflen. Das auflie-
gende Verzeichnifs der fämmtlichen Publicationen des Herrn Holzel verfchwieg
uns leider die Namen der mit diefen Reproductionen betraut gewefenen Künft-
1er. Doch wiffen wir beifpielsweife, dafs Defregger's Bild durch Pitner repro-
ducirt wurde, während fich Schams namentlich an der Reproduction der Werke
alter Meifler betheiligt hat. Von Ed. v. Wecber rühren verfchiedene Landfchafts-
bilder her. Namentlich von Fremden dürften die Imitationen nach Fr. Alt's
Aquarellen: »Wien im Ausflellungsjahre 1873« gerne gekauft werden. Die Blätter
find recht fauber ausgeführt, doch etwas einförmig in der coloriftifchen Behand-
lung, woraus allerdings kaum für die daran betheiligten Lithographen ein Vorwurf
erwachfen dürfte. Nicht blofs um künfllerifche Aufgaben macht fich die Anflalt
verdient, fondern auch um das Schulwefen, in welcher Richtung diefelbe viel-
verfprechende Publicationen von Anfchauungsbildern u. dgl. im Werke hat. —
Paterno's hthographifche Anflalt cultivirt mit Glück die beliebten Reproductio-
nen der fo populären Bilder von Gauermann. Ferner ftellte diefelbe Chromo-
lithographien nach den Gemälden: »Madonna della Sedia« von Rafael, «Ecce
homo» von Guido Reni, «Mater dolorosa» v. Carlo Dolce, «Madonna dell' uva»
von Mignard, lithographirt von Schams, Bauer und Marafloni aus, endlich als
neueftes Werk einen in feiner coloriftifchen Wirkung gut bemeifterten Farben-
druck: »Holländifche Marktfcene« (Nachtefi'ect) nach van Schendel, lithographirt
von Ed. von Weeber. — Das erfl vor wenig Jahren errichtete Atelier für
Chromolithographie und Oelgemälde-Imitation von Conrad Grefe, einem bekann-
ten Wiener Künftler, bildet fich ebenfalls energifch heran. Eine Reihe guter
Reproductionen, von welchen wir vornehmlich die nach Löffler-Radymno, Ranftl,
Gefellfchap, Rota u. a. m. nennen wollen, bekundet die lobenswerthe Thätig-
keit, mit welcher der genannte Künfller fein Unternehmen fördert. — Das erfl
vor kurzer Zeit entftandene Specialgefchält für Farbendruck von S. Czeiger
mag allerdings beftrebt fein, feinem Programme nach grofse, ganz vollendete
Nachbildungen von bedeutenden Meifterwerken moderner Künftler herauszuge-
ben. Wenn uns beim Ueberblick der Ausftellung diefer Firma vorwiegend
der gute Wille, weniger die That einleuchtet, indem wir bis jetzt doch nur mehr
oder minder gute Originale, aber ftreng genommen wenig von wahrhaft bedeu-
tenden Meifterwerken der modernen Kunft vervielfältigt fahen, fo dürfen wir,
namentlich in Anbetracht des Umftandes, dafs es oft fchwer ift, ausgezeich-
nete Kunftwerke zur Reproduction für den Farbendruck zu erlangen, das Treff-
liche nicht unterfchätzen, das von der Unternehmung namentlich in Bezug auf
Farbenhelle und tüchtige Ausführung der Bilder geleiftet wurde. — Die literarifch-
artiftifche Anftalt von C. Dittmarfch, deren hauptfächliche Thätigkeit fchon
DER FARBENDRUCK.
443
ihrem Titel nach mehr Hterarifch-illuflrativen PubHcationen
als dem Oelfarbendrucke zugewendet ifl:, betheiligte fich,
neben einer anfchnlichen Ausftelking von nicht in diefen
Specialbericht gehörenden Arbeiten , mit zwei gröfseren
Chromolithographien, darflcllend «Ilirtenfcencn aus der
Campagna» , deren Ausführung, obwohl etwas hart, doch
im Uebrigen als gelungen zu bezeichnen ifl. Die von
derfelbcn F"irma ausgeftclltc «Paffion» für Landkirchen
mag ihrem Zwecke wohl entfprechen, dagegen hätte ein
fehr veraltetes Kaiferbild wegbleiben können. Unter der
Firma Gerold fahen wir die in Farbendruck ausgeführ-
ten, längft bekannten Panoramen vom Semmering und
die VVeflbahnanfichten , während der Schwerpunkt der
bedeutfamen Thätigkeit diefer altberühmten Firma bekannt-
lich nicht in den Rahmen diefes Berichtes fällt. Theilweifc
' recht verdienftvolleLeiflungen des lithographifchen Farben-
drucks lieferten noch Leo Tein, Gerhardt und Seh mat-
ter, während die k. k. Staatsdruckerei, welche früher
grofse Verdienfle um die Hebung des Farbendrucks fich
erworben hatte, diefsmal vorwiegend auf anderen Gebieten
der graphifchen Künfte excellirte.
Im Ganzen genommen ifl zu betonen, dafs feit der
verhältnifsmäfsig kurzen Zeit, in welcher man fich in Wien
überhaupt mit diefer Technik befafst hat, mit viel Erfolg
gearbeitet worden ifl. Den Wiener Unternehmungen wäre
nur noch zu wünfchen, dafs fie in ihrem Einfluffe auf die
allgemeine Bildung des künfllerifchen Gefchmackes fo weit
kommen, ohne Gefährdung ihres gefchäftlichen Betriebes
fich Aufgaben zuwenden zu können, wie fie von der Kunfl
in der edelften Bedeutung des Wortes gefordert werden.
Hiezu gehören wohl vor der Hand noch opferwillige
Männer und was diefe nicht zu erzwingen im Stande find,
wäre fodann die Aufgabe der Vereine. Der erfle Verfuch
der »Gefellfchaft für vervielfältigende Kunfl« mit der
durch Maraftoni erfolgten Reproduction des fo fchönen
Aquarellgemäldes des leider der Kund fo frühzeitig ent-
riffenen Meifters Bitterlich hat diefe Gefellfchaft ermuthisft,
eine Folge von Werken der berühmteflen alten Meifler
durch den Farbendruck zu publiciren. Wir begrüfsen
diefen Gedanken aufs freudigfle, da nur durch folche
voranleuchtende Bilder das noch immer etwas unter-
fchätzte Wefen des Oelfarbendrucks als Reproductions-
Mittel für Gemälde höchften Ranges zur vollen, würdigen
Bedeutung erhoben zu werden vermag. Wir fehen, welch
grofsen Beifall und welche ungewöhnliche Würdigung die
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444
DER FARBENDRUCK.
Arundcl-Socicty erworben hat, und diejenigen Unternehmungen, welche fich in
letzterer Zeit auch in Frankreich und in den Niederlanden mit der Vervielfälti-
Schmiedeeiferne ThürfüUung, eniwmicn von G. Schutt in Hamburg.
gung hervorragender Bilder alter Meifter befafst haben, dürften bei der vor-
trefflichen Qualität ihrer Leiftungen auch die hierzu nöthige gefchäftUche Bafis
gefunden haben.
Die Thätigkeit Dcutfchlands auf diefem Gebiete kann feit Jahren fchon
eine höchfl bedcutfame genannt werden. Während München unter Hanfftängl
u. A. die Wiege der trefflichften Leiftungen der Schwarzlithographie war, feierte
Berlin nach den gewaltigen Erfolgen der Engländer in der Aquarell - Manier
des Farbendrucks Triumphe in der Imitation von Oelgemälden. Die Firma
Storch und Kramer in BerHn lieferte in fortwährend fteigender Production
die erflen vollendeteren Arbeiten auf diefem Felde und ihr Ruf drang bald
in alle Welt. Doch beflanden diefe Leiftungen jenen der jüngften Zeit
gegenüber zumeift nur in einer freilich recht anfthndigen Handelswaare und die
etwas trockene Technik, wenn auch fehr fleifsige Ausführung gaben diefen Re-
productionen etwas Uniformes in der Erfcheinung, wozu auch wohl zumeift die
noch bedingte Wahl der Originale Veranlaffung geben mochte. Bald flrebte
man nach bedeutfamen Fortfehritten in Beziehung auf feften, klaren Farbenfatz
DER FARBENDRUCK.
445
wie auf die rtrcng charactcriflifchc Wiedergabe der individuellen Technik des
reproducirten Meifters und wenn man hiebei felbftverftändlich nach neuen, freie-
Eifernes Balkongeländer aus Wafleralfingen,
nach Entwurf von Profcffor Bäumer in Wien.
ren, rein malerifchen Mitteln der Technik griff, fo mufste wohl nunmehr dem
bislang gehandhabten »Schummern« mit der fpitzen Kreide der Krieg erklärt
werden, um mit Pinfel, Tufche und Meffer weit wirkfamere Effecte erzielen zu
können. Das durch diefe neuen Mittel erforderte Druckverfahren, zu welchem
neben anderem auch das von Manchen verpönte Aufftauben von Farben in Pulver
auf den noch feuchten Abzug gehört, deffen Vorzüge fowohl auf die Erhaltung
der Farben als auf deren Leuchtkraft von nicht zu unterfchätzendem Einfluffe find,
hatte allerdings eine weit heiklere Technik bei der Herftellung der Abdrücke
zur Folge; doch vergalt der Erfolg reichlich den hicmit verbundenen höheren
Zeitaufwand und den dadurch bedingten höheren Lohn des freilich oft mehr
künftlerifch als handwerkmäfsig arbeitenden Druckers. Haben wir fchon in der
öfterreichifchen Abtheilung die fprechenden Zeugniffe all diefer neuen techni-
fchen Vortheile gefehen, fo finden wir diefelben in eben dem Mafse in den Chro-
molithographien des deutfchen Reiches wieder. Leider ifl im Allgemeinen die
Art der Aufflellung der Chromolithographien hier keine fchr günftige gewefen,
fo dafs es in der That oft fchwierig war, den Werth der Leiftungen zu erken-
nen. Ueber alle nur möglichen Hinderniffe mufsten wir uns zuweilen Bahn bre-
446
DER FARBENDRUCK.
chen, um dasjenige mit eindringendem Blicke betrachten zu können, über das
wir berichten füllten. Da man, wie es fchcint, die Oelfarbendruckbilder in
Goldrahmen mehr oder minder als Decoration für die übrigen Ausftellungsob-
jccte betrachtet haben mochte und diefelbcn demnach hoch oder entfernt von
dem, dem Befchauer karg zugemeffenen, Räume placirte, fo war es, wie diefs in
der öfterreichifchen Abtheilung durch deren Aufftellung fo glücklich vermieden
wurde, hier wefentlich erfchwert, fich ein Gefammtbild des Geleifteten vor Augen
zu führen. In von halbem Lichte erhellten Winkeln fahen wir z. B. die ganz
vorzüglich rcproducirtcn Werner'fchen Aquarelle aus Aegypten von Seitz
in Wandsbeck nächft Hamburg und die höchft fchätzenswerthen , mit Recht
grofsen Ruf geniefsenden Chromolithographien der Firma C. H. Gerold in Berlin
ausgeftellt, während freilich die in ihrer Treue der Imitation der individuellen
Characteriftik der Mildebrandt'fchen Aquarelle ganz einzig und unübertroffen
daftchcnden Reproductionen durch die Firma R. Wagner in Berlin etwas günfli-
gere Aufftellung fanden. A. Silber, Grack & Aron, Kaufmann, wie die
Firmen Herrmann & Bagantz, Otto Troitzfch und Steinbock in Berlin
führten gröfstentheils gute, oft bei guter Wahl der Originale ganz ausgezeichnete
Leitungen auf dem Gebiete der Chromolithographie vor. Freilich wird die
Mehrzahl diefer Reproductionen als Marktwaare bezeichnet werden muffen.
Hat man bei der Vervielfältigung durch den Kupferftich faft immer nur ge-
trachtet, das Befte zur Darftellung zu wählen, fo find es eben bei dem Oelfarben-
drucke ganz andere Bedingungen, unter welchen fich derfelbe zum Handelsartikel
geftaltet hat. Das Bild mit dem roheften Farbeneffect bringt zumeift dem Un-
ternehmer mehr Gewinn als das folidefte, nach allen Richtungen hin fublimfte
Kunflwerk. Da nun aber auch die Aufflellung der Chromolithographien in der
Weltausftellung weniger unter dem künftlerifchen als einem merkantilen Gefichts-
punkte gefchah, fo ift es um fo begreiflicher, wenn die billige, alltägliche Markt-
ware den Vorfprung gewann.
So reichhaltig und fchön Berlin vertreten war, eine fo kärgliche Thätigkeit
fahen wir München auf dem Gebiete der Chromolithographie entwickeln und
wenn auch die Firmen Forndran, Schreiner, fowie Aug. Becker recht viel
Anerkennenswerthes anftrebten, fo fcheincn doch die dafelbft herrfchenden Kunft-
verhältniffe nicht die Stätte zu gröfseren , diefsbezüglichen Etabliffements , dem-
nach zu weiterer Entwicklung in der Pflege der graphifchen Künfte überhaupt
bieten zu wollen. Aus Stuttgart fahen wir die Firmen E. Hochdanz und
Gufl:. Weife mit guten Publicationen — namenthch was fchöne Illuftrationen
betrifft — vertreten, ebenfo Leipzig durch die Bach'fche Kunftanftalt und
durch die Collectiv-AusftcUung des Brock haus'fchen Verlages auf dem Ge-
biete des Farbendrucks. Brandes und Wolff aus Hannover flcUten recht
anerkennenswerthe Oeldruckbilder aus; namenthch mufs die ernfte, coloriftifche
Haltung in dem Blatte nach Rembrandt anerkannt werden.
Eine höchfl bedeutende Stellung nimmt Frankreich auch auf diefem
Gebiete der Technik ein, und feine Vertretung auf der Ausftellung ifl eine
glänzende zu nennen. Wenn etwa gefagt werden feilte, dafs es dem Franzofen
gegenüber dem Deutfchen an Erfindung mangle, fo erfetzt derfelbe diefen Man-
DER FARBENDRUCK.
447
Kanzel, entworfen von Fr. .Schmidt, ausgeführt von F. Schönthaler in Wien.
448
DER FARBENDRUCK.
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DER FARBENDRUCK.
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450
DER FARBENDRUCK.
Elföffifcher Bauernhof; Grundrifs.
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DER FARBENDRUCK.
451
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IClföffifches Bauernhaus; Durchfchnitt.
gel reichlich ilurch den feinen Tact, mit welchem er feine technifchen Mittel
haiidhabl, durch die eminente Präcifion und durch den auserlefenen Gefchmack,
mit welchen er in allen feinen Ausführungen in der Kunft /ax Werke geht. Dcm-
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452
DER FARBKiNDRUCK.
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DER FARBENDRUCK.
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DurchfchniU des Szckler Haul'cs
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Grundrifs des Szckler llaiileä.
454
DER FARBENDRUCK.
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nach vermögen wir auch ganz aufserordenthche I.eillungen nicht nur in der
Imitation von Oelgemälden und Miniaturen, fondern auch in jenen Mufterwerken
zu conflatiren, welche in das Gebiet der Artiteklur, der Hautechnik wie des Kunft-
gewerbes einfchlagen. Die Firmen Dupuy und Hangard-Mauge brachten
wohl das Berte zur Schau, was gemacht werden kann. Des Krfteren Genrebilder
und Thicrrtücke find in der Feinfühligkeit der Imitation ganz einzig in ihrer Art,
und eine wahre Blumenlcfc moderner Leirtungen auf dem Gebiete der Chromo-
lithographie erblicken wir in den Publicationen des Letzteren. Die Darftellungen
des Genter Allars der Iküder van Eyck, wie jener köftlichen Initialen u. a.
Dinge verdienen die vollfte Bewunderung. Tertu und Maffin, Aeppel,
Boulant d. Ac. und Morel reihen fich in würdiger Vertretung den Errt-
genannten an. Allenthalben fanden wir die raffinirteften technifchen Mittel
fowohl in tler Ik-liandlung der Zeichnung als in der tles Druckverfahrens mit voU-
ftandigem Erfolge zur Anwendung gebracht. Daffelbe lafst fich auch von den
Unternehmungen fagen, welche mehr der Gefchaftsmäfsigkcit als den ftreng
künlllerifchen Normen Folge leiflen , wovon uns die Ausftellung von Berg in
Marfcille, J. Bognard d. J. nebfl Anderen Zeugnifs gaben. Es kann demnach
mit Recht gefagt werden, dafs der gefällige franzöfifche Gefchmack auch das
allenfalls gebotene rohe Material behcrrfche, womit fich felbRverrtändlich die
mitunter derbe Kort, eben durch die Art wie fic gereicht wird, in eine anmuthende,
leicht verdauliche Speife verwandelt.
Ganz merkwürdig gering vertreten fanden wir den I'arbendruck Englands.
Da, wo namentlich in der Imitation des Acjuarelis fo Glänzendes lange fchon
gcleiflct wurde, wo die Verbreitung und Pflege der Chromolithographie, un-
terrtützt durch die mächtigen Handelsverbindungen der Nation, die grofsartig-
ften Dimenfionen angenommen haben, wo demnach bei der fo aufscrordentlichen
l'roduction ein überreiches Material zur Verfügung gewefen wäre, hat man es
unterlaffen, fich an dem allgemeinen Wettkampfe zu betheiligen. Während dem-
nach Frankreich diefen Zweig der Kuiilt durch eine umfaffende Ausftellung feiner
l'roductionen würdigte, fanden wir in der englifchen Abtheilung nur eine einzige
I'-irma, John B. Day, anfangs auf einem befcheidenen Plätzchen nächft einer
in die Annexe mündenden Thür poftirt, welche vier Oelgemälde- Imitationen,
Niagara- und Strand- Anfichten, das Abendmahl von Lionardo da Vinci und
irgend ein Repräfentationsbild, welches bereits durch Feuchtigkeit bcfchädigt
war, ausftellte. Die Behandlung diefer unter Glas gebrachten Chromolithogra-
phien zeichnete fich, bei einiger an die Xylographie erinnernden Härte des Vor-
trags, durch grofse Präcifion der Zeichnung, durch minutiös beobachtetes Auf-
einanderpaffen der einzelnen Farbenplatten, wie überhaupt durch die gröfste
Sorgfalt der Technik aus. Jedoch von all' den in der ganzen Welt epochema-
chenden Leiftungen, welche wir feit einer Reihe von Jahren theils in den fo emi-
nent durchgeführten Nachbildungen berühmter alter Gemälde, theils in einer Un-
maffe von grofsen, in breiter und ebenfo virtuofer Aquarellmanier gehaltenen
Anfichten aus Italien, der Schweiz, Schottland u. f. w. , ferner in zahlreichen
Thierftücken und Landfchaften nach modernen englifchen Malern, endlich in den
beliebten 1 )arftellungen aus tler Rennbahn oder ilem landwirthfchaftlichen Thier-
JL.
DER FARMEN DRUCK.
45.1
leben faheii und bewunderten, fanden wir in der englifclien Abtheilung nichts,
fo dafs man mit Recht annehmen kann , England habe es verfchmäht , diefen
Zweig feiner glänzenden Production zur Anfchauung zu bringen.
Hüchfl Anerkenneiisuerthes brachte dagegen die betreffende Abtheilung der
Niederlande. Die Firmen W. Bos Sohn in Utrecht, Tresling & Co. in Amfter-
dam, wie die köriigl. Niederländifche Steindruckerei im Haag leiflen Vorzügliches
in Sättigung des Tons, tüchtiger Modellirung und characteriflifcher Zeichnung,
insbefundere aber in .den hübfchen Imitationen nach Gemälden von Potter,
Fr. Hals, Rembrandt, Jan Steen u. A. Einige recht gute moderne Landfchafts-
gemälde,^ darunter fehr lobenswerthe Aquarell -Imitationen liefern eine auflandige
Marktwaare.
Italiens ausgefeilte Üleographien nehmen, obgleich dafelbft der Farben-
druck erft fi);iter in Uebung kam, bereits eine recht ehrenvolle Stellung ein. Das
Atelier Borzi 11 o in Mailand liefert vollkommen gelungene Imitationen fowohl
nach modernen als nach altern Gemälden. Das Genrebild nach Cremona kann
als eine vcirzügliche Leiftung hingeftellt werden. Von höchftem Intereffe jedoch
find die Nachahmungen byzantinifcher Mofaiken, au.sgeftellt von Spithöver.
Ueberhaupt nimmt Italien eine höchfl refpectable Stellung ein in verfchiedenen
l'ublicationen, welche das geüimmte Gebiet der Kunftwiffenfchaft umfaffen.
Noch erübrigt uns, der Thätigkeit auf dem Gebiete der Chromolithographie
in den Vereinigten Staaten zu gedenken, die felbftverfländlich durch die
bedeutfame Nachfrage, welche diefe Art von Reproduction feit allem Anfange
fand , gar bald zu eigenen Refultaten führen mufste , wovon wir auch die
fprechenden Zeugniffe auf der Weltausflellung fahen. Eine der bedeutendflen
Firmen, die von L. Prang & Co. in Horton, fiel uns zuerfl in's Auge.- Sie
brachte eine ziemlich umfaffende CoUectiv-Ausflellung ihrer bisherigen Leitungen
und legte, was namentlich intereffant für den Fachmann fein mufste, die pro-
greffiven Scalen zweier reproducirter, pompejanifche F'amilienfcenen behandelnder
Genrebilder, etwa im Stile Hamon's gemalt, zur Anfchauung auf. Wir fanden
hiebei die namhafte Zahl von 33 Steinen verwendet, was allerdings in grofsem
Widerfpruche zu jener Knappheit fteht, mit welcher man beifpielsweife in den
Wiener Kunflanflalten behufs Vermeidung der zu grofsen Druckkoflen in der
Anzahl der Steine vorgeht. Was nun die Art der Behandlung diefer beiden be-
zeichneten Blätter betrifft, fo fahen wir, dafs der betreffende Künftler vorwiegend
mit der Tufche und dem Schaber manipulirte, während die Kreide erft etwa beim
24. Stein zur Anwendung gelangte. Die Arbeit ifl eine äufserfl faubere, ja fub-
tile zu nennen und reiht fich den hervorragendften Leiftungen an. Neben
diefem cheval de bataille führte uns die genannte Firma noch eine ausgewählte
Anzahl von Genrebildern, Thierftücken und Landfchaften vor, unter welch'
letzteren wir namentlich gute, effectvolle Marinebilder fanden. Auch über die
Ausftellung Duval's und Hunter's in New-York läfst fich Gutes berichten,
obfchon fie mit ihren Erzeugniffen nicht ganz an die erflgenannte hinanreicht,
fondern mehr das gewöhnliche Effectbild cultivirt, welches von der Menge gerne
gekauft wird. T. R.
456
DIE PHOTOGRAPHIE.
Badendes Mädchen, Marmorftalne von R. BeKas.
DIE PHOTOGRAPHE.
457
Oeckel eines Kaftclieiis in Liniuiiliner Email, ausgeführt vun Hans MaclU in Wien.
Die Photographie.
eit durch Archer und Frig (1851) das Collodion - Verfahren zur
■P^rzeugung des Negativs eingeführt wurde, hat fich die Photo-
graphie in flaunenerregend rafcher Weife zur Vollkommenheit
emporgefchwungen, fo dafs fie heutzutage bereits als felbftän-
diger Induftriezvveig eine wichtige Rolle fpielt. Die univerfelle
Bedeutung des Lichtbildes für die verfchiedenften Zweige des
Wiffens und Könnens wurde auf der Weltausftellung von 1873
in umfaffender Weife dargelegt, und ein Blick auf das reiche Material zeigte, wie
lebhaft es fich regt auf allen Gebieten des Schaffens mit der „Camera," und was
die Zukunft noch zu hoffen hat. Die mechanifche Erzeugung des Lichtbildes
verwehrt es zwar, die Photographie eine „vervielfältigende Kunfl" zu nennen;
nichtsdeftoweniger aber haben mit Verftändnifs gearbeitete Reproductionen fowohl
als directe Aufnahmen heute ein fo bedeutfame Stellung zur Kunfl genommen,
dafs ihr Einflufs nicht zu unterfchätzcn ifl: und es daher gerechtfertigt fein mag,
wenn wir hier in Kurzem das Hervorragendfte , was im Prater zu fchauen war,
der Befprechung unterziehen.
Was zunächfl die Technik der Photographie betrifft, fo arbeitet das Gros
der Photographen noch durchwegs mit dem fogenannten Silberdruck; in aller
Welt wird darin Vortreffliches geleiftet. In der Zartheit der Licliteffecte und der
Durchfichtigkeit der Töne dürfte diefes Verfahren auch von keinem anderen in
der Zukunft übertroffen werden. Der Kohlendruck (d. h. das Kohle-Copierver-
fahren) findet feine Anwendung in Deutfchland und theilweife auch in Frankreich,
befonders für künftlerifche Reproductionen; das Beflc leiftet hierin die Firma
Braun in Dornach. Die Emailphotographie und Photoxylographie wird, wenn
auch nicht in bedeutendem Mafse, fo doch von einigen Photographen in hoher
458
DIE PHOTOGRAPHIE.
Vollkommenheit betrieben. Die Photolithographie und Photozinkographie fowic
die Galvanographie waren in gelungenen Proben vertreten. Den erften Rang
unter den verfchiedenen Lichtdruck-Verfahren nimmt jedoch entfchieden gegen-
wärtig die fog. Albcrtotypie (Preffendruck von der Glasplatte mittelft Drucker-
fchwärze) ein, die von der renommirten Münchencr Firma, welche fie zuerft in
Anwendung brachte, in glänzenden Refultaten ausgcftellt war.
4-
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^JUdim-:
Sächfifcher Siebenbürger Bauernhof; Griindrifs.
Im Grofsen und Ganzen aber zeigte es fich, dafs trotz mancher ausgezeich-
neten Leiflung im Druck- Verfahren die Schwierigkeit der Ilerflellung des Drucks
noch deffen Concurrenz mit der Silbcrcopie fernhält und dafs dem erfindenden und
grübelnden Geiftc noch manches Problem zu löfen bleibt, bis das Lichtbild eben
fo ficher und vollkommen aus der Preffe laufen wird, wie es gegenwärtig aus
dem Copierrahmcn genommen wird. Das Terrain, welches die Photographic in
praktifcher Hinficht beherrfcht, hier weiter zu verfolgen, verbietet der gemeffene
Raum ; im kurzen Streifzug wollen wir nur das Hcrvorragendfle der verfchiede-
nen Läntlcr berühren und beginnen unfere Wanderung mit üeflerreich.
Wie fchon bei früheren Ausftellungen, fo brillirten auch diesmal die Wiener
Photographen im Portrailfache. P'ein abgewogene Beleuchtungseffecte, forgfälti-
ges künfllerifches Arrangement bei der höchflen techliifchen Vollendung haben
4G0
DIE PHOTOGRAPHIK.
den Wiener Vifitenkarten-Portraits einen Weltruf verfchafft, und es dürfte wenig
Kunfthändler des Continents geben, die nicht in ihren Schauiäden Bilder von
den renommirten Firmen Ludw. & Vict. Angerer, Rabending, Luckhardt,
Szekely, Gertinger, Adele, Löwy etc. befäfsen. Die Negativ-Retouche
wird hier mit viel Bravour und gröfstcntheils auch mit gutem Verftändnifs be-
trieben. Damit fei jedoch derfelben für die Photographic noch kein gutes Wort
gefprochen ; Schmeichelei und Betrug bleibt die Retouche bei einer guten Platte
immer; entfchieden verwerflich aber find Productionen, wie das abfchreckende
Beifpiel, welches in der additionellen Ausftellung als „Fortfchritt" zu fehen
war, wo ein ältlicher charaktervoller Kopf um circa 30 Jahre jünger retouchirt
erfchien.
Von Landfchaften und Architekturaufnahmen find vorzügliche Blätter von
Dr. Heid, J. Löwy und Frankenflein in Wien, Baldi in Salzburg und Se-
bafbianutti in Trieft zu erwähnen, von letzterem fowie von Ludw. Angerer
und Löwy auch gute Arbeiten in Lichtdruck.
Die Reproduction hat in Wien ihre vorzügliche Vertretung in der Firma
Wawra. Höchft intereffant waren die Polar-Aufnahmen des Grafen Wilczek,
die Blätter der oftafiatifchen Expedition von W. Burger und die Thieraufnahmen
von L. Schodifch. Wahre Meifterftücke in der Mikroskop-Photographie brachte
Haak (Wien); es war dergleichen auf der gefammten Ausftellung nicht wieder
zu finden; ebenfo muffen die Heliogravüren des k. k. militär-geographifchen
Inftitutes in Wien als die hervorragendften Leiftungen in diefem Fache bezeich-
net werden; die auf galvanifchem Wege reproducirten Platten von Karten und
anderen Stichen in verfchiedenen Gröfsen liefsen, was Klarheit und Kraft anbe-
langt, nichts zu wünfchen übrig.
Von den ungarischen Photographen nahm Prof. Koller (Biftritz in Sieben-
bürgen) mit feinen Portraits und Genre-Scenen die erfte Stelle ein ; auch unter
Rupprecht's (Oedenburg) „Kinderfpielen" fand fich manches reizvoll compo-
nirte Bildchen.
Ueberrafchendes bot auf den verfchiedenften Gebieten der Photographie
Rufsland. C. Bergamafco ift bekannt als Virtuos im Pnrtraitfache; feine Bil-
der find in tiefem, gefättigtem Tone gehalten und bei aller Kraft zart und weich
modellirt; im Arrangement dürfte es ihm kaum ein zweiter gleichthun; in tech-
nifcher Vollendung wären feinen Arbeiten nur die Bilder Mieczkowski's an
die Seite zu ftellen, welche fich auch noch dadurch auszeichneten, dafs fie faft
ohne Retouche ausgeftellt waren. Reizende Landfchaftsmotive hatten Fajans
und Dutkewicz (Warfchau) gebracht, worin befonders die Helldunkel-Partien
im Grün von feltener Durchfichtigkeit waren.
In Betreff des Wiedergebens malerifcher I-^ffecte — freilich mit allen und
oft den complicirteften Mitteln — flehen wohl die cnglifchen Photographen
obenan. Die ausgeftellten Arbeiten waren in der That photographifche Copir-
Studien, bei welchen mehr ilas künftlerifche Gefühl des Erzeugers und feine Ge-
duld als das eigentlich Technifche in Betracht kam. Die Landfchaften Robin-
fon's und Cherills, meift Strandbilder mit bewegter See und ftürmifcher Luft
oder Waldbilder waren von überrafchender Wirkung. Bei den meiften Bildern
DIE PHOTOGRAPHIE.
461
Sachfifches Siel)Lnbürgi:r Bauernhaus; (^uerfchiiitt.
war die Luft wohl mit einer anderen Platte gegeben und gewiffe Partien mit aller Sorg-
falt im Ton angelaufen , fo dafs das Bild fchliefslich nicht mehr als reine Aufnahme zu
betrachten ifl, — doch kümmert die Manipulation des Erzeugers nicht mehr den Be-
fchauer ; er ergötzt fich an der Wahrheit des Gegenftandes und bewundert die Gefchicklich-
keit der Darflellung. Originell in ihrer Art waren die F'iguren-Bilder von Colonel Stuart
Wortley (London) und der Mrs. Jul. M. Cameron ^Infel VVight), in welchen Copien
nach alten Bildern (vorzugsweife Italienern) glücklich nachgeahmt erfchienen; einige
462
DIE PHOTOGRAPHIE.
■+-
Kufrifcher liauernlmf; (irundrifs.
Modelle ZU den gefliehten Motiven waren übrigens auch von claffifcher Schönheit.
Der Ton erfchien matt, die Contouren abficlUlich Rumpf und die Modellirung unend-
lich weich gehalten. Von feffelnder Wirkung war unter anderen Portraits berühm-
ter Männer Darwin's origineller Kopf. Befonderer Erwähnung verdienen von der
DIE PHOTOGRAPHIE.
463
cnglifchen Ausflellung auch die Thieraufnahmen von Frank Haes (London) und
die Stereoskopen der Londoner Phographic Company. England hatte auf der
VVeltausftcllung in impofanter Weife feine Colonien repräfentirt, und es fpieltcn
in den äufaerft fyflematifch angelegten l'lxpofitionen von Queensland und Indien
die Photographien eine wichtige Rolle. Von höchflem Intereffe waren darunter
die Anflehten aus den Hinduländern, in welchen uns vorzugsweife die Denkmäler-
welt diefes Wunderlandes vor Augen geführt wurde.
Aus der P'erne unfere Blicke wieder zur nächften Heimath, zu Deutfchland
wendend, treffen wir die Photographie wie kaum in einem anderen Staate der
Welt im Dienfte der Kund. Die Reproduction von Zeichnungen und Gemälden
moderner und alter Meifler wird nirgends grofsartiger und vollkommener betrie-
ben als von den bekannten Münchener Photographen Albert, Pruckmann,
Hanfllängl und Obernetter, welcher Letztere neben Albert im Lichtdruck die
heften Leiftungen auf der Ausflellung aufzuweifen hatte, f^s ift wohl überflüffig,
hier auf die einzelnen Publicationen diefer Firmen einzugehen; fie haben längft
den Weg durch alle Welt gemacht. Mit Kohlebildern excellirte, wie fchon oben
angedeutet, Braun (Dornach). Auffallend fchwach war in Bezug auf Repro-
duction Berlin vertreten, dagegen war Brillantes in directen Aufnahmen von Por-
traits, Genreftücken etc. vorhanden; die Arbeiten der Firmen Löfcher &
Petfch, Th. Prüm, Schaarwächter und Brafch find hier befonders hervor-
zuheben; von den Uebrigen feien aus der Maffe noch R. Eich (Dresden), Bie-
ber, Benque & Kindermann (Hamburg) undHanfftängl (München) erwähnt.
Photographifche Naturftudien bilden ein neues, noch weiter auszubeutendes
Feld, in welchem jedoch hie und da fchon mit beftem Erfolge gearbeitet wird.
Obenan find hier Bernhard Johannes' (Partenkirchen) „Studien aus dem baierifchen
"Hochgebirge" und Völkerling's „Bäume" zu nennen. Eine hochintereffante
Sammlung reizvoller Motive brachten auch Eckart und Richard (Heidelberg)
aus dem Nekarthale und der unvergleichlichen Schlossruine am Eingange deffelben.
Grün neben Architektur, malerifch modellirt und klar bis in's tieffte Dunkel, bil-
dete einen befonderen Vorzug von F. Suck's (Berlin) Arbeiten, unter welchen
auch reizende Interieurs zu finden waren. Von den Leiftungen in Architektur-
aufnahmen überhaupt find F. Peter's grofsc Blätter vom Strafsburger Münfter
als befonders gelungen zu verzeichnen. Den Architekten hat die Photographic
fchon manche Reife erfpart und mit welcher Rührigkeit heutzutage auch für die
Kunftwiffenfchaft in diefer Sphäre gearbeitet wird , davon gaben die Wände der
Ausftellung genugfam Zeugnifs.
Die Parifer Photographen machten vor Jahren mit ihren grofsen Louvre-
Anfichten den Anfang damit, für die Architekturfchulen zu arbeiten; die Deut-
fchen räumten nicht mit zahlreichen Denkmälern ihrer Gothik; die Denkmäler der
Renaiffance wanderten in Lichtbildern ebenfo maffenhaft über die Alpen, wie die
Schätze des alten Rom und Griechenlands; die Collodionplatten drangen am Nil bis
zu dem alten Meroe hinauf und zogen in Hindoftan die verfteckten Heiligthümer
der Brahmanen an das Licht der civilifirten Welt. Bewunderungswürdig ift die tech-
nifche Vollkommenheit, mit welcher nahezu allerorts gearbeitet wird. Es feien
von den Deutfchen ihrer hervorragenden Leiftungen wegen auf diefem Gebiete
DIE PHarOGRAPHIE.
46S
noch Nöhring (Lübeck), Kopp mann (Hamburg),
Rein ecke (Hannover) und E. Kiewning (Greifs-
wald) erwähnt. Die Verfuche über die Perfpective
und die „Verzeichnungen" der Photographie von
H. Vogel find als höchft intereffant zu nennen.
Wie in manch anderer Beziehung, zeichnete
fich auch in Betreff der Photographie die franzö-
fifche Ausftellung durch ein forgfältiges und
zweckmäfsiges Arrangement aus ; es wurde das
Hauptgewicht darauf gelegt, wirklich Neues, den
Fortfehritt Kennzeichnendes vorzuführen. Die
Refultate der verfchiedenen Druckverfahren waren
durchweg brillant zu nennen und oft vom Silber-
druck nicht zu unterfcheiden. Das non plus ultra
an Reinheit und Klarheit bot Roussellon (Firma
Goupil) in feinen Kupferplatten; auch die Kohle-
bilder deffelben wetteiferten an Plaftik und Durch-
fichtigkeit mit den beflen Silberphotographien.
Mit ausgezeichneten Proben in der Photo-Zinkogra-
phie waren Lehman & Lourdel vertreten;
Fleury-Hermagis, Baldus, Amand-Durand,
G. Fortier arbeiten in den verfchiedenften Ver-
fahren mit gleich vorzüglichen Erfolgen. Im Por-
traite gebührte die Palme der weltbekannten Firma
Reutlinger; in effectvoUer Beleuchtung, meid
im Ton tief geftimmt, waren die Bilder von über-
rafchender Wirkung. Es genüge noch der vor-
züglichen Leiftungen wegen hier die Namen Gey-
met. Alker, Walery (Paris), A. Lumiere und
A. Bernoud (Lyon) zu nennen. In Gemälde-
Reproductionen fteht das Haus Goupil obenan;
auch in der Eleganz der Ausftattung der Publicatio-
nen ifl: es unübertroffen; tüchtige Arbeiten in die-
fem Fache waren auch von Ferrier & Lecadre
ausgeftellt. Von directen landfchaftlichen Auf-
nahmen war auffallend wenig zu finden, doch dar-
unter wahre Perlen von Harri fon. Dafs die
Stereoscopie in den Namen E. Lamy, J. Lewy
vorzüglich vertreten war, bedarf keiner weiteren
Erörterung. Welche Verwendung die Photographie
in allen Zweigen der Kunft, Induflrie und der tech-
nifchen Fächer in Frankreich findet, zeigte in deut-
lichfter Weife die „PLxpofition de la ville de Paris,"
in welcher das gefaramte Schaffen der Gegenwart
gleichfam in Bildern katalogifirt erfchien.
_!■ jkdi p
Candelal>er au> \\ altcralltngen,
nach Entwurf von Prof. Bäumer.
59
466
DIE PHOTOGRAPHIE.
Italien brachte in der Photographie nicht viel Neues zur Ausftellung;
die weltbekannten Arbeiten der Firma Naya (Venedig) fanden ihrer Lichteffecte
und der herrlichen Motive halber die meiden Bewunderer; auch Bertoja's Auf-
nahmen enthielten manches Blatt von gelungener kiinftlerifcher Stimmung; im
Uebrigen fanden wir in vorzüglichen Bildern das alte Rom von Cuccioni's
Wittwe, Architekturen von Roffetti (Brescia), darunter aus vielen Stücken zu-
fammengefetzt, mit Retouchen ergänzt, im Coloffalmafsflabe die reizvolle Fagade
der Kirche S. Maria dei Miracoli in Brescia. Das Portrait war nur von den Ve-
netianern vertreten und bot nichts Befonderes.
Auffallend fchwach war die Schweiz in der Photographie beftellt; aufser
Cham aux's (Genf) Landfchaften war in diefem für das Land fo dankbaren Genre
nichts von Bedeutung vorhanden; auch von den Portraits konnte nichts hervor-
ragend genannt werden.
Anziehenderes brachte die Expofition der Niederlande, wo Vorzügliches
im Lichtdruck von C. J. Affer (Amflerdam), Binger & Chits (Harleni) und N.
B. Verve er (Haag) zu finden war; des letzteren Portraits überralchten durch
freie künfllerifche Auffaffung und efifectvolle Beleuchtung.
Von den Belgiern find fehr hüb fche Lichtdrucke und gute Kohlebilder von
Geruzet freres (Brüffel) zu verzeichnen; J. Fierlants' vorzügliche Reproductio-
nen, namentlich der Wiertz'fchen Bilder find bekannt. Neyt's Mondphotogra-
phien können fich mit den bellen englifchen Arbeiten diefer Art meffen. Schwe-
den, Norwegen und Dänemark boten aufser guten Portraits nichts Bemer-
kenswerthes. Von Portugal verdienen die reizvollen Madeira-Aufnahmen von
Carlos Revals (Oporto) unbedingtes Lob. Das Obfervatorium in Liffabon hatte
gelungene Sonnenaufnahmen ausgeflellt. Die Denkmäler Griechenlands wur-
den in ausgezeichneten Lichtbildern von P. Moraitis (Athen) dem Publicum
vorgeführt, Conflantinopel hatte in den Photographen P. Sebach feinen Re-
präfentanten und Aegypten in J. Schöfft (Cairo). Schöffts Arbeiten waren
im Palafl: des Khedive ausgeflellt und beftanden in Charakterbildern, die vom
Vicekönig von Egypten eigens beftellt wurden, um „Land und Volk" am Nil
zu illuftriren.
Die Photographie America' s war nur in Silberpapier-Bildern vertreten; es
brillirten im Portrait W. Kurtz und W. R. Howell (New-York) und James
Landy (Cincinnati) ; ausgezeichnete Landfchaftsaufnahmen gröfsten Formats und
befonders für Geologen und Geographen von hohem Intereffe, hatte V,. Wat-
kins, Muybridge und Th. Houfeworth (San - Francisco) ausgeftellt. Die
Leiftungen in der Stereoscop - Photographie von Ch. Bierftadt und Anthony
(New-York) gehörten zu dem Vollkommften , was derart auf der Ausftellung zu
fehen war.
Was die Pliotographie für die WiiTenfchaft, Kunft und Induftrie in der ge-
genwärtig erreichten Technik zu leiften vermag, und welche wichtige Rolle ihr
ajs Bewahrerin vorübergehender Ereigniffe zufällt, zeigte übrigens am fchlagendften
die Ausbeute, welche in diefer Beziehung während des internationalen Feftes
felbft gemacht wurde. Noch bei keiner der früheren Ausftellungen wurde durch
die Photographie der Reichthum des Sehenswerthen in fo umfaffender und kla-
DIE PHOTOGRAPHIE. 467
rcr Weife der Nachwelt übermittelt, als es durch die Photographen-AfTociation
für die WcltausflclUing 1873 gefchchcn ift. Die Herren Frankenflein , Krä-
mer, Klöfz und Löwy, die Unternehmer des fchwierigen und riskanten Ge-
fchäftes, haben in ihren brillanten Refultaten, die fie trotz gar vieler unvorher-
gefehener Hinderniffe erzielten, gezeigt, dafs fie die Gröfse und Wichtigkeit ihrer
Aufgabe wohl erfafst hatten, und zu bedauern ift es nur, wenn der materielle
I'>folg hinter den gebrachten Opfern weit zurückblieb. Es bedarf hier wohl keiner
weiteren Anpreifung der ausgezeichneten Arbeiten. Wer hätte fich nicht als
lüinnerung an den gewifs für Jeden denkwürdigen Aufenthalt im Prater einzelne
Blätter der reichen Collection mitgenommen? Wem wären fie in den Schauläden
der Kunfthandlungen fremd geblieben ? — Der zum Schluffe der Ausftellung von
der Gefe|lfchaft herausgegebene Katalog weift über 2000 Nummern aus, und es
wurden in dem verhältnifsmäfsig kurzen Zeitraum über 14,000 Matrizen aufgenom-
men. Als befonders gelungen find darunter die bisher noch weniger bekannten
Stereoskopen (von Lamy aufgenommen) zu bezeichnen. Die voUftändige Samm-
lung (die von der Gefellfchaft in vcrfchiedenen Formaten herausgegeben wurde)
follte als culturhiftorifches Werk in keiner öffentlichen Sammlung fehlen; denn fo
wahr und deutlich fchildert der Nachwelt kaum das gefchriebene Wort alle Seiten
diefes denkwürdigen Ereigniffes, wie das Bild der Camera es vermag.
7. Langl.
Vafe aus opakem vveifsem Glas, von Lobmeyr.
49»
468
ARCHITEKTONISCHE ZEICHNUNGEN UND MODELLE.
>f^1'^-:^'roOJr.-^^<'J>f-:-Jrc^<'^-^^-:-'X'>Jfc<'*y-!fA
Schmalfeite eines Kärtchens in Limoiifiner Email, ausgeführl von H. Macht in Wien.
(Vcrgl. S. 457-)
Architektonische Zeichnungen und Modelle.
Dafs die Baukunfl, im Gcgcnfatzc zu ihren bevorzugten Schwefterkünften,
auf Ausftellungcn niemals ihre Werke, wie fie find, vorführen kann, fondern nur
Zeichnungen, Abbildungen oder kleine Modelle derfelben, die unter allen Um-
ftänden nur einen abgefchwächten , oft fogar nur fiar den routinirten Fachmann
verflandlichen Eindruck der Eigenthümlichkciten des Baues geben, und dafs die
Architekten von diefer nachtheiligen Stellung, die ihre Mufe auf Ausflellungen
einnimmt, ein fehr klares Bewufstfein hegen: dies mag wohl zunächfi: die Urfachc
der aufserordentlich fchwachen Betheiligung der Architektur an der Wiener Welt-
ausflcllung fein. Der Architekt weifs wohl, wie wenig feine künftlerifchen Dar-
flellungen auf das Publicum wirken, er weifs, welch aufserordentliche, fiir prak-
tifche Zwecke ganz überflüffige Sorgfalt und Ausführung den Zeichnungen ge-
widmet werden muffen, wenn fie überhaupt Beachtung finden foUen; fo dafs es
wohl als ein günftiges Zeichen für die bauliche Thhtigkeit der Gegenwart aufge-
fafst werden mufs, wenn fich nur wenige Künftlcr herbeigelaffen haben, ihre Zeit
der Herflellung von ausftellungsfähigen Blättern zu widmen.
Wenn diefe fchwache Betheiligung an fich das Bedauern des Fachmannes
hervorruft, fo hört diefes fofort auf, wenn er in's Auge fafst, wie das wenige
vorhandene Material in einer Weife placirt werden mufste, die felbft von den
befcheidenflen Anfprüchen kaum erwartet wurden.
Im Allgemeinen fanden die Modelle günftigere Aufnahme und vielleicht
auch mehr Verfländnifs von Seite des Publicums, obfchon uns auch da unfere
Erwartungen im Stiche liefsen. Was foll man zu folcher Naivetät fagen, wenn
gebildet ausfehende Leute, die wir zu beobachten Gelegenheit hatten, vor das
Modell der Wiener Univerfität hintreten und daffelbe für das Schlofs in Schön-
brunn anfehen?
Es liegt auf der Hand, dafs diejenigen Nationen, denen es gegeben ift, ihre
architektonifchen Entwürfe von vornherein in flotter, wirkungsvoller Manier vor-
zutragen, die Ausftellung flärker befchickten als die andern. Das gilt vornehm-
ARCHITEKTONISCHE ZEICHNUNGEN UND MODELLE.
469
lieh von den Franzofen und in neuerer Zeit in eminenter Weife von den
Ruffen. Die deiitfclien Schulen vernachläffigen die äufserliche Seite der künftleri-
fchcn Thätigkeit noch immer etwas zu fehr und mancher Entwurf von trefflichem
Innern Werth liefs in der That diefcn Mangel bedauern. Die fchönllen Ideen lei-
den unter ungefüger, manierirter und geiftlofer Darfteilung.
Conccrtpiaiüno, von R. Ibach & Sohn in Barmen.
Wie erwähnt, war es Frankreich, fpeziell Paris, das weitaus das meifte an
architektonifchen Zeichnungen geliefert hatte. Indeffen find es nur zum geringften
Theil die Künftler felbft, vielmehr der Staat und die Stadt, welche auf ihre Koften
und mit Subventionen die prächtigen Werke über ihre öffentlichen Bauten, ihre
Aufnahmen im In- und Auslande vorlegten. Es ift in diefem Berichte fchon
mehrfach auf die bedeutende Unterftützung von Seite des Staates hingewiefen
worden, welche die Kunft gerade in Frankreich erfährt, und unfere Ausftellung
hat diefe Thatfache höchft ehrenvoll für das genannte Reich, höchft betrübend
47«
ARCHITEKTONISCHE ZEICHNUNGEN UND MODELLE.
für die andern illuftrirt. — Wohl reichte das von Paris cingefandte Material weit
zurück und wäre, ftreng genommen, nicht ausflellungsfähig gewefen; aber das
ändert die Thatfache nicht, fondern hat fie nur bekräftigt. Frankreich hat da-
durch wieder gezeigt, dafs es eben in dem Einen Punkte höher fleht, als alle
andern Staaten: in der Anerkennung der Kunftthätigkeit als Factor nationaler
Wohlfahrt und Gröfse.
Auch die franzöfifchc Ausflcllung war unter der eigenthümlichen Gruppen-
eintheilung in zwei getrennte Partien zerfallen, von denen die eine, mit den
prächtigen, von Paris her und aus neuern vorzüglichen Publicationen bekannten
Aufnahmen und Reftaurationen mittelalterlicher Burgen und Kirchen von Viollet-
le-Duc, Queftel, Dariuelle, Lameire, Laisne u. a. in den Loggien des
Kunfthofes untergebracht war, wo auch Labroufte's Nationalbibliothek, Vau-
doyer's im Bau begriffene Kathedrale von Marfeille und die ungemein grofs-
artig gedachten Reftaurationen des römifchen Forums von Baudry fich fan-
den, — während im Seitenhofe des Hauptgebäudes Paris feine flädtifchen Gebäude
in Original/.eichnungen, Photographien, Stichen und Modellen vorgelegt hatte.
Ilöchft intereffant waren die fechs preisgekrönten Entwürfe für das Hotel
de Ville, unter denen derjenige von Ballu und Deperthes die alte, aus dem
16. Jahrhundert flammende, trapezförmige cour d'honneur durch einen rechtwinkli-
gen Hof erfetzt und den erden Preis davon getragen hatten. Ballu's Name
tritt uns auch bei den drei bedeutendflen Kirchen entgegen: S. Ambroife und
S.Jofcphe in romanifchem Styl, Ste. Trinitc aber in überaus reicher, an diefer Stelle
viel zu opulenter Rcnaiffance. Die Front ift eine Ueberfetzung der gothifchen
Fagade von Notredame.
Von Davioud, einem der bedeutendflen Rcpräfentanten des neufranzöfi-
fchen Stils, waren feine Theater, Chätelet und Lyricjue, fowie das Orphcon ausge-
llellt; dann deffen fchöner Ikunnen vor dem Theatre frangais in lebenswahrer
Ausführung, derjenige aus dem Luxemburggarten im Modell und endlich der
bekanntefle, S. Michel, in Zeichnungen und Photographien. — Detaillirte photo-
graphifche Abbildungen des unglücklichen Palais de Juftice von Duc und des
prächtigen zweigefchofsigen Säulenhofes im Tribunal de commerce von Bailly
find neben vielem Andern noch zu erwähnen.
Unter den Belgiern (5 Ausfteller) brachte Carpentier in Beloeil drei beach-
tenswerthe Kirchenprojecte. Als Backfteinbau ausgeführt, mit fpärlichen Glie-
derungen, machen fie in ihrer fchlichtcn Einfachheit einen aufserordentlich ruhi-
gen und wohlthuenden Eindruck. Die Brüffcler Börfe von Suys, von der ein
anfpruchsvoUes Modell in der Rotunde fland, leidet dagegen nicht nur an fchlechten
Vcrhältniffen, fchmucküberladenen barocken Einzelheiten, fondern auch an einem
höchft unfchöncn Rhythmus der Maffen.
England (4 Ausfleller) brachte einige auf grofse malcrifche Wirkung be-
rechnete lintwürfe, von denen derjenige für Eaton-Hall von VV^aterhoufc in
feiner, an's Venezianifche anklingender Gothik fehr bemerkenswerth ift, während
eine ebenfo lebendige Gruppirung bei dem Entwürfe für den Juflizpalaft von
Street mit dem Innern Wefen eines folchen Baues nicht recht harnioniren will.
In der Schweiz fanden wir die mit Spannung erwarteten Rcflaurationen
ARCHITEKTONISCHE ZEICHNUNGEN UND MODELLE.
471
der Fa(;ade zur Peterskirche nach den Skizzen liramante's, Peruzzi-s und San
Gallo's von Geymüller. Waren diefe intereffanten Blätter ausnahmsweifc
im Licht, fo waren fie doch viel zu hoch aufgehängt, fo dafs nicht einmal das
Opernglas fie erreichte.
Die Italiener hatten viele Nummern im Katatoge, die aber nirgends zu finden
waren, und das Vorhandene fuchte man dort vergeblich. Es war fehr viel
Dilettantenhaftes darunter. Vor Allem ein abfcheulicher Entwurf für ein Thea-
ter, der nur darum auffiel, weil er unter allen Architekturzeichnungen weitaus
den fchönften Platz erhielt. Die Italiener von heute zeigen in der Architektur,
wie in deren Schwefterkiinften, kaum einen blaffen Schatten ihrer bedeutenden
Vergangenheit; es fcheint ihnen aller Sinn für das Grofse und Monumentale ab-
handen gekommen zu fein. Wenn irgendwo, fo tritt der Mangel einer guten,
mit Ernft auf die Antike gegründeten Schule befonders auffallend dort hervor,
weil man ihn dort am wenigflen erwarten würde. In den beiden fchönen Mo-
dellen, der Gallerie Vittore Emmanuele in Mailand, mehr noch in der Sparbank
von Bologna von Mengoni zeigt fich das recht auffallend. Einfacher, aber edler
ifl; Cipolla's Nationalbank dafelbft, ausnahmsweife grofsartig der Entwurf für
einen Nationalplatz vor S. M. degli Angeli in Rom, von Montiroli, und der
Campofanto von Genua von Refasco, mit ernft gehaltener Architektur in den
tcraffen förmig anfteigenden Hallen, die in dem Kuppelbau über hohen Treppen-
anlagen ihren Abfchlufs finden. Die Verwendung von Sgraffito an den Fagaden
florentinifcher Paläfte, wie fie ein Carton von Frl. A. Fries, einer für diefes
Genre dort ftark in Anfpruch genommenen Künftlerin zeigt, dürfte auch in un-
fern nordifchen Städten fich mehr einbürgern; allerdings müfsten dabei etwas
ftrengere Compofitionen zu Grunde gelegt werden.
Nicht blos quantitativ (285 Blätter), fondern auch qualitativ vorzüglich reprä-
präfentirt war Rufsland. Sein eigenthümlicher Stil fprach fich zunächfl; in
mehreren vielkuppeligen Kirchenprojecten aus, unter denen ein Entwurf für
Tiflis von Schröter und Huhn durch Compofition und Darfteilung hervorra-
gend ift; nicht minder in der Erlöferkirche von Thon. Unter den Profanbauten
war die fchönfte Renaiffance durch Alex. Krakau in Petersburg vertreten, von
dem ein Bahnhof und ein Palais vorlagen; auch Stakenfchneider fcheint in
der Behandlung claffifcher Renaiffanceformen fehr bewandert; dagegen lehnt fich
Refanoff in feinem Palais des Grofsfürften Wladimir an den franzöfifchen Ro-
cocoftil an. Von Bohnftedt's Entwürfen find diejenigen für die Villen weitaus
die heften, befonders Villa Troftenetz, während das Stadttheater und die Kirche,
mehr aber all feine Interieurs ganz den unentfchiedenen, weichlichen Charakter
feines neuen grofsen Werkes zeigen. Das Sehenswürdigfte hier waren aber die
farbigen Reifefkizzen Koffow's und Mesmacher's, die in ihrer Technik un-
erreicht fein dürften. Beide Architekten vereint lieferten eine pompöfe Reftaura-
tion des antiken Theaters zu Taormina in ftreng-römifchem Stil.
Relativ numerifch am fchwächften vertreten war wohl das deutfche Reich.
(34 Blätter von 18 Ausftellern). In feinem Saale waren nebft einigen kleinern
drei grofse Modelle leider fo aufgeftellt, dafs fie die Rückfeite dem Lichte zu-
wendeten. Das erfte ift Stüler's Nationalgalerie, ausgeführt von Strack
472
ARCHITEKTONISCHE ZEICHNUNGEN UND MODELLE.
und Erbkam. Dafs ein folchcr, in ftreng claffifchcn Verhältniffen und feiner
Dftaillirung ausgeführter Bau feine Wirkung nicht verfehlen wird, ift unzweifel-
haft; bei alledem bedauern wir doch die nicht wegzuleugnende ftörende Wirkung
Kleiner Wandfchrank, entworfen von M. Kiebacher in Hamburg.
der breit vorgelegten fchwerfälligen Freitreppe, den überaus hohen Unterbau mit
den grofsen Fenftern, die halbrunde Apfide und endlich die ganze Anlage als
Pfeudoperipteros, was alles mit dem flachen griechifchen Giebel nicht recht har-
moniren will.
Eine fehr glückhche Compofition ift dagegen die königliche Hauptbank von
Hitzig, deren feine Gefimfe und Profile mit der farbigen Terracottaverkleidung
wohl zufammenftimmen.
Auch das dritte Modell, das Theater in Frankfurt von Lucae, ift harmo-
nifch in feiner Erfcheinung, wenn auch nicht ganz frei von ftörenden Unklarheiten
in der am Aeufseren zum Ausdrucke kommenden Grundrifsentwicklung.
Auf gleich hohem Niveau flehen die Entwürfe Prof. Giefe's in Dresden
zum Düffeldorfer Theater, deffen Grundrifs den neueren SemperTchen verwandt
ift, und Dehn 's Gemäldegallerie in Caffel.
Auch die Chemnitzer Börfe von Lipfius ift ein treffliches, an ächte deut-
fche Renaiffance erinnerndes Werk. Kafka und Schul ze's zahlreiche Pro-
jecte zeigen ebenfalls immer die ftilvoUen Formen, in der fich eine ftreng ge-
zügelte und in der Antike gefchulte Phantafie ergehen mag. Das entfchiedene
ARCHITEKTONISCHE ZEICHNUNGEN UND MODELLE.
473
Spanifche Wand, von Roudillon in Paris.
Gegentheil ifl; bei Ebe und Benda in BerHn der Fall. Nicht die Mofaiken auf
Goldgrund an den Fagaden, fondern deren überladene Decorationsarchitektur, vor
Allem aber die Ausftattung der in den Querfchnitten fichtbaren Interieurs muffen
zu diefem Urtheile drängen.
Von Hauberriffer's prunkvollen Renaiffanceprojecten ifl ein Belvedere
bemerkenswert!!. In den gröfseren Entwürfen, die in einer kräftigen, aber aus-
drucke- und gefühllofen Manier ausgeführt find, findet fich manch fremdartiges
Element; aber immerhin ift es dankenswerth , dafs ein urfprünglicher Gothiker,
der fich dazu in diefem Stile folcher Erfolge rühmen kann, wie Hauberriffer, fich
nicht darauf caprizirt, auch Unterrichtsanftalten im mittelalterlichen Stile auszu-
führen.
Budapeft zeigte einestheils die Abhängigkeit von der Wiener, fpeziell
Hanfen'fchen Schule in den Zinshäufern von Kolbenheier, Hausmann U.A.,
andererfeits und zwar vorwiegend eine übertriebene Sucht nach Originalität, die
in maafslofen Extravaganzen zu Tage tritt. Es dürfte nicht leicht trotz oder
gerade wegen all der aufgewendeten Mittel eine abgefchmacktere Fagade geben,
60
474
ARCHITEKTONISCHE ZEICHNUNGEN UND MODELLE.
als diejenige von Linzbauer für das Haus des Hrn. Ph. Haas. Eine Aufein-
anderflellung von immer fläri<er werdenden Säulen, von immer plumperen Ver-
krüpfungen und Attiken, an deren Ausführbarkeit man geradezu zweifeln möchte,
wenn man nicht wüfste, dafs derjenige, der folches componirt, auch kein Mittel
zu deffen Herftejking fcheut. Etwas ruhiger, aber an fehr fchlechten Verhält-
niffen leidend, ift die Fagade defl'elben Architekten für das Palais Andraffy. An
der Erweiterung der Hofburg war nichts zu verderben ; nur gerade das Eine, was
der Architekt aus Eigenem beifügte, die doppelte Säulenftellung zwifchen beiden
Gebäuden ifl an diefem l'latze entfchieden ganz unmotivirt und wirkungslos.
Grundrifs des Palais Helfert in Wien, von Tifchler; erfter Stock.
Einen günfligeren Eindruck von der Pefter Architektur geben die Modelle
der Radialftrafse. Wenn auch die erflen Gebäude derfelben, von Ybl, mit
fchweren Profilirungen, weit ausladenden Geftmfen und Verkröpfungen, mit An-
klängen an die fpäten Renaiffangepaläfte Venedigs noch genug maafslofes Ueber-
treiben zeigen, fo kann man diefs vielleicht auf Rechnung des Modells fetzen.
P"einer und eleganter, und nicht fo verfchwenderifch, aber inuiierhin noch voll
Conceffionen an die Originalitätsfucht auf Koften des guten Gefchmacks find die
Gebäude Skalnitzky's; relativ weitaus das Edelfte und Reinfte die Projecte
Steindl's, fowohl das Stadthaus mit feiner mehrfarbigen Backrteinarchitektur
und clen farbig glafirten Friefen, als auch feine Villen, in denen reizende Motive
fich finden.
Von Ybl ift aufser der gothifchen Kirche noch das Zollamtsgebäude ein
ganz bedeutender und fchöner Bau.
ARCHITEKTONISCHE ZEICHNUNGEN UND MODELLE.
475
Die Ausftelkmg Wiens, — denn aus den Provinzftädten Cislcithaniens war
nur Prag mit zwei Entwürfen vertreten, - mufste ein ungewöhnliches Intereffe
erregen, da hier die Projecte und Modelle von fo bedeutenden Monumental-
bauten vorlagen, wie fie in folcher Weife in gleichzeitiger Ausführung nur
äufserfl feiten in der Gefchichte vorkommen.
Unter den Kirchenbauten fiel uns zunächft von Schmidt die Choranficht
von St. Stephan mit den zu gleicher Höhe ausgebauten zwei Thürmen in's Auge.
Das zweite Project, die Fünfhaufer Kirche, ift eines der intereffanteflen Bei-
fpiele des Compromiffes zwifchen der Gothik und der römifchen Antike, indem
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Grundrifs des I'.ilais Helfert in Wien; zweiter Stock.
diefe ihre Formen zur Bildung einer bedeutenden Kuppel hergibt. Das Aeufsere
ifl ungemein lebendig in Rohbau durchgeführt; das Innere mit möglichfl; wenig
architektonifchen GlieJern durchweg auf Malerei berechnet. — Für die Votiv-
kirche waren zwei Farbenfkizzen von Jobft ausgeftellt.
Vom Aeufsern des künftigen Wiener Rathhaufes von Schmidt gab ein Modell
eine Vorftellung. In kräftiger, durch italienifche Horizontalgliederungen durch-
brochener und umrahmter Gothik ifl es aufgebaut; an der F'agade finden fich
offene Bogengänge zu jeder Seite des Thurmes. Neben dem Modell hingen die
Grundriffe, von muflergültigcr Regelmäfsigkcit, in denen ausgedehnte Treppen-
anlagen zu den zahlreichen Repräfentationsräumen in's Auge fallen.
Ferftel's Univerfitätsbau war ebenfalls durch ein Modell veranfchaulicht.
Das reich gruppirte Aeufsere enthält Partieen, in denen die edelften Formen des
Cinquecento zum Ausdruck kommen ; der Schwerpunkt der ganzen Anlage liegt
60'
476
ARCHITEKTONISCHE ZEICHNUNGEN UND MODELUi.
aber in dem prächtigen Arcadenhof von den ganz bedeutenden Dimcnfionen
von 212' auf 148'. Die noch künflhch gefteigerten Niveaudififerenzen find in
glücklicher Weife durch malerifch wirkfame Treppenanlagen vermittelt und auch
die zu den Fcfiräälen fuhrenden I lauptftiegen werden von grofsartiger Wirkung
fein. — Von dem zur Univerfität gehörenden, bereits vollendeten Laboratorium,
einem der gelungenflen Bauten unferer Zeit, deffen Aeufseres ganz mit gelben
Fagade des l'alais Helfert in Wien.
und rothen Terracotten verkleidet ifl, lagen nur die Grundriffe vor und ein
Schnitt, der den reizenden untern Sgraffitohof zeigte.
All jene Interieurs werden aber überboten von dem Veftibule und Treppen-
haufe der k. k. Mufeen von Ilafenaucr und Semper, in deren Dimcnfionen
und Aufbau die ganze, auf grandiofe malcrifche Wirkung berechnete Pracht der
letzten Epochen der Ilochrenaiffance entfaltet ift. Ein Modell des Aeufscrn zeigte
uns einen aufserordentlich prunkvollen, aber in den Verhältniffen nicht ganz be-
friedigenden Aufbau in den Formen der genannten Stilrichtung. Das Ganze tritt
übrigens fo fehr aus dem Rahmen des Dagewefencn, um uns ein entfcheidcndes
Urtheil bis nach der Vollendung nicht zu geflattcn. Eine Vogelpcrfpective der
ARCHITEKTONISCHE ZEICHNUNGEN UND MODELLE.
477
ganzen Anlage, der Mufeen mit der projectirten Erweiterung der Burg läfst die
Schönheiten derfelben nicht zur rechten Geltung kommen.
Von den Monumentalbauten, welche Hänfen eben jetzt zur Ausführung
übertragen fmd, war leider kein Modell vorhanden. Von der claffifchen Schönheit
des künftigen Wiener Parlamentsgebäudes, deffen Bau nun eingeleitet ift, und von
deffen vorzüglicher Lage gab uns eine Perfpective einen Begriff, der um fo rich-
tiger ift, als jener wirklich ein möglicher Augenpunkt in der Mitte der Ring-
ftrafse zu Grunde liegt. — Die beiden Sitzungsfäle find durch einen in ihrer
Mitte liegenden giebelbckrönten Mittelbau, der die gemeinfamen Räume enthält,
zu einem einfeitlichcn Ganzen verbunden. - Die Börfe zeigt im Aeufsern einen
zweigefchoffigen Säulcnporticus am Mittelrifalit; an den Seiten dagegen, wo die
Bureaux liegen, eine kleiner gehaltene, an's Venetianifche fich anlehnende Fenfter-
architcktur. Der wichtigfle und zugleich grofsartigfte Theil ifl aber der grofse
Börfenfaal, der kaum feinesgleichen in der Profanarchitektur findet ; in zwei Ord-
nungen mit Dreiviertelfäulen zwifchen Bogenftellungen übereinandergebaut, mit
den Axenweiten des Palazzo Farnefe, erreicht er eine Länge von 185' und eine
lichte Weite von 86' bei 72' Höhe. — Der dritte in der Ausführung begriffene
Bau Hanfen's, von dem die Entwürfe vorlagen, ifl; die Akademie der bildenden
Künfte; im Aeufsern von fchöner Einfachheit, in zwei Gefchoffen mit Pilafter-
architektur, zwifchen denen abwechfelnd Bogenfenfter und Nifchen mit Statuen
fich befinden. Auch hier foUen Terracotten für die Details und die Verklei-
dung verwendet werden.
Von den im Laufe des letzten Jahres vollendeten grofsen Hotels waren die
äufsern Anfichten der drei bedeutendflen , H. Metropole von Ti fehler, H.
Britannia und II. Donau von Claus und Grofs ausgeflellt. Durch pompöfe
Säulenaufbauten vor den Fagaden ifl ihnen der fonfl nicht zu vermeidende Zins-
hauscharakter genommen. Die letztgenannten Architekten führten auch Schnitte
und Anfichten ihrer römifchen Bäder vor, deren vorzügliche Einrichtung und
überaus reiche Ausflattung durch die fchwere Architektur leider etwas beein-
trächtigt wird.
Unter den neuen Bahnhof bauten ragt befonders derjenige der Südbahn
von Flattich und Wilhelm hervor, mit feinem fchönen Veflibule und Stiegen-
aufgang, und auch das Aeufsere macht, trotz feiner etwas wuchtigen Details,
wegen der einheitlichen und klaren Gefammtdurchbildung eine gute Wirkung;
wogegen beim Nordweflbahnhof von Bäum er die Ucbcrfeincrung der Architek-
turformen den Mangel an Einheit und bedeutendem Aufbau nur noch mehr her-
vortreten läfst.
Unter den Projecten für öffentliche Bauten find noch die in vorzüglicher
technifcher Vollkommenheit ausgeführten Farbenfkizzen Hlawka's für das Innere
des bifchöflichen Rcfidenzgebäudes in Czernowitz zu nennen, fowie das preisge-
krönte Project für den Wiener Centralfriedhof und ein Entwurf von claffifcher
Grundrifsanlage für den Curfalon in Ifchl von Wielemans.
In weit geringerem Maafse waren die Darftellungen für Privatgebäude ver-
treten. Unter den Palaftbauten heben wir ein fchönes Project mit dem Cinque-
cento entnommenen Motiven von König und das bereits vollendete Palais Si-
478
ARCHITEKTONISCHE ZEICHNUNGEN UND MODELLE.
mon von Wurm hervor, voll feiner Grazie in den Formen und ruhiger Harmonie
in den Vcrhältniffen.
Aus der Reihe der von den Baugefellfchaften ausgeführten Zinspaläften
führte der Architekt der Wiener Baugefellfchaft, Ti fehl er, zwei Fagaden vom
Parkring vor, die zu dem Berten gehören, was in diefer ftark frequentirten Richtung
gefchaffen wurde. —
In einem Seitentracte des Ausftellungsgebäudes war Gelegenheit geboten,
über die Thätigkeit der beiden bedeutendften Wiener Baugefellfchaften einen
umfaffenden Ueberblick zu gewinnen. Es fanden fich dort unter den elegant
ausgcftattcten Sammlungen ausgeführter Entwürfe zahlreiche oft fehr glückliche
Löfungen der fchwierigen Aufgaben, die in den eigenthümlichen vielfeitigen
Anfprüchen an diefe Zinspaläfte begründet find. Mit einer der oben erwähnten
Fagadcn von Ti fehler legen wir die dazugehörigen Grundriffe vor, die zwei
unmittelbar übereinanderliegenden Stockwerken angehören und dennoch weit
auseinandergehenden Programmen entfprechen.
Zum Schlufs haben wir noch eine Seite der Wirkfamkeit der Wiener Archi-
tekten zu erwähnen, die auf die Aufnahme, Vervielfältigung und Veröffentlichung
von hervorragenden Bauwerken der früheren und der gegenwärtigen Zeit gerichtet
ift, worin fich befonders die angehenden Architekten des Polytechnicums und der
Akademie unter Leitung ihrer Profefforcn bethätigen. Diefe unter dem Namen der
»Wiener Bauhütte« herausgegebenen Autographien fanden im Kunrthofe ihren
Platz. Es ift hier nicht der Ort, alles das, was die Bauhütte feit ihrem Entftehen
veröffentlichte hier anzuführen; es mag genügen, darauf hinzuweifen, dafs die
bedeutendften Monumente Italiens, vieles aus der Gothik und Renaiffance Oeftcr-
reichs und endlich fammtliche hervorragenden Neubauten Wiens in genügend
grofsem Maafsftabe mit Details und Decorationsftücken darin aufgenommen find.
Die Förderung diefer Publicationen ift namentlich das Verdienft Fr. Schmi d t's.
Unter den ausgeftellten Blättern fiel vor Allem der Entwurf Hanfe n's für die
k. k. Mufeen mit der grofsartigen Verbindung beider Theile, wodurch die Stal-
lungen verdeckt werden foUten, in die Augen. Dann die beiden Paläfte F"erfters
am Schwarzenbergplatz und unter den gothifchcn Aufnahmen diejenigen von
Heiligenkreuz.
Hans Alier.
Emaillirte Taffe von Baranzewitfch in Moskau.
ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT.
479
Seitenwaiul eines Källcliciis, in Limoulincr Email ausgefülirl von Hans Macht in Wien.
Zeichen- und Kunstunterricht.
Welche Vortheile der Induftrie durch eine geregelte Pflege des Kunftunter-
richtes erwachfen , hat in den letzten zwei Decennien wohl am fchlagendflen
England bewiefen. Uie Thätigkeit des «Uepartement of Sciene and Art» hatte
fchon bei den früheren Weltausftellungen in diefer Hinficht Erfolge aufzuweifen,
die felbft der auf diefem Gebiete leitenden Grofsmacht Frankreich Respect ein-
flöfsten. Uie Mittel, deren fich England zur Förderung der induflriellen Kunfl
bediente, liefen in drei Hauptpunkten zufammen: i) in der Gründung öffentli-
cher Mufeen für Kunflinduflrie «als der wahren Lehrer eines freien Volkes,»
wie Gottfr. Semper in feinen «Vorfchlägen» fie damals bezeichnete; 2) in der
Erziehung tüchtiger Lehrer für Kunftfchulen und der Errichtung folcher Anftalten,
in denen diefelben ihre Verwendung finden können und 3) in der Errichtung von
Elementar-Zeichenfchulen, durch welche die Elemente der Kunfl; zu einem Be-
flandtheil der nationalen l^rziehung gemacht werden. Als Centralflelle wurde
die nationale Kunftfchule in South-Kenfington mit einem Seminar zur Heranbil-
dung von Lehrern gegründet und zugleich Mufeen und Sammlungen angelegt,
durch welche fämmtliche Schulen in den Provinzen beeinflufst und einheitlich
dem beflimmten Ziele zugeführt wurden.
Bis heute ift die Zahl der «Schools of Art» in den verfchiedenen Provinzen
Englands auf über Hundert angewachfen, und durch fie wurde in erfter Linie
jene Umwandlung vollzogen, deren Grundideen dann auch bei anderen Nationen
Aufnahme fanden. Zunächft war es Oefterreich, welches nach ähnlichen Grund-
fätzen einerfeits das Volk zur Kunft herzuziehen und andererfeits direct auf die
Thätigkeit der Kunflindufirie einzuwirken fuchte. Das im Jahre 1864 in den befchei-
denen Räumen am Ballplatze eröffnete Wiener «Mufeum für Kunfl und Induftrie»
hat bis zum heutigen Tage, wo das neue flattliche Haus am Stubenring den
reichen Sammlungen und der Kunflfchule abermals zu enge wird, in umfaffender
Weife feinen Einflufs auf den Gefchmack geltend gemacht und nahm nicht ge-
ringen Antheil an der hervorragenden Stelliing der öflierreichifchen Induflrie auf
der Weltausftellung. Die Kunftfchulen Frankreichs, die es bisher mit den Prin-
480
ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT.
cipien nicht allzu genau nahmen und im Grofsen und Ganzen noch der Willkür
des vergangenen Jahrhunderts huldigten , lenkten in deutlich erkennbarer Weife
währepd der letzten Jahre in die von der Wiffenfchaft vorgezeichneten Hahnen
ein, und felbfl in Rufsland, das bis dahin in diefen Dingen faft ausfchliefslich
von Frankreich abhing, erwachte ein ernflerer Geift und wurde das kunfhndu-
(Irielle Schaffen zu den Quellen der nationalen Kunfl zurückgeführt. Nur Deutfch-
land zögerte, fich der modernen Strömung anzufchliefsen; feine alten Kunft-
fchulen verfolgten meiftens den breitgetretenen Weg hergebrachter Traditionen.
Erft in allerjüngfter Zeit ift auch hier das Bewufstfein durchgedrungen, dafs eine
Reform nöthig ift.
Die Weltausflellung von 1873 illuftrirte die Beflrebungen der Gegenwart
auf dem Gebiete des Kunftunterrichtes in umfaffender Weife.
Was zunächft den Zeichenunterricht in Oefterreich anbelangt, fo datirt
eine eigentliche Pflege deffelben in den unteren und mittleren Unterrichtsan-
ftalten erft feit den Fünfzigerjahren und zwar waren es die damals gegründeten
Realschulen, in welchen diefer Gegenftand in den allgemeinen Unterricht aufge-
nommen wurde. Der vorwiegend gewerbliche oder vielmehr technifche Charakter
der bezeichneten Anftalten gebot damals dem Zeichnen, fich als dienendes Glied
dem Lehrplane einzufügen und hauptfächlich in einer gewiffen manuellen Fertig-
keit das Ziel zu fuchen. Die öfterreichifche Realfchule hat jedoch heute eine
breitere Bafis erhalten ; das Zeichnen hat dadurch erft feine eigentliche Be-
deutung gewonnen, dafs der humaniftifche Theil deffelben jetzt in den Vorder-
grund tritt und die Fertigkeit als folche diefem höheren Zwecke dienftbar ge-
macht wird. Diefs kann jedoch nur mit tüchtigen und vielfeitig gebildeten
Lehrern und mit gediegenen Lehrmitteln erreicht werden. Nach beiden Rich-
tungen hin find in letzterer Zeit entfprechende Verfügungen getroffen worden und
darum hat fich in erfter Linie das öfterreichische Mufeum verdient gemacht.
Durch die Errichtung eines Seminars für Zeichenlehrer ift es den Candidaten
möglich geworden, fich auch in allen nothwendigen Hilfswiffenfchaften für ihren
Beruf auszubilden, und die Vervielfältigung gediegener Vorlagen hat den Zei-
chenfälen eine Fülle guter Lehrmittel zugeführt.
Die bisherigen Erfolge des Zeichenunterrichtes in Oefterreich an den Real-
fchulen find, wenn man bedenkt, dafs fich der Gegenftand erft in den Schulen
einbürgern mufste und mit mannigfachen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, im
Grofsen und Ganzen als glänzend zu bezeichnen, und wenn hie und da noch
Schwächen zu Tage treten, fo find fie nur in einigen Anftalten in den Provinzen
zu fuchen , deren Dotirung mit Lehrmitteln noch keine gleichmäfsig gute ift.
Obenan ftehen die Anftalten von Wien.
In der Lehrmethode zeigen fich nur geringe Verfchiedenheiten, die aus den
individuellen Anfchauungen der Lehrer und oft auch aus örtlichen Verhältniffen
der Schulen hervorgehen. In den böhmifchen Realfchulen, welche noch nach
dem alten Syfteme eingerichtet find, hat das technifche Zeichnen noch die Ober-
hand; doch findet an vielen Anftalten, zunächft in Prag, auch das freie Zeichnen
feine richtige Pflege.
Gröfsere Verfchiedenheit herrfcht im Zeichenunterricht noch an den Real-
ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT. 481
gymnafien. Diefe Anftalten find meift noch zu jung (die alterten datiren vom Jahre
1864) und das Zeichnen bildet bis jetzt nicht einen fo integrirenden Theil des
gefammten Bildungsapparates, wie an der Realfchule. Die Refultate der Wiener
Anftalten kamen denjenigen der Unterrealfchule gleich; in denen der Provinz
wird zwar der Lehrgang der Realfchule anfangs feft gehalten; da aber der Ge-
genftand in den höheren Claflfen facultativ ift, wird das Syftem meift fallen ge-
laflen und das Angenehmere dem Nützlichen vorgezogen.
Eine ganz untergeordnete Rolle fpielt noch das Zeichnen an den eigentli-
chen Gymnafien, wo es nur theilweife als freier Lehrgegenftand erfcheint; dagegen
erweitert fich fein Gebiet in fehr erfreulicher Weife in der Volksfchule. Es wird
hier mit wenig Ausnahmen überall nach den richtigen Grundfätzen vorgegangen.
Aufser den Wiener Schulen lagen befonders von den Anftalten der gröfseren
Provinzftädte mitunter muftergiltige Arbeiten vor. Dafs noch hie und da das
«Bildchenmachen» gepflegt wird, ift dem Umftande zuzufchreiben, dafs noch
nicht allerorts Lehrer vorhanden find, die für einen fyftematifchen Zeichenunter-
richt die nöthige Vorbildung befitzen. Das Beftreben, die für die erfte Unter-
richtsftufe einzig richtige Methode durchzuführen, nämlich von den geradlinigen
geometrifchen Formen zum freien Contourornamente vorzugehen, tritt allent-
halben in erfolgreichfter Weife hervor, und die Thätigkeit, welche die öfterreichi-
fche Lehrerwelt im Schaffen von guten Vorlagewerken diefer Art entwickelt, ift
rühmlich hervorzuheben. Zahlreiche Arbeiten , die dem guten Principe folgend,
im Wefentlichen wenig Verfchiedenheit zeigten, lagen neben den bereits publi-
cirten noch in Handzeichnungen vor. Die ftigmographifche Methode wird viel-
fach mit gutem Erfolge auf der erften Stufe des Unterrichtes angewendet. Ge-
theilter wird das Zeichnen an den Bürgerfchulen betrieben , wo befonders in
Böhmen an manchen Anftalten die Wahl der Vorbilder zu tadeln ift; dagegen
lagen von den mährifchen, fchlefifchen und öfterreichischen Schulen diefer Kate-
gorie gröfstentheils gute Arbeiten vor. An den Lehrerbildungsanftalten, wo in
erfter Linie das Contourornament zur Geltung zu kommen hat und Uebungen
darin durch Tafelzeichnen anzuftellen find, wird diefem auch meiftens in ent-
fprechender Weife Rechnung getragen; nur find vielfach noch ältere Ornament-
fchulen ohne ausgefprochenen Stil in Verwendung und nebenbei werden auch
Köpfe im Schatten nach den älteren franzöfischen Vorlagewerken gezeichnet,
was dem exacten Formenftudium mehr Eintrag thut, als Nutzen fchafft. Mufter-
haft hatte die deutfche Lehrerbildungsanftalt in Prag den correcten Lehrgang in
ihren Schülerleiftungen dargeftellt. Im Ganzen zeigte aber die Ausftellung, dafs
in Oefterreich in den für allgemeine Bildung beftimmten Schulen der Zeichen-
unterricht eine weitaus beffere Pflege findet, als in irgend einem Staate Europa's
und dafs derfelbe gerade in der Gegenwart erft im voUften Auffchwunge begriffen
ift. Nicht in gleichem Mafse kann dies vorläufig noch von den gewerblichen
Schulen gefagt werden. Bis zu den Fünfzigerjahren wurde nach diefer Richtung
äufserft wenig gethan, und das öfterreichifche Kunftgewerbe war daher faft aus-
fchliefslich auf ausländifche Kräfte angewiefen. Die Erfahrungen auf den letzten
Weltausftellungen legten die Nothwendigkeit einer befferen Pflege des Unter-
richtes dar : doch nur langfam fanden fich die Mittel, um den einzelnen Induftrie-
61
482- ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT.
zweigen vorwärts zu helfen, bis im Jahre 1872 das Handelsminifterium fich der
Sache warm annahm und im Verlaufe von nur einem Jahre fchon 23 neue Kunft-
fchulen für induftrielle Zwecke eröffnete (bis dahin gab es im ganzen Reiche
blos 10), deren Refultate trotz der kurzen Zeit ihres Beftehens fehr lobenswerth
find. Bedeutender in den Leiftungen, ja mitunter hervorragend erfchienen einige
der fchon früher gegründeten Anflalten, von denen die Glasinduftriefchulen von
Steinfchönau, Haida, Gablonz und vor allen die höhere Webefchule in Brunn
befonders hervorzuheben And.
Von den gewerblichen Fortbildungsfchulen waren vorzugsweife die Wiener
mit ganz tüchtigen Leiflungen vertreten; eine Reform derfelben ift foeben im
Vollzuge ; in der Zukunft werden diefe Anflalten mit weniger Schwierigkeiten zu
kämpfen haben, als es bisher der Fall war, da durch die Errichtung von vorbe-
reitenden Claffen eine gleichmäfsigere Vorbildung der Schüler erzielt werden
dürfte.
Von den höheren Bau- und Mafchinen-Gewerkfchulen hatten die Anflalten
von Wien und Frag vorzügliche Leiflungen ausgeflellt; auch die Baugewerkschule
von F. Märten s in Wien beflätigte ihr altes Renomme.
Die Ausflellung der Kunflgewerbefchule des öflerr. Mufeums fand wäh-
rend der Weltausftellung in den Sälen des Mufeums felbfl flatt und bot in
ihren brillanten Erfolgen ein klares Bild der modernen Beflrebungen. Der
ßeflimmung der Anflalt nach werden diejenigen Zweige der Kunft, welche
mit den Gewerben in nächfler Verbindung flehen, als die Hauptgegenflände
betrachtet und gliedern fich die Lehrcurfe nach folgenden Specialgruppen:
i) die Baukunfl in ihrer Anwendung auf die Ausfchmückung der Gebäude;
2) die Bildhauerei; 3) das ornamentale und 4) das figürUche Zeichnen und Malen
in ihren Beziehungen auf die Kunflgewerbe. Eine Reihe von technifchen und
wiffenfchaftlichen Nebenfächern verfchaffen den Zöglingen die allfeitige Ausbil-
dung, welche zu einem erfolgreichen Wirken im Kunflgewerbe nöthig ifl. Von
Seite der gewiegteflen Fachmänner, die während des internationalen Fefles diefe
Arbeiten in Augenfchein nahmen, fanden die Erfolge die reichfle Anerkennung
und das Syftem, nach welchem die Schule arbeitet, wurde allgemein als mufler-
haft für den kunflgewerblichen Unterricht bezeichnet. Die Entwickelung der
Anflalt ifl leider noch durch die gegebenen Räumlichkeiten befchränkt; nament-
lich der praktifche Theil der Schule wird erfl im vollen Umfange zur Geltung
gelangen, fobald das neue Gebäude, welches fpeciell für die Kunflgewerbefchule
errichtet wird, bezogen werden kann.
Wenn wir hier auch einen Blick auf die Verhältniffe des Kunflunterrichtes
in den Landen jenfeits der Leitha werfen, fo haben wir vorläufig nur die für
die Pflege deffelben getroffenen Verfügungen zu erwähnen. Es ifl Thatfache,
dafs Ungarn im letzten Jahrzehnt mehr für die Kunflpflege überhaupt gethan
hat, als früher in Jahrhunderten gefchehen war. Sammlungen wurden angelegt
oder reorganifirt, Vereine zur Hebung der Kunfl gegründet. Schulen errichtet,
Stipendien creirt und reiche Aufträge heimifchen Künfllern gegeben. Die Früchte
diefer Beflrebungen hat jedoch erfl die Zukunft zu bringen.
Als Centralflelle für die Pflege des Kunflunterrichtes im weiteren Sinne
ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT.
483
wurde eine Anftalt in's Leben gerufen, welche in ihrer Organifation den gegen-
wärtigen Verhältniffen cntfprcchend, für die Hebung des genannten Bildungsge-
genftandes vom wohlthätigen Einfluffe fein wird. Es ifl dies die königl. ungari-
fche Landes-Zeichenfchule und das damit verbundene Zeichen-Seminar in Pefl.
(eröffnet am i. Nov. 1871). Ihr Charakter ifl der einer höheren Kunftgewerbe-
Schule mit befonderer Rückficht auf die freien Künfte und wurde die Leitung
derfelben in dfe Hände des Herrn Guftav Keleti gelegt, welcher im Auslände
die reichften Studien über den Kunflunterricht gemacht hat und nach feinen
Erfahrungen auch die Schule organifirte. Die ausgeftellten Unterrichtsrefultate
können als fehr befriedigend bezeichnet werden; fic zeigten durchweg eine ge-
diegene Auffaffung und im Vortrag eine freie künfllerifche Behandlung, was mit
Rückficht auf die kurze Zeit des Beftehcns der Anftalt befonders anerkennens-
werth ift.
An den ungarifchen Realschulen, fowie an den Gymnafien, wo ebenfalls der
Zeichenunterricht obligatorifch ift, mangelt es vor Allem noch an tüchtigen Lehr-
kräften ; fo lange diefe nicht herangezogen find, mufs es mit den Erfolgen ftets
noch problematifch ausfehen. Eine Ausnahme hievon machen jedoch fchon
gegenwärtig die Realfchulen von Peft und Ofen , fowie die von Prefsburg und
Kafchau. Auch in den (nunmehr fchon gefetzlich geregelten) Volksschulen ift
hauptfächlich der Mangel an gehörig gefchulten Lehrkräften die Urfache, dafs
es mit dem Zeichenunterricht noch äufserft primitiv ausfieht; doch wird von Seite
der Regierung nichts verfäumt, um auch in diefem Punkte die Volksbildung zu
unterftützen und durch zweckmäfsige Publicationen zu fördern.
Dafs die Ausftellung des deutfchen Reiches in der Induftrie und Kunft
bei der Concurrenz mit den anderen Staaten einen hervorragenden Platz ein-
nahm, wird wohl jedermann ohne Frage zugeben. Die Maffe fowohl als die
Vielfeitigkeit der Production zeigte, dafs es der Nation nicht an Reichthum
und Talent mangelt, um die höchften Ziele anzuftreben und dafs fie alle Mittel
befitzt, um auch auf dem Wahlplatze der Arbeit die Siegespalme zu erringen. Dafs
dies aber trotz aller Anftrengungen noch nicht gefchehen ift und dafs der Kampf
befonders im Gebiete der Kunftinduftrie wieder zu Ungunften der Deutfchen aus-
fallen mufste, ift hauptfächlich den Mängeln des Kunftunterrichtes zuzufchreiben.
Die Erfahrungen, die auf den früheren Ausftellungen gemacht wurden, haben
wohl langfam eine Wandlung des Gefchmackes veranlafst, aber eine entfchie-
dene Reform ift bisher noch nicht durchgedrungen. Freilich fehlte bis vor Kur-
zem hiezu die nothwendige ftaatliche Einheit und mit ihr ein leitender und an-
regender Impuls von Oben herab; dann aber ein zweckmäfsiger allgemeiner
Volksunterricht in den Dingen des Stils und Gefchmacks. Das Zeichnen, welches
aufser den eigentlichen Kunftfchulen bisher blofs in den gewerblichen Fortbil-
dungsanftalten, den Sonntags- und Abendcurfen etc. gepflegt wurde, findet neuer-
dings auch theilweife in den allgemeinen Unterrichtsanftalten Eingang, mit der
Miffion, den Sinn für das Schöne zu wecken. Vieles bleibt zwar in diefer Hin-
ficht noch zu wünfchen übrig, die vollfte Anerkennung aber verdient fchon jetzt
das energifche Streben der deutfchen Zeichenlehrer, welche fich mit dem regften
Eifer ihres Gegenftandes annehmen und befonders in Bezug auf Methodik und
Ol'
484 ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT.
zweckmäfsigc Vorlagewerkc für den Elementarunterricht zum Tlieil Treffliches
geleiftet haben. Zu bedauern war es, dafs auf der Ausftellung wenig Schüler-
arbeiten aus den Volks- und Mittelfchulen vorgelegt waren; das Meifte fandten
die Fach und Fortbildungsfchulen, und in diefer Hinficht konnte befonders aus
Süd-Deutfchland ein klares Bild der gegenwärtigen Bcflrebungen gewonnen werden.
Umfaffend hatte Bayern fein Unterrichtswefen repräfentirt. Der Zeichen-
unterricht, fo weit er in den verfchiedenen Schulen gepflegt wird, dient
fafl ausfchliefslich gewerblichen Zwecken; der Schwerpunkt deffelben liegt in
den kunftgewerblichen Schulen von München und Nürnberg. Die Arbeiten aus
den beiden Anftalten bildeten auch den Glanzpunkt der bayerifchen Ausftellung
und es war vorzugsweife die Nürnberger Schule, welche in grafsartiger Weife
ihre Leiftungen vorführte. Das Inflitut hat in den letzten zwei Jahrzehnten unter
Kreling's Leitung einen bedeutfamen Auffchwung genommen; die Organifation
deffelben läfst nichts zu wünfchen übrig. Es werden neben den vorbereitenden
Studien im Zeichnen und Modelliren auch die verfchiedenen für das Kunflge-
werbe wichtigen Arbeiten in Holz, Metall etc. geübt und für diefe Zwecke von
der Anftalt Beftellungen übernommen, die dann von den Schülern unter Leitung
ihrer Lehrer ausgeführt werden. Es handelt fich nur darum, zu unterfuchen, wie
die Richtung der Schule fich in Bezug auf den Stil zu der allgemeinen Strömung
der Zeit verhält und welche Rolle fie in diefer Beziehung in der Gegenwart fpielt.
Wer das alte Nürnberg durchwandert, wird es begreiflich finden, dafs inmitten
der lebendigflen Traditionen des Mittelalters, unter den fchönften Blüthen der
deutfchen Kunft aus jener Epoche in einer dortigen Kunftfchule diefe Elemente
noch fortleben muffen, felbft wenn anderwärts die Zeit längft der Kunfl; ein neues
Gewand gefchaffen hat. Die Nürnberger Kunftfchule, die denn ehedem vorwie-
gend die Gothik pflegte, hat nun wolil, von der Zeit gedrängt, nach und nach
die deutfche und auch die italienifche Renaiffance aufgenommen , aber die ver-
fchiedenen Elemente vereinigen fich in ihrem Berühren nicht zu neuer Fruchtbar-
keit. So achtenswerth die Leiftungen der Schule nach verfchiedenen Rich-
tungen hin genannt werden muffen, fo war daraus doch nur zu erkennen, dafs
in dem Nachahmen des Hergebrachten auch ihre höchfte Leiftung liegt. Es
fehlen die pulftrenden Elemente, die zu neuen, lebensvollen Formen anregen.
Die Stilrichtung, welche in der königlichen Kunftgewerbe-Schule in München
gepflegt wird, fchliefst fich, wie die Ausftellung zeigte, vorwiegend an die
Renaissance an; jedoch wird auch auf ältere claffifche Motive zurückgegriffen.
Die Zeichnungen beftanden meiftens in Decorationsmotiven. Hier belebt ein
eifriges Studium der Pflanze die Motive und deffen wohlthätiger Einflufs zeigte
fich insbefondere bei den farbigen Studien. Die Gypsornamente, von den Schü-
lern meift nach kleinen Skizzen von dem verftorbenen Director H. Dyk ge-
fertigt, waren mit vollem Verftändniffe der Formen und mit viel Delicateflfe
ausgeführt; dasfelbe gilt von den Holzarbeiten und Broncen; fchwächer war
das Figurenzeichnen repräfentirt; auch hierin war jedoch der Lehrgang fyftematifch
dargeftellt, und konnten die Leiftungen von Stufe zu Stufe verfolgt werden. Im
Architecturzeichnen fanden sich gut gezeichnete Studien von griechifchen und
römifchen Denkmälern und Decoratives aus der Renaiffance vor.
ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT.
485
Die Münchener Handwerker-Fortbildungsfchule glänzte vorzüglich im techni-
fchen Linearzeichnen ; dem Ornamente fehlte vielfach die Grazie. In den Zeichnungen,
welche vom polytechnifchen Centralverein in Würzburg ausgcftellt waren, konnte kein
befonderer Gefchmack entdeckt werden. Die Erfolge des Zeichenunterrichts
an den übrigen Gewerbe fchulen Bayerns (vorzugsweife den fogenannten Kreis-
gewerbefchulen) waren im Allgemeinen befriedigend; dagegen liefsen die Leiftungen
der gewcrbhchen Fortbildungsfchulen Manches zu wünfchen übrig. Mit guten
Refultaten waren nur die Tagesfchulen von Rofenheim und Regensburg ver-
treten; letztere Anftalt (eine Baugewerkfchule) hatte auch den Lehrgang in
allen Sectionen des Zeichnens klar illuftrirt.
Eine ganz untergeordnete Rolle fpielt der Zeichenunterricht noch in den
für allgemeine Bildung beftimmten Schulen Bayerns ; am heften wird der Gegen-
ftand in den (feit 1864 gegründeten) Realgymnafien gepflegt; die Anftalten
von München und Regensburg hatten wohl die heften Leiftungen aufzuweifen,
nur wird im Allgemeinen das Figuren-Zeichnen mangelhaft betrieben, wie über-
haupt die Lehrmittel in den bayerifchen Zeichenfchulen noch Vieles zu wünfchen
übrig laffen. Ganz darnieder liegt der Zeichenunterricht in der Volksfchule, wo
aufser München nur noch an wenigen Orten diefem Bildungselemente Rechnung
getragen wird.
In Betreff der Pflege des Zeichenunterrichts in den unteren und mittleren
Schulen, fowic insbefondere in den gewerblichen Fortbildungsfchulen fteht unter
den deutfchen Staaten wohl Württemberg am wciteften voran. Ueberrafchend
war es, auf der Ausftellung zu fehen, dafs dort allerorts mit nahezu gleich guten
Erfolgen gearbeitet wird; felbft die jüngeren Schulen waren mit den lobenswer-
theften Leiftungen vertreten. Das Land befitzt gegenwärtig an 155 Orten (iio
Städten und 45 Dörfern) gewerbliche Fortbildungsfchulen und für die weitere
Ausbildung in den verfchiedenen technifchen und Kunftfächern die polytechnifchc
Schule, die Baugewerbfchule und die Kunftfchule in Stuttgart. Der Zeichen-
unterricht wird allgemein auf der unteren Stufe mit den Herdtle'fchen Vorlage-
blättern begonnen, woran fich das Studium nach geometrifchen plaftifchen Körpern
reiht; dann wird allmählig zum freien (Gyps-) Ornamente vorgefchritten. Für
diefe Zwecke wurde in der Modelliranftalt der königlich württembergifchen Cen-
tralftelle für Gewerbe und Handel eine Serie von mehr als 400 Gypsmodellen
angefertigt, die in ununterbrochener Reihenfolge gleichfam den Lehrplan den
Schulen dictiren. Die Motive bewegen fichausfchliefslich im Geifte derRenaiffance.
Für das Naturblumen-Zeichnen reihen fich auch Abgüffe von Pflanzen etc. der
Sammlung an. Das figürliche Zeichnen wird nach antiken und modernen Vor-
bildern gepflegt. Was die Technik des Zeichnens in den württembergifchen
Schulen anbelangt, fo ift zu bemerken, dafs durchwegs mit Kreide oder Kohle
auf weifsem Papier gearbeitet wird, wobei felbftverftändlich der Ton bis zum
höchften Licht fortentwickelt werden mufs. Es ift diefe Manier beinahe in ganz
Deutfchland üblich, obfchon fie die meifte Zeit fordert und das getonte Papier
der Franzofen vorzuziehen wäre. Die Ausführung der Arbeiten war mitunter
meifterhaft; es konnte nur die Geduld der Schüler bewundert werden, —
freilich mit dem gleichzeitigen Bedauern über die darauf verwendete Zeit.
486
ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT.
Der fachliche Unterricht im Zeichnen richtet fich nach den örtHchen BedürfniiTen
und an den nieiften Anftalten wird auch im l.inear-Zeichnen ganz Vorzüg-
liches geleiftet. Es ift unmöglich, die Leiftungen der einzelnen Schulen hier
zu befprechen; als befonders bemerkenswerth feien jedoch angeführt die Anftalten
von Aalen, Biberach, Ehingen, Ellwangen, Efslingen, Geislingen, Gmünd, Giengen,
Hall, Heilbronn, Ludwigsburg, Ravensburg, Rottweil, Rottenburg, Schwenningen
und Sulzau.
Stuttgart, als die Centralflelle des kunflgewerblichcn Unterrichtes, nahm mit
feinen höheren Schulen felbftvcrfländlich auch in Betreff der Leiftungen den be-
deutendflcn Raum ein, und zwar ift hier die königliche Kunflgcwerbefchule zu-
nächft zu erwähnen. Es war von der Commiffion bei der Ausftellung darauf
Rückficht genommen, alle Zweige des Zeichnens und Modellircns, welche an der
y\nftalt gepflegt werden, zur Anficht zu bringen. Im Stile dominirte die Renaif-
fance; doch fanden fich unter den Zeichnungen auch fchöne Studien nach claf-
fifchen Denkmälern, pompejanifchen Wanddecorationen etc. Von den ausgeftellten
])laflifchen Gegenftänden verdienen befonders ftilvolle Metallarbeiten hervorgehoben
zu werden ; auch die Holzfchnitzereien zeugten von bedeutender tcchnifchcr Ge-
wandheit der Verfertiger.
Die königliche Baugewerbfchule hatte Aufnahmen von Bauwerken ver-
fchiedener Stile, decorative Architekturwerke und fclbftändigc Entwürfe von
Schülern in dem Gebiete der Architektur und des Mafchinenbaues zur Anfchau-
ung gebracht. — Aus der Kunflfchulc in Stuttgart waren diverfe Naturftudien und
auch fclbftfländige Compofitionen von den Schülern vorgelegt. Von letzteren
fiel uns befonders eine reizend gedachte Sommerlandfchaft mit reicher Staffage
und eine im Geifle Schwind's gehaltene Zeichnung zu dem Märchen „Siebenschön"
auf. — Der Zeichenunterricht in den Volksfchulen ift befonders feit 1870 im
rafchen Auffchwunge begriffen und die ausgeftellten Arbeiten zeigten bei einem
einheitlichen Syflem die heften Erfolge.
Das Grofsherzogthum Baden hatte fich, wie in Paris 1867, fo auch auf der
Wiener Weltausftellung im Unterrichtswefen wenig betheiligt. Den gewerblichen
Fortbildungsfchulen wird in diefem Lande die forgfamfte Pflege gewidmet; es
beläuft fich deren Zahl gegenwärtig auf 43 ; in denfelben wird jedoch weniger
rein fachliche als vielmehr allgemeine Bildung angeftrebt. Es lagen nur Schüler-
arbeiten von der gewerblichen Unterrichtsanftalt in Carlsruhe vor, die befonders
in den decorativen Entwürfen als lobenswerth zu bezeichnen find.
Auch Preufsen hatte im Gebiete des Zeichen- und Kunftunterrichtes die
Ausftellung äufserft mangelhaft befchickt. Die Haupturfache des Fernebleibens
der Schulen mit hiehergehörigen Leiftungen mag wohl gewefcn fein, dafs im
Grofsen und Ganzen überhaupt Norddeutfchland weder mit den Südftaaten noch
mit dem Auslande fich in eine Concurrenz einlaffen kann. Die Beftrebungen
des „Vereines zur Förderung des Zeichenunterrichtes" verdienen die voUfte An-
erkennung ; doch dürften die Erfolge der thätigen Mitglieder deffelben noch kaum
weiter als in Berlin zu fuchen fein. In den Realfchulen und Gymnafien fpielt
der Zeichenunterricht eine ganz untergeordnete Rolle; dadurch ift von vorne-
weg dem Gegenftande jede Lebensfähigkeit genommen.
*
ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICIIT.
487
Die Gewerbefchulen Preufsens find in ihrer Organifation (vom 21. März 1870)
mehr auf allgemeine als auf fpeciell gewerbliche Bildung angelegt, nur das Linear-
zeichnen findet in ihnen eine forgfamere Pflege. Gröfsere Kunfl:- und Gewerbe-
fchulen beftehen bis jetzt nur in Berlin, Danzig, Breslau, Erfurt und Magdeburg.
Auch die Fachfchulen find in Preufsen noch wenig entwickelt; eine Aus-
nahme bildet nur das Manufacturfach, in welchem ein erfreulicher Auffchwung
zu verzeichnen ift.
Von den königlich preufsifchen Provinzial-Gewerbefchulen lagen nur Ar-
beiten aus der Anftalt in Saarbrücken vor, und diefes Beifpiel bezeugte, dafs
dort im Allgemeinen das Zeichnen von tüchtigeren Kräften gelehrt wird, als
an den Communal-Anfbalten. Ebenfo entfprechend waren die Zeichnungen der
Schule des Mufeums Wallraf-Richartz zu Köln. Der Berliner Handwerkerverein
gab nur in flatiflifchen Tafeln, Berichten etc. ein Bild feiner Thätigkeit, fowie
auch die königliche Bauakademie und Gewerbeakademie nur Lehrbehelfe aus-
geftellt hatten, die allerdings als einzig in ihrer Art bezeichnet werden muffen.
In Sachfen wird im gewerblichen Unterricht vorzugsweife den Bedürfniffen
der Arbeiter Rechnung getragen und find gegenüber Preufsen die Fachfchulen in
viel bedeutenderer Weife entwickelt; es fpielt demgemäfs der Zeichenunterricht
in den gefammten gewerblichen Schulen des Landes eine gewichtigere Rolle.
Leider hatte Sachfen wegen Raummangel nur wenig Schülerleiflungen vorge-
legt; es befchränkte fich die Ausflellung mehr auf Vorlagewerke, Modelle und
andere Hilfsmittel; umfaffend hatten nur die technifchen Schulen zu Dresden
und Frankenberg ausgeflellt.
Das Zeichnen ift in den unteren Schulen Sachfens wohl erfl: feit 1873 obligat,
fand aber fchon früher an vielen Orten ausgezeichnete Pflege. Die Vorlagewerke
von H. S c h m i d t und W. Zimmermann (Lehrern an den Zwickauer Mittelfchulen)
find in ihrer trefflichen Methodik allenthalben anerkannt. Nach F. W. Trelau's
„kleinem Zeichner" wird gegenwärtig allgemein auch in den öflerreichifchen
Schulen vorgegangen und es waren überhaupt die genannten Lehrer, welche den
Elementar-Zeichenunterricht zuerfl in ein feftes Syftem brachten. Die vorge-
legten Schülerarbeiten nach genannter Methode zeigten die heften Erfolge.
Von den ausgeftellten Zeichenlehrmitteln verdienen befonders die von Kr u m fa-
ll olz und Hähnel entworfenen Modelle hervorgehoben zu werden; fie haben
die Beftimmung, fich dem elementaren Zeichnen anzufchliefsen und den Unter-
richt bis zum Rundmodell fortzufetzen. Die aus drei Serien beftehende Samm-
lung ift jeder Zeichenfchule auf das wärmfte zu empfehlen.
Das Grofsherzogthum Heffen hatte in umfaffender Weife die Leiftungen
feiner Handwerker- und Fortbildungsfchulen ausgeftellt. An den dortigen An-
ftalten wird vorwiegend das technifche Zeichnen gepflegt und die Refultate find
im Durchfchnitte fehr befriedigend zu nennen. Die ausgezeichneten Modelle von
j. Schröder find von früheren Ausftellungen her vortheilhaft bekannt.
Ungetheiltes Lob haben fich auf der Ausftellung die Hamburger Schulen
erworben. Durch das rege Zufammenwirken intelligenter tüchtiger Lehrer an
der dafelbft befindlichen allgemeinen Gewerbefchule hat fich an diefer Anftalt
und nunmehr auch in den Volksfchulen eine beftimmte Lehrmethode ausgebildet.
4S8
ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT.
die in ihrem wohlgeordneten flufenmäfsigen Fortfehreiten mufterhaft genannt
werden darf. Es waren Proben der Leiftungcn von den Elementarfchulen , der
allgemeinen und (der damit verbundenen) Baugewerkfchule, fowie der Mädchen-
gewerbefchule ausgeftellt und darin der fyftematifche Lehrgang zur Anfchauung
gebracht. Der modernen Gefchmacksreform wird vielleicht in keiner Kunftfchulc
Deutfchlands in umfaffendercr Weife Rechnung getragen als an dem Hamburger
Inftitute, das mithin den Beftrebungen Englands und Oefterreichs fich anfchliefst.
Welchen Auffchwung die Anflalt nimmt, beweift wohl am deutlichften die Fre-
quenz; dem letzten Jahresberichte (1874) nach ift die Zahl der Eleven an der
allgemeinen Gewerbefchule fchon auf 1306 geftiegen.
Es ift eine unabweisbare Thatfache, dafs die kiinftlerifchen Beftrebungen in
unferer Zeit mehr als ehedem bevormundet, gepflegt und dirigirt werden können.
Zunächft ftehen uns durch die rege Thätigkeit der kritifchen Kunftwiffenfchaft
die Claffiker der Vergangenheit zu Gebote, die in Sammlungen dem Volke vor-
geführt, auf den Gefchmack desfelben Einflufs nehmen können, und dann find es
die Zeichenfchulen, oder allgemeiner der Kunftunterricht, durch welchen direct
auf das Schaffen der Kunft und des Kunfthandwerkes eingewirkt werden kann.
In England und Oefterreich ftehen diefe Mittel zur Reform des Gefchmacks in
erfolgreichfter Anwendung. Die Oppofition gegen die hergebrachten franzöfifchen
Kunftanfchauungen , von diefer Bafis aus betrieben, hat aber auch in Frank-
reich diefelben fchon längft dagewefenen Mittel zum Bewufstfein gebracht, und
nicht zu verkennen find in der jüngften Zeit die energifchen B%ftrebungen der
Franzofen, durch den Zeichenunterricht läuternd auf die Gefchmackserziehung
zu wirken. Wurde ehedem weniger auf eine beftimmte Richtung des Stils oder
auf Veredlung der Formen in den Schulen Werth gelegt und allein in der tech-
nifchen Fertigkeit und in der virtuofen Nachahmung des Aeufserlichen zu bril-
liren gefucht, fo zeigte es fich auf der Ausftellung, dafs in der Auswahl der Vor-
lagewerke, der Modelle etc. fchon zu fefteren Principien eingelenkt wird, und dafs
die claffifchen Vorbilder des Alterthums und der Renaiffance allmählig die willkür-
lichen Motive verdrängen. Einen regen Antheil nehmen an diefer Bewegung die
Parifer Verleger, die ja fchon zur Zeit, als Julien der tonangebe.ide Autor für
die Zeichenfäle war, alle Welt mit Vorlagen verforgten; was in den letzten
Jahren in diefer Richtung publicirt wurde, hält fich ausfchliefslich an gediegene
Vorbilder und der Einflufs derfelben ift auch grofsentheils fchon in den Schulen
wahrnehmbar.. Von den neueften Erfcheinungen, die auf der Ausftellung vorlagen,
ift vor allen F. Ravaiffon's Werk: „Claffiques de l'art" zu nennen, eine um-
fangreiche Collection von Photographien nach den claffifchen plaftifchen Werken
des Louvre und nach Handzeichnungen alter Meifter, in folcher Weife aufge-
nommen, dafs fie leicht mit Kreide oder einem fonftigen Material copirt werden
können. Das Werk foll, einem Wunfche der Regierung nach, an fämmtUchen
Zeichenfchulen, Lyceen etc. in Frankreich eingeführt werden, um den Gefchmack
zu läutern und die Kunftanfchauungen in ein einheitliches Geleife zu bringen. In
den Tendenzen zwar allgemeiner, aber alle früheren Productionen überragend
ift der „Cours de deftin" von Ch. Bargue; der erfte Theil enthält in ausgezeich-
netem Vortrage Studien nach der Antike, der zweite Theil Facfimiles nach Hand-
ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT.
489
Die Grazien, Aquarell von E. Bitterlich.
Zeichnungen alter Meifter. Von Ornament-Werken find die Arbeiten vonLievre,
Chazal, Victoris und Athanafe ihrer forgfältigen Auswahl und delicaten
Ausführung wegen zu erwähnen. Es finden fich darin Motive nach Denkmälern
aller Stile mit befonderer Betonung der Renaiffance. Vorlagewerke für die erfle
Stufe des Unterrichtes find in den letzten Jahren maffenhaft in Paris producirt
worden, und im Ganzen ifl: zu bemerken, dafs das Hauptaugenmerk fchon im
Beginn des Unterrichtes auf eine künfHerifche, freie Darftellungsweife gerichtet ifl:.
Es handelt fich dabei nicht — ■ und darin unterfcheiden fich die Franzofen
wefentlich von den Deutfchen — • um die Begründung der Form, um den geome-
trifchen Aufbau derfelben ; das Geradlinige wird rafch abgethan, und fogleich auf
das freie, entwickelte Ornament hingearbeitet; lange Contourübungen als folche
finden nicht ftatt. Die zahlreichen Werke, die für den Unterricht im Linear-
zeichnen vorlagen, bewegten fich fo ziemlich alle in einem Geleife; nach dem
allgemeinen Theil wird ftets fogleich die praktifche Anwendung zum Ziele ge-
nommen. So fehr aber auch der Kunftunterricht in den Specialfchulen Frank-
reichs in Blüthe fleht, fo Vieles bleibt doch in diefer Hinficht noch in den
Schulen für allgemeine Bildung zu wünfchen übrig. In den Parifer Volksfchulen
wird wohl allenthalben gezeichnet und mitunter (befonders in den von den „Freres
chretiens" beftellten) mit namhaftem Erfolge, doch fehlt für eine allgemeine
Durchführung im Lande noch die Einheit des Unterrichtswefens überhaupt. In
den höheren Curfen der ecoles communales von Paris wird mehr Werth auf
ea
490
ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT.
das Linear7.eichnen gelegt; in den Gymnafien ift dem Gegenftande zu wenig Zeit
gewidmet, als dafs er erfolgreich betrieben werden könnte. In den Mädchen-
fchulen von Paris ift das Zeichnen wohl überall eingeführt, doch wird, bevor die
Contouren hinreichend geübt find, zu rafch zu Hlumen, Landfchaftcn etc. über-
gegangen, was felbflverftändlich dann in Spielerei und Dilettantismus ausartet.
Ganz vorzügliche Leiftungen waren dagegen aus einigen höheren l'enfionats der
Provinz ausgeftellt , unter welchen die von Tionville, Toulouse, Moulins, Ronen,
Clermont, Reims und Besangon befonders hervorzuheben find.
Den Glanzpunkt der Ausflellung bildeten die Leitungen der Parifer Special-
Zeichen fchulen, ^\orunter die von E. Levasseur und Lequien noch immer
den erften Rang einnehmen. Die Schülerleiftungen derfelben fanden fich der
„Kxpofition de la ville de Paris" einverleibt, wo auch das treffliche Modell
der Lequien'fchen Schule ausgeflellt war. Es werden bei Lequien, fowie in den
meiften anderen Municipal-Zeichenfchulen, alle Fächer des freien und linearen
Zeichnens gelehrt und die Ausflellung der genannten Schule imponirte fowohl
durch die künftlerifche Vollendung als auch durch die Vielfeitigkeit der Arbeiten.
In der Wahl der Motive des Ornaments ifl in diefen höheren Schulen zwar noch
nicht ganz mit dem Hergebrachten gebrochen ; das Rococo treibt fein heiteres
Spiel noch in ziemlich ausgelaffenen Variationen und hat fich befonders in der
Schule Levaffeur's noch erhalten. Neben diefem tritt aber fchon mit ziemlicher
Entfchiedenheit die Renaiffance in das Feld und mit den Vorbildern der claffi-
fchen Architectur kommen auch deren ornamentale Motive zur Anwendung.
Weit näher der Antike hält fich das figürliche Zeichnen. Der Vortrag ifl zwar
durchgehend malerifch, dabei aber die Modellirung keineswegs vernachläffigt
und ftets ifl: das Streben nach vollendeter 'laufchung wahrnehmbar. Das Gefühl
für die Wirkung von Licht und Schatten wird in den franzöfifchen Schulen in
viel höherem Grade gebildet, als in den deutfchen, in welchen das Hauptgewicht
auf die Durchbildung der Form gelegt und der malerifche Effect hintan gefetzt
wird.
Mit vorzüglichen Leiflungen waren aufser den genannten noch die (5coles
de deffin in der rue St. Bernard 20, rue d'Aligre und der avenue d'Italie ver-
treten. Die ecole de deffin der manufacture nationale des gobelins hatte fehr
intereffante Zeichnungen und Gobelinfludien ausgeflellt. Von der ecole fpeciale
d'architecture waren theils Original-Arbeiten, theils Photographien nach folchen
vorgelegt. Die ausgezeichneten Publicationen diefes Inflituts find bekannt.
Aus den Provinzflädten lagen ferner treffliche Arbeiten vor von den renommir-
ten ccoles profcffionelles zu Rouen, St. Quentin, Havre, Lyon und der ecole
induflrielle de la ville de Lille.
Gelegenheit ifl in Frankreich überall und fpeciell in Paris dem Arbeiter ge-
geben, fich künfllerifch zu bilden und tue Regierung hat es zu keiner Zeit
verfäumt, dahin zu wirken, dafs die gegebenen Vortheile auch fruchtbringend
ausgenützt werden. Haufsmann hat unter Napoleon zwar Vieles nach diefer
Richtung gethan, aber Vieles galt es noch durchzuführen, als die verhängnifs-
voUe Kriegskalaflrophe einen gewaltigen Einfchnitt in den Lauf aller Dinge in
Frankreich machte. Energifcher noch als früher nahm jedoch das jetzige Mini-
ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT.
491
fteriuni die Frage wieder in die Hand und ifl befonders für die Hebung der
Bildung der arbeitenden Klaffe fchr thätig. In Paris bcflehen gegenwärtig 33 öffent-
liche Zeichenfchulen aufser den höheren Kunftfchulen, und es find deren mehr
noch im Entflohen begriffen. Zur Ueberwachung des Zeichenunterrichtes find
Infpectoren ernannt, welche einer eigens hierfür eingefetzten Commiffion über
die Thätigkcit der Lehrer zu berichten und für die Conservirung der Schulen zu
forgen haben. — Es mag aus dem Gefagten erhellen, dafs die Pflege des Kunft-
unterrichtes in Frankreich faft ausfchliefslich der Induflrie gilt und eine allgemeine
P'rziehung des Volkes zur Kunfl jenfeits der Mofel noch ebenfo auf fich warten
läfst wie bei uns.
Der Induflrie gelten auch ausfchliefslich die Kunflfchulen Italiens, die in
wahrer Fluth mit ihren Leiflungen auf der Ausflellung erfchienen waren. Der
Zeichenunterricht ift in den Induflriebczirkcn des Landes mehr als Bcdürfnifs
und findet auch überall feine Pflege. Die fcuola tecnica hat zumeifl auch den
Charakter einer Induflriefchule, in welcher mehr befondere technifche Zwecke
verfolgt werden, als dafs den Elementen der allgemeinen Bildung Rechnung ge-
tragen würde. Ueberall fprach auch aus den Zeichnungen der praktifche Zweck
des Decorateurs, fclbft im Linear-Zeichnen , wo flets das gcomctrifche Orna-
ment (von Mofaikböden etc.) eine bedeutende Rolle fpielte. Aus allen Provinzen
des Landes, das ferne Sicilien nicht ausgenommen, lagen Portefeuilles mit
Schülerarbeiten vor, die jedoch weder in Betreff des Lehrganges noch in Bezug
auf Stil bedeutend variirten. Was in den Schulen ftudirt wird, was die Induflrie
producirt, wurzelt alles in der Renaiffance. In Bezug auf die — freilich oft unnütze
— Ausführung flehen die Italiener unerreicht da ; wie in Marmor, find fie auch
Virtuofen mit der Kreide und der Tufche. Das Studium wird jedoch fafl aus-
fchliefslich dem Ornamente gewidmet; das Figürliche fpielt eine ganz unterge-
ordnete Rolle.
Zwei Jahrzehnte find verfloffen, feit von England aus der Anftofs zur
Reform des Gefchmacks gegeben wurde und mit vielem Intereffe wurde auf den
bisherigen Ausflellungen die Wandlung in der englifchen Induflrie in Bezug auf
die Veredlung des Stiles verfolgt. Mit grofser Spannung wartete man ihrer auch
auf der Wiener Ausflellung und hoffte, dafs gerade in Hinficht auf den kunfl-
induflriellen Unterricht ein intereffantes Bild fich entrollen werde. Die Hoff-
nungen wurden nach diefer Richtung hin getäufcht. England hatte diesmal das
Hauptgewicht auf die Repräfentation feiner Colonien gelegt; es entfaltete feine
afiatifchen Reichthümer; die heimifche Induflrie war lückenhaft, der Unterricht
äufserfl flau vertreten. Aufser einigen Schülerarbeiten aus der Schule von South-
Kenfington und einigen Publicationen diefcs Inflitutes war weiter nichts vorhanden.
Es mufste befremden, dafs ein Land, von welchem doch die Idee der Weltaus-
flellungen zuerfl ausgegangen ifl, gerade das hochwichtige Feld des Kunftunter-
richts, dem es feine heutige Stellung in der Induflrie gegenüber den anderen
Staaten verdankt, fo mangelhaft beflellt hatte.
Wenn wir einen Blick auf die Ausflellung der South-Kenfington-Schule
werfen, fo finden wir für alle Zweige der Kunftinduflrie nette, flilvolle Arbeiten,
die das Streben nach einem einheitlichen Princip im Geifle der Reform überall
492
ZEICHEN- UND KUNSTUNTERICHT.
offenbaren. Die Leitung des Inftitutes hatte an einer Tafel die Claffeneintheilung
der Schule dargeftcllt und gefucht, wo möglich von jeder Branche etwas zu
bieten. Dadurch wurde denn freilich das Bild der Thätigkeit der Schule zcr-
ftückelt; denn zwei bis drei Blätter aus einer Specialabtheilung konnten diefe
wenig charakterifiren. Auch war es verfäumt, die Programme der Anftalt feit
1867 aufzulegen, wodurch das Fragmentarifche der Ausftellung hätte ergänzt
werden können. Nur mit Mühe konnte der Lehrgang in den vorbereitenden
Claffcn verfolgt werden. Es waren davon Contour-Ornamente nach plaftifchcn
Werken, dann fchattirte in Sepia und gezeichnete geometrifche Modelle in Kreide
vorhanden. Von den höheren (Special-) Claffen waren Copien nach Original-
modellen in diverfen Stilen, Naturftudien und felbftftändige Compofitionen aus-
geftellt ; das Befte darunter waren Entwürfe in Flächenverzierungen für Tapeten,
Stoffe etc. Die Blume wird mit Sorgfalt fludirt und in edler Weife zum Orna-
mente benützt; die Compofition des Ornamentes bezieht fich ftets auf den fertigen
Gegenftand und der Zweck der Verzierung ift immer im Auge behalten. Eine
geringere Rolle fpiclte unter dem Ausgeftellten das figürliche Zeichnen. Das
Hervorragendfle , was das Inftitut ausgeftellt hatte, bcftand in Radirungen,
die von den Schülern nach Gegenftänden des Mufeums für den Zweck der Ver-
breitung ausgeführt wurden. Die Ausftellung der „School of Art" zu Bombay
(in der Induftriehalle) bot wohl manches Intcrcffante, doch wenig Wichtiges in
Bezug auf den eigentlichen Kunftunterricht.
In umfaffender Weife hatte Rufsland die Beftrebungen des Kunftunterrichtes
im Lande dargeftellt. Schon von den letzten Weltausftellungen her ift es be-
kannt, wie fehr es fich dicfcr Staat angelegen fein läfst, das Altnationalc in der
Induftric wieder zur Geltung zu bringen; auf der Wiener Ausftellung wurde die
Thätigkeit der Petersburger und Moskauer Kunftfchulen in diefer Richtung in
klarer Weife illuftrirt. Die Kunftfchule „Stroganoff" zu Moskau (verbunden mit
dem Mufeum) bildet die eigentliche Centralftelle diefer Bewegung und diefe An-
ftalt war auch in befter Weife auf der Ausftellung repräfentirt.
Der Zweck der Schule ift lediglich der, dem Kunfthandwerke gefchickte
Arbeiter zuzuführen, die Induftrie von der fclavifchen Nachahmung zu befreien
und fie zu Originalformen heran zu ziehen. Den bedeutfamften Einflufs auf diefe
Beftrebungen nimmt das Mufeum, und für die Ausftellung desfelben war im Nord-
pavillon der Kunfthalle ein ganzer Saal refervirt. Es befanden fich dafelbft (in
einer Auswahl) die von den nationalen Denkmälern gefammelten Modelle von
Ornamenten in Gypsabgüfsen, in Thon und Galvanoplaftik; Nachbildungen alter
Kunftwerke, Photographien, Handzeichnungen nach Kunftwerken, wodurch fich
das Mufeum und die Schule gegenfeitig untcrftützen, und die von dem Inftitute
veranlafsten Publicationen. Die ausgeftellten Schülerarbeiten belebte durchweg
ein frifcher künftlerifcher Geift und befonders waren aus den höheren Curfen
die nach altruffifchen und byzantinifchen Modellen gefertigten Zeichnungen von
hoher Vollendung. Das Studium des Ornamentes wird nach dem von der An-
ftalt herausgegebenem Werke „Gefchichte der ruffifchen Ornamentik" (gefchöpft
aus Handfchriften des X. bis XVI. Jahrhunderts) gepflogen und zugleich auf die
zweckmäfsige Verwendung in Bezug auf das Material gefehen.
ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT. 493
In ganz ähnlichem Sinne arbeitet in Petersburg die „Societe d'encouragc-
nient des arts". Sie hatte aus ihrer Induftriefchule nur Zeichnungen der „Claffe
de compofition" ausgeftellt, die (meifl Gefäfse und kirchliche Geräthe für Gold
und Email) ebenfalls von vorzüglicher Ausführung waren. Die von der Gefell-
fchaft herausgegebenen „Nationalen Ornamente" beziehen fich vorzugsweife auf
textile Kunfl und find ebenfalls im Geifte der ruffifchen Reform gefchaffen.
Die technifchen Schulen zu Petersburg und Moskau hatten fehr intereffante
Collectionen von Lehrmitteln für den praktifch-technifchen Unterricht ausgeftellt.
Wir haben nun nur noch einen Blick auf die Induftrieftaaten zweiten Ranges
zu werfen und deren Kunftunterrichts-Verhältniffe, foweit fie auf der Ausftellung
dargelegt waren, kurz zu Ikizziren.
Am nächften liegt uns Schweden. Wer die freundlichen Räume des Schul-
haufes diefes Landes auf der Ausftellung befuchte, konnte wahrnehmen, dafs
des Zeichenunterrichtes fchon in der Volksfchule gedacht wird, und die ange-
wendeten Methoden ganz die richtigen find. An den Mittelfchulcn findet der
Gegenftand befonders in denen der realen Linie feine gute Pflege und es waren
mitunter treffliche Leiftungen vorgelegt; nur fcheint es noch in den Schulen an
guten Originalen zu mangeln. Das Beftc jedoch, was im Zeichen-Fache von
Schweden ausgeftellt war, kam aus der Schule des Gewerbevereines in Gothen-
burg. Die Anftalt hat befonders in den letzten Jahren einen nahmhaften Auf-
fchwung genommen und fich nach allen Zweigen der verfchiedencn Kunftgcwerbe
hin erweitert. — Norwegen war im Unterricht nicht vertreten.
Dänemark brachte nur einige Schülerarbeiten der Volksfchulen in Kopen-
hagen, die in fchönen Contouren fich mcift an die antiken Formen hielten. — Auch
die Niederlande hatten fich fchwach an der 26. Gruppe betheiligt. Schülerarbei-
ten waren von der Schule der Arbeiterclaffe in Amfterdam ausgeftellt, die mit viel
Verftändnifs (nach deutfchen und franzöfifchen Modellen) gearbeitet waren. Der
Zeichenunterricht ift im Lande (feit 1863) in den Volks- und Mittelfchulcn ein-
geführt und Holland befitzt gegenwärtig an 30 Zeichenfchulcn, an welchen
108 Lehrer über 2500 Schülern Unterricht ertheilen.
Die Schweiz hatte blos den niederen Unterricht repräfentirt und diefen
nur in den angewandten Lehrmitteln, in ftatiftifchen Berichten etc. Das Zeichnen
wird überall fchon in den Kleinkinderfchulen begonnen und in den Secundär-
fchulen weiter fortgeführt. Die Vorlagewerke hierfür liefsen jedoch Manches zu
wünfchen übrig. Für die Kunfterziehung mangelt es überhaupt der Schweiz noch
an einer Centralfteile. Sehr intereffant waren die Zeichnungen aus der Induftrie-
fchule in Genf, die fich ganz den modernen franzöfifchen Beftrebungen anfchloffen.
— Auch Spanien hatte, trotz feiner traurigen poHtifchen Verhältnifse, fein Unter-
richtswefen auf der Ausftellung dargcftellt, wenn auch äufserft lückenhaft und
nichts weniger als fyftematifch. Was den Kunftunterricht im Lande betrifft, fo
fleht es damit fehr traurig aus. — Nicht fo troftlos ift es in Portugal mit dem
Unterrichte beftellt, wo befonders fich franzöfifcher Einflufs Geltung verfchafft.
Nur leidet der Zeichenunterricht in allen Schulen an den gefchmacklofeften Vor-
bildern. Die Beftrebungen Prof. A. J. Picard's in Liffabon, den Unterricht in
ein geregeltes Syftem zu bringen, verdienen wohl alle Achtung ; doch reicht fein
494
ZEICHEN- UND KUNSTUNTERRICHT.
Einflufs kaum über die „Real casa pia" hinaus und es wird am „Lycee national"
ebenfo dilettantifch gezeichnet, wie an den meiden andern Schulen; beffer waren
im Allgemeinen die Linearzeichnungen. Von der „Affociation commercial", die
zu Porto ihren Sitz hat und fich um die Hebung der Kunftinduftrie im Lande
fchon manche Vcrdienfle erworben hat, war eine Anzahl decorativcr polychromer
Ornamente (in Gyps und Holz) ausgeftellt, in welchen maurifche Eormen ge-
lungen nachgeahmt waren.
Was an Zeichnungen aus den amerikanifchen Schulen (von Bofton,
Cincinnati, Philadelphia etc.) vorlag, zeigte nur, wie wenig jenfeits des Oceans
noch an einen geregelten Kunftunterricht gedacht wird, und dafs die Schulen in
den Vereinigten Staaten vorläufig noch um die realen Grundlagen des Unter-
richtes kämpfen muffen, bevor ein Anlauf zu den idealen Bildungselementen ge-
nommen werden kann.
7. Langl.
Taufkanne in vergoldetem Silber, im Befit/. des Grafen H. Herberftein-Eggenberg.
i6. Jahrhundert.
Die Exposition des Amateurs.
Im Jahre 1867 hatte mau in Paris die alten Kunfl;-
werke zur Weltausftelhmg herangezogen, um aus
ihnen eine „Hiftoire du travail", eine Illuftration der
Gcfchichte der Kunftarbeit zu bilden. Das war ein
Gefichtspunkt, unter welchem fich die alte Kunft mit
den fo durchaus modern-praktifchen Zwecken einer
Weltausftellung noch allenfalls in Zufammenhang
bringen liefs, und wenn auch die Hifboire du travail
nicht völlig das geworden ift, was ihr Titel verfprach,
fo hatte doch wenigflens Frankreich felbfl grofsartige
und erfolgreiche Anflrengungen gemacht, um dem
aufgeflellten Programme gerecht zu werden. So war
die franzöfifche Emailarbeit — dort eine wahrhaft
nationale Kunftindufirie — ■ in allen ihren Phafen in
erfchöpfender Weife zur Anfchauung gebracht, ebenfo
die Bücherausftattung in fortlaufender Reihe von der
Miniaturmalerei bis zur Druckilluflration. So hatte
beifpielsweife Oeflerreich feine unter Rudolf II. in
Prag blühende Bergkryflallfchleiferfchule und feine
Porzellanfabrication, Portugal feine höchfl originellen
und intereffanten Goldfchmiedearbeiten, England eine
Menge alter, heimifcher Erzeugniffe ausgeftellt, und
wenn auch viele Länder ganz unvertreten blieben,
andere , wie es in der Natur der Sache lag, nur un-
vollftändig ausftellen konnten , fo waltete doch über
dem, was gefchehen war, ein wohlthuender Geifl der
Ordnung und Einficht.
« V'-
Teppichborrlure, roth mit grünem Sammetornament, Kremsmünfter.
496
DIE EXPOSITION DES AMATEURS.
Da man in Wien die Franzofen nicht copiren wollte, .im wenigften dort, wo
es wirklich das Richtige gewefen wäre, fie nachzuahmen, fo inaugurirte man eine
„Expofition des Amateurs". Logifch könnte man fich unter diefem Titel unge-
fähr vorftellen, dafs es fich darum handeln follte, die privaten Kunflfammlungen
als folche zum Ausftellungsobject zu machen, alfo etwa die Tendenzen der
Sammler in den verfchiedenen Ländern und die Qualitäten ihrer Collectionen
uns vorzuführen. Obwohl der Zweck einer folchen Darfteilung ein höchft pro-
blematifcher, und die Durchführung eine enorm fchwierige gewefen wäre, fo lag
doch dem Ganzen eine Idee zu Grunde, und, wenn fie auch gerade keine glück-
liche war, fo war dicfe Idee doch das, was man fo fehnlich fuchte, etwas Neues.
Aber fchon das gedruckte Programm wufste von feiner Auffchrift fo wenig, wie
die rechte Hand von der linken in der Bibel. Da war von den „Amateurs" gar
nicht weiter die Rede, fondern nur im Allgemeinen von alten Kunftfachen, die
man fich fein fauberlich in 2i Claffen eingetheilt dachte. Noch viel weniger
aber, als der Text des Programmes dem gewählten Titel, entfprach wiederum die
Ausftellung ihrem Namen oder gar dem gedruckten Programm, und wer fich
etwa nach der Eröffnung der Lecture eines diefer Schriftftücke hingab, der
konnte alsbald zu der Ueberzeugung gelangen, dafs fie fchon von der Druckpreffe
weg lediglich Maculatur waren.
Hier, wo wir es lediglich mit den factifchen Refultaten zu thun haben, ift es
nicht am Platze, von den mancherlei Vorgängen zu fprechen, denen zufolge die
„Expofition des Amateurs" dann in der Weife zu Stande kam, welche zu fchil-
dern nun unfere Aufgabe ift. Gar grofse Projecte und Verheifsungen wurden
in die Welt hinausgerufen. Richard Wallace, die Rothfchild, Suermondt, kurz
die gröfsten Sammler der Welt, hiefs es, würden ihre Schätze nach dem Prater
fenden. Was fchliefslich zu Stande kam, war nichts von Alledem. Der für die
Expofition des Amateurs urfprünglich beftimmte Raum wurde zum gröfsten
Theile dem fich immer mehr ausdehnenden Platzbedürfniffe der modernen Kunft
eingeräumt; angefichts der allgemein herrfchenden Confufion verzichteten die
meiften Staaten darauf, überhaupt Ausftellungen von alten Kunftwerken einzu-
leiten, und fo wurde die E.xpofition des Amateurs eine fragmentarifche, fyftem-
und ordnungslofe Anhäufung von mitunter guten, vielfach aber ganz mittel-
mäfsigen und fchlechten Dingen, die der Zufall wie in einem Antiquitätenladen
zufammengewürfelt zu haben fehlen.
Die Oefterr eichifche Abt hei hing hatten in letzter Stunde die Herren
Baron von Sacken, Dr. C. Lind und A. von Camefina zufammenzuftellen
übernommen. Ihren Bemühungen gelang es wenigftens, eine Anzahl hervor-
ragender Werke herbeizufchaffen, und wenn fie auch das Grundgebrechen, die
Planlofigkeit, aus ihrem Departement nicht zu verbannen vermochten, fo haben
fie doch viele bedeutende und fonft wenig zugängliche Kunftwerke den Befuchern
vor Augen geführt.
Wollen wir, bevor wir zur Befprechung des lünzelnen übergehen, die Be-
theiligung der verfchiedenen Länder in kurzer üeberficht zufammenfaffen, fo ftand
in erfter Reihe in ijuantitativer und qualitativer Beziehung neben der cisleithanifch-
öfterreichifchen die Expofition Ungarns da. ICs gab da eine Menge fehens-
DIE EXPOSITION DES AMATEURS.
497
Schreibkäftchen in Ebenholz, mit Ornamenten aus Silber und Gold ; i6. Jahrh.
aus der Sammlung des Freiherrn Anf. v. Rothfchild in Wien.
«S
498 DIE EXPOSITION DES AMATEURS.
und bemerkenswerther Dinge. Aber das unmittelbare Vermengen von Kunft-
fachen mit folchen Dingen, die blos antiquarifche , archäologifche oder gar nur
ethnographiiche Bedeutung haben, bewies, in welcher Unklarheit über Zweck und
Tendenz des Ganzen fich hier die Leiter und Veranftalter der Ausftellung
befunden hatten. Japanifche Riiftungen und antike Bronzen, Handzeichnungen
von Rembrandt und Dürer, prähiftorifche Refte, Alles im bunten Durcheinander
— ein Bild der Weltausftellung im Kleinen. Merkwürdig war nur, dafs Ungarn,
das doch im Ausftellungspalaft mit dreifarbigen Fahnen, ausgeftopften Honveds
und ähnlichen Erzeugniffen feines heimifchen Bodens fo ungeheuer viel oNationali-
tät» entfaltete, im Departement der alten Kunfl fich ganz und gar kosmopolitifch
zeigte. Wir wären z. B. für eine Repräfentation der älteren nationalen Kunfl-
induftrie, der Goldfchmiedekunft und dergl. dankbarer gewefen, als für Kupferftiche
von Marc-Anton und fremdländifche Miniaturmalereien von zweifelhaftem Werthe.
Spanien hatte trotz der Ungunft der Verhältniffe doch einigen Anlauf ge-
nommen, Proben feiner Kunflthätigkeit früherer Zeiten zur Schau zu bringen.
Im erften Stockwerke des fpanifchen Pavillons fah man, allerdings untermengt
mit gar difparaten Dingen, Harnifche und Waffen verfchiedener Epochen, Holz-
fchnitzereien, Möbel, Metallarbeiten und Gobelins, die zumeifl: durch ihre ausge-
prägte iberifche Charakteriflik recht anziehend waren, wenn auch ihre Wirkung
fehr beeinträchtigt wurde durch die ungünftige Nachbarfchaft von allen mög-
lichen Natur- und Induftrieproducten.
Neben denjenigen Staaten, die überhaupt keinerlei Anftalten zu einer Aus-
ftellung alter Kunfl getroffen hatten, wie Frankreich, Holland, Belgien etc., fchie-
nen andere das Princip befolgt zu haben, den dafür angewiefenen Raum aller-
dings freizulaffen, fich im Uebrigen aber nicht weiter mit der Sache zu befaffen,
und diefes Gebiet Antiquitätenhändlern und jener bekannten Sorte von Befitzern
unfchätzbarer Raritäten, als Gemälden von «Raffael» u. f. w. zu überlaffen.
Dies war der Fall bei England, ItaUen, Rufsland, theilweife auch bei der
Schweiz u. a. Allerdings bot der für den in Rede flehenden Zweck fchliefslich
übrige Raum keine Möglichkeit zu halbwegs genügender Entfaltung — • und fo
war es nur dem blofsen Zufall zu danken, wenn der Befucher am Ende doch
noch hie und da ein bemerkenswertheres Stück notiren konnte.
Die Schuld dafür, dafs dies fo und nicht anders gekommen ift, trifft einzig
und allein die Generaldirection. Die Befitzer von alten Kunflwerken, die ja nicht
wie andere Ausfteller an dem ZurfchauRellen ihres Eigenthums irgend ein
directes und materielles Intereffe haben konnten, zogen fich alsbald verflimmt
zurück, als fie von der Art der «Organifation» diefes Theils der Ausftellung
nähere Kenntnifs erhielten. Als documentarifches Zeugnifs der Unfähigkeit
der Leitung bleibt der Nachwelt der gedruckte Kunflkatalog erhalten. Ihn hat
in diefem Berichte fchon ein anderer Mitarbeiter in fchlagender Weife gekenn-
zeichnet ; für feine Brauchbarkeit fprechen allein fchon zur Genüge Bezeichnungen,
wie: «Sogenannte Objets d'Art» oder «Kunftgegenflände von alten berühmten
Künfllern» u. dergl.
Die Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit, die in der Weltausftellung befindlichen
alten Kunftfachen von irgend einem Gefichtspunkte aus in ftreng fyftematifcher
DIE EXPOSITION DES AMATEURS. . 499
Ueberficht zu befchreiben, zwingt uns, hier diejenige Betrachtungsweife zu wählen,
die das Bemerkenswerthe auffafst, wie es fich eben bietet.
In der öfterreichifchen Abtheilung der Expofition des Amateurs, wie be-
merkt, der reichften von allen, präfentirte fich gleich beim Eintritte ein Theil
der CoUection des inzwifchen in Wien verdorbenen Baron Anfelm von Rothfchild,
des einzigen Sammlers, der in hervorragender Weife ausgeftellt hatte. Die
Sammlung Rothfchild ift ohne Frage die reichfle Privatfammlung von eigentlichen
Antiquitäten — Gegenftänden des Kunftgewerbes im weitern Siime, — die Oefter-
reich und Deutfchland aufzuweifen hat, und ihre fonft nur von Wenigen gekann-
ten Schätze waren da zum grofsen Theile zu fehen, freilich leider mit Ausnahme
der überaus herrlichen Holz- und Elfenbeinfchnitzereien, die man wohl mit gutem
Grunde den feuchten Niederfchlägen der Praterauen in den frifch aufgeführten
Gebäuden nicht ausfetzen wollte. Vor Allem zogen die Blicke zwei herrliche
Rüflflücke auf fich: das eine, eine prächtige italienifche getriebene Rüflung, aus
Sturmhaube, Bruflharnifch und rundem Schilde beftehend, das andere, ein runder
Schild, reich getrieben, mit überaus vollendeten Goldtaufchierungen vom Meifter
Giorgio Ghisi geziert, von dem wir eine Abbildung beigeben.
Die Kunfl, das Eifen mit einer Art Incruflation von edlem Metall, Gold und
Silber zu verzieren, gelangte wahrfcheinlich vom Orient aus nach Italien, oder
kam wenigflens durch Anregung orientalifcher Vorbilder zu neuer Aufnahme,
denn fchon aus dem Alterthume her — aus dem wir ja viele Beifpiele von
Silber- und Goldincruftation auf l^ronze befitzen — ■ mochte eine ähnliche tcch-
nilche Tradition flammen. Die Behandlung der Bronze ift übrigens von der des
Eifens doch theilweife verfchieden. Lavoro della taufia, alla damaschina oder
all' azzemina nannte man diefe Arbeit, die im Wefentlichen darin befteht, dafs
die Oberfläche des zu verzierenden Metalles (Eifens) durch ein fpitziges Inftrument
in engen Strichlagen feilenartig rauh gemacht, hierauf das Gold oder Silber in
Fäden und Plättchen auf diefer rauhen Fläche mittelft des Schlages eines leichten
Hammers befeftigt, und fchliefslich mit einem Polierflahl oder ähnlichem Inftru-
mente niedergedrückt und geglättet wird. So einfach diefe Procedur ihrem
Wefen nach ift, fo erfordert fie doch zur vollendeten Leiftung eine grofse Uebung
und Gefchicklichkeit. Unter den italienifchen Künfllern werden uns als hervor-
ragende Meifter diefes Faches genannt: Filippo Negroli, Antonio Biancardi,
Bernardo Civo, u. a. ; nur von einem von ihnen, von dem Venetiancr Paulus,
dem nach feiner grofsen Gefchicklichkeit in diefer Kunft der Beiname Agemi-
nius beigelegt wurde, ift bisher ein authentifches Werk nachweislich (Gazette des
Beaux-Arts, IX, pag. 64) eine Caffette, die feine Namensbezeichnung trägt. Das
Gegenftück hierzu bildet der oben erwähnte Schild des Giorgio Ghisi von Mantua.
Unfer Künftler ift identifch mit dem berühmten Kupferftecher , der im Vereine
mit den übrigen Genoffen der Familie, der er angehört, die einfach-edle und
ftrenge Weife des Kupferftiches die Marcanton ausgebildet hatte, noch beinahe
bis gegen das Ende des 16. Jahrhundertes fortführte. Er wird uns auch als her-
vorragend durch feine Arbeiten in der Taufchierkunft gepriefen. Der Maler und
Architekt Giovanni Batt. Bert an o gedenkt in feinem Werke über die dunklen
6S*
500
DIE EXPOSITION DES AMATEURS.
Schild von G. Ghifi, aus der Sammlung des I''reiherrn Anf. v. Rolhfchild.
und fchwierigen Partien des Vitruv*) des Giorgio Gliisi als eines „heutzutage
fehr feltenen Mannes im Kupferftechen und in der Kunft des Taufchierens in
den verfchiedenften Arten"**). Unfer Schild nun trägt die volle Namensbezeich-
nung: Georgius de Ghisys Mantuanus MDLIV. Sie befindet fich in winzigen,
aber vollkommen deutlichen Buchftaben auf den Pfeilern einer Brücke, auf der
ein Kampf vor fich geht, innerhalb des kleinen Figurenfriefes, der fich bandartig
um das in der Mitte befindliche Mcdufcnhaupt fchlingt. Es ift wunderbar, wel-
chen Grad technifcher Vollendung hier Giorgio erreicht hat, wenn auch der Stil
der Ornamente, und namentlich die Zeichnung und Ausführung der getriebenen
Figuren und Verzierungen nicht den Reiz der feinen Grazie befitzt, der den
Werken aus der früheren Blüthczeit der italicnifchcn RenailTance eigen ift. Er-
ftaunlich ift auch der Reichthum der Compofition, die die letzten Details belebt
und für die ein kaum zollbreiter Raum noch immer genügend ift, um figuren-
•) Gli oscuri e difllcili paffi dell' opera di Vitruvio da Giov. BatL Bertano. Mantova 1558. Fol.
*) MelTer Giorgio Mantuano, uomo veramente oggidi raro al modo per intaliar rami c lavorar all'
azamina di piu varie sorte.
DIE EXPOSITION DES AMATEURS. 501
reiche Darftellungen darauf anzubringen: Alles in der befchriebenen Weife der
Taufchicrung ausgeführt, fo exact und genau, dafs bei den kaum 6 — 8 Linien
grofsen Figürchen die Physiognomie und Modellirung noch völlig klar ange-
deutet erfcheint. Es ift eines jener Werke der alten Zeit, an dem die Freude
fo recht fichtbar wird, die der Künftler bei feinem Schaffen gehabt. — An den
Harnifchen und Waffen, welche Spanien in feinem Pavillon ausgeftcllt hatte —
zum Theil waren es italienifche, zum Theil deutfche Arbeiten, — • konnte man
ebenfalls ganz vorzügliche Taufchierungen fehen, wenn diefelben auch nirgendwo
die Vollkommenheit der Arbeit des Mantuaners aufwiefen. Die Taufchicrung
war überhaupt das edelfte und wohl auch koftfpieligflie Verzierungsmittel des
Eifens. Die vielfach im Gebrauche gewefene Aetzung und Vergoldung auf ge-
ätztem Grunde erfcheint dagegen doch nur wie ein billiges Surrogat.
Das Anbringen von Gold und Silber in Plättchen und Fäden auf Metall
kann noch in einer andern als der befchriebenen Weife, die man aber ebenfalls
Taufchieren oder Damasciniren nennt , ausgeübt werden. Diefe zweite Manier
befteht darin, dafs die Zeichnung der bcabfichtigten Verzierung vorcrft in dem
Metalle mit leicht untcrfchnittenen Rändern ausgravirt und hierauf das Gold in
diefe fo entftandenen Canäle eingedrückt, und das Ganze fchliefslich polirt wird.
Ornament und Grundfläche liegen dann hier in einer Ebene, während bei der
erfteren Manier das aufgelegte Edelmetall immer ein klein wenig erhöht ift.
Dies ift das Princip, nach dem z. B. die antik-römifchen Incruftationen der
Bronze gefertigt find, und fo arbeiten die Chinefen und Japanefen heute noch,
wie ehemals, ihre Bronzevafen und Gcräthc.
In Vorderafien war das Taufchieren mittclft Auflegen auf eiferne Excipienten
das allein gebräuchliche, während auf weicheren Metallen die zweitbefchriebcne
Gattung vielfach angewendet wurde. Der Helm Boabdil's, des letzten Mauren-
königs, der als ftolze Trophäe in der erwähnten fpanifchen Waffenausftellung
prangte, ift ebenfalls fo geziert. Er ift von gelbem meffingartigem Metall und
in vielen Partien mit einem feinen Ornamente von Bandverfchlingungen bedeckt.
Innerhalb diefer Bänder befindet fich das eingelegte Metall, ähnlich wie wir es
an gewiffen alten klcinafiatifchen und infelgriechifchen meffingenen Schüffein und
Kannen angebracht finden. Im Schatze des Sultans, der im türkifchen Hofe in
einem wohlverwahrten eifernen Gehäufe gezeigt wurde, fah man auch eine An-
zahl flafchen- und becherartiger Gefäfse von fehr einfacher, fogar plumper Form,
gefertigt aus Zinn (oder vielleicht einer Zinnlegirung) und mit Gold eingelegt.
Es ist fchwer, diefen Arbeiten, die keinen fcharf ausgefprochenen Stilcharakter
befitzen, Zeit und Art der Entftehung anzuweifen. Indeffen dürfen wir fie kaum
für Hervorbringungen einer fehr entlegenen Epoche halten, — wie denn über-
haupt die Objecte im türkifchen Schatz niciftens verhältnifsmäfsig neuern Datums
find, — wenigftens von den in Wien ausgeftellt gewefenen Stücken fehlen Nichts
über das 17. Jahrh. hinauszugehen.
Die reichfte und, wenn man fo will, die vollftändigfte Repräfentation ihrer
verfchiedenen Epochen hatte auf der Expofition des Amateurs jedenfalls die
Goldfchmiedekunft gefunden, eine Repräfentation, die aber keineswegs durch eine
bequeme oder überfichtliche Anordnung unterftützt ward. Die Plan- und Syftem-
502
DIE EXPOSITION DES AMATEURS.
lofigkcit der Leitung hatte hier wie anderwärts ein an fich vortreffliches und
Ichrrciciics Material zu einer blofsen Augenweide der blöden Schaulufl herabge-
würdigt. Das gröfste Contingent an kirchlichen Geräthen des Mittelalters lie-
ferten in der öfterreichifchen Abtheilung die Stifte von Klofterneuburg, Melk,
St. Paul in Kärnthen, Kremsmünfter, St. Peter in Salzburg u. A. Die Freunde
mittelalterlicher Kunft vermochten hier fo manches berühmte Werk zu finden,
das ihnen durch Publication und Befchreibung längfl bekannt und vertraut war.
Auch für das Studium namentlich der gothifchen kirchlichen Goldfchmiedekunft
gab CS da gar lehrreiche Beifpiele an Kelchen, Monftranzen und Reliquiarien.
Taffilo-Kelch aus Kremsmünfter.
Speifekelch aus Stift Wilten.
Die Reihe eröffnete eines der alterten mit Sicherheit datirbaren Werke die-
fer Gattung, jedenfalls wohl der ältefl-bekannte Kelch in Deutfchland, nämlich
der kupferne Taffilo-Kelch aus Kremsmünfter, ein Gefchenk des Herzogs Taffilo
an das Klofter, das er JT] gegründet hatte '). Roh, ungegliedert, wie embryonal,
find die Formen diefes Geräthes, das vielleicht noch direct einen antiken Trink-
becher zum Vorbilde hat. Bruftbilder Chrifti und der Apoftel befinden fich
darauf, gleich den reichen Ornamenten tief und energifch in das Metall g^
fchnitten, doch von kunftlofer Hand, welche die byzantinifchen Vorbilder der Figu-
ren nur wie aus dunkler Erinnerung kannte. Mit der Unbehilflichkeit der Figu-
ren contraftirt die verhältnifsmäfsige Leichtigkeit der Zeichnung der Ornamente.
Es find Bandverfchlingungcn , Blattornamentc und Linfenfchnitte von ziemlich
ausgeprägt nordifchem Charakter; fie mochten daher dem Verfertiger ungleich
geläufiger gewefen fein, als die fremdländifchen byzantinifch-römifchen Geftalten
(f. die Abbildung).
Dem Taffilo-Kelch fchliefst fich zunächft, wenn auch nicht unmittelbar in
•) Der Kelch trägt die Infchrift: „Tassilo dux fortis Luitpirc virga rcgalis".
DIE EXPOSITION DES AMATEURS.
503
Bezug auf das Alter, fo doch in Rücksicht auf hiftorifchen Kunftwerth eine
Reihe von fogenannten Speifekelchen an, d. h. grofsen Kelchen, wie fie im
im Gebrauche waren, als auch noch die Laien den Kelch empfingen. Die vor-
züglichften darunter find: der aus St. Peter in Salzburg in getriebener Arbeit
und der aus Stift Wüten in Tirol mit reichem Schmuck von niellirten Gra-
virungen (f. die Abbildung).
Die vortreffliche Ausführung der eingeflochenen Zeichnung bei letzterem
mit ihren klaren, fefl; umfchriebnen Contouren fleigert fich namentlich in der
Mitteldarflellung der Patene, den heiligen Frauen, die zum Grabe Chrifti kom-
men, zu wahrhafter Grofsartigkeit, und nur die Beigabe der im Körperverhältnifs
zu den übrigen handelnden F'iguren gar zu winzigen fchlafenden Kriegsknechte
gemahnt an die kindliche Kunfl: der Frühzeit des I2. Jahrhunderts. Das Niello
mit feinem zarten silbergrauen Ton bildet einen feinen Gegenfatz zu dem Schim-
mer des Metalles, es hebt die Darfteilung genügend hervor, ohne die Form-
wirkung des verzierten Gegenftandes zu alteriren, wie dies etwa das bunte
Email thut.
Die fpätere Zeit der Renaiffance hat das Niello aufser Uebung gebracht,
nachdem es in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts namentlich in Italien zu
einer hohen Stufe der künftlerifchen Ausbildung gebracht worden war, gepflegt
von Meiftern wie Maso Finiguerra, Antonio PoUajuolo, Giovanni di Matteo Dei
und Marc Anton Raimondi. Während aber die mittelalterlichen Niellowerke,
wie das vorhin befchriebene, meiftens blofs Contourzeichnungen find, bei denen
mit einfachen Linien nur die Umriffe und die hauptfächlichften Innenformen ange-
deutet wurden, fehen wir fie in der fpäteren Zeit als getonte Grifaillen behandelt,
bei denen den Grund bald das metallifche Silber, bald die fchwarze Niellomaffe
felbft bildet, auf der in letzterem Falle die Darftellung, ausgefpart, filberweis fich
hervorhebt.
Unter Nr. 29 und 31 hätte Baron Rothfchild zwei koftbare Niellotafeln von
je etwa 15 Zoll Höhe und 10 Zoll Breite ausgeftellt. Diefe Tafeln bildeten
urfprünglich die Decken eines Evangeliariums und zählen in Bezug auf den Reich-
thum der Ausführung, auf ihre Gröfse, wie nicht minder in Rücksicht auf ihren
Kunftwerth zu den allerbedeutendften italienifchen Niellowerken des 15. Jahr-
hunderts, die wir kennen. Jede der Tafeln befteht aus einer Anzahl von ein-
zelnen ftreifenförmigen , dreieckigen und quadratifchen Platten, die ehemals
durch ein jetzt verlorenes metallenes Rahmenwerk zufammengehalten waren. Die
mittelfelder find aus über tick geftellten Quadraten gebildet, auf deren einem
die Geburt, auf deren anderm die Taufe Chrifti dargeftellt ift, darüber in läng-
lichen Streifen Verkündigung und Abendmahl, darunter die Anbetung der Könige
und Auferweckung des Lazarus. Die Einfaffung bilden ürnamentfriefe mit
muficirenden Engeln zwifchen Wappenfchildern mit dem Cardinalshut. Es
ift das Wappen des Giovanni Balbo, Bifchofs von Albano, der 1467 den Purpur
erhielt*). Dem allgemeinen Kunftcharakter nach gehört diefes unvergleichliche
Werk entfchieden der Florentiner Schule an, und feine Datirung ift durch die
eben erwähnte Jahreszahl ungefähr gegeben ; aber einen Meifternamen dafür auch
•) Cicognara, Memorie fpettanti alla floria ilella calcogralia, p. 60.
504
DIE EXPOSITION DES AMATEURS.
nur mit einiger Wahrfcheinlichkcit zu nennen, erfcheint unmöglich. Einige Aehn-
lichkeit mit dem Stile des Sandro Botticelli ift allerdings vorhanden und be-
fonders in der Verkündigung hervortretend; aber wir wiffen ja, wie fehr gerade
die äufseren Eigenthümlichkeiten der Spitzen einer Kunftfchule alsbald in allen
Leiftungen, namentlich der Kleinkünfte zum Vorfchein kommen. Daher wird
der gefchickte Florentiner Goldfchmied, der jene Niellen unter dem Kinfluffe der
Kunft Sandro's fertigte, uns vielleicht immer unbekannt bleiben, wie die Urheber
fo vieler anderer ähnlicher Refte, bei denen die Individualität des Verfertigers
Kelch aus Stift St. Paul in Kürnlhen, 14. Jahrb.
Kelch aus Stift AdmonI, 15 Jahrb.
doch nicht genug fpecielle Kennzeichen hervorgebracht hat, um fie von ihrer
Umgebung deutlich zu fondern. Die technifche Vollendung entfpricht völlig der
Höhe, welche die gröfsten Meifter des Niello, Finiguerra oder die Pollajuoli,
damals erreicht hatten. Jedoch nur die Sucht nach einer bequemen Taufe könnte
dazu verleiten, den Rothfchild'fchen Niellen einen diefer Namen beizulegen.
Aufserhalb Italiens wurde häufig eine einfache Gravirung, deren Vertiefungen
man nachher mit fchwarzer Farbe auszufüllen pflegte, zur Erzielung eines dem
Niello nahe kommenden Effectes angewendet. Die geftochenen Blätter eines
Martin Schongauer, Israel van Mekenen und anderer Künfller, die am Ende des
15. Jahrhunderts eine fo grofse Verbreitung erlangten, dienten hiebei häufig als
Vorlagen, die mehr oder weniger treu copirt wurden. Ein Hausaltärchen aus
DIE EXPOSITION DES AMATEURS.
505
K t rm . iiiixi
Silberner Becher aus der Sammlung des Freiherrn Anf. v. Rothfchild.
S4
500 DIE EXPOSITION DES AMATEURS.
dem Stifte St. Peter in Salzburg, urkundlich 1494 von einem Goldfchmiede
Berthold in Salzburg gefertigt, zeigt auf der Mitteldarftellung der Rückfeite die
mit geringen Veränderungen verkleinerte Nachbildung eines Kupferflichs, das
Abendmahl darfteilend, von dem niederdeutfchen Meifter, der gewöhnlich der
Meifter mit dem Weberfchiffchen oder wohl richtiger der Meifter von
ZwoUe genannt wird. (Hartfeh, Vol VI. pag. 90).
Unter den Werken der kirchlichen Goldfchmiedekunft haben wir noch in
der oefterreichifchen und böhmifch-mahrifchen Abtheilung eine Anzahl guter
Beifpiele des gothifchen Stiles aus der fpätern Zeit des 14. und aus dem 15. Jahr-
hundert zu nennen, Kelche, Monftranzen und monftranz-ähnliche Reliquiarien.
Den einfacheren Aufbau und die ftrengeren Formen der früheren Zeit zeigt ein
in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit eingeftochenen Darftellungen und
Ornamenten am Fufs und Knauf gezierter Kelch aus dem Klofterfchatze von
Admont (f. die Abbildung). Der Kelch aus Sanct Paul in Kärnthen, den wir
den Lefern ebenfalls in der Abbildung bringen, ganz mit reichem, durchbrochen
gearbeitetem Blattwerk und Figuren überdeckt, ift eines jener überaus anmuthigen
und zierlichen Werke, wie fie das endende 15. Jahrhundert noch in äufserlich
gothifchen Motiven, jedoch beinahe ganz in der Empfindungsweife der Renaiffance
hervorgebracht hat. Ein anderes phantaftifch-reizvoUes Werk diefer Uebergangs-
epoche ift der in feiner Art berühmte und oft abgebildete grofse ftolze Pokal,
den der Tradition nach Mathias Corvinus der Stadt Wiener-Neuftadt gefchenkt
haben foll, und den diefe Gemeinde noch jetzt bewahrt.
Die eigentliche Renaiffance und die fpäteren Stilwandlungen der Gold-
fchmiedekunft waren durch eine Anzahl hervorragender, leider durch ihre Aus-
ftellung zerftreuter und dadurch in ihrem Effecte beeinträchtigter Werke vertreten.
Die im Uebrigen nicht allzu glänzend ausgeftattete Schweizer Abtheilung der
Expofition des Amateurs enthielt eine fchöne Sammlung von Pokalen und Zier-
gefäfsen aus dem Befitze der Bürgergemeinde in Bern und einiger Zünfte der-
felben Stadt, die offenbar beffer als ähnliche Corporationen anderwärts ihr alt-
überkommenes Erbe zu bewahren und zu ehren wiffen. Die meiften diefer
Stücke gehören der zweiten Hälfte des 16. und dem 17. Jahrhundert an, die
heften und vorzüglichften darunter der Zeit um etwa 1580, und nicht leicht läfst
fich ein prächtigeres Enfemble denken als eine Zufammenftellung folcher Geräthe
mit ihrem reichen Leben von aus- und einlaufenden Formen, mit ihrem üppigem
Zierrath, der jedem Punkt der Fläche Bewegung und Bedeutung verleiht. Nicht
blos um ihm den Schein eines gröfseren Werthes zu geben, fondern aus guten,
Innern künftlerifchen Gründen haben die alten Goldfchmiede das Silber in bei-
nahe allen Fällen im Feuer vergoldet. In den glatten Partien von heftigem,
farblofem und rohem Reflexe, grau und matt, wenn cifelirt oder getrieben, bot
das Silber wenig verwerthbare Eigenfchaften für eine künftlerifche Sinnesrichtung,
die vor Allem eine fatte und energifche Farbenwirkung im Auge hatte. Es ift
ferner merkwürdig, zu fehen, wie beifpielsweife in den Niederlanden, als in der
Kunft, und fpeciell der Malerei, die direct aus der Beobachtung der Natur ge-
nommenen, gebrochenen Farben und grauen Töne Eingang fanden, diefe auch
alsbald für die Stimmung felbft der kunftgewerblichen Erzeugniffe beliebt wurden,
DIE EXPOSITION DES AMATEURS. 507
wie dies z. B. darin feinen Ausdruck findet, dafs das hoUändifche Silbergefchirr
im 17. Jahrhundert im Gegenfatz zu früheren Zeiten beinahe durchweg in feiner
natürlichen Farbe belaffen wird, ähnlich dem Verhältnifs der Delfter Faience
zur Majolika und zur emaillirten älteren Poterie.
Die runde Schlüfsel mit dem dazu gehörigen Pocal, (Nr. 827,1) Eigenthum
der Bürgergemeinde Bern ift ein Schauftück erften Ranges, in der Mitte ganz
bedeckt mit getriebenen Darflellungen aus der Gefchichtc der Stadt in drei Seg-
menten: INITIVM BERNE, PR^LIVM. AD. MORTENAV., PVGNA. AD.
LAMPEN., dazwifchen reiches Ornamentenwerk im Stile des Virgil Solis und
ähnlicher Kleinmeifter der fpätern Zeit. Bunte Harzfarben als eine Art Surro-
gat der Emaillirung, und cabochon-artig gefchliffene Bergkryftallfteine, die an
der Innenfläche mit leuchtenden Farben gemalte Wappen tragen, fteigern noch
den üppigen Effect diefes Kleinodes. Der Katalog, genau und fachlich wie immer,
nennt diefc Bemalung des Bergkryflalls „mit glühenden Farben auf Metallgrund
aufgetragen." Es ift aber jene eigenthümliche, dem Belegen der Spiegel ver-
wandte Technik, die auf Glas und Bergkryflall angewendet wurde, der Art, dafs
die Belegung mit Gold und Farben, von vorne gefehen, als Malerei hinter dem
Glafe erfcheint. In Frankreich nennt man derartige Gläfer Verres eglomises;
eine deutfche Benennung ift mir dafür nicht bekannt. Die Technik ifl übrigens
fehr einfach und wäre der künfllerifchen Wiederaufnahme in hohem Grade werth.
Heutzutage pflegt man nur noch Auffchriften, Schilder u. dgl. auf oder vielmehr
hinter Glastafeln in diefer Weife zu malen — alte derartige Arbeiten finden wir
aber oft von grofser Feinheit, von den antik-römifchen vergoldeten Giäfern an-
gefangen bis tief in das 18. Jahrhundert hinein.
Eine weitere glänzende Folge von „Scheuren" und „Staufen," hohen Pocalen
und Doppelbechern, (die aus zwei vollkommen gleichen Compartimenten be-
ftehen, von denen je einer den Fufs oder Deckel bilden kann) reihte fich würdig
an die Berner Schüfsei. Rothfchild konnte übrigens mit feiner Collection von
Silbergefäfsen die harte Concurrenz des Berner Schatzes, namentlich in Bezug auf
Objecte, die eine zarte Detaildurchführung zeigen, noch immerhin beliehen. Wir
geben in der Abbildung auf Seite 505 einen überaus zierlichen Becher aus
feiner Sammlung mit fein getriebenen Jagdfcenen in parallelen Streifen. Wie
die Wappen am obern Rande darthun, mag auch diefes Stück Schweizer Ur-
fprungs fein.
In Bezug auf gediegene Durchführung fleht die Goldfchmiedekunfl des
16. Jahrhunderts noch in inniger Beziehung zur Weife des fpätern Mittelalters;
neu hinzugekommen ifl aber die Fülle und der Ideenreichthum der deutfchen
Renaiffance. Mit liebevoller Sorgfalt find die Reliefs mit ihren Figürchen und
die Friefe mit ihrem Laub- und Zierwerk .behandelt, und flets ifl der Künfller
bemüht, durch irgend eine „neue Invention" jedem einzelnen Stück den Reiz der
Individualität zu verleihen. Allgemeiner und handwerksmäfsiger werden die Ar-
beiten der Goldfchmiede im Verlaufe des 17. und vollends im 18. Jahrhundert.
Den Mangel an künfllerifcher Erfindung muffen Abfonderlichkeiten erfetzen, die
nun immer mehr aufkommen, wie die Verwendung von allerlei Thier- und
Menfchengeftalten zu Trinkgefäfsen und Bechern und ähnliche Phantaftereien.
M*
508 DIE EXPOSITION DES AMATEURS.
Der Freund derartiger Raritäten konnte in der Ausflellung Rothfchild's und der
Schweiz daran fein Genüge finden. —
Wir gehen nun zur Befprechung einer Kunftgattung über, deren mannigfaltige
Phafen zu fludiren, die Expofition des Amateurs befonders gutes Material bot,
nämlich des Email, und wollen verfuchen, das Vcrftreutgewefene in allge-
meinen Zügen, dem kunflgefchichtlichen Entwickelungsgangc folgend, zu be-
trachten.
Feuerbeftändige Körper, wie Thon oder Metall, durch Auffchmclzen mit einem
glasartigen Uebcrzuge zu verfehen, war bereits das frühcfle orientalifche Alter-
thum im Stande ; der glafirte Backflein, den wir in den afsyrifchen Bauten ange-
wendet finden, ifl fchon ein wirkliches Emailwerk. Wann und wo aber die An-
wendung des glasartigen Ueberzuges auf eine Metallfläche — was man heut-
zutage eigentlich Email nennt — zuerfl flatthatte, ift derzeit noch nicht völlig
feftgeflellt. Die Egypter fcheinen diefe Technik nicht gekannt zu haben. An
anderem antikem Schmuck, römifchem und griechifchem, finden wir hie und da eine
emailartige Maffe, jedoch nur vereinzelt und feiten; ficher ifl aber, dafs die halb-
barbarifchen Völker des mittleren Europas fchon in verhältnifsmäfsig fehr früher
Zeit die Bronze mit oft überaus reichen und complicirten Emailornamenten zu
verzieren gewufst haben. Möglich und wahrfcheinlich ifl es, dafs fie diese Fer-
tigkeit fchon aus ihrer centralafiatifchen Heimat mitbrachten, und aus Afien hat
auch die Kunfl des byzantinifchen Reiches die Emailtechnik überkommen. Von
dort, von Byzanz aus, läfst fich die Gefchichte des Emails in ihrer höchft interef-
fanten Entwicklung ununterbrochen verfolgen.
Das „email cloisonne" oder wie man es in neuerer Zeit deutfch zu nennen
pflegt, der Zellenfchmelz, charakterifirt fich bekanntlich wefentlich dadurch, dafs
die Farbencompartimente, aus denen das Bild mofaikartig zufammengefetzt ift,
durch aufgelöthete dünne Metall-Lammellen oder P'äden getrennt find. Zu der-
artigen Werken fcheint das Gold beinahe ausfchliefslich verwendet worden zu
fein, und die Arbeiten der byzantinifchen Ivmailleure wanderten als koftbare und
hochgefchätztc Prachtftücke weit in das Abendland hinein, als Handelsartikel
und als Gefchenke der P'ürften. Die Beftandtheile der 1860 bei Nyitra Jvanka
in Ungarn (Neutraer Comitat) aufgefundenen Krone des byzantinifchen Kaifers
Conftantinos Monomachos (1042 — •1052) hatte das Ungarifche Nationalmufeum
ausgeflellt. Es find fieben längliche, oben abgerundete Goldplatten mit den
Figuren des Kaifers, der Kaiferinnen Zoe und Theodora, Heiligengeftalten und
allegorifchen Figuren der Demuth und Tugend*). Wir muffen hier die fich an
diefe Refle knüpfenden hiflorifchen Fragen übergehen, und erwähnen nur, dafs
fich für fie beinahe mit Sicherheit die Datirung zwifchen 1042 bis 1050 ergiebt;
die Feinheit und Vollkommenheit der Ausführung ftellt fie aber unter den uns
erhaltenen byzantinifchen P.mails in die erfte Reihe. Dafs die byzantinifche Email-
kunft ihren Urfprung im Orient hat und nicht aus einer Tradition der europäifch-
antiken Technik hervorgegangen ift, dafür fpricht fowohl der Charakter der
Werke, und der des Zellenfchmelzes überhaupt, der mit feinen die Farben-
felder durchziehenden Mctalllinien ein durchaus orientalifches Gepräge trägt, als
•) Bock, Reichskleinodien, und Cliarlcs de Linas, Notice für quelques ^niaux byzantins.
DIE EXPOSITION DES AMATEURS.
509
auch der Umftand, dafs wir in der Goldfchmiedekunfl; des europäifchen Orientes
und Vorderafiens das Ornamentationsprincip der mofaikartigen Zufammenfetzung
von glasartigen- oder fteinartigen-Maffen mittelfl: netzförmiger Metalleinfaffungen
ftets antreffen. Derart ifl; die berühmte fog. Schale des Chusroes IL, derart find
ferner die bekannten Goldgefäfse aus der Völkerwanderungszeit, die bei Petroffa
Ornament vom Functionsfcliwerl der
Stadt Sleyr.
Ornament von einem Stadtrichterfchwert,
datirt 1568. Mufeuni in Linz.
in Rumänien gefunden wurden und auf der Parifer wie auf der Wiener Aus-
ftellung figurirten; in gewiffcr Beziehung endlich gehören auch jene egyptifchen
Schmuckgegenflände hierher, bei denen die Zellen ganz wie beim wirklichen
email cloifonne gebildet find, die ausfüllende Farbmaffe jedoch nicht eingebrannt,
fondern nur eine Art Harzteig ift.
Ueberaus merkwiJrdige und namentlich durch ihren Parallelismus mit der
übrigen Kunftentwicklung lehrreiche Wandelungen vollziehen fich in der Email-
kunft von der byzantinifchen Epoche an bis in das 17. Jahrhundert. Das byzan-
510
DIE EXPOSITION DES AMATEURS.
tinifche cmail cloifonne entfpricht völlig dem Kunflfinne, der auch in den
Mofaiken des Oflreiches feinen Ausdruck fand; wie das Mofaik, ift auch die ge-
nannte Gattung der Emailmalcrci ihrer Technik nach nothwendig, blos eine Dar-
ftellung in fchematifchen Flächencompartimenten; die weitere Aehnlichkeit, die
das Gefüge des Mofaiks mit den Zellen des Emails gemeinfam hat, ifl wohl mehr
als eine äufserlich zufällige, und fcheint uns begründet in der gleichfam desor-
ganifirenden Tendenz der byzantinifchen Darftellungsweife.
Vielleicht unterftützt durch erhaltene einheimifche Traditionen, jedenfalls
aber durch die Anregung, die von den byzantinifchen Werken ausgegangen war,
und theilweife vielleicht auch durch griechifche Künfller nach dem Weflen ver-
pflanzt, entwickelt fich die rheinifche und Limoufiner Emailkunft des Mittel-
alters. Neue und vereinfachte technifche Mittel kommen hinzu, entfprechend
den veränderten künfllerifchen Zielen. Das cmail champlevc, das nun geübt
wird, erlaubt fchon einen, wenn auch ftrengen, doch fiebern und klaren Zug des
Contours, wie dies dem tiefen Eingraben in das Metall entfpricht, eines Contours,
der aber nichts mehr gemein hat mit der energielofen Linie der gebogenen
Goldlamelle der Byzantiner. Auch die fonftige Behandlung des Emails verliert
den mofaikartigen Charakter und ifl fchon eine wirkliche Malerei mit einfachen
Localfarben, oder eine colorirte Zeichnung in farbigen Strichen mit angedeuteter
Schattirung. Die ftehcngelaffene Metallfläche bildet den fchinimernden Hinter-
grund gleich dem Goldgrund der Tafelbilder.
Als ihre köftlichfte Perle enthielt die Expofition des Amateurs das vielleicht
bedeutcndfte Monument der Emailkunft des Mittelalters, das auf uns gekommen
ift, den berühmter Verduner Altar, den das Stift Klofterneuburg bei Wien in
der Kapelle des h. Leopold bewahrt, und den man auf der Ausftellung zum
erften Male im vollen Tageslicht zu fehcn Gelegenheit hatte. Durch den fich
infchriftlich nennenden Künftler Nicolaus von Verdun im Jahre 1181 urfprüng-
lich als Ambonenverkleidung gefertigt, erlangte er erft bei Gelegenheit einer
theilweifen Renovirung der durch einen Brand 1322 entftandenen Schäden feine
heutige Beftimmung als Altarauffatz. *) Das Ganze ift zufammengefctzt aus 51
etwa zehn Zoll hohen Tafeln, von denen jede eine befonderc Darftellung ent-
hält, parallele Scenen des alten und des neuen Teftamentes, dazwifchen Infchrift-
ftreifen und Ornamentenfriefe in reicher Abwechfelung höchft reizender geome-
trifcher Mufter. Die Zeichnung der Figurenbilder, in breiten Strichen in das Metall
eingravirt, und lediglich mit blauer und rother Farbe ausgefüllt, zeigt trotz des
verhältnifsmäfsig geringen Mafsftabes in einzelnen Compofitionen eine ernfte
Grofsartigkeit, fo in der Darftellung der Königin von Saba, in andern eine wun-
derbar lebendige und doch fo ftilvolle Energie und Kraft der Zeichnung, wie
in Samfon mit dem Löwen oder im Jüngften Gericht. Antike Reminiscenzen
verweben fich in merkwürdiger Weife mit der hervortretenden Unbehilflichkeit
•y^abei wurden fcchs neue Emaillafeln »ml die kuuftgefchiclitlich höchft inlerelTaiitcn Malereien
auf der RUckfeite hinzugefügt, rrobfl Stephan von Syrendorf veranlafsle dicfe Wiederherftellung: „Er
fchueff dafs man die fchon lafTln gehn wien füret vnder die goldtfchmit die vcrneuertcn fi wider" . . etc.
Ilcider und Eitelberger, Kunfldenknialc; dann die Spccialpublicalionen von Arnclh, Heider und Ca"
mefnia.
r
DIE EXPOSITION DES AMATEURS. 511
und der mittelalterlichen Aufifaffung, die Formen mehr conftruirend aneinander-
zureihen als organifch zu verbinden. Noch verfchiedene andere, wenn auchfelbfl-
verfländlicli weitaus an Bedeutung gegen den Kloflerneuburger Altar zurück-
llehende Beifpiele der mittelalterlichen Emailtechnik hatte die Ausftellung aufzu-
weifen, fowohl an Arbeiten der rheinifchen als auch an einzelnen der Limoufmer
Schule. Wir nennen von den erfleren ein befonders zierliches Ciborium von
Klofterneuburg und ein Reliquiar aus dem Schatze deffelben Stiftes, von den in
Metallarbeit, P'arbenwahl und Ausführung des Emails gewöhnlich gegen die
rheinifchen zurückftehenden Limoufmer Werken ein Reliquiar des Stiftes Krems-
münfler.
Der Kunflentwickelung des fpäteren 14. und des 15. Jahrhunderts konnte
das Email mit den technifchen Mitteln, die das ^mail champleve bot, direct nicht
folgen; wir fehen es eine Zeitlang vom Schauplatze der Uebung verfchwinden,
bis neue technifche Behelfe herangezogen waren, um die Anforderungen nach
einer mehr realiftifchen und malerifchen Darftellungsweife zu erfüllen. Diefe bot
zunächfl das nun aufkommende „durchfcheinende Reliefemail" (email trans-
lucide sur relief). Die Modellirung und Rundung der Körperformen ift bei diefer
Emailgattung fchon in bedeutenderem Grade möglich. Sie wird dadurch erzielt,
dafs die Oberfläche des zu emaillirenden Metalles in einer Art feichtem Relief
gearbeitet ift, welches durch die darüber gebreitete Schichte des (nicht mit Zinn-
afche verfetzten) durchfcheinend gelaffenen Emailfluffes mit der Abvyechfelung
von Höhe und Tiefe wie Licht und Schatten wirkt. Manche italienifchen Gold-
fchmiede des 15. Jahrhunderts excellirten in diefer Kunftgattung, an ihrer Spitze
Meifter wie die Pollajuoli und Finiguerra; aber auch Deutfchland lieferte in die-
fer Art vortreffliche Werke. Auf der Ausftellung war das translucide Email
vertreten durch ein kleines Altärchen mit Scenen aus der Paffionsgefchichte
(Nr. 35 der oefterr. Abth.), eine deutfche Arbeit aus dem Anfange des
15. Jahrh. und ein in der ungarifchen Abtheilung befindliches Crucifix, welches
in eckigen Feldern Bilder Chrifli und der Evangeliften enthält.
Der Umftand, dafs das durchfcheinende Reliefemail nur auf einer Unterlage
von edlem Metalle und felbft da nur mit einer befchränkten Farbenfcala an-
wendbar ift — ■ fo können z. B. Fleifchtöne blos mittelft einer blafsvioletten
Färbung ausgedrückt werden — • andererfeits die verhältnifsmäfsig geringe Solidität
derartiger Werke, kurz das Streben nach einer gröfsern malerifchen und der
eine folche ermöglichenden technifchen Vollkommenheit führte bald zu weiterer
Ausbildung. Wiederum kehrte man zur Anwendung opaker Farben zurück, aber
man hatte inzwifchen gelernt, fie mit Sicherheit neben einander zu fetzen, ohne
trennende Metallftege nöthig zu haben; die Palette wurde reicher an Nuancen,
und die Emaillirkunft entwickelte fich nun zur wirklichen Email maierei. Mit
vielen Zwifchenftufen und Uebergängen vom Relief- zum Maleremail vollzieht
fich diefe Wandlung, zunächft in den Werkftätten der Florentiner Goldfchmiede, bis
weiterhin für das Maleremail die Stadt Limoges der nahezu ausfchliefsliche Sitz
diefer Uebung wird. So laffen die italienifchen Emailleure dem Hintergrunde und
den Gewändern noch den edelfteinartigen Effect des durchfcheinenden Schmelzes
und beginnen nur Fleifchtöne und Nebendinge naturwahr zu färben, bis diefer
512
DIE EXl'OSITION DES AMATEURS.
Trium])li der Liebe, Relief vom Grazcr Elfeiibcinfchrcin.
Realismus immer weiter ausgedehnt wird, während die Schule von Limoges damit
beginnt, ein vollflimdiges Gemälde in opaken Schmelzfarben herzuftellen und
nur für einzelne Partien die leuchtenden filberunterlegten Farben beibehält.
Vom letzten Drittel des 15. Jahrhunderts an nimmt Limoges die vornehmfte
Stelle ein in der Verfertigung aller Arten emaillirter Tafeln und Geräthe,
fo däfs fpäterhin für alle derartigen Arbeiten der Name diefes Verfertigungs-
platzes die geläufigfte Bezeichnung ward. Eine Anzahl Künfllerfamilien wirken
hier neben und nacheinander, oft in vielen Generationen, und werden je zu Re-
präfentanten gewiffer Stileigenthümlichkeiten und Unterarten der Emailmalerei,
fo die P^nicaud, die Limoufin, die Raymond, die Cour oder De Court. Die
Sammlung des Barons Anfelm von Rothfchild hatte zur Ausftellung das Haupt-
contingent an Limoufuier Emails geliefert. Den ganzen Reichthum, deffen die
Palette der Schmelzfarbenmaler fähig war, fehen wir auf einer grofsen ovalen
Platte vereinigt, die den Durchzug durch das rothe Meer darflellt (Oefterr. Abth. 7a.)
Der Katalog fchreibt fie einem „Jan Courtois" zu, der richtig gefchrieben Jehan
DIE EXPOSITION DES AMATEURS.
513
Triumph Chridi, Relief vom Grazer Klfenbeinrclircin.
Courteys heifsen müfste, wenn überhaupt ein LimoufinerEmailleur diefes Namens
je exiftirt hat, und wenn nicht vielmehr das Monogramm I. C. richtiger auf den
hiflorifch feftgeftellten Jehan de Court zu deuten ift. Der farbenprächtige Effect
und die bis in's Einzelne wirklich höchfl gediegene technifche Ausführung läfst
das Ungefchick der Compofition und die mangelhafte Zeichnung der Figuren bei
diefen Werken leicht überfehen. In den anfpruchsloferen und mehr auf eine
rein decorative Wirkung berechneten Grifaillen offenbart fich indeffen zuweilen
eine ganz refpectabele wirkliche Künftlerfchaft mancher Glieder der Limoufmer
Schule. So zeigt ein Käftchui* mit kleinen Darflellungen aus dem alten Tefla-
mente, wohl ohne Zweifel ein Werk des Pierre Reymond, eine wunderbare Fein-
heit der Vollendung und eine Sicherheit und Freiheit der Verwendung des
fchwierigen Materials, wie bei einer zarten getufchten Handzeichnung eines Klein-
meifters. Das Ornament jedoch bildet immer, felbfl bei den fchwächern Künfl-
lern, den Hauptrei/. der Emails, und wo diefe, wie bei den Geräthen, Leuch-
tern, Kärtchen und dcrgl., innerhalb der Grenzen der blos kunftgewerblichen Her-
«5
514
DIP: EXPOSITION DES AMATEURS.
vorbringung bleiben, find fic beinahe immer ausgezeichnete Leiflungen ihrer
Gattung. Die Leuchter und ein Käflchen des Baron Rothfchild, die der Katalog
der Sufanne Court zufchreibt, find gute Beifpiele diefer Art. Das fchr einfache
I'ormfchema crfcheint da im höchftcn Grade belebt und abwechfelungsreich
durch eine endlofe Mannigfaltigkeit der Zierrathen und Medaillons, die alle mit
gleicher Sorgfalt durchgebildet, den juvelenartigen Reiz hervorbringen, der dem
Stile der Emailkunft fo recht eigentlich angcmeffen ifl: — ■ ein Ziel, das aber die
modernen wie auch die alten Kiinfller diefes Faches gar häufig verfehlen, indem
fie das Email für mehr als ein blofses Decorationsmittel und für eine wirkliche
Gattung der Malerei anfehen.
Die weiteren Schickfale diefer Technik im 17. und 18. Jahrhundert zu ver-
folgen, gab die Ausftcllung nur wenig directe Gelegenheit. Das P'mail wird in
diefer Epoche zu einem von allen früheren Leiflungen wefentlich verfchiedcnen
Dinge. Die Vereinfachung des bisher von der Limoufiner Schule beobachteten
Verfahrens, die derParifer Goldfchmied Jean Toutin in Aufnahme brachte, indem
er das P>inbrcnnen von Mctallfarben auf einer P^mailunterlage weiter ausbildete
und vervollkommnete, hatte zur Folge, dafs durch diefe leichtere, im Gelingen
ficherere Weife bald alle anderen Gattungen des Emaillirens völlig verdrängt
wurden. Das Toutin'fche Email geflattet zwar eine fehr miniaturartige Aus-
führung, in der es auch manche Meifter fehr weit brachten, wie Petitot u. A.,
es hat aber nichts mehr von dem tiefen und fatten Colorit und der Leuchtkraft
der alten Limoufiner Werke. Die Malerei auf Porzellan, die im fpäteren Verlaufe
des 18. Jahrhunderts aufkam und die den beinahe völlig gleichen Effect auf
dem fo hoch in Anfehen flehenden Materiale zu erzielen vermochte, hat bewirkt,
dafs auch die letzte Abart der Schmelzmalerei bald zu den verlorenen Künften
gehörte. —
An Metallarbeiten, die nicht der Goldfchmiedekunfl im weiteren Sinne ange-
hören, hatte die Ausftellung nur Vereinzeltes aufzuwcifen. Gothifche Eifenarbeiten
waren in wenigen, aber fehr vortrefflichen Stücken vorhanden, fo aus dem Mu-
feum zu Klagenfurt ein Thürfchlofs mit höchfl feinen frcigefchmiedeten Ornamen-
ten, ein anderes aus der Stadt Gurkfeld in Krain (lammend. Den beflen folcher
Werke wohnt eine derartige bewufste Sicherheit und Eleganz, ja NoblefTe der
Ausführung inne, dafs man wohl fagen kann: auch die gefchickten Schmiede
jener Zeit haben mit wahrhaft künfllerifcher Empfindung den Hammer ge-
führt. Aus dem nahe verwandten Gebiete der Waffen erwähnen wir eine
Dolchfeheide, die das Monogramm des Solothurner Zeichners, Holzfehneiders
und Medailleurs Urfe Graf trägt. (Kat. Nr. 84; hier in's 17. Jahrhundert ver-
fetzt). P^in ähnlicher Dolch mit geätzten Darllellungen auf der Klinge und
ebenfalls mit dem Monogramme Urfe Grafs befindet fich im Befitze des Malers
Makart in Wien. —
Noch weit weniger als irgend eine andere Gruppe von Kunftobjecten bildete
das von alten Möbelftücken Vorhandene ein unter einem gemeinfamen Gcfichts-
punkte zufammenzufaffendes Ganze ; doch befand fich darunter Einiges von her-
vorragender Bedeutung, fo dafs wir als getreue Chroniften deffen hier in Kürze
Erwähnung thun wollen. Rechts und links vom Eingange in die öfterreichifchc
DIE EXPOSITION DES AMATEURS. 515
Abtheilung befanden fich zwei Objecto, die unbedingt zu dem Anziehendflen in
der gefamnitcn ICxpofition des Amateurs zu rechnen waren. Es find dies zwei
etwa fechs Schuh hinge Schranl<e, oder richtiger Truiien, mit offenbarem Decl<e!,
aus der Domkirchc zu Graz (lammend, wo fie — ihrer urfprünglichen Beflimmung
wohl fehr wenig entfprcchend — lange Zeit als Reliquienfchreine dienten. Diefe
Möbel, oberitalienifche Arbeiten aus dem 15. Jahrhundert, zeigen an den vordem
Langfeiten figurenreiche Reliefs (f. die Abbildungen) mit den Darflellungen der
fechs „Triumphe" nach der Dichtung des Petrarca. Der Stil diefer Reliefs trägt
die deutlich ausgefprochcnen Merkmale der Mantegnesken Kunflrichtung etwa
aus den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts, und wir diirfen uns den unbekannten
Verfertiger in naher Beziehung zur Paduaner Schule denken. Ornamentirte Pi-
lafter theilen die vorderen Langfeiten der Truhen in je drei grofse Felder ein,
in denen fich die von einer einfachen Palmettcnumrahmung eingefafstcn Compo-
fitionen befinden. Die Anordnung folgt genau der Dichtung des Petrarca. Dem-
gemäfs ift auf der erften Truhe der Triumph der finnlichen Leidenfchaft über die
Seele des Menfchen dargeftellt unter dem Bilde des Cupido; fein Wagen wird
von feurigen Roffen gezogen und Menfchen aller Claffen und Stände begleiten
ihn. Auf dem zweiten Felde triumphirt die Keufchheit (oder die Vernunft) über
die Liebe, auf dem dritten der Tod über die Vernunft. Die Reihenfolge fetzt
fich auf dem andern Schreine fort: da folgt der Triumph des Ruhmes über den
Tod, der Triumph der Zeit über den Ruhm, und endlich als Letztes der
Triumph der Ewigkeit, dargeflcllt unter dem Bilde Chrifli über Zeit und alle
Dinge.
Die weit ausgefponnene Allegorie des Gedichtes war für die Kunft der Rc-
naiffance ein fruchtbarer Vorwurf der bildlichen Darflellung, dem wir in der
Malerei und Sculptur, in Kupferflich und Holzfchnitt in endlofen Variationen be-
gegnen, und auch in unfern Reliefs hat der Künfller die Compofition ziemlich
originell und in feiner Art gefafst. Bemerkenswerth ift der vortreffliche Relief-
ftil in der Anordnung der Züge, der ja fo recht die Sache des Mantegna und
der Künftler war, die von ihm ihre Anregung empfingen. Die Durchführung
namentlich der Köpfe hat etwas von der Sorgfalt und Detailarbeit eines Cameo.
Es fcheint, dafs diefe beiden Stücke für einen deutfchen Befteller in Italien ge-
arbeitet wurden. Die Schmalfeiten tragen verfchiedenartige Embleme, darunter
eine Hirfchkuh mit einem Spruchbande, auf dem die Worte „bider rakt"
(bieder recht) ; wobei die abfonderliche Schreibweife und ungefchickte Bildung
des K darauf deuten, dafs dem Künftler die Sprache der Infchrift wie auch das
Schreiben diefes Buchftaben nicht geläufig war.
Im Anfchluffe hieran wollen wir noch eines merkwürdigen mittelalterlichen
Möbels Erwähnung thun, das aus dem Frauenftift auf dem Nonnberge bei Salzburg
in der öfterreich. Abtheilung ausgeftellt war. Es ift diefs das Original eines fogen.
Faldiftolium oder Faltistorium, eines Faltftuhles, wie er zuweilen auf Münzen und
Siegeln als Abzeichen der bifchöflichen Würde bei den Bildern der Betreffenden
vorkommt. (S. die Abbildung). Es ift ein feldfeffelartiger Stuhl mit Bronzefüfsen
und Bronzebefchlägen und elfenbeingefchnitzten Löwenköpfen an den Enden der
rothbemalten Stützbalken, und als Möbel des Mittelalters von feltener l'>haltung
eö«
516
DIE EXPOSITION DES AMATEURS.
des Intercfft:s im holicn Grade werth. In feiner {Gegenwärtigen Gcflalt etwa aus
dem 14. Jaliriiundert ftammend, deuten namentlich die ftreng ftilifirten I.öwen-
köpfe auf ein weit früheres Datum, fo dafs wir annehmen muffen, hier eine mit
Benüt/ung älterer Theile flattgehabte Umarbeitung aus der erwähnten Zeit vor
uns zu haben.
Von ihrem Rcichthum an prächtigen Möbeln aus dem 16. und 17. Jahrhun-
dert hatte die Schweiz nur verhältnifsmäfsig Unbedeutendes ausgtftellt. Das
Befle darunter war ein Schrank von 1686, der von dem Oefterreichifchen Mufeum
angekauft wurde. Hin und wieder konnte der Liebhaber noch ein in irgend einer
Ecke verftecktes altes Möbelftück entdecken, zuweilen an Plätzen, wo man es am
wenigften vermuthet hätte, fo in dem Pavillon der Frauenausftellung eine präch-
tige eingelegte Thür und dergleichen mehr.
Im fpanifchen Pavillon begegneten wir einem tragbaren Predigtftuhl aus
der Kathedrale von Leon, im fpätgothifchen Stile aus dem 16. Jahrhundert, wie er
fich auf der iberifchen Halbinfel neben der Renaiffance und beeinflufst von ihr
noch lange erhalten hat. Andere Werke zeigten ein ähnliches Gepräge. Meift
ifl nur die Ornamentation der Füllungen flachgehaltenes gothifches Mafswerk,
während der Aufbau fchon ganz im Sinne des neuen Stiles fich entwickelt. Die
fpanifche Renaiffance, die noch ihres Gefchichtfchreibers harrt, weift manche
Erfcheinungen auf, die durch ähnliche Verhältniffe hervorgerufen, anziehende
Analogien zur Geflaltung der deutfchen Renaiffance darbieten; fchon das Wenige,
das hier zu fehen war, liefs derartiges ahnen.
Wie lehrreich wäre aber überhaupt eine Zufammenftellung der Möbel frühe-
rer Epochen aus den verfchiedenen Ländern, wie wichtig für die Kenntnifs diefes
Theiles der architektonifchen Formenbildung! Der Verkehr, der Alles von Oft
nach Wefl und von Süd nach Nord fchleppt, wird es ohnedies bald unmöglich
machen, folche Dinge noch an Ort und Stelle zu ftudiren.
Fr. Lippmann.
Faltllulil von Holz mit Bronzebefchlägen und Elfcnljcinfchnilzwcrk, 14. Jahrb.;
Frauenftift auf dem Nonnberge bei Salzburg
Alphabetisches Namens- und Ortsregister.
Aargau, Volksfchule, 203.
Achenbach, Andr., 355, 435.
Achenbach, O., 355, 394.
Actiengefellfeh. f. WafTer- u. Gasanl.,
Berliner, 77, 137.
Adamo, 339.
Adele, 460.
Admont, Stift, 504, 506.
Aegidi, f. Kobek.
Aegypten, Bauten, 65,68, 91 — 98, lOi ;
Kiinftarbeiten, (f. Orient) 273, 313;
Frauenarbeiten, 247 ; l'hotographie,
466.
Aeppel, 454.
Afinger, Bernh., 296, 375.
Ahlborn, Lca, 219.
Aizclin, Eug., 327.
Albergo dei poveri, Genua, 206.
Albert, 463.
Alker, 465.
Almeida, Aug., Ruflnto d', 185.
Alt, Franz, 442.
— Rudolph, 367.
Amand-Durand, 465.
Andrei, l'Vancesco, 293.
Andreini, Francesco, 293.
Angeli, Heinrich v., 359, 365.
Angerer, Ludw. u. Victor, 460.
Anker, Albert, 382.
Anthony, 466.
Antigna, Alex., 331.
Arendfen, J. P., 438.
Affer, C. J., 466.
Affociation commercial in Porto, 494.
Athanafe, 489.
Bache, Otto, 211.
Bach'fche Kunflanftalt, 446.
Baden, Grofsherzogthum, Zeichen- und
Kunfluntericht, 486.
Bader, Fr., 436.
Bäumer, W., 477.
Bagues, Eugenie, 146.
Bailly, Ant. Nie, 269, 470.
Baifch, 358.
Bakhuyfen, J., 390.
- T., 390.
Baldi, 460.
Baldus, 465.
Baiin, P., 235, 304, 307, 335.
Ballu, Theodore, 269, 470.
Baltard, Victor, 26g.
Bankel, J., 431.
Baranzewitfch, Moriz, 437, 478.
Barb^dienne, F., 147, 261,327, 349,441.
Barbizet, A., 151.
Barfufs, Paul, 431.
Bargue, Gh., 488.
Barnard, Bishops & Barnards 100, 158.
Barni, Salv., 225.
Barret, George, 414.
Barrias, Fei. Jos., 270, 326, 331.
Barzaghi-Cattaneo, A., 382.
. — Francesco, 402.
Batsche, A. J., 397.
Bau- und Creditbank, Magdeburger, 259.
Bau-Akademie in Berlin, 487.
Baudissin, Pauline, Gräfin, 227.
Baudrit, A., 149.
Baudry, Paul, 470.
Bauer, 442.
Baugefellfchaft, Wiener, 478.
Baugewerbefchule in Stuttgart, 484, 486.
Bayern, Zeichen- u. Kunftunterricht,
483, 484.
Becker, Aug., 446.
Becker, C, 339.
Begas, Reinhold, 375, 378, 456.
Belgien, Wohnungsausftattung, 66;
Kunftarbeitcn, 118 — 119; Frauen-
arbeiten, 198 — I99;bild. Kunft, 286,
293. 383 - 387,438 ; Photographie,466 ;
architektonifche Zeichnungen und
Modelle, 470.
Belezza, Alex., 82, 83, 130.
Benda, 473.
Bendemann, Eduard, 335, 339.
Bengue & Kindermann, 463.
Benk, Joh., 38, 41.
Berg, C., 454.
Berganiasco, C., 460.
Berlin, die Stadt, 283.
Bern, die Stadt, 507.
Bernard, A., 149.
Bernoud, A., 465.
Berne-Bellecour, Elienne, 295, 321.
Bertano, Giov. Batt., 499.
Bertini, 396.
Berthold, 506.
Bcrtoja, 466.
Bertinot, G. Nie, 423.
Beyfchlag, Rob., 339.
Bianchi, 397.
Biancardi, Ant., 499.
Bieber, 463.
Biedermann, Emil, 164.
Biefve, Edouard de, 383.
Bierstadt, Ch., 466.
Bigainonti, 293.
Bigot, Marie, 196.
Bilders, Jan W., 390.
Bing & Gröndahl, in, 112.
Binger & Chits, 466.
Biot, Gustave, 438.
Biro, Anton, 166.
Bisfchop, Chriftoph, 388.
Bitterlich, 489.
Blaas, Eugen, 365.
Blanchard, Jules, 330.
Blafchke, 350.
Blau, 358.
Bleibtreu, Georg, 354.
Blindenanftalt, königl.zu Dresden, 208.
Blindenanflalt, provinzialftändifche za
Hannover, 208.
Blindeninftitut, königl. zu Kopenhagen,
210.
Blindeninftitut, Stuttgarter, 208.
Bloch, Carl, 391.
Böcklin, Arnold, 342.
Boehm, J. E., 414.
Börjessen, Agnes, 391.
Böfendörfer, Ludwig, 357.
Bognard, J., 454.
518
ALPHABETISCHES NAMENS- UND ORTSREGISTER.
Bogoljuboff, Alcxius, 394.
Bohnftedt, Ludwig, 294, 471.
Boisseau, Emile Andre, 327.
Boks, 390.
Bonnal, Leon, 319, 360, 394.
Boonebakker, & Sohn 121.
Borneo, f. Holland.
Borseleu, 390.
Borzino, Ulissc, 455.
Bos, W., Sohn, 455.
Bosboom, Johannes, 390.
Bouguereau, W. Ad., 423.
Boulanger, G. Rod., 295, 321.
Boulant aine, 454.
Bourdon de Bruyne, 118.
Bourgeois, Ch. A., Baron, 326, 330.
Boutibonne, Ed., 23.
Bouvier, Laurent, 325.
Braeckeleer, J. de, 386.
Braga, 401.
Braida, Anna, Gräfin, 227.
Braith, Anton, 358.
Brandes & Wolff, 446.
Brandt, Jofeph, 354.
Brafch, 463.
Braun, Ludwig, 354.
Braun, (Dornach), 457, 463.
Bragueni^ frires, 44, 46,
Brafilien, Frauenarbeiten, 184 186.
Brendel, Albert, 358.
Brentani-Viglezio, Marianna, 202.
Breton, Emile Ad^lard, 326.
Breton, J. Ad., 316, 317, 331.
Breymann, 376.
Brington, John, & Co., 139.
Brion, Gustave, 319.
Brix & Anders, 166.
Brockhaus, F. A., 446.
Bruckmann, Fr., 463.
Brunet-Debaincs, Alfred, 422.
BuchhoUz & Comp., 198.
Bühlmayer, Konrad, 23, 367.
Bülow, Paula, Baronin v., 226.
Bültemeyer, Heinrich, 434.
Bukowina, weibl. Ilausinduftrie, 231 -
233-
Burger, Johann, 43 1.
— W., 460.
Burnitz, K. P., 355.
Busi, Lodovico, 398.
Cabanel, Alex., 291, 295, 301, 302, 307,
331-
Cabat, Louis, 326.
Gabel, Paul, 326.
Cailld, Jos. M., 330.
Cain, Aug., 330.
Caldcron, Ph. IL, 412.
Cameron, J. M., 461.
Camesina, A. von, 496.
Cammarano, 398.
Camphaufen, W., 313.
Canon, (Johann v. Straschiripka), 361,
362, 434-
CargnicUi, Frl., 226.
Carnaghi, Paolina, 206.
Carpcaux, J. Bapt., 330.
Carpenticr, 470.
Carrier-BcUeuse, A. E., 270, 326.
Carrington, Lady, 186.
CastcUani, .\lex. A., 130, 233, 324.
— Pio, 130.
Caudron, Jacques Eugene, 327.
Centralafrika, Frauenarbeiten, 250.
Centralverein, polytechn. in VVürzburg,
485.
Charit^ de Bellem, I98.
Charle-Alberl, 66.
Charlemont, Eduard, 362.
Charlcmont, Hugo, 367.
Charmaux, 466.
Charmois, Chr. & E. Lemarinier, 44.
Charzal, 489.
Chatrousse, Emile, 327.
Chavet, Joseph Victor, 321.
CheriU, 460.
China, KunflnrbcUen, 178— l8o;Frauen-
arbeittn, 254 — 256.
Chirico, Jnc. di, 293.
Christesen, V., 84, 98, 99, in.
Christofle & Co., 72, 80, 116, 117, 147,
150, 159, 168.
Ciseri, 398.
CipoUa, Ant., 471.
Cipriani, 395.
Civo, Bern., 499.
Claus, H., 45, 76, 136, 148, 164, 213,
323, 345- 477-
Clays, P. J., 387.
Cl&inger, J. Bapt., 330.
Coalbrookdalc Company, 152.
Cogniet, L^on, 307, 432.
Cole, Vicat, 413.
CoUette, Alexandre, 422.
ColUnot, E., 75, 151.
Collinson & Lock, 54.
Compagnie des Indes (Belgien) Ig8.
Conny, Ed., Baron, 327.
Consani, 402.
Cooke, Edw. W., 414.
Cooper & Holt, 54, 389.
Copcland, W. T., S: Sons, 67, 73, 155.
Corfu, Comnumalfchule, 242.
Corot, J. Bai)t. Cam., 326, 422.
Couder, Alex., 326.
Courteys, Jehan, (J. de Court), 513.
Crauk, Gust., 327.
Croaticn, Wohnhaus, 82; weibl. Haus-
induftrie, 238 ff.
Cuccioni, 466.
Czaykowska, Severine, Gräfin v., 225.
Czeiger, S., 442.
Dänemark, Wohnungsausftaltung , 66;
Kunftarbeiten, 107,1 10— ll4;Fraucn-
arbeiten, 210—215; '''•'!• l^unft, 286,
391 ; Photographie 466; Zeichen- und
Kundunterricht, 493.
Dalmatien, weibl. Hausinduflrie, 228.
Daniell, A. B., & Son, 154, 155.
Danse, H., 438.
Danuelle, 470.
Daubigny, Ch. P., 326.
Daubigny, Ch. Fr., 326, 331.
David d'Angers, 326.
Davioud, G. Fr. Ant., 269, 471.
Davis, H. W. B., 413.
Day, John B., 454.
Deck, Th., 143, 151, 170.
Defregger, Franz, 348, 349, 434, 442.
Dehn, 472.
Delacroix, Eug., 270, 281 , 298, 314,
364, 417, 418.
Delaplanche, Eug., 330.
Delauncy, Alfred Alex., 422.
Delboete, J., 438.
Delisi, Benedict, 293.
Deloye, Gust., 38.
Deniere, Guil., 146, 237, 289, 291.
Deperthes, 269, 470.
Desgoffe, Alexandre, 326.
Deutfchland, Wohnungsausftattung,
55 — 59; Kunftarbeiten, 166 — 174;
Frauenarbeiten, 206-2 10 ;Kunftpflegc,
271— 275; bild.Kunfl, 286,331—358,
374—378, 426 — 432; Farbendruck,
444 — 446; Photographie, 47 1 ff.;
Zeichen- und Kunflunterricht, 483 ff.
Deventer, J. J. van, 390.
Diaz, Narcisse, 326.
Diehl, 147.
Dietz, Wilhelm, 352, 354.
Dittmarsch, C, 442.
Domingucz, 394.
Donath, Julius, 38.
Donndorf, Adolph, 376.
Dor^, Gustav, 422.
Dorer, Robert, 376.
Doulton, H. & Co., 267, 281.
Draechsler, C, 34, 42, 64, 363.
Drake, Fr., 228, 375.
Drossis, L., 224.
Dubois-Pigalle, Paul, 330.
Duc, Joseph Louis, 269, 470.
Dübell, Heinrich, 64.
Dücker, Eugen, 394.
Duplan, ¥., & Co., 44.
Dupr£, Victor, 326.
Dupuy, Jean Theodore, 454.
Duran, Carolus, 295, 308.
Durcnne, Ant., 330.
Durct, Frang. Jos., 270, 306.
Dutkowicz, 460.
Duval & Huntcr, 455.
Dziedzinski & Hanusch, 57, 91, 165,
312, 336, 365.
Dyk, H., 484.
Eastlake, Charles, 54.
Ebe, 473.
Eberle, Ad., 350, 442.
Ebert, Karl, 358, 432.
Educandato della miferia in Mailand, 203.
Eckert & Richard, 463.
Eich, R., 463.
Elkington & Co., 157, 158, 163, 241,
278. 396, 403, 417, 429-
Elmore, Alfred, 413.
Elfafs, Hauernhaus, 448 — 451.
Emele, W., 365.
F;ngelhardt, H., 377.
England, Wohnungsausftattung, 50 — 55 ;
Kunftarbeiten, 153 — 158; Frauenar-
beit, 186; bild. Kunft, 286, 289, 403 —
414, 438; Farbendruck, 454 — 455;
Photographie, 460 — 465 ; architekt.
Zeichnungen, 470; Zeichen- u. Kunft-
unterricht 479.
Enke, 375.
Epp, Rudolf, 350.
ALPHABETISCHES NAMENS- UND ORTSREGISTER.
519
Erbkam, 472.
Erhard & Söline, 49, 106.
Eriidt, Bernhard, 196, 208, 288.
Escallier, Mmc. Eleonore, 326.
Faber, M. & Co. (Ludw. Damboeck) 23,
30, 31, 182, 183, 201.
Faed, Thomas, 412.
Fagerlin, Ferd. Jnl., 391.
Fajans, 460.
Feddersen, 355.
Feldscharek, Rud., 18, 23, 91, 312, 320.
Felix, Eugen, 362.
Fernkorn, A. Ritter v., 378.
Ferri & IJartolozzi, 66.
F'errier & Lecadre, 465.
Ferstel, 11. Ritter v., 26, 69, 163, 166,
475- 478.
Feuerbach, Anselm, 192, 342, 343, 431.
F'eyen, Eugene, 319.
Eichel, Eug., 321.
Fiedler, Bernhard, 367.
Fields, 412.
Fierlants, J. 466.
Finnland, weibl. llausinduflrie, 245.
Fifchbach, Friedrich, 58, 81, 377.
F'ifcher, Moriz v. Farkasbäzi, 142.
Fix, A., 174, 179, 216.
Flanicng, Leopold, 418.
Flandrin, Ilipp., 270, 291, 298.
— Jean l'aul, 270.
Flattich, 477.
Fleifchmann, C. W., 70.
Fleury-Mermagis, 465.
Flickel, 355.
Flodins, Louise, 219.
Fontana, Roberto, 395.
Forberg, C. E., 434.
Forndran, 446.
F"ortier, G., 465.
Fourdinois, Henri, 44, 47.
Fourmois, Theodore, 387.
Fraikin, Ch. Aug., 387.
Frangais, Frangois Louis, 326.
F"ranceschini, 402.
F"ranci, Angelo, 131.
Francini, Andrea, 23.
F'rangois, Alph., 418.
— Jules, 418.
Frank, Magdalena, 222.
Frankenftein, 460, 467.
Frankreich, Wohnungsausflatlung, 42 —
50; Kunftarbeiten 142 — 153; Frauen-
arb., 194—198; Kunflpflege, 263 —
277; bild. Kunfl, 286, 294—295;
298 — 330; 415 — 423; Farbendruck,
446 — 455; Photographie463 ff.;archi-
tekt. Zeichnungen, 469 ff.; Zeichcn-
und Kunftunterricht, 488 ff.
Frauenbildungs-Verein in Ted, 238.
Frauen-Frwerli-Verein in l'rag, 223.
Frauen-Erwerb- Verein inWien, 223, 226.
Frauen-Verein f. Arbeitsfchulen in Wien,
223.
Krauenverein, badifcher, 207.
Frauenverein im Haag, 199.
Frauenwohlthätigkeitsvercin in Wien,
223.
Fremiet, Emm., 270, 330.
Freudcnthal, Volksfchulc, 222.
Friedländer, Fr., 366.
Friedrich, O. I!., 425.
FViedriehsen, Erneftine, 347.
Fries, A., 471.
»ische, Ludw., 355.
Frith, W. Powell, 413.
Frost, William Edwin, 410.
F'rullini, Ludwig, 66, 221.
Führich, Jos. Ritter v., 359.
F'ux, Jos., 362.
Gabi, 350.
Gällftedt, Frau, 219.
Gaillard, Gl. Ferd., 308, 331, 418,419.
(ializien, weibl. Hausinduftric, 230 — 23 1.
Gallait, Louis, 336, 383.
Gallori, 402.
Gamba, 398.
Gaffer, llans, 37S.
Gaflell, Franz, 38.
Gatti, Hattifta, 123.
Gaucherei, Leon, 422.
Gauthier, Charles, 327.
(iebhardt, F2duard v., 262, 337.
Gebier, Otto, 358.
Geertz, JuL, 88, 347.
Geisbe, L., 437.
Geifsel & Härtung, 129.
Genf, Induftriefchulen, 490.
Gentz, Wilhelm, 347.
Geoffroy & Co., 106, 163.
Gerhardt, Heinrich, 443.
Gerold, C. H., 446.
Gerold's, Karl, Sohn, 443.
G^röme, Jean Leon, 295, 322, 323,
324, 338.
Gertinger, Jul., 460.
Geruzet frcres, 466.
tiefellfchaft zur Anregung der Künft-
1er in Petersburg, 243.
Gefellfchait für vervielfältigende Kunft
in Wien, 437, 443.
Gewerbeverein in Graz, 223.
(jewerbe- Akademie in Berlin, 487.
(ieyling, Karl, 11.
Geymet, 465.
GeymüUer, 471.
Ghiberti, Lorenzo, 147.
Ghisi, Giorgio, 499, 500.
Giani, Karl, 23, 63, 166, 187, 204, 275,
300, 304, 399.
Gianetti, Raffaelo, 398.
Gierymski, Max, 354.
Giese, 472.
Gilbert, Sir John, 414.
Ginori, Lorenzo Marg., 170, 312, 385.
Ginotti, 402.
Giraud, Victor, 324.
Gironde, Bernard de, 325.
Giiinta municipale in .Mailand, 203.
Glaize, Augufle Barthelemy, 270.
Glasfabrik, k. niffifche, 137.
Glasinduflrie-Schulen, böhmifche, 482.
Gleichen-Rufswurm, 355-
Gleyre, Charles, 290, 382.
Gobelinsfabriken in Beauvais, 274.
Gobelinsfabrik in Paris, 274.
Goldhaim, Privatinftitut in Wien, 222.
Goldfchmidt, Louis A., 141.
Goldfchmidt, Michael, Söhne, 384.
Grack & Aron, 446.
Graeb, Carl, 355, 390.
Graef, Guftav, 343.
Graf, Urse, 509, 5:4.
Graff, Carl, 18, 30, 165,312,341,363.
Granichaädten, H. A., 163, 164.
Grant, Sir F'rancis, 410.
Graves, Robert A. E., 438.
Graz, Schule zu St. Urfula, 222.
— Domkirche, 512, 513,', 515.
Green, James, 154, 416.
Grefe, Conrad, 442.
Griechenland, Kunftarbeiten, 138 — 141 ;
Frauenarbeit, 240 — 242 ; bild. Kunft,
286, 294; Photographie, 466.
Griepenkerl, Chr., 359.
Grisenko, Leinwandfabrik in St. Peters-
Groner, Leopold, 166.
Gross, 475.
Grüllemeyer, Jofeph, 165, 420, 433,436.
Grützner, Ed., 350.
Guarnerio, Pietro, 402.
Gude, Hans, 355, 390.
Gurret frcres, 47.
Guggenheim, Michelangelo, 66.
Gugitz, 14, 18, 22, 63.
Gugnon lils, 151.
Guillaume, Eng., 270, 330.
Günther, A., 437.
Gumery, Ch. Alph., 72.
Gurkfeld, Stadt, 514.
Guftavsberg, Porzellanfabrik, 133.
Haak, 460.
Haanen, .\driana van, 390.
Haas & Czizek, 115, 162, 260.
Haas, Edu.ird v., 59.
Haas, J. H. L. de, 386.
Haas, Philipp, & Söhne, 11, 23, 26,
27. 30, 59, 62, 63, 144, 145, 157, 169,
194, 284, 285, 352, 353.
Hähnel, 487.
Haes, Frank, 463.
Halbreiter, Adolf, 108.
Hamburg, Elementar-Schulen, 488.
— Gewerbefchule, 487.
Hancocks & Co., 157, 158, 319.
Hanfstaengl, F'ranz, 444, 463.
Hangard-Mauge, 454.
Hanfeh, Anton, 442.
Hänfen, Theophil Ritter v., 17, 52, 53,
79,107,162, 164, 166, 373,421,473,
477, 478-
Harkort, Caspar, 14.
Harrach, Kerd. Graf, 354.
Harrifon, 465.
Harvcy, William, 410.
Hafenauer, Carl, Baron, 14, 18,26,475.
Haffa, Jofeph & Sohn, 55, 85, 145.
Hauberriffer, 473.
Haufer, Alois, 115, 162, 260, 436.
Hausfrauenverein in Petl, 238.
Hausmann, 473.
Hubert, Erneft Ant. Aug., 32 1.
Hecht, van der, 387.
Heckert, Fritz, 427.
Heemskerk van Beoft, 390.
Heid, Dr., 460.
Heiander, 391.
520
ALPHABETISCHES NAMENS- UND ORTSREGISTER.
Hellmer, Edm., 32, 38.
Ilenneber;;, Kud., 338.
Henriquel-Ouijont, Louis Pierre, 418,
423, 429, 430.
Henry, J. A., 146, 195.
Herberfteiii-Eggenberg, II. Graf, 494.
Hermann & liagantz, 446.
Hertel, Albert, 355.
Hcfs, Anton, 108.
Heffe, Alex., 270, 299.
HelTen, Grofshzogth., Zeichen- u.Kunft-
unterricht, 487.
Heyden, Auguft v., 338.
Heyden, Architekt, 22, 63, 405.
Hiddemann, Friedrich, 347.
Hildebrand, Adolph, 132, 282, 378, 380,
381.
Hildebrandt, Eduard, 281.
Hildebrandt, Ernft, 343, 446.
Hinträger, Moriz, 14.
Hirth, Rudolph, 343, 350.
Hitzig, Fr., 472.
Illawka, Jos., 477.
Hochdan?., Eduard, 446.
Ilochftättcr, C, & Söhne, 58, 81, 400.
Ilodgson, J. E., 413.
llölzel, Eduard, 442.
Hoff, Karl, 347, 391.
Hoguet, Charles, 281.
Holland, Kunftinduftrie, 119^121;
Colonien, 121 — 122; Frauenarbeiten,
199; bild. Kund, 286, 387 — 390;
438; Farbendruck, 455 ; Photographie,
466; Zeichen- und Kunftunterricht,
493-
Hollenbach, David, 45, 52, 53, 76, 79,
136, 148, 164, 165, 213, 321, 323,
344- 345. 364, 4'5-
Holmberg, Aug., 354.
Hörn, A., 437.
Horsley, John, Calcott, 412.
Ilouseworth, Th., 466.
Howell, W. R., 466.
Huber, Rudolph, 362.
Huet, Paul, 326.
Hügel, Heinrich, 377.
Hunten, Joh. Emil, 354.
Huhn, Andr., 471.
Humphries, James, & Sons, 105.
Ibach & Sohn, R., 469.
Indianerzelf, 87.
Indien, Kunftarbeiten, 166 — 178, 413;
Frauenarbeiten, 254 — 255; Photo-
graphie, 463.
Induno, Dom., 398.
— C'ir-, 395-
Ingres, Jean. Aug. Dom., 298, 325, 418.
Irmler, H., 165.
Isabey, L. G. Eug., 321.
Isella, Pietro, 23.
Israels, Jos. 388.
Italien, Wohnungsausftattung, 64 — 66;
Kunftarbeiten, 1 26 — 132, 283 ; Frauen-
arbeiten 203—206; Kunftpflege, 273;
bild. Kunft, 286, 287, 293, 394—403,
438; Farbendruck,455; Photographie,
466; architektonifche Zeichnungen,
471 ; Zeichen- u. Kunftunterricht, 491.
Jackson & CJraham, 54.
Jacobson, J. 390.
Jacoby, Louis, 433, 434.
— , Moriz, & Co., HO.
Jacquemart, Jules Ferdinand, 418, 420,
421.
— Bildhauer, 327.
— Nelie, 295, 307, 331, 420.
Janson, Carl, 394.
Japan, Kunftarbeiten, 178 — 1 80; Frauen-
arbeiten, 254 — 256, 401.
Java, 306, (f. Ilolland).
Jerichau, Jens Adolph, 391.
Jernberg, A., 391.
Jettel, Eugen, 367.
Jobbe-Duval, Felix, 270.
jobft, 475.
Johannes, Beruh., 463.
Jordan, Rudolph, 347.
Juvara, Thonimaso Aloysio, 438.
Kafka, 472.
Kaikreuth, Stan., Graf v., 355.
Karholm, Iledda, 219.
Kate, Herrn. Ten., 390.
Kauffmann, Herrn., 350.
Kaufmann, Steindruckerei (Berlin), 446.
Kaukafus, Frauenarbeit, 246, 382.
Kaulbach, Fr., 343.
Kaulbach, Herm., 350.
Keil, K. P. Franz, 375.
Keleti, Guftav, 372, 483.
Keller, Albert, 351.
Keller, Ferd., 334.
Keller, Jos., 427, 428, 429, 430.
Kempen, J. M. van, 39, 121.
Kerchove, Frau v., 199,
Keyser, Nicaise de, 383.
Kiebacher, M., 472.
Kiefsling, Paul, 343.
Kiewning, E., 465.
Kirchmayer, Andr., 166.
Klagmann, J. Bapl. Jules, 330.
Klaus, Joh., 434.
Klein, Aug., 166, 185.
Klinkofch, J. C, 163.
Klotz, 467.
Klofterneuburg, .Stift, 502, 510, 511.
Knabl, J., 172.
Knaus, Lu<lwig, 286, 319, 345, 346,
432, 434-
Knight, John Prescott, 410.
Kobek & Aegidi, 164.
Koch, Franz, 36.
Köchert, A. E., 17, 164.
König, Friedrich, 91, 163, 312, 320, 477.
— Otto, 156, 157, 378, 433, 436.
Kohnberger, Clementine, 226.
Kolbenheier, 473.
Koller, Rud., 382.
— Wilhelm, 365.
— in Bistriz, 460.
Kopf, Jüfeph, 376.
Koppmann, 465.
Korompay, 14, 18.
Kofch, Franz, 163.
Koffos, 294.
Koffow, 471.
Kotfeh, Theodor, 358.
Kotzebue, Alexander, 391.
Kracker, Johann, 431.
Krakau, Alex,, 471.
Kralik, f. Meyer's Neffe.
Kramer, Oscar, 467.
Kraus, Fritz, 347.
Kraus, Jos., & Sohn, I13.
Kreling, Auguft von, 167, 484.
Kremsmünfter, Stift, 494, 502, 51 1.
Kritz, Franz, 166.
Krumbiigel, Otto, 408, 409.
Krumbhülz, 487.
Kuhn, Karl, 391.
Küfferle, Aug., & Co., 119.
Kundmann, Carl, 92, 93, 292, 376, 378.
Kunftinftitut, Hamburger, 488.
Kupka, Anna, 227.
— Franz, 340.
Kurtz, Wilhelm, 466.
Kurzbauer, 350, 366, 434.
Kyllmann, 22, 63.
Labrouste, Franz M. Th., 470.
Laisn<5, J. Ch., 470.
Laianne, Maxime, 422.
L'Allemand, Signi., 365, 432.
Lameire, Ch. J., 470.
Lamorinifere, J. P. Fr., 387.
Lamy, E., 465, 467.
Landelle, Charles, 307.
Landsecr, Edwin, 410.
Landy, James, 466.
Lang, Heinrich, 354.
Lafch, Karl, 347.
Lauflierger, P'erd., II, 60, 163, 441.
Leföbvrc, E. P., 43.
— Jules Jos., 324.
Lehmann, Henri, 270, 300.
Lehrcr-Bildungsanftalt in Prag, 481.
Lehrerinnenbildungsanftalt in Graz, 223.
Lehrerinnenbildungsanftalt in Wien, 223.
Lehrcrinnenlnldungsanftalten, öfterrei-
chifche, 222.
Leibl, Wilhelm, 343.
Leighton, Frederick, 410.
Leloir, J. Bapl. .\ug., 321.
Lcnbach, Franz, 360, 361.
Lenepveu, Jul. Eug., 270, 306.
Lcntvür, A., 207.
Lerche, 390.
Lerl, Guftav, & .Söhne, 166.
Leroux, Eugene, 319.
— FrM. Elienne, 327.
Leffmg, C. F., 355.
Lette- Verein, 207.
Lcguesne, Eug. Louis, 330.
Lequien's Zeichenfchule, 490.
Levasseur's Zeichenfchule, 490.
Levy & Worms, 43, 252.
Lewis, John Frederick, 413.
Lewy, J., 465.
Leys, Henry, 293, 365, 384, 385, 386.
Lieb, Ferdinand, 187.
Lichlenfels, Ed. Kitler v., 367.
Lier, Aug., 358.
Lievre, 489.
Liezenmeyer, Alex., 372.
Lind, Carl, 496.
Lindenfchmit, Wilh., 339, 342, 432.
Lindner, Joh., 431.
ALPHABETISCHES NAMENS- UND ORTSREGISTER.
521
I.imltholm, Berndt, 394.
Limiel, John, 413.
hiiizbauer, 473.
Lippert, Jofeph, 166.
LifTabon, Casa pia, 494.
— Lyceuni, 494.
Lipsius, 472.
Lobmeyr, J. & L., 20, 21, 23, 24, 25,
52. 53. 56, 57. 91- 149. '53. 161,162,
368. 372. 373. 395. 4>i. 43>. 467.
I.oefftz, Ludwig, 352.
Loefcber & Tetfch, 463.
Loewel, Julius, 404.
Loevvy, f., 460, 467.
Loniliardi, Giovita, 401.
I-oo, Fl. van, 438.
I.olz, Karl, 371.
Luckhardl, Fr., 460.
Lucius, C. IL, & Co., 58.
Luccardi, Cavaliere Vinccnzo, 402.
Ludwig, Bernhard, 64, 308.
Luniiere, A., 465.
Lundquist, R., 219.
Lusson, A., 269.
Lytras, Nikophoros, 294.
Maaten, van der, 390.
Macht, Hans, 457, 468, 478.
Madou, J. Bapl., 386.
Mähren, weibl. liausinduftrie, 230.
MSrtens, F., 482.
Maefs, Julius, 375.
Magne, Aug. Jos., 26g.
Magni, l'ietro, 403.
Mailand, Stabilimento delle figlie -di
Gesu, 203.
Maillet, Jacques Leonard, 270, 330.
Makart, Hans,:282, 334, 362,363, 364,
365, 378. 5'4-
Makovski, Conftantiu, 391.
— Wladimir, 391.
Mali, Chr., 358.
Mandel, Ed., 426, 430, 433.
Mardk, Julius, 432, 441.
Marastoiii, J., 441, 442, 443.
Marcello(Castiglione-Colonna),Herzogin
von, 327.
Marchai, Ch. F., 319.
Marks, H. S., 412.
Marokko,Wohnhaus,lcX5 — 103 ; Frauen-
arbeiten, 246 — 250.
Marshall, William, 414.
Martinet, Achille, 418.
Martini, M. A., 438.
Massard, Leopold, 422.
Masson, Alphonse, 422.
Matejko, Jan, 370, 371.
Mateucci, Santi, 293.
Mauve, A., 390.
Max, Gabriel, 341.
Mayer, V. Söhne, 120, 163, 320.
Meier, Guflav, 350.
Meissonier, L. Ernest, 295, 316, 318,
331, 353-
Melk, Stiit, 502.
Mellerio freres, 150.
Melnitzky, Franz, 38.
Mende, O., 437.
Mäne, Pierre Jules, 330.
Mengoni, Giuseppe, 293, 471.
Mentzel, Adolph, 335, 336, 337.339.434-
Mercade, D. Benito, 394.
Mercie, Antonin, 327.
Merkelb.ich, F. W., 54, 55.
Mesmacher, 471.
M^szöly, Victor, 372.
Metzmacher, Pierre, 423.
Meunier & Co., 194.
Meyen, H. & Co., 44.
Meyer's Anftalt für kirchl. Kunfl, 171.
Meyer's NelTe, 161.
Meyerheim, Franz, 347.
Meyerheim, Fr. Ed., 347.
Meyerheim, Paul, 347.
Micale, G., 438.
Michel, Franz, 312.
Michicli, Joseph, 131.
Mieczkowski, 460.
Milde, A., 166.
Militär-geogr.-Inflitut in Wien, 460.
Millais, John EveretI, 410.
Miller, Fritz, 297.
Mion, 398.
Minton & Co., 155, 176, 243, 265, 277,
293. 3' 7. 348. 4>9-
Mitterlechner, Franz, 38.
Modena, scuola superiore, 203.
ModcUir-Anftalt, k. Württemberg., 485.
Monteverde, G., 96, 402.
Montiroli, 471.
Moraitis, P., 466.
Morant, Boyd & Blanford, 55.
Moreau, Frangois, 330.
Moreau-Vauthier, Aug., 330.
Morel-Ladeuil, 158, 337.
Morel Ve., A. & Co., 454.
Morin, Edmond, 422.
Morini, Franz, 66.
Mortlock, John, 155.
Moulin, Hipp., 330.
Müller, Morten, 390.
Müller, Victor, 341, 358.
Munkacsy, Michael, 347, 350, 372, 374.
Munthe, L., 390.
Mufeum, öilerr. f. Kunft u. Induririe,482.
— in Klagenfurt, 514.
— in Linz, 509.
Muybridge, 466.
Naumann, F'ranz, 387.
Natte, H. & E., 184, 214.
Navarrete, 394.
Nave, Uella, 243.
Naya, 466.
Negro, Peter dal, 293.
Negroli, Ph., 499.
Nencini, Clorinda, 205.
Neumann, Johann Carl, 391.
Neyt, 466.
Niederlande, f. Holland.
Nöhring, 465.
Nogaro, Carlo, 395.
Nonnenberg, Klofter, 515, 516.
Nordenberg, Bengt, 391.
Normalfchule in Liffabon, 192.
Norsini, Lodovico, 398.
Novopacky, Jan, 441.
Nicol, E., 410.
Nielsen, Johann, 390.
Null, Eduard van der, 18, 267.
Obemetter, 463.
ObermüUner, Adolph, 367.
Ockel, Eduard, 358.
Oeder, 355.
Oefterreich, Weltausflellungsplalz, 4 —
14, 132, 133, 161, 369; Architek-
tur, 15 — 32 ;decorativeKunft,34 — 40;
Wohnungsausftattung, 59 — 64 ; Kunft-
arbeiten, 158—166; Frauenarbeit,
221—233; die einzelnen Provinzen,
443'; Kunflpflege, 270—275; bild.
Kunft, 2S6; 359—371; 378—382;
432—437; Farbendruck, 440 — 444;
Photographie, 458 ff; architecton.
Zeichnungen und Modelle, 475 (T;
Zeichen- und Kunftuuterricht, 480 fl'.
Oldofredi, 403.
Opuich-F'ontana, Adele, 226.
Orchardson, W. (^uiller, 413.
Orfanotrolio di Sinigallia, 203.
Orientalifche Bauten, 86-91; Kunft-
arbeiten, 174—176 (f. die einzelnen
Länder.)
Ortlieb, 350.
Otlerbourg, 150.
Otto, M. P., 375.
Paal, L. 372.
Paar, Hermann, 437.
Pagliano, Eleuterio, 398.
Panciera, Gebrüder, 66.
Paris, Ausftellung der Stadt, 268, 284,
298, 465-
Paris, kath. Gewerbefchulen, I94.
— Communalfchulen, 489.
— • Zeichenfchulen, 490.
Parvillee, L., 71, 151, 219.
Pasini, Cav. Alberto, 395.
Passini, Ludwig, 367, 368, 370, 394.
Paterno, J., 442.
Patini, 398.
Paulik, FViedrich, 23.
l'aulsen, F'ritz, 347.
Pausinger, 435,
Peiffer, Aug., 327.
Pellicer, 394.
Penon, Henri, 47, 50.
Peroff, Wassili, 391.
Perraud, Jean Jos., 327.
Perrot, Henri, 428.
Perfien, Wohnhaus, 99; Kunftinduflrie,
176 — 178,440; F'rauenarbeiten,246^
250.
Peter, P., 463.
Pettenkofen, C. A., 366.
Pettie, John, 413.
Philippe, Emile, 150, 426, 432, 437.
Philippotis, 294.
Photographical Company, 463.
Piatti, A., 264.
Picard, A. J., 493.
Pickman, 124.
Piloty, Carl, 263, 332, 334, 335, 339,
350, 353. 372.
Pilz, Vincenz, n, 36, 378.
Pitner, 441, 442.
Pitlara, Carlo, 395.
Plathner, Hermann A., 347.
Pönninger, F'ranz, 38.
Pollack, Alexander, 64.
522
ALPHABETISCHES NAMENS- UND ORTSREGISTER.
Poole, I'aul Falkoner, 413.
Portugal, Kunftarl)., 125 — 126; Trauen-
arbeiten, 190 — 194; Kunftunterricht,
493-
l'orzellanfabrik, k. in Herlin, 170.
— k. in Meifsen, 170.
— k. ruffifche, 138.
Pofchinger, 358.
Port, Carl B., 435.
l'otter, A., 382.
Pottier, Alfred, 305, 343.
Pousielguc-Rusand, 146.
Pradicr, James, 189.
Prang, L. & Co., 455.
Preisel, Chriftoph, 431.
I'releuthner, Job., 38.
X'reller, Friedrich, 355.
Pretifsen, Kunftunterricht, 486 ff.
Prior, Maria, 212.
Prolfs sen. sei. Söhne, 140, 205.
Protais, P. Alex., 295, 321.
Protheau, Frangois, 327.
Prüm, Th., 463.
Queensland, Photographie, 463.
Questel, 470.
Quillet, E. P. N., 43.
Raab, Joh. I.eonhard, 43 1.
RaV)ending, Emil, 460.
Rahl, Carl, 275, 359, 371.
Kaimondi, C, 438.
RajoM, Paul Ad., 422.
Ramberg, A. Freiherr v., 351.
Ransonnet, Baron v., 441.
Rafch, 358.
Ratzersdorfer, Hermann, 163, 220, 248,
268, 269, 299, 316, 356.
Ravaisson, F., 488.
Ravene & .Sufsmann, 169, 393,412,439.
Read, 414.
Redgrave, Richard, 407, 413.
Regnault, Henri, 229, 311, 314, 315.
Reiber, E., 80.
ReifTenftein & Röfch, 440, 441.
Reinecke, 465.
Renaiffance, Actiengef. für Holz-Archi-
tectur & Möbelfabrication, 155.
Rennefeld, J. H., 438.
ResanofT, Alex., 471.
Resasco, 471.
Reutlinger, 465.
Reymond, P., 513.
Richter, C.uftav, 334, 343.
- J-, '432.
Riefstahl, Wilhelm, 347.
Rie])in, 39 1.
Riefer, Michael, 442.
Riewel, Ileinr., 321.
Ritter, A. & Co., 125, 375, 376.
Robbe, L. M. D., 386.
Robert-Fleury, Tony, 277, 299, 321,
33'-
Robinfon, 460.
Rochebrune, Guill. de, 422.
Rodeck, Gebrüder, 166.
Rodriguez, 394.
Roelofs, Willem, 390.
Rörftrand, Actiengef. derPorzellanfabrik,
"33, 301. 329-
Roeskilde, Frauenarbeit, 214.
Roth, Philipp, 358
Romanelli, Ferd., 341.
Ronner, Henriette, 390.
Rosen, Georg Graf v., 390.
Rosenberg, Jos., 166.
Rosmanit, 166.
Rossano, 395.
Rossetti, 466.
Rothfchild, Freiherr Anfclra von, 497,
499 u. flf.
Roudillon, Etienne .Sim. F'ug., 47, 253,
256, 287, 303, 325, 473-
Rousellon, 465.
Rousseau, Philippe, 326.
— Th., 326, 417.
Rouvenat, L. P'r. P., 150.
Roveredo, Engl. Dameninftitut Sta.
Croce, 222.
Roveredo, Volksfchule, 222.
Rüben, Franz, 365.
Rudrich, Karl, 53.
Rumänien, Kunftinduftrie, 138 — 141;
Frauenarbeiten, 238 — 240.
Rupprecht, 460.
Rufs, Robert, 367.
Rufsland, Wohnungsausftattung, 67 —
69; Holzbauten, 73 — 75, 97; 462,
464; Kunftindul^rie, 112, 134 — 138,
239, 280; Frauenarbeiten, 242 — 246;
bild. Künfte, 294, 391 — 394; archi-
tekt. Zeichnungen, 471 ; Kunftunter-
richt, 492.
Sacken, Ed., Freih. v., 496.
Sachsen, Königreich, Zeichen- und
Kunftunterricht, 487.
Sadec, 390.
Salviati, Dr., 23, 128, 130.
Sältzer, Aug., 28, 29, 102, 103, 147.
Salentin, Hubert, 347.
Salmson, Jean Jules, 330.
Sanson, Justin Chrys., 330.
Saposchnikoff, A. & W., 136.
.Sasse, Mathilde, 211.
Scharwächter, 463.
SchäfTer, Auguft, 367, 441.
Schaffgotfchc, Ludwig Graf, 171.
Schampheler, Edmond de, 387.
Schams, Franz, 441, 442.
Schaufs, Ferdinand, 338.
Schepp, Auguftc, 358.
Schindler, Emil, 367.
Schleich, Eduard, 358.
— Robert, 358.
Schlefien, weibl. Hausinduftrie, 230.
SchlölTer, Karl, 348.
Schlöth, Ferd., 376.
Schmidgruber, Anton, 38, 424.
Schmid, Max., Dr., loi.
Schmidt, Friedrich, 149, 166, 392, 447,
475, 478i
— Friedrich Otto, 63.
— Heinrich, 14, 487.
— I-eopold, 433.
— Mathias, 350.
Schmidt & Sugg, 309.
Schmitson, Theodor, 358, 434.
Schmoranz, 91.
.Schodifch, L., 460.
Schödl, Max, 367.
Schöflft, J., 466.
Schönbrunner, Karl, 23.
Schönn, Alois, 366, 442.
Schönthaler, Franz, 15, 16, 18,48,50,
63. 447-
Scholtz, Julius, 431.
Schrjider, Julius, 336, 339, 343.
Schraudolph, Cl., 350.
Schreiner, Ed., 446.
Schreyer, Adolph, 358.
Schröder, J., 487.
Schrüffel, Anton, 23.
Schröfl, G., 415.
Schröter, 47 1.
Schutt, G., 444.
Schütz & Juel, 217.
Schulthcifs, Albr., 222.
Schulze, Architekt (Wien) 472.
Schwarz-Senborn, Freihr. v., 2.
Schweden, Wohnungsausftattung 67 ;
Holzbauten, 71 — 73; Kunftinduftrie,
132 — 134; Frauenarbeiten 215 — 220;
bild. Kunft, 286, 287, 39»— 39'-
Schweiz, nationales Wohnhaus, 75 — 78;
Kunftarbeitcn, 114 — 118; Frauenar-
beiten, 199 — 203; bild. Kunft, 293,
382, 437—438; Photographie, 466;
architekt. Zeichnungen, 470 IT; Zei-
chen- und Kunftunterricht, 493.
Scott-Russcl, 14, 19.
Sebaftianutti, 460.
Seebach, P., 466.
Seelos. Gottfried, 367, 441.
Seidel & Sohn, 89, 109.
Seitz, Anton, 350.
— Guftav W., 446.
•Selleny, Jofeph, 441.
Semiradski, Heinrich, 391.
Semper, Gottfr., 475, 479.
— Manfred, 379, 380, 381.
jSerpentin-Gefellfchaft, (achfifche inZob-
litz, 244, 245.
Siebenbürgen, fächs. Wohnhaus, 82—86,
458,459, 461.
Sicgert, Karl Auguft, 347.
Sievert de Boto, Marie C., 189.
.Signol, Emile, 270, 299.
Silber, Auguft, 446.
Silbernagel, Johann, 38.
Simon, Guft., 421.
Sirouy, Achille, 331, 338, 422.
Sivalli, Luigi, 438.
Sjöberg, H., 219.
Skalnitzky, 474.
Slavonien, weibl. Hausinduftrie, 236 —
238.
Slocombe, 438.
Smith, Frithjof, 390.
— George, 186.
.Sohn, Wilhelm, 391.
Sonnenlciter, Johannes, 434.
South-Kensington, Kunftfchule, 491.
.Spandiiri, Angela, 206.
Spangenberg, Guftav, 339.
Spanien, Kunftarbeitcn, 122— 1 25;
Frauenarbeiten, 186— 190; bild. Kunft,
286, 289-290, 394; Zeichen- und
Kunftunterricht, 493.
ALPHABETISCHES NAMENS- UND ORTSREGISTER.
523
Sparrman, Carin, 216.
Spiefs, M., 29
Spitzenklöppelfchule, k. fächfifclie, 209.
Splittgerber, 358.
Spring, 350.
Siiringer, Cornelius, 390.
Staatsdruckerei, k. k. in Wien, 443.
Stademann, Adolph, 358.
Stakenfchneidcr, 471.
Stang, Rudolph, 430.
Stcffan, Joli. Güttfr., 358, 442.
StelTeck," Karl, 358.
Steindl, 474.
Steiermark, weibl. Hausindullrie, 228.
Steiffcnsand, H., 432.
Steigerwald's, Kranz, NefTen, 171.
Steinhäufer, Carl, 366.
Stevens, Alfred, 386.
— Jofeph, 386
Steyr, die Stadt, 509.
Stobvvaffer & Co., 405.
StoUberg-Wernigeroder Factorei Illen-
burg, 131, 135.
Storch cS; Kramer, 444.
Storck, Jofeph, 14, 18, 23, 40, 56, 57,
59, 60, 63, 119, 144, 145, 162, 169,
185, 201, 227, 284, 285, 357-
Storey, Georg Ad,, 413.
Stowe, 412.
St. Paul Stift, 502, 504, 506.
St. l'eter, Stift, (Salzburg), 502,503, 506.
Strack, J- H., 472.
Street, G. Edni., 470.
Strafanftalten, weibl. öftcrr., 222, 223.
Stroebel, 390.
Stroganoflf, Kunflfchule, 492.
Stüber, F. Aug., 471.
Stückcll)erg, Erufl, 382.
Sturm, Friedr., 23, 63.
Stuttgart, Kunftfchulc, 485, 486.
Suck, F., 463.
Sumatra, 367.
Surmelis, Müdcheninflilut zu Athen, 242.
Sufse freres, 170, 171, 172, 173, 184,
189, 212.
Suy, Leon, 470.
Sy & Wagner, 169.
Szeckler Wohnhaus, 79 - 81, 453.
Szekcly, 460.
Szuchodolsky, 394.
Tabacchi, Odoardo, 402.
Tantardini, Cav. Antonio, 328, 402.
Tassinari & Chatel, 47, 195.
Taubftummen- u.Blindenaiift.alt Madrid,
190.
Taylor, Robert Minton, 156, 211.
Tein, Leo, 443.
Teirich, Valentin, 37, 120, 163.
Testu & Massin, 454.
Than, Moriz, 371.
Therefien-Kreuzer- Verein, Israel., 223.
Thidbaut & fds, 327.
Thomas, W. J., 240.
Thon, Casp., 471.
Thoren, f)lto Ritter v., 367.
Thun, Graf, (Thonwaarenfabrik in
Klöfterle) 29.
Tidemand, Adolph, 390.
Tilgner, Victor, 64.
Timbuctu, Goldwaaren, 372.
Tirol, wei1)l Hausinduftrie, 228.
Tifchler, 473 fl"., 478.
Toschi, l'aolo, 438.
Tostrup, J., 134.
Tournois, Joseph, 330.
Trcsling & Co., 455.
Trigt, II. A. van, 390.
Troitfch, Otto, 446.
Troyon, Constant, 326, 395, 5I7-
Truphemc. Franjois, 327.
Türkei, Wohnhaus, 88 — 99; Kunft-
arbeiten (f. „Orient"), 251, 255;
Frauenarbeit, 250 — 254, 371 ; Photo-
graphie, 466; Schatz des Sultans, 501.
Türpe, A., 379.
Tunis, Wohnungsausftattung, 103 — 106;
Frauenarbeiten, 246 — 250.
Turner, Jos. M. W., 413.
Twerembold & Söhne, 130.
Uffenheimer's Klöppelfchule, Rietz, Ti-
rol, 166, 226.
Ullrich, Heinrich, 162.
Ulimann, Benjamin, 331.
Ulrich, Chr. jun. & Co., 276.
Ungarn , Wohnungsausflattung, 64 ;
Kunflarbeiten, 138 — 142; Frauenar-
beit, 233 — 238; Kunflpflege, 273;
bild. Kunfl, 286, 371—374; Photo-
graphie, 460; architekton. Zeich-
nungen, 473; Zeichen- & Kunflunter-
richt, 482.
Ungcr, William, 435.
Ussi, Stefano, 398.
Vanni, Carlo, 23.
Varrone, Johann, 441.
Vaiidoyer. Ant. L., 470.
Vautier, lienj., 319, 346, 382.
Vela, Vinc, 403.
Verboeckhoven, Eug. Jos., 386.
Verdun, Nicolaiis von, 510.
Verein zur F'örderung des Zeichenunter-
richts in Preufsen, 486.
Vereinigte Staaten von N.-A., Frauen-
arbeiten, 183 - 184; bild. Kunfl, 286;
Farbendruck, 45 5; Photographie,466;
Zeichen- und Kunflunterricht, 494.
Verein zur Förderung weibl. Erwerbs-
thätigkeit, Hamburg, 207.
Verlat, Charles, 386, 411.
Vernier, F'mile Louis, 422.
Verveer, E., 390.
— N. B., 466.
— Sal. Leon., 390.
Vertunni, Achille, 394.
Vianello, Polycarpo, 84.
Vibert, Georges J., 321.
Victoris, 489.
Villebois, 40.
Villeroy & Boch, 121, 127, 141, 169,
177, 180, 181, 209, 211.
Vinck, Franz, 386.
Violett-le-Duc, 470.
Vitalis, G., 128.
Völkerling, 463.
Vogel, Albert, 432.
— Friedrich, 432.
— H., 465.
Vollen, Antoine, 326.
Vollz, Friedrich, 358, 435, 442.
Vos, M., 390.
Vriendt, Albrecht de, 386.
— Julian de, 124, 386.
Wagmüller, Mich., 378.
Wagner, Alex., 372.
— Rud., 446.
Waifenhaus zu Görz, 222.
Walery, 465.
Walker, W., 54.
Wanderer, 167.
Ward, J. Q. A., 289.
— Ed. Matth., 410.
Wafferburger, A., 392.
Waterhouse, Alfred, 54, 470.
Watkins, E., 466.
Watson, J. I)., 412.
Watts, George Fred., 410.
Wauters, Emile, 386.
Wawra, 460.
Weber, 14, 18.
— Aug., 355.
— Friedrich, 437.
— l'aul, 358.
Wedgwood, Josiah & Sons, 155, 156.
Weeber, Ed. v., 442.
Weise, Gull., 446.
Wengftröm, J. O., 71.
Wentzel, M.," 232, 333.
Wereschtschagin, Wassili, 38 1.
Werner, Ant. v., igi, 355.
— Carl, 367, 446.
— Fritz, 348.
Westmacott, Richard, 414.
Whistler, J. II. M., 438.
Widnniann, Max, 29.
Wielemans, 477.
Wien, Ausflcllung der Stadt, 270,
284.
— Schule St. Urfula, 222.
Wiertz, Antoine, 383, 384, 386, 466.
Wilczek, Hans, Graf, 460.
— Wilhelm, 477.
Wilkie, Sir David, 410.
Willems, Florent, 386.
Willewalde, Gottfried, 391.
Willmann, Eduard, 432.
Willroider, Ludwig, 358.
Wilmotte, J., u8.
Wüten, Stift, 502, 503.
Winter, Ch., 167.
Winterhalter, Fr. X., 434.
Wittig, Augufl, 376.
Wohlthätigkeilsverein, Stuttgarter, 208.
Wolff, Albert, 375.
— Emil, 376.
Worcester Works, 155, 156.
Wortley Stuart, 461.
Württemberg, Zeichen- undKiinftuntcr-
richt, 485 ff.
Wunder, F., 200.
Wunder & Kölbl, 166, 188, 200.
Wurm, 477, 478.
Xylographen-Verein, Wiener, 436.
Ybarzabal, 406, 407.
Ybl, 364, 473-
Ycames, William Krcderick, 412.
Yvoii, Adolphe, 270.
Zafouk, Rudolph, 36.
Zamacois, D. Eduardo, 290.
Zannoni, 401.
Zennoro, Domcnica, 206.
Zeltler, Franz Xaver, 388.
Zezzos, Alessandro, 3(_)8.
Zichy-Melternich, (Jräfin, 226.
Ziegelfabrik- & Baugefellfchaft, Wiener-
berger, 37, 69, 163.
Zimmermann, Albert, 366.
I - E. G., 196, 257, 270, 271.
— Reinh. Seb., 350.
- W., 487
Zocchi, Emilio, 402.
j Ziiloaga, 123, 249, 361.
Zumbufch, Casp., 35, 160, 232, 377,
i 378-
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1873
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