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Full text of "Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung 1873. Unter Mitwirkung von H. Auer [et al.] Hrsg. von Carl von Lützow"

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KUNST  UND  KUNSTGEWERBE 


AUF  DER 


WIENER   WELTAUSSTELLUNG 


1873. 


UNTER  MITWIRKUNG 

VON 


n.    AUER,    Bu.    BlTCHER,    R.    V.    IClTKLBEKGER,    A.    V     EnDEEES,  JaO.    FaLKE,   JoS.    LANdL, 

Fh.   Lii'I'Mann,  Bk.  Meyeu,  Mok.  Thausino,  A.  Woj/pmann  u.  A. 


HERAUSGEGEBEN 


CARL  VON  LÜTZOW. 


MIT    388     HOLZSCHNITTEN    UND    FÜNF    KUPFERN. 


LEIPZIG  1875. 

V  j:  r  l  a  ü  von  e.  a.  s  e  e  m  a  n  n. 


Druck  von  Hundertftund  &  Pries  in  Leipzig.. 


VORWORT. 

Das  vorliegende  Werk  hat  fich  die  Aufgabe  geftellt,  von  derGe- 
fammtvertretiing  der  Kund  und  des  Kunftgewerbes  auf  der  Wiener 
Weltausftellung  des  Jahres  1873  durch  Wort  und  Bild  getreue  Rechen- 
fchaft  abzuleg-en. 

Wenn  man  den  dauernden  Werth  und  Nutzen  diefer  glanzvollen 
Schauftellungen  der  menfchlichen  Arbeit  unzweifelhaft  in  der  Beleh- 
rung zu  fuchen  hat,  die  fie  uns  bieten,  fo  darf  ein  Unternehmen,  wie 
das  unfrige,  welches  in  erfter  Linie  didaktifche  Zwecke  verfolgt,  wohl 
auf  das  nachhaltige  Intereffe  der  kunftverwandten  Kreife  zählen.  Eine 
Reihe  bewährter  Fachmänner  hat  fich  hier  vereini^rt,  um  die  Summe 
deffe;n  zu  ziehen,  was  unfere  Zeit,  foweit  fie  überhaupt  auf  der  Wiener 
Ausftellung  repräfentirt  war,  in  allen  Arten  der  Production,  Verwer- 
thung  und  Pflege  des  Schönen  zu  leiften  vermag  oder  zu  erringen  be- 
ftrebt  ift. 

Von  ähnlichen  Werken  aus  früheren  Weltausftellungsjahren  un- 
terfcheidet  fich  das  unfrige  zunächft  durch  die  Theilung  der  Arbeit 
unter  verfchiedene  Kräfte.  Wir  hoffen,  dafs  dadurch  das  einheitliche 
Gepräge  des  Ganzen  nicht  gelitten  hat.  Jedenfalls  war  nur  auf  diefe 
Weife  diejenige  Gründlichkeit  der  Berichterftattung  erreichbar,  welche 
die  Gröfse  der  Aufgabe  forderte;  zumal  im  vorliegenden  Falle,  wo 
in  Folge  der  bekannten  Mängel  der  räumlichen  Dispofition  der  Aus- 
ftellung die  Ueberficht  auch  nur  des  kleinften  Fachgebietes  fo  man- 
nigfache Hinderniffe  zu  überwinden  hatte. 

Einzelne  Abfchnitte  des  Werkes,  wie  der  Bericht  über  die  Eröff- 
nungsfeier, den  Platz  und  die  Ausftellungsbauten,  über  die  bildenden 
Künfte,  das  Kunftgewerbe  u.  a. ,  waren  bereits  früher  in  der  Zeit- 
fchrift  für  bildende  Kunft,  der  Berliner  National-Zeitung  und  der  Wie- 
ner Deutfchen  Zeitung  abgedruckt.  Ihr  nochmaliges  Erfcheinen  an 
diefer  Stelle,  mit  einigen  durch  den  Zufammmenhang  des  Ganzen  ge- 


IV 


VORWORT. 


botenen  Veränderungen,  rechtfertigt  fich  von  felbft.  Die  Stimme  des 
Einzelnen,  die  im  Geräufche  des  Tages  gar  zu  leicht  verhallt,  kommt 
im  Verein  mit  den  Urtheilen  gleichgeftimmter  Fachgenoffen  in  der 
auf  Dauer  berechneten  Form  unferer  Publication  erft  zur  vollen  Geltung. 

Eine  befondere  Sorgfalt  wurde  der  Illuftration  des  Werkes  zuge- 
wendet. Was  die  tüchtigften  xylographifchen  Anftalten  Deutschlands 
und  Oefterreichs ,  vereint  mit  einer  mufterhaft  geleiteten  Druckerei, 
in  edlem  Wetteifer  hier  geleiftet  haben,  verdient  um  fo  mehr  Aner- 
kennung, als  das  dazu  gehörige  Material  nur  mit  den  gröfsten  Schwie- 
rigkeiten und  häufig  in  Geftalt  recht  mangelhafter  Vorlagen  zu  be- 
fchaffen  war.  Den  Vorftänden  des  Oefterreichifchen  Museums  in 
Wien  und  des  Bayerifchen  Gewerbemufeums  in  Nürnberg  ftatten  wir 
für  die  BereitwiUigkeit,  mit  der  fie  uns  die  Nachbildung  einiger  von 
ihnen  auf  der  Ausftellung  angekaufter  Gegenftände  ermöglicht  haben, 
unferen  wärmften  Dank  ab.  Die  Verlagshandlung,  die  auch  bei  der 
Ausftattung  diefes  Werkes  wieder  ein  Zeugnifs  ihrer  opferfreudigen 
Liberalität  abgelegt  hat ,  fügte  den  letzten  Heften  noch  eine  Anzahl 
von  Radirungen  bei,  welche  den  Holzfchnitten  nach  Gemälden  mo- 
derner Meifter  zur  willkommenen  Ero-änzune  dienen  werden. 

Ein  gleichmäfsiges  Zufammengehen  von  Wort  und  Bild  war 
durch  die  Erfcheinungsweife  des  Werkes  und  durch  feinen  Inhalt,  der 
in  einzelnen  Partien  eine  fehr  reiche,  in  andern  eine  nur  fpärliche 
Illuftration  zuliefs,  von  vornherein  auso;efchloffen.  Wir  haben  diefem 
Mangel  durch  ein  fyftematifches  Verzeichnifs  der  Abbildungen  abzu- 
helfen gefucht  und  aufserdem  ein  Regifter  der  fämmtlichen  Aus- 
fteller,  welche  in  dem  Berichte  erwähnt  werden,  beigefügt. 

So  möge  denn  dies  Buch,  als  ein  Erinnerungsmal  an  die  beweg- 
ten Tage  des  Jahres  1873  ""^  als  ein  Spiegel  des  geiftigen  Lebens 
unferer  Zeit,  allen  Künftlern  und  Kunftfreunden  empfohlen  fein! 


Wien,  Anfang  October  1874. 


C.  V.  Lützow. 


Fenftcrumrahnmng  vom  l'avillon  des  amateurs. 


Inhaltsverzeichniss. 

Seite 
Die  Eröffnungsfeier i 

Der  Ausftellungsplatz.     Von  Br.  Bucher 4 

Die  Ausftellungsbauten.     Von  C.  v.  Lützovv 15 

Äufsere  und  innere  Decoration  der  Ausftellungsbauten.    Von  C.  v.  Lützow  34 

Das  Kunftgewerbe.     Von  Jacob  Falke 41. 

I.  Wohnungsausftattung 4I 

II.  Die  Länder  und  ihre  Kunflarbeilen IO7 

Erfte  Gruppe:  Dänemark,  die  Schweiz,  Belgien,  Holland HO 

Zweite  Gruppe;  Spanien,  Portugal,  Italien,  Scandinavien,  Rufsland,  Ungarn,  Rumänien 

und  Griechenland 122 

Dritte  Gruppe:  Frankreich,  England,  Oeilerreich  und  Deutfchland I42 

Vierte  Gruppe:  Der  Orient,  China  und  Japan 1/4 

Die  Frauenarbeit.     Von  Av.  Enderes i8i 

Oeffentliche  Kunftpflege.     Von  R.  v.  Eitelberg  er 262 

Plaftik  und  Malerei.     Von  Bruno  Meyer  und  A.  Woltmann 278 

I.  Einleitung  und  Ueberficht 278 

II.  Die  Kataloge 287 

III.  Frankreich 294 

IV.  Deutfchland,  Oefterreich,  Ungarn 33' 

V.  Die  Schweiz,  Belgien,  Holland  etc 3"^ 

Die  vervielfältigenden  Künfte.     Von  M.  Thaufing 415 

I.  Frankreich > 415 

II.  Das  dentfche  Reich 426 

III.  Oeflerreich   und  die  übrigen  Staaten 43^ 

Der  Farbendruck 439 

Die  Photographie.     Von  Jos.  Langl 457 

Architektonifche  Zeichnungen  und  Modelle.     Von  Hans  Auer 468 

Zeichen-  und  Kunftunterricht.     Von  Jof.  Langl 479 

Die  Expofition  des  Amateurs.     Von  F.  Lippmann 495 


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Systematisches  Verzeichniss  der  Abbildungen. 


Seite 
Umrahmung,  entworfen  von  J.  Storck  ...  I 
Plan  der  Weltaustellung 6 

I.  Architektur. 
A.  Ausstelluivgsgebäude. 

Oflportal  der  Induflriehalle 5 

Innenansicht  der  Rotnnde 33 

Südporlal  der  Induftriehalle 36 

Ansicht  der  Rotunde  vom  BafTin  aus     .     .     .  132 

Eckpavillon  der  Induftriehalle 133 

Nordportal  derselben 161 

B.  Neben-  und  Einbauten  nebst  Details. 

Infchriftlafel  vom  Jury-Pavillon 3 

Ilaupteingang  zum  Weltausftellungsplatze  .     .  4 
Mittelftilck  des  Glasferifters  über  dem  Südein- 

eingange  der  Induftriehalle 8 

Der  Kaiferpavillon        9 

Der  Jurypavillon 10 

Vergoldetes  Eisengitter  aus  der  Rotunde    .     .  li 

Krone  vom  Dache  derfelben 13 

Eifeii  ;iiter  vom  Jurypavillon 13 

Majolicabrunner,  entw.  von  V.  Teirich  aus- 
geführt  v.   d.  Wienerberger   Ziegel- 

fabriks-  und  Baugefellfchaft      .     .  37 

Egyptifcher  Palaft,  Ilofanficht       65 

Desgl.,  Erker 68 

Portal    von    der     Wienerberger    Ziegel- 
fabriks-  und  Baugefellfchaft,  entw. 

von  II.  v.  Ferftel 69 

Indianerzelt  im  Park  der  Weltauftellung    .     .  87 

Jtuffi'ches  Bauernhans 97 

Egyplifchcr  Palaft,  Totalanficht loi 

Tuneiifches  Zimmer 104 

Eingang  zur  ('ünifchen  Galerie,  entworf.  v.  Th. 

von  Hansen 107 

Ruffifcher   Kaiferpavillon 112 

Detail  der  llolzarcaden  des  Auftellungsplatzes  369 
Gothifches    Grabmal,    nach    Fr.    Schmidt's 

Entwurf  ausgef.  von  A.  Waf ferburgcr  392 
Gothifche  Kanzel,  entworf.  v.  Fr.  Schmidt, 

ausgef.  von  F.   Schön  thaler  in  Wien  .  447 
Elfäffifcher  Bauernhof,  äufsere  Anficht  d.  Wohn- 
haufes        448 

Desgl.,  Hofanficht  d.'s  Wohnhaufes        .     .     .  449 

Desgl.,  Grundrifs 450 

Desgl.,  Durchfchnitt  des  Wohnhaufes    .     .     .  451 

Szekler  Bauernhof 452 

Desgl.,  Durchfchnitt  des  Wohnhaufes    .     .     .  453 

Desgl.,  Grundrifs 453 

Sächfifcher  SiebenbUrger  Bauerntiof,  Grundrifs  458 

Desgl.,  Längenfchnitt  des   Wohnhaufes       .     .  459 

Desgl.,  Querfchnitt  desfelben 461 

Ruffifcher  Bauernhof,  Grundrifs 462 

Desgl.,  Längenfchnitt  des  Wohnhaufes       .     .  464 


Seite 
C.  Architeictonische  Entwürfe. 

Palais  Helfcrt,  von  Ti  fehl  er,  Grundrifs,  erfter 

Stock 474 

Desgleichen,  zweiter  Stock 475 

Desgleichen,  Fagade 476 

II.  Plastik. 

Andromeda,  Marmorfigur  von  Edm.  Ilellmer  32 
Rhein,  Main,  Neckar  und  Mofel,  Gruppe  von 

Villebois       40 

Die  bildenden  Künfte,  Gruppe  von  Benk  .  41 
Büfte  der  Hoffchaufpielerin  Charl.  Wolter,  von 

Victor  Tilgner 64 

Kentaurin,  ein  Mädchen  tanzen  lehrend,  Relief 

von  Kundmann 92 

Kentaur,  einen  Knaben  Flöte  fpielen  lehrend, 

Relief  von   Kundmann 93 

Jenner,  ein  Kind  impfend,  Gruppe  v.  Monte- 

verde  in  Rom 96 

Thefeus,  Statue  von  G.  Vitalis  in  Syra  .  .  128 
Der  Rhein,  Relief  von  einer  Punfchbowle,  von 

O.  König 156 

Die  Donau,  desgleichen  .     .          157 

Portraitmedaillon  Moltke's,  modellirt  v.  Zum- 

bufch 160 

Pradier's    Phryne,    Bronzegufs   von   Süsse 

frferes  in  Paris 189 

Penelope,  Statue  von  L.  Droffis  in  Athen  .  224 

Standbild  Rauch's,  von  Fr.  Drake  .  .  .  .  228 
Das  Nationaldenkmal  für  König  Maximilian  II. 

von  Bayern,  von  C.  Zumbufch    .     .     .  232 

Relief  von   der  Fortfchrittsmedaille    ....  262 

Angelica  (Orlando  furioso),  von  A.  Piatti     .  264 

Bacchanal,  Relief  von  Kundmann        .     .     .  292 

Grabdenkmal,  von  B.  Afinger 296 

Tiefendes  Mädchen,  Marmorfigur  von  Tantar- 

dini 328 

Relief  von  der  Kunftmedaille 414 

Brunnenfigur,  von  A.  Schmidgruber      .     .  424 

Badendes  Mädchen,  Marmorftatue  v.  R.  Begas  456 

Reliefs  vom  Grazer  Elfenbeinschrein        .  512,  513 

III.  Malerei. 

I.  Holzfchnitte. 

Elifabeth,  Kurfürftin  von  Brandenburg,  nimmt 
heimlich  das  h.  Abendmahl,  Oelgemälde 
von  A.  Treidler •.     .     .       61 

Die  Verurtheilung,  Oolgem.  v.  J.  Geertz      .       88 

Die  h.  Elifabeth,  von  den  Bewohnern  Eisenachs 
zurückgeftofsen,  Oelgemälde  von  J.  De 
V  r  i  e  n  d  t      . 1 24 

Moltke  in  feinem  Arbeitszimmer  zu  Verfailles, 

Oelgemälde  von  A.  v.  Werner      .     .     .     191 

Iphigenie,  Oelgem.  von  .\.  Feuerbach    .     .     192 


SYSTEMATISCHES  VERZEICHNISS  DER  ABBILDUNGEN. 


IX 


Seile 
Clcncral  Prim,  Oelsem.  von  Henri  Kej^nauU  22g 
Tenerezza,  Oelgeniältie  von  l.^on  Konnat  .  360 
Unterer  Theil  eines   gemallen  Kirchcnfcnfters 

von  F.  X.  Zeltler  in  München  .  .  .  3S8 
Die  Grazien,  Aquarell  von  E.  Bitterlich     .     489 

2.  Kupfer. 

Das  h.  Abendmahl,    nach  Kil.  v.  Gebhartlt 

radirt  von  W.  Unger 337 

Die  Kall  auf  der  Flucht,    nach   C.    Hoff  rad. 

von  Ad.  Neu  mann ,    .     .     .     347 

Unfehlbare  Niederlage,   nach    Kd.    GrUlzncr 

rad.  von  Ad.  Neumann 350 

Der    Fifchmarkt    zu    Chioggia  ,     nach     Alois 

Schoenn  rail.  von  W.  Unger  .  .  .  366 
Motiv  bei  Lundenburg,  nach  E.  v.  Lichlcn- 

fels  rad.  von  L.  Fifchcr 367 

IV.  Kunstgewerbe. 
A.  Metallotechnik. 

a.  Gold-  und  Silberarbcilen. 

Diadem,  Ohrring  u.  Collier  von   Köche rt  & 

Sohn  in  Wien 17 

Silberner  Tafelauffatz  von  J.  M.  v.  Kempen 

in  Voorfchoten 3g 

Tardiniere,  von  Meyer  &  Co.  in  Berlin     .     .       44 
Halsband,  von  JSellezza  in  Turin    ....       82 

Desgl.,  von  demfelben 83 

Armbänder ,    Kreuze     und     Ohrgehänge     von 

Chriftefen  in  Kopenhagen  ....  84 
Silbernes    Theefervice    von    Chriftefen     in 

Kopenhagen 98 

Desgleichen,  von  demfelben 99 

Vergoldeter   Pokal,   mod.   von   Ant.    Hess    in 

München,  cifelirt  von  A.  Halbreiter     .     108 
S  Iberner  Tafelauffatz,    nach   Entwurf  von  V. 
Teirich  ausgcf.  von  V.   Mayer  Söhne 

in  Wien l20 

Diadem,  Arm-  u.  Halsl)and  nebft  Ohrgehänge 

von  Geiffel  &  Härtung  in  Hanau       .     129 
Trinkhorn  aus  Bergkryftall,  Gold-  und  Relief- 
email, von   Ratzersdorfer  in  Wien      .     220 
Goldfchmuck,  von   Caftellani  in  Rom     .     .     233 
Ilandfpiegel,  von  W.  J.  Thomas  in  London     24° 
l'räfentirteller    in  Kryftall,   Faffung  in  vergol- 
detem  .Silber  mit  Email,   von   Ratzers- 
dorfer in  Wien 268 

Kanne    in  Bergkryftall  mit  Silberfaffung,  von 

demfelben 269 

Goldfchmuck  aus  Timbuctu 272 

Egyptifcher  Goldfchmuck      .     • 273 

Kanne  in  vergoldetem  Silber  mit  Eniailmalerci 

von  Ratzersdorfer  in  Wien    ....     29g 

Egyptifcher  Goldfchmuck 313 

Silberner    Tafelauffatz,   entworf.   von    König 
u.  Feldfcharek,   ausgcf.    v.  V.  Mayer 

Söhne  in  Wien 320 

Halsband  und  Nadel  von  Caftellani  in  Rom     324 
Silberner  Tafelauffatz,   von    Morel-Ladeu  il 

in  Paris 337 

Teller  in  Bergkryftall  mit  vergoldeter  Faffung, 

von  Ratzersdorfer  in  Wien  ....  356 
Granatfchmuck,  von  Goldfchmidt  in  l'rag  384 
Goldfchmuck,  von  O.  K  r  umbügel  in  Moskau     408 

Desgl.,  von  demfelben 409 

Ehrenpokal   in  vergoldetem  Silber ,   nach  Th. 


.Seite 
II  anscn's  Entwurf, ausgef.  von G..S im  on 
in  Wien        421 

Manchettenknopf  mit  Email,  von  E.  Phi- 
lippein Paris 426 

Riechfläfchchen  mit  Goldfaffung,  von  demfelben     432 

Mittelftuck  für  ein  Aquarium,  von  J.   Grülle- 

meyer  in  Wien 433 

Taufkannc   in  vergoldetem  Silber,    16.  Jahrh. 

(Expos,  des  amateurs) 4g4 

Kelch  aus  Stift  St.  Paul  in  Kärnthen,  14.  Jahrh. 

desgl. 504 

Kelch  aus  Stift  Admont   15.  Jahrh.,  desgl.      .     504 

Silberner  Becher  aus  der  Sammlung  des  Frei- 
herrn v.  Rothfchild  (desgl.)   ....     505 

b.  Bronze-,  Meffing-,  Zink-  und  Neufilber- 
waaren.     Emaillirtc  Bronze. 

Blumenvafe,   von    D.    Hollenbach    in  Wien       45 

Tafchentuchkaften  von  Erhard  &  .Söhne  in 

Schw.  Gmünd 49 

Deckel  dazu 49 

Tafelauffatz   in  Bronze    und  Glas,    von   Lob- 

meyr  und  Hollenbach        52 

Toilcttenfpiegel,  Stil  Louis  XVL,   von  Chri- 

ftophle  &  Co.  in  Paris 72 

Kronleuchter,  entworfen  v.  H.  Claufs,  ausgef. 

von    D.    Hollenbach    in  Wien     ...       76 

Ampel  für  ein  Schlafzimmer,  von  der  Ber- 
liner Actiengefellfchaft  f.  Waffer- 
und Gasanlagen 77 

Candclaber  von  D.    Ilollcnbach    in    Wien, 

nach  Zeichnung  von  Th.  Hänfen        .     .       79 

Boudoirtifch  in  vergoldeter  Bronze,  Stil  Louis 

XVL,  von  Chriftophle  &  Co.  in  P.iris       80 

Pendeluhr,  entworfen  von  König  u.  Feld- 
fcharek, ausgeführt  von  Hanufch  u. 
Dziedzinski  in  Wien 91 

Albrecht  Dürer-Kasten  von  Erhard  &  Söhne 

in  Schw.  Gmünd 106 

Emaillirte  Metallgerälhe,  von  Chriftophle  & 

Co.  in  Paris 1 16,    117 

Tafeleinfatz  in  Neufdber,  v.  A.  Ritter  &  Co. 

in  Efslingen 125 

Candelaber,    nach    Entwurf  von    H.    Claufs 

ausgef.    von    D.   Hollenbach    in    Wien     136 

Desgl.,  von  der  Berliner  Actiengefell- 
fchaft  f.  Gas-    und    Wafferanlagen     137 

Tafelauffätze  in  vergoldeter  Bronze,  entworf.  v. 

H.  Claufs,  ausgef.   v.  D.  Hollenbach     148 

Emaillirte  Vafe,  von  Chriftophle  &  Co.  in 

Paris 159 

Jardiniere  in  vergoldeter  Bronze,  v.  D.  Hol- 
lenbach  in  Wien,  Entw.  v.  H.  Claufs     164 

Armleuchter,    Stil  Louis   XIV.,     von    Suffe 

fr  eres  in  Paris 170 

Desgl.,  Stil  Louis  Xllt.,  von  demfelben    .     .     171 

Stutzuhr,   Stil  Louis  XIIL,  von  demfelben      .      172 

Desgl.,  Stil  Louis  XIV.,  von  demfelben    .     .     173 

Desgl.,  aus  dem  egypt.  Zimmer  von  A.  Fix 

in  Wien 174 

Armleuchter  aus  demfelben,    von  demfelben  .     17g 

Lampenftänder    von    Suffe   freres    in    Paris     184 

Vifitenkartenfchale,  Entwurf  von  J.    Storck, 

ausgef.  von  A.  Klein 185 

Kronleuchter,   Stil    Louis   XIIL,    von   Suffe 

freres  in  Paris 212 

Candelaber,  entw.  von  H.  Claufs,  ausgef.  von 

D.  Hollenbach  in  Wien 213 


SYSTEMATISCHES  VERZEICHNISS  DER  ABBILDUNGEN. 


Seite 
Lampe  aus  dem  egypt.  Zimmer  v.  A.  Fix  in 

Wien 2l6 

Treppengeländer  von  Meffmg,   von  Deniere 

in  Paris 237 

Emaillirte    SchüliTel    von   Elkinglon  &   Co. 

in  Birmingham 241 

Schatulle  von  Serpertin,  Bronze  und  Hall)edel- 
ftein,   von   der    Zöblitzer   Serpentin- 

gefellfchaft 244 

Kamin,  von  derfelben 245 

CalTette   in  taufchirter  Arlieit,   von  Zuloaga 

in  Madrid 249 

Leuchter  von  Barbddienne  in  Paris  .  .     26 1 

Schale  mit  Email,  von  Elkington  &  Co.  in 

Birmingham 278 

llandleuchter   in   Meffmg,    von    Deniere    in 

Paris 289 

Meffingleuchter,  von  demfelben 291 

Bronze-Caffette  mit  Email;  von  Fritz  Miller 

in  München 297 

Emailtafel    mit   dem   Portrait   der   Diana   von 

Poitiers,  von  Pottier  in  Paris.  .  .  .  305 
Stutzuhr  von  Ratzersdorfer  in  Wien  .  .  316 
TheelielTcl  von  Ilancocks  &  Co.  i.  London  319 
Bronzegitter,  entworf.  von  H.  Riewel,  aus- 
geführt von  D.  Hollenbach  in  Wien  .  321 
Kronleuchter,  entworf.  von  H.  Claufs,  aus- 
geführt von  denfelben 323 

Toilettenfpiegel     von     Hanufch    &    Dzied- 

zinski  in    Wien        336 

Emaillirte  Vafen,  von  Pottier  in  Paris     .     .     343 
Treppengeländer  in  Bronze,  von  D.  Hollen- 
bach in  Wien 344 

Bronzegitter,   nach   Entwurf  von   H.   Claufs 

ausgef.  von  D.  Hollenbach  in  Wien  .  345 
Metall fpiegel,  von  Barbedienne  in  Paris  .  349 
Candelaber,    entworfen   von    Yl)l,    ausgeführt 

D.   Hollenbach  in  Wien 364 

Lampenftänder,  von  Hanufch  in   Wien    .     .     365 
Sängerfeftpokal ,    verfilbertes    Neufilber,    von 

Ritter  &  Co.   in  Efslingen 375 

Theebrett,  desgl.,  von   denfelben 376 

Toilette-Spiegel,  von  Raven^  &  Suffmann 

in  Berlin 393 

Bronzeleuchter    von    Elkington    &    Co.   in 

Birmingham 403 

Stimmzettelurne  für  den  deutfchen  Reichstag, 

von  Jul.  Loewel  in   Berlin 404 

Lampe,  entworfen  von   Hey  den,  ausgef.  von 

Stobwaffer  &  Co.  in  Berlin  ....  405 
Taufchirtc  Schale,    von  Ybarzabal  in  Eibar     406 

Innenfläche  derfelben 407 

Handleuchter,  von  Kavent  &  .Suffmann  in 

Berlin 412 

Wandleuchter,  entw.  v.  G.  Schröfl,  ausgef. 

von  D.  Hollenbach  in  Wien  .  .  .  415 
Emaillirte  Schale,  galvanopl.  Reproduction  v. 

Elkington  in  London 417 

Lampe,  von  J.  GrüUemeyer  in  Wien     .     .     420 
Schreibzeug   in  Meffingguss,  v.  Henri  Perrot 

in  Paris 428 

Vifitiere  in  vergoldeter  Bronze,  von  J.  GrüUe- 
meyer in  Wien 436 

Vifitenkartenfchale,  desgl.,  von  demfelben  .     .     436 
Emaillirte  UntertalTe,  von  Baranzewitfch  in 

Moskau 437 

Kärtchen  mit  Email,  von  E.  Philippe  in  Paris     437 

Perfifches  Metallgeräth 440 

Zuckerdofe  in  Email  champlev^,  von  Barbe- 
dienne in  Paris       441 


Seite 
Deckel  eines  Kärtchens  in  Limoufiner  Email, 

ausgeführt  von  Hans  Macht  in  Wien   .  457 

Desgl.,   Seitenwände 468  479 

Candelaber,    aus  Wafferalfingen 465 

Emaillirte   TaiTe,    von    Baranzewitfch    in 

Moskau 478 

Taffilo-Kelch  (Expos,  des  amateurs)       .     .     .  502 

Speifekclch  aus  Stift  Wilten,  desgl.        .     .     .  502 

c.  Gufs-  und  Schmiedeeifenwerk. 

Schmiedeeifernes     Gitter,      von     Barnards, 

Bifhop  &  Barnards  in  Norwich  .  .  100 
Candelaber  in  Eifengufs,  von  der  Stollberg- 

Wernigeroder  Factorei  in  Ilfenburg  131 
Gusseifernes  Kärtchen,  ebendaher  ....  135 
Gusseifernes  Gitter,    v.   d.    Coalbrookdale 

Company,  Shropfhire 152 

Eiferne  Tifchplatte,  v.  E.  G.  Zimmermann 

in  Hanau 197 

Eiferner  Tifch,  von  demfelben 257 

Caffette  nebrt  Deckel,  von  demfelben  .  270  271 
Füllung,  in  Elfen  getrieben,   von  A.  Batfche 

in  Wien 397 

Schmiedeeifernc  ThürfüUung,  von  G.  Schutt 

in  Hamburg 444 

Balkongeländer  aus  Wafferalfingen    ....     445 

d.  Waffen. 

.Schild  mit  Kampffcenen,    getriebene  und  tau- 
fchirtc Arbeit    von  Zuloaga    in    Madrid  361 
Desgl.  mit  Kinderfries,  v.  Elkington  &  Co. 

in  Birmingham 396 

Desgl.,  mit  fechs  Monatsbildern,  v.  demfelben  429 

Schild  von  Giorgio  Ghifi  (Expos,  des  amateurs)  500 
Ornament  vom  FunctionsfchwertderStadtSteyr 

(desgl.) 509 

ürnamentvon  einem  Stadlrichterfchwert  (desgl.)  509 

B.  Holzindustrie. 

a.  Mobiliar. 

Stuhl  für  ein  .Speifezimmer,  von  F.   .Schön- 

thaler  in  Wien 50 

Prachtbelt,  von   Haffa  &  Sohn  in  Wien       .       85 

Schrank  in  Nufsbaum,  bemalt,  v.  Jos.  Kraus 

&  Sohn  in  Wien 113 

Polrtcrrtuhl,  Gerteil  und  Stoffmufter  entw.  von 
J.  Storck,  ausgef.  von  Haas  &  Söhne 
in  Wien 144 

Desgl.  aus  dem  Salon  der  Kaiferin,  von  den- 
felben, Holzwerk  von  Haffa  &  Sohn  in 
Wien 145 

Desgl.  aus  dem  Atelier  der  Actiengefellschaft 

„Renaiffance"  in  Berlin 155 

Jagdfchrank  in  Eichenholz,  entworfen  von  C. 

Graff,  ausgef.   von  H.  Irmler  in  Wien     165 

Lehnftuhl  mit  Aliasbezug,   nach  J.  Storck's 

Entw.   ausgef.    von  Ph.  Haas  &  Söhne     169 

Armfeffel,  von  Levy  &  Worms  in  Paris       .     252 

Desgl.,  von  Roudillon  in  Paris       ....     253 

ArmfcITel  von  Ebenholz,  nach  Entwurf  von  J. 
Storck  ausgef.  von  Ph.  Haas  &  Söhne 
in  Wien       . 284 

Desgleichen,  von  denfelben 285 

Seffel  im  Stile  Henri  IL,  von  Roudillon  in 

Paris        303 


SYSTEMATISCHES  VERZEICHNISS  DER  ABBILDUNGEN. 


XI 


Seite 
Stühle  mit  {jeprefstcm    Leder,   von   B.    Lud- 
wig in  \Vien 308 

Stuhl  von  Schmidt  &  Sugg  in  Wien      .     .     309 
Schreibtifch,  entworfen  von  König  &  Feld- 
fcharek  und  C  (iraff,  ausgeführt  von 
Michel   &  Ilanufch  in  Wien      ,     .     .     312 
ArmfelVel  im  Stile  Henri  II.,  von  RoudiUon 

in  r.aris .     .     325 

Eichenhol/. fpiegel,  nach  Entw.  von  C.  Graff 

ausgef.  von  F.  Kupka  in  Wien  .  .  .  340 
NufsbaumbUcherfchrank,  von  F.   Romanelli 

in  Florenz 341 

Heltftelle  von  Blafchke  in  Wien     ....     351 
Concertflügel,  nach  J.  Storck's    Entw.   aus- 
geführt von  liöfend orfer   in  Wien   .     .     357 
Wandvertäfelung  eines  Speifefaales,  nach  Ent- 
wurf von  Manfr,   Sem  per  ausgeführt  von 

A.  Türpe  in  Dresden 379 

Details  dazu 380,    381 

Credenz,  von  Cooper  &  Holt  in  London  .  389 
Schrank  aus  Ebenholz,  von  O.  B.  Friedrich 

in  Dresden       .     .  425 

Concertpianino,  von  R.    Ib  ach  &  Sohn   in 

Barmen 469 

Kleiner  Wandfchrank,  entworf.  von  M.   Kie- 

bacher  in  Hamburg 472 

Fallftuhl  mit  Bronzebefchlägen  etc  ,  14.  [ahrh. 

(Expos,  des  amateurs) 516 

i.  Holzfchn  itzw  erk  und  Intarfia. 

Füllung  von  F.  Schönthaler 15 

Sopraporte,  von  demfelben 16 

Notenpult,  von  demfelben 18 

Thür  eines  Speifezimmers,  von  demfelben  .  48 
Tafelauffatz  in  Holz  und  Glas,  von  Lobmeyr 

&  Rudrich 53 

Ebenholzcaffette,  von  Bat.  Gatti  in  Rom  .  123 
Gefchnitzter  Holzrahmen,    von   Frullini    in 

Florenz        22i 

Theil   einer   Tifchplatte  in   Holzmofaik,    von 

Barni  in  Siena 225 

Gefchnitztellolzfüllung,  v.Fr  ullini  in  Florenz  236 
Käflchen  von  Ebenholz,  mit  vergoldeter  Bronze 

und  Email,  v.  Ra tzersdorf er  in  Wien  248 
Rahmen     in    Gold    und    Schwarz,    von    Ch. 

Ulrich  &  Co.  in  Wien 276 

SehreibkSflchen    aus   dem    16.  Jahrh.   (Expos. 

des  amateurs) 497 

C.  Glaswaaren. 
Vergl.  auch  Bronzewaaren  u.  Holzfchnitzwerk. 

Kaiferfervice:  Flafche,  Waffer-  und  Weinglas, 

von  J.  &  L.  Lobmeyr  in  Wien    ...       20 

Desgl.,  Teller  und  Fruchtfchale 21 

Desgl.,  Deffertauffatz  und  Salalfchüffel      .     .       24 

Desgl.,  Zuckerfchale,  Champ.ignerglas  u.  .Senf- 

beche'r 25 

Venetianifcher  Spiegel,  von  J.  &  I,.  Lob- 
meyr in  Wieji 56 

Orientalifcher  Spiegel,  von  denfelben,    Faffung 

von  Ilanufch  &  Dziedzinski  in  Wien       57 

Vafe    von   gr-ivirtem  Kryftallglas,  von  W    T. 

Copeland  &  .Sons  in  .Stoke  upon  Trent       67 

Kanne  und  Pokal,  entworfen  v.  Fr.  Schmidt, 

ausgef.  von  J.  u.  L.  Lobmeyr       .     .     .      149 

Glasplatte    mit    aufgeätztem    Ornament,    von 

Gugnon   fils  in  Paris 151 

Garnitur   von    dunkelgrünem  Glas    mit    Email 


Seite 
nach  altvenetianifchen  Muflern,  von  J.  & 
L.  Lobmeyr       153 

Service  von  emaillirtem  Kryftallglas,  v.  Chri- 

ftophle  &  Co.  in  Paris 168 

Vafe  in  venetianifchem  Aventuringlas    .     .     .     283 

Gl.aefer    und    Flafche   von    M.    Wentzel   in 

Breslau 332,  333 

Garnitur  von  Kryftallglas,  von  J.  &  L.  Lob- 
meyr       368 

Glaskrug  mit  Silbcrbefchlag,  von  denfelben  .     372 

GUisvafe    auf  Bronzefufs,    Entwurf    von    Th. 

Ilanfen,   ausgef.   v.J.  &  L.   Lobmeyr     373 

Vafen  von  opakem  Gl.is,  von  denfelben     .     .     395 

Vafe  mit  Fulsgeftell,  mit  Gold-  u.   Emailver- 
zierung, von  denfelben 411 

Kryftallglafsflafchen,   von   James    Green  in 

London 416 

Kryftallfpiegel,  in  Relief  gefchliffen,  von  Fritz 

Heckert  in  Petersdorf 427 

Glasteller,  dunkelblau  u.  emaillirt,  von  J.  &  L. 

Lobmeyr 431 

Vafe  aus  opakem  weifsem  Glas,  von  J.  &  L. 

Lobmeyr 467 

D.  Thonwaaren. 

Porzellan,  Faiencen,  Majoliken  etc. 

Krug  mit  Unterteller  v.  A.  S  ä  1 1  z  e  r  in  Eifenach  28,  29 

Krug,  modellirt  von  M.  Kriefs 29 

Krüge    von    F.    W.  Merkelbach  in   Gren- 

haufen 54 

Desgleichen,  von  demfelben 55 

Desgleichen,   von   C.   W.  Fleifchmann    in 

Nürnberg 70 

Faience-Teller  mit  Email,  von  L.  Parvillee 

in  Paris 71 

Porzellanvafen ,    von    W.    T.    Copeland    & 

Sons  in  Stoke  upon  Trent 73 

Faience-Gefäfse  mit  Email,  von  E.  Collinot 

in  Paris 75 

Majolica-Kamin,  von  Chr.  Seidel  &  Sohn  in 

Dresden 89 

Steinzeugkrüge  von  A. Salt z er  in  Eifenach  102,  103 
Faiencefchüffel  und  Teller   von  Geoffroy  ä: 

Co.  in   dien 106 

Rococo-Ofen  in  M.ij()lica,  von  Chr.  Seidel  & 

Sohn  in  Dresden 109 

Porzellanfervice,   entw.  von  A.  Haufe  r,  aus- 
gef.  v.  Haas  &  C  z  i  z  e  k  in  Schlaggcn- 

wald 115 

Thongefafse  von  Villeroy  &  Boch  in  Mett- 

lach 121 

Tifchplatte,  von  denfelben 127 

Bodenfliefen,  von  denfelben 141 

Faience-Gefäfse,  von  Th.  Deck  in  Paris  .  .  143 
Steinzeugkrug,  von  A.  Sältzer  in  Eifenjjch  .  147 
Bodenfliefen,     von     Rob.    Minton    Taylor, 

F"enton,  Stoke  upon  Trent 156 

Faiencevafen,  von  Geoffroy  &  Co.  in  Gien  163 
Porzellanvafen,  von  Mintons    in  Stoke  upon 

Trent       176 

Schüffein,  von  Villeroy  &  Boch  in  Metthich  177 
Verfchiedene  Vafen,  von  denfelben  .  .  180  181 
Poftamentöfen,  von  B.  Erndt  in  Wien  .  .  196 
Kamin  in  weifser  (51afur,  von  demfelben  .  .  208 
Bodenlliefen,  von  Villeroy  &  BochinMetl- 

lach       .     .     .     • 209  211 

Desgleichen,  von  Mintons  inStoke  uponTrent  211 
K.inne  in  türkifchem  Stil,  von  L.  Parvillee 

in   Paris 219 


xn 


SYSTEMATISCHES  VERZEICHNISS  DER  ABBILDUNGEN. 


Seite 
Ruffifche  Krüge 239 

Vafe   in    Limoufmer    Art,    von    Mintnns    in 

Stoke  «pon  Trent 243 

Türkifche  Krüge 251 

Desgleichen 255 

Buntglafirter  Kaminofen,  von  der  Thonwaaren- 

fabrik    der    Magdeburger    Hau-    und 

Creditbank 259 

Porzellanvafe,   nacli  Entvvurf  von  A.  Häuf  er 

ausgeführt     von    Haas    &    Czizek    in 

Schlaggenwald 260 

Feldflafche    von    Mintons    in    Stocke    upon 

Trent 265 

Steinzeug-Krüge  und  Leuchter,  von  H.  Doul- 

ton  &  Co.  in  London 267 

Flache  Schüffel,  von  Mintons  in  Stoke  upon 

Trent        277 

Ruffifche  Krüge      .    ■ 280 

Steinzeugkrüge  von    H.   Doulton  &  Co.  in 

London 281 

Poflamentofen,  von  B.  Erndt  in  Wien  .  .  288 
Salzgefäfse,  Stil  Henri  IL,   von  Mintons  in 

Stoke  upon  Trent 293 

Faience-Schüffel  aus  Roerftrand 301 

Tafel  in  Majolica,  von  Ginori  in  Doccia  .  313 
Majolica-Kanne  und  Unterteller,   v.  N^intons 

in  Stoke  upon  Trent 3 '7 

Farbig  glafirter  Kaminofen  aus  Roerftrand  .  3Z9 
Teller,  von  Mintons  in  Stocke  upon  Trent.  348 
Majolicafchüffel  von  Ginori  in  Doccia  .  .  385 
Candelaber  aus  Terracotta,  von  Fr.  Naumann 

in  Plottendorf        387 

Indifche  Thongefäfse 413 

Teller  von  Mintons  in  Stoke  upon  Trent    .     419 


E.  Gewebte  Stoffe,  Stickereien,  Tapeten  und 
Lederarbeiten. 

Vergl.  auch  IV.  B.  a.  Mobiliar. 

Atlas,  hellgelb  mit    blauem  Mufler,    von  Ph. 

Haas  &  Söhne 26 

Desgl.,  olivenfarbig  mit  bronzirtem  Durchfchufs, 

von  denfelben        27 

Bobbinet-    und  Spitzenmufter  von   M.  Faber 

&  Co 30,  31 

Sammetbordure,  von  Drächsler  in  Wien     .       34 

Desgleichen,  von  demfelben 42 

Deckel   eines  Albums  nach  Zeichnungen   von 

J.  Storck  u.  F.  Laufberger  ...  60 
Seidenftoflbordure,    von  Ph.  Haas  &  Söhne 

in  Wien        62 

SeidenftofT,  dunkelblau  m.  Gold,  v.  denfelben  63 
Tapete  von  Hochstätter  &  Sohn  in  Darni- 

ftadt,  nach  Zeichnung  v.  F.  P'ifchbach  81 
Teppich  von  J.  Humphries&  Sons  in  Kid- 

derminfter 105 

Spitzenvorhang,  von  Jacoby  &  Co.  in  Not- 
tingham        III 


Damafttifchtuch,  n.  Zeichnung  von  J.  Storck 

ausgef.  V.  A.  Küfferle  &  Co.  in  Wien 
Teppich,  von  John  Brinton   &   Co.  in  Kid- 

derminfter 

Damafttifchdecke,  v.  Prölfs  fen.  fei.  Söhne 

in  Grofs-Schönau 

Tabouret  mit  dreifarbigem  Sammetbezug,  von 

Ph.  Haas  &  Söhne 

Mufter    aus  der  Bobbinet-    und    Spitzenfabrik 

von  Faber  &  Damböck  in  Wien 
Stickereien  zu  einem  Seffel,  entwdrf.  v.  Lieb, 

ausgef.  von  Giani  in  Wien       .     .     .     . 
Einbände   in    Ledermofaik,   von   Wunder    & 

Kölbl  in  Wien 

Perfifcher  Teppich,    dem    Original    im   Mün- 
chener Nationalmufeum  nachgewebt  von 

Ph.  Haas&Söhne 

Albumdeckel  in  Ledermofaik,  von    Wunder 

&  Kölbl  in  Wien 

Store,   entw.  v.J.  Storck,  ausgef.  v.  Faber 

&  Damböck  in  Wien 

Goldflickereien  von  Giani  in  Wien     .     .     . 
Damaftdecke,    von   Prölfs   fen.  fei.    Söhne 

in   Grofs-Schönau 

Teppich,  von  Schütz  &Juel  in  Würzen     . 

Tapete,  von  Bai  in  in  Paris 

Thürbehang,  von  Roudillon   in  Paris      .     . 
Goldflickerei  auf  rothcm  Sammet,  von  Giani 

in  Wien 

Bordüre  eines  Thürvorhangs ,    Stil   Henri   II,, 

von  Roudillon  in  Paris        

Tapete  aus  dem  Kaiferpavillon,    von   Giani 

in  Wien        

Tapete,  von  Bai  in  in  Paris 

Vorhangsbordure  aus  dem  Kaiferpavillon,  von 

Giani  in  Wien 

Seidenftoff,  auf  Papier  gefpannt,  von  Baiin  in 

Paris 

Stickerei    von     einem    Kinderkleid  ,     Oeflerr. 

Frauenarbeit 

Tapete,  von  Bai  in  in  Paris 

Sopha  und  Stuhl  in  hellblauem  Atlas,  von  Ph. 

Haas  &  Söhne  in  Wien 

Portiere  in   hellblauem  Athis,   von  denfelben 
Bordüre,  entworfen  von  C.  G  ra  ff,  ausgef.  v. 

C.  Drächsler  in  Wien 

Bafiktirter  Stoff  aus  Java 

Batiktirte  Stoffe  aus  Sumatra 

Türkifche  Seidenflickerei 

Bordüre,  entworfen  von  Fr.  Fifchbach,  aus- 
gef. von  H.  Engelhardt    in  Mannheim 
Tabouret,  Goldftickerei  aus  dem  Kaukafus     . 

Seidenftoff,  von   Giani  in  Wien 

Tapete,    von  C.    Hochftätter  &   Sohn    in 

Darmftadt 

Japanefifche  Bettdecke 

Spitzenbefatz  (Oefterreichifche  Frauenarbeit)  . 
Teppichbordure  aus  Kremsmünfter  (Expofition 

des  amateurs) 


Seite 
119 

139 
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200 

201 
204 

205 
217 

235 
256 

27s 

287 

300 

304 

304 
307 

3" 

335 

352 
353 

363 
366 

367 
37" 

377 
382 

399 

400 
401 
443 

495 


Berichtigungen. 

S.  267.  Unterfchrift  unter  der  Abbildung  lies:  Doulton  &  Co.  ftatt  Dalton. 

S.  320.  Unterfchrift  unter  der  Abbildung  lies:  König  und  Feldfcharek  ftatt  König  und 

R.  Redtenbacher. 
S.  445  u.  465.  Bei  der  Unterfchrift  ift  zu  ftreichen  «entworfen  von  W.  Käumer«. 


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ei  unfreundlichem  Wetter,  aber  defs- 
lialb  nicht  mit  geringerem  Glanz 
wurde  die  Wiener  Weltausftellung 
.un  I.  Mai  I2  Uhr  Mittags  feierlich 
eröffnet.  Eine  wahre  Völkerwande- 
rinig  bewegte  fich  fchon  bei  dem 
Morgengrauen  ckirch  alle  zum  Ausflellungsplatze  füh- 
renden Strafsen  und  Gäfschen  dem  Prater  zu.  Um 
9  Uhr  (laute  fich  der  ununterbrochene  Wagenzug  be- 
reits eine  Stunde  weit  von  feinem  Ziel,  am  Kärntner- 
ring, und  manchen  der  für  einen  halben  Vormittag 
zum  unfreiwilligen  .Stillftande  verurtheilten  Inhaber  der 
ftolzen  Carroffen  fah  man  trotz  Regen  und  Wind  den 
Wagen  verlaffen,  um  nur  das  erfehnte  Ziel,  die  Rotunde 
des  Induftriepalaftes,  noch  rechtzeitig  zu  erreichen. 

Taufende  füllten  den  ungeheuren  Raum,  —  oder 
vielmehr  fie  füllten  ihn  immer  noch  nicht,  fo  riefig 
irt  feine  Ausdehnung  —  als  pünktlich  zur  gegebenen 
Stunde  das  Zeichen  die  Ankunft  des  Herrfchers  ver- 
kündete. Unter  den  Klängen  iler  Volkshymne,  welche 
die  vereinigten  Gefangvereine  Wiens  anüimmten,  und 

1 


DIE  ERÖFFNUNGSFEER. 


von  braufendem  Jubelrufe  begrüfst,  betrat  der  Kaifer,  die  Kronprinzeffin  des  deut- 
fchen  Reiches  am  Arm,  an  der  Spitze  des  von  dem  Generaldirektor,  Baron 
Schwarz-  Senborn  geführten  Zuges,  die  prachtvoll  gefchmückte  Eingangshalle. 
Ihm  folgten  der  Kronprinz  des  deutfchen  Reiches  mit  der  Kaiferin,  dann  der 
Prinz  von  Wales,  der  Kronprinz  von  Dänemark,  der  Graf  von  Flandern,  der 
Kronprinz  Rudolph  mit  dem  Prinzen  Friedrich  Wilhelm,  die  fämmtlichen  Erz- 
herzöge und  Erzherzoginnen,  fowie  die  übrigen  hohen  Herren  und  Damen,  dann 
die  Minifler,  die  Generalität  und  eine  unüberfehbare  Suite  anderer  Würdenträger. 
Nachdem  der  Hof  auf  der  dem  Eingange  gegenüber  befindlichen,  mit  Blumen 
reich  verzierten  Eftrade  angelangt  war,  begrüfste  der  Erzherzog  Karl  Ludwig,  als 
Protector  der  Ausftellung,  unter  Ueberreichung  einer  die  Gefchichte  der  Aus- 
ftellungsunternehmens  fchildernden  Denkfchrift,  den  Kaifer  mit  folgender  An- 
fprache  -. 

„In  feftlicher  Stimmung  begrüfse  ich  Eure  Majeftät  in  diefen  dem  friedlichen 
Fortfehritte  geweihten  Räumen.  Die  allerhöchfte  Theilnahme  Eurer  Majeftät  gibt 
einem  Werke  den  Abfchlufs,  das  den  Blick  der  Welt  auf  Oefterreich  lenkt  und 
unferm  Vaterlande  die  Anerkennung  hervorragender  Theilnahme  an  der  Förderung 
von  Menfchenwohl  durch  Unterricht  und  Arbeit  fiebert.  Nicht  uns,  die  das  Ver- 
trauen Eurer  Majeftät  zunächft  zur  Durchführung  Allerhöchft  ihres  Entfchluffes 
berufen  hat,  ziemt  es,  Richter  des  eigenen  VoUbringens  zu  fein.  Aber  es  fei  uns 
geftattet,  auf  die  Elemente  hinzuweifen.  Welche  das  Werk  gefchaffen  haben:  auf 
die  erhabene  Iniative  Eurer  Majeftät,  auf  das  zielbewufste  und  opferwillige  Zu- 
fammenwirken  eigener  und  fremder  Volkskraft,  auf  die  fittliche  und  ftaatliche 
Macht  der  Arbeit  und  der  Cultur.  Diefe  Elemente  find  es,  die  der  Schöpfung 
Eurer  Majeftät  heute  ihren  innern  Werth  verleihen  und  Ehren  und  Andenken 
derfelben  vererben  werden  auf  die  nachlebenden  Gefchlechter. 

Geruhen  Eure  Majeftät  den  Ausftellungs  -  Katalog  und  die  Denkfchrift  über 
die  hiftorifche  Entwicklung  der  Ausftellung  huldvoUft  entgegenzunehmen  und  die 
Weltausftellung  des  Jahres  1873  für  eröffnet  zu  erklären". 

Der  Kaifer  erwiederte  hierauf  mit  weithin  vernehmbarer  Stimme : 

„Mit  lebhafter  Befriedigung  fehe  Ich  die  Vollendung  eines  Unternehmens, 
deffen  Wichtigkeit  und  Bedeutung  Ich  im  vollftem  Maafse  würdige.  Mein  Ver- 
trauen in  den  Patriotismus  und  die  Leiftungsfähigkeit  Meiner  Völker,  in  die  Sym- 
pathien und  die  Unterftützung  der  uns  befreundeten  Nationen  hat  die  Entwick- 
lung des  grofses  Werkes  begleitet.  Mein  kaiferliches  Wohlwollen  und  Meine 
dankbare  Anerkennung  find  feinem  Abfchluffe  gewidmet.  Ich  erkläre  die  Welt- 
ausftellung des  Jahres  1873  für  eröffnet." 

Fanfarengefchmetter ,  Gefchützdonner  und  erneuter  Jubelruf  folgten  diefen 
Worten.  Darauf  hielten  auch  der  Ministerpräfident  und  der  Bürgermeifter  von 
Wien  Anfprachen  an  den  Kaifer,  ihm  den  Dank  im  Namen  der  Völker  Oefter- 
reichs  und  der  Hauptftadt  für  die  Gründung  und  Förderung  des  grofsen  Werkes 
darbringend.  Ein  Feftgefang  von  Jofef  Weilen,  nach  der  Melodie  des  Sieges- 
liedes aus  Händel's  „Judas  Makkabäus",  von  den  Gefangvereinen  vorgetragen, 
machte  den  Befchlufs  der  Feier.     Die  Worte  lauteten : 


DIE  ERÖFFNUNGSFEIER. 


Glocken,  klingt  und  Fahnen,  weht 
Heut  zu  feftlichem  Empfang! 
Und  das  Werk,  das  fertig  fteht, 
Grüfse  weihender  Gefang! 

Weite  Hallen  find  bereit, 
Rings  umher  grünt  Baum  an  Baum, 
Eine  Welt  von  Thätigkeit 
Regt  fich  ftolz  in  diefem  Raum. 


Was  der  Geift  erfinnt  und  fchafft, 
Was  gebildet  Kunft  und  Fleifs, 
Herrlich  Bild  vereinter  Kraft, 
Ringend  nach  dem  fchönften  Preis! 

Auf,  ihr  Völker,  flrömet  her 
Zu  der  grofsen  Geifterfchlacht, 
Euer  Fortfehritt  eure  Wehr 
Und  die  Bildung  eure  Macht! 


Arbeit  ifl  der  Staaten  Grund, 
Gleiches  Streben  macht  auch  gleich; 
Einen  Völker-Friedensbund 
Feiert  heute  Oefterreich. 


Infchrifttafel  vom  Jiiry-Pavillon. 


DER  AUSSTELLUNGSPLATZ. 


\ ,  %M%4i  Sfc—^  c^-^l  Mi  ti jj ' 


llauiiteingaiig  /.um  Weltausstellungsplatze. 


Der  Ausstellungsplatz. 

Die  fünfte  Weltausftellung  ift  alfo  eine  Thatfache;  der  vor  zwei  Jahren  fefl- 
gefetzte  Termin  ist  pünktlich  eingehalten  worden.  Freilich  mufsten  die  Gunfl 
der  Natur  und  der  menfchlichen  Mächte  fich  in  ganz  ungewöhnlicher  Weife  ver- 
bünden, der  Winter  mufste  ausbleiben,  und  die  Staatsrechenmeifter  mufsten  das 
Motto:  „Das  Geld  ift  nur  Chimäre"  acccptiren,  damit  die  Ausftellung  nominell 
am  I.  Mai  eröffnet  werden  konnte;  freilich  fcheinen  diejenigen  Recht  zu  behalten, 
welche  behaupteten,  fechs,  noch  dazu  von  furchtbaren  Kriegen  und  Umwälzungen 
erfüllte  Jahre  feien  eine  viel  zu  kurze  P'rift,  um  fchon  wieder  die  Völker  aufzurufen, 
ihre  Kräfte  zu  meffen;  freilich  find  für  Stadt  und  Land  die  Laden  und  Opfer  fo 
real  wie  die  verheifsenen  fegensreichen  Folgen- fraglich;  aber  die  Ausftellung  ift 
eine  Thatfache,  und  dem  Leiter  des  grofsen  Werkes  dürfte  man  es  nicht  ver- 
übeln, falls  er  an  den  Schutz  eines  befonderen  Sternes  glauben  foUte. 

Wir  können   es  billig   dem  guten  Glauben    und  dem  Gefchmack  jedes  Ein- 


DER  AUSSTELLUNGSPLATZ. 


Üflportal  der  Induftriehalle. 


zelnen  überlaffen.  ob  er  diefe  allgemeinen  AusftcUungen  die  neuen  olympifchen 
Spiele  oder  wie  fonfl;  nennen  und  als  folche  preifen  will,  während  wir  uns  auf 
den  Weg  begeben,  um  zunächfl:  Ort  und  Stelle  in  Augenfchein  zu  nehmen.  —  So 
günftig  gelegen  war  noch  kein  Ausftellungsplatz.  Einen  fo  grofsen  Reiz  die 
weiten  baumuniräumten  Rafenflächen  des  Hydcpark  ausübten,  aus  denen  das  un- 
geheure Glashaus  Paxton's  wie  ein  Märchenfchlofs  emporftieg:  es  mangelten 
doch  die  unmittelbare  Nähe  des  grofsen  Stroms  und  der  Abfchlufs  des  Gefichts- 
kreifes  durch  das  Gebirge. 

Der  altberühmte  Prater,  der  mit  frifchem  Grün  und  Blüthenpracht  die  impro- 
vifirte  Ausflcllungsfladt  rings  umfängt,  ift  Zeuge  fo  manches  grofsen  Feftes  und 
Schauplatz  fo  manches  ernflen  Ereigniffes  gewefen,  feitdem  im  Jahre  1766  der 
„Schätzer  der  Mcnfchen"  Jedermann  den  Park  öffnete,  welchen  zweihundert  Jahre 
zuvor  Maximilian  II.  „für  feine  Jagdlufl"  angekauft  hatte,,  und  deffen  Befuch  unter 
Carl  VI.  und  Maria  Therefia  nur  der  in  „Kutfchen"  fahrenden  günfliger  fituirten 
Minorität  geftattet  gewefen  war.  Vom  Prater  her  rückte  1809  Maffena  und  1848 
Windifchgrätz  gegen  Wien  vor;  1814  wurde  dort  unter  Theilnahme  vieler  hohen 
Gäfte  ein  Volks-  und  Soldatenfeft  zum  Gedächtnifs  der  Schlacht  bei  Leipzig  be- 
gangen;  der  29.  April  1854  fah  den  noch   kaum  belaubten  Wald  viele  Taufende 


DER  AUSSTELLUNGSPLATZ. 


glühender  Blüthen  tragen  als  Huldigung  für  die  junge  Kaiferin;  in  den  erften 
Jahren  nach  1860  feierte  man  eben  dort  am  .18.  Auguft,  dem  Geburtstage  des 
Kaifers,  die  Verfaffung;  1866  lagerten  die  fächfifchen  Truppen  im  Prater;  1868 
bezogen  ihn  die  dcutfchen  Schützen.  Immer  waren  die  Spuren  der  Anwefenheit 
geladener  oder  ungeladener  Gäfte  fchnell  wieder  verwifcht.  Diesmal  jedoch  foU 
es  anders  fein.  Nicht  genug,  dafs  die  Axt  unter  den  Räumen  tüchtig  hat  auf- 
räumen muffen,  um  Platz  zu  fchafifen  für  die  zahllofen  grofsen  und  kleinen  Aus- 
fbellungsgebäude,  und  im  Eifer  hier  und  da  mehr  gethan  hat,  als  fie  eben  mufste : 
der  Prater  in  feinen  befuchteften  Theilen  hat  eine  Umwandlung  erlebt.  Man  fand 
ihn  zu  wild,  zu  ungebunden,  zu  ftruppig  für  unfere  Zeit  und  für  ein  „Feft  der 
Cultur".  Lineal  und  Richtfcheit,  Axt  und  Walze  waren  feit  Jahr  und  Tag  be- 
müht, die  originellen  Linien  und  Furchen  gradezurichten  und  zu  ebnen,  den 
üppigen  Haarwuchs  falonmäfsig  zu  kürzen  und  zu  ordnen.  Vornehmlich  mufste 
der  „Wurftelprater"  fich  dem  Fortfehritte  anbequemen ,  demfelben  Fortfehritte, 
welcher  überall  die  alten  befcheidenen  Volkstheater  in  glänzende  Tempel  der 
Mufe  Öffenbach's  verwandelt  hat.  Es  ift  wahr,  die  Holzhäufer ,  in  welchen  Bier 
gefchänkt,  das  Ringelfpiel  gedreht  oder  Riefen  und  Mifsgeburten  gezeigt  wurden, 
hatten  wenig  mehr  von  der  „Nettigkeit",  die  eine  vor  vierzig  Jahren  erfchienene 
Befchreibung  Wiens  ihnen  nachrühmt,  während  eben  diefe  Eigenfchaft  den  meiflen 
ihrer  Nachkommen  von  heute  nicht  mehr  beftritten  werden  kann.  Aber  wird  die 
Zierlichkeit  und  die  bunte  Tünche  diefer  „Schweizerhäufer"  fich  beffer  und  länger 
gegen  den  natürlichen  Verfall  behaupten  als  dies  die  fchlichte  Erfcheinung  der 
einftigen  Praterhütten  vermochte  ?  Heruntergekommene  Eleganz  ift  ficherlich  kein 
erfreulicherer  Anblick  als  anfpruchslofe  Einfachheit.  Und  dem  Wefen  nach  hat 
man  die  entfchieden  originellen  Praterwirthfchaften  nur  in  gewöhnliche  Vorfladt- 
kneipen  umgefchafifen.  Statt  der  Burfchen  in  Leinwandjacken  oder  Hemdärmeln 
bedienen  uns  die  allbekannten  Kellnergeftalten  in  fchäbigem  Frack,  herabgetre- 
tenen Schuhen  und  mit  Servietten,  welche  zu  allem  Erdenklichen,  leider  auch  zum 
Teller-  und  Gläferputzen  verwendet  werden.  Vorüber  ifl:  die  Zeit,  da  man  fich 
felbft  den  Krug  vollzapfen  liefs  und  auf  einen  fchattigen  Rafenplatz  mitnahm,  denn 
der  Rafen  darf  innerhalb  der  Grenzen  des  „regulirten"  Praters  nicht  mehr  be- 
treten werden ;  die  Kinder,  welchen  fonft  weite  grüne  Strecken  zum  Spielen  über- 
laffen  waren,  drängen  fich  zwifchen  den  Tifchen  herum,  an  welchen  die  Alten 
zechen;  der  ungarifche  Soldat  darf  nicht  mehr  nach  den  Klängen  der  Zigeuner- 
fidel die  flowakifche  Magd  im  Tanze  fchwingen,  denn  das  würde  fich  nicht 
fchicken;  die  weltbekannten  Salami -Männer,  welche  mit  ihrer  wälfchen  Beweg- 
lichkeit und  Gefchwätzigkeit  von  Gruppe  zu  Gruppe  eilten,  ihre  durflreizenden 
Leckerbiffen  auf  Papierblättern  fervirend,  fchleichen  verfchüchtert  umher,  und 
feitdem  der  Wurftelprater  um  feine  Volksthümlichkeit  gekommen  ifl,  heifst  er 
Volksprater. 

Eher  verfchmerzen  läfst  fich  die  Modernifirung  jener  Partien,  welche  die  Um- 
gebung der  fogenanntcn  Nobelallee  bilden.  Wären  die  künftlichen  Hügel  und 
Wafferfälle,  der  gewalzte  Rafen  und  die  winzigen  Büfche  hier  wie  an  hundert 
anderen  Orten  aus  einer  Sandfteppe  hervorgezaubert  worden,  fo  würde  man  den 
Anlagen    fogar   alle  Anerkennung  zollen;   aber  wo  die  Natur   fo  viel   mehr  und 


DER  AUSSTELLUNGSPLATZ. 


Mittelftück  des  Glasfenfters  über  dem  Südeingaiige  der  Induftriehalle. 


DER  AUSSTELLUNGSPLATZ. 


=L 


Kaiserpavillon. 


befferes  gegeben  hat,  wo  ein  welliger,  üppig  bewachfener  Boden  allen  Reiz  der 
Augegend  entfaltet  und  durch  jede  Lichtung  wirkliche  blaue  Berge  —  die  zum 
Glück  nicht  abgetragen  werden  konnten  —  herüberblicken,  da  wollen  uns  alle 
Künfte  des  Landfchaftsgärtners  nur  als  kleinhche  Spielerei  erfcheinen. 

Die  Baulichkeiten,  welche  die  Räume  zwifchen  Wurftelprater,  Hauptallee  und 
Ausftellungsplatz  bevölkern,  können  ihren  Zufammenhang  mit  dem  Ausftellungs- 
unternehmen  nicht  verleugnen.  Alle  erdenklichen  Stile  find  dabei  zur  Anwendung 
gekommen,  nur  leider  oft  genug  die  verfchiedenften  an  demfelben  Object.  Lin 
Architekt,  der  fich  an  dem  Durcheinander  nationaler  Gebäude  verfehen  hat,  könnte 
der  Schöpfer  diefer  „fliegenden  Stadt"  fein  mit  ihren  Walm-  und  Schweizer- 
dächern, ihren  Reminiscenzen  an  claffifche,  orientalifchc  und  barbarifche  Orna- 
mentik. Manche  von  den  Anlagen  ift  Hnnkbarlichfl  zu  acceptiren,  vor  allem  das 
grofse,  fchön  eingerichtete  Aquarium ;  andere  find  um  fo  bedauerlichere  Vorpoften 
grofsftädtifcher  Ausartung,  von  welcher  bisher  diefe  grüne  Welt  freigeblieben 
war.  Da.  durfte  das  „Orpheum",  der  Tummelplatz  der  Parifer  Tänzerinnen  und 
Chanfonnetten-Sängerinnen  nicht  fehlen,  und  das  „Vauxhall"  fcheint  es  mit  feinen 
Bällen  ä  la  Mabile  und  Cremorngardens  noch  überbieten  zu  wollen. 

Die  mehrerwähnte  Hauptallee  ift  der  füdöftliche  der  fieben  vom  Praterftern 
ausgehenden  Strahlen.  Einft  waren  diefe  fämmtUch  Alleen,  bei  verfchiedenen  er- 
innert heute  noch  der  Name  hieran.  Die  gegen  Süden  führende  Franzensbrücken- 
allec,  die  füdweftliche  Praterftrafsc ,  fonft  Jägerzeil  (von  den  VVohnhäufern  des 
kaiferlichen  Jagdgcrmdes),    Stadtgutgaffe ,  Augartenallee,  Nordbahnftrafse  (gegen 


10 


DER  AUSSTELLUNGSPLATZ. 


Jurypavillon. 


Werten  und  Norden)  find  gänzlich  von  Häuferreihen  umfäumt,  und  nach  Nord- 
often,  gegen  den  Strom  hin,  wird  bald  die  neue  Donauftadt  fich  ausbreiten,  fo 
dafs  nur  noch  das  füdöftliche  Segment  für  den  Wald  gerettet  ift.  Dort  nun,  mit 
der  Längenachfe  von  Weft-Nordweft  nach  Oft-Südoft,  dehnt  fich  der  von  den 
Ausftellungsgebäuden  bedeckte  Platz  aus.  Urfpriinglich  follte  wohl  die  Rotunde 
des  Induftriepalaftes  den  Mittelpunkt  bilden,  allein  die  hauptfächlich  der  Land- 
wirthfchaft  gewidmeten,  umfangreichen  Vorwerke  gegen  Südoflen  haben  das 
Gleichgewicht  geflört.  Der  Kürze  halber  hat  der  Sprachgebrauch  die  Fiction  ge- 
fchaffen,  dafs  die  Längenachfe  genau  von  Wert  nach  Oft  gehe,  und  wir  wollen 
dem  ebenfalls  folgen. 

Durch  den  —  in  diefem  Sinne  genommen  —  füdlichen  Haupteingang  (f 
die  Abbildung,  Seite  4)  den  Platz  betretend,  fehen  wir  uns  dem  Hauptportal 
der  Induftriehalle  gegenüber.  Rafenbeete  und  Wafferbecken  mit  Springbrunnen 
füllen  den  geräumigen  Vorplatz,  bedeckte  Galerien  fäumen  denfelben  ein.  Auf 
halbem  Wege  erheben  fich,  in  Lage  und  Architektur  correfpondirend,  links  der 
Jurypavillon,  rechts  der  Kaiferpavillon  (f.  die  Abbildungen,  S.  9  u.  10),  welcher 
letztere  von  den  Hauptvertretern  der  Wiener  Kunftinduftrie  mit  ihren  gediegenften 
Leiftungen  ausgeftattet  ift.  An  diefe  beiden  dominirenden  Bauwerke  reihen  fich 
links  die  Annexe  Schwedens,  Spaniens,  die  Druckerei  der  Neuen  freien  Preffe  und 
Erfrifchungslokale  aus  verfchiedenen  Zonen,  rechts  verfchiedene  andere  Ableger 
der  Ausftellung  und  wieder  Reftaurationen  und  Kaffeehäufer,  welche  uns,  an  dem 
ruffifchen  Kaiferpavillon  und  dem  Annexe  des  öfterreichifchen  Lloyd  vorüber,  zu 
den  in  hervorragender  Weife  anziehenden   orientalifchen  Anlagen  geleiten,  dem 


DER  AUSSTELLUNGSPLATZ.  11 


Gcbäiidccomplcx  des  Vicckönigs  von  Egyptcn,  dem  türkifchcn  Wohnhaus,  Bazar 
und  Kaffeehaus,  dem  perfifchen  Haufe,  den  Buden  der  Japanefen  und  endlich 
zu  dem  grofsen  Leinwandzelte  der  Blumenaüsftellung.  Jcnfeits  eines  dürftigen 
Donauarmes,  des  Heufladelwaffers ,  breiten  fich  dann  vorzugsweife  landwirth- 
fchaftliche  Gebäude  aus,  dazu  die  treuen  Copien  verfchiedener  Bauernhäufer,  wie 
das  ruffifche,  das  fiebenbürgifch- fächfifche,  das  fzekler,  das  kroatifche,  das 
flavonifche,  das   vorarlberger  u.  f.  w.  (f.  den  Plan  auf  S.  6). 

Den  Mittelpunkt  der.  Induftriehalle  bildet  die  Rotunde,  welche  von  einem, 
mit  ihr  vier  grofse  zwickeiförmige  Höfe  herflellenden,  quadratifchen  ßau  umgeben 
ift.  Den  Eingang  bezeichnet  ein  prachtvolles  Portal  im  Stil  der  römifchen 
Triumphbogen,  gekrönt  von  einer  allegorifchen  Gruppe,  nach  der  Skizze  von 
Ferd.  Laufberger  ausgeführt  von  Vincenz  Pilz.  Der  flache  Bogen,  mit  wel- 
chem das  Portal  abfchliefst,  vermittelt  den  Uebergan^  zu  den  flachen  Wölbungen 
der  Halle  und  zu  dem  im  Aeufseren  wenig  günftig  wirkenden  Dach  der  Rotunde, 
welches  hinter  und  über  dem  Portal  fich  präfentirt.  Bei  diefem  umgekehrten 
Riefentrichter  mit  dem  doppelten  Laternenauffatz  und  der  vergoldeten  und  mit 
imitirten  Perlen  und  Edelfteinen  befetzten  Krone  (f.  die  Abbildung,  S.  13),  welche, 
an  fleh  ein  Meifterwerk  der  Schmiedekunfl,  an  jener  Stelle  nur  eine  höchfl 
luxuriöfe  Spielerei  genannt  werden  kann,  brauchen  wir  uns  nicht  aufzuhalten.  Uns 
empfängt  eine  hohe,  mäfsig  beleuchtete  Vorhalle,  die  in  ihrer  Decorirung  von 
aufserordentlicher  Wirkung  ifl.  Decke,  Wände  und  Fufsboden  flnd  durchweg  mit 
Teppichen  und  Möbelftoffen  bedeckt,  welche  in  der  Pracht  gefättigter  Farben  vor- 
züglich zu  dem  über  der  Thüre  angebrachten  Glasgemälde  von  C.  Geyling  nach 
Laufberger's  Kompofltion  (f.  die  Abbildung,  S.  8)  zufammenftimmen.  Da  das 
vornehmfle  kunftgewerbliche  P'tabliffement  in  Oeflerreich,  Philipp  Haas  &  Söhne, 
hier  feinen  Ausftellungsraum  gewählt  hat  und  durch  feine  Arbeiten  zugleich  zeigt, 
wie  unfer  Kunfl:gevverbe  beflrebt  ifl:,  die  Vorbilder  aus  alten  Zeiten  und  Ländern 
für  die  Gegenwart  fruchtbar  zu  machen,  wäre  in  der  That  eine  paffendere  Ver- 
wendung diefer  Vorhalle  des  Indufl:riepalaftes  nicht  zu  denken  gewefen. 

Stufen  führen  von  da  in  die  von  fanftem  Licht  erfüllte  Rotunde  (Abbildung 
folgt  auf  S.  33).  Die  meiften  Erbauer  von  Ausftellungspaläften  in  I  lallenform  waren 
darauf  bedacht,  derartige  Haupt-  und  Mittelpunkte  (wenn  auch  das  letztere  nur 
in  bildlichem  Sinne)  zu  fchaff"en  und  diefelben  über  das  Niveau  zu  erheben.  Ein 
derartig  erhöhter  Standpunkt,  überdies  betont  durch  wefentlich  monumentale 
Ausftellungsgegenftände,  gewährte  Ueber-  und  Durchblicke,  man  fah  in  die  bunte 
Welt  der  einzelnen  Schiffe  hinab,  man  vermochte  fich  im  Grofsen  zu  orientiren. 
Hier  ifl  das  Verhältnifs  umgekehrt,  die  Sohle  der  Rotunde  ifl  beträchtlich  tiefer 
als  die  der  Ausftellungsgalericn  gelegt  worden,  wozu  man  fleh  genöthigt  fah,  um 
die  Höhe  des  inneren  Raumes  in  Verhältnifs  zur  Weite  deffelben  zu  bringen. 
Diefe  Rotunde  ifl  bekanntlich  ein  Wunderwerk  der  Conftruction.  Die  das  Dach 
tragenden,  aus  Eifenplatten  zufammengefetzten  Pfeiler  wurden  etagenweife  gehoben, 
fo  dafs  das  zuerft  fertiggefchmiedete  Stück  eines  jeden  jetzt  das  oberfle  Stück  bildet. 
Ein  Gerüft  beftand  nur  für  den  Ring  der  Laterne,  welcher  durch  die  Radialfparren 
mit  dem  Pfeilerkranz  in  Verbindung  gebracht  wurde.  Die  innere  Decoration  des  Daches 
mit  Streifen  farbig  bedruckter  Jute  giebt  dem  Ganzen  den  Charakter  des  Zeltes. 


DER  AUSSTELLUNGSPLATZ. 


13 


Krone  vom  Dache  der  Rotunde. 

Die  Rotunde  ifl:  „internationaler  Ausftellungsraum"  und  hat  als  folcher  leider 
einem  wahren  Jahrmarkt  von  Ausftellungskäften,  Pyramiden,  Modellen  und  Reflau- 
rationen  zum  Stelldichein  dienen  muffen.  Ihre  ganze  Wirkung  wurde  ilurch  diefes 
Chaos  zerftört.  Rechts  und  links  erftrecken  fich  die  Hauptfchiffe,  jedes  von  fünf 
Quergalerien  („Gräten";  durchfchnitten  und  in  ein  durch  Kuppeln  ausgezeichnetes 
Oblongum  mündend.  Zum  Thcil  find  auch  die  Höfe  zwifchen  den  Galerien  ein- 
gedeckt und  den  nächftliegenden  Ländern  zugewiefen  worden.  Für  die  Raum- 
vertheilung  wurde  mit  praktifchem  Sinne  die  geographifche  Lage  der  Länder  be- 
obachtet. Das  öftliche  Schiff  beginnt  mit  Oefterreich,  an  welches  fich  Ungarn, 
Rufsland,  Griechenland,  die  Türkei,  China,  Perfien,  Rumänien,  Tunis,  Japan  an- 
fchhefsen;  die  weftliche  Hälfte  haben  inne:  das  Deutfche  Reich,  die  Niederlande, 
die  fkandinavifchen  Länder,  die  Schweiz,  Italien,  Frankreich,  Portugal,  Spanien, 


Eifengitter  vom  Jurypavillon. 


14 


DER  AUSSTELLUNGSPLATZ. 


Grofsbritannien  nebft  feinen  Kolonien,  die  amerikanifchcn  Reiche.  Leider  ift  fad 
durchweg  die  fchöne,  freundliche  Wirkung  des  Hallenbaues  durch  coloffale,  den 
Durchblick  abfchneidende  Aufbaue  zur  gröfsern  Ehre  der  Schafvvollinduftric,  der 
Liqueurfabrikation  und  dergl.  mehr  ftark  beeinträchtigt  worden. 

Diefelbe  Anordnung  der  Länder  wurde  auch  für  die  landwirthfchaftliche  und 
die  Mafchinenabtheilung  beibehalten,  wenn  auch  die  Verfchiedenheit  des  Raum- 
bedarfs hier  Verfchiebungen  nöthig  machte.  So  mufste  Deutfchland  der  örtlichen 
Agriculturhalle  zugetheilt  werden.  Die  Mafchinenhalle,  das  äufserfte  Ausftellungs- 
gebäude  gegen  Norden,  läuft  parallel  mit  der  Induftriehalle  und  hat  beinahe  die 
gleiche  Längenausdehnung.  Der  von  diefen  beiden  gegen  Norden  und  Siiden 
und  von  den  beiden  Agriculturhallen  gegen  Orten  und  Werten  abgegrenzte  Raum 
ift  mit  einer  fehr  bunten  und  leider  auch  fehr  gedrängten  Menge  von  Annexen 
verfchiedener  Länder,  Gebäuden  für  Bergwerksproducte,  für  additionelle  Aus- 
rtellungen,  von  Bauernhöfen  und  Wirthshäufern  angefüllt. 

In  der  Längenachfe  der  Indurtriehalle  gegen  Orten  finden  wir  endlich  noch, 
getrennt  von  derfelben  durch  eine  Gartenanlage,  in  deren  Mitte  fich  eine  Kopie 
des  Achmedbrunnens  in  Stambul  erhebt,  die  Kunrthalle  (f.  den  Plan).  In  der 
vollen  Breite  der  Indurtriehalle  von  Norden  nach  Süden  fich  ausdehnend,  berteht 
fie  aus  einem  internationalen  Mittelfaal,  an  welchen  gegen  Süden  die  Abtheilungen 
für  Oerterreich,  Ungarn  und  Deutfchland,  gegen  Norden  die  franzöfifche,  eng- 
lifche,  fchweizerifche,  niederländifche  fich  anreihen.  Um  Italien  und  die  nordifchen 
Länder  unterbringen  zu  können,  mufsten  zwei  urfprünglich  für  die  Ausrtellung 
alter  Kunrtwerke  aus  Mufeen  und  Privatfa-zimlungen  bertimmte  Anbauten  zum 
gröfsten  Theil  noch  für  die  Kunft  der  Gegenwart  in  Befchlag  genommen  werden. 

Der  gefammte  Ausrtellungsplatz  hat  einen  Flächenraum  von  2  '/s  Mill.  Quadrat- 
metern. Die  architektonifchen  Pläne  rühren  von  den  Architekten  Hafenauer, 
Gugitz,  Korompay,  Hinträger,  Weber  her,  welchen  zugleich  die  Bauleitung 
oblag.  Die  Idee  zur  Rotunde  irt  von  Scott  Ruffel-,  die  Berechnungen  und 
Detailconrtructionen  wurden  von  dem  Oberingenieur  Heinrich  Schmidt*)  aus- 
gearbeitet und  in  Harkort's  Eifenwerk  ausgeführt.  Die  Entwürfe  zur  Decoration 
des  Hauptgebäudes  und  des  Kaiserpavillons  machte  Prof.  Storck,  der  fich  jedoch 
in  Folge  principieller  Differenzen  vor  Beendigung  des  Werkes  zurückzog. 

Die  Längen-  und  Breitenverhältniffe  der  Hauptgebäude  find  in  Metern:  In- 
duftriehalle 905  und  205,  Mafchinenhalle  990  und  80,  Kunflhalle  232  und  50.  Das 
Hauptfchiff  hat  25  Mtr.  Breite,  die  Querfchiffe  haben  15  Mtr.  Breite  bei  75  Mtr. 
Länge,  die  Rotunde  einen  Durchmeffer  von  102  und  eine  Höhe  von  79  Mtr. 

Br.  Bucher. 


*)    Vergl.    deffen   Mittheilungen   im   8.  Hefte   des    XXV.  Jahrganges   der    Zeitfchrift  d.    Oesterr. 
Ingenieur-  und  Architcklcn-Vereins,  S.  137.  IT. 


Füllung  von  F.  Schönthaler. 


Die  Ausstellungsbauten. 

Die  Architektur  liat  fich  auf  dreierlei  Art  an  dem  Wiener  Ausftellungswerke 
betheiligt:  in  der  Sammlung  von  Plänen  und  Modellen,  welche  in  den  Räumen 
der  Kunfthalle  und  zum  Theil  in  der  Rotunde  aufgeftellt  find,  entrollt  fich  uns  ein 
umfaffendes  Bild  von  dem  architektonifchen  Schaffen  der  Gegenwart;  weite  Aus- 
blicke auf  die  Baukunft  der  Vergangenheit  und  in  die  bunte  Mannichfaltigkeit 
nationaler  Stylvveifen  gewährt  fodann  die  kleine  VVeltftadt  von  Bauernhäufern, 
Pavillons,  Kiosken,  Brunnen .  und  Heiligthümern ,  welche  rings  durch  den  Park 
verflreut  ift  und  namentlich  im  Gebiete  der  orientalifchen  Architektur  viel  aufser- 
ordentlich  Schönes  und  Lehrreiches  bietet;  endlich  ift  es  die  glänzende  architek- 
tonifche  Improvifation  der  Hauptgebäude  felbft,  welche  unfer  Intereffe  in  Anfpruch 
nimmt,  —  und  von  diefer  foll  hier  zunächft  die  Rede  fein. 

Eine  Improvifation  ift  es,  und  infofern  allerdings  von  vornherein  das  Gegen- 
theil  deffen,  was  die  Architektur,  diefe  Mutterkunft  alles  Monumentalen,  in  erfter 
Linie  zu  leiften  berufen  ift;  aber  zugleich  eine  Schöpfung,  die  uns  durch  die 
Würde  ihrer  Plrfcheinung,  durch  die  feierliche  Grofsartigkeit  ihrer  architektonifchen 
Prologe  den  ephemeren  Charakter  der  ganzen  Schaufteilung  vergeffen  machen 
kann:  eine  Verbindung  von  Vorübergehendem  und  Bleibendem,  eine  Umhüllung 
des  Modernften,  das  von  dem  Gebote  der  Nützlichkeit  aus  dem  fpröden  Eifen- 
ftoff  der  Conftruction  erzeugt  worden,  mit  den  Formen  einer  altehrwürdigen 
Triumphal-Baukunft. 

Bei  ihrem  Entftehen  hielten  die  Weltausftellungen ,  diefe  charakteriftifchen 
Lebensäufserungen  der  Gegenwart,  auch  in  ihrer  äufseren  Erfcheinung  das  eigen- 
thümliche  Gepräge  der  Neuzeit  feft.  Das  Eifen-Glashaus  war  die  erfte  Form 
der  Weltausftellungs -Architektur.  England  ift  feine  Geburtsftätte ;  die  Kryftall- 
paläfte  von  Sydenham  und  München  find  feine  Hauptbeifpiele.  Ein  Stolz  der 
Mechanik,  ein  allumfaffender  Mikrokosmus,  kühn,  licht  und  freundlich  in  feiner 
Erfcheinung,,  ift  diele  erfte  Form  des  Ausftellungsgebäudes  ein  treues  Spiegelbild 
der  menfchenfreundlichen  Gedanken,  welche  jene  erften  friedlichen  Wettkämpfe 
der  Nationen  in's  Leben  riefen. 

In  Frankreich,  und  zwar  fchon  bei  der  Ausftellung  des  Jahres  1855,  nahm 
das  Ausftellungswefen  einen  ftark  egoiftifchen  Charakter  an,  zugleich  aber  machte 
fich  ein  Zug  zu  künftlerifcher  und  monumentaler  Umgeftaltung  des  Paxton'fchen 
Eifen-Glaspalaftes  geltend.  So  entftand  der  Ausftellungsbau  der  Champs  p^lyfdes 
von  Vieile,   ein  in  feinen  Umfaffungswänden  aus  Werkfteinen   aufgeführtes  Ge- 


16 


DIE  AUSSTELLUNGSBAUTEN. 


Sopraporte  von  F.  Schönthaler. 

bäude ,  das  nur  in  den  Bedachungen  der  modernen  Eifen-Conftruction  Raum  liefs 
und  in  deffen  gefchwungenen  Dächern,  welche  unterwärts  aus  Zink,  oberwärts 
aus  Glas  hergeftellt  find,  die  traditionellen  Formen  der  franzöfifchen  Architektur 
fich  in  charakteriflifcher  Weife  geltend  machen. 

Der  Ausftellungspalaft  des  Jahres  1867,  das  grofse  Welt-Ei  des  Champ  de 
Mars,  brachte  keinen  weiteren  Fortfehritt  auf  diefer  Bahn.  Nur  das  Eine  mufs  als 
ein  fchöner,  theoretifch  genommen  wahrhaft  genialer  Gedanke  ftets  anerkannt 
bleiben,  dafs  die  Franzofen  damals  durch  die  concentrifche  Anordnung  der 
Arbeitsgruppen,  vom  Rohproduct  angefangen  bis  zur  Kunft,  diefer  letzteren  die 
ihr  im  Gefammtgebiete  der  menfchlichen  Thätigkeit  gebührende  centrale  Stel- 
lung auch  räumlich  angewiefen  hatten.  Die  Kunft,  als  die  höchfte  Blüthe  der 
Civilifation,  im  Herzen  der  ganzen  Anlage:  das  war  das  Neue  und  unübertrefflich 
Gute  in  der  Dispofition  des  Weltausftellungsgebäudes  von  1867.  Architektonifch 
bedeutend  war  freilich  fonft  diefe  Anlage  nicht ;  fie  hatte  überhaupt  weniger  prak- 
tifchen  als  idealen  Werth;  es  lag  ihr  mehr  eine  doctrinäre  Abftraction  als  ein 
eigentlich  künftlerifcher  Gedanke  zu  Grunde,  und  das  Aeufsere  vollends  erhob 
fich  nicht  über  den  Eindruck  unzählbarer,  kreisförmig  neben  einander  geordneter 
Welt-Jahrmarktsbuden  *). 


*)  Den  vielen  nachträglichen  Verhimmelnngen  der  Parifer  Anlage  gegenüber  mag  es  nicht  über, 
flüffig  fein,  hier  an  das  Urtheil  eines  franzöfifchen  Autors  über  den  Ausflellungspaltift  von  1867  zu  er- 
innern: „Palais?  Est-ce  bien  le  nom  qn'il  faut  donner  h  cette  vaste  construction  qui  enferme  dans  son 
enceinte  les  plus  nombreuses  cr^ations  de  l'art  et  de  l'indnstric  qui  aient  jamais  6t^  rassembl^es  dans 
un  m^me  lieu?  Non,  si  ce  mot  de  palais  impliquc  n^cessairement  l'id^e  de  la  beautf,  deT^Mganceou 
de  la  majest^.  Elle  n'esf  ni  belle,  ni  ^l^gante,  ni  m^me  grandiose,  cette  masse  faite  de  fer  et  de  bri- 
ques,  dont  le  regard  ne  saurait  embrasser  l'ensemble;  eile  est  lourde,  eile  est  basse,  eile  est  vulgaire." 
Kaenipfen,  P.iris  Guide,  11,    2007. 


DIE  AUSSTELLUNGSBAUTEN. 


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Diadem  von  Köchert  &  Sohn  in  Wien  nach  Entwurf  von  Th.  v.  Hänfen. 


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Ohrring  und  Collier  von  Köchert  &  Sohn  in  Wien  nach  Entwurf  von  Th.  v.  Hänfen. 


DIE  AUSSTELLUNGSBAUTEN. 


Welche  Stellung  nimmt  nun  unfer  Weltausftellungs-Palaft,  zunächft  im  Gan- 
zen und  Grofsen  angefehen,  zu  den  gefchilderten  Vorgängern  ein?  Es  läfst  fich 
in    der  Gefammtanlage    kein    gröfserer  Gegenfatz   denken,    als  der  Wiener  Aus- 

ftellungsraum  gegenüber  dem  letzten 
Parifer  ihn  darbietet.  Statt  des  ge- 
fchloffenen  Oblongums  mit  feiner 
ftreng  normalen  Circulation  finden 
wir  hier  ein  vielgliedriges,  mannigfach 
bewegliches  Ganzes,  die  fchärffte 
Trennung  von  Mafchinenwefen  und 
Ackerbau,  von  Induftrie  und  Kunfl, 
und  innerhalb  der  vereinzelt  flehen- 
den Gebäude,  welche  diefen  Haupt- 
arten der  Production  gewidmet  find, 
wieder  eine  flrenge  Sonderung  der 
Staaten  und  Nationalitäten.  Theore- 
tifch  betrachtet,  ifl  diefe  Zerklüftung 
zweifellos  ein  Rückfehritt,  die  ifolirte 
Lage  der  Kunfthalle  befonders,  fern 
abfeits  an  den  ftillen  Ufern  des  Heu- 
ftadelwaffers ,  zum  wenigften  keine 
Bequemlichkeit  für  den  Kunftfreund. 
Andererfeits  wollen  wir  uns  freilich 
auch  den  praktifchen  Vorzügen  nicht 
verfchliefsen,  welche  das  bekanntlich 
einem  Projekte  des  verflorbenen  van 
der  Null  entlehnte  „Fifchgräten- 
Syftem"  namentlich  für  die  bequeme 
Inftallation  der  Ausftellungs  -  Gegen- 
ftände  und  für  eine  fehr  ausgiebige 
Erweiterung  der  Räumhchkeiten  dar- 
bietet. 

Doch  auf  diefen  und  anderen 
praktifchen  Dingen  beruht  die  Eigen- 
thümlichkeit  der  Wiener  Ausftellungs- 
bauten  nicht.  Ihr  Charakter,  ihr  Vor- 
zug ift  künftlerifchcr  Art;  dafs 
der  leitende  Architekt  der  Wiener 
Ausftellung,  dafs  Hafenauer  und 
feine  tüchtigen  Genoffen  Gugitz, 
Korompay,  Storck,  Feldfcha- 
rek,  Weber,  Graff  oder  wer  fonfl 
noch  an  der  architektonifchen  Aus- 
ftattung  des  Ganzen  Antheil  hat  —  dafs  fie  dem  Werke  den  Stempel  heiterer 
Schönheit  und  impofanter  Gröfse  aufzudrücken  verftanden  haben,  darin  erblicken 


Notenpult  des  Wiener  Mäniier-Gefang-Vereins 

in  Ebenholz,  Elfenbein  und   Bronze, 

von  F.  Schönthaler  In  Wien. 


DIE  AUSSTELLUNGSBAUTEN. 


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wir  die  höchftc  und  für  uns  erfreulichfte  Eigenfchaft,  durch  welche  fich  das  grofse 
Wiener  Unternehmen  auszeichnet. 

Allerdings  hat  den  Kern  des  Ganzen  wieder  der  englifche  Geifl  gefchafifen. 
Die  Rotunde,  die  Conception  Scott-Ruf fel's,  ifl;  in  ihrer  alles  bisher  Dagewefene 
kühn  überflügelnden  Grofsartigkeit  eine  Leiftiing,  die  vor  Allem  als  Riefenvverk 
der  Eifenconflruction  und  Technik  Bewunderung  verdient  und  als  ein  für  fich  be- 
ftehendes  Ganzes  gewürdigt  werden  will.  Die  Verbindung  diefes  Einheitlichen 
mit  dem  vielgetheilten ,  polypenartig  beweglichen  Fifchgräten-Syftem,  die  künft-, 
lerifche  Löfung  der  damit  gegebenen  Widerfprüche,  die  Erfindung  einer  Archi- 
tekturform, die  auf  den  Riefenbau  im  Innern  fchon  gleich  am  Eingange  vor- 
bereitet: das  war  die  Aufgabe,  welche  dem  Architekten  der  Weltausflellung  ge- 
fleht war,  und  er  hat  fie  in  überrafchcnd  glücklicher  Weife  gelöfl. 

Den  Centralraum  der  Rotunde  läfst  er  durch  mächtige  Arcaden  auf  fchlanken 
Säulen  mit  aufgefetztem  Gebälkftück  fich  gegen  die  Seitenfchiffe  öffnen.  Der 
ftolze  Rhythmus  diefer  Arcaden  durchtönt  wie  ein  ernftes  Mahnwort  der  Archi- 
tektur die  luftigen,  reizvoll  gefchmückten  Hallen.  Nicht  minder  gewaltig  ftellen 
fich  die  Portalbauten  dar  mit  ihren  tief  einfpringenden,  gleichfam  zum  lüntritt 
einladenden  Nifchen,  ihren  fegmentförmigen,  den  Dächern  des  Induftriepalafles 
entfprechenden  Abfchlüffen  und  den  Paaren  römifcher  Säulen,  die,  auf  hohe 
Sockel  geftellt,  zu  beiden  Seiten  die  weitausladenden  Gebälke  ftützen.  Das  füd- 
liche  Eingangs-Portal,  der  Haupt-Eingang  in  den  Induftriepalaft,  hat  die  Grund- 
form eines  römifchen  Triumphbogens,  an  deffen  Attika  wieder  jene  Segmentform 
der  Dachabfchlüffe  decorativ  zu  Tage  tritt,  und  der  fich  in  einpm  grofsen,  ton- 
nengewölbten und  caffettirten  Durchgange  gegen  die  Vorhalle  der  Rotunde  öffnet. 
Von  den  beiden  l'ortalen  der  Schmalfeiten  haben  wir  das  örtliche  auf  Seite  5 
abgebildet.  Die  Pxkpunkte  der  Anlage  find  durch  etwas  gedrückt  erfcheinende 
Pavillons  mit  breiten  Kuppeldächern  im  Louvreflyl  markirt,  welche  an  der  Haupt- 
frontc  mittelfl  luftiger  Arcadenhallen  in  Verbindung  flehen.  Das  Motiv  der 
grofsen  Arcaden  des  Innern  wiederholt  fich  hier  im  Kleinen,  und  befonders  in 
ihrer  Anlehnung  an  die  grofsartigen  P'ornien  des  Triumphal -Thores  bilden  diefe 
zierlichen,  rechts  und  links  verlaufenden  Bogengänge  einen  der  anmuthigflen 
Züge  in  der  Geflaltung  des  Aeufsern.   — 

Die  Eormenfprache,  deren  fich  die  Urheber  der  Ausflellungsbauten  bedient 
haben,  ifl  kein  reines  Idiom;  wo  fpräche  man  heutigentags  auch  noch  ein  folches? 
Aber  ein  allen  gemeinfamcr  Grundcharakter  läfst  fich  doch  gleich  erkennen:  es 
ift  der  der  Spatrenaiffance  von  zum  Thcil  italienifcher,  vorwiegend  aber  franzö- 
fifchcr  P'ärbung. 

Man  .weifs,  dafs  verwandte  Tendenzen  fich  in  letzter  Zeit  in  Wien,  wie  ander- 
wärts, häufig  Geltung  verfchafft  haben.  Neben  der  ftrengen  hellenifchen  und  der 
neuerdings  auf  den  Schild  gehobenen  deutfchen  Renaiffance  findet  die  Baukunfl 
der  l^arockzeit,  namentlich  in  unfern  grofsen  Zinshäufern  -und  Paläflen,  flets 
wachfenden  Raum  und  Anklang.  Dafs  die  Bauten  jener  lange  fo  verächtlich  an- 
gefehenen  „Zopfzeit"  jetzt  von  Praktikern  wie  von  Theoretikern  wieder  eifrig 
rtudirt  und  in  ihrer  hiflorifchen  und  künfllerifchen  Bedeutung,  gewürdigt  werden, 
ifl  nur   ein  Beweis   mehr  für  die  Rückkehr  des  „Gefchmackes"  zu  den  Anfchau- 


20 


Kaifuiicrvice  ;   Flafchc,  \N  . 


\\viuL,i.i.-,     »v-'ii     l.uÜliicVr     Ui     Wien. 


22 


DIE  AUSSTELLUNGSBAUTEN. 


ungen  unferer  Altvordern  mit  Haarbeutel  und  Allonge -Perrücke.  Und  es  wäre 
nicht  fchwer,  auch  auf  den  Gebieten  der  Plaflik  und  Malerei,  fowic  in  den  ver- 
fchiedcnften  Zweigen  der  gewerblichen  Künfle  das  Vorhandenfein  analoger  Be- 
ftrebungen'  aufzuweifen,  deren  Ziele  man  im  Einzelnen  verwerflich  finden  mag, 
deren  Exiflenz  jedoch  eine  unabweisbare  Thatfache  ifl;. 

Um  bei  der  Architektur  flehen  zu  bleiben:  fo  hat  die  Schule  und  hat  jede 
piiriftifche  Baugefinnung  zweifellos  ganz  Recht,  fich  diefen  Tendenzen  gegenüber 
ablehnend  zu  verhalten.  Man  gebe  der  Spät-Renaiffance  die  Herrfchaft  über  die 
Bildung  der  architcktonifchen  Jugend  in  die  Hand,  und  wir  werden  in  kürzefler 
Frifl  bei  der  abfoluten  Rohheit  und  völligen  lüitnationalifirung  angelangt  lein! 
Anders  ifl  die  Sache,  wenn  man  die  fpecielle  Aufgabe  in's  Auge  fafst,  welche  dem 
Architekten  unferer  Weltausflcllungsbauten  geftellt  war.  Hier,  bei  der  Geflaltung 
von  Räumen,  die  dem  Geifle  der  ganzen  Menfchheit  und  dem  Triumphe  der 
Arbeit  geweiht  find,  hier  galt  es,  Maffen  von  gewaltiger  Ausdehnung  fchnell  in 
ein  architektonifches  Feflgewand  zu  hüllen,  welches  den  Eindruck  weltmännifcher 
Eleganz  und  würdiger  Pracht  ausüben  und  zugleich  den  freundlichen  Parkanlagen 
und  landfchaftlichen  Umgebungen  fich  heiter  und  gefällig  anfchmiegen  follte. 
Und  gerade  für  die  Löfung  diefer  Aufgabe  bcfitzt  der  gewählte  Styl  in  der  gran- 
diofen  Rhythmik  feiner  auf  römifcher  Grundlage  beruhenden  Maffengliederung, 
in  den  kuppclförmigen,  fchön  gefchwungenen  I^achabfchlüffen  und'  in  feiner  zwar 
fpielenden  und  äufscrlichcn,  aber  defshalb  nicht  minder  anmuthigen  Ornamentik 
iMgenfchaften,  wie  fie  kaum  irgendwo  fonfl  fich  günfliger  beifammen  finden  laffen. 
Der  gefchickte  Anfchlufs  an  das  Beflichende,  allgemein  Verfiändliche  und  Ge- 
fällige war  wenigflens  in  diefem  Falle  gewifs  richtiger  als  ein  etwaiger  Verfuch, 
etwas  ganz  Abfonderliches ,  Neues  oder  Nationales  zu  fchaffen ,  wie  es  uns  z.  B. 
in  den  unglückfeligen  deutfchen  Annexen  und  Pavillons  zur  allgemeinen  Ver- 
wunderung dargeboten  wird.  Wer  von  diefen  kleinlichen,  halb  im  Vogelbauer-, 
halb  im  Fafsbinderflyl  gehaltenen,  barbarifch  bemalten  Holzfchuppen  der  Archi- 
tekten Ky  11  mann  und  Hey  den  zu  den  Ilauptbauten  des  Ausflellungsraumes 
emporfchaut,  wird  zugeben  muffen,  dafs  er  hier  —  bei  manchem  Zopfigen  und 
Flüchtigen  im  Detail  —  denn  doch  eine  wirkliche  Architektur  vor  fich  hat, 
die  fich  vor  der  Welt  (ehen  laffen  kann. 

Zum  Einzelnen  übergehend,  werfen  wir  zunächfl  einen  Blick  auf  die  zier- 
lichen gedeckten  Gänge,  welche  das  lungangs-Portal  an  der  Haupt-Allee  mit  den 
Ausftellungsbauten  in  Verbindung  fetzen.  Dies  .find  • — ■  im  geraden  Gegenfatze 
gegen  jene  Anlagen  der  Berliner  Architekten  —  wahre  Mufler  eines  an  das 
Material  flirenge  gebundenen  und  doch  künftlcrifch  veredelten  Holzbauflyles. 
Befonders  gelungen,  abgefehen  von  dem  etwas  überreich  verzierten  Haupteingange, 
finden  wir  die  Pxkpavillons  und  die  dreigetheilten  Durchfahrten  der  „Avenue 
Elifabeth". 

Der  Urheber  diefer  Holzbauten,  Herr  Architekt  Gugitz,  hat  auch  an  dem 
Bau  des  Kaifer-Pavillons  das  Hauptverdienfl.  Wie  bereits  bemerkt;  haben  die 
erften  Firmen  der  Wiener  Kunflinduftrie  fich  vereinigt,  um  diefe  für  den  kaifer- 
lichen  Hof  beflinimten  Räume  mit  den  Koftbarkeiten  ihrer  Production  zu  fchmü- 
cken.    Das  architektonifche  Gehäufe  ifl  des  prächtigen  Inhalts  würdig.   Es  flellt  fich 


DIE  AUSSTELLUNGSBAUTEN.  23 


als  ein  einftöckiger  Bau  mit  erhöhter  Mittelhalle  und  niedrigen  Eck-Pavillons  dar, 
welche,  wie  der  Mittelbau,  flach  gewölbte,  mit  Sculpturen  gefchmückte  Louvre- 
üacher  tragen.  Die  fchräg  gegen  das  Süd-Portal  des  Induftrie-Palafles  gekehrte 
Vorderfeite  ifl  im  Ganzen  einfach  gehalten;  nur  den  Mittelbau  zeichnet  ein  vier- 
fäuliger  korinthifcher  Porticus  aus.  Reicher  und  gefälliger,  dem  Charakter  des 
Garten-Pavillons  entfprechend ,  ift  die  Architektur  der  Rückfeite.  Hier  tritt  an 
Stelle  des  Porticus  eine  tiefe,  von  vorfpringenden  Wandpfeilern  mit  Säulenvor- 
lagen eingefafste  Vorhalle,  an  welche  links  und  rechts  Loggien,  von  gekuppelten 
toscanifchen  Säulen  geflützt,  fich  anfchliefsen.  Durch  diefe  Loggiengänge  gelangt 
man  aus  der  Vorhalle  links  in  die  Salons  der  Erzherzoge  und  Erzherzoginnen, 
rechts  in  die  für  die  Suite  beftimmten  Gemächer,  während  der  Haupteingang 
direct  in .  den  grofsen  Mittelfaal  und  von  dort  in  die  anfl:ofsenden  Salons  des 
Kaifers  und  der  Kaiferin  führt.  Das  fatte  Roth  der  Hallenwände  mit  ihren  matt- 
gelben Pilaflern  belebt  den  freundlichen  Anblick  des  Gebäudes  von  der  Garten- 
feite noch  mehr.  In  der  Mittelhalle,  deren  Fufsboden  ein  etwas  zu  helles  und 
buntes  Glasmofaik  von  Salviati  ziert,  find  die  Wände  oben  von  einem  in  pom- 
pejanifchem  Styl  ausgeführten  Friefe  umzogen.  Die  Decke  fchmückt  ein  alle- 
gorifches  Gemälde  von  Karl  Schönbrunner,  das  zwar  nicht  uneingefchränktes 
Lob  verdient,  aber  dem  gefpreizten,  fleckig  und  branflig  colorirten  Bilde  von 
Boutibonne  an  der  Decke  des  Hauptfaales  weit  überlegen  ift.  Das  Decken- 
gemälde im  Salon  der  Kaiferin  und  die  reizenden  Grottesken  an  den  Thüren 
diefes  Gemaches  rühren  von  Profeffor  Sturm  her. 

Die  decorative  Ausftattung  und  Einrichtung  fämmtlicher  Räume  ift  von  Pro- 
feffor Jofef  Storck  entworfen;  Giani,  Haas,  Lobmeyr,  Faber  und  Dam- 
böck,  Paulik  und  Schröffel,  Bühlmayer,  Ifella,  Franzini,  Vanni  und 
Andere  haben  in  der  Ausführung  der  koftbaren  Gewebe,  Möbel,  Kamine  und 
Prachtgeräthe  mit  einander  gewetteifert  und  ein  Enfemble  von  fo  ftylvoller  und 
gediegener  Pracht  gefchaffen,  wie  es  wohl  kaum  jemals  in  neuerer  Zeit  für  einen 
vorübergehenden  Zweck  in  diefer  Vollendung  hergeftellt  worden  ift.  Wir  über- 
laffen  die  Würdigung  des  Einzelnen  unferm  Berichterftatter  über  die  Kunftin- 
duftrie,  glauben  aber  demfelben  nicht  vorzugreifen,  wenn  wir  den  bedeutenden 
Auffchwung,  den  das  öfterreichifche  Kunftgewerbe  in  den  letzten  Jahren  genom- 
men hat,  fchon  nach  tliefen  dem  Kaiferfalon  gewidmeten  Arbeiten  mit  Freude 
conftatiren. 

Das  Gegenftück  zu  dem  Kaifer- Pavillon  bildet  der  Jury- Pavillon,  ein  Werk 
des  Architekten  Feldfcharek,  der  auch  bei  manchen  der  übrigen  Ausftellung.s- 
bauten  dem  Chef-Architekten  zur  Seite  ftand  und  in  dem  zierlichen  Bau,  der  den 
Sitzungen  der  Preisrichter  gewidmet  war,  eine  fchöne  Probe  feines  Talents  ab- 
gelegt hat.  Die  Gefainmt-Dispofition  ift  der  des  Kaifer -Pavillons  verwandt,  nur 
dafs  der  Mittelbau,  der  den  grofsen  Verfammlungsfaal  umfafst,  beim  Jury-Pavillon 
zweiftöckig  angelegt  ift  und  die  offenen  Säulengänge,  welche  hier  wie  dort  die 
Rückfeite  beleben,  fich  auch  um  den  halbrunden  Abfchlufs  des  Saalbaues  herum- 
ziehen. Die  Dächer  haben,  dem  fchlichteren  Charakter  des  Ganzen  angemeffen, 
die  geftutzte  Pyramidenform.  Unter  den  mit  Mafs  und  feinem  Gefchmack  an- 
gewendeten Ornament  finden  befonders  die  fchönen  Eifengitter  der  Portale  (f.  die 


26 


DIE  AUSSTELLUNGSBAUTEN. 


Atlas,  hellgelb  mit  hellblauem  Mufter,  von  Phil.  Haas  &  Söhne  in  Wien. 


Abbildung,    S.   13)    und   die   theils    in   Stuck    ausgeführten,    theils   in    fchlichtem 
Grau  und  Braun  gemalten  Details  der  Decke  des  Hauptfaales  hervorzuheben. 

Auf  die  Architektur  der  Kunfthalle  hat  llafenauer  wohl  mit  Abficht  am 
wenigften  Kunfl  verwendet.  Während  fich  die  beiden  im  rechten  Winkel  vor- 
gefchobenen  Pavillons  (der  Amateurs  und  der  Mufeen,  ihrer  urfprünglichen  Be- 
ftimmung  nach)  ftattlicher  Säulenvorhallen-  und  hoher  Freitreppen  erfreuen  und 
während  fich  dadurch  im  Rücken  de.s  Hauptgebäudes  ein  von  Per  fiel's  reich 
gefchmücktem  Ziegel-Portal  von  Often  her  zugänglicher  „Kunflhof"  bildet,  ifl  die 
weftliche  Fronte  des  Kunflausftellungsgebäudes  nüchtern  und  faft  ganz  fchmuck- 
los   gehalten.     Lang   und   niedrig   ziehen   fich   die   durch  grofse  Fenfter  und  eine 


DIE  AUSSTELLUNGSBAUTEN. 


27 


Atlas,  olivenfarbig  mit  broiicirkm  Durchfchufs,  von   Tliil.   Haas   &  Sölme  in  Wien. 


Reihe  fchlichter  Pilafter  gegliederten  Mauern  hin,  und  weder  die  Ffeilerhalle  des 
Mittelbaues  noch  die  abfchliefsenden  Quertracte  mit  den  Seitenportalen  bringen 
irgend  ein  bedeutfames  künftlerifches  Element  in  die  etwas  langweilig  drein- 
fchauende  Maffe.  Um  fo  mehr  Studium  und  Berechnung  ift  auf  das  Innere  ver- 
wendet. Die  Anlage  der  Räumlichkeiten  in  Bezug  auf  Gröfsenverhältniffe  und 
Licht-Dispofition  ift  das  Refultat  eingehender  vergleichender  Studien  und  Experi- 
mente. Was  wir  hier  vor  uns  haben,  wird  beim  Neubau  der  kaiferlichen  Ge- 
mäldegalerie, deren  Fundamente  bereits  aus  dem  Boden  hervorfteigen ,  in  allem 
Wefentlichen  übereinflimmend  zur  Ausftihrunt/  "clantjen.  Der  Bau  der  Kunft- 
halle  hat  infofern  fchon  als  folcher  für  Wien  eine  mehr  als  vorübergehende  Be- 
deutung, und  es  wäre  fehr  zu  wünfchen,  dafs  die  Erfahrungen,  die  man  bei  der 
Generalprobe  auf  dem  Weltausftellungsplatze  macht,  noch  für  die  „Feft"-Auf- 
führung  vor  dem  Burgthor  verwerthet  werden  könnten.  Ohne  uns  in  technifche 
Detailfragen  einlaffen   zu   wollen,   darf  doch   fo   viel   wohl   fchon  jetzt  conftatirt 


28 


DIE  AUSSTELLUNGSBAUTEN. 


werden,  dafs  das  Oberlicht  auch  in  der  hier  vorliegenden,  mit  aller  Sorgfalt  ab- 
gewogenen Conftruction  dem  Scitenlicht  in  jeder  Hinficht  nachzuflellen  ifl. 

Das  Seitenlicht  bleibt  nun  einmal  das  natürliche  Licht  für  Innenränme, 
das  Licht,  bei  dem  die  meiften  Bilder  gemalt,  auf  das  fie  geftimmt  find.  Alfo, 
je  mehr  Räume  mit  Seitenlicht,  deflo  beffer  die  Galerie!  Oberlichträume  da- 
gegen nur  ausnahmswcife  für  Bilder  gröfsten  Formates  und  folche,  die  als  Deco- 


rationen von  l'rachtfälen  gedacht, 


mehr  auf  das  Zufammengehen  mit  der  Archi- 


Teller  zu  dem  Kriiye  von   SKltzer  in   Eifenach  auf  S.  2g. 


tektur  als  auf  eme  fpeciclle  Bildvvirkung  berechnet  find!  Legt  man  diefen  Mafs- 
flab  an  die  Gcmäldefatiimlung  der  Kunflhalle  an,  fo  ergibt  fich,  dafs  hier  viel  zu 
viel  Oberlichtfäle  und  zu  wenig  Räume  mit  Seitenlicht  vorhanden  find.  Die  um- 
fangreichen Hiftorienbilder  laffen  fich  zählen  —  das  konnte  man  im  voraus 
wiffcn  —  dagegen  find  Genrebilder,  Landfchaften  und  andere  Cabinetflücke, 
wie  gewöhnlich,  zu  Hunderten  da,  die  nun  wohl  oder  übel  in  das  grofse  Treib- 
haus hinein  muffen,  in  dcffen  profaifch  gleichmäfsigem  und  doch  zerftreuend 
wirkendem  Licht  fie  rettungslos  zu  Grunde  gehen.  Wohlthuend  und  überficht- 
lich,  ein  förderndes  Element  künftlerifcher  Bildung  ifl  eine  Gemäldefamnilung  nur 
dann,  wenn  fie  das  Gleichartige  und  harmonifch  Zufammenftimmende  in  be- 
fchränktem    Räume    darbietet,    wie    dies    z.   B.    Schinkel's    claffifche    Berliner 


DIE  AUSSTELLUNGSBAUTEN. 


29 


Krug,  helKveifse  Thunfarbe  mit    lUaii,  Roth 
imd  etwas  Schwarz,  von  Sältzer  in  Eifciiacli. 


Krug,  nach  einer  Zeichnung  von'Widnmann  miKlclHrt 
von  M.  Spiefs.    Fabrik  des  Grafen  Thun  in  Klöftcrle. 


Galerie  in  ihrer  urfprünf^lichen  Anordnung  that.  Eine  Reihe  grofser  Oberlichtfäle 
mit  fchichtenweife  übereinander  geordneten  Maffen  vorwiegend  kleinerer,  ja  zum 
Theil  duodezförmiger  Bilder  mufs  auch  bei  der  fonfl  gofchmackvoUften  Auf- 
ftellung  den  Sinn  eher  verwirren  als  bilden,  das  Auge  ermüden,  ftatt  es  zu  er- 
quicken. 

Ich  wende  mich  zum  Schlufs  dem  Hauptgebäude  der  Induftrichalle  zu,  um 
dem  Kerne  des  Ganzen,  der  Rotunde,  noch  einige  Worte  zu  widmen.  Wir 
fchreiten   unter  dem   gewaltigen   caffettirten  Tonnengewölbe  des  Südportals  und 


30 


DIE  AUSSTELLUNGSBAUTEN. 


Mufter  aus   der  Bobbincl-  und  .Sinlzcn-Fabrik  von  M.  Faber  &  Co.  in  Wien, 


durch  die  grofsartige  Ausftellung  der  Firma  Haas  und  Söhne  hindurch  und  wer- 
den dann  fofort  des  riefigen  Zeltdaches  der  Rotunde  anfichtig,  das  auf  einer 
fchlanken,  rundbogig  verbundenen  l'feilerflellung  ruhend,  den  kreisförmigen,  von 
einem  breiten  Umgang  cingefafsten  Raum  übcrfpannt.  Die  architektonifche 
Decoration  diefer  Pfeilerarcaden  ift  ebenfo  reizvoll  wie  impofant;  bcfonders  fchön 
find  die  von  C.  Graff  gezeichneten  vergoldeten  Eifengitter  vor  den  Lichtöfif- 
nungen  der  Treppenpfeiler  (f.  die  Abbildung,  S.  12).    Nur  ein  Punkt  des  Innern  der 


DIE  AUSSTELLUNGSBAUTEN. 


31 


iil 


.Muflci-  all.-,   ilci-  llui,!,! 


uiiil  Siui/eii-l'abrik  von   .M.   l-.üjLr  v^'  Co.  in  Wien. 


Rotunde,  von  deren  Conftruction  als  folcher  ich  ganz  abfehen  will,  ift  in  unbe- 
greiflicher Weife  roh  gelaflen:  der  Uebergang  von  dem  Gefims  der  Pfeilerftellung 
zu  der  Zeltform  des  ]3aclies.  Die  Pfeilerftellung  trägt  eine  Galerie  mit  dürftigem 
Eifengitter.  Das  Zeltmotiv  läuft  unten  in  einen  grofsen,  goldfarbig  bemalten 
Rundflab  aus.  Dazwifchen  aber,  im  Rücken  der  Galerie,  klafft  eine  weite  Lücke, 
in  der  die  gebogenen  Träger  der  radialen  eifernen  Dachbalken  in  häfslicher 
Nacktheit  zu  Tage  treten.   Dafs  dem  feinen  Auge  des  leitenden  Architekten  diefe 


32 


DIE  AUSSTELLUNGSBAUTEN. 


Andromoda. 
Marmorßgur  von  Edmund  Ilcllnier. 


wunde  Stelle  entgangen  fein  follte,  läfst  fich  kaum  denken.  Es  wird  wohl  irgend- 
wo anders  gefehlt  haben,  als  man  im  Drange  der  Begebenheiten  an  die  architek- 
tonifche  Decoration  der  Rotunde  kam. 

C.  V.  Lütcaw. 


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Sammet- Bordüre  von  Drächsler  in  Wien. 


Aeussere  und  innere  Decoration  der  Ausstellungsbauten. 

Des  fchönften  Schmuckes,  deffen  fich  die  Gefammtanlage  der  Wiener  Welt- 
ausftellung  rühmen  kann,  der  herrlichen  Praterauen  mit  ihren  ehrwürdigen  Baum- 
gruppen, ift  bereits  bei  der  Befchreibung  des  Ausftelkmgspalaües  Erwähnung  ge- 
fchehen.  Unvergeffen  bleibe  dabei  aber  auch  das  Verdienfl;  des  Gartenkünfllers 
und  Architekten,  durch  welche  diefes  malerifch  verfchlungene  grüne  Band  mit 
der  fymmetrifch  angeordneten  Gruppe  der  Hauptgebäude  in  Einklang  gebracht 
worden  ift.  —  Gartenkünftlerifche'Leiftungen  von  höherem  Werth  hat  unfere  Zeit 
bekanntlich  nur  fehr  wenige  aufzuweifen;  wir  meinen  folche,  in  denen  die  Archi- 
tektur eine  Rolle  fpielt.  Das  landfchaftliche  Element  hat  in  der  modernen 
Gartenkunft  das  architektonifche  verdrängt,  fogar  aus  derjenigen  Pofition  verdrängt, 
welche  von  Rechtswegen  ftets  die  Domaine  der  Architektur  bleiben  follte,  den 
Parkanlagen  innerhalb  der  Städte.  Gerade  in  diefem  Gebiete,  in  der  Bepflanzung 
von  Plätzen,  in  der  Anlage  von  Squares  werden  heutzutage  die  unglaublichften 
Fehler  begangen,  auch  in  Wien,  das  fich  einer  fo  reichen  und  felbftbewufsten 
Entwicklung  feiner  modernen  Architektur  und  dazu  in  feiner  allernächften  Nähe, 
in  der  Parkanlage  von  Schönbrunn,  eines  fo  claffifchen  Mufters  architektonifcher 
Gartenkunft  rühmen  kann.  Der  Stadtpark  möge  noch  hingehen;  er  liegt  wenig- 
ftens  zum  Theil  am  Ufer  eines  —  freilich  wenig  reizenden  —  Flüfschens  und  ift 
auf  zwei  Seiten  von  Alleen  und  älteren  Gartenanlagen  eingefäumt:  ein  Garten 
zwifchen  Gärten.  Aber  ganz  verkehrt  ift  es,  wenn  man  das  im  Stadtparke  be- 
folgte Princip  nun  auch  auf  den  neuen  Rathhauspark  anwendet  und  hier,  wo  nur 
einige  Reihen  fchattiger  Bäume  mit  fchönen  Springbrunnen  und  E.xedren  am 
Platze  gewefen  wären,  ein  kleinliches  Gewinde  von  Wegen  und  Plätzchen  fich 
ausbreiten  läfst,  das  mit  IMumenbeeten  urKi  Gebüfch  allerdings  recht  zierlich  ge- 
fchmückt  ift,  aber  für  den  rafchen  und  bequemen  Verkehr  weder  die  praktifchen 
Vortheile,  noch  für  den  Luftwandelnden  die  Annehmlichkeiten  darbietet,  wie  die 
fchattige  Kühle  der  Alleen,  vor  Allem  aber  ftyliftifch  an  diefen  Ort  nicht  pafst, 
der  von  drei  monumentalen  Gebäuden  erften  Ranges  begränzt,  der  Mittelpunkt 
des  ftädtifchen  Lebens  im  neuen  Wien  zu  werden  beftimmt  ift. 

Wie  eine  folche  Aufgabe  zu  löfen,  wie  die  Verbindung  von  Gartenkunft  und 
Architektur  herzuftellen  ift,    um  dadurch  einen  wahrhaft  impofanten  Eindruck  zu 


AEUSSERE  UND  INNERE  DECORATION  ETC. 


35 


erzielen,  davon  giebt  nun  eben  der  Park  vor  der  Induftriehalle  ein  beachtens- 
werthes  Beifpiel.  Eine  breite,  von  vier  Baiimreihen  einf^cfafste  Strafse,  die 
„Kaifer-Allee",  verbindet  den  Haupteingang  an  der  Nobelallee  des  Praters  mit 
dem  grofsen  Südportal  des  Induftricpalafles.  Vier  Querwege  und  die  breite 
„Avenue  Elifabeth",  welche  die  „Kaifer-Allee"  und  die  mit  ihr  parallel  lau- 
fenden Wege  durchfchncidcn,  ftcllen  die  Verbindungen  mit  den  gedeckten 
Laubengängen  dar,  welche  den  Platz  rechts  und  links  in  fynimetrifcher  Anord- 
nung umfäumen.  Die  Flächen  zwifchen  den  bekieflen  Wegen  find  mit  eben- 
falls regelmäfsig  angelegten  Baffins,  Fontainen  und  Rafenplätzen  ausgefüllt, 
von  deren  faftigem  Grün  Blumenbeete,  Vafen  und  Statuen  fich  abheben.  Gegen 
das  Hauptgebäude  zu  eröffnet  fich  die  Parkanlage;  einige  Stufen  führen  zu  dem 
Perron  des  Triumphbogens  empor,  vor  dem  nur  gröfseren  ftatuarifchen  Werken 
noch  Raum  gegeben  ifl:,  um  auf  den  Eingang  in  das  Innere  würdig  vorzubereiten. 
So  bleibt  jedem  fein  Recht:  die  Architektur  wird  ifolirt,  foweit  es  nöthig  ifl:,  um 
fie  wirkfam  zu  machen ;  die  Gartenkunft  andererfeits  darf  alle  ihre  Reize  entfalten, 
und  dies  um  fo  freier,  je  weiter  fie  fich  aus  der  Machtfphäre  der  Architektur 
entfernt  und  dem  Walde  nähert,  von  dem  fich  einige  alte  Stammhalter  fogar 
bis  in  die  grünen  Matten  an  den  Baffins  vorgedrängt  haben.  Sie  beleben  die 
Regelmäfsigkeit,  ohne  fie  zu  ftören  und  tragen  -mit  dazu  bei,  den  Charakter 
des  flüchtig  P^ntflandenen  und  Ephemeren,  von  dem  überhaupt  an  der  ganzen 
Anlage  fafl:  nichts  zu  merken  ifl:,  fern  zu  halten. 

Die  Rückfeite  des  Parks,  zwifchen  dem  Induftriepalaft  und  der  Mafchinen- 
halle,  ifl  durch  die  Ueberfülle  der  Annexe,  Pavillons,  Reftaurationen  und  Bauern- 
häufer  aller  Art  um  feine  ganze  Wirkung  gekommen.  Nur  die  Mittelpartie  mit 
Zumbufch's  Maximilian-Denkmal  zwifchen  den  Bauten  des  Deutfchen  Reiches 
bildet  einen  erquicklichen  Ruhepunkt  in  diefer  wirren  Maffe.  Zum  Glück  hat 
man  die  Plätze  vor  und  hinter  der  Kunflhalle  frei  halten  können;  ihre  fchlichten 
Rafenböfchungen  und  Blumenparterres  harmoniren  vortrefflich  mit  dem  anfpruchs- 
los  würdigen  Styl  der  Bauten  des  Kunflliofes.  — 

Nicht  minder  glücklich  als  diefer  natürliche  Schmuck  ifl  die  bildnerifche  und 
malerifche  Decoration  der  Ausflellungsgebäude.  Am  Aeufseren  fiel  der  Plaflik 
die  Hauptaufgabe  zu,  und  die  tüchtigften  Kräfte  der  älteren  und  jüngeren  Bild- 
hauergeneration haben  mit  einander  gewetteifert,  fie  würdig  der  in  Wien  für  die 
decorative  Plaflik  eingebürgerten  Traditionen  zu  löfen. 

Man  weifs,  dafs  in  diefen  Traditionen  bis  auf  die  jüngfte  Zeit  herab,  in  der 
hier  die  Dresdener  und  Münchener  Schule  Boden  gefafst  haben,  die  akademifche 
Antike  im  Sinne  der  älteren  römifchen  Atelierpraxis  der  herrfchende  Styl  ge- 
bliebeTi  ifl.  V.'m  refolutes  Dreingehen  in  oft  etwas  maffige  derbe  Formen,  Schwung 
und  Leben  im  Aufbau  bei  allerdings  meiftens  etwas  oberflächlicher  und  fchab- 
lonenhafter  Behandlung  des  Details :  das  find  die  Vorzüge  und  Mängel  der  Schule, 
die  wir  auch  in  diefen  Arbeiten  wieder  finden.  Im  Ganzen  aber  mufs  zugeflanden 
werden,  dafs  man  den  Werken  die  Kürze  der  Zeit  nicht  anmerkt,  in  der  fie  ent- 
ftanden  find,  und  dafs  die  meiften  von  ihnen  dem  elenden  Gypsmaterial,  aus  dem 
fie  beliehen ,  fogar  zu  viel  Ehre  anthun  und  fehr  wohl  würdig  wären ,  in  einen 
dauerhafteren  Stoff  überfetzt  zu  werden. 


36 


AEUSSKRE  UND  INNERE  DECORATION 


Sudporlal  der  Iiiduruichalle. 


In  den  plaflifchcn  Schmuck  des  Hauptportals  haben  fich  fieben  Künfller  ge- 
theilt.  Von  der  bekrönenden  Coloffalgruppe  von  Vincenz  Pilz  war  fchon  früher 
die  Rede.  Sie  baut  fich  impofant,  in  fchön  gezeichneten  Linien  auf  und  läfst 
auch  auf  die  bedeutende  Ilöhendiftanz  den  Grundgedanken  und  die  Einzehnotive 
der  Geftalten  deutlich  erkennen.  Die  Hauptfigur  der  Auflria,  die  vielleicht  durch 
eine  Kopflänge  mehr  noch  an  Wirkung  gewonnen  haben  würde,  breitet  die  Arme 
aus,  den  Völkern  zum  Willkomm,  die  durch  das  Thor  einziehen;  in  der  Rechten 
hält  fie  den  Kranz  dem  Sieger  im  friedlichen  Wettflreit  entgegen;  neben  ihr  flehen 
zwei  Ruhmesgenien  und  links  und  rechts  von  diefen  find  die  Allegorien  der  Gerech- 
tigkeit und  der  Gcfchichte,  zu  der  Auflria  emporblickend,  auf  Stufen  hingelagert, 
das  Ganze  in  Dreieckform  abfchliefsend.  Die  Attika  darunter  ifl  mit  vier  Wappen- 
fchilder  haltenden  Löwen  von  Zafauk  ausgeftattet ;  den  grofsen,  in  die  Attika 
einfchneidenden  Flachbogen  füllt  in  der  Mitte  em  von  zwei  riefigen  Greifen  ge- 
haltenes gekröntes  Adlerfchild.  Den  reichften  Theil  der  Decoration  aber  bietet 
der  untere  Theil  des  Portals.  Rechts  und  links  zwifchen  den  Säulen  fitzen  in 
giebelbekrönten  Nifchen  die  Allegorien  des  Friedens  und  Wohlftandes  von  Koch; 


DER  AUSSTELLUNGSBAUTEN. 


37 


lii'ii    I 


r    r   7   T— T' 


Majolikabriiiiiieii-liiitwuif  von  Walentin  Tcirich, 
ausgeführt  von  Jer  Wicnerberger  Ziegelfabriks-  und  Uaugervllfchaft. 


38  AEUSSERE  UND  INNERE  DECORATION 


darüber  ziehen  fich  lebendig  componirte  Kinderfriefe  von  dem  feit  einiger  Zeit 
in  Wien  anfäffigen  franzöfifchen  Bildhauer  Deloye  hin;  die  Porträtmedaillons 
des  Kaifers  und  der  Kaifcrin  darüber  arbeitete  Donath;  die  von  fchön  wallenden 
Gewändern  umgebenen  fchwcbcnden  Victorien  der  grofsen  Bogenzwickel  lieferte 
der  Vorftand  der  k.  k.  Erzgiefserei  Pönninger,  und  endlich  ift  auch  noch  das 
Gefims  der  kleineren  Bogenhalle,  welche  in  das  Triumphthor  eingefügt  ift,  mit 
zwei  allegorifchen  Statuen  der  Auftria  und  Hungaria  von  der  Hand  des  talent- 
vollen He  lim  er  gefchmückt. 

Die  drei  übrigen  Portale,  welche  nicht  als  Triumphbogen  charakterifirt  find, 
fondern  oben  in  der  Segmentform  der  Hallendächer  abfchliefsen,  tragen  eine 
nicht  minder  reiche  plaftifche  Decoration,  die  hier,  bei  der  gefchloffeneren  Com- 
pofition  des  Ganzen,  fogar  eine  noch  opulentere  Wirkung  macht.  Die  Höhe  des 
Bogens  ift  am  Nordportal  mit  einer  Allegorie  des  Weltverkehrs  von  Melnitzky 
auHgeftattet,  einer  Gruppe  von  drei  recht  fleifsig  gearbeiteten  weiblichen  P'iguren, 
die  jedoch  weder  im  Rhythmus  der  Linien  noch  in  der  Lebendigkeit  der  Behandlung 
dem  Werke  von  Pilz  gleichkommen.  Viel  gelungener  fuul  die  mächtigen  Atlanten- 
gruppen deffelben  Künftlers  auf  den  Segmentbögen  der  beiden  Seitenportale.  Den 
Greifengeftalten,  welche  die  Giebelecken  zieren,  wäre  etwas  mehrKörper  zu  wünfchen 
gewefen.  Von  den  übrigen  maffenhaften  Details  an  diefen  drei  Portalen  begnügen 
wir  uns,  die  fitzenden  allegorifchen  Nifchenfiguren  von  Preleuthner,  Gaftell 
und  Schmidgruber  namhaft  zu  machen.  Den  beiden  Seitenportalen  leiht  vor- 
nehmlich die  glückliche  Verbindung  von  plaftifchcr  und  malerifcher  Decoration 
einen  grofsen  Reiz.  Die  Malerei  ifl  in  einfachen  bräunlichen  und  gelblichen 
Tönen  gehalten  und  fchmiegt  fich  mit  ihren  Rankengewinden,  Bändern  und 
Feftons  der  Nifchenform  der  Portale  gefällig  an. 

In  den  viel  einfacher  gehaltenen  bildnerifchen  Schmuck  der  Kunfthalle  und 
der  „Pavillons  des  Amateurs"  theilten  fichBenk,  Mitterlechner  undHellmer. 
Von  Erfterem,  "einem  Schüler  Bauer's  und  Hähnel's,  rührt  die  fchöne  allegorifche 
Gruppe  der  drei  Künfte  her  (f  die  Abbildung,  S.  41),  welche  über  den  vier  Ein- 
"äniren  der  Kunfthalle  fich  wiederholt.  Vortrefflich  ftimmen  dazu  die  hübfchen 
wappenhaltenden  Genien  an  den  Ecken,  von  Mitterlechner. 

Ueber  die  minder  gelungenen ,  in  der  Mehrzahl  ganz  decorativ  behandelten 
Sculpturen  am  Kaifer-  und  Jury-Pavillon  eilen  wir  hinweg  und  gedenken  fchliefs- 
lich  nur  mit  zwei  Worten  noch  der  Coloffalgeftalten  an  der  Mafchinenhalle,  Zeus, 
Aeolus,  Pluto  und  Neptun,  von  Silbe rnagel.  Nur  die  beiden  Erftgenannten 
haben  den  rechten  Ort  ihrer  Beftimmung,  auf  dem  Süd-  und  Nord-Giebel  des  Mittel- 
baues der  Halle,  erreicht  und  machen  fich  dort  ganz  impofant  auf  dem  fonft  völlig 
fchmucklos  gehaltenen  Gebäude.  Mit  den  fcheu  gewordenen  Adlern  des  Zeus 
auf  den  Giebelecken  wollen  wir  nicht  zu  ftreng  in's  Gericht  gehen.  Aber  ganz 
verwunderlich  kommen  uns  der  Unterwelts-  und  Meeresgott  vor,  die.  man  —  wir 
wiffen  nicht,  aus  welchem  Grunde  —  nicht  auf  den  beiden  andern  Giebeln,  fon- 
dern aufsen  am  Boden  zur  Seite  des  weftlichen  Eingangs  niedergefetzt  hat,  wo 
fie  fich  in  der  unmittelbaren  Nähe  der  Dampfkrahne  und  fonftigen  Mafchinen- 
ungeheuer  wenig  heimifch  fühlen.  — 

•Das  Aeufsere    der  Ausftellungsbauten    trägt,    als   imitirter  Steinbau,    einen 


DER  AUSSTKLLUNGSBAUTEN. 


•M 


.     Silberner  Tafelauffatz  von  J.   M.  van   Kempen,  Voorfchoten  in  Südhullanci. 


durchaus  monumentalen  Charakter.  Hier  war  daher  die  Plaftik  in  erfter  Linie 
zur  Decoration  berufen.  Die  ornamentale  Malerei  orcinetc  fich  ihr  unter  und  tritt 
nur  an  einigen  Stellen,  wie  z.  ]J.  in  den  Nifchenwölbungen  der  Seitenportale,  in  den 
Vorhallen  des  Kunfthofes  und  an  den  Langwänden  der  Induflrieh.ille  in  zarten, 
nach  Art  des  Sgraffito  behandelten  Muflern  helfend  ein,  um  die  Gefimsbänder 
und  I'ilafter   anmuthig   zu   beleben.     Ganz  anders  ifl:  die  Sache  im  Innern.     Hier 


40 


AEUSSERE  UND  INNERE  DECORATION  ETC. 


Rhein,  Main,  Neckar  und  Mofel.    Gruppe  von  Villebois  in  München. 

galt  es,  den  Charakter  der  Eifen-  und  Holzconftruction  als  folchcn  zu  wahren 
und  ihm  doch,  durch  eine  gefällige  Decoration,  die  Sprödigkeit  zu  benehmen  und 
einen  künfllerifchen  Reiz  zu  verleihen.  Prof.  Jofef  Storck,  der  feinfmnige  Er- 
finder der  Decoration  des  Inneren,  hat  diefe  Aufgabe  in  höchft  origineller  und 
anfprechender  Form  gclöft.  Die  eifernen  Träger  an  den  Langwänden  umkleidete 
er  mit  Holzbalken,  und  überzog  diefe,  fowie  fämmtliche  Füllungen  der  Wände 
und  Gefimfe  mit  bedrucktem  Jutefloff.  Eine  zierliche  Flächenornamentik  in  kräf- 
tigem Roth,  Gold,  Hellgelb  und  lilau  hebt  fich  von  dem  neutralen  warmgrauen 
Grundton  der  Jute  fein  und  maafsvoU  ab  und  giebt  den  durch  hoch  angebrachte 
Seitenfenfter  gut  beleuchteten  Räumen  ein  fefllich  heiteres  Gepräge.  Wäre  der 
Entwurf  Storck's,  der  bei  der  Decoration  der  Wandflächen  noch  kräftigere  Farben 
anwenden  wollte,  im  vollen  Umfange  zur  Ausführung  gekommen,  fo  würde  die 
Wirkung  entfchieden  eine  noch  günftigere  fein.  Nicht  unerwähnt  wollen  wir 
laffen,  dafs  die  Motive  der  inneren  Decoration  in  die  gefchmackvolle  Titelver- 
zierung verflochten  fmd,  mit  welcher  Prof  J.  Storck  diefen  unferen  Bericht  aus- 
geflattet  hat. 

Fafst  man  die  Leiflungen  der  Decorateure  an  plaftifchem  und  gemaltem 
Schmuck  zufammen,  fo  ergiebt  fich  aus  ihrer  Bethätigung  beim  Weltausflellungs- 
bau  von  Neuem,  dafs  Wien  fich  in  diefer  Beziehung  vor  keiner  Rivalität  zu 
fcheuen  braucht.  Architektur  und  ornamentale  Kunfl  fmd  unfere  flarken  Seiten. 
Die  übrigen  Künfle  bedürfen  der  gröfsten  Rührigkeit  und  einer  unausgeletzten, 
von  hohen  Gefichtspunkten  ausgehenden  Pflege,  wenn  fie  es  zu  gleichen  Erfolgen 
bringen  wollen. 

C.  V.  Lützow. 


jrAn.  «fTO««oc» 


Die  bildenden  Künflc,  Gruppe  von  Bcnk. 


Das  Kunstgewerbe. 

I.  Wohnungs-Ausstattung. 

Drei  Fragen  werden  fich  uns  im  Folgenden  vor  allem  aufdrängen,  eine  inter- 
nationale, eine  nationale  und  eine  orientalifche  Frage. 

Die  internationale  Frage,  das  ift  die  Reform  der  modernen  Kunftinduftrie 
und  des  allgemeinen  Geschmacks  auf  dem  Wege  der  Lehre  und  des  Unterrichts 
durch  Mufeen  und  Schulen.  Von  England  angeregt,  gährt  fie  jetzt  in  allen  Cultur- 
staaten,  und  mag  fomit  wohl  als  eine  internationale  bezeichnet  werden.  Sie  ift 
auch  eine  eminent  feciale,  infofern  als  es  fich  bei  ihr  um  Verfchönerung  unserer 
Umgebung,  um  Idealifirung  unfcres  Lebens  handelt. 

Die  nationale  Frage  in  der  Kunftinduftrie,  eine  Frage  von  noch  fehr  jungem 
Datum,  bezieht  sich  auf  das,  was  fich  in  verschiedenen  Ländern  von  alter  eigen- 
thümlicher  Kunfttradition  in  häuslicher  oder  gewerblicher  Arbeit  erhalten  hat. 
Diefe  Traditionen  find  von  unferer  rafchen,  nivellirenden  Zeit  wie  alles  Coftiim- 
liche  von  fchnellem  Untergange  bedroht,  und  es  ift  die  Aufgabe,  diefelben  zu 
retten  oder  für  die  moderne  Kunftinduftrie  zu  verwerthen. 

Zum  dritten  die  orientalifche  Frage.  Die  farbige,  decorative  Kunft  des  Orients 
ift  feit  den  Weltausftellungen  aus  ihrer  ifolirten  Ruhe  herausgetreten,  fie  ift  eine 
Gröfse  für  Europa  geworden,  dringt  in  feine  Induftrie  gewaltig  ein  und  droht 
feinen  Gefchmack  auf  gewiffen  Gebieten  vollftändig  umzuwandeln. 

An  diefen  drei  P>agen  nimmt  die  Kunftinduftrie  fämmtlicher  Länder  und  der 
Culturftaaten  insbefondere  Theil,  und  je  durch  die  Stellung,  die  fie  dazu  nehmen, 
ift  auch  ihre  kunftinduftrielle  Physiognomie  bedingt.  Sie  find  demnach  auch  für 
unferen  Bericht  von  ganz  befonderer  Wichtigkeit,  da  wir  es  weniger  auf  die  Dar- 
legung des  heutigen  Zuftandes  in  den  einzelnen  Induftriezweigen,  als  auf  den 
eigenthümlichen  und  charakteriftifchen  Antheil  der  Länder  und  Staaten  an  dem 
kunftinduftriellen  Schaffen  der  Gegenwart  abgefehen  haben. 


» 


42 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Für  unfere  überfichtliche  Schilderung  ordnen  wir  uns  den  Stoff  nach  zwei 
Gruppen,  indem  wir  einmal  uns  die  Wohnung  betrachten  wollen,  mit  dem,  was 
fpeciell  zu  ihrem  Schmuck  und  zu  ihrer  Ausftattung  gehört,  und  fodann  insge- 
fammt  die  übrigen  mehr  frei  und  unabhängig  gefchaffenen  Dinge. 

I.  Die  Wohnung. 


-tj^fo- 


I.  Die  moderne  Wohnung. 

Man  follte  denken,  mit  unferer  Wohnung  fei  es  gerade 
wie  mit  der  Mode,  die  ja  durchaus  international  und  nicht 
national  ifl,  aber  gar  keine  Frage  bildet.  Die  Mode  wird 
von  irgendwo  dirigirt,  und  jeder  beugt  fich  ihr,  weil  es  einmal 
fo  fein  mufs,  ohne  zu  fragen  und  zu  denken.  So  war  es 
auch  mit  der  Wohnung.  Die  Mufler  für  Tapeten,  Möbelfloffe 
und  Tapezierarbeiten  kamen  von  Paris,  was  von  Paris  kam, 
war  fchön  und  gefchmackvoll,  und  es  galt  nur,  das  Neviefte 
recht  neu  und  fchnell  zu  haben.  Das  war  der  Standpunkt  der 
modernen  Induftrie,  der  modernen  Civilifatiön  in  den  moder- 
nen Culturftaaten.  Ja,  wenn  wir  recht  berichtet  find,  fo  foU 
es  irgendwo  in  deulfchen  Landen  eine  Muftercentralanflalt 
gegeben  haben,  die  ihre  eigenen  Agenten  an  den  Ufern  der 
Seine  hielt.  Die  lagen  befländig  auf  der  Lauer,  hörten  das 
neue  Gras  wachfen,  ergatterten  die  jungen  Mufler  und  fende- 
ten  fie  flugs  heim  zur  Mutteranflalt,  von  wo  fic,  mit  der  Scheere 
getheilt,  den  Fabriken  des  Landes  zufloffen.  Wenn  nun  mit 
der  Saifon  von  drüben  her  aus  der  grofsen  Geburtsstätte  der 
Moden  die  neuen  Tapeten,  die  neuen  Modeftoffe  in  die  Welt 
hinauskamen,  da  fanden  fie  überall  fchon  ihres  Gleichen  und 
hatten  das  Nachfehen  mit  langen  Gefichtern.  Es  ift  gerade 
wie  die  Gefchichte  von  dem  berühmten  Wettlauf  auf  der 
Buxtehuder  Haide,  wo  der  kluge  „Swinegel"  und  des  Swinegels 
Frau  auch  immer  rufen  konnten,  wenn  der  Hafe  ankam: 
„Ich  bin  fchon  hier",  und  fo  dem  fchnellen  Kunftläufer  den 
Sieg  abgewannen.  Natürlich  glauben  wir  die  Gefchichte  nicht. 
Nun,  heute  ift:  es  nicht  mehr  fo:  die  Zeiten  haben  fich 
geändert  und  werden  fich  noch  mehr  ändern.  Nur  in  den 
unteren  Tapeziererregionen  und  ihrem  Publicum,  oder  in  jenen 
Häufern,  wo  der  erfte,  fchnell  erworbene  Reichthum  nach 
Glanzentfaltung  drängt,  da  imponirt  noch  „das  Neue"  und 
„das  Neuefle".  Alles,  was  fich  auf  die  Ausftellung  gewagt 
hat,    das   lehrt   uns  erkennen,   dafs  die  Wohnung  auch  eine 

künftlerifche  geworden  ift,  und  dass  die  Nationen  zu  ihr  Stellung  genommen  haben 

oder  zu  nehmen  trachten. 

Frankreich,  wenn  man  will,   repräfentirt  noch   die  Mode,   aber  was  wie 


Bordüre  von  Drächsler 
in  Wien. 


I.    WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


43 


Mode  erfcheint,  das  ift  in  der  That  nur  fein  eigener  conflanter  Charakter.  Was 
wir  heute  fehen,  ifl  der  Art  nach  gar  nichts  anderes,  als  was  wir  1867  in  Paris 
fahen.  Nur  Einzelheiten  und  Nebenfachen  fchlagen  eine  andere  Richtung  ein, 
fügen  fich  aber  für  jetzt  aufs  allerbefte  in  die  alte  Ordnung.  Dies  gilt  z.  B.  von 
den  nicht  feltenen  orientalilchen  Muflern,  die  als  applicirte  Stickereien  oder  in 
den  Geweben  zur  Verzierung  der  Möbel  verwendet  werden.  Die  orientalifche 
Frage  ift  für  Frankreich  noch  von  geringerer  Bedeutung  als  ■/..  B.  für  Fngland 
und  zumal  für  Oesterreich.  Ebenfo  find  die  Spuren,  welche  die  Wirkung  der 
internationalen  Frage,  d.  h.  die  Beftrebungcn  für  eine  Reform  in  antifranzöfifcher 
Richtung,  erkennen  läfst,  nicht  unbedeutend,  aber  die  franzöfifche  Kunflinduftrie 
kann  vieles  verdauen  und  wird  damit  in  ihrer  Weife  fertig;  fic  nimmt  das  Fremde 
und  Fremdartige  auf  und  wandelt  es  in  ihr  Eigenes  um.  Denn  das  ift  eine  der 
wefentlichften  Eigenfchaften  des  franzöfifchen  Gefchmacks,  nicht  dafs  er  Neues 
fchafft  und  erfindet,  fondern  die  Empfänglichkeit  für  alles  Fremde  und  das  Ta- 
lent, es  feiner  Weife  conform  zu  machen.  Daher  einerfeits  in  der  franzöfifchen 
Kunftinduftrie  eine  aufserordentliche  Vielfeitigkeit,  andrerfeits  voUftändiger  Mangel 
an  Originalität;  der  franzöfifche  Künftler  ift  findig,  aber  nicht  erfinderifch. 

In  der  Hauptfache  lebt  der  franzöfifche  Gefchmack  und  fomit  auch  alles, 
was  die  Wohnung  betrifft,  noch  ganz  im  Stil  und  in  den  Stilarten  des  achtzehnten 
Jahrhunderts;  er  verfchmäht  keine  derfelben,  nur  dafs  fich  die  Vorliebe  mehr  und 
mehr  von  dem  Anfang  hinweg  gegen  das  Ende  diefes  berühmten  Säculums  ge- 
zogen hat.  Jene  Zeit  gefiel  fich  im  Capriziöfen,  in  willkürlichen  Einfällen,  ftand 
auf  gutem  Fufs  mit  den  Bizarrerien  von  China  und  Japan,  brachte  das  Perfifche 
in  Mode,  kokettirte  in  fpäterer  Periode  mit  der  Antike,  liebte  die  Bagatelle  und 
trug  den  coloffalen  Reifrock,  und  zeigte  fich  fomit  ziemlich  tolerant  im  künftle- 
rifchen  Glauben.  Auf  ftiliftifchc  Dogmen  und  ftarre  Confeffion  gab  fie  nicht  viel ; 
nur  hatte  fie  ihre  Vorliebe,  ihre  Paffionen.  Das  mufs  man  bedenken,  wenn  man 
in  den  verfchiedenen  Decorationen  und  all  dem  bunten,  fcheinbar  künftlerifch  fich 
widerfprechenden  Geräth,  das  uns  die  franzöfifche  Ausftellung  zur  Ausftattung 
der  Wohnung  vor  Augen  führt,  den  gemeinfamen  Charakter  erkennen  will. 

Die  Franzofen  haben  in  einem  ihrer  überdeckten  Höfe  Modelle  von  Zimmern 
oder  Theile  von  Zimmern  ausgeftellt,  die  aber  keinen  vollftändigen  Begriff  der 
franzöfifchen  Wohnung  geben.  Wir  muffen  das  Bild  aus  dem,  was  Tapezierer, 
Möbelfabrikanten,  Teppichweber  u.  f.  w.  ausgeftellt  haben,  insbefondere  aber 
auch  aus  den  kleinen  Räumen  des  franzöfifchen  Commiffionshaufes  ergänzen, 
dann  erhalten  wir  die  Ideen,  die  den  franzöfifchen  Decorateuren  noch  immer  als 
Ideale  vorfchweben.  Da  ift  (von  Picarel)  das  Stück  einer  Wand  mit  der  Thüre 
und  dem  Felde  darüber,  weifs  mit  goldenen  Rococo-Ornamenten  in  Relief  und 
mit  einem  zarten  Gobelinsgemälde  in  der  Sopraporte;  da  ift  daneben  (von  Noel 
Quill  et)  eine  andere  Wanddecoration  mit  reich  gefchnitzten  Ornamenten  und  mit 
einem  flachen  Relief  über  der  Thüre,  das  von  zwei  Amoretten  gehalten  wird, 
alles  weifs  wie  Stuck  mit  zartem  Grau  und  Chamois,  und  eine  ähnliche  von 
Lef^bre  mit  reichem  Stuckgefims  in  Weifs  und  verfchiedenen  kalten  Draptönen. 
Sind  wir  damit  nicht  ganz  in  der  Mitte  und  der  zweiten  Hälfte  des  achtzehnten 
Jahrhunderts?    Setzen  wir  die  reichen  Himmelbetten  von  Levy  &  Worms  und 


44 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


von  Fourdinois  hinein  mit  ihren  blaffen  Farben  und  ihren  duftig  zarten  Gobelins, 
welche  die  Füllungen  der  Bettftätte  zu  Kopf  und  Füfsen,  dort  wo  man  fonft 
Schnitzereien  zu  fehen  gewohnt  ift,  überdecken,  fie  paffen  völlig  hinein  und  würden 
der  Zeit  und  dem  Gefchmack  der  Pompadour  und  der  Dubarry  keine  Schande 
machen.  Mit  den  Möbeln  muffen  wir  fchon  zum  grofsen  Theil  in  die  Zeit  der 
Königin  Marie  Antoinette  hinabfteigen,  denn  ihr  gehören  die  zahlreichen  Tifche, 
Kaften,  Schränke,  Etageren  und  mancherlei  anderes  Phantafiegeräth  von  ziemlich 
fteifen  und  magern  Formen  mit  eingelegter  Holzarbeit  und  vergoldeter  Bronze- 
ornamentirung  an :  alles  zart,  füfs,  fchwächlich,  überzierUch,  wie  es  dem  Gefchmacke 
jener  Zeit  gefiel.  Siehe  unter  anderm  die  Arbeiten  bei  Charmois  und  Lema- 
r inier.  Da  paffen  denn  auch  die  Gobelins  hinein  mit  ihren  pafloralen  oder  alle- 
gorifch-mythologifchen  Scenen,  die  in  ziemUch  überrafchender  Zahl  von  verfchie- 
denen  Fabriken   ausgeflellt  find   (Braquenie,    Duplan   &  Comp.),    und  die 


Jardiniere  von  Silber,  von  Meyen  &  Co.  in  Berlin. 


gobehnsüberzogenen  Sophas  und  Fauteuils  mit  ihren  mageren  Lehnen  und  ihren 
gekrümmten  Beinen,  die  freilich  mit  ihrer  Decoration  noch  immer  aller  Vernunft 
brutal  in's  Antlitz  fchlagen.  Wenn  die  Rococozeit  kleine  Landfchaften  oder 
Scenerien,  zierhch  in  Blumenrahmen  gefafst,  der  Form  des  Sitzes  oder  der  Lehne 
anpafste,  fo  überdecken  hier  mannsdicke  Bäume,  Tempel  und  Schneegebirge  die 
Möbel,  unbekümmert  um  alle  Form,  um  alle  Polflerung,  welche  der  heutigen 
Tapezierkunfl  gefälk,  aller  Natur  zuwider  hemifphärifch  zu  geftalten.  Ifl  die  Ver- 
wendung  folcher  gewebter  Bilder  für  den  Sitz  fchon  an  fich  unangemeffen,   um 


I.    WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


45 


Blumenvafe  in  vergoldeter  Bronze  von  Hollenbach,  nach  Zeichnung  von  Claus  in  Wien. 


wie   viel   mehr  in  diefer  gefchmackwidrigen  Art  der  heutigen  Franzofen!     Man 
fleht,  bei  allem  Gefchick,  bei  aller  Mache  fehlt  fchliefslich  doch  das  Gefühl. 

Es  paffirt  ihnen  Aehnliches  mit  den  Fufsteppichen.  Hier  blüht  noch  die 
ganze  Blumenliebhaberei  der  Franzofen,  freilich  nicht  mehr  in  der  derben,  breiten 
und  wilden  Art,  wie  fie  in  den  letzten  Jahrzehnten  Mode  war,  ein  wenig  gezähmt, 
felbfl  füfslich  in  den  Farben,  welche  fich  den  duftigen  Tönen  des  achtzehnten 
Jahrhunderts  zu  nähern  trachten,  und  in  die  immer  noch  naturaliftifche  Zeichnung 
ifl  eine  Art  Syftem  der  Wiederholung  gebracht.     Da  ift  es  um  fo  unnatürlicher, 


46 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


wenn  wir  zwifchen  diefen  fich  kreuzenden  Blumenranken,  Pflanzen  und  Bäumen 
hindurch  in  Gletfcherlandfchaften  hineinfehen,  in  die  unfer  Fufs  hineintreten  foU. 
Wir  hätten  folche  Abfurditäten,  wie  fie  die  Fabriken  von  Nimes  als  ihre  Pracht- 
ftücke  ausftellen,  nicht  mehr  erwartet.  Es  fcheint  aber  faft,  als  ob  diefer  fchon 
verfchollene  Gefchmack  noch  einmal  wiederkehren  will.  Die  Farben,  haben  wir 
gefagt,  find  gemäfsigt  gegen  früher,  aber  immer  noch  fo  lebhaft,  dafs  ganz  wider 
alle  Ordnung  in  einem  franzöfifchen  Salon  die  gröfste  Farbenpracht  oder  fagen 
wir  Farbenunruhe  auf  dem  Boden  liegt.  Während  jeder  ächte  JCunftftil  auf  dem 
Boden  für  das  Auge  die  Ruhe  fucht  und  fich  nach  oben  hin  mit  feiner  Decora- 
tion reicher  und  reicher  entfaltet,  ift  es  bei  dem  franzöfifchen  Salon  umgekehrt: 
oben  am  Plafond  farblofer  weifser  und  grauer  Stuck,  unten  blühende  Farben- 
pracht und  an  den  Wänden  die  neutralen  Zwifchentöne.  Dem  ganz  entfprechend 
legen  die  grofsen  franzöfifchen  Teppiche,  welche  den  ganzen  Salon  in  einem 
Stück  bedecken  und  diefes  Stück  mit  einer  einzigen  reichen  Compofition  ver- 
zieren wollen,  den  Plafond  geradezu  auf  den  Fufsboden.  Sie  imitiren  den  reichft 
componirten  Plafond  mit  feinen  Stuckreliefs,  mit  architektonifchen  Ornamenten, 
mit  Medaillons  und  Figuren,  überfetzen  ihn  in  Farbe,  zeichnen  ihn  im  Relief  mit 
Hinzufügung  von  Lieht  und  Schatten  und  kehren  fo  buchfläblich  das  Oberfte  zu 
unterft.  In  diefer  grundverkehrten  Art  ifl  das  Prachtflück  der  franzöfifchen  Tep- 
pichwirkerei von  Braquenie  freres. 

Es  wird  nicht  nöthig  fein,  das  achtzehnte  Jahrhundert  noch  weiter  in  der 
heutigen  franzöfifchen  Wohnung,  foweit  fie  wcnigftens  auf  künfHerifche  Decoration 
Anfpruch  macht,  nachzuweifen ;  wir  haben  vielmehr  einer  auffallenden  Erfcheinung 
daneben  zu  gedenken,  welche  ihr  zu  widerfprcchen  fcheint  und  auch  widerfpricht. 
Der  heutige  Franzofe  lebt,  was  die  Kunfl;  betrifft,  im  achtzehnten  Jahrhundert, 
er  fchläft  auch  darin,  aber  er  fpeifet  im  fechszehnten.  Das  ifl  die  Regel,  dafs, 
während  Salon  und  Schlafzimmer  im  Stil  Louis  XV.  und  XVI.  gehalten  find,  das 
Speifezimmer  im  Stil  der  Renaiffance  eingerichtet  ifl:,  und  diefes  führt  zur  Erklä- 
rung vieler  Gegenfländc  in  der  franzöfifchen  Ausflellung.  Das  charakteriflifche 
Beifpiel  dafür  giebt  uns  das  fchon  erwähnte  franzöfifche  Commiffionshaus.  Hier 
haben  wir  auf  der  einen  Seite  den  blumigen,  lichtgrauen  Salon  mit  feinen  vorne 
ausgefchweiften  Gobelinsmöbeln,  auf  der  andern  Seite  das  dunkle  ernfle  Speife- 
zimmer mit  fehr  fchöner  Goldtapete  im  Renaiffanceftil,  mit  ftrengen  ftilvollen 
Ebenholzmöbeln  und  mit  wirklich  anfprechender,  anheimelnder  und  doch  eleganter 
Haltung,  wobei  nur  der  Plafond  mit  feiner  verzopften  Malerei,  feinei\i  Gewölbe 
uhd  feinem  blauen  Himmel,  in  dem  fich  der  grofse  Luftre  höchft  komifch  verliert, 
einen  gar  fonderbaren  Mifsklang  bringt.  Zuweilen  begnügt  fich  der  Franzofe 
auch  nicht  mit  Rococo  und  Renaiffance,  fondern  er  raucht  feine  Cigarre  und 
nimmt  feinen  Cafe  im  Orient  und  badet  in  Pompeji,  im  Griechenthum.  Wir 
kennen  ein  vornehmes,  von  einem  franzöfifchen  Decorateur  eingerichtetes  Haus 
in  Wien,  worin  man  die  ganze  Kunft-  und  Culturgefchichte  an  einem  Tage  durch- 
leben kann. 

Diefe  Nebenftellung  der  Renaiffance  hat  vorzugsweife  zur  Ausbildung  der 
franzöfifchen  Ebenifterei  geführt.  Die  Parifer  Credenzen,  die  Bücherkaflen  und 
fonftigen  Möbel  von  Ebenholz  und  Eichenholz   oder  Ebenholz-Imitation    mit  ge- 


I.    WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


47 


fchnitztcn  Ornamenten  find  von  allen  Ausftellungen  her  berühmt,  und  fo  fehcn 
wir  auch  diesmal  glänzende  Beifpielc,  insbefondcre  bei  Gueret  frcrcs,  Henri 
F  o  u  rd  i n  o  i s,  der  1867  die  am  meiflen  bewunderte  l'rachtarbeit  hatte,  und  bei  R  o  n- 
iliUon,  deffen  keineswegs  vollkommen  gut  gearbeitetes  Hauptftiick,  ein  Karten 
mit  zwei  Thüren  und  zarten,  aus  dem  Relief  in  Marquctcrie  übergehenden  Orna- 
menten vom  Berliner  Gewerbemufeum  gekauft  wurde.  Alle  diefe  franzofifchen 
Arbeiten  haben  zwei  Eigcnfchaften,  die  fie,  im  Geifte  wenigftens,  dem  achtzehnten 
Jahrhundert  nähern  und  wefentlich  von  den  ähnlichen  italienifchen  Arbeiten 
unterfcheiden :  einmal  die  aufscrordcntliche  Magerkeit  der  Renaiffanceformcn,  der 
Glieder  und  Profile,  und  zum  zweiten  die  viel  zu  weit  getriebene  Behandlung 
der  Oberfläche,  insbefondcre  der  Reliefs,  die  reine  Metallifirung  ift  und  nicht  daran 
denkt,  dafs  fie  es  mit  Holz  zu  thun  hat. 

Neben  diefen  Renaiifancekaften  mufs  es  natürlich  auch  Renaiffancevorhänge 
und  entfprechende  Sitzmöbel  geben.  Erftere  Stoffe  treten  diesmal  —  und  das 
ift  wohl  fchon  eine  Wirkung  der  internationalen  Reform  —  weit  zahlreicher  und 
weit  fchöner  auf  als  im  Jahre  1867.  Imitationen  I.yoncfer  Fabricats  von  Vene- 
tianer  und  Genuefer  Sammetftoffen  (mit  Sammetblumen  und  Ornamenten  auf  lichtem 
Atlasgrund)  find  mehrfach  ausgeftellt  und  zum  Theil,  z.B.  bei  Taffinari,  von  be- 
wunderungswürdiger Schönheit.  Diefe  Arbeiten  gehören  zum  Entzückendften, 
was  heute  die  ganze  franzöfifche  Kunflinduflrie  fchafft.  Auch  gelungene  Re- 
naiffancefeffel  und  Fauteuils  von  Eichenholz  mit  ähnlichen,  aber  befcheidencr 
gefärbten  Sammetftoffen  fieht  man  bei  verfchiedenen  Decorateuren ,  nur  mufs 
man  es  mit  der  Renaiffancc  nicht  fo  genau  nehmen,  denn  es  hat  hier  bei  den 
Sitzmöbeln  eine  kleine  Verfchiebung  der  Zeiten  ftattgefunden.  Was  wir  Re- 
naiffancefeffel  nennen,  das  ift  nach  den  Muftern  des  fiebzehnten  Jahrhunderts  ge- 
fchafifen,  nicht  des  fechszehntcn.  Die  eigentliche  Renaiffancc  brauchte  noch 
mehr  die  Sitzbänke  und  Sitztruhen  als  das  beweglichere  Geftühl. 

Aufserdem  findet  man  in  den  Ausftellungen  der  Tapezierer  für  das  Sitzmöbel 
eine  reiche  Zahl  von  Spiel-  und  Phantafieformen,  dünn  und  mager,  als  Abart  der 
chincfifchen  Bambusftühle,  oder  kurz,  gedrungen,  fchwellend,  das  Princip  des 
Divans  auf  den  Stuhl  übertragen,  bald  mit  geblümtem  Stoff,  bald  mit  einfarbiger 
Seide,  bald  mit  orientalifcher  Stickerei  überzogen  oder  verziert.  Die  franzöfifche 
Phantafie  fchafft  darin  Neues  für  jede  Saifon,  und  doch  ift  es,  wie  bunt  und  ver- 
fchieden  es  auch  ausfieht,  im  Grundcharakter  stets  daffelbe  und  durch  die  Abwefen- 
heit  jeglichen  Stils  am  meiften  bezeichnet.  So  wie  das  Geftühl,  fo  giebt  es  auch 
eine  Menge  anderer  Phantafiemöbel,  mit  Elfenbein,  mit  eingefetzten  Steinarten, 
mit  Faiencefliefen,  insbefondcre  auch  mit  figürlichen  Bronzereliefs,  ein  keineswegs 
gelungenes  Genre,  als  deffen  Hauptvertreter  Diehl  gelten  mag. 

Bei  all  diefen  Gegenftänden,  die  für  ein  künftlerifches  Auge  „aus  der  Art 
fchlagen",  ift  fehr  feiten  etwas  Erfreuliches;  zuweilen  gelingt  es  aber  auch  diefer 
beweglichen  Phantafie,  wenn  fie  mit  etwas  Poefie  gepaart  ift,  da  wo  fie  die  Schablone 
verläfst,  in  aufserordentlich  glücklicher  Weife.  Ein  folches  Beifpiel  ift  das  Zimmer- 
modell von  P  ^  n  o  n,  das  nicht  Renaiffance,  nicht  Rococo,  nicht  Architektur,  nicht 
Decoration  ift,  das  jeder  Regel  fpottet  und  doch  unendlichen  Reiz  befitzt.  Ein 
Zimmerchen,   in  das  eine    gekrümmte  Stiege    mit    einem    gefchnitzten  Geländer 


48 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Thür  eines  Speifezimmers,  von  Fr.  Schönthaler  in  Wien. 


I.    WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


49 


herabfteigt,  und  das  wieder  in  einer  Ecke  ein  erhöhtes  Extrazimmerchen  in  Ge- 
ftalt  eines  Viertelkreifes  für  fich  hat,  eine  Art  Schreibcabinet;  die  Wände  diefes 
Zimmers  mit  einem  goldigen  Stofif  bedeckt,  der  wie  der  Abendhimmel  glänzt 
und  ihn  auch  vorftellen  foU ;  ein  mächtiger  Baum  mit  dunklem,  dichtem  Laub 
und  buntgefiederten  Vögeln  auf  den  Zweigen,  aus  der  Ecke  emporwachfend  und 


Tafchentuclikarten  von  Erhard  &  Sohne.     Schwab.  Gmünd. 

über  den  Plafond  fich  verbreitend;  hohe  tropifche  Stauden  mit  Riefenblättern 
und  grofsen  dunkelroth  glühenden  Blumen  überall  emporwachsend,  als  wären  wir 
an   den  Ufern   des  Ganges   —   das   alles   ifl   fo    wider  alle  Art  und  Gewohnheit, 


Deckel  zum  Tafchentuchkaflen  von  Erhard  &  Söhne.     Schwab.  (Jniünd. 


wider  alle  Regel,  dafs  die  kühle,  nüchterne  Kritik  es  gänzlich  verwerfen  follte. 
Und  doch  liegt  ein  folcher  Zauber  in  diefem  Zimmer,  der  alle  Kritik  gefangen 
nimmt  und  fchweigen  heifst.  Die  Individualität  ift  hier  in  ihr  Recht  eingetreten 
und  hat  die  Schranken  der  Schablone  durchbrochen.  Wenn  wir  recht  berichtet 
find,  ift  diefes  Zimmer  mehr  zufälHg  entftanden,  indem  es  galt,  fich  auf  be- 
fchränktem  Räume  mit  verfchiedenartigen  Gegenftänden  einzurichten.  So  hat 
der  Zufall  in  Verbindung  mit  Gefchick  Befleres  und  Anmuthigeres  hervorgebracht, 


50 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


als  wenn  die  Umft^nde  es  erlaubt  hätten,  der  Methode  und  dem  Schema  zu 
folgen.  In  der  Wohnung  find  wir  aber  oft  ganz  in  der  gleichen  Lage ;  wir  muffen 
uns  oft  auch  hier  gegebenen  Verhaltniffen  und  Bedingungen  fügen.  Laffen  wir 
uns  getrofl  durch  diefe  Zwangslage  veranlaffen,  unferen  eigenen  Eingebungen 
zu  folgen  und  haben  wir  den  Muth,  der  Mode  und  dem  Tapezierer  entgegenzutreten ! 
Soll  der  Verfuch,  der  Durchbruch  der  Schablone,  aber  gelingen,  fo  oder  ähnlich 


SUilil  für  ein  Speifezimmer  von  F.  .Schönthaler  in  Wien. 

gelingen,  wie  wir  es  bei  Penon   fehen,    fo   mufs  man  wohl  etwas  eigenen  Ge- 
fchmack  befitzen,  und  ein  bischen  „Poefie  im  Leibe"  haben. 

Auch  von  der  heutigen  e  n  g  1  i  f c  h  e  n  Wohnung  ifl  es  fchwer  ein  klares 
Bild  zu  gewinnen  nach  dem,  was  die  Ausftellung  uns  bietet.  Die  Möbel,  welche 
wir  im  Transept  fehen,  nehmen  einen  zu  hohen,  zum  Theil  exceptionellen  Stand- 
punkt ein,  und  die  Wände,  die  fie  als  Hintergrund  haben,  entfprechen  ihnen 
Wohl  im  Ton,  aber  nicht  im  Stoff.  Die  belle  Idee  von  der  mit  Comfort  einge- 
richteten Wohnung  eines  wohlhabenden  Gentleman  in  ihrer  modcrnften  Erfchei- 
nung,  was  die  Decoration  und  Ausftattung  der  Zimmer  betrifft,  giebt  uns  das 
eifenbefchlagene  Haus  vor  dem  nordweftlichen  Eingang,  obwohl  es  nur  im  Cot- 


I.    WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


51 


tageflil   angelegt  ift.     Aber  von  der  englifchen  CommilTion  in  Befitz  genommen, 
ift  es  dem  Publicum  unzugänglich. 

So  viel  erkennen  wir  leicht,  dafs  wenn  auch  das  englifche  Haus  in 
feiner  Anlage,  in  Beftimmung  und  Gebrauch  daffelbe  geblieben  ift,  doch 
die  Decoration  fich  (ehr  verändert  zeigt.  Von  England  ift  ja  die  Reform 
des  Gefchmacks  ausgegangen,  feit  zwanzig  Jahren  geht  fie  mit  Energie  vor- 
wärts, alle  Kunftinduftriezweige  treigen  ihren  Stempel  oder  ihre  Spuren,  und  fo 
ift  es  unmöglich,  dafs  nicht  auch  das  Haus  davon  ergriffen  wäre. 

Die  alte  englifche  Wohnung,  wie  fie  noch  bis  auf  die  letzten  Jahre  exiftirte, 
zeigte  eine  aufserordentliche  Uebereinftimmung  und  doch  keinen  Stil.  Sie  folgte 
in  Salon,  Speifezimmer,  Schlafzimmer  bis  auf  die  Küche  einer  Schablone,  die 
einen  gewiffen  eigenen  Charakter  hatte  und  doch  ganz  unkünftlerifch  war:  die 
Formen  der  Möbel  schwer,  plump  und  maffiv,  die  Decoration  zum  Theil,  wie 
z.  B.  auf  den  Teppichen,  überladen,  bunt  und  ordinär  in  den  Farben,  dem 
craffeften  Naturalismus  anheimgefallen.  Dort,  wo  man  glaubte  mehr  und  Befferes 
thun  zu  muffen,  als  der  „Standard  of  life"  erforderte ,  der  feine  Unterfchiede  nur  in 
die  gröfsere  oder  geringere  Koftbarkeit  des  Materials  fetzte,  da  mufste  man  fich 
an  die  Franzofen  wenden  und  gelangte  mit  ihrer  Hülfe  zu  Zopf  und  Rococo, 
oder,  wie  es  gewöhnlich  bei  den  Landfchlöffern  gefchah,  man  erfand  für  die 
Innendecoration  eine  eigene  moderne  englifche  Gothik,  deren  Hauptmerkmal  in 
der  decorativen  Verwendung  von  Eichenholz  beftand.  Das  ift,  wie  bekannt,  in 
vielen  Schlöffern  des  Continents  nachgeahmt  worden. 

Heute  ift  das  nun,  wie  uns  die  Ausftellung  lehrt,  in  vieler  Beziehung  ge- 
ändert. Fangen  wir  mit  dem  Fufsboden  an.  Einft  blühten  auf  den  Teppichen 
von  Kidderminster  Wälder  und  Gärten,  oder  es  lagen  auf  den  „Bruffels"  riefige 
farbige  Blumenbouquets.  Muftern  wir  die  heutigen  Teppiche  auf  der  Ausftellung, 
fo  fehen  wir  alles,  was  auf  befondere  Bedeutung  Anfpruch  macht,  in  orientali- 
fcher  Weife  verziert,  alfo  gerade  in  der  Art,  welche  von  der  Reform  empfohlen 
worden  ift.  Die  Mehrzahl  der  grofsen  Teppiche  folgen  diefer  Richtung,  und  es 
giebt  fehr  fchöne  Beifpiele  darunter.  Hier  und  da  ift  wohl  ein  einzelnes  Stück, 
das  in  feiner  Gröfse  einige  Anfprüche  erhebt,  nach  dem  Mufter  der  franzöfifchen 
Teppiche  in  Plafond-Decoration  verziert ;  der  Blumennaturalismus  fowie  figür- 
liche Darftellungen  finden  aber  allein  noch  auf  den  ganz  kleinen  Teppichen,  wie 
fie  vor  dem  Kamin  zu  liegen  pflegen ,  eine  Stätte.  Auf  diefem  Gebiete ,  kann 
man  fagen,  ift  die  Veränderung  vollftändig;  was  ihr  widerfpricht,  das  ift  nur  eine 
Erinnerung  vergangener  Zeiten. 

Ebenfo  vollftändig  ift  die  Veränderung  der  Wanddecorationen,  der  Tapeten. 
Hier  ftanden  einerfeits  der  naturaliftifchen  oder  fonft  finnlofen  Verzierung  die 
regulären  ftilifirten  Mufter  gegenüber,  andrerfeits  der  lichten  grauen  nun  eine 
dunklere  und  kräftigere  Färbung.  Letzteres  bildet  den  Standpunkt  der  Reform. 
Muftert  man  nun  die  englifchen  Tapeten,  foviel  als  davon  zu  fehen  ift,  insbc- 
fondere  auch  jene  Wände,  welche  den  Hintergrund  der  koftbaren  Möbel  im 
Transept  bilden  und  ganze  Zimmerdecorationen  vorftellen  follen,  fo  wird  man 
nicht  im  Zweifel  fein,  dafs  auch  hier  die  Reform  fchon  durchgedrungen  ift.  Wie- 
weit das  nun  bereits  im  englifchen  Wohnhaufe  gefchehen  ift,  muffen   wir   dahin 


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DAS  KUNSTGEWERBE. 


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Tafelauffatz  in  Bronze  und  Glas   nach   Ilanfen's  Entwurf  von  Lobmeyr  &  Hollenbach, 

geftellt  fein  laffen.  Jedenfalls  ift  es  von  Bedeutung,  dafs  die  Kunfl  des  Decora- 
teurs.  fich  in  diefem  Charakter  auf  der  Ausftellung  präfentirt.  Selbft  der  Plafond, 
der  fonfl;  wenig  Berückfichtigung  in  der  cnglifchen  Wohnung  fand,  erhält  nun- 
mehr eine  diefer  Wand  entfprechende  Decoration,  wenn  fie  auch  ebenfalls  nur 
Tapete  ifl. 

Ohne  Zweifel  hat  die  englifche  Wohnung  dadurch  mehr  Harmonie  und 
Charakter  bekommen.  Uebrigens  hat  fich  auch  zur  papiernen  im  gleichen  Geifte 
eine  folidere  Decoration  gefeilt:  wir  meinen  die  buntglafirten  Fliefen,  deren  Ge- 
brauch und  Fabrication  in  England  feit  wenigen  Jahren  einen  enormen  Auf- 
fchwung  genommen  hat.  Allerdings  finden  fie  in  Wohnzimmern  nur  befchränkte 
Anwendung,  geben  ihnen  aber  doch  im  Innern  des  Kamines  oder  als  äufsere 
Verkleidung  deffelben  eine  höchft  angemeffene  und  glückliche  Decoration,  viel 
glücklicher  als  der  weifsc  oder  fchwarze  Marmor,  der  uns  doch  immer  auf  ein 
anderes  Land  und  ein  anderes  Klima  hinweifet.  Nichts  kann  auch  glücklicher 
fein  als  die  Verzierung,  wie  fie  bisher  auf  diefen  Fliefen  in  Uebung  ftand,  und 
nur  ganz  neuerdings  erft  dringt  ein  anderer  Ornamentationsgeift  ein,  den  wir 
fpäter  bei  anderen  Gegcnfländen  noch  näher  werden  kennen  lernen. 

Mit  der  Decoration  der  Wände  finden  wir  die  Möbel-  und  Vorhangftofife  in 


Tafelauflatz  in   Hol/  uiul   Glas  nach  llanfen's  Entwurf  von  Lobmevr  tV  Kudrich. 


Einklang  und  können  fomit  auch  hier  den  Wandel  des  Gefchniackes  conflatiren 
Wenn  aber  auf  den  Teppichen  durchweg  die  orientalifchen  Mufter  Platz  gegriffen 
haben,  fo  find  es  hier  vielmehr  diejenigen  der  gewebten  Stoffe  des  fechszehnten 
Jahrhunderts,  welche  zur  Anwendung  kommen,  meift  einfache,  ftilifirtc  Flächen- 
mufler  in  jener  Art,  wie  fie  uns  von  den  Genuefer  und  Venetianer  Geweben  be- 
kannt find.  Sie  harmoniren  durchaus  mit  den  Tapetenmuftern.  Was  die  Fran- 
zofen zu  gleichem  Zwecke  jetzt  fchaffen  und  gebrauchen,  das  ift  mit  gewiffen 
bereits  erwähnten  Ausnahmen  alles  viel  bunter  in  der  Farbe,  complicirter  in  der 
Zeichnung  und-  verfchiedenartigcr  im  Stil.  l'2s  ift  feiten ,  dafs  diefe  englifchcn 
Gewebe  Mufter  des  achtzehnten  Jahrhunderts  zum  Vorbild  haben,  und  wenn,  fo 
find  fie  gewifs  befcheidener  in  Zeichnung  und  Farbe. 

Leider  find  wenig  oder  gar  keine  englifchen  Möbel  ausgeftellt,  welche  dem 
gleichen  Lebensftande ,  dem  wohlhabenden  Haufe,  dem  Haufe  des  Gentleman 
entfprechen.  Was  wir  fehen,  ift  faft  alles  koftbarerer  Art  und  mehr  Prachtftück 
für  die  Ausftellung,  beftimmt,  als  Wunder  der  Arbeit  zu  glänzen.  Dennoch  ift 
es  in  zweierlei  Weife  charakteriftifch  und  entspricht  in  der  That  zwei  verfchie- 
dcnen  Richtungen  in  der  Kunftinduftrie,  von  denen  wenigftens  die  eine  voll- 
kommen   originell    und   englifch    originell    ift.      Beiden  Richtungen    ift   gemein- 


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DAS  KUNSTGEWERBE. 


fam  eine  gcwiffc  farbige  Erfcheinung  des  Aeufsern ,  und  fie  treten  daher  in  ganz 
beflimmten  Gegenfatz  zu  der  gefchnitztcn  Rcnaiffance-Ebcnifterei  von  Paris  und 
noch  mehr  zu  der  derberen  und  kraftvolleren  von  Italien.  Ganz  im  Gegenfatz 
gegen  früher  ftrebt  die  eine  Richtung,  deren  Decoration  in  eingelegter  Arbeit 
von  Elfenbein  und  farbigen  Hölzern  befteht,  die  höchftc  Feinheit  und  vollendetfte 
vVusführung  in  der  Feinheit  an,  und  vernachläffigt  dabei  alles  Relief.  Die  Profile 
find  von  äufferfler  Zahmheit  und  Magerkeit,  fodafs  es  nur  malerifche  Wirkung 
der  farbigen  Hölzer   giebt,    gar  keine  aber  von  Licht  und  Schatten.      In  diefer 


Krüge  vpn  F.  W.  Merkelbach  in  Grenzhaufen. 


Beziehung  können  wir  auf  einige  Arbeiten  bei  Jackfon  &  Graham,  ganz  befon- 
ders  aber  auf  die  Toilettemöbel  in  lichtem,  gelben  Birkenholz  mit  Elfenbein  bei 
W.  Walker  aufmerkfam  machen.  Die  Politur  und  Glätte  des  Holzes,  die  Zier- 
lichkeit der  Kanten  und  der  überaus  feinen  Profile,  die  zarte  Behandlung  des 
Elfenbeins,  das  theils  in  Relief,  theils  flach  eingelegt  und  in  Roth  gezeichnet  zur 
Verzierung  dient,  dürfte  zu  dem  Vollendetften  gehören,  was  in  diefer  Art  auf  Aus- 
ftellungen  gefehen  worden.  Ka  ifl  aber  auch  fo  überaus  zart,  dafs  fich  jede  Hand 
vor  dem  Gebrauch  fürchten  mufs. 

Diefer  Richtung,  welche  in  vornehmen  Kreifen  bereits  einigermafsen  Mode 
geworden  zu  fein  fcheint,  tritt  nun  die  andere  mit  einem  gewiffen  Bewufstfein 
kräftig  und  nicht  ohne  Derbheit  gegenüber.  Auch  davon  hat  die  Ausftellung 
Beifpiele  ebenfalls  bei  Jackfon  &  Graham  und  fodann  bei  Collinfon  &  Lock  und 
bei  Cooper  &  Holt.  Unterflützt  durch  das  Talent  zum  Theil  gelehrter  Archi- 
tekten wie  Eaftlake  (vergl.  deffen  Buch :  „Houfehold  tafle")  und  Waterhoufe,  ftellt 
fie  dem  Capriziöfen  und  Willkürlichen  des  modernen  Gefchmacks  das  Structive 
und  Rationelle  in  den  Dingen  gegenüber,  ganz  im  Sinne  der  modernen  Reform, 


I.    WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


aber  mit  vorwiegender  Neigung  für  das  Mittelalter.  Sie  ift  darin  wohl  nur  eine 
Fortfetzung  des  modernen  gothifchcn  Stils  der  LandfchlöfTer ,  nur  dafs  fie  von 
den  Verkehrtheiten  deffelben,  insbefondere  von  der  fchablonenhaften,  nüchternen 
Uebertragung  der  architektonifchen  Ornamente  auf  die  Tifchlerei  abgekommen 
ift  und  mehr  auf  das  Rationelle  in  den  wirklichen  Tifchler-  und  Schlofferarbeiten 
des  Mittelalters  eingeht.  Auch  fie  gelangt,  auf  romanifche  Vorbilder  fich  flützend, 
zur  farbigen  Verzierung  im  Gegenfatz  gegen  ein  gefundes  und  kräftiges  Relief, 
felbfl  zu  vertieft  eingefchnittenen  und  farbig  herausgehobenen  Ornamenten.  So 
fehen  wir  die  ausgeftellten  Objecte  bei  den  genannten  P'abrikanten  in  verfchie- 
dener  Art  malerifch  verziert,  theils  in  fehr  einfacher  Art  eingelegt,  theils  mit  ge- 


Krüge von  K.  W.  Merkelbach  in  Grenzhaufen. 


färbten  Ornamenten,  theils  mit  kleinen  Figurenfcenen  in  mittelalterlichem  Coftüm 
auf  Goldgrund,  theils  auch  mit  Faiencefliefen,  wie  bei  Morant  an  einem  grofsen 
Kaflen.  Wie  die  Zeichnungen  bei  diefer  Firma  Morant,  Boyd  &  Blanford 
zeigen,  verfteht  es  diefelbe,  ganze  Zimmer  und  Häufer  reichfler  Art  in  diefem 
Stile  einzurichten.  Und  darauf  ifl:  es  natürlich  von  den  Vertretern  derfelben  ab- 
gefehen;  wie  weit  er  aber  über  das  Landfchlofs  hinaus  fchon  Boden  gewonnen 
hat,  vermögen  wir  nicht  zu  fagen;  viel  ift  es  wahrfcheinlich  nicht. 

Muftern  wir  von  dem  Standpunkt  der  internationalen  Reform  aus  dasjenige, 
was  üeutfc bland  und  Oefterreich  für  die  Ausftattung  und  Decoration 
der  Wohnung  ausgeftellt  haben,  fo  könnte  es  faft  fcheinen,  als  fei  diefe  Reform 
im  Sinne  der  Renaiffance  nahezu  völlig  durchgeführt.  Wo  find  alle  die  Zopf-  und 
Rococomöbel  geblieben  mit  den  Vergoldungen  und  dem  gefchnitzten  kraufen 
Mufchelornament,  die  fonft,  namentlich  von  Wien  aus,  auf  den  Ausftellungen  fo 
viele  Bewunderer  fanden?  Ein  einziges  Stück  in  der  öfterreichifchen  Abtheilung 
bei  Haffa  erinnert  noch  daran.  Etliche  Tapezierarbeiten,  namentlich  im  Sitz- 
möbel, fuchen  es  den  modifchen  Caprizen  der  Franzofen  gleich  zu  thun,  fuchen 


Venetianifcher  Spiegel  im   Salon  des  Kaifers,  ganz  aus  gefclilifTcnen  Glasplatlen  zufammengefetzt, 
nach  Slorclc's  Entwurf  von  Lobmeyr  in  Wien. 


Orientalifcher  Spiegel,  entworfen  von  Storck,  aus(;cführt  von  I.  &  L.  Lobmeyr, 
Ilanufch  &  I)iied/.inski  in  Wien. 


58 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


fic  auch  wohl  zu  überbieten,  wie  wir  z.  13.  von  einem  Wiener  Tapezierer  ein  voU- 
fländiges  ägyptifches  Boudoir  ausgeflellt  fehen,  d.  h.  wie  es  fich  eben  ein  Wiener 
Tapezierer  denkt.  Sehen  wir  von  der  Grille  ab,  fo  ift  es  übrigens  nicht  ohne 
Reiz ,  und  eine  Dame  mit  einem  ägyptifchen  Profil  findet  fich  ja  wohl  auch  da- 
für. Im  Allgemeinen  aber  ifl  es  gewifs  überrafchend,  wie  fehr  das  deutfche  und 
öfterreichifche  Mobiliar,  die  willkürlichen,  naturwidrigen  Formen  des  Rococo 
verlaffend,  fich  einfacher,  gefetzmäfsger  Structur  zuwendet  und  damit  von  allen 
Seiten  fich  der  Renaiffance  nähert,  wenn  auch  bei' weitem  nicht  alles  Renaiffance 
ifl,  was  wir  fehen. 

Nun  wiflen  wir  freilich,  dafs  es  in  Wirklichkeit  noch  vielfach  anders  ifl,  und 
dafs  die  Schablone  für  das  gute  Bürgerhaus  noch  lange  nicht  der  Renaiffance 
angehört,  aber  wie  oft,  fo  ift  es  auch  hier:  die  Ausftellung,  den  werdenden  und 
wachsenden  Gefchmack  aufgreifend,  giebt  die  Hoffnung  und  die  Richtung  der 
Zukunft.  In  dicfer  Auffaffung,  foviel  Tadel  das  Einzelne  bietet,  können  wir  das 
deutfche  wie  das  öflerreichische  Mcjbiliar  nur  als  eine  Wendung  zum  Guten  be- 
zeichnen, und  das  um  fo  mehr,  als  diefe  Wendung  unabhängig  vom  franzöfifchen 
Gefchmack  ift,  ja  fich  diefem  entgegenftellt. 

In  Deutfchland  giebt  es  verfchiedenc  Hauptorte  der  Tifchlerei ,  wie  Mainz, 
Karlsruhe,  Breslau,  Dresden,  Berlin,  und  darin  Unternehmungen  und  Gefell- 
fchaften,  welche  die  Renaiffance  ausdrücklich  auf  ihre  Fahne  gefchrieben  und  in 
diefem  Stil  fich  bereits  ein  Gebiet  des  Abfatzcs  erworben  haben.  Sie  haben 
reich  und  gut  ausgeftellt,  wenn  auch  das  fchlechte  Arrangement,  wie  es  die  ganze 
deutfche  Ausftellung  kennzeichnet,  ihrer  Wirkung  Eintrag  thut.  Was  wir  aber 
allgemein  an  diefcr  Fabrication  auszufetzen  haben,  das  ift  eine  gewiffe  ftructive 
Trockenheit  und  Nüchternheit,  zum  Theil  auch  zu  grofse  Magerkeit  der  Formen 
und  Mangel  an  ornamentaler  und  insbefondere  figürlicher  Plaftik,  welche  folchen 
Arbeiten  erft  Reiz  und  Leben  giebt.  Diefer  Vorwurf  würde  freilich  in  der  Haupt- 
fache hinwegfallen,  wenn  diefe  Möbel,  was  aber  nicht  der  Fall  ift,  für  das  bür- 
gerliche Haus  beftimmt  wären.  Sie  erheben  höhere  Anfprüche,  und  muffen  fich 
damit  hinter  die  italienifchen  Arbeiten  ftellen. 

Entfchieden  günftigen  Eindruck  machen  ebenfo  die  deutfchen  Tapeten,  z.  B. 
von  Hochftätter  in  Darmftadt,  wie  auch  die  öfterreichifchen  von  Lucius  und 
andere.  Wenn  wir  damit  die  zahlreichen  Zeichnungen  vergleichen,  welche  l'ro- 
feffor  Fifchbach  in  Hanau  ausgeftellt  hat,  fo  erkennen  wir  die  gemeinfame  Quelle 
diefer  Wanddecorationen ,  denn  fo  mufs  man  fagen ,  und  kaum  noch  Tapeten. 
Der  Fortfehritt,  der  hier  mit  den  Tapeten  gemacht  ift,  befteht  eben  darin,  dafs 
die  Wand  als  ein  Ganzes  für  eine  fyftematifch  gegliederte  Decoration  aufgefafst 
worden  und  die  fchablonenhafte  Tapete  mit  breiteren  und  fchmäleren  Bändern 
und  Bordüren,  mit  Sockel  und  Fries  dafür  eingerichtet  wurde,  ohne  den  billigen 
Preis  der  gewöhnlichen  Tapetenbekleidung  wefentlich  zu  verändern.  Das  er- 
fcheint  hier  gelungen,  und  wir  können  nur  wünfchen,  dafs  folche  Decorationen 
nicht  blos  Ausftellungsobjecte  bleiben,  fondern  zur  Verfchönerung  des  Bürger- 
haufes allgemein  werden. 

Das  gilt  nun  freilich  in  keiner  Weife  von  den  gewebten  Möbelftoflfen  Deutfch- 
lands,  die  zwar  auch  langfam  zur  Stilifirung  hinneigen,  aber  einerfcits  bei  weitem 


I.     WülINUNGSAUSSTATTUNG.  r>0 


mehr  von  franzöfifchen  Muftern  abhängig  find,  und  andrerfeits  ganz  und  gar 
eines  guten  und  feinen  Farbcnfinnes  ermangeln,  wie  denn  diefer  Sinn  überhaupt 
nocii  der  deutfchen  Ausrtellung  ,  der  deutfchen  Induflrie  abgeht. 

Hierin  fleht  die  öflerreichifche  Möbelflofffabrikation  unendlich  höher.  Sie 
allein  bringt,  vom  Orient  abgefehen,  neben  Frankreich  auf  diefeni  Gebiete  Gegen- 
flande,  die  wirklich  Reiz  haben  und  lüitzücken  gewähren,  und  fie  bringt  fie  zahl- 
reicher und  in  jedem  Falle  origineller  noch  als  die  Seideninduflrie  zu  Lyon.  Sie 
zeigt  fie  zum  Theil  auch  gleich  in  der  Art,  wie  fie  angewendet  werden  foUen, 
nicht  als  Einzelfloffe ,  fondern  als  Decoration  gedacht. 

In  diefer  Beziehung  ift  die  überaus  glänzende  und  gediegene  Ausflellung 
des  Wiener  Etabliffements  von  Philipp  Haas  &  Söhne  gleich  einer  That  in 
der  Entwicklung  der  modernen  Kunflinduftrie  zu  achten.  Es  kommen  hier  drei 
Momente  zufammen,  welcher  diefer  F'abrik  und  ihrer  Ausflellung  eine  Bedeutung 
verleihen,  die  fie  über  alle  Concurrenten  der  Welt  erhebt:  erflens  die  Entfchloffen- 
heit  und  Grofsartigkeit  zugleich,  mit  welcher  der  Chef  und  die  Seele  des  Haufes, 
Eduard  von  Maas,  die  neuen,  einmal  für  richtig  erkannten  Bahnen  betritt,  zum 
zweiten  das  unvergleichliche  decorative  Talent  Storck's,  der  feinen  Gefchmack, 
feinen  feinen  Sinn,  feine  Erfindungsgabe  ganz  insbefondere  diefer  Anflalt  widmet, 
und  drittens  die  reichen  Sammlungen  des  öflerreichifchen  Mufeums,  die  uner- 
fchöpflich  neue  Motive  und  Ideen  darbieten,  Sammlungen,  die  aller  Welt  zur 
Verfügung  flehen,  aber  nicht  von  aller  Welt  benützt  werden.  Bei  keinem  ähn- 
lichen Ausflpller  fehen  wir  daher  auch  einen  folchen  Reichthum  prachtvoller  oder 
reizender  Moti\'e,  die  dennoch  für  jeden,  der  die  Abficht  zu  merken  verlieht,  fo 
harmonifch  find,  fo  in  derfelben  Richtung  liegen. 

Es  würde  uns  zu  weit  führen,  wollten  wir  auf  das  Detail  dieser  Ausflellung 
eingehen,  und  wir  muffen  uns  daher  in  der  Hauptfache  begnügen,  eben  die 
Richtung  anzugeben  und  den  Geift  zu  charakterifiren,  der  in  den  Reihen  von 
Zimmercompartimenten  oder  in  den  zahlreichen  Goldbrokaten,  Seidenftoffen  und 
Teppichen  liegt.  Hier  ift  einmal  von  jeder  Nebenwirkung  und  Nebenabficht  ab- 
gefehen,  das  Wefentliche  nicht  im  Beiwerk  gefucht,  wie  uns  das  fo  häufig  be- 
gegnet, fondern  lediglich  in  der  decorativen  Wirkung  der  Gegenüände  und  in  der. 
Harmonie  bei  ihrer  Zufammenftellung.  Darum  feffeln  uns  auch  diefe  Modelle 
von  Zimmern,  denen  doch  gar  vieles  zur  vollen  Ausflattung  fehlt,  fo  unwider- 
flehlich,  ohne  dafs  wir  uns  eigentlich  Rechenfchaft  darüber  zu  geben  vermöchten, 
auch  nicht  Lufl  und  Neigung  dazu  verfpüven.  Denn  das  liegt  eben  im  Wefen  des 
rein  Decorativen,  dafs  es  uns  in  dem  Zufammenfliefsen  feiner  Elemente  nur  wie 
eine  Harmonie,  wie  eine  Stimmung  annuithet,  mag  fie  noch  fo  verfchieden  fein, 
ernfl  oder  heiter,  zart  oder  kräftig,  prachtvoll  oder  schlicht,  reich  oder 
einfach. 

Gehen  wir  dennoch  ein  wenig  ein  in  die  Sache,  fo  werden  wir  recht  bald 
finden,  dafs  es  vorwiegend  der  Geifl  der  RenaifTance  ifl,  der  hier  waltet,  aber  der 
Geifi  der  Renaiffance  mehr  vielleicht  als  ihre  Formen.  Auch  diefe  find  nicht 
ausgefchloffen,  —  Mufler  und  Wirkung,  wie  fie  uns  die  Genuefer  und  Venetianer 
Gewebe  des  fechszehnten  Jahrhunderts  bieten ;  neben  ihnen  aber  fehen  wir  nichts 
verfchmäht,  was  des  gleichen  Charakters  als  Flächenmufter,  d.  h.  rein  decorativer 


....  „.es  .„..  .*„  --t:rro----"^^^^  r- 


(12 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


nicht  melir  kennt,  denn  es  find  alte  Gegenüände,  welche  die  Motive  gegeben 
haben.  Daffelbc  ift  es  mit  einem  Hauptftücke,  tler  Tifchdecke  aus  Gold,  Silber 
und  Scidcnfammet,  deren  Zeichnung  und  Effect  der  heutige  Orient  nicht  mehr 
zu  .Stande  hräclite. 


Seidenftoff-Bordüre,  bl.iu  mit  (iold,  von  Phil.  }Xaa9.  \  Scilmc  in   Wien. 

Wir  haben  auf  die  Zimmercompartimcnte  in  tlcr  Ausrtellung  von  Haas  hin- 
gewicfen,  um  uns  eine  Idee  von  den  Intentionen  zu  geben,  die  in  diefem  Eta- 
bliffement  hcrrfchcn,  wir  können  aber  auch  in  der  Ausftellung  felbft  in  voller 
Ausführung    fehen,   was   uns    dort  blofs    als  Abficht   und   Idee   vor  Augen   tritt. 


-*f 


>:* 


I.    WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


63 


Wir  meinen  die  von  Haas  ausgeftatteten  Zimmer  in  tlcm  öflcrreichifchen  Kaifcr- 
pavillon.  Hat  hier  Gugitz  in  feinem  edlen  Bau  zu  vorübergeliendcm  Zwecke 
oder  gelegentlichem  Gebrauch  eine  architektonifche  Mufterleiftung  gefchafifen,  fo 
ift  die  innere  Einrichtung  der  Wohnräume,  die  von  Storck  entworfen  ift,  nicht 
mindergclungen.  Das  ernftere  Zimmer 
des  Kaifers  mit  feinem  fchwarzen  und 
goldenen  Plafuntl,  mit  feinen  Wänden 
in  rolhem  Sammet  auf  goldgelbem 
Atlasgrunde  in  Venetianer  Art,  das 
Zimmer  der  Kaiferin,  lichter  gehalten 
mit  den  Arabesken  Sturm's  in  Art 
der  Raffael'fchen  Grotesken,  mit  feinen 
reizenden  geflickten  Möbeln  auf 
blauem,  goldfchimmcrnden  Grunde, 
beide  ihrer  Beflimmung  nach  fo  ver- 
fchieden  im  Charakter  und  doch  gleich 
edel ,  prachtvoll ,  kaiferlich  mit  dem 
Glänze  den  vornchmften  und  feinften 
Gefchmack  vereinend.  Wer  an  rein 
decorativen  Reizen  Vergnügen  findet, 
der  wird  fchon  die  Stoffe  allein  und 
ihre  verichiedenartig  fchillerndc  Wir- 
kung, je  nach  der  Richtung,  in  wel- 
cher fein  Auge  darauf  fällt,  des  Studi- 
ums würdig  finden.  Mit  dieferLeiflung 
des  öfterreichifchen  Pavillons  kann 
der  deutfche  Kaiferpavillon,  ein  Werk 
der  Architekten  Kyllmann  und 
Hey  den,  keineswegs  den  Vergleich 
aushalten :  mehr  zeltartig  gedacht  und 
in  Holzgerüft  ausgeführt,  zeigt  er 
wenig  Phantafie  und  Gedanken,  und 
mit  feinen  rothen  Sammet  -  und 
Seidenfloffen    einen   ziemlich   gewöhnlichen  Gefchmack. 

Die  Fabrik  von  Haas  fleht  mit  ihren  Beftrebungen  in  üefterreich  keineswegs 
allein.  Man  kann  vielmehr  fagen ,  dafs,  obwohl  einzelne  Möbelftofffabrikcn  noch 
unter  franzöfifchem  lünflufs  flehen,  Architekten,  Seidenfabrikanten,  Decorateurc 
und  Kunfltifchlcr  in  die  gleiche  Richtung  hineindrängen ,  wenn  es  auch  nicht 
immer  mit  gleichem  Glücke  gefchieht.  Schon  längft  fleht  Giani  mit  feinen 
Brokaten  und  Seidenfloffen  durchaus  felbfländig  da,  anfangs  mehr  auf  kirch- 
lichem Gebiete,  jetzt  aber  auch  nicht  minder  der  Decoration  der  Wohnung  mit 
fliliflifchen  Vorhang-  und  Möbelftoffen  zugewendet.  Fr.  ü.  Schmidt  in  Wien, 
ein  ächter  Künfller  auf  dem  Gebiete  der  Wohnungs-Decoration ,  verfteht  es  vor- 
trefflich, uns  in  die  folide  Pracht  und  in  die  gcmüthvoUe  Stimmung  der  deutfchen 
Renaiffance  zu  verfetzen;    der  vielbefchäftigte  Schönthaler,  der  mit  vornehm 


SeidenftolV,   dunkelblau   mit  Gold,  von  l'hil.  Haas  & 
Söhne  in  Wien. 


64 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


edlem  Anflrich  der  Wohnung  ächte  Familienbehaghchkeit  zu  vereinen  weifs,  führt 
uns  diesmal  nur  wenige  feiner  gut  und  bequem  gebauten,  zum  Theil  auch  mit 
eingelegter  Arbeit  verzierten  Möbel  vor,  aber  nur  Mufter  beftehender  Einrichtungen 
und  nicht  fpeciell  für  die  Ausflellung  gefchaffen;  die  Kunfttifchler  D übe  11  und 
Ludwig,  letzterer  vorzugsweise  auf  eingelegte  Arbeit  den  Nachdruck  legend,  jener 
mit  gefunden,  kräftig  bequemen,  einfach  conftruirten  Lederfauteuils,  vertreten  ihr 


Büfte  der  k.  k.  Hoffchaufpielerin  Charlotte  Wolter,  von  Victor  Tilgner. 


Genre  vortrefflich  in  gleichem  Geifle.  So  könnten  wir  noch  eine  Reihe  nennen, 
unter  den  Tapezierern  z.B.  Alexander  Pollak,  wollen  aber  nur  noch  der  Borten 
und  fonftigen  Pofamentierarbeiten  Drächsler's  gedenken  und  zwar  defshalb,  weil 
diefe  Arbeiten,  die  zur  künftlerifchen  Vollendung  der  Möbel  und  Vorhänge  noth- 
wendig  find,  durch  den  Modegefchniack  gänzlich  verdorben  waren,  die  von 
Drächsler  aber  zum  erften  Male  einen  richtigen  Weg  einfchlagen.  Sämmtliche 
genannten  Fabrikanten  find  Wiener. 

Dem  Zuge  der  öftcrreichifchen,  fpeciell  der  Wiener  Fabricanten  folgen  die 
ungarifchen  Kunfltifchler  mit  ihren  Holz-  und  Ledermöbeln,  zum  Theil  nicht 
ohne  Glück;  fie  bieten  uns  aber  kein  felbftändiges  Intereffe.  Ganz  anders  ift 
es  mit  Italien,  deffen  Kunftmöbel  in  gewiffem  Sinne  vielleicht  von  allen  am 
höchflen  flehen ;  aber  fie  nehmen  einen  anderen  Standpunkt  ein.  Bei  den  Italie- 
nern handelt  es  fich  nicht  um  eine  volle  harmonifche  Ausflattung  der  Wohnung, 
fondern  um  die  Schöpfung  des  einzelnen  Stückes  als  eines  Kunftwerkes.  Wie 
es  verwendet  wird,  das  ift  dem  Liebhaber  überlaffen.     Der  Standpunkt   ift  auch 


I.    WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


65 


;,gyi)lifcher  ]'alafl ;    llofaMfich.. 

zum  grofscn  Tlicil  der  antiquarifche,  dtr  Standpunkt  der  Imitation  btilimmter  alter  Mufter. 
Diefe  gehören  nun  allerdings  falt  fammtlich  der  RenailTance  an,  von  der  Frührenaiffance  ange- 
fangen mit  ihrem  ftrengen,  einfachen  Bau  und  den  flachen  Arabesken  und  Ornamenten  bis  zu 


ßfi 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


den  naturaliftifchen,  virtuos  behandelten,  mit  Profilen.  Figuren  und  Ornamenten  frei 
und  breit  heraustretenden  gefchnitzten  Möbeln  der  Barockzeit.  Zu  ihnen  gefellen 
fich  die  Cabinetftücke  von  Ebenholz  mit  eingelegtem  Elfenbein,  fov\ie  die  mit  farbi- 
gen Steinen  und  vergoldeten  Bronzen.  Jene  Arbeiten,  die  mehr  im  Stil  der  Früh- 
renaiffance  gehalten  find,  haben  die  Italiener  für  fich  allein.  Unter  ihnen  tritt  ein 
grofser  Kaften  von  Morin  i  in  Florenz  hervor,  fowie  die  kleineren,  bis  aufs  feinfte 
durchgearbeiteten  Rahmen  und  F'üUflücke  von  Frullini,  die  fchon  feit  1867  fich 
die  Bewunderung  der  Kunftwelt  errungen  haben.  In  den  übrigen  Renaiffancemöbeln 
concurriren  die  Italiener  insbefondere  mit  den  Franzofen ;  die  ihrigen  haben  aber  den 
Vorzug  gröfserer  Freiheit,  kräftigerer  Haltung  und  einer  angemeffeneren ,  mehr 
virtuofen  und  weniger  raffinirten  Behandlung  des  Holzes.  Bei  der  gröfseren  Freiheit 
und  der  kräftigeren  Gliederung  und  Profilirung,  welche  die  Italiener  fich  erlauben, 
machen  fie  mehr  Anwendung  von  figürlichem  Schmuck,  der  fich  von  Reliefs  zu 
Karyatiden  und  frei  daftehenden  lebensgrofsen  Figuren  in  vollem  Hochrelief 
fteigert.  In  diefem  Genre  des  Hochreliefs  ift  wohl  das  Bedeutendfle  ein  Kamin, 
deffen  weit  vortretendes  Gefims  von  zwei  männlichen  Figuren  getragen  wird,  eine 
Arbeit  von  Panciera  in  Venedig,  während  fich  ein  prachtvolles  Bett  von  F'erri 
und  Bertolozzi  in  Rom  mit  Reliefs  und  Karyatiden,  fowie  ein  Credenzkaften  aus 
dem  artiflischen  Inflitut  von  M.  Guggenheim  in  Venedig  auf  dem  mittleren 
Standpunkt  hält.  Letzterer  übrigens  führt  uns  auch  in  einem  anderen  Stück  den 
kräftigeren  Barockflil  vor,  fowie  an  einem  mit  farbigen  Marmorarten,  Lapislazuli 
und  anderen  Steinen,  fowie  mit  Bronzebefchlägen  und  Bronzefiguren  gefchmückten 
Cabinetftücke  ein  Beifpiel  jener  eigenthümlichen  Prachtarbeiten  des  fiebzehnten 
Jahrhunderts,  die  mehr  durch  ihre  glänzende  und  farbige  Erfcheinung,  als  durch 
künftlerifche  Gediegenheit  dem  damaligen  Kunflfinn  gefielen. 

Unter  den  übrigen  Staaten  der  modernen  Cultur,  welche  uns  bedeutendere 
Gegenftände  für  die  Ausfl:attung  der  Wohnung  gefendet  haben,  nimmt  wohl  nur 
Dänemark  noch  eine  eigenthümliche  Stellung  ein,  wenn  auch  diefe  P^igenthüm- 
lichkeit  fo  zu  fagen  nur  in  einer  Schattirung  des  allgemeinen  modernen  Charakters 
befteht.  Das  kleine  Land  befindet  fich  mit  feiner  künftlerifchen  Bildung  noch 
immer  unter  dem  mächtig  nachwirkenden  Einflufse  Thorwaldfen's,  und  daher 
tragen  feine  zierlichen,  gut  gearbeiteten,  etwas  fchwächlich  profilirten  Möbel  eine 
Hinneigung  zur  Antike  zur  .Schau,  die  ihnen  einerfeits  einen  edlen  Anflrich  giebt, 
andrerfeits  aber  auch  eine  gewiffe  Steifheit  und  Nüchternheit,  wie  fie  modernen 
Antikifirungen  zu  eigen  ift,  nicht  verleugnen  kann.  Auch  Belgien  ifl  ver- 
treten, und  zwar  mit  trefflichen,  ftilifirt  gezeichneten  Tapeten,  fowie  mit  Renais- 
fancemöbeln  von  guter  gefchnitzter  Arbeit ;  fie  gleichen  aber  zu  fehr  der  franzö- 
fifcheh,  um  irgend  P^igenthümlichkeit  in  Anfpruch  zu  nehmen.  Daffelbe  ift  der 
Fall  mit  den  belgifchen  Gobelins,  die  nur  ein  Abzweig  der  franzöfifchen  find; 
imitirte  Gobelins  von  Charle-Albert  in  Brüffel,  z.B.  ein  Gemälde  nach  Teniers, 
treffen  gar  nicht  den  Ton  und  Charakter  diefer  gewebten  Malereien,  weil  fie  fich 
wie  trockene  Gouachemalereien  auf  Leinwand  darftellen.  Holland  hat  uns  nur 
feine  Deventer  Teppiche  gefendet,  von  denen  die  befferen  alle  dem  orientali- 
fchen  Stile  folgen,  insbefondere  die  Smyrnaer  Art,  doch  mit  zu  grofser  Lebhaf- 
tigkeit der  Farben.      Auf   der  fchwedifchen  Ausftellung  find  fich  für  unferen 


I.    WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


67 


modernen  Gcfichtspunkt  nur  die  imitirton  Goldledertapcten  intereffant,  gute  für 
die  neue  Reform  der  Wohnung  brauchbare  Arbeiten,  die  ächten  Charakter  tragen. 
Die  Mufter  trifft  man  noch  häufig  im  Lande  felbft,  wo  fich  viel  Ledertapeten  aus 


Vafe  von  gravirtem  Kryftallglas  von  \V.  T.  Copeland  &  Sons  in  Stoke  upon  Trent. 

alter  Zeit  erhalten  haben.  Mit  Rufsland  würden  wir  fchon  das  Gebiet  .der 
nationalen  Frage  betreten.  Die  gebildete  Welt  Rufslands  hat  fich  allerdings  mit 
ihrer  Wohnung  auf  europäifchem  Fufs  eingerichtet,  und  dies  erkennen  wir  auch 
auf  der  Ausftellung    in   Möbeln,    Tapeten,    Teppichen,   die   noch   fehr  blumigen 


68 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Charakter  von  der  alten  Art  tragen,  aber  es  giebt  daneben  Beftrebungcn  —  wir 
werden  fie  fpäter  bei  anderen  Induftriezweigen  noch  einfiufsreicher  finden  — 
welche  es  fich  zur  Aufgabe  gemacht  haben,    die  eigenthümlichen  traditionellen 


Erker  des  egyptifchen  l'alaftes. 


Elemente  einer  nationalen  ruffifchcn  Kunft  in  die  moderne  Induftrie  einzufuhren 
und  dadurch  auch  für  die  gebildeten  und  vornehmen  Kreifc  von  heute  einen 
fpecififch  ruflifchen  Kunftcharakter  zu  fchaffcn.     Auf  dem  Gebiete  der  Wohnung, 


I.    WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


69 


d.  h.  eben  der  vurnchnien  oder  modernen  Wohnung,  fcheint  nun  das  noch  wenig 
gelungen  zu  fein.  Wir  könnten  als  Beifpiele  nur  einige  in  Eichenholz  gefchnitzte 
Möbel  fowie  verfchieiiene  Leinengewebe  für  das  Haus,  von  Handtüchern  und 
Decken  mit  rothen  Bordüren  und  Ornamenten  anführen,  davon  die  Motive  für 
jene  von  der  Ilolzarchitektur,  für  diefe  aus  der  ererbten,  allerdings  fehr  alten 
Bauernweberei  entnommen  Imd. 


Ziegelporlal  von  der  Wicncrbcrger  Ziegelfabriks-  und   IJaugefellfchaft,  entworfen  von  II.  v.   Kcrflel. 


2.     Das   nalionalc    Wohnhaus. 

Von  den  wenigen  Gegenfländen  abgefehen,  die  wir  in  der  ruffifchen  Aus- 
flellung  antreffen,  i(l  das  nationale  l'^ement  der  Iniluftrie  mit  feinen  überaus 
reichen,  ebenfo  urfprünglichen  wie  richtigen  ornamentalen  Motiven  noch  fo  gut 
wie  gar  nicht  in  die  moderne  Kunft  aufgenommen  worden.  Wir  müfsten  denn 
dahin  den  fogenannten  Schweizerftil  im  Holzbau  rechnen,  der  allerdiiigs  bei  Villen 
und  anderen  ländlichen  l'hantafiebautcn  vielfach  in  Anwendung  kommt  oder 
die  cigenthümliche,   orientalifirende  Verzierung  der  Decken   und  Mäntel  aus  der 


70 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


fpanifchen  Volkstracht,  welche  fchon  feit  einer  Reihe  von  Jahren  für  unfere  Vor- 
hang- und  Möbelfloffe  eines  der  fchönften  Motive  geliefert  haben.  An  An- 
deutungen jedoch  fehlt  es  nicht — und  es  find  die  Bemühungen  der  Kunftfreunde 
bereits  vielfach  dahin  gerichtet,  —  dafs  der  Schatz  von  Ornamenten  und  Moti- 
ven, der  Schatz  von  Belehrung,  welcher  in  der  nationalen  Hausinduftrie  ruht, 
gehoben  und  für  unfere  moderne  Decoration  gewonnen  wird.  Für  diesmal  muffen 
wir  uns  in  Betreff  der  Wohnung  mit  der  einfachen  Betrachtung  deffen  begnügen, 
was  uns  die  Ausflcllung  an  nationalen  Gebäuden  bietet,  ohne  weiter  die  Frage 
nach  ihrer  modernen  Verwerthung  aufzuwerfen. 

Es  lag  in  der  urfprünglichen  Abficht,  auf  der  Weltausflellung  ein  Gefammt- 
bild  der  menfchlichen  Wohnungen  zu  geben,  dadurch,  dafs  man  von  allen  Län- 


Krüge  von   C.  \V.  l'leifchmann  in   Nürnberg. 


dern  und  Völkern  ein  möglichft'originelles  Beifpiel  ihrer  Bau-  und  Wohnart  mit- 
fanimt  der  inneren  Ausflattung  brachte.  Der  Gedanke  hätte  fich  wohl  ausführen 
laffen,  wenn  man  fich  bei  der  vielfeitigen  Gröfse  der  Aufgabe  auf  das  befchränkt 
hätte,  was  wirklich  charakteriftifch  und  bedeutungsvoll  ifl,  und  die  Sache  über- 
haupt mit  Umficht  angegriffen  hätte.  So  ift  es  ergangen,  wie  bei  vielen  anderen 
guten  Ideen,  die  der  Leitung  der  Weltausflellung  zur  Verfügung  gefleht  wurden : 
man  entzog  fie  den  berufenen  und  kundigen  Händen,  und  fo  gelangten  fie  end- 
lich verpfufcht  zur  Verwirklichung,  oder  wurden  auch  ganz  aufgegeben,  nachdem 
fie  auf  dem  Programm  ihre  Schuldigkeit  gethan  hatten. 

So  fehen  wir  denn  im  fernen  Often  des  Weltausftclhingsraumes  unter  dem 
Namen  „Dorf"  ein  Häuflein  Blockhäufer  beifammen,  das  der  reine  Zufall  zu- 
fammengefchneit  hat,  wo  eben  der  fchöne  Gedanke  eine  empfängliche  Stätte 
gefunden  hatte.  Hier  und  da  in  der  Weite  trifft  man  wohl  noch  ein  anderes 
Gebäude,  das  diefen  nationalen  Bauten  angehört  und    flatt  uns  einen  Begriff  von 


JL 


I.     WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


71 


der  Wohnart  ihres  Landes  zu  geben,  als  Ausftcllungsraum  mit  allerlei  Arbeiten 
angefüllt  oder  auch  als  Conimiffionsbureau  benützt  ift.  Das  Meide  dazu  hat 
üeflcrrcich  fclbfl  geftellt ,  das  Intereffantcfte  Kufsland  und  Schweden.  Vertreten 
ift  eigentlich  nur  der  Holzbau,  der  Ziegelbau  allein  im  fiebenbürger  Sachfenhaufe, 
und  die  Riegelvvand  war  es  wenigflens  in  dem  Elfäffer  Hofe;  vielleicht  das  ge- 
fchichtlich  am  meiflen  charakteriflifche  Haus,  das  norddeutfche  Hauernhaus, 
deffen  Anlage  mit  der  alterten  Gefchichte  und  den  älteflcn  Sagen  flimmt,  ver- 
miffen  wir  leider,  wie  fo  vieles  Andere. 

Man  würde  naturgcmäfs  diefe  Bauten  nach  ihrem  Material  zu  fchildern  haben, 
aber  wie  gefagt,  ift  eigentlich  nur  das  eine  Material,  das  Holz,  vertreten  und  das 
folide  deutfche  Haus  aus  Siebenbürgen  erfcheint  wie  eine  Ausnahme.  Und  im 
Holzbau  wieder  ifl  faft  alles  Blockhausftil ,   d.  h.  die  Wände  find  aus  Balken  auf- 


Kayeiice-Teller  mit  Emailbemalung   in  türkifchem  Stil,  von  L.  Parvill^e  in  Paris. 


gebaut,  die  horizontal  auf  einander  liegen  und  mit  den  Köpfen  über  Kreuz  in 
einander  gefügt  find.  Gar  verfchieden  find  allerdings  die  Stufen,  in  welchen  diefer 
Stil  künfllerifch  ausgebildet  worden,  und  ebenfo  verfchieden  das  Alter  der  Mo- 
tive, die  wir  daran  zu  erkennen  vermögen. 

Unter  beiden  Gefichtspunkten  flehen  vielleicht  die  fchwedifchen  Holzbauten  am 
höchften  und  neben  ihnen  die  ruffifchen.  Unter  den  fchwedifchen  Gebäuden 
wieder  macht  die  im  „Dorf"  gelegene  Meierei  von  Wengflröm  den  originalflen 
Eindruck.  Die  Anlage  ifi:  eine  malerifche,  namentlich  von  der  Giebelfeite  her, 
wo  eine  gedeckte  Stiege  hinauf  fteigt  und  auf  eine  offene  Halle  führt,  über  welcher 
fich  der  Giebel  mit  gekreuzten  Balken  fchliefst.  Die  innere  Ausftattung  fehlt 
leider  gänzlich  und  auch  die  Anlage  der  Zimmer  bietet  nichts  Intereffantes;  fie 
fleht  wenigflens  in  keiner  Beziehung  mehr  zur  Anlage  des  altnordifchen  Haufes. 
Um  fo  intereffanter  erfcheint  die  Decoration  und  Architektur  des  Aeufseren, 
wenn  anders  fie  acht  und  traditionell  ift;   denn  wir  geftehen  offen,  in  Schweden 


Toilettenfpiegel  im  Stile  Louis  XVI.,  mit  den  Allegorien   der  Kunft  und  Natur, 
modellirt  von  Gumery,  ausgeführt  von  Chriftoüe  &   Co.  in  Paris. 


wohl  zahlreiche  roth  angeflrichene  Blockhäufer  gefehen  zu  haben,  keines  aber 
mit  fo  vollendeter  und  charakteriflifcher  Behandluntj  de.s  Holzes ;  auch  kann  man 
fich  dem  Mifstraupn  nicht  entziehen,  wenn  man  ficht,  mit  welcher  Willkür  und 
Phantafie  anderes  auf  der  Ausflellung  zur  Darflellung  gekommen  ift,  z.  B.  die 
orientalifchen  Gebäude.  Was  an  diefem  fchwedifchen  Haufe  charakteriftifch  ifl, 
das  find  die  Säulen  mit  ihrem  Würfelcapitäl,  die  Rundbogen  der  Fenfler  und  der 
Stiege  mit  ihrem  Zickzackornament,  alles  völlig  romanifch,  oder  vielmehr  fo  dem 
normannifchen  Bauftil  zu  eigen,  dafs  wir  uns  erflaunt  fragen:  fehen  wir  hier  die 
urfprünglichen  Motive  der  Normannenbauten  in  Frankreich  und  England  vor  uns? 


I.    WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


73 


Porzellanvafen  von  W.  T.  Copeland  &  Sons  in  Stoke  upon  Trent. 

Sind  diefe  Motive  dem  noch  altern  nordifchen  Holzbau  entlehnt?  Oder  ift  alles, 
was  wir  diefer  Art  an  der  fchwedifchen  Meierei  fehen,  nur  die  kiinftliche  Wieder- 
geburt aus  dem  Studium  und  der  Phautafie  eines  modernen  Architekten?  in 
jedem  Falle  find  die  übrigen  fchwedifchen  Holzbauten,  wie  der  Jagdpavillon,  der 
die  Ausflellung  der  Frauenarbeiten  aufgenommen  hat,  und  das  Fifchereigebäuile 
mit  feinem  fchönen  Portal  und  den  reizenden  Veranden,  freie  Schöpfungen  des 
Architekten,  foviel  alte  und  originale  Motive  auch  darin  zur  Verwendung  ge- 
kommen fein  mögen. 

Auch  von  den  ruffifchen  Holzgcljiiuden,  deren  wir  zwei  auf  der  Ausftellung 


10 


74  DAS  KUNSTGEWERBE. 


haben,  ifl;  mindeftens  das  eine,  das  i^rofse  Gehöft,  idealifirt.  In  diefer  Weife 
wohnt  kein  Bauer,  auch  ein  ruffifcher  nicht.  Dennoch,  obwohl  es  für  feine  Be- 
ftimmung  allzureich  <^eflaltet  ift,  trägt  es  entfchieden  den  ächten,  fpecififch  ruffi- 
fchen  Charakter,  ebenfo  wie  das  zweite  Gebäude,  das  als  ruffifche  Reflauration 
benützt  ifl.  Beide  find  im  Blockhausflil  gebaut,  beide  tragen  die  gleichartige 
Ornamentation ,  find  aber  darin  verfchieden ,  dafs  das  gröfsere  Gehöft  in  feiner 
Holzfarbe  blaffer  ifl,  während  die  Reflauration  einen  polychromen  Anftrich  in 
Braun ,  Roth ,  und  Blau  erhalten  hat.  Letzteres  entfprieht  der  Landesfitte.  So 
wie  es  hier  gefchehen  ifl,  ohne  helle  Farben  und  grelle  Gegenfätze,  macht  es 
mit  dem  Hintergrunde  der  grünen  Bäume  einen  höchfl  angenehmen  und  wohl- 
thuenden  Eindruck. 

Die  Anlage  diefer  ruffifchen  Häufer  ifl,  wie  die  der  fchwedifchen,  eine  ent- 
fchieden malerifche.  Säulengeflützte  Veranden,  vorfpringende  Dächer,  reich 
verzierte  Giebel,  gekuppelte,  bunt  umrahmte  Fenfter  geben  Mannichfaltigkeit  und 
Bewegung  der  Linien,  Wechfel  von  Licht  und  Schatten.  Das  Gehöft  enthält  zu 
dem  Hauptgebäude  noch  einige  kleinere,  verbunden  oder  umfchloffen  durch  eine 
kunftvoll  in  durchbrochener  Arbeit  verzierte  Umzäumung,  mit  einer  äufserft 
reichen  Doppelpforte  mit  durchbrochenen  Flügelthüren  und  einem  krönenden 
Dach  darüber.  Das  Hauptgebäude,  ähnlich  wie  die  fchwedifche  Meierei,  mit 
einem  Hauptflock  und  einem  niedrigeren  Parterregefchofs  darunter,  hat  jedoch 
feine  Stiege  im  Innern.  Vor  der  Eingangsthür  ifl  eine  offene  Halle  mit  einem 
bedeckten  Gang  zur  Seite:  alles  fcheint  darauf  angelegt,  Luft,  Licht  und  Sonne 
foviel  wie  möglich  zu  geniefsen.  Das  grofse  Wohnzimmer  im  Hauptgefchofs  ifl 
foweit  eingerichtet,  dafs  es  uns  wohl  eine  Idee  von  der  ruffifchen  Wohnung  zu 
geben  vermag.  Alles  ifl  mit  Holz  gedeckt  und  gedielt,  der  Plafond  zeigt  feine 
Balken,  Gefimsbretter  tragen  Faiencekrüge  und  anderes  Gefchirr,  der  (imitirte) 
oben  platte  Kachelofen  den  Samowar  und  das  übrige  Theegeräth,  in  einer  Ecke 
ficht  man  das  umhängte  Heiligenbild,  die  Vorrichtung  zur  religiöfen  Uebung, 
Tifche,  Bänke  und  Stühle  und  einfach  aus  Holz  mit  meifl  vertieft  gefchnittenem 
Ornament,  einzelne  Leinengewebe  endlfch,  die  als  Handtücher  oder  Thürbehang 
dienen,  geben  uns  mit  ihren  rothen  Ornamenten  Beifpiele  von  den  eigenthüm- 
lichen  nationalen  Geweben  Rufslands. 

Was  diefes  ruffifche  Haus  wohl  am  meiflen  charakterifirt,  das  ifl  fein  achtes 
Holzornament.  Die  Bauart  ifl  der  Blockhausflil,  doch  fo,  dafs  die  Balken  auf 
der  Aufsenfeite  wieder  abgerundet  find.  Dies  könnte  auf  ein  fehr  altes  Motiv 
hinweifen,  wonach  die  Baumflämme  nur  unten  und  oben,  wo  fie  auf  einander 
liegen,  abgeplattet  wären.  Wo  aber  nur  die  Möglichkeit  fich  zeigt,  das  durch- 
brochene Holzornament  einigermafsen  organifch  an  den  Ecken  und  Kanten  an- 
zubringen, da  ifl  es  auch  gefchehen.  Es  bekränzt  die  Giebel,  läuft  auf  dem 
ganzen  Dachfirfl  entlang,  fällt  wie  ein  Spitzenfchleier  vom  Dach  herunter,  bildet 
Gallerien,  Geländer,  Gitter,  Zäune,  umgiebt  als  Rahmen  die  Fenfler,  kurzum 
bildet  völlig  die  charakteriflifche  Erfcheinung  des  rufifchen  Haufes.  Seine  Art 
ifl  auf  den  erflen  Blick  fehr  einfach.  Es  ifl  keine  plaflifche  Schnitzerei,  die  fich 
aus  dem  Grunde  herausbewegt  und  modellirt;  es  ift  rein  aus  dem  Brett  durch- 
fägte  Arbeit,  die  wie  Spitzenkanten  endet.    Durchweg  find  es  kurze  grade  Linien, 


I.    WÜHNUNGSAUSSTATTUNÜ. 


75 


aus  denen  fich  das  Ornament  zufammenfetzt,  aber  dennoch  find  die  Motive  reich, 
mannif^fach  und  eigenthümlich.  Seltner  erkennt  man  pflanzliche,  hier  und  da 
auch  Thiermotivc,  wie  z.  H.  gegenübergertellte  Vöjjel  an  der  Umzäumuny  des 
Gehöftes,  aber  diefe  Thierbilder  find  mit  graden  Linien  auf  eine  felir  fimple  Ur- 
form zurückgeführt  und  man  braucht  zuweilen  Zeit,  fic  zu  erkennen.  Offenbar 
ift  diefe  einfache  Art  der  Ornamentation,  die,    fo  entwickelt    fie    erfcheint,  doch 


l'aience-Gefiifse  mit  Email,  von  E.  CoUinot  in  Paris. 

niedriger  fteht  als  das  eigentliche  Relief  und  die  Schnitzerei,  um  ihre  Einfachheit 
und  Natürlichkeit  willen  uralt;  wann  fie  entftanden,  ift  darum  wohl  fchwer  zu 
fagen.  Andere  Motive  des  ruffifchen  Haufes  laffen  uns  eher  auf  beftimmte  Zeiten 
des  Urfprungs  fchliefsen;  fo  weifet  z.  B.  das  Würfelcapitäl ,  wie  wir  es  an  den 
Pfeilern  des  Gehöftes  und  den  kleinen  Säulen  der  Reftauration  fehen,  auf  die 
alten  byzantinifchen  Verbindungen  und  ICinfiffe  hin.  Es  wäre  darum  wohl  der 
Mühe  werth,  der  Gefchichte  der  ruffifchen  Holzbauten  rückwärts  ein  wenig  nach- 
zugehen; doch  wird  es  fchwer  fein,   das  Material  zufammenzulefen. 

Im  Gegenfatze  zu  den  ruffifchen  und  fchwedifciien  Gebäuden  erfcheinen  die 


»• 


I.    WUIINUNGSAUSSTATTUNG. 


77 


Ampel  für  ein  Schlafzimmer  mit  drei   Klammen, 
von  der  Uerliner  Actiengefellfcliaft  für  Central-Heizungs-,  Waffer-  und  Clas-Anlagen. 

architektonifchcn   Motive    bei    den    Schweizer   Hau  fern ,    wenigftens    bei   dem 
Chalet,  das  die  Schweizer  Schulausftellung  beherbergt,  verhältnifsniäfsig  neu.    Sic 


78 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


liegen  alle  diesfeits  der  Renaiffance.  Selbft  der  Blockhauscharakter  hat  fich  ge- 
ändert, indem  es  nicht  mehr  die  vollen  quadratifchen  Balken  find,  aus  denen  fich 
die  Wände  aufbauen,  fondern  dicke  Bohlen,  die  mit  den  Schmalfeiten  auf  ein- 
ander liehen,  und  dort,  wo  fie  fich  durchkreuzen,  mit  durchgehenden  Zapfen  ver- 
bunden find.  Ihre  Ausläufer  find  gefchnitzt  und  fo  ornamental  verwerthet.  Was 
dem  Schweizer  Haufe  vor  allem  feine  charakteriftifche  Erfcheinung  giebt,  das  ifl 
das  vorfpringende  Dach  und  die  umlaufende,  von  Säulen  getragene  Gallerie.  An 
unferem  Chalet  umgeben  fie  das  erhöhte  Erdgefchofs  und  das  eine  Stockwerk 
darüber.  In  ihrer  durchbrochenen,  ausgefägten  Ornamentation  erfcheinen  fie  fehr 
modern  und  fehr  willkürlich,  höchftens  dafs  uns  Flächenmotive  in  das  fiebzehnte 
Jahrhundert  zurückführen.  Daffelbe  ifl;  im  Innern  der  Fall,  das  uns'  kein  befonderes 
Intereffe  mehr  bietet.  Die  hölzernen  Plafonds  in  Renaiffanceart  bei  angeworfenen 
Wänden,  die  Farquetten  der  Fufsböden  erfcheinen  mehr  als  induflrieller  Aus- 
ftellungsgegenfland,  denn  dafs  fie  dem  Schweizerhaufe  charakteriftifch  wären. 

Wenn  das  Chalet  wohl  nur  ein  unbedeutender  Vertreter  feiner  Art  ifl ,  fo 
imponirt  uns  dagegen  das  ihm  fonft  am  nächften  flehende  Vorarlberger  Haus 
mit  langer  Fenfterreihe  als  ein  höchft  flattlicher  Bau,  geeignet  als  Sitz  für  eine 
wohlhabende  und  zahlreiche  Familie.  Hat  das  Schweizer  Haus  den  Blockhaus- 
fbl  fchon  halbwegs  aufgegeben,  fo  zeigt  das  Vorarlberger  einen  noch  mehr  fort- 
gefchrittenen  Standpunkt.  Die  ganzen  Wände  find  fchuppenförmig  mit  zierlich 
gearbeiteten  Schindeln  bedeckt,  gewiffermafsen  in  einem  hölzernen  Verputzftil, 
der  den  Rohbau  der  Blöcke  verbirgt.  Ueberhaupt  ifl;  der  Eindruck  des  Aeufseren 
höchft  civilifirt  und  der  des  Innern,  was  Wände,  Decken  und  Fufsböden  betrifft, 
alles  gedielt  und  getäfelt,  nicht  minder.  Die  wenigen  Möbel,  fogenannte  Bauern- 
feffel  von  Tannenholz,  die  Lehnen  in  Adlerform  ausgefchnitten  ohne  weitere 
Verzierung,  entfprechend.  Tifche,  ein  brauner  Kachelofen  mit  Bänken  zu  beiden 
Seiten,  paffen  dazu  allenlings  nicht  völlig.  Das  Haus  erfcheint  faft  zu  vornehm 
und  ftattlich  für  diefes  einfache  Geräth.  Was  die  Anlage  betrifft,  fo  erfcheint 
die  Giebelfeite,  auf  welcher  fich  auch  der  Haupteingang  befindet,  als  die  Fronte: 
Gallerien  mit  gebrochenen  Geländern  fchmücken  fie  von  unten  bis  oben.  Die 
Langfeiten  zeigen  nur  ftattliche  Keihen  regelmäfsiger  Doppelfenfter  mit  geradem 
Abfchlufs.  Auch  für  diefes  Gebäude  muffen  wir  die  Motive  des  architektonifchen 
und  ornamentalen  Details  dieffeits  der  Renaiffance  fuchen. 

Einen  fo  vornehmen  und  flattlichen  Charakter  tragen  nun  freilich  die  natio- 
nalen Wohngebäude  nicht,  welche  die  öftliche  Hälfte  Oefterreichs  auf  die  Aiis- 
ftellung  gefendet  hat.  Die  gegenwärtigen  zeitweiligen  Bewohner  behaupten  aller- 
dings, dafs  fie  es  in  der  Heimath  fchöner  und  beffer  haben,  und  es  wäre  dem- 
nach in  diefer  Beziehung  die  Weltausflellung  hinter  der  Wirklichkeit  zurückge- 
blieben, während  fie  fonft  gewöhnlich  Kraftanftrengungen  macht,  darüber  hinaus 
zu  fchiefsen.  Als  eine  folche,  in  diefef  Beziehung  ungenügende  Vertretung  wird 
das  fogenannte  Geidlerhaus  bezeichnet,  die  Wohnung  deutfcher  Anfiedler  im 
Neutraer  Comitat.  Es  ift  ein  armfeliges  Blockhaus  von  rohem  Gefüge,  unver- 
ziert  und  zum  Theil  unverputzt  in  den  Fugen,  fo  dafs  Wind,  Regen  und  Schnee 
eindringen  mögen.  Kleine  Fenfter  nach  flavifcher  Art  laffen  fpärliches  Licht 
in  das  Innere  hinein.     Das  eine   aufgefetzte  Stockwerk ,   das  an  zwei  Seiten  von 


I.  WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


einer  engen  Gallerie  umgeben 
ift,  enthält  nur  ein  paar  Kammer- 
chcn;  das  Hauptgemach  hegt 
im  Erdgefchofs  zur  Seite.  Es 
ift  wenigftens  freundlich  ausge- 
ilaltct  mit  einem  grofsen  grünen 
Kachelofen  und  Hanken  herum 
nach  alter  ilcutfcher  Sitte  ,  wie 
wir  beides,  Ofen  und  Bank, 
heute  noch  regelmäfsig  z.  B.  in 
Franken  antreffen ,  während 
bunte  ungarifche  Faiencekrüge, 
ebenfalls  traditionell  nach  alter 
Art,  den  Wänden  einigen 
Schmuck  verleihen. 

Läfst  uns  diefes  Geidler- 
haus,  zumal  mit  feinen  engen 
Fenftern  fchon  den  Einflufs  feiner 
nicht  deutfchen  Umgebung  er- 
kennen, fo  muthet  uns  das 
ungarifche  Szeklerhaus  aus 
Siebenbürgen  gar  fremdartig  an. 
Es  ift  nicht  blofs  ein  Haus,  es 
ift  ein  Gehöft,  in  das  wir  durch 
ein  grofses  Holzportal  eintreten. 
Schon  diefes  ift  intereffant,  und 
zeigt  uns  diefelbe  Liebe  zum 
farbigen  ornamentalen  Schmuck, 
die  der  Slave  wie  der  Ungar 
an  Kleidung,  Stickereien,  Haus- 
geräth  überall  bethätigt.  Das 
Portal  ift  ein  grofses  Wagenthor 
mit  einem  kleineren  für  Fufs- 
gänger  zur  Seite,  das  wieder 
eine  mit  einem  fchirmenden 
Dach  überdeckte  Bank  neben 
fich  hat,  wohl  um  die  Abend- 
ruhe zu  geniefsen.  Ueber  das 
Thor  läuft  ein  Rundbogen,  alles 
aus  F^ichenbohlen  gezimmert 
und  mit  allerlei  vertieft  ausge- 
ftochenem  und  mit  Farbe  aus- 
gefülltem Ornament  verziert, 
das  in  Ranken ,  Rofetten  und 
Mufchelwerk  offenbar  in  diefer 


Bronze -l-amul.ilici   von  D.  Hollenbach  Sohne  in  Wien. 
Nach  Zeichnung  von  Th.  Ilonfen. 


DAS  KUNSTGEWERBE 


r-  flnfs  der  Renaiffance  entftanden  Ut.     t,s   ^  ^^^^  ^^^^  ^^^ 

Geftalt  erft  unter  dem  1^";«^,"J^^^^!;,^„  ^  ,i,  fuchen  Urekmente  u.  Urzeiten, 
oft,  wie  mit  den  -^^^^^  l'^'^^^t^roräeuim.  nahe  Uegt. 
Zeit  der  Entftehung  gewöhnlich  aufsero 


I.    WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


81 


Tapclc  ii.ich  Zeichnung  von   lilclibacli,  ;ui>gciu 


iili     \  (MI    iluulllia 


UuL   Söhne  in  Uarmftadt. 


Das  Szeklerhaus  hat  blofs  ein  Erdgefchofs  mit  einem  vorfpringeiiden  Schindel- 
dach und  mittelgrofsen  Fcnftcrn;  feine  Wände  find  in  vollem  Hlockhausflil  ge- 
baut. Durch  eine  Flur  treten  wir  rechts  in  ein  gröfseres  Wohnzimmer,  deffen 
Wände  ringsum,  wo  nicht  Ofen  und  Gefchirrkaften  ihren  Platz  haben,  mit  Betten 
und  Bänken,  die  zugleich  als  Karten  «iienen,  umrtellt  find.  Das  Bettzeug  thürmt 
fich  nach  ungarifcher  Sitte  (an  Gänfcn  ift  Ucbcrflufs)    mit  KederkilTen    hoch    auf. 


82 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Der  Plafond  läfst  feine  Balken  fehen,  über  welche  von  oben  her  eine  Dielen- 
decke gelegt  ift.  Oben  an  den  Wänden  hängt  ringsum  bunt  glafirtes  Faience- 
gefchirr  in  ungarifcher  Art.  Alles  Holzgeräth,  Betten,  Gefchirrkaflen,  Bänke  find 
farbig  und  bunt  mit  Blumen  bemalt,  fodafs  das  Ganze  einen  ziemlich  luftigen 
Eindruck  macht. 

Noch  eigenthümlicher,  wenigflens  vom  architektonifchen  Gefichtspunkt, 
erfcheint  das  croatifche  Haus  aus  der  Gegend  von  Karlfladt  in  Croatien.  Es  ift 
ein  Modell  für  viele  und  fomit  nicht  das  croatifche  oder  gar  flavifche  Mufler- 
haus.     Es  giebt  yerfchiedene  und  fehr  verfchiedene  andere  flavifche  Hausmodelle. 


,<Kii. 


In   Sillier  gefafsles  Halsband,  von  Bellezza  in  Turin. 


Indeffen  ift  es  intereffant  in  feiner  Anlage,  obwohl  klein  in  den  Dimcnfionen.  Es 
ift  nicht  wie  das  Szeklerhaus  nur  ein  Erdgefchofs,  fondern  einftöckig  und  die 
Wohnräume  liegen  im  oberen  Stock.  Das  Blockhausfyftem ,  in  welchem  es  ge- 
baut, ift  daffelbe  wie  bei  dem  Schweizer  Chalet:  nicht  Balken,  fondern  etwa  drei- 
zöllige  Bohlen  liegen  mit  den  Schmalfeiten  über  einander.  Das  Erdgefchofs 
enthält  die  Küche  und  die  Vorrathsräume.  In  der  Mitte  führt  eine  Stiege  in  den 
obern  Stock  und  mündet  in  eine  fchmale  Flur,  welche  mit  Lichtöffnungen  zu 
beiden  Seiten,  den  oberen  Raum  in  zwei  gleiche  Hälften  theilt.  Diefe  Flur  hat 
nach  vorn  ftatt"  der  Fenfter  eine  breite  Oeffnung  mit  einer  Brüftung,  die  ganz 
mit  Blumen  befetzt  ift,  fodafs  der  Anblick,  wenn  man  die  Stiege  heraufkommt,  ein 
ebenfo  eigenthümlicher  wie  anmuthiger  ift.  Zur  Linken  liegt  das  Wohnzimmer, 
ausgt.'ftattet  mit  bunt  bemalten  Ik'ttftätten  und  kofferartigen  Kaften,  mit  bemalten 
hölzernen  Feldflafchen  und  anderem  Gefchirr,  mit  den  Coftümen  aus  farbigem 
Leder  und  endlich  mit  den  roth  und  fchwarz  in  Querftreifenmufter  gewebten 
Handtüchern  unil  Decken,  die  wir  zahlreich  in  der  nationalen  Ausftellung  Ungarns 
erblicken. 

Wie  das  Geidlerhaus,   fo  hat  fich  auch  das  Bauernhaus  der  fiebenbürger 
Sachfen  von  den  Einflüffen  feiner  nichtdeutfchen  Umgebung  nicht  ganz  frei  er- 


I.    WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


83 


halten.  Es  ift,  wie  fchon  oben  bemerkt  worden,  von  den  nationalen  Gebäuden 
das  einzige,  welches  in  Ikickfleinbau  mit  Verputz  und  Ziegeldach  aufgeführt 
worden.  Hierin  nun  unterfchcidet  es  fich  wefentlich  von  den  ungarifchen  und 
flavifchen  Häufern,  wenigftens  von  denen,  die  auf  der  Anstellung  zu  fehen 
find.  Wir  wüfsten  aber  doch  kaum,  wenn  wir  unfere  Erinnerung  über  die  deut- 
fchen  Gaue  fliegen  laffen,  wo  wir  irgendwo  Aehnliches  fänden,  was  feiner  eigen- 
thümlichen  Anlage  entfpräche.  üiefe  Eigenthümlichkeit  liegt  befonders  in  einer 
äufseren  gedeckten  Stiege,  welche  zum  hoch  erhöhten  Gefchofs  hinaufführt  und 
üben  vor  der  Eingangsthüre  eine  kleine  Halle  bildet,  die  durch  eine  breite  Hogen- 
ütifnung  erleuchtet  ift.  Durch  die  Thüre  tritt  man  in  die  Flur,  welche  als  Küche 
dient;  rechts  und  links  find  Zimmer.     Das  gröfsere  Wohnzimmer  liegt  zur  Rechten 


Halsband  von  Bellezza  in  Turin. 


mit  Fenflern  auf  zwei  Seiten ;  an  (einer  Decke  find  die  Balken  fichtbar  geblieben. 
Es  ifl  freundlich  und  hell  gefchmückt,  ein  wenig  farbig,  aber  nicht  fo  blumig, 
wie  bei  Croaten  und  Ungarn.  Die  Truhen  und  Bänke  an  den  Wänden  und  was 
es  fonft  von  Tifchen  und  Karten  giebt,  find  lichtgelb  angeftrichen  und  mit  rothen 
Linien  gefällig  verziert;  auf  erhöhter  Ziegelbank  erhebt  fich  ein  grüner  Kachel- 
ofen und  oben  um  die  Wände  zieht  fich  rings  ein  Confolbrett,  beftellt  und  be- 
hängt mit  den  buntfarbigen  glafirten  Tellern  und  Krügen,  wie  fie  in  jenen  öftli- 
chen  Gegenden  beliebt  find.  Auch  das  Bett  hat  feinen  Schmuck  und  zwar  auf 
weifsen  Kiffen  diefelben  rothen  Ornamente,  wie  fie  die  ganze  flavifche  Welt,  wie 
fie  Ungarn  und  der  fkandinavifche  Norden  noch  kennen.  Auch  in  Deutfchland 
waren  fie  einmal  in  (gebrauch,  aber  bis  auf  äufserfl  wenige  Ueberrefte  find  fie 
vor  der  unverzierten  Leinwand  gänzlich  verfchwunden. 

Das  fiebenbürger  Sachfenhaus  fehnt  fich  nach  feines  Gleichen;  fie  find  aber 
von  der  Weltausftellung  ausgeblieben.  Sicherlich  wäre  es  interelTant  gewefen, 
auch  in  diefer  Art  eine  Reihe  verfchiedener  Gebäude  vergleichen  zu  können;  an 
Modellen  aus  weiten  Landen  hätte  es  nicht  gefehlt.  Mit  den  Holzbauten^find 
wir  etwas  beffer  daran,  doch  find  auch  fie  nur  Beifpiele,  die  der  Zufall  herbei- 
geführt hat.     Somit  bleibt  es  einer   künftigen  Weltausftellung,    die    mehr   darauf 


84 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Chriftefen  in  Kopenhagen.  Ohrring  von  Vianello  in  Florenz.  Chriftefen  in  Kopenhagen. 


Armbänder,  Halskette  und  Ohrgehänge  von  Chriftefen  in  Kopenhagen. 


I.  WOHNUNGSAUSSTATTUNG, 


85 


Prachtbett  von  Ha(Ta  &  Sohn  in  Wien. 


86  DAS  KUNSTGEWERBE. 


bedacht  ifl  als  die  unfrige,  ihre  Idee  mit  Confequenz  durchzuführen,  noch  vorbe- 
halten, das  nationale  Wohnhaus  zur  genügenden  Darflellung  zu  bringen.  Der 
Gegenftand  verdient  es  ficherlich  und  ifl:  intereffant  genug,  dafs  nun  auch  Archä- 
ologen und  gelehrte  Architekten  fich  ihm  zuwenden,  wie  die  Coftümkundc  ihre 
trefflichen  Bearbeiter  gefunden  hat.  Diefes  erkennen  zu  laffen,  reicht  die  Ver- 
tretung des  nationalen  Wohnhaufes  auf  unferer  Weltausftellung  eben  hin. 


3.   Die  orientalischen  Kauten. 

Der  Orient!  —  Wenn  wir  nur  an  ihn  denken,  fo  erheben  fich  in  unferer 
Seele  farbenprächtige  Bilder  und  die  „wunderbare  Märchenwelt  fteigt  auf  in  ihrer 
Pracht".  Wer  die  Türkei  und  ihre  weiten  Neben-  und  Hinterländer  aber  heute 
ficht,  wird  fchwerlich  ohne  ein  gut  Stück  Täufchung  zurückkehren,  und  wer  fich 
betrachtet,  was  uns  der  Orient  und  feine  Freunde  auf  der  Weltausftellung  auf- 
gebaut haben,  der  wird  das  kaum  mit  den  Bildern  feiner  Phantafie  in  Ein- 
klang bringen. 

Es  ifl:  auch  im  Orient  ein  grofser  Abftand  zwifchen  dem  Einfl  und  Jetzt: 
auch  er  ifl  in  feiner  Kunfl  gefunken  und  gefallen.  Ja,  die  alte  orientalifche 
Kunft,  fie  ifl  allerdings  wie  ein  Wunder  der  Wüfte  entfliegen,  wie  ein  Gebilde 
aus  dem  Nichts,  fchnell,  eigenthümlich,  in  Farben  und  Sonnenlicht  getaucht. 
Bis  die  arabifche  Kunft  ihren  Gefchichtsfchreiber  gefunden  hat,  bleibt  ihre  Ent- 
ftehung  und  Gefchichte  noch  immer  etwas  Räthfelhaftes.  Was  brachten  denn 
diefe  Wüflenföhne  an  Kunft  mit  fich,  als  fie  ihre  fteinige  und  fandige  Heimat 
verliefsen?  Was  konnten  die  Beduinen  davon  haben  als  ein  bischen  Schmuck 
der  Waffen  und  ein  paar  bunte  Streifen  an  Burnus  und  Zeltdecken  r  Da  flehen 
fie  noch  heute  in  der  türkifchen  Abtheilung  auf  der  Ausftellung,  wie  fie  damals 
waren  vor  mehr  denn  zwölfhundert  Jahren  am  Tage  der  Hegira.  Der  Drufe  vom 
Libanon,  der  Araber  von  Bagdad  find  ihr  leibhaftiges  Ebenbild,  prächtige  Er- 
fcheinungen  ohne  Frage,  fehr  malerifch,  aber  ficherlich  keine  Künftler. 

Freilich  fanden  die  Araber,  als  fie  auszogen  aus  ihrer  Wüfle  und  fich  eine 
Welt,  eine  reiche  Welt  eroberten,  überall  die  Kunft  vor,  zwar  eine  Kunft  im 
Verfall,  aber  doch  eine  Menge  Kunftarbeiter,  die  ohne  P>age  ihre  Lehrer  wurden, 
Lehrer  in  der  Technik  wie  in  den  Kunftformen.  Nichtsdeftoweniger  warfen  fie 
diefe  letzteren  rafch  und  entfchieden  wieder  ab.  Kaum  find  zweihundert  Jahre 
verfloffen  —  eine  Epoche,  in  der  fie  kaum  Zeit  gehabt  hatten,  ihre  Eroberungen 
zu  vollenden  oder  zu  befeftigen  —  da  ifl  fchon  ein  völlig  neuer  Kunftftil  fo 
gut  wie  fertig,  in  Charakter,  Form,  Ornament  gleich  grundverfchieden  von  der 
römifchen,  helleniftifchen  oder  byzantinifchen  Kunft,  von  allem,  was  die  Araber  an 
Kunft  in  dem  eroberten  Lande  vorgefunden  hatten.  Diefer  neue  Kunftftil 
läfst  uns  nun  allerdings  feine  Wunder  fehen,  wenn  wir  den  Berichten  ihrer 
Dichter  und  Schriftfteller,  wenn  wir  den  Schilderungen  der  Kreuzfahrer  glauben, 
wenn  wir  dem  Eindruck,  den  diefe  neue  Welt  auf  den  Europäer  machte,  dem 
Einflufs,  den  fie  auf  feine  Kunft,  auf  die  äfthetifche  Geftaltung  feines  Lebens 
ausübte,  vertrauen  wollen.  Das  Wenige,  was  uns  von  diefer  früheren  arabifchen, 
gewöhnlich  fazarenifch  genannten  Kunft  erhalten  ift,   widerfpricht  dem  in  keiner 


I.  WOHNLfNGSAUSSTATTUNG. 


87 


Weife.  Damals  war  es,  dafs  die  reichen,  prachtvollen,  überaus  bevölkerten  ara- 
bifchen  Städte,  wenn  nicht  entftanden,  doch  erblühten,  üaniascus,  Cairo,  Palermo, 
Cordova,  Granada  und  viele  andere;  damals  erhoben  fich  zahllofe  Paljifte,  grofs- 
artige  Villen,  mit  Gold  gefchmückt  und  mit  glänzenden  buntfarbigen  Fliefen  be- 
deckt, inmitten  von  Palmen-  und  Orangenhainen  oder  hinter  dunkelfchatti'jjen 
Kaftanien,  in  Gärten  von  eigenthümlicher  Anlage  und  Schönheit,  und  wo  nackter 
Fels    oder  dürre  Fläche    war  und    es  heute   wieder   ift,    da    fprangen  Jkunnen 


Indianer -Zelt  im   Park  der  Weltausftelhing. 


empor,  da  raufchten  Gewäffer  in  Cascaden  herab  oder  floflen  in  Canälen,  gleich 
fanften  Bächen. 

Das  war  damals.  Seitdem  ift  es  fehr  viel  anders  geworden.  Schon  die 
Herrfchaft  der  afrikanifchen  Mauren  in  Spanien  war  diefer  Cultur  nicht  günftig 
wenn  auch  unter  ihnen  noch  das  Reich  Granada  erblühte  und  eine  Alhambra 
erftand.  Die  Mauren  fcheinen  dazu  beigetragen  zu  haben  —  und  die  fimpeln 
rothen  Mauern  der  Alhambra  find  Zeugnifs  dafür  —  in  der  orientalifchen  Kunft 
lien  Innencharakter,  ilie  I'^ntfagung  in  Bezug  auf  das  Aeufsere  auszubilden. 
Drüben  auf  der  anderen  Seite,  in  der  Levante,  im  eigentlichen  Orient,  da  erftarb 
und  erftarrte  die  Kunft,  als  die  Osmanen  in  der  Herrfchaft  die  Araber  ablöften. 
.L)i(;  Tücken  find  eine  indolente,  unfruchtbare  Nation,  auf  dem  Qe^biete  der  Kunl]  und 


88 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Arbeit.     Sie  liefsen  verfallen ,   was  die  Araber  ihnen  überliefert  hatten ,  und  was 
noch   unter  ihnen  gefchafifen  wurde,    das  ifl  äfthetifch   wie  technifch  minder  gut, 


minder  künfllerifch  und  hat  an  Werth  und  Bedeutung  von  Jahrhundert  zu  Jahr- 
hundert abgenommen.  Nur  die  Indier  und  nach  ihnen  zunächft  die  Perfer  halten 
noch  einigermafsen  den  Ruhm    und  den  Charakter  der  orientalifchen  Kunft  auf- 


I.   WOHNUNGSAUSSTATTUNÜ. 


/IllUnrriccirtctrrrnrpcccrrrrrrrrfrrrPrrrrrrrrri '  - r  r  ■  r - r r  •  r cnociG'llt mtr. 


Majolica-Camin,  dunkelgrün  mit  bunter  Ufcoration,    Mittelfeld  Spiegel, 
von  Seidel  &  Sohn  in  Dresden. 


12 


90  DAS  KUNSTGEWERBE. 


recht ;  im  Uebrigen  erfcheint  alles  nur  wie  bewufstlofe  Durchführung  ererbter 
Traditionen  und  oft  in  fehr  liederlicher  Ausfülirung.  Was  gut  daran  iü,  das  ift 
eben  das  von  den  Vätern  Ererbte.  Heute  fteht  auch  die  orientalifche  Kunfl 
vor  einer  Reform,  vor  einer  zum  Theil  beabfichtigten  Wiederbelebung  oder  Um- 
wandlung; aber  wie  die  europäifche  Kunftinduftrie  eine  orientalifche  Frage  hat, 
fo  fieht  die  orientalifche  ihrerfeits  vor  fich  eine  europäifche  Frage.  Nicht  blofs, 
dafs  es  europäifche  Künüler  find,  franzöfifche  wie  auch  deutfche,  welche  fie  in 
Cairo,  Conflantinopel,  Smyrna  regeneriren  wollen,  nicht  blofs,  dafs  ihr  die 
modernen  Anilinfarben  zu  fchaffen  machen,  der  gebildete  Türke  europäifirt  fich 
jetzt  in  Leben  und  Sitte  und  mufs  daher  auch  in  feiner  W'ohnung  in  dem  Kampfe 
zwifchen  europäifcherund  örientalifcherAusftattung  einen  Ausgleich  eingehen.  Schla- 
gend  erkennen   wir  das  in  dem  türkifchen    Wohnhaus  auf  der  Weltausftellung. 

Man  mufs  das  Wefen  der  orientalifchen  Kunft  mit  Bezug  auf  die  Wohnung, 
auf  den  Privatbau  in  zweierlei  Eigenfchaften  fuchen:  einmal  darin,  dafs  das 
Aeufsere  gegenüber  dem  Innern  vernachläffigt  wird,  dafs  der  Innern  Ausftattung 
und  Decoration  zugute  kommt,  was  man  an  Schmuck  und  Glanz  zu  verwenden 
hat,  und  zum  zweiten  darin,  dafs  die  Decoration,  der  Figur  und  Plaftik  ent- 
fagend,  lediglich  farbige  Decoration  der  Fläche  ifl;;  wo  erhöhtes  Ornament  aus 
der  Grundfläche  heraustritt,  da  ifl  es  eigentlich  nur  fcheinbar  plaftifch,  weil  es 
mit  feinen  Höhen  wieder  in  der  gleichen  Ebene  liegt.  Die  erftere  Eigenfchaft 
begreift  fich  leicht  aus  der  Art  des  häuslichen  Lebens,  aus  der  Abgefchloffen- 
heit  der  Frauenbund  des  Haufes  überhaupt.  Beides,  die  Einkehr  der  Kunft  und 
die  Abfperrung  von  Frau  und  Haus,  kann  feit  den  Zeiten  der  glänzenden  Cha- 
lifate  von  Bagdad  und  Cordova  nur  immer  gewachfen  fein;  denn  die  Schilderun- 
gen, die  uns  von  dem  Leben  der  arabifchen  Ritterfchaft ,  von  den  Paläften  und 
Villen  gemacht  werden,  fetzen  eine  weit  gröfsere  P'reiheit,  weit  mehr  Aeufser- 
lichkeit  voraus,  als  wir  fie  heute  oder  während  der  fetzten  Jahrhunderte  im  Orient 
finden.  Es  war  auch  mit  der  zweiten  Eigenfchaft  der  orientalifchen  Kunft  nicht 
anders,  nicht  fo,  als  ob  die  Araber  jemals  eine  blühende  Sculptur  in  unferem 
Sinne  befeffen  hätten;  aber  der  Islam  hatte  im  Mittelalter  und  noch  während 
des  vierzehnten  und  fünfzehnten  Jahrhunderts  im  Reiche  von  Granada  weit 
weniger  die  Scheu  vor  der  Darftellung  der  menfchlichen  und  thierifchen  Geftalt, , 
als  fie  heute  im  ganzen  türkifchen  Reiche  und  bei  allen  orthodoxen  Muhamme- 
danern  allgemein  ift.  Die  ketzerifchen  Perfer  machen  eine  Ausnahme,  ohne  es 
in  ihren  kleinen  figürlichen  Malereien  weit  gebracht  zu  haben. 

So  haben  wir  denn  unfere  Phantafie  ein  wenig  einzufchränken ,  unfere  Er- 
wartungen zu  dämpfen,  wenn  wir  an  das  „orientalifche  Viertel"  herantreten,  das 
uns  in  der  Weltausftellung  erbaut  worden.  Im  Abendfonnenlicht  liegt  es  aller- 
dings reizend  da  mit  feinen  warmen  Farben  und  feiner  zum  Theil  phantaftifcher  oder 
bewegter  Geftaltung,  umfäumt  vom  grünen  Walde;  aber  wenn  wir  das  Einzelne 
muftern,  wenn  wir  es  namentlich  auf  die  Frage  der  Aechtheit  prüfen,  fo  geht  es 
nicht  ohne  Täufchung  ab.  Wir  thun  immer  noch  beffer,  uns  mit  Hülfe  deffen, 
was  uns  Perfien,  die  Türkei,  Egypten,  Tunis  und  Marokko  an  Originalgegen- 
ftänden  gefendet  haben,  das  Bild  des  Orients,  mindeftens  gefagt,  zu  ergänzen 
und  zu  berichtigen,  als  jenen  Bauten  allzuviel  Vertrauen  zu  fchenken. 


I.  WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


91 


Das  „orientalifchc  Viertel"  wird  gebildet  von  dem  egyptjfchen  Palafl,  einem 
tiirkifchcn  Wohnhaufe  mit  kleinen  Hauten  daneben,  einer  Huiitiiiue  und  einem 
WatTenhaufe,  einem  marokkanifelien  Häuschen  und  einem  pcrfifchen  Haufe.  Der 
f.  g.  Cercle  oriental,  ein  reines  l'hantafiegebilde,  das  nirgends  in  der  Welt  feines 
Gleichen  hat,  ifl  für  uns  uhne  alles  Intercffe. 


Timi^iHii 


-f- 


i 


Uhr,  entworfen  von  König  und   Keldfcharek,  ausgeführt  von  Hanufch  und  üziedzinski  in   Wien. 

Von  diefen  Gebäuden  ift  ohne  Frage  der  egyptifche  Palalt,  ein  Werk  des 
Architekten  Smoranz,  bei  weitem  das  bedeutcndfte  und  intereffantefte.  Es  ifl 
nicht  ein  fimples  Wohnhaus,  fondern  in  der  That,  rein  künfllerifch  betrachtet, 
eine  fchöne  architektonifche  Leiftung.  Ein  Anderes  aber  ifl  es,  wenn  wir  nach 
der  Aechtheit   fragen,    wenn  wir,    begierig  nach  Kenntnifs    des  Orients,    wiiTen 


u* 


92 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Keiilaurin,  ein  MSdchen  lanzcii   Iclireiul.     Reliet  von  Kundmann. 


wollen,  ob  diefes  Gebäude  uns  heute  feines  Gleichen  im  Orient  repräfentirt. 
Diefe  Frage  nach  der  Aechtheit  muffen  wir  mit  Ja  und  zugleich  mit  Nein  be- 
antworten. Wenn  wir  einen  brillanten  franzöfifchen  Goldftofif  ausnehmen,  der 
im  Innern  zur  Bedeckung  von  Divans  verwendet  worden,  fo  dürfte  wohl  alles 
Einzelne  an  und  in  diefem  Palafte  original  fein ,  original  entweder  nach  feiner 
Zeichnung  oder  nach  feinem  Urfprung,  und  doch  zweifeln  wir,  ob  ein  Gebäude 
fo  wie  diefes,  fo  acht  orientalifch  es  uns  anmuthet,  im  Orient  cxiflirt  oder  exi- 
füren  könnte.  Die  Urfache  ifl  die,  dafs  an  dem  Gebäude  verfchicdene  Dinge 
vereinigt  find,  die  fich  in  Wirklichkeit  nicht  zufammenfinden,  dafs  der  Künftler 
vcrfchiedenen  Gefichtspunkten  und  Anforderungen  zu  entfprechen  hatte. 

Der  Künftler  wollte  zunächft  nicht  ein  einfaches  Wohnhaus,  fondern  ein 
möglichft  umfaffendes  Bild  der  orientalifchcn  Bauweife  geben,  daher  dachte  er 
an  die  Mofchee  wie  an  das  Haus ;  er  follte  dem  Vicekönig  einen  Palaft  erbauen 
und  hatte  doch  nicht  die  Mittel,  ihn  königlich  auszuftatten,  was  man  auch  wohl 
für  fechs  Monate  nicht  verlangen  konnte;  er  wollte  zugleich  von  der  alten,  acht 
arabifchen  Bau-  und  Decorationsweife  einen  Begriff  geben,  wie  fie  fich  wohl  in 
vielen  Gebäuden  Cairo's  erhalten  hat,  aber  nicht  mehr  in  Uebung  fteht.  So  ift 
es  gekommen,  dafs  hier  Theile  von  beftehenden  Mofcheen  genommen  find,   wie 


I.  WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


'J3 


Kentaur,  einen  Knaben    Klole  fpielcn  lehrend.     Relief  von   Kundniann. 

Minarets  und  Kuppel,  und  mit  dem  Palafte  vereinigt  wurden;  felbfl  den  öffent- 
lichen Bädern  find  Motive  entlehnt,  wie  die  halbrunden  Ausbauten  an  den  Schmal- 
feiten, und  mit  dem  Wohnhaus  verbunden;  fo  ifi;  es  gekommen,  dafs  wir,  von 
aufsen  die  Anlage  betrachtend,  einen  palaflartigen  Bau  vor  uns  haben,  deffen 
innere  Ausftattung  keineswegs  dem  entfprechcnd  erfcheint;  fo  finden  wir  end- 
lich Altes  und  Neues,  Antik-arabifches  fo  zu  fagen  mit  Modcrn-egyptifchem  bei- 
fammen,  Originale  wie  Copien. 

Laffen  wir  uns  alle  diefe  Gefichtspunkte  gefallen,  fehen  wir  davon  ab,  dafs 
uns  unfer  Bau  kein  Bild  der  gegenwärtigen  egyptifchen  Wohnung  bietet,  wie  wir 
es  von  einer  Weltausflellung  zu  erwarten  hätten,  ftellen  wir  uns,  kurz  gefagt, 
auf  den  Standpunkt  des  Künftlcrs  —  nun  gut ,  dann  hat  er  feine  Aufgabe  vor- 
trefflich gelöfet. 

Der  Anblick  diefes  ftattlichen  Palaflgebäudes  ift  voll  Reiz  und  Kigenthüm- 
lichkeit,  contraftirend  genug  mit  unfern  europäifchen  Bauten  durch  fein  reiches 
und  unregelmäfsiges  Profil,  durch  fein  farbiges,  charaktervolles  Aeufsere,  durch 
fo  manches  uns  feltfame  Detail.  Das  eigentliche  Wohnhaus  bildet  einen  einiger- 
mafsen  regelmäfsigen  Mittelbau,  der  gen  Norden  vortritt,  mit  zwei  halbrunden 
grofsen   erkerartigen   Ausbauten   an  den  Schmalfeiteh,   die  einer  Eigenthümlich- 


94  DAS  KUNSTGEWERBE. 


keit  der  öffentlichen  Bäder  nachgebildet  find,  der  eine  mehr  offen,  der  andere 
gefchloffen.  Hinter  ihnen  ftofsen  zwei  Flügel  an  das  Hauptgebäude;  fie  treten 
weit  nach  Oft  und  Weft  vor  und  geben  dadurch  erfl:  dem  Haufe  fein  flattlichcs 
palaflartiges  Anfehen,  und  da  fie  das  eine  mit  einem  hohen  Minaret,  das  andere 
mit  einer  Kuppel  und  Minaret  abfchlieffen,  fo  find  fie  es,  die  das  bewegte,  kühne 
und  unregelmäffigc  Profil  der  ganzen  Anlage  hervorrufen.  Der  eine  diefer  Flügel, 
lang  und  fchmal ,  enthält  nur  die  in  einer  Flucht  anfteigende  Hauptftiege ,  der 
andere  die  Mofchee;  ihre  architektonifche  Gefialtung  ifl:  daher  fehr  verfchieden. 
Hinter  dem  Hauptgebäude,  zum  Theil  von  den  Flügeln  umfafst,  liegt  ein  mit 
Blumen,  Lauben  und  Brunnen  wohl  eingerichteter  Garten,  der  rückwärts  von  dem 
Gehöft  eines  wohlhabenden  egyptifchen  Bauern  oder  Farmers  begränzt  wird, 
während  gegen  Oflen  die  Nachbildung  eines  altegyptifchen  Grabes  von  Beni 
Haffan  daranftöfst.  Alfo  Palaft  oder  Wohnhaus,  Minaret  und  Mofchee,  Garten, 
und  Bauernhaus  mit  Drehbrunnen,  Stallungen  und  Taubcnfchlag,  dazu  mit  dem 
Grab  die  Erinnerung  an  Uregypten,  im  Innern  Altarabifch  und  Neuegyptifch 
repräfentirt  —  das  ifb  alles,  was  wir  erwarten  können.  Aber  hier  mufs  unfere 
Phantafie,  umgekehrt  wie  anderswo,  von  einander  trennen,  was  der  Künftlcr  ver- 
einigt hat. 

Betrachten  wir  uns  vor  allem  das  Wohnhaus  in  der  Mitte,  das  uns  am 
meiflen  iritereffirt.  Während  feine  beiden  reichen  Flügel  ganz  in  rothen  und 
gelben  horizontalen  Streifen  balkenartig  bemalt  find,  während  die  beiden  Mina- 
rets  und  die  Kuppel,  fämmtlich  beflimmten  Bauten  Cairos  nachgebildet,  mit 
Stalaktiten  und  Reliefornament  verziert  oder  gitterartig  bedeckt  find,  alfo  einen 
fehr  reichen  Schmuck  bieten,  ifl  das  Wohngebäude  auch  in  feinem  Aeufseren 
bei  weitem  befcheidener  und  einfacher.  Nur  das  Erdgefchofs  trägt  jenen  rothen 
und  gelben  Maucranflrich,  das  Hauptgefchofs  ifl  einfach  grau  und  fchliefst  oben 
mit  einer  farbig  decorirten  Hohlkehle  und  freiem  fpitzenartigem  Kranzornament 
darüber.  Was  ihm  Leben  giebt,  find  die  Fenfler,  der^n  fieben  das  Hauptgefchofs 
unterbrechen.  Drei  Prachtfenfter  in  der  Mitte  treten  auf  rothen  Doppel  faulen 
vor  und  überragen  den  Eingang,  eine  kleine  niedere  Pforte.  Die  Fenfler, 
obwohl  in  ihretpi  Genre  reiche  Arbeiten,  weifen  dennoch  mit  ihrem  Charakter 
auf  die  Kunft  und  das  abgefchloffene  Leben  im  Innern  hin.  Es  find  kaflenartig 
vortretende  Gitterfenfter,  aus  feinen  gedrehten  Stäbchen  in  fpitzenartigen  Muftern 
zufammengefetzt,  von  innen  zum  Theil  farbig  verglafet,  die  jeden  Blick  hinauf 
und  hinab  nach  aufsen  geflatten,  keinen  aber  in  das  Innere  eindringen  laffen. 
Auch  die  kleine,  enge,  niedere  Pforte  übt  Entfagung;  fie  ifl  allgemein  charakte- 
riflifch  für  das  orientalifche  Haus  im  Gegenfatz  gegen  das  europäifche,  das  mit 
möglichfl  grofsem  und  gefchmücktem  Portal  wie  mit  offenen  Armen  einladet. 
Reiches  Portal,  anfpruchs  volle  Fagade,  arm  feiige  oder  flitterhafte  Ausflattung  im 
Innern,  das  ifl  nur  zu  häufig  die  in  den  europäifchen  Städten  gewöhnliche  Erfchei- 
nung;  im  Orient  ifl  die  Regel  umgekehrt. 

Ganz  ifl  das  wohl  bei  unferem  Palafle  nicht  fo  der  Fall ;  denn  was  den 
Glanz  und  die  Pracht  betrifft,  fo  fleht  die  innere  Ausflattung,  wie  wir  fchon  an- 
gedeutet haben,  nicht  auf  der  Höhe.  Wenigflens  ifl;  das  der  Eindruck,  den  uns 
das  Innere  gemacht  hat.     Die  Wände  der  Zimmer  find  meifl  kahl  und  nackt  ge- 


I.  WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


95 


lalTen  ,  in  einfach  drapgelbem  Anflrich,  weder  glafirte  Fliefen,  noch  Teppiche, 
noch  Seidcnfloffe  fchmücken  fie;  nur  die  Plafonds  zeigen  wenigftens  Farbe  in 
reichen  alhambraartigen  Arabesken.  Etwas  mehr  Reichthum  tragen  nur  die  für 
den  Empfang  des  Vicekönigs  beftimmten  Räume  mit  Portieren,  Teppichen, 
Decken  und  Goldbrokatftoffen  auf  den  Divans  zur  Schau. 

Dafür  dürfen  wir  die  ganze  Anlage  des  Innern,  das  Verhältnifs  von  Hof  zu 
Gemach,  die  lünrichtung  der  Zimmer,  die  Lage  und  Vertheilung  von  Herrenge- 
mach und  Harem  wohl  als  völlig  acht  betrachten,  und  wir  können  uns  daraus 
einen  guten  Begriff  von  diefcn  myfteriöfcn  Partien  des  orientalifchen  Haufes 
machen.  Ebenfo  fällt  es  klar  in's  Auge,  wie  die  Wohnung  darauf  angelegt  ifl, 
fich  gegen  Sonne  und  Hitze  abzufperren  und  in  kühlem  Schatten  behaglicher 
Ruhe  zu  pflegen,  hingegeben  jenem  Quietismus,  darin  der  Orientale  bei  fich  den 
Hauptgenufs  des  Lebens  fucht.  Eingetreten  durch  die  enge  kleine  Pforte  be- 
finden wir  uns  alsbald  in  einem  hochumfchloffenen  Hofe,  in  deffen  Mitte,  um- 
geben von  frifchen  grofsblättrigen  Gewächfen,  «in  Springbrunnen  plätfchert;  zur 
Seite  ifl  eine  gemachartige  Halle,  von  drei  Seiten  umfchloffen,  nur  die  eine  Seite 
offen   dem   kühlen    Hofe   zugekehrt.      Es   ifl;   ein   fliiller,    erfrifchender  Aufenthalt. 

Der  am  meiften  charakteriflifche  Raum  ift  der  Empfangsfaal  des  Hausherrn, 
parterre  gelegen,  aber  bis  oben  durchgehend.  Er  ifl  im  Kreuz  angelegt,  mit 
einem  Waffer  in  der  Mitte,  die  Kreuzarme  mit  Divans  zu  Sitzgemächern  herge- 
richtet. Die  Fenfler  find  vergittert  und  zum  Theil  farbig  verglafet,  fodafs  ein 
reizend  fchillerndes  Licht  in  den  tiefen  Raum  hinabfällt.  Oben  flofsen  die  Zinnen 
des  Harems  an  diefen  Saal  und  kleine  Gitterfcnfter  erlauben  den  Damen  alles  zu 
fehen,  was  unten  vorgeht.  Sie  felber  bleiben  ungefehen.  Diefe  Haremgemächer 
liegen  fämmtlich  im  Hauptgefchofs.  Obwohl  keineswegs  fo  ausgeftattet  mit 
glänzenden  Utenfilien,  Kunft-  und  Luxusgegenftänden ,  wie  unfere  Phantafle  fich 
einbilden  möchte,  laffen  fie  doch  mit  ihrer  Einrichtung,  mit  ihren  Lagern  und 
Divans,  die  felbfl  mitten  im  Ausbau  der  Fenfler  fich  befinden,  um  ungeftört  und 
ungefehen  ftundenlang  liegend  hinauszufchauen,  auf  das  ftille  und  ficherlich  auch 
langweilige  Leben  darin,  das  wohl  nur  die  Eiferfucht  lärmend  unterbricht,  einen 
Blick  werfen.  Allerlei  Geräth  von  Krügen  und  Inftrumenten  —  Mufik  gehört 
zum  Harem  —  befindet  fich  in  tiefen  Wandnifchen  oder  fleht  auf  Confolen  und 
fonft  herum ;  viel  ifl  es  nicht.  —  Ebenfo  fehlt  auch  der  Mofchee  die  eigentliche  Aus- 
ftattung;  einige  Glaslampen,  Imitationen  alter  orientalifcher  Mufler  hängen  an 
Balken  darin;  die  Kuppel  ifl  reich  mit  gemalten  Arabesken  ausgefchmückt. — Eine 
offene  Gallerie,  im  oberen  Stock  nach  dem  Garten  zu  gelegen,  erlaubt  den  Damen, 
die  frifche  Luft  zu  geniefsen,  ohne  das  Haus  zu  verlaffen.  —  Auch  der  Garten  ift 
charakteriftifch  mit  feiner  Anlage  und  feinen  Laubgängen,  doch  fehlt  natürlich, 
um  ihn  zum  Genufs  und  zum  fchönen  Anblick  zu  machen,  die  Ueppigkeit  der 
Gewächfe  und  der  Blumen.  —  Vom  Garten  aus  ift  uns  noch  ein  Blick  in  das  Grab 
von  Beni  Haffan  geftattet,  die  Ruheftätte  eines  fafl  dreitaufend  Jahre  vor  Chriftns 
lebenden  egyptifchen  Nomarchen,  die  hier  getreu,  mit  Ausnahme  des  Daches, 
das  eine  Lichtöffnung  erhalten  hat,  dem  Original  mit  bunten  Säulen  und  allen 
feinen  Malereien  nachgebildet  worden.  Es  ift  die  Wohnung  eines  Tobten,  aber 
dennoch  wohl  erlaubt,  Zeit  und  Stil  zu  vergleichen.    Welch  ein  Unterfchied,  welch 


flf) 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Jenner,  ein  Kind  impfend.     Gruppe  von  Monteverde  in  Rom. 


I.  W  Ol  INUiNGS AUSSTATTUNG. 


97 


^ff 


98 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


ein  Abfland  zwifchen  diefem  fchweren  Bau,  feinen  gedrungenen  Säulen  und  der 
gemeffenen,  gebundenen  Malerei  an  feinen  Wänden  und  dem  luftigen,  phantas- 
tifchen  Gebäude  mit  den  bunten  Arabesken,  den  dünnen  Säulchen  und  zierlichen 
Arcaden,  die  fich  zu  feiner  Seite  befinden.  Die  altegyptifche  und  die  arabifche 
Kunfl  des  Mittelalters  haben  fich  zum  grofsen  Theil  auf  demfelben  Boden  unter 
denfelben  klimatifchen  Bedingungen  entwickelt,  und  der  Charakter  läfst  fich  nicht 
grundverfchiedener  denken.     Es  find  die  PZxtreme  in  der  Kunftgefchichte. 

Fanden  wir  im  egyptifchen  Palaft  das  Innere  im  Ganzen  zu  dürftig  im  Ver- 


Silbernes  Theefervice,  von  Chriftefen  in  Kopenhagen. 

gleich  zu  den  Erwartungen,  welche  die  ganze  Anlage  in  uns  erweckt,  fo  ifl  es 
bei  dem  türkifchen  Wohnhaufeeher  umgekehrt:  ein  befcheidenes  Haus  von  bürger- 
lichem Anfehen  und  eine  reiche,  faft  glänzende  Ausftattung,  die  auf  einen  vor- 
nehmen Herrn  und  Befitzer  fchliefsen  läfst.  Indeffen,  davon  abgefehen,  macht 
das  Ganze  ächten  Eindruck,  wenn  nicht  bereits  mit  den  zahlreichen  Fenftern  der 
europäifchen  Frage  Rechnung  getragen  ifl.  Das  kleine  Haus,  das  aus  Erdgefchofs 
und  Oberftock  befleht,  hat  einen  Mittelbau  und  zwei  vorfpringende'  Seitentheile, 
welche  unten  gefonderte  Eingänge  haben,  den  einen  für  die  Frauen,  den  andern 
für  die  Männer,  und  oben  entfprechend  die  Gemächer  enthalten.  Herrenwohnung 
oder  Selamlik  und  Harem  find  alfo  hier  in  eine  rechte  und  linke  Seite  getrennt. 
Die  Stiege  befindet  fich  in  der  Mitte.  Das  Erdgefchofs  ifl  vorzugsweife  zur 
Dienerwohnung  beftimmt.  Das  Wohnzimmer  des  Harems  ifl  ein  reich,  warm 
und  behaglich  eingerichtetes  Gemach  mit  Teppichen  auf  Boden  und  Wänden, 
Vorhängen  vor  den  Fenftem  und  breiten  Divans  ringsum,  die  den  rauchenden 
und  Kaffee  trinkenden  Frauen  den  Tag  über  zum  behaglich-faulen  Lager  dienen. 
Auch  hier  ift  ihnen  die  Ausficht  aus   dem  Fenfter  geftattet,   während  die  Gitter 


I.  WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


99 


den  Blick  einwärts  verfperren.  Die  übrige  Ausftattung  ifl  unbedeutend,  wir  finden 
nur  einen  Karten  und  ein  niedriges,  mit  Perlmutter  eingelegtes  Tifchchen,  eben 
hoch  genug  um  bequem  von  den  Liegenden  benutzt  zu  werden,  und  daneben 
ein  Meffinggefäfs,  das  als  Kohlenbecken  zur  Heizung  dient. 

Das  alles  ift  aber  acht  orientalifch  oder  türkifch.  Minder  gilt  dies  von  dem 
1  lerrenfalon,  der,  faft  reicher  ncfch  ausgeftattet  als  der  des  Harems,  bereits  eine 
bedenkliche  Conceffion  an  europäifche  Form  und  europäifche  Sitte  zeigt.  Er 
hat  fogar  einen  Marmorkamin  fiatt  des  Kohlenbeckens,  und  in  der  Mitte  fteht 
ein  Tifch  von  der  Höhe  des  unfrigen.  Das  Sitzmobiliar  ifl  allerdings  mit  kofi- 
barem oricntalifchen  Goldftoff  überzogen,  aber  ftatt  des  weichen,  holzverachtenden 
Divans  hat  es  ganz  die  Form  unferer  Sophas  und  Seffel  angenommen,  mit  höl- 
zernem Geflell,  mit  Rücken-  und  Armlehnen,  nur  ifl  es,  wie  das  die  Sitte  der 
Divans  ifl,   ringsum  an  den  Wänden   aufgcftcllt,   und  nicht   nach    unferer  Weife 


Silbernes  Theefervice,  von   Chriftefen  in  Kopenhagen. 

gruppirt.  Man  ficht,  der  vornehme  Türke  civilifirt  fich  europäifch,  aber  das  Be- 
dürfnifs  falongemäfser  Converfation  und  geiflreicher  Cauferie  fcheint  dem  fchweig- 
famen  Manne  noch  nicht  gekommen  zu  fein.  Auch  das  moderne  Aegypten 
kennt  bereits  folche  europäifirende  Möbel,  folche  von  Holz  conflruirte  Sophas 
und  anderes  Geräth,  wobei  das  Holzwerk,  nur  um  etwas  nationale  Art  zu  bewahren, 
fich  wohl  mit  eingelegter  Arbeit,  insbefondere  auch  mit  Perlmutter  fchmückt. 
Ein  koftbares  Stück  diefer  Art,  mit  burnusartigem  Goldfloff  überzogen,  ficht  man 
in  der  egyptifchen  Ausftellung. 

Weit  mehr  noch  entfernt  fich  vom  alten  und  ächten  Orient  das  perfifche 
Haus  oder  der  perfifche  Pavillon,  wie  wir  den  Bau  nennen  wollen  —  in  Wirklichkeit 
ift  er  weder  das  Eine  noch  das  Andere.  Das  Fremde  im  türkifchen  Haus  war 
wenigflens  Conceffion  an  europäifche  Art,  wie  der  Türke  fich  nach  und  nach 
europäifcher  Sitte  bequemt.  Diefer  fonderbare  Bau  aber  ifl  reine  Phantafie,  grade 
phantaftifch  und  bunt  genug,  um  eben  für  orientalifch  gelten  zu  können,  aber 
weder  von  Perfern  gebaut  noch  nach  perfifchem  Mufter.  Man  erzählt  uns,  dafs 
der  jetzige  Schah  von  Perfien  grofse  Vorliebe  für  Spiegeldecoration  gefafst  und 


13* 


100 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


fie  als  Wandverkleidung  eingeführt  habe.  Dieser  Vorliebe  zu  Gefallen  ifl  der 
erhöhte  und  vortretende  Mitteltract  des  Haufes  ganz  in  bunten  Muflern  mit 
Spiegelglasftücken  bedeckt;  das  ifl:  zum  Theil  auch  im  Inneren  im  Hauptfalon 
der  Fall.  Sonfl  ifl;  die  Aufsenwand,  namentlich  der  Seitentheile,  mit  bunten  Ara- 
besken bemalt,  die  verzweifelt  wenig  orientalifchen  und  noch  weniger  fpezififch 
perfifchen  Charakter  tragen.  Und  damit,  wenn  'wir  die  Fenftergitter  an  der  Vor- 
halle noch  hinzufügen,  ifl  eigentlich  alles  erfchöpft,  was  diefer  Phantafiebau  noch 
vom  Orient  befitzt.     Verkehrt  auch  infofern,  als  er  feine  Pracht  —  fie  ifl;  flitter- 


Schmiedeeifernes  üiller,  von  Barnaids,  Bifliop  &  Barnardi  in  Norwich. 


haft  genug  —  am  Aeufseren  und  nicht  im  Innern  entwickelt,  ifl  er  nur  die  Cari- 
catur  eines  orientalifchen  Baues.  Was  die  Decoration  und  Ausftattung  des  Innern 
betrifft,  fo  zeigt  die  Jute,  der  modernfte  Stoff,  der  die  Wände  des  Stiegenhaufes 
bedeckt,  wenigflens  noch  orientalifchc  Ornamente,  die  Ausftattung  der  Gemächer 
aber  ifl  nicht  einmal  orientalifirend ,  fondern  vom  erften  beften  Wiener  Tapezierer 
mit  blumigem  Zitz  in  völlig  moderner  Art  hergerichtet.  Hier  hört  der  Orient 
ganz  auf. 

Dagegen  kann  die  marokkanifche  Wohnung  vielleicht  die  gerechteften  An- 
fprüche  auf  Aechtheit  erheben.  Alle  Theile  des  Baues,  der  hier  nur  aus  Holz 
befteht,  find  an  Ort  und  Stelle  von  marokkanifchen  Arbeitern  gemacht  worden ; 
,  alle  Beftandtheile ,  alles  Geräth,  welches  für  die  Wohnlichkeit  in  hinlänglicher 
Menge  vorhanden,  ift  acht  und  original.  Nur  einen  Fehler  hat  das  Häuschen: 
es  ift  gar  zu  klein  und  gleicht  zu  fehr  einer  Spielereifchachtel.     Unfere  Phantafie 


I.   WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


im 


mufs  uns  alfo  infofern  zu  Hülfe  kommen,  als  fic  die  Wände  auseinander  dehnt.  Im  Uebrigen 
können  wir  uns  aus  diefem  Modell  einen  ganz  guten  Begriff  von  der  marokkanifchen  Wohnung 
machen  und  find  daher  dem  Ausfteller,  dem  öfterrcichifchen  Conful  Seh  midi  in  Tanger,  der  auf 
eigene  Koften  das  Haus  herflellen  und  aufführen  liefs,  zu  Dank  verpflichtet. 


102 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Das  Aeufsere  ift  acht  orientalifch  einfach  genug:  ein  quadratifcher  Bau,  die 
Wände  grün  bemalt,  mit  flachen  Pfeilern  und  Hufeifenbögen  gegliedert,  dazwifchen 
kleine,  hochgelegene,  gedoppelte  Fcnfter,  die  mit  buntem  Glafe  verfchloffen  find, 
wie  wir  das  auch  fchon  bei  den  übrigen  orientalifchen  Bauten  getroffen  haben. 
Das  farbig  gedämpfte  Licht  ftimmt  zur  betrachtungsvollen  Ruhe  des  Orientalen. 
Auch  die  Anlage  des  Innern   ift   einfach.     Ein  quadratifcher,    mit  Arkaden    um- 


Knig  von  Sftltzer  in  Eifenach. 

gebener  Hof  oder  vielmehr  ein  Höfchen  mit  einem  Brunnen,  das  hier  durch  ein 
Glasdach  zu  einer  kleinen  Halle  zufammengefchrumpft  ift,  bildet  die  Mitte;  an 
drei  Seiten  legen  fich  die  Wohnzimmer  daran,  die  vierte  nimmt  mit  einer  kleinen 
Vorhalle  den  Eingang  auf.  Tritt  man  durch  diefen  in  den  Hof,  fo  hat  man  zur 
Linken  das  Frauengemach,  mit  Gitterfcnftern  abgefchloffen  und  mit  einem  Bade- 
zimmer dahinter,  rechts  das  Speifezimmer  und  gradeaus  das  Gemach  des  Herrn, 
das  man  in  gröfseren  Wohnungen,  wo  diefe  Seitentheile  fich  gewifs  auch  zu 
mehreren  Zimmern  entwickeln,  einen  Saal  nennen  mag.  Das  alles  ift  nun  gar 
zierlich  und  klein,  kaum  zum  Umdrehen,  gefchweige  denn  zum  Wohnen  geeignet. 
Dennoch  ift  es  lehrreich  und  intereffant,  denn  es  enthält  nicht  blofs  manch  hüb- 
fches  Stück  Geräth,  es  trägt  auch  in  feinen  Stoffen  ein  fo  achtes  und  altes  Ge- 


I.  WOHNUNGSAUSSTATTUNG. 


103 


I 


präge,  wie  kein  anderes  der  orientalifchen  Gebäude.  Die  Arabesken  am  Plafond, 
die  zierlichen,  aus  kleinen  Stückchen  zufammengcfctztcn  Stalaktiten  der  Arcaden, 
nichts  erinnert  fo  fehr  an  die  Decoration  der  Alhambra,  während  wir  für  die 
Ornamente  der  Decken  und  Seidenftoffe  die  entfprechcnden  Seitenftücke  in  Ueber- 
reften  der  fpanifchen  Seidenweberei  aus  dem  vierzehnten  Jahrhundert  finden,  die 
fich  noch  hier  uud    da   fragmentarifch    erhalten  haben,     l-ls  ift  alfo  ächte,    alte 


Krug  von  Sältzer  in  Eifenach. 

maurifche  Kunfl,  die  in  Marokko  geblieben  ilt.     Zahlreiche  Gegcnftände   in    der 
kleinen,  aber  intereffanten  marokkanifchen  Ausftellung  beftätigen  das. 

Anders  ift  das  in  einem  zweiten  Lande  Nordafrika's,  in  Tunis.  Diefes  I^nd 
hat  uns  zwar  keinen  Palaft,  kein  Haus,  keine  Hütte  erbaut,  es  zeigt  uns  aber 
wenigftens  ein  Gemach  in  voller  und  reicher  Ausftattung,  ein  Gemach,  (S.  104)  das 
uns  mit  feinem  Mobiliar  fo  anmuthet,  als  ob  wir  ein  oder  zwei  Jahrhunderte  früher 
auf  das  Land  hinaus  nach  Holland  oder  Fricsland  verfetzt  wären.  Allerdings 
giebt  es  hier  Teppiche  und  Decken  von  acht  orientalifchem  Charakter  und  die 
Wandbekleidungen  mit  applicirter  Stickerei  lalTen  in  diefer  Beziehung  auch  nichts 
zu  wünfchcn  übrig,  aber  die  Polfter  und  Divans  haben  fich  in  Sophas  und  Stühle 
von  gedrehtem  Holze  verwandelt,  und  diefes  Holzwerk  mitfammt  den  Sitzen  und 


104 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


N 

5" 


I.  wohnunSsausstattung. 


J05 


Teppich  von  James  Iliinipliries  &   Süliiie    in   Kiiiilernünftcr. 

Lehnen  der  Stühle  und  den  Platten  der  Tifche  ift  auf  goldenem  Grunde  mit 
Blumen  aller  Art,  insbefondere  mit  bunten  Tulpen  naturaliflifch  bemalt,  dafs  wir 
uns  erftaunt  fragen,  wann  und  woher  denn  diefes  Mobiliar  und  diefer  KunfMlil 
nach  Tunis  gekommen  find.  Ohne  Frage  find  diefe  Exemplare  ächte  Tunifer 
Arbeit,  wenn  wir  auch  nicht  fagen  können,  wie  weit  ihre  Art  im  Lande  verbreitet 
ifl.  Ihre  Entflehung  oder  vielmehr  ihre  Aufnahme  In  Tunis  wird  wohl  noch  in 
die  glorreiche  Epoche  der  Seeräuberüaaten  fallen,  vermuthlich  in  die  Mitte  oder 
in  die  zweite  Hälfte  des  fiebzehnten  Jahrhunderts,  und  dürfte  nicht  ohne  Zu- 
fammenhang  mit  Holland  flattgefunden  haben. 

Das  Bild  der  tunififchen  Wohnung  mögen  wir  uns  aus  den  ausgeftellten 
Teppichen  und  zum  Theil  fclir  originellen  Portieren,  deren  geftreifte  Ornamen- 
tation  uns  an  die  Beduinenburnus  erinnert,  ergänzen.  Es  gilt  das  auch  in  Bezug 
auf  die  übrigen  Länder  des  Orients.  So  gering  an  Zahl  die  eigentlichen  Möbel 
ausgeflellt  find  —  fie  find  ja  auch  feiten  und  in  den  meiflen  Fällen  unbedeutend 
im  orientalifchen  Wohngemach  —  fo  bedeutend  ift  die  Ausflellung  der  Teppiche, 
Decken  und  verwandter  Gewebe.  Hier  fleht  Indien,  das  uns  fonft  nur  das  gold- 
glänzende Bruchftück  einer  fürftlichen  Wohnung  vor  Augen  führt,  mit  feinen 
blumigen  Geweben  in  erfter  Reihe;  ihm  nahe  hält  fich  Perfien  mit  feinen  fein- 
gemufterten,  in  ruhiger,  aber  fattcr  Färbung  gehaltenen  Teppichen,  während  die 
Türkei  aus  ihren  zahlreichen  Provinzen  von  Europa  und  Afien  uns  die  mannig- 
fachften  Gewebe  gefendet  hat,  fowohl  zur  Bekleidung  der  Wände,  zur  Bedeckung 
des  Fufsbodens,  wie  als  Portieren,  als  Reife-  und  Gebetsteppiche  beftimmt,  die, 
fo  verfchiedenartig  fie  find,  doch  durch  das  gemeinfame  coloriftifche  und  orna- 
mentale Prinzip  fich  alle  als  deffelben  Geiftes  Kinder  zeigen.    Diefe  Gewebe  find 


u 


106 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Fayencen  von  Geoiiroy  ä  i.o.  in  i.ien. 

es,  oft  die  einzige  Ausftattung  des  Gemachs,  welche  vor  allem  bei  fonft  meift 
nackten  Wänden  ihm  Reiz,  Behaglichkeit  und  auch  den  Charakter  verleihen,  mehr 
Charakter  als  die  künftlichen  gemalten  Arabesken  in  den  gefchilderten  Bauten, 
die  oft  nur  gelehrter  Reminifcenz  des  Künftlers  ihre  Enflehung  verdanken,  oder 
gar  die  mit  Ornamenten  bedruckte  Jute,  die  nicht  dem  Oriente,  fondern  dem 
modernften  Indufiriegeifte,  erft  unferer  Weltausftellung  angehört.  Leider  werden 
auch  die  türkifchen  Teppiche  bereits  vom  europäifchen  Gefchmack  angegriffen, 
doch  befchränkt  fich  fein  Einflufs  —  allerdings  unheilvoll  genug  —  bis  jetzt  nur 
noch  auf  die  Farbe.  Es  fmd  die  Anilinfarben,  welche  auch  dahin  fchon  ihren 
Weg  gefunden  haben. 


Albrecht  Dürer-Kafteii,   v^u   Kihani  i;  Sohne  in   Schwab.  Gmünd. 


IL    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


107 


Eingang  zur  dänifchen   Galerie,  entworfen  von  Th.  Hänfen. 


Man  sollte  erwarten,  dass  die  Kunftinduflrie  der  europäifchcn  Culturländer 
überall  denfclben  Charakter  erkennen  laffe,  fo  gut  wie  unfere  civilifirte  Welt  den- 
felben  Hut  trägt;  fcheint  es  ja  doch,  als  ob  fie  in  gleicher  Weife  der  Mode  un- 
terworfen fei  wie  unfere  Kleidung.  Allein  dem  ifl  nicht  fo,  wenigftens  nicht  heute. 
Es  giebtUntcrfchiedc,  die  nicht  bloss  darauf  beruhen,  dafs  in  einem  Lande  diefcr,  in 


108 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Vergoldeter  l'ukal,  von  Anton  Hefs  in  München  modellirt,  cifelirt  von  Adolf  Malbreiter. 

einem  anderen  jener  Kunftzweig  mit  mehr  Vorliebe  und  Gefchick  gepflegt  wird. 
Laffen  wir  die  Länder  Europa's  mit  ihren' kunftgewerblichen  Arbeiten  nurfo  oben- 
hin vor  unferm  Auge  die  Revue  pafliren,  fo  werden  wir  fchon  bei  oberflächlicher 


.f. 


II.    DIE  LANDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


1(»'J 


I 


Rococo-Ofen  in  Majolica,  hcUapfelgrün  mit  lebhaft  bunter  Uecuration,  von  Chr.  .Seidel  A:  Sohn  in  Dresden. 

Betrachtung  wahrnehmen,  da.ss  fic  trotz  der  einflufsreichcn  Mode   auch  äfthelifch 

verfchiedene  phyriognomifche  Züge  tragen,  die  zuweilen  recht  hervorflcchend  find. 

Solche  Unterfchiede  mögen  zum  Thcil  auf  nationaler  Chafaktereigenthümlich- 


110  DAS  KUNSTGEWERBE. 


keit  beruhen,  allein  das  ift  ficherlich,  wenn  wir  fonft  die  Gewalt  der  Mode  be- 
denken, das  geringfügigfte  Moment,  Frankreich  ausgenommen,  wo  Charakter  und 
Mode  zufammenfallen.  Weit  bedeutender  erfcheint  bei  einigen  Staaten  der  Glanz 
oder  die  Nachwirkung  der  Gefchichte  oder  auch  der  Einfluss  eines  grofscn  und 
bedeutenden  Mannes  oder  locale,  vielmehr  geographifche  Bedingungen,  welche 
einem  Lande  eine  gewiffe  Richtung,  einen  gewiffen  Zug  feiner  Induftrie  vorfchrei- 
ben,  oder  es  find  die  künfllerifchen  Traditionen  der  Vergangenheit,  die  fich  jedoch 
als  nationale  Induftrie  derjenigen  der  modernen  Cultur  gegenüber  zu  ftellcn  pfle- 
gen. In  jüngfter  Zeit  aber  find  es  die  Reformbeftrebungen  auf  dem  Gebiete  des 
Gefchmacks,  das,  was  wir  in  der  Einleitung  als  die  internationale  Frage  der  Kunft- 
induftrie  bezeichnet  haben,  welche  in  den  einzelnen  Ländern,  je  nachdem  fich 
diefelben  diefen  Beftrebungen  angefchloffen  haben,  die  Phyfiognomie  ihrer  Ar- 
beiten wefentlich  umändern  und  ihre  allerdings  heute  noch  fchr  fchwankende 
Kunftart  bedingen.  Aul  ihnen  beruht  vor  allem  der  gemifchte  Charakter,  den 
fo  manche  Culturländer  auf  unferer  Ausftellung  zeigen. 

Mit  Rückficht  auf  diefe  verfchiedenen  Bedingungen,  von  denen  allerdings 
keine  ausfchliefslich  wirkt,  ordnen  wir  uns  die  Länder  Europa's  in  beftimmte 
Gruppen  und  nehmen  dabei  vorweg  die  kleineren  Staaten,  indem  wir  uns  die 
gröfseren  Induftrieländer ,  in  denen  der  eigentliche  moderne  Gefchmackskampf 
auszukämpfen  ift,  bis  zum  Schluffe  auffparen.  Nur  den  Orient,  der  heute  noch 
feine  eigene  Welt  bildet  und  als  folcher  auch  auf  der  Ausftellung  erfchien,  laffen 
wir  auch  diefen  folgen. 

I.  Gruppe:     Dänemark,  die  Schweiz,  Belgien,  Holland. 

Wie  mächtig  und  bedeutend  der  Einflufs  eines  einzigen  Mannes  fein  kann, 
das  zeigt  uns  die  Induftrie  des  kleinen  Dänemark,  welche  in  äfthetifcher  Be- 
ziehung eine  fehr  gute  Figur  auf  der  Ausftellung  machte.  Von  früherer  Induftrie, 
die  künftlerifch  irgend  Bedeutung  hätte,  weiss  die  Gefchichte  nichts.  Dänemark 
ftand  in  diefer  Beziehung  einerfeits  unter  dem  Einfluss  Hollands,  andrerfeits  unter 
dem  Einfluss  Lübecks  und  anderer  gewerbfleifsiger  Städte  der  Oftfee.  Wohl 
keine  diefer  Städte  kann  fich  heute  an  Kunftfleiss  mit  Kopenhagen  meiTen.  Dass 
feine  Induftrie  künftlich  emporgekommen  ift,  mag  man  auf  Rechnung  der  Refidenz 
fetzen,  aber  dass  diefe  Induftrie  einen  gemeinfamen  und  bis  zu  einem  gewifl'en 
Grade  eigenthümlichen,  ihr  eigenen  Charakter  trägt,  das  verdankt  sie  der  Nach- 
wirkung und  der  Erinnerung  Thorwaldsen's ;  die  Gröfse  diefes  Mannes,  der  Idea- 
lismus feiner  Kunftrichtung  adelt  noch  heute  die  Induftrie  Dänemarks  und  fchützt 
fie  vor  dem  Hinabfinken  in  das  Gemeine  und  Gewöhnliche.  Wir  find  nicht  mit 
allem  einverftanden,  was  die  dänifche  Kunftinduftrie  uns  vor  Augen  geführt  hatte, 
aber  es  geht  durch  alles  ein  feiner,  nobler  Zug,  der  ihre  unverkennbare  Eigen- 
thümlichkeit  bildet. 

Stiliftifch  betrachtet,  liegt  diefer  gemeinfame  Zug  der  dänifchen  Kunftinduftrie, 
wie  das  auf  den  Spuren  Thorwaldsen's  nicht  anders  zu  erwarten  steht,  in  einer 
Hinneigung  zu  den  antiken  Formen.  Wir  erkennen  ihn  vorzugsweife  in  den  Mö- 
beln, in  dem  Porzellan  und  in  den  Silberarbeiten,  den  drei  bedeutendften  Zweigen 


II.    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


111 


Spitzenvorhang  von  Jacoby  &  Co.  in  Nottingham. 


der  Knnftinduflrie,  mit  denen  Dänemark  auf  der  Ausftellung  erfchienen  war.  Ift 
diefe  ftiliflifche  Richtung  geeignet,  den  Gefchmack  aufgewiffer  Höhe  zu  erhalten, 
wie  wir  hier  fehen,  fo  ift  andrerfeits  einige  Steiflieit,  Unfreiheit  und  Magerkeit  der 
Formen  gar  leicht  damit  verbunden.  Und  das  ift  auch  zum  Theil  der  Fehler  der 
dänifchen  Arbeiten.  Am  wenigften  gilt  dies  wohl  von  den  Silberarbeiten,  fowie 
von  den  Schmuckgegenftänden,  die  das  Etabliffcment  von  Chriftefen  rühmlich 
vertreten.  Nur  wenige  allzumodcrnc  Gegenftände  entftellten  feine  fchöne  Aus- 
ftellung, die  fich  durch  gute  Gefäfs  formen,  zierlichen  Schmuck  nach  antiken  Vor- 
bildern und  treffliche  Arbeit  auszeichnete.  Dagegen  ift  dies  entfchieden  der  Cha- 
rakter des  dänifchen  Porzellans  fowohl  der  königlichen  Fabrik,  wie  der  von  Bing 


112 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Ruffifcher  KaiferpaTillon. 


&  Grönclahl,  namentlich  in  allen  ihren  gröfseren  und  anfpruchsvolleren  Arbeiten 
und  in  denjenigen,  die  ihre  eigentliche  moderne  Art  vertreten  follten.  Hierher 
gehören  eine  Anzahl  gröfserer  bemalter  Vafen  mit  antikifirenden ,  keineswegs 
glücklichen  Formen,  hierher  die  zahlreichen  Biscuitftatuetten,  zumal  nach  Thor- 
vvaldfen,  und  verfchiedenes  Speifegcräth,  das  fich  vergebens  mit  der  Antike  auf 
guten  Fufs  zu  fetzen  bemüht  ifl.  Es  muss  hinter  einigen  gelungenen  Jmitationen 
von  Rococomotiven  an  gefälligem  Reize  zurückftehen.  Hierher  gehören  auch  die 
Nachahmungen    der  antiken  Terracottengefäfse,  die  in  Dänemark,  von  verfehle- 


II.    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARHEITEN. 


113 


Mhi   iik   :ii   Xiil'sbaumholz,  bemalt,  von  Jof.  Kraus  &  Sohn  in  Wien, 

denen  Fabrikanten  geübt,  zu  einem  Induftriezweige  herangewachfen  find,  der 
allerdings  feine  Vorbilder  frei  überfchreitet,  und  in  diefer  F"reiheit  zuweilen  ebenfo 
unglücklich  ift,  als  diejenigen  Copien,  welche  es  auf  Treue  abgefehen  haben,  für 


u 


114 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


gelungen  erachtet  werden  muffen.  Von  den  Möbeln,  deren  wir  fchon  früher  ge- 
dacht haben,  fei  hier  zur  allgemeinen  Charakteriftik  nur  in  Kürze  bemerkt,  dass 
auch  fie  trotz  ihrer  Geflaltung  im  Geifte  der  modernen  Reform  entfchieden  anti- 
kifirende  Neigung  als  ihre  Landeseigenthümlichkeit  erkennen  laffen  und  diefe  mit 
höchfl:  zierlicher,  in  den  Formen  wohl  zu  magerer  Ausführung  verbinden. 

Wie  ganz  anders  ifl  der  Charakter  der  Schweizer  Induftrie,  und  wie  ganz 
anders  ftellt  fie  fich  dar,  wenn  man  fie  mit  dem  gefchichtlichen  Charakter  des 
Schweizer  Volkes  vergleicht!  Abgefchloffenheit  in  ihren  Bergen,  eigenthümliche 
Art  und  Sitte  und  Festhiilten  an  derfelben  mit  Zähigkeit  und  Eifer,  Hirtenleben 
und  Viehzucht  anftatt  des  Gewerbes,  patriarchalifches  Patrizierthum  anftatt  der 
induftriellen  oder  commerziellen  Grofsherren,  das  galt  fonft  als  der  Schweizer  er- 
erbte Weife.  Was  kennt  die  Gefchichte  von  ihrer  früheren  Kund  oder  ihrer  In- 
duftrie? Was  hnt  uns  die  Schweiz  davon  hinterlaffen  r  Eine  gute  Anzahl  glafirter 
oder  decorirter  Oefen,  die  allerdings  von  einem  künftlerifchen  Betrieb  der  Töp- 
ferei im  fechzehnten  und  fiebzehnten  Jahrhundert  Zeugniss  ablegen,  eine  noch 
gröfsere  Anzahl  kleiner  bunter  Glasfeheiben,  mit  Wappen  und  Figuren  bemalt,  die 
heute  freilich  aller  Kunftfreunde  Wohnungen  fchmücken,  fodann  vielleicht  allerlei 
gefchnitztes  Geräth  von  Karten,  Tifchen  und  Bänken  —  alles,  wie  wir  fehen, 
zum  Schmuck,  zur  Ausftattung  der  häuslichen  Stätte  beftimmt. 

Und  heute  ift  die  Schweiz  ein  vorwiegend  induftrielles  Land  mit  einer  Indu- 
ftrie, die  für  die  Welt  arbeitet,  die  ihre  Erzeugniffe  dem  Norden  wie  den  fernften 
Often  zuführt.  Auch  im  fechzehnten  Jahrhundert  in  der  Landsknechtszeit  und 
fpäter  noch  fah  man  die  Schweizer  Avantageurs  in  aller  Herren  Ländern  und 
Dienften,  die  „Reisläufer"  laufen  wohl  noch  heute  auf  die  Reife,  aber  fie  haben 
fich  in  commis-voyageurs  verwandelt,  ftatt  des  Schwertes  mifst  die  Elle.  Aus 
diefer  Sachlage,  weil  die  ganze  Schweizer  Induftrie  auf  den  Export  eingerichtet  ift 
und  fich  auf  den  in  der  Fremde  herrfchenden  Gefchmack  einzurichten  hat,  geht 
denn  auch  hervor,  dass  fie  keinen  eigenthümlichen  Charakter  hat  und  haben  kann, 
wie  wir  ihn  bei  der  dänifchen  gefunden  haben,  ja  fie  kann  fich  nicht  einmal  mit 
Entfchloffenheit  auf  die  Refonnbeftrebungen  einlaffen,  bis  diefelben  von  ihrem 
Publicum  und  ihren  Confumenten  gutgeheifsen  find.  Sie  folgt  einerfeits  der  Mode 
und  imitirt  andrerfeits  das  Nationale.  I'ür  fich  felbft  fcheint  fie  keine  künftlerifchen 
Anfprüche  und  Bedürfniffe  zu  haben. 

Diefe  zwei  Seiten,  die  Mode  und  die  Nachahmung  des  Nationalen,  fcheiden  fich 
auf  das  beftimmtefte  in  den  Geweben,  namentlich  in  den  Baumwollftoffen,  deren 
ein  überwiegend  grofser  Theil  nach  dem  Orient  geht.  Die  Schweizer  Ausftellung 
führte  uns  daher  eine  ganze  orientalifchc  .Abtheilung  vor,  in  welcher  Jndifch-  oder 
Türkifchroth  den  Ton  angab.  In  der  indifchen,  perfifchen  und  anderen  orientalifchen 
Ausftellungen  konnte  man  für  alles  die  Originale  fehen.  Ein  vielgereifter  und 
der  Länder  und  Völker  kundiger  Mann  hätte  aber  auch  in  den  Schweizer  Kattunen 
mancherlei  anderen  Gefchmack  erkannt,  wie  er  im  Norden  an  den  Küften  der  Nord- 
und  Oftfee,  wie  er  auf  der  pyrenäifchen  Halbinfel  und  gewiss  fonft  vieler  Orten 
zu  Haufe  ift.  Folgen  diefe  BaumwoUftoffe  vorzugSweife  dem  verfchiedenen  lan- 
desüblichen Gefchmack  des  Volkes  und  helfen  die  „uralten"  Volkstrachten  er- 
gänzen, fo   arbeitet  die   Seideninduftrie,    die   ein  höheres  Publicum   im  Auge  hat, 


I.    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


lediglich  für  die  Mode  und 
bietet  uns  daher  keine 
cigenthümliche  oder  ori- 
ginelle Seite.  Nicht  niin-' 
der  modern  ift  ein  anderer 
Zweig  der  Weberei ,   die 

Mafchinenfpitzen  der 
\veifsenVorhänge,\velcher 
in  der  Nordoftecke  der 
Schweiz,  vorzugsweife  im 
Cantone St.  Gallen,  feinen 
Sitz  hat.  Vor  wenigen 
Jahren  noch,  als  der  orna- 
mentale Naturalismus  alle 

Decorationskunft  be- 
herrfchte,  verfuchtc  man 
in  diefer  unzulänglichen, 
fo  wenig  decorativen 
Technik  ganze  Land- 
fchaften ,  Gärten  und 
phantaftifche  Gebäude 
darzuftellen.  Davon  ift 
der  Gefchmack  ein  wenig 
zurückgekommen  und  be- 
gnügt fich  heute  mitVor- 
grundftudien  und  grofs- 
blättrigen  Pflanzen.  Nur 
ein  paargelungene  ftilifirtc 
Muftcr,  die  von  einer 
Zcichenfchule  inSt. Gallen 
ausgegangen  waren,  zeig- 
ten den  erften  Beginn  der 
Gcfchmacks  Veränderung. 
Nicht  minder  wie  die 
Kattune  umfpannt  die 
Schweizer  Uhreninduftrie 
die  Welt,  tlicfelbe  inter- 
effirt  uns  allerdings  hier 
nicht  von  unferem  Stami- 
punkte  aus,  aber  mit  ihr 
in  Verbindung  fteht  ein 
anderer  Zweig  der  Kunft- 
induftrie,  den  fie  nicht  ent- 
behren kann,  nämlich  die 
feinere    Gokiarbeit.     Wo 


15  • 


HR 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


iwiiii'{iiiuii{iiiiiiiiiiniiiii<ia»!ii«ii»i|'iiiiiii!iiit«i!!'iriniiniii!iii{ii!iiiiieiiiiaa(iiiiig 


Incruftirle  und  emaillirte  Metallgcrälhc  von  Chriftoplile  &  Co.  in  Faris. 


IL     DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNST  ARBEITEN. 


117 


Emaillirte  uiui  incruftirtc  Melallgcrälhc  vun   Chriltophlc  ..V  Co.  m  l'aru. 


118  DAS  KUNSTGEWERBE. 


die  Tafchenuhren  zu  Haufe  find,  da  bleibt  der  Schmuci<  nicht  aus,  denn  die  Uhr 
bedarf  zu  ihrer  Verzierung  derfelben  Arbeit,  und  fo  war  denn  auch  diefe  Abthei- 
lung der  Schweizer  Induftrie  nicht  ohne  Bedeutung.  Nur  Eligenthümlichkeit  hatte 
auch  fic  nicht,  fondern  zeigte  ihren  eigentlichen  Character,  auf  aller  Welt  Ge- 
fchmack  berechnet  zu  fein,  darin,  dass  fie  mit  Etiquetten,  welche  die  Bezeich- 
nung als  ägyptifchcr,  als  etruskifcher,  als  franzöfifcher,  felbfl  als  amerikanifcher 
Stil  trugen,  eben  die  Vielfeitigkeit,  die  Mannigfaltigkeit  und  die  Unficherheit  des 
modernen  Gefchmacks  documentirte. 

Nur  den  Schweizer  Holzfchnitzereien,  die  auch  bereits  Exportartikel  find, 
kann  man,  wenn  man  will,  eine  gewifle  Eigenthümlichkeit  zufprechen,  obwohl  fie 
kaum  eine  künfllerifche  zu  nennen,  da  der  Charakter  diefer  Gebirgsfchnitzereien 
die  jetzt  durch  Schulen  unterfiützt  werden,  eben  der  vollendetfte  Naturalismus 
ill.  Man  kann  fich  bei  der  gefchickten  und  naturgetreuen  Ausführung  denfelben 
noch  gefallen  laffen,  wenn  der  Gegenftand  weiter  keinen  Zweck  hat  und  eben 
nur  eine  Thiergruppe ,  eine  Gebirgsfcenerie  oder  dergleichen  darftellt,  in  Ver- 
wendung aber  an  Möbeln,  Rahmen,  Wanduhren  oder  anderen  Gegenftänden  kommt 
er  nur  gar  zu  häufig,  wie  die  Beifpiele  der  Ausflellung  zeigten,  mit  einer  ver- 
nünftigen Aefthetik  in  Conflict.  Am  aufifallendften  liefsen  dies  die  Schwarzwälder 
Uhren  erkennen,  welche  in  Imitation  der  Scl^weizer  Schnitzereien  diefelbe  Art 
zur  Hauptdecoration  gemacht  haben  und  dabei  auf  die  wunderfamflen  Gedanken, 
auf  die  feltfamften  Widerfprüche   verfallen. 

In  der  gleichen  Lage  wie  die  Schweiz  befindet  fich  auch  Belgien,  ebenfalls 
ein  vorwiegend  induftrielles  Land,  das  mit  feiner  Kunftinduftrie  weit  über  den 
Bedarf  und  die  engen  Grenzen  des  kleinen  Landes  hinausreicht.  Diefer  Zuftand 
ift  in  Belgien  nicht  erft  von  neuerem  Datum  wie  bei  der  Schweiz;  wir  kennen  ja 
die  Niederlande  in  Kunfl;  wie  in  Kunftinduftrie  während  früherer  Jahrhunderte  als 
eines  der  leitenden  Länder.  Diefe  Stellung,  die  Flandern  und  Brabant  eine  fo 
hervorragende  Rolle  in  der  Kunflgefchichtc  zuertheilt,  nimmt  Belgien  heute  nicht 
mehr  ein ;  Führerfchaft  im  Gefchmack  kann  ihm  in  keiner  Weife  zugefprochen 
werden,  kaum  öine  Eigenthümlichkeit,  vielmehr  fchliesst  es  fich  nur  zu  eng  an 
Frankreich  und  die  fr^nzöfifche  Mode  an,  auch  liegt  die  Hauptbedeutung  feiner 
Induftrie  durchaus  nicht  auf  der  künftlcrifchen  Seite.  Auf  unferer  Ausftellung 
war  fie  noch  ungünftiger  vertreten,  als  fie  es  verdient,  und  zeigte  eigentlich  nur 
drei  Zweige,  die  Spitzen,  die  Möbel  und  die  kirchlichen  Goldfchmiedarbeiten,  und 
davon  traten  nur  die  erfteren  einigermafsen  imponirend  auf 

Die  Handfpitzen  Belgiens  haben  zwar  heute  Concurrenten  genug  erhalten, 
aber  fie  find  in  keiner  Weife  die  zweiten  geworden.  Ohne  als  Arbeit  oder  in 
Schönheit  tlen  franzöfifchen  nachzuftehen,  folgen  fie  doch  ganz  dem  franzöfifchcn 
Gefchmack,  der  gegenwärtig  die  Spitzen  naturaliftifch  mit  leichten  Blumen  und 
zierlichem  Gcranke  überzieht.  In  der  Zeichnung  find  die  belgifchen  Spitzen  von 
den  franzöfifchen  nicht  zu  fcheiden.  Zwar  hat  man  auch  die  Nachahmung  der 
alten  Spitzen  von  Mecheln  und  V'alenciennes  wieder  aufgenommen,  aber  grade 
diejenigen,  welche  in  der  V^erzierung  die  einfachften  .und  unbedeutendften  find.  In 
der  kirchlichen  Goldfchmieilekunft  ftellt  fich  Belgien,  wie  einige  vortreffliche  Ar- 
beiten von  A.  Bourdon  in  Gent  und  J.  Wilmotte  in  Lüttich,  die  in  der  Kunft- 


IL    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNST  ARBEITEN. 


119 


Damaft-Tifchtuch  mit  rother  Bonim 


,  narn  (.-mei"  /.riciini 


göiiJdiEigiifMgjllPHlgigillgg^gÖ 


:  v(in  Jof.  Sforck  ausgeführt  von  Küfferle  in  Wien  • 


halle  ausgefeilt  waren,  bewiefen,  zwar  auf  den  Standpunkt  jener  Reform,  welche 
eine  Umwandlung  des  Geräths  und  der  Paramente  nach  mittelalterlichen  Muflern 
anflrebt,  aber  es  gefchieht  diefes  ohne  erfiiKlcrifchen  Geift  in  genauer  Imitation 
der  alten  Stilarten,  felbfl  mit  allen  ihren  Schwächen.  Ebcnfo  zeigten  die  belgi- 
fchen  Renaiffancemöbel  weit  mehr  hiftorifche  Stiltreue  als  z.  B.  die  franzöfifchen, 
während  eine  Anzahl  Majoliken,  die  ebenfalls  in  der  Kunfthalle  ausgeftellt  waren, 
wenigftens  in  ihren  Gegenfländen  von  ihren  italienifchen  Vorbildern  unabhängig 
waren;  nur  ftanden  fie,  weil  allzufchwärzlich  im  Ton  gehalten,  an  decorativem 
Reize  hinter  ihnen  zurück. 

Kann  fomit  die  moderne  belgifche  Kunftinduflrie,  wie  achtbar  auch  immer 
fie  fein  mag,  in  keiner  Weife  fich  mit  ihrer  Vergangenheit  vergleichen,  fehlt  ihr 
vor  allem  ein  frifcher  rühriger  Krfindungsgeift,  fo  gilt  das  noch  weit  mehr  von 
dem  Gefchwifterlande  Holland.  Es  gab  eine  Zeit,  wo  diefe  nördlichen  Provin- 
zen der  Niederlande,  mächtig  zur  See  wie  in  der  Politik,  auch  mit  ihrem  Ge- 
fchmack  den  ganzen  Norden  beherrfchten  und  den  Export  ihrer  Kunflinduftric 
weit  nach  Süden  trugen,  wo  fie  mit  weit  mehr  Originalität  und  Erfindung  in  hö- 
herem Grade  die  Rolle  fpielten,  welche  heute  die  Schweiz  übernommen  hat. 
Haben  wir  doch  felbft  in  dem  gegenwärtigen  Mobiliar  von  Tunis  den  Einfluss 
von  Altholland  erkannt!  Noch  immer  ift  Holland  eine  ergiebige  Quelle  für  den 
Alterthumsfreund  und  den  Antiquar,  der  unerfchöpflich  gefchnitzte  Möbel,  Sil- 
berarbeiten, gemalte  Faiencen,  kunftvolle  Eifcnschlöffer  und  fonft  mancherlei 
Kunftwaare  darin  aufzufpüren  weifs.  Aber  was  liefert  das  heutige  Holland  von 
gleicher  Art  dem  Auslande?  Wir  wüfsten  kaum  etwas  zu  nennen,  als  die 
fchillernden  Imitationen  chinefifchen  Perlmutterlacks,  die  fich  mitten  in  ihrem 
Chinefenthum  mit  KaulbachTchen  Compofitionen  fchmücken,  oder  Kufsteppiche, 


120 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


'mM'/' 


II.    DIE  LANDER  UND  IHRE  KUNST  ARBEITEN. 


121 


Thongefafsc  von  Villtroy  &    üocli  in  Mettlacb,  l,uxciiil)iir^'. 

davon  die  Ausftellung  allcrtlings  aus  Deventer  einige  fchönc  Beifpiele  in  Smyrnaer 
Art  aufwies.  Sonfl  zeigte  uns  Molland  von  eigener  Kunftiiiduftrie  nur  einige 
Karten  voll  Silberarbeiten,  zum  Theil  von  grofsartigen  Dimenfionen,  wie  z.  B. 
ein  monumentaler  Tafelauffatz.  Diefe  Arbeiten  von  Hoonebakker  in  Amflerdam 
und  van  Kempen  in  Voorfchoten  fSüd-IIoUand)  leiden  zum  grofsen  Theil  noch 
am  Naturalismus  oder  laflen  wenigftens  das  Streben  nach  edler  Form  vermiffen. 
1  foUand  hatte  uns  dafür  bei  dem  Mangel  eigener  Arbeiten  eine  reiche  Aus- 
ftellung  feiner  afiatifchen  Colonien  verfchaflft,  wie  fie  wohl  ähnlich  noch  auf 
keiner  Weltausflellung  zu  fehen  gewefen.  Diefe  Arbeiten  der  Malayen  von  Java 
und  Sumatra  ftehen  allerdings  hinter  den  indifchen  zurück,  mit  denen  fie  fehr 
enge  Verwandfchaft  haben.     Sie  find  im  Ganzen   weniger  vollendet  und    fein  in 


la 


122  DAS  KUNSTGEWERBE. 


der  Arbeit  und  verhalten  fich  in  der  Ornamentation  zu  iiinen  etwa  wie  das 
Barocke  zur  Renaiffance,  was  wohl  mit  daher  kommen  mag,  dass  das  arabifch- 
perfifche  Element  in  der  indifchen  Kunft  dem  buddhiftifch-religiöfen  gegenüber 
nicht  hat  zu  der  gleichen  freien  Geflaltung  gelangen  können.  Indtffen  giebt  es 
in  Filigranen,  goldtaufchirten  Waffen,  darunter  die  fchönften  von  dem  Mufeum 
des  zoologifchen  Gartens  in  Amflerdam  ausgeftellt  waren,  vortreffliche  Lei- 
ftungen,  und  auch  die  goldgewirkten  Seidenftoffe,  obwohl  an  Reiz  und  Glanz 
nicht  mit  den  indifchen  zu  vergleichen ,  die  in  eigenthümlicher  Weife  durch 
Wachstränkung  ornamentirten  „batiktirten"  Banmwollfloffe  find  höchfl  beach- 
tenswerth. 


2.  Gruppe:'  Spanien,  Portugal,  Italien,  Scand  inavien,  Rufsland,  Ungarn, 
Rumänien  und  Griechenland. 

Die  Schweiz,  Belgien  und  Holland  fmd  heute  vielleicht  noch  am  meiften 
die  Trabanten  Frankreichs  im  kunftinduftriellen  Modegefchmack ;  Spanien  und 
Portugal  find  es  auch  noch,  foweit  fie  modern  find,  aber  gerade  ihre  moderne 
Kunflinduflrie  ifl;  unbedeutend,  und  was  fie  an  nationalen  Elementen  befitzen, 
erregt  in  weit  höherem  Grade  unfer  Intereffe.  Mit  Schweden,  Norwegen  und 
Rufsland  ift  es  ähnlich,  während  Italien  aus  den  Traditionen  feiner  grofsen  Ver- 
gangenheit foviel  von  eigener  Kunflart  fich  bewahrt  oder  wiedererweckt  hat, 
dass  es  damit  völlig  auf  eigenen  Füfsen  fleht.  Was  es  an  moderner  Art  bringt, 
verfchwindet  dagegen  an  Bedeutung  und  Intereffe.  Dicfe  Gruppe  bewegt  fich 
alfo  nur  in  fehr  befchränkter  Weife  auf  den  Fufstapfen  Frankreichs. 

Der  kunflinduftrielle  Glanz  Spaniens  fällt  ohne  Frage  in  die  arabifchen  und 
maurifchen  Zeiten,  alfo  in  das  Mittelalter.  Damals  konnte  Spanien  mit  feinen 
Seidenftoffen,  feinem  geprefsten  und  vergoldeten  Leder,  feiner  Faience-Induftrie, 
feinen  Waffen  und  fonftigen  Eifenarbeiten  felbfl  anregend  und  beftimmend  auf 
das  übrige  Europa  einwirken.  Erhalten  ifl;  uns  allerdings  von  diefer  arabifch- 
maurifchen  Kunftthätigkeit  fehr  wenig;  es  fcheint,  als  ob  das  nachfolgende  fpanifche 
Regiment,  wie  es  die  Maure.sken  felbfb  von  dannen  trieb  oder  vernichtete,  auch 
mit  den  Ucberreflen  und  Erinnerungen  ihrer  Kunft  gründlich  aufgeräumt  hat. 
Nichtsdeftoweniger  ruht  faft  alles,  was  die  Induftrie  Spaniens  noch  im  fech- 
zehnten  und  fiebzehnten  Jahrhundert  zu  fchaffen  vermochte,  auf  arabifcher  Grund- 
lage, vielleicht  mit  Ausnahme  der  Goldfchmiedekunft ,  welcher  die  Schätze 
Amerika's  eine  Zeitlang,  insbefondere  für  den  Dienft  der  Kirche,  erneuerten 
Schwung  gegeben  hatten.  Ihre  Waffenfabrikation,  ihre  Faiencen,  ihre  Leder- 
arbeiten, alles  das  geht,  freilich  mit  zeitgemäfs  veränderten  Kunftformen,  auf 
demfelben  Boden,  in  denfelben  Werkstätten  fort,  bis  es  —  und  mit  ihm  die 
Induflrie  Spaniens  — ■  gänzlich  zu  erfterben  fcheint.  Was  wir  auf  unferer  Aus- 
ftellung  davon  fahen,  das  ift  entweder  reine  Volk.sarbeit  oder  bereits  moderne 
und  bewufste  Wiederaufnahme. 

Zu  diefer  bewufsten  Wiederaufnahme  einer  maurifchen  Tradition,  die  nicht 
ganz  erftorben  fein  mochte,  gehört  die  inter^ffanteftc  Erfcheinung  der  fpanifchen 
Kunftinduftrie,  die  mit  Gold  und  Silber  taufchirten  oder  incruftirten  Waffen  und 


n.    DIE  LÄNDER  UND  ITTRT<:  KUNSTARBEITEN. 


123 


fonftit^'cn  Eifcngcräthc  von  Madrid  und  Toledo,  deren  erftc  Beifpicle  von  dem 
Madrider  Zuloaga  wir  1867  auf  der  Parifer  Ausftellung  fahen.  Hier  erregten  fie 
bereits  in  Anwendung  auf  Waffenflüci^e  wie  auf  Schrcibgerath  bei  jedem  Ken- 
ner eine  wohlverdiente  Bewunderung,  die  heute  bei  ausgedehnter  Vermehrung 
der  Gegcnftände  allgemein  geworden  ift.  Bewundernswürdig  ift  die  Reinheit 
und  Schönheit  der  Ornamente  und  die  Genauigkeit  und  Schärfe  der  fchwicrigen 
Arbeit.  Diefe  grofsen  Schilde,  die  zum  Theil  auch  mit  hochgetriebenen  Figuren 
verziert  find  (das  Ilauptflück  erwarb  das  öflerreichische  Mufeuniy,  diefe  Kärtchen, 
Schalen  und  Schmuckgcgcnftände ,  diefe  Degen,  Dolche,  Meffer  und  Piflolen 
machen  mit  regelmäfsigcn,  fchön  gezeichneten  blanken  Ornamenten  auf  dem 
fchwarzen  Stahlgrunde  den  nobelflen  Effect. 


Ebenholz-Caffelle  von  Battifla  Galti  in   Rum. 

Gleich  nach  diefen  Arbeiten  kommen  an  Intereffe  die  buntgeftreiften  Gewebe, 
urfprünglich  mantelartige,  in  eigenthümlicher  Weife  getragene  Decken  der  Volks- 
tracht, die  nunmehr  zu  Portieren,  Möbelfloffen,  Vorhängen  vielfach  benutzt  wer- 
den. Mit  ihrer  rationellen  Ornamentation  verbinden  fich  die  fchönften  Farben- 
ftimmungen,  wobei  man  den  ebcnfo  naturgemäfsen ,  wie  reichen  und  effectvoUen 
Befatz  und  Behang  mit  Franfen  und  Quaflcn  nicht  überfehen  darf.  Vor  ihrer 
Schönheit  und  Wirkung  erblafst  alles,  was  die  fpanifche  Weberei  an  modernen 
Geweben  von  Tifchdecken  und  fonftigen  Möbelfloffen  ausgeftellt  hatte.  Auch 
diefe  geflreiften  Gewebe  find  ohne  Frage  maurifche  Tradition,  eine  lebendigere, 
farbenreichere  Variation  des  afrikanifchcn  Burnus.  Ihnen  hätten  fich  die  fpani- 
fchen  Spitzen  in  Schleiern,  Mantillen  und  Kanten  anfchliefsen  können,  ilie  im 
Gegenfatz  zu  den  franzöfifchen  und  belgifchen  ihre  eigene  Ornamentation  be- 
wahrt haben  ;  leider  waren  fie  fo  gut  wie  gar  nicht  auf  der  Ausflellung  erfchienen. 

Auch  die  Potcricn  Spaniens  haben  unleugbar  Reminiscenzen  der  maurisch- 
arabifchen  Zeit  bewahrt.    Allerdings  nichf  dasjenige  Gefchirr  von  Porzellan  oder 


16* 


124 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


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Faience,  welches  heute  auf  vornehmer  oder  gutbürgerlicher  Tafel  erfcheint ;  denn 
diefes ,  deffen  Hauptvertreter  die  Fabrik  von  P  i  c  k  m  a  n  in  Sevilla  ift ,  hält  fich 
am  meiften  an  enghsche  Vorbilder  und  fucht  nur  mit  verfchiedenen,  aber  mifs- 
lungcnen     Imitationen     der    berühmten    Alhambravafe    der    vvicderauflcbenden 


U.    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


Schätzung  altarabifchcr 
Kunft  gerecht  zu  werden. 
.Auch  die  zahlreich  ausge- 
feilten Fliefen  erinnern 
nur  mit  ihrer  Ivxirtenz, 
nicht  mit  ihrer  künftleri- 
fchen  Art  an  die  glänzen- 
den Azulejos  derChalifen- 
paläftc.  Dagegen  \i\  es 
das  Volksgcfchirr  in  zahl- 
reichen Beifpielen  von  gel- 
bem oder  ausgezeichnet 
fchönem  rothen  Thon,  das 
mit  feinen  fchlanken,  ge- 
fchwungenen,  zum  Theil 
auch  bizarren  Formen,  die 
fich  noch  heute  im  nördli- 
chen Afrika  wiederfinden, 
feinen  maurifchen  Ur- 
fprung  deutlich  erkennen 
lafst. 

Ganz  das  gleiche  rothe 
Volksgcfchirr  finden  wir 
in  Portugal,  wo  es  aber 
auch  fafl  die  einzige  Re- 
minifcenz     feiner    früher 

beendeten  arabifchen 
Epoche  zu  fein  fcheint. 
Einiges  Strohgeflecht  mit 
einfach  fchönen  farbigen 
Müllern  dürfte  vielleicht 
noch  ebendahin  gerechnet 
werden.  Was  fonfl  Portu- 
gals Kunflinduflrie  an 
Eigenthümlichkeiten  bie- 
tet, braucht  nicht  nach 
feinem  Urfprungc  dahin 
gerechnet  zu  werden,  fo 
z.  B.  die  zierlichen,  reizen- 
den ,     aus     ilcm    Volks- 

fchmuck    entftanilenen 
und  zum  Theil  noch  dahin 
gehörigen    Filigranarbei- 
ten ,    deren    eine    grofse 
Anzahl     ausgeftellt    war 


Tafelauff.-ili  aus  veiTilbcrtem  Ncufilber,  von  .\.  Kitter  &  Co.,  Efslingen. 


126  DAS  KUNSTGEWERBE. 


und  die  Augen  der  Befucher  feffeltc.  Einen  andern  Gegenftand  von  befonderem 
Intereflc,  den  man  vielleicht  in  Portugal  am  wenigflcn  gefucht  hätte,  bildete 
eine  eigenthümliche  Art  der  Faiencen,  die  Imitationen  der  Arbeiten  von 
Palissy,  jener  SchülTeln  und  Gcfäfse  mit  Schlangen,  Fifchen,  Eidechfen,  Mufcheln 
und  Pflanzen ,  welche,  im  vorigen  Jahrhundert  fafl  verfchollen ,  der  modern- 
ften  Faience-Induftrie  wieder  den  I  lauptanflofs  gegeben  haben.  Wir  wer- 
den noch  mehrfach  ihrer  zu  gedenken  haben.  Hier  in  Portugal  ifl  diefe 
Kunfltöpferei  von  einer  Gefellfchaft  zu  Üporto  in  die  Hände  genommen  und 
fcheint,  trotz  der  bizarren  Formen,  mit  einer  gewiffen  Bedeutung  betrieben 
zu  werden.  Die  portugiefifchen  Imitationen  fchliefsen  fich  ziemlich  eng  an 
ihre  Vorbilder  an,  obwohl  fie  gegenftändlich  das  Genre  erweitern  und  fich 
durch  blafsere  Farbenhaltung  von  denfelben  unterfcheidcn.  Portugals  Kunfl- 
induftrie  war  aufserdem  auch  mit  ganz  modernen  Gegenfländen  vertreten,  welche 
zeigten,  dass  fic  fich  hierin  nicht  von  den  herkömmlichen  Modeformen  entfernt 
und  fich  auf  den  bekannten  Bahnen  bewegt,  fo  z.  B.  mit  gefchlifTenen  Gläfern 
und  Porzellangcfchirr.  Weder  das  Eine  noch  das  Andere  bot  ein  weiteres 
Intereffe.  Daffelbe  ift  es  mit  feinen  Geweben,  in  denen  alte  Traditionen  nicht,  wie 
bei  Spanien,  zu  erblicken  waren. 

Aehnlich  fcheint  es  bei  Italien  auf  den  erften  Blick  zu  fein.  Was  kann 
moderner  fein,  als  feine  glänzenden  Seidenfloffe ,  die  ganz  dem  bisherigen 
franzöfifchen  Gefchmacke  folgen;  was  mehr  wohlgefällig  und  reizend  für  das 
Auge  unferes  Publikums  als  feine  zierlichen,  bald  fentimentalen ,  bald  humoriftifch 
genrehaften  Marmorarbeiten ,  die  wohl  mehr  in  das  Gebiet  der  Kunftwaare  als 
der  Kunftwerke  gehören?  Selbft  feine  kirchlichen  Paramente  und  Stickereien 
find  noch  im  craffeften  und  gefchmacklofeften  Jefuitenflil  gehalten  mit  natura- 
liftifchen  Seidenblumcn  auf  goldenem  und  filbernem,  in  rohefter  Art  ornamentir- 
ten  Grunde. 

Und  doch  war  Italien  intereffant  und  feine'  Ausflellung  höchfl.  bedeutend. 
Es  zeigt  eben  zwei  Gefichter.  Das  eine,  eben  dasjenige,  welches  durch  die  ge-~ 
nannten  Gegenflände  fich  charakterifirt ,  ifl  das  moderne,  wenigftens  was  man 
bisher  als  modern  bezeichcn  konnte.  Ks  fchmcichelt  zum  Theil  mit  feiner 
aufserordentlichen  Gefchicklichkeit  der  Menge,  die  bei  einem  Kunftwerke  nicht 
nach  dem  Gehalte,  fondern  nach  dem  ficht,  was  es  darfteilt,  zum  Theil  bewegt 
es  fich  auf  den  ausgetretenen  Wegen  des  bisherigen  franzöfifchen  Gefchmacks 
ohne  Originalität,  ohne  Erfindung,  felbfl  ohne  Gefchmack.  Das  andere  Geficht, 
und  es  ift  glücklicher  Weife  fein  jüngftes,  kehrt  fich  der  grofsen  Vergangenheit 
Italiens  zu  und  trachtet  die  alten  berühmten  Kunflzweige  nicht  blofs  zu  imitiren, 
fondern  wieder  zu  beleben  und  der  modernen ,  beffer  der  modernflen  Induflric 
wieder  zu  gewinnen.  Zum  Theil  ift  das  nur  die  Fortführung  und  Belebung 
einer  alten  Tradition,  wie  bei  dem  Mofaik,  zum  Theil  ift  es  das  Refultat  wach- 
fender  Alterthumsliebe,  zum  Theil  aber  auch  wahrhafte  und  bewufste  Erneue- 
rung, wie  bei  den  venetianifchen  Glasarbeiten. 

Von  einem  bedeutenden  Zweige  diefer  Richtung,  von  den  gcfchnitzten 
Möbeln  nach  der  Muftern  der  Renaiffance  haben  wir  fchon  früher  zu  fprechcn 
gehabt,    Arbeiten,    die   heute    allerdings   noch    mehr    für    den  Export,    für    die 


II.     DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


127 


Wohnung  fremder  Kunftfreunde  als  für  das  italienifche  Haus  beftimmt  find. 
Nichtsdcftoweniger  bilden  fie  bereits  einen  bedeutenden  Kunftzweig,  bedeutend 
in  künftlerischer  Beziehung  wie  vom  Standpunkte  des  Gefchäfts.  Sie  gehören 
zu  denjenigen  Gegcnftänden,  die  antiquarifch  wieder  begonnen  haben,  nun  aber 
auch  um  ihrer  felbft  willen  gefchätzt  und  gefordert  werden. 

In  gewiffer  Weife  überholt  find  (liefe  Möbel  bereits  durch  die  Glasfabrikation, 
obwohl  diefe  eigentlich  nur  an  einem  Orte  künfllerifch  und  grofsartig  betrieben 
wird,  zu  Venedig  und  auf  feiner  Infel  Murano ;  aber  keine  der  erneuerten  Künde 


Platte  aus  gebranntem  Thon,  von  Villeroy  &  Boch  in  Mettlach. 


Italiens  hat  fich  in  fo  kurzer  Zeit  fo  felbftändig  zu  machen  gewufst.  Die 
leichten  zierlichen  Gläfer  der  Renaiffancezeit,  die  mit  ihren  fchlanken  und  ele- 
ganten Formen  zu  den  gleichzeitigen  Metall-  und  Faience-Gefäfsen  ein  fo  treff- 
liches und  um  der  ftofflichen  Ausprägung  willen  fo  lehrreiches  Seitenflück 
bildeten,  fie  find  alle  untergegangen  in  dem  plumperen  Gefchmack  der  nach- 
folgenden Zeit,  mit  ihnen  alle  die  bunten  Varianten,  die  gefh-ickten,  gefponne- 
nen ,  genetzten  Gläfer,  die  fchönen  blauen,  rothen,  violetten,  grünen  Farben. 
Von  der  ganzen  Muranefer  Glasinduftrie,  die  ein  halbes  Jahrtaufend  geblüht 
hatte,  war  am  Anfang  unferes  Jahrhunderts  nichts  geblieben,  als  die  Perlfabrika- 
tion, die  einem  fehr  unkünfllerifchen  Genre  der  Stickerei  Vorfchub  leiftete,  und 
ein    rohes    ordinäres  Gefchirr    von   gefchmolzenem    Glafe.     Da    kam    vor    etwa 


128 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Thefeus,  von  G.  Vitalis  in  Syra. 


zwanzig  Jahren  (oder  kaum  fo  lange)  ein  venetianifcher  Patriot,  Dr.  Salviati,  feines 
lierufes  ein  Advokat,  auf  den  Gedanken,  dicfen  ehemals  fo  ruhmvollen  und  ein- 
träglichen Induflriezweig  in  den  ausgeflorbcnen  Glashütten  Murano's  wieder  zu 
beleben.  Die  Sache  war  nicht  leicht;  denn  wer  einmal  in  Murano  der  Knt- 
flehung  diefer  zierlichen,  zuweilen  überaus  künftlichen  Gefhfse  zugefehen  hat, 
wie  fie  mit  den  einfachften  Inflrumenten  aus  der  Hand  hervorgehen ,  der  begreift, 
wie  viel  Mühe,  wie  viel  Geduld  dazu  gehört  haben  mufs ,  fo  viele  Arbeiter  in 
ebenfo  viel  Künfller  zu  verwandeln.  Und  heute  ifl  nun  das  alles  gelungen,  heute 
find  die  Schwierigkeiten  überwunden,  und  Murano  ift  wieder  eine  Statte  fchwung- 


OolJwaarcn  von  Cicifsel  iS:  Härtung  in  Hanau. 


130  DAS  KUNSTGEWERBE. 


haft  betriebener  Glasfabriken,  deren  Leiftungen,  deren  Kunftarbeiten  wir  an 
zahllofen  Gegenftänden  auf  der  Ausftelliing  bewundern  konnten,  wo  fie,  dichtge- 
drängt flehend ,  den  vierfachen  Raum  hätten  ausfüllen  können.  Wir  wollen  fie 
nicht  weiter  schildern,  die  eleganten  Trinkgläfer,  die  blumigen  Lüftres,  die  Spie- 
gel, die  Vafen  in  klarem  oder  farbigem  oder  opalifirendem  Glas,  fondern  uns 
begnügen,  fie  in  die  Erinnerung  der  Befucher  zurückzurufen.  Aber  Salviati  ifl 
bei  diefem  Triumphe  nicht  flehen  geblieben.  Ein  zweites  Genre  alter  Kunflübung, 
das  ihm  feine  Wiedererflehung  verdankt,  find  die  Glasmofaiken  des  Mittelalters, 
deren  grofsartige  Ueberrefle  noch  fo  manche  Kuppel  und  Wandfläche  italienifcher 
Kirchen  bedecken.  Die  Reflauration  der  Mofaiken  von  S.  Marco,  welche  Salviati 
übernahm,  rief  diefe  Technik  zuerfl  wieder  hervor,  und  heute  findet  fie  durch 
das  InfHtut  Salviati's  an  verfchiedenen  Orten  und  in  verfchiedenen  Ländern  bereits 
grofsartige  Anwendung.  Die  Ausflellung  bot  uns  eine  lehrreiche  Auswahl  der 
mannigfachflen  Mufler  zu  verfchiedenartiger  Verwerthung,  figürlich  wie  rein 
ornamental.  Auch  an  die  alten  farbigen  Glasfenfler  hat  Salviati  gedacht  und 
fabrizirt  jetzt  eine  Fülle  gefärbter  Gläfer,  welche  an  Nuancen,  an  Farbenpracht, 
fowie  darin,  dass  fie  wohl  das  Licht  durchlaffen,  aber  nicht  in  farbigen  Strahlen 
auf  den  Boden  werfen,  den  alten  am  nächflen  kommen  dürften. 

Die  Bedeutung,  welche  Salviati  in  der  Glasfabrikation  hat,  diefelbe  kommt 
für  die  italienifche  Goldfchmiedekunfl  der  Familie  der  Caflellani  in  Rom  und 
Neapel  zu.  Ihre  Beflrebungen,  welche  befonders  auf  die  Wiedererweckung  der 
antiken  Goldarbeiten  hinausgingen  und  damit  eine  Veredlung  der  Formen  und 
des  Ornaments  wie  eine  Erweiterung  und  Verfeinerung  der  Technik  im  Gefolge 
hatten,  find  fchon  Jahrzehnte  alt,  vielleicht  vom  alten  Pio  Castellani  fchon  ein 
halbes  Jahrhundert,  aber  erfl  neuerdings  haben  fie  vollauf  zum  Ziele  geführt. 
Heute  find  die  Goldarbeiten  der  Brüder  Caflellani,  deren  fchönfle  Stücke  auf 
der  Ausflellung  von  den  Mufeen  erworben  wurden,  nicht  blofs  die  erflen 
Italiens,  vielleicht  der  Welt,  fie  haben  auch  die  übrigen  Goldfchmiede  Italiens  in 
ihre  Bahn  hineingezogen.  Twerembold,  Bellezza  und  Andere  arbeiten  zum 
grofsen  Theil  mit  in  derfelben  Richtung  und  was  fliliflifch  davon  abweicht,  ifl 
in  Zeichnung  und  Ausführung  verfeinert  und  veredelt.  Man  vergleiche  nur  z.  B. 
die  Faffungen  des  Mofaik-  und  Cameenfchmucks  von  Einfl  und  Jetzt,  und  der 
Fortfehritt  fpringt  in  die  Augen.  Mit  Hülfe  der  Franzofen  find  die  Formen  des 
antiken  Goldfchmucks  felbfl  in  die  allgemeine  Mode  eingedrungen,  freilich  fran- 
zöfirt.  Diefem  antikifirenden  Modefchmuck  fehlt  freilich  der  Hauptreiz  durch 
die  Abwefenheit  des  Filigrans,  welcher  den  Caflellani  mit  Hülfe  von  Arbeitern 
des  Volksfchmucks  faft  in  antiker  Feinheit  und  Freiheit  gelungen  ift.  Vieler 
Orten  hat  fich  im  nationalen  Schmuck  das  Filigran  erhalten,  nirgends  aber  wohl 
in  fo  reicher  Anwendung  wie  in  Italien.  Einmal  wieder  in  den  vornehmen 
Schmuck  übergegangen,  hat  es  felbfl  wieder  an  Bedeutung  gewonnen  und  zeigte 
fich  auf  der  Ausflellung  als  ein  blühender  Fabrikszweig ,  der  in  Genua  und  Turin 
feinen  Hauptfitz  hat. 

Eng  mit  der  Goldfchmiedekunfl  verbunden  find  zwei  andere  Zweige  ita- 
lienifcher Kunftübung,  der  Cameenfchnitt  und  das  Mofaik.  Erfterer,  obwohl 
auch  in  Frankreich,  Hanau,  Wien  geübt,   behauptet  in  Rom  uud  Florenz   wohl 


IL    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


131 


immer  noch  den  erflen  Rang.  Die  Mofaik- 
arbeiten  in  Stein  kommen  Italien  faft  allein 
zu,  insbefondere  die  fchvvierigere  Art  in 
Pietra  dura,  welche  man  auch  die  florenti- 
nifche  nennt  und  die  ihre  Bilder,  meift  Still- 
leben, Früchte,  Blumen,  Inflrumente  aus 
den  Steinfti-icken  nach  den  Contouren  der 
Zeichnung  ausfchneidet  und  in  die  fchwarze 
Marmortafel  einfetzt.  Ihre  Hauptverwendung 
hat  fie  bei  Tifchplatten ,  in  kleinerer  Art 
auch  bei  dem  Schmuck.  Ihr  gegenüber 
fteht  die  f.  g.  römifche  Mofaik,  welche  das 
Bild,  das  reichere  Gegenftände  hat,  Figuren, 
Landfchaften ,  Architekturen,  aus  fehr  klei- 
nen regelmäfsigen  Steinchen  oder  vielmehr 
gefärbten  Glasflückchen  zufammengefetzt 
und  in  einer  Kittmaffe  befeftigt.  Für  diefe 
Art  hat  bekanntlich  die  päpftHche  Fabrik 
die  Führung,  aber,  wie  die  Ausftellung  lehrte, 
find  es  zahlreiche  Privatmofaiciften,  welche 
für  den  Schmuck  arbeiten.  Auch  die  Holz- 
mofaik  und  Marqueterie  wird  in  Italien 
geübt,  keineswegs  aber  mit  der  Schönheit 
und  Sorgfalt  wie  z.  B.  im  fünfzehnten  Jahr- 
hundert. 

Geht  die  neue  Goldfchmicdckunft  Italiens 
auf  antike  Vorbilder  zurück,  neben  welchen 
die  Mufler  der  Rcnaiffance  noch  eine  geringe 
Bedeutung  haben,  fo  find  es  für  die  erneuerte 
Kunft  in  Bronzen  und  Eifen  grade  die  Arbei- 
ten diefer  Epoche,  welche  nachgebildet  wer- 
den. Italien  gehört  zu  den  wenigen  Staaten, 
die  heute  das  gefchmiedete  Eifen  als  Kunft- 
arbeit  wieder  aufgenommen  haben.  Franci 
in  Siena  führt  uns  nicht  blofs  die  Copien 
der  alten  Leuchterträger  und  Fackelhalter 
von  Florenz  und  andern  Städten  vor  Augen, 
fondern  auch  mit  Ranken,  Laub  und  Früch- 
ten reichgefchmückte  Gitter.  Die  Imitation 
der  alten  Bronze-  und  Meffingarbeiten 
fcheint  ihren  Hauptfitz  in  Venedig  aufge- 
fchlagen  zu  haben ;  eine  Reihe  gröfserer 
und  kleinerer  Giefsftätten  nehmen  daran  Theil. 
Auf  der  Ausftellung  erfchien  M  i  c  h  i  e  1  i , 
zum   Theil    fchon    mit  Arbeiten    von    fafl 


Candelaber  in  Eifcngufs  von  der  Stollberg- 
Wernigeroder  Faktorei  in  Ufcnburg. 


13* 


132 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


monumentaler  Bedeutung.   Aus  einer  venetianifchen  Giefsftätte  ifl  auch  die  reizende 
kleine  Figur  des  trinkenden  Knaben  von  A.  Hildebrand  hervorgegangen. 

In  allen  diefen  verfchiedenen  Kunftzweigen  ifl;  Italien  ohne  Zweifel  auf  gutem 
Wege.  Sind  fie  zum  Theil  noch  zu  fehr  antiquarifch  gehalten  und  daher  zu  unfrei 
vom  Standpunkt  der  Erfindung,  fo  wird  doch  der  Uebung,  dem  Gefchick  alsbald 


Anficht  der  Rotunde  vom  Baffin  aus. 


die  Originalität,  die  freie  Schöpfung  folgen,  wie  es  zum  Theil  fchon  gefchehen  ifl;. 

Gehen  wir  von  Süden  nach  Norden,  die  Gruppe  der  grofsen  Induftrieländer 
einftweilen  überfpringend ,  fo  finden  wir  auch  in  den  beiden  fkandinavifchen 
Ländern,  Schweden  und  Norwegen,  das  Gemifch  des  Modernen  und  des 
Eigenthümlichen,  oder  richtiger  gefagt,  beides  unvermittelt  nebeneinander.  Aber 
wie  anders  als  in  Italien!  Befleht  die  Selbftftändigkeit  und  Eigenthümlichkeit 
der  italienifchen  Kunftinduftrie  in  einem  Zurückgehen  auf  feine  glänzende  Kunft- 
vergangenheit  zur  Löfung  der  höchften  kunftinduftriellen  Aufgaben,  fo  ift  im 
Norden  das  Eigenthümliche  nur  national,  nationale  Hausinduftrie  feiner  länd- 
lichen Bevölkerung,  nur  Arbeit  für  das  eigene  Haus  und  den  eigenen  Gebrauch. 
Dass  von  diefer  Art  Induftrie  oder  menfchlicher  Handarbeit  noch  vieles  tradi- 
tionell aus  alter  Zeit  vorhanden  fein  mufs,  darauf  läfst  uns  fchon  die  Ausdeh- 
nung des  Landes,  die  geringe  Dichtigkeit  der  Bevölkerung,  die  Entfernung  und 
Abgefchloffenheit  der  Ortfchaften  fchliefsen.  Und  fo  ift  es  auch,  von  Schonen 
angefangen  bis  zum  Nordcap  hinauf. 

Für  das  Schlofs,  für  die  Kirche,  für  das  wohlhabende  Haus  und  überhaupt 


II.    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


133 


Eckpavillon  der  Induftriehalle. 


die  Gefellfchaft,  welche  fich  cinigermafsen  auf  der  Höjie  des  Lebens  befindet 
und  mit  der  Cultur  gleichen  Schritt  hält,  hat  die  fkandinavifche  Induftrie  nie- 
mals -etwas  Eigenthümliches  gefchaffen.  Die  I  lanfaftädte ,  dann  Holland  und 
E^ngland  forgten  für  den  Bedarf.  Die  Spuren  davon  trifft  man  noch  überall  im 
Lande.  Nur  ein  Zweig  der  Kunflinduftrie,  die  geprefsten  und  vergoldeten  Le- 
dertapeten ,  findet  fich  mit  feinen  Ueberreflen  fo  häufig  noch  im  Lande ,  felbft 
in  Bauerhäufern ,  dafs  man  ihn  wohl  der  heimifchen  Fabrikation  zufchreiben 
mufs.  Es  ift  heute,  wie  die  Beifpiele  auf  der  Ausheilung  zeigten,  in  Stockholm 
mit  Glück  wieder  aufgenommen  und  bewegt  fich  in  den  Muftern  des  fechszehn- 
ten  und  fiebzehntcn  Jahrhunderts.  Erft  im  achtzehnten  Jahrhundert  wurden  bei 
Stockholm  zu  Rörstrand  und  Guftavsberg  zwei  Faiencefabriken  gcfchaflfen,  um 
Haus  und  Tafel  mit  weifs  glafirtem,  buntverziertem  Gefchirr  zu  verfehcn.  Allein 
fie  hatten  nur  langfam  Erfolg,  fei  es  aus  Mangel  der  Kräfte,  fei  es  um  derConcur- 
renz  willen  mit  dem  billigen  chinefifchen  und  japanifchen  Porzellan,  welches  die 
fchwedifch-indifche  Gefellfchaft  nicht  blofs  in  Schiffen,  fondern  in  Flotten  ein- 
führte.    Auch  bewegten  fich  ihre  Arbeiten  ganz   in  den  Formen   ihrer  Zeit  und 


134  DAS  KUNSTGEWERBE. 


zeigten  daher  kiinftlerifch  wenig  oder  keine  Originalität.  Nichtsdeftoweniger  wer- 
den ihre  Arbeiten  von  beiden  Fabriken  heute  wieder  imitirt,  feitdcm  die 
Faiencen  überhaupt  und  diejenigen  des  achtzehnten  Jahrhunderts  insbefondere 
—  letztere  ziemlich  ungerechtfertigter  Weife  —  wieder  in  Mode  gekommen  find. 
Beide  Fabriken  waren  ihrem  Rufe  entfprechend  auf  der  Ausftellung  vertreten, 
fowohl  mit  diefen  Faiencen  wie  mit  Porzellangefchirr,  insbefondere  technisch 
höchft  wunderbaren  Biscuitarbeiten,  die  aber  fonfl  kein  künftlerifches  Intereffe 
boten.  Rörftrand  zeigte  aufserdem  mit  Glück  Art  und  Farbenftimmung  der 
Paliffy- Arbeiten  auf  mancherlei  Geräth ,    zum  Theil  auch  auf  Oefen  angewendet. 

Von  rein  moderner  Kunflinduftrie  in  Scandinavien  waren  ohne  Frage  diefe 
beiden  Fabriken  die  intereffantefte  Erfcheinung.  Aufser  den  imitirten  Leder- 
tapeten waren  höchftens  einige  Bucheinbände  bemerkcnswcrth.  y  Die  zahlreichen 
im  Material  fo  vortrefflichen  Eifenarbeiten ,  auch  die  feineren  zeigten  keinerlei 
entfprechende  Ornamentation. 

Den  Hauptreiz  auf  ein  künftlerifches  Auge  übten  die  nationalen  Arbeiten 
in  Geweben ,  Stickereien ,  Spitzen  und  Schmuckgegenftänden.  Leider  waren  fie 
nur  an  Coftümfiguren  vertreten,  die,  fo  vortrefflich  fie  in  lebensvollen  Gruppen 
aufgeftellt  waren ,  doch  empfindliche  Lücken  liefsen.  Einiges  bot  die  fchwedifche 
Ausftellung  weiblicher  Arbeiten  zur  Ergänzung.  Wir  vermifsten  unter  anderm 
die  Holzgefchirre  Lapplands ,  die  mit  ihren  gefchnitzten  Ornamenten  direct  an 
die  Kunft  des  alten  Scandinaviens  anknüpfen,  ebenfo  in  Roth  und  Schwarz 
ornamentirte  Leintücher  aus  dem  Süden  Schwedens  und  originell  geftickte 
Decken  Dalekarliens.  Immerhin  gaben  die  Coftüme,  insbefondere  die  der 
Frauen,  fowohl  die  norwegifchen  wie  die  fchwedifchen ,  den  Reichthum  und  die 
Originalität  der  ornamentalen  Motive  zu  erkennen,  welche  in  diefen  Arbeiten 
wie  ein  ungehobener  Schatz  ruhen.  Es  ift  nicht  genug  darauf  hinzuweifen,  wie 
fehr  fie  in  diefer  Beziehung  für  die  moderne  Induftrie,  die  überall  nach  Neuem 
fucht,  zu  verwerthen  find.  Ein,  Verfuch  ift  auch  bereits  in  Norwegen  felbft  ge- 
macht, indem  ein  Goldfchmied  in  Chriftiania,  Toftrup,  die  bäurifchen  Filigrane 
für  modernen  Schmuck  und  andere  Gegenftände  verwendet.  Auch  die  Beftre- 
bungen  zur  Hebung  der  weiblichen  Arbeiten  in  Schweden,  welche  von  Damen 
geleitet  werden  und  in  der  bereits  erwähnten  Specialausftellung  ihren  Ausdruck 
gefunden  hatten,  weifen  bereits  auf  die  Benutzung  der  nationalen  Kunftmotive 
hin.  Wenn  das  in  erhöhtem  Mafse  gefchähe,  würde  es  der  fchwedifchen  Kunft- 
induftrie  ein  Intereffe  geben,  das  ihr  heute,  wo  das  Auge  von  hergebrachter 
franzöfifcher  Mode  überfättigt  ift ,  abgeht. 

Aehnlich  wie  in  Skandinavien  ift  die  Lage  der  Dinge  in  Rufsland,  nur 
dafs  dasjenige,  was  modern  ift  oder  richtiger  gefagt,  was  für  die  moderne  Welt 
beftimmt  ift,  bedeutender  erfcheint,  und  dafs  zugleich  mit  mehr  Confequenz  und 
Abficht  eine  Verbindung  zwifchen  den  nationalen  Kunftelementen  und  dem  Be- 
darf der  gebildeten  Welt  angeftrebt  wird.  Auch  Rufsland  kann  fich  keiner  künft- 
lerifchen  Vergangenheit  rühmen,  es  kann  nicht  an  ererbte  oder  erlofchene  Tra- 
ditionen anknüpfen,  welche  auf  den  Höhen  der  Cultur  ftanden,  wenn  man  nicht 
etwa  den  Byzantinismus  feiner  kirchlichen  Kunft  dahin  rechnet.  Diefer  Byzan- 
tinismus aber  ift  erftarrt,   mumifizirt  uud  in   diefer  Erftarrung,  in   feinem  unab- 


II.    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


135 


J_ 


änderlichen  Typus  befteht  eben  feine  Eigenthümlichkeit;  ihn  wieder  lebendig 
machen  wollen,  das  heifst  ihn  in  feinem  Charakter  aufheben,  ihn  vernichten. 
Diefe  Art  der  ruffifchen  Kunft,  diefe  Heiligenbilder  und  gegoffenen  und  emaillir- 
ten  oder  gefchnitzten  Cruzifixc  und  Triptychen  oder  was  dahin  gehört ,  mit  zahl- 
lofen  kleinen  Figürchen,  fie  find  für  eine  Wiedererweckung  oder  eine  Reform 
der  modernen  Kunftinduftrie  eine  verlorene  Sache.  Der  griechifchen  Kirche  an- 
gehörend, find  fie  auch  lediglich  religiös,  nicht  national,  oder  doch  erft  in  zwei- 
ter Linie. 

Was  in  Rufsland  wirklich  national  ift,  das  ift  entweder  volksmäfsige  Haus- 
arbeit und  fomit  uralte  Tradition,  oder  es  ift  afiatifch.  Jene,  die  nationale 
Kunfttrbeit,  ift  in  Rufsland  fo  bedeutend  wie  irgendwo,  zumal  fie  fich  nicht  auf 
die  eigentliche  Induftrie,  auf  den  beweglichen  Hausrath  und  auf  coftümlichc 
Gegenftände  befchränkt,  fondern  auch  das  Haus  felbft  mit  feiner  Ornamentation 


Gufseifernes  Käflcben  von  der  StoUberg'fchen  Factorei  in  Ilfenburg. 


in  fich  begreift.  Wir  haben  darüber  bereits  in  unferer  Schilderung  der  Bauern- 
häufer  gefprochen  und  gedenken  diefes  Umftandes  nur  hier,  weil,  wie  wir  gleich 
fehen  werden,  diefe  architektonifche  Ornamentation  der  Bauernhäufer  in  der 
modernen  ruffifchen  Induftrie  eine  Rolle  zu  fpielen  beginnt.  Von  den  hölzernen 
Gebäuden  abgefehen,  war  aber  die  nationale  Hausinduftrie  Rufslands  auf  unferer 
Ausftellung  in  keiner  Weife  genügend  vertreten.  Einiges  fand  fich  in  dem  Ge- 
höft, das  wir  befprochen  haben,  anderes,  namentlich  Stickereien,  hatten  die 
Mufeen  ausgeftellt ,  aber  als  alte  Gegenftände,  nicht  zur  Vertretung  der  gegen- 
wärtigen Arbeiten.  Vor  allem  dürftig  waren  die  Thonwaren  und  das  hölzerne 
Gefchirr,  das  in  Rufsland  noch  von  grofser  Bedeutung  ift,  vertreten.  Einen 
beffcren  Begriff  von  depi  ornamentalen  Reichthum  in  diefen  Arbeiten  bekommen 
wir  aus  einem  grofsen  Werke,  das'  fich  mit  ihnen  bcfchaftigt  und  fie  zum  Ge- 
meingut machen  will  („Ornement  national  Russe.  St.  Petcrsbourg  1871"),  fo  wie 
aus  den  erwähnten,  von  den  Induftriemufecn  zunächft  angeregten  Beftrcbungen, 
fie  in  die  moderne  Kunft  einzuführen. 

Unferes  Erachtens  gefchieht  das  zum  Theil  in  richtiger,   zum  Theil  in  un- 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Camlelaber,  nach  Entwurf  v.  H.  Claus  ausgef.  v.  Ilollcnbacli. 


richtiger  Weife.  Richtig  ifl: 
es,  wenn  eine  Leinwandfabrik 
(Grifenko  in  Petersburg)  die 
auf  der  Hausleinwand  und  der 
Leibwäfche  vorkommenden 
gewebten  oder  geflickten  Or- 
namente zu  dem  gleichen 
Zwecke,  nur  für  feinere  Kreife 
wieder  verwendet.  Wir  haben 
fchon  öfter  für  die  farbige 
Decoration  des  Hausleinens 
plaidirt.  Hier  ift  ein  Weg 
dazu  eingefchlagen,  den  wir 
nur  billigen  können.  Auch 
in  die  zur  Decoration  beftimm- 
ten  Seiden-  und  Brokatftoffe 
find  bereits  nationale,  neben 
ihnen  auch  rein  mittelalterliche 
Motive  aufgenommen  worden 
und  erwiefen  fich  in  der  Aus- 
ftellung  der  Fabrik  von 
Sapoinikoff  zur  Seite  ganz 
modern  gehaltener  Gewebe 
als  von  höchft  glücklicher 
Wirkung. 

Minder  unbedenklich,  ja 
mehr  als  zweifelhaft  in  ihrem 
Werthe  erfchcint  die  Auf- 
nahme der  durchbrochenen, 
in  graden  Linien  gehaltenen 
Ornamente  der  Holzarchitek- 
tur, welche  der  Arbeit  von 
Lineal  und  Säge  ihre  Ent- 
ftehung    verdanken,    in    die 

Goldfchmiedckunfl,  deren 
Material  fich  gerade  der  freien 
plaftifchen  Bewegung  am 
allergünfligften  erweifet.  Wir 
fchicken  die  Bemerkung  vor- 
aus, dafs  im  Allgemeinen  die 
Ausftellung  der  ruffifchen 
Goldfchmiedekunfi: ,  würdig 
eines  grofsen  Reiches,  eine 
glänzende  und  intereffante 
war,     intereffant    durch    ver- 


II.  DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


137 


-r 


fchiedenartige  Verfuche  und  Orna- 
mentationsweisen  und  insbefondere 
auch  dadurch,  dafs  fie  mehr  als 
irgend  eine  andere  von  dem  farbigen 
Schmuck  des  Emails  Gebrauch 
machte.  Aber  grade  diefes  Email 
war  mit  die  Urfache,  dafs  das  ge- 
färbte Flachornament  der  Holzbauten 
fo  leichte  Verwendung  auf  dem 
Golde  fand,  auf  den  Gefäfsen  wie 
den  Schmuckgegenftänden.  Können 
wir  es  uns  auch  gefallen  laffen,  dafs 
fomit  die  plaflifche  Erfcheinung  in 
eine  malerifche  verwandelt  wurde, 
eine  Seite,  die  bekanntlich  von  der 
modernen  Goldfchmiedekunft  nur  zu 
fehr  vernachläffigt  wird,  fo  find  jene 
Ornamente  doch  für  Zweck  und 
Gegenfland  zu  fleif  und  darum  unan- 
gemeffen.  Noch  unangemeffener  find 
fie,  wenn  fie  nicht  cmaillirt  werden, 
fondern  wie  ausgefagtes  Blech  erfchei- 
nen.  Die  ruffifche  Goldfchmiede- 
kunft  litt  aufserdem,  nach  Neuheiten 
trachtend,  an  der  Vermifchung  wider- 
fprechendcr  Kunflweifen,  wie  z.  B. 
die  fteifen  Holzgefäfse  mit  dem 
Naturalismus  verbunden  wurden,  fo 
dafs  eine  Eiche  mit  freien  Figuren 
darunter  ein  folches  in  Gold  oder 
Silber  ausgeführtes  Holzgefäfs  trug 
und  ihre  Wurzeln  in  ein  ähnliches 
conventionelles  Poflament  fchlug. 

Auch  in  die  Glasarbeiten  der 
kaiferlichen  Fabrik  find  die  Holz- 
ornamente zur  Verzierung  von  Ge- 
fäfsen aufgenommen  worden  und 
zwar  mit  aufliegenden  Emailfarben, 
fodafs  auch  die  alte  Technik  nach- 
gebildet erfcheint  und  diefe  Arbei- 
ten flark  orientalifirenden  Charakter 
erhalten.  Uebrigens  hat  fich  die 
kaiferliche  Fabrik  nicht  ohne  Glück 
auch  auf  die  Nacliahmung  der  älte- 
ren   venetianifchen    Glasgefäfse    mit 


■^ 


Candelalier  von  der  Berliner  Aclicnpefellfchafl  für 
Ceutral-IIeizungs,  Gas-   und  WafTer.nnlagen. 


18 


138  DAS  KUNSTGEWERBE. 


Malerei  verlegt.  Was  Rufsland  fonft  an  Kunftgläfern  ausgeftellt  hatte,  bewegte 
fich  auf  den  veralteten  Bahnen  des  böhmifchen  Glafes  und  bot  keinerlei  Inter- 
effc.  Ebenfo  wenig  erfchien  fein  Porzellan  intereffant,  felbfl  nicht  da.sjenige 
der  kaiferlichen  Fabrik,  das  keine  neuen  Wege  eingefchlagen  hatte.  Eine  ftoffliche 
Eigenthümlichkeit  für  Rufsland  (ind  feine  Malachite,  aber  ihre  künfllerifche 
Verwerthung,  die  mit  reicher  vergoldeter  Bronze-Montirung  fich  im  Genre  der 
Galanteriegegenftände  hielt,  fleht  nicht  auf  der  Höhe  des  Stoffes  und  des  Preifes. 
Die  Formen  find  zu  gewöhnlich  modern,  und  das  gilt  auch  noch  von  andern 
Induflriezweigen,  von  den  Bronzen,  den  Tapeten,  den  meiften  Decorationsftoffen 
und  den  Teppichen. 

Aber  die  ruffifche  Kunftinduftrie  bietet  noch  eine  andere  Seite  des  Intereffes 
dar,  die  wir  fchon  vorher  mit  als  eine  nationale  bezeichneten,  das  ift  die  afia- 
tifche,  die  uns  übrigens  in  der  ruffifchen  Ausftellung  weniger  bedacht  fehlen,  als 
es  hätte  fein  follen.  Den  afiatifchen  Erzeugniffen ,  insbefondere  denjenigen  aus 
den  neu  eroberten  Gegenden,  war  ein  eigener  Winkel  zugewiefen  worden  und 
diefer  aus  dem  ethnographifchen  Gefichtspunkt  arrangirt.  In  reich  verziertem 
Pferdegefchirr,  Goldfchmuck  und  Waffen,  die  ganz  mit  Türkifen  bedeckt  waren, 
fand  fich  die  Heimat  diefes  fchönen  blauen  Steines  vertreten;  aufserdem  gab  es 
intereffantes  Thongeräth,  Gewebe  und  Stickereien,  welche  ihre  Verwandtfchaft 
mit  der  perfifchen  Kunfl  nicht  verleugneten.  Der  Kaukafus  fehlen  uns  mit  feinen 
Waffen  und  Stickereien  wenig  glücklich  vertreten.  In  allen  diefen  Arbeiten  ifl 
noch  echte  orientalifche  Art.  Wo  aber  die  afiatifche  Kunfl  tiefer  nach  Rufsland 
vorgedrungen  ifl,  da  läfst  fie  leider  an  Originalität  heute  nach.  Dies  gilt  insbe- 
fondere von  den  f.  g.  Tula-Arbeiten,  Silberniellen,  die  noch  vor  wenigen  Jahren 
mit  echt  orientalifchen  Arabesken  als  Verzierung  von  Waffen,  Geräth  und  Dofen 
den  reizendften  Effect  boten,  heute  aber  Landfchaften,  Portraits  und  fonflige  euro- 
päifche  Motive  an  die  Stelle  fetzen  und  mit  Vergoldung  vollends  verderben. 
Ka  ifl;  fchade,  dafs  die  ruffifche  Kunftinduftrie,  die  nach  der  einen  Seite  fich  mit 
alten  und  nationalen  Elementen  zu  erfrifchen  trachtet,  hier  einen  ihrer  fchönften 
Zweige  in  Vernachläffigung  zu  Grunde  gehen  läfst. 

Was  Rufsland  verfäumt  hat,  uns  eine  genügende  Ausftellung  feiner  nationalen 
Hausinduftrie  vorzuführen,  das  haben  die  öftlichen  Donauländer,  Ungarn  (mit 
Croatien)  und  Rumänien,  und  neben  ihnen  Griechenland,  in  reichem  Mafse 
gethan.  Es  war  freilich  auch  das  Intereffantefte ,  was  fie  bringen  konnten. 
Die  Commiffionen  diefer  Länder  hatten  den  richtigen  Gefichtspunkt  feftgehalten, 
dafs  es  fich  hier  nicht  um  eine  ethnographifche  Zufammenftellung  oder  um  eine 
touriftifche  Merkwürdigkeit  handle,  fondern  um  einen  Zweig  der  menfchlichen 
Arbeit,  der,  commerciell  allerdings  vor  fehr  geringer  Bedeutung,  um  fo  gröfseren 
Werth  hat  in  künftlerifcher,  culturgefchichtlicher,  ja  felbft  in  moralifcher  Bedeu- 
tung. Nehmt  der  ländlichen  Bevölkerung  diefe  Hausarbeit,  welche  fie  zwingt  fich 
zu  befchäftigen,  fich  mit  dem  Nützlichen  wie  mit  dem  Schönen  zu  befchäftigen, 
und  ihr  werdet  fehen,  wie  diefe  Bevölkerung  in  Cultur  und  Moral  um  eine  Stufe 
tiefer  finkt.  Entweder  der  Faulheit  hingegeben,  wird  fie  demoralifirt,  oder  nach 
Befchäftigung  fuchend,  werden  diefe  Frauen  und  Mädchen,  die  jetzt  den  Schmuck 
ihres  Haufes,    die  Zierden   ihres   Lebens   arbeiten,  dem  Maurer,   dem   Strafsen- 


IL    DIE  I^NDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


139 


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Tcppich  von  John  Rrinton  &   Co.  in  Kidderminfter. 


bauer  das  Material  zuführen,  den  Lehm  und  Mörtel  bereiten  und  felbft  bei  den 
gröbften  Arbeiten  folcher  Art  mit  Hand  anlegen.  Und  das  fleht  drohend  bevor. 
Der  Untergang  diefer  nationalen  Hausinduftrie  ifi;  fchwerlich  abzuwehren,  unfere 
nivellirende  Zeit  duldet  die  nationalen  Eigenthümlichkeiten  nicht  mehr.  Erfor- 
dert es  fomit  das  gefchichtliche  Intereffe,  diefe  alten  Traditionen  in  Mufeen  zu 
fammeln,  fo  tritt  noch  ein  anderes  fehr  modernes  Intereffe  hinzu,  welches  ihnen 
Bedeutung  verleiht.  Wir  haben  fchon  darauf  aufmerkfam  gemacht,  dafs  in  ihrer 
eigenthümlichen  Ornamentation  ein  Schatz  künftlerifcher  Motive  ruht,  der  unferem 
nach  Neuem  bedürftigen  Gefchmack,  insbefondere  auch  unferenReformbeftrebungen 
um  fo  mehr  zu  Statten  kommt,  als  ihre  Art  durchaus  rationell  ift.  Es  kommt 
nur  darauf  an,  fie  zu  übertragen,  fie  verwendbar  zu  machen  und  fie  zum  Theil 
zu  verfeinern  und  zu  veredeln. 

Wer  von  dicfem  Gefichtspunkte  aus  die  Fülle  von  Gegenftänden,  namentlich 
in  Geweben  und  Stickereien  betrachtete,  welche  uns  Ungarn,  Croatien  und  Ru- 
mänien vor  Augen  führten,  der  konnte  über  ihren  Werth  nicht  länger  in  Zweifel 
fein.  Schon  in  der  Farbe  waren  fie  in  ihrer  Gefammtheit,  wo  nicht  moderner 
Kinflufs  fchon  zu  fehen  war,  durchaus  glücklich,  und  diefe  Arbeiten  aus  der  Hand 
ungebildeter  Bäuerinnen  von  ungarifchen,  croatifchen,  walachifchen  Dörfern,  fie  bil- 
deten darin  den  voUflenGegenfatz  zu  den  Arbeiten  unferer  Damen,  die  ebenfo  durch- 
weg in  der  Farbe  verkehrt  find,  wie  jene  gelungen.  In  der  Zeichnung  wie  im 
Schnitt  der  Gewänder  ficht  man  wohl  unterfcheidende  Merkmale  nach  der  Her- 
kunft, aber  ftilifhfch  zieht  fich  ein  gemeinfamer  Charakterzug  der  Ornamentation 
durch  alle  diese  nationalen  Arbeiten  von  Griechenland  und  Dalmatien  an  bis  zum 
Norden  Skandinaviens,  Rufsland  mit  cingefchloffen.  Insbefondere  gilt  dies  von 
der  Leinwand  und  ihren  eingewebten  geflickten  oder  fpitzenartigen  Verzierungen 
fowie  von  den  grofsen  gobelinsartig  gewebten  und  geometrifch  in  reichen  Farben 


140 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Uamalt-Decke  vun  l'rölfs  fen.    fei.  Söhne  in  Grofs-Schoenau. 


gezierten  Decken.  Manches  erfcheint  auch  den  einzelnen  Ländern  oder  Gegenden 
mehr  eigenthümlich ;  fo  findet  man  in  Rumänien  fowohl  im  Stoff  wie  in  der 
Stickerei  auch  oricntalifche  Motive,  denen  wir  in  der  Türkei  wieder  begegnen, 
fowie  Griechenland  mit  den  albanesifchen  Provinzen  und  einem  Theile  Dalmatiens 
die  Goldbortenftickerei,  insbefondere  auf  den  Sammctjacken,  in  den  zierlichft  ge- 
zeichneten Muftcrn  und  der  cxacteften  Ausführung  für  fich  hat. 

Neben  diefen  Geweben  und  Stickereien,  dieals  Hausarbeit  der  Frauen  allerdings 
den  bedeutendften  Theil  ausmachen,  find  aber  andere  Zweige  nicht  zu  überfehen. 
Einiges  vom  Mobiliar,  das  aber  nicht  in  hinlänglicher  Menge  zur  Ausheilung  ge- 
kommen ift,  haben  wir  fchon  bei  den  nationalen  Häufern  zu  erwähnen  gehabt. 
Die  intereffanteflen  und  hübfcheften  Gegenflände  diefer  Art  waren  eine  Reihe 
Seffel  und  Stühle  in  der  rumänifchen  Abtheilung,  deren  einfach  gedrehtes  Holz- 
geflell  mit  bunten  Borten,  welche  Sitz  und  Rücken  bildeten ,  überflochten  war. 
Vor  allem  ift  der  originellen  Thonwaaren  zu  gedenken,  die  von  keinem  diefer 
Länder   vernachläffigt   waren  und   in    reicher  Fülle  fchwarzes,   rothes,  grün  und 


II.     DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


141 


r 


Bodenfliefen  von  Villeroy  &  Boch  in  Moltlach. 


bunt  glafirtcs  Gefchirr  darboten.  So  roh  zuweilen  die  Arbeit  ift,  fo  eigenthümlich 
und  beachtenswerth  find  Art  und  Form,  in  welchen  man  auf  unläugbar  antike 
Traditionen  ftöfst.  Hier  auf  dem  romanifirtcn  Boden  des  alten  Möfiens,  Daciens 
und  Pannoniens  ift  das  allerdings  auch  nicht  zu  verwundern. 

Bilden  die  nationalen  Arbeiten  das  Hauptintereffe,  fo  würde  man  doch  min- 
deflens  Ungarn  ein  grofses  Unrecht  thun,  wollte  man  bei  ihm  allein  diefer  Art 
Induflrie  gedenken.  Die  Kunflinduftrie  von  l'eft  zeigt  ein  fchr  modernes  civili- 
firtes  Geficht.  Schliefst  fich  dicfclbe  auch  den  in  Wien  herrfchcnden  Richtungen 
an,  fo  giebt  es  doch  auch  Fabriken  und  VVcrkftatten  in  Ungarn,  die  ihr  eigenes 
Gepräge  tragen.  Dahin  gehören  die  zur  Coflümirung  nothwendigen  Schmuck- 
gegenftände,  die  mit  Steinen  und  luiiails  den  alten  farbigen  Schmuck  des  fech- 
zehnten  Jahrhunderts  wieder  nachahmen,  dahin  gehört  der  Opalfchmuck  lier  Firma 
Goldfchmidt,  deffen  Faffung  und  künftlerifche  Bildung  auf  richtigem  Wege 
erfcheint.     Vor  allem  aber  ift  dahin  die  Porzellanfabrik  von   Moriz  Fi f eher  in 


142 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Herend  zu  rechnen,  die  es  auf  Wiederbelebung  des  alten  Porzellans  abgcfchen 
hat  und  in  der  Wiedergabe  der  verfchiedencn  Arten,  von  Meifsen,  Wien,  Sevres, 
Berlin,  China  und  Japan  von  keiner  andern  Fabrik  des  Continents  erreicht  wird. 
Es  ift  begreiflich,  dafs  diefes  Ziel  nur  mit  unendlicher  Mühe,  Geduld  und  finn- 
cndem  Denken  in  langer  Zeit  zu  gewinnen  war,  und  um  fo  mehr,  wenn  man  be- 
denkt, auf  welchem  Boden  die  Fabrik,  fern  von  allen  künfllerifchen  Hülfsmitteln, 
fich  befindet.  So  mag  das  Rcfultat,  wie  es  die  eminente  Ausflellung  diefer  Fabrik 
erkennen  liefs,  mit  Recht  unfere  Bewunderung  erregen.  In  ihrer  eigenthümlichen 
Richtung  hat  die  Fabrik  gegenwärtig  eine  Technik,  eine  Sicherheit  des  Ver- 
fahrens, eine  Accurateffe  der  Arbeit  erreicht,  die  um  fo  anerkennenswerthcr  find, 
weil  Material  und  Feuer  gerade  bei  dem  harten  Porzellan  dicfen  Eigcnfchaften 
hinderlich  find.  Die  Fabrik  hat  uns  auf  jeder  Ausflellung  mit  kleinen  Räth- 
feln  überrafcht,  mit  doppelwandigen,  oben  durchbrochenen  Gefäfsen,  mit  Deckeln 
jn  beweglichem  Charnier  und  ähnlichen  Kunflftücken;  diesmal  ift  eine  gewaltige 
durchbrochen  gearbeitete  Vafe  auf  grofsem  vierfeitigen  Poflament,  deffen  Wände 
trotz  der  Wirkung  des  grofsen  Feuers  fcharf  und  grade  wie  gefägt  erfcheinen,  und 
mit  beweglichen  glafirten  Ketten  umhängt  sind,  der  Triumph  ihrer  Technik.  Un- 
garn follte  unferes  Erachtens  mehr  aus  der  Fabrik  machen ;  bei  der  unver- 
gleichlichen Gefchicklichkeit,  welche  fie  erreicht  hat,  könnte  fie  dem  Lande  als 
Nationalanflalt  die  gleichen  Dienfle  leiflen  und  die  Stellung  einnehmen,  wie  fie  einft 
ihrer  Zeit  Meifsen  und  Wien  inne  hatten. 


3.    Gruppe:     Frankrei  ch,  England,    Oesterrcich,  Deutschland. 


Die  internationale  Frage  des  Gcfchmacks  wird  in  den  vier  grofsen  Induftrie- 
ländern  Erankreich,  England,  Oefterrcich  und  Deutfchland  ausgekämpft  und  ent- 
fchicden  werden  müfsen.  Das  letzte  diefer  Länder  fcheint,  feiner  Ausflellung  nach 
zu  fchliefsen,  allerdings  fern  vom  Ziele  zu  fein,  aber  die  grofse  Bewegung  der 
Kunftinduftrie  ifl  nicht  eine  Sache  von  heute  auf  morgen.  Frankreich  hat  einen 
Vorfprung  von  zwei  Jahrhunderten,  der  nicht  in  einem  Luftrum  eingeholt  fein 
kann.  Die  Frage,  um  die  es  fich  hier  handelt,  ift  eine  Frage  der  Lehre  und  der 
Arbeit,  eine  Frage  der  Cultur,  und  Wissenschaft  und  Cultur  arbeiten  langfam. 

Die  Herrfchaft  Frankreichs  im  Gefchmack  datirt  feit  der  Mitte  des  fiebzehn- 
ten  Jahrhunderts.  Es  ift  merkwürdig,  dafs  fie  beginnt  mit  feiner  kriegerifchen 
Gloire,  die  doch  auch  erft  feit  Richelieu  oder  vielmehr  feit  Ludwig  XIV.  gerech- 
net werden  kann,  und  heute  mit  ihrem  Untergang  mindeftens  in  Frage  geftellt 
ift.  Der  franzöfifche  Gefchmack  begleitet  fomit  vollftändig  die  Zeiten  des  Ver- 
falls in  der  Kunft.  Seine  Weltbedeutung  beginnt  mit  dem  Aufenthalt  des  grofsen 
Manieriften  Bernini  in  Frankreich  und  der  Gründung  der  franzöfifchen  Kunftin- 
duftrie durch  Colbcrt,  und  durchlebt  ununterbrochen  in  nie  angefochtener  Herr- 
fchaft die  Periode  der  franzöfifchen  Barockzeit,  des  Rococo,  den  Gefchmack 
Louis  XVI.  und  felbft  die  Revolution  und  das  Empire  mit  ihrer  vermeintlichen 
Antike,  um  im  neunzehnten  Jahrhundert  mit  dem  Rococo  von  vorn  zu  beginnen 
und  im  zweiten  Empire  bei  der  Stilart  Louis  XVI.  ftehen  zu  bleiben.    Kein  Wun- 


II.    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


143 


der,  dafs  von  Generation  zu  Generation  im  gleichen  Geifle  fortarbeitend,  die 
ganze  franzöfifche  Künftlerfchaft,  foweit  fic  der  Induftrie  angehört,  den  Character 
diefer  Kunflepochc  vollkommen  zu  dem  ihrigen,  zu  ihrer  Natur  gemacht  haben, 
dafs  Willkür,  Caprice,  Regellofigkeit,  trotz  aller  eminenten  Gefchicklichkeit,  welche 
das  Refultat  zweihundertjähriger  Arbeit  ift,  nach  wie  vor  das  innerfte  Wefen 
ihres  Gefchmacks,  ihrer  Kunflinduftrie  bilden.  Und  diefes  VVefcn  irt  mit  dem 
Nimbus,  der  die  franzöfifche  Kunftarbeit,  die  franzöfifche  Mode  umQrahlt,  fo  fehr 
die  Ueberzeugung  der  Welt  geworden ,  dafs  die  Willkür ,  das  individuelle  Belie- 
ben felbfl:  zum  philofophifchen  Princip  des  Gefchmacks,  zu  seinem  eigentlichen 
Wefen  erhoben  ifl,  wodurch  Gefchmack  und  Kunft  nothwendig  in  einen  unver- 
föhnlichen  Gegenfatz  treten  mufsten.    Hatte  das  achtzehnte  Jahrhundert  Gefchmack 


Faience-Gefafse  und  Teller  von  Th.  Deck  in  Paris. 


—  Kunfl;  hatte  es  bekanntlich  wenig — ,  fo  konnte  das  fechzehnte  Jahrhundert» 
die  Zeit  der  Renaiffance,  die  Zeit  einer  ftilvollen  Kunfl  keinen  gehabt  haben,  oder 
nur  da,  wo  es  beginnt,  willkürlich  zu  werden,  wo  das  Barocke  feinen  Anfang 
nimmt.  Dann  hatte  fich  auch  die  franzöfifche  Kunflinduftrie  des  neunzehnten 
Jahrhunderts  aufserhalb  der  Kunft  geftellt. 

So  fehr  wir  diesen  Gegenfatz  zwifchen  Gefchmack  und  Kunft  principiell  in 
Abrede  ftellen  müfsen,  fo  ift  doch  das  Letztere,  die  ifolirte  Stellung  der  franzö- 
fifchen  Induftrie  abfeits  der  Kunft  thatfächlich  nicht  unrichtig.  Mit  ihren  Bizar- 
rerien,  ihrer  Willkür  und  Stillofigkeit  bildet  fie  im  gewiftem  Sinne  einen  Gegen- 
fatz. Folgerichtig  mufste  fich  eine  Oppofition,  die  fich  gegen  fie,  gegen  diefe 
ihre  Eigenfchaften  erhob,  auf  den  Standpunkt  der  Kunft  ftellen  und  mufste  den 
Stil,  einen  Gefchmack,  der  mit  den  Principien  der  Kunft  in  Uebereinftimmung  fich 
befindet,  ihnen  gegenüber  fetzen.    Das  ift  bekanntlich  von  England  aus  zuerft  ge- 


144 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Stuhl  und  Stoff,  componirt  von  J.  Storck,  ausgeführt  von  Haas  &  Söhne  in  Wien. 

fchehen.  Anfangs  wohl  kaum  mit  voller  Klarheit  über  den  principiellen  Gegenfatz  der 
äfthetifchen  Frage,  aber  diefe  Klarheit  mufste  alsbald  d^s  erfteRefultat  diefer  Ikftre- 
bungen  fein.  Oeflerreich  und  Deutfchland  haben  fich  diefen  Beftrcbungen  angefchloffen 
—  wie  weit,  das  werden  wir  noch  fehen,  —  die  Bewegung  ifl  heute  eine  allge- 
mein europäifche  geworden. 

Selbft  Frankreich  hat  fich  dem  Einflufs  diefer  Reform  im  Sinne  einer  ftil- 
vollen  Kunfl;  anftatt  des  willkürlichen  Gcfchmacks  nicht  entziehen  können ,  fo 
fehr  ihm  anfänglich  dicfelbe  widerftrebte  und  widcrflrcben  mufste.  Seine  dies- 
malige Ausflellung  legte  Zeugnifs  davon  ab.  Wir  fahen  mancherlei  und  zum 
Theil  entfchiedene  Anfänge  auf  dem  neuen  Wege,  die  fich  nicht  verkennen  liefsen, 


IL    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


145 


Seffel  aus  dem  Salon  der  Kaiferin,  entworfen  von  J.  Storck;  Stoffe  und  Stickerei  von  Haas  &  Söhne; 

Ausführung  von   Maffa  &  Sohn. 

fo  fehr  auch  der  franzöfifche  Künftler  es  verfteht,  was  ihm  Neues  geboten  wiril 
—  und  er  bedarf  des  Neuen  —  in  feine  Eigenart  umzuwandeln.  Im  Grofsen  und 
Ganzen  freiUch  ift  der  franzöfifche  Charakter  derfelbe  gebheben,  foviel  er  fich 
auch  den  Strömungen  der  Zeit  bequemt,  fo  fehr  er  felbft  fein  Gebiet  erweitert 
hat.  Von  der  Verkehrtheit  ihres  innerften  Wefens  abgefehen,  behauptete  aber 
die  franzöfifche  Kunftinduftrie  ihre  Höhe  und  ihre  Gröfse;  fie  ifl;  nur  im  Kinzehien 
erreicht,  im  Einzehien  aber  auch  entfchiedcn  übertroflfen  worden;  ihrer  Viel- 
feitigkeit  kommt  bis  jetzt  keine  andere  gleich. 

Wir  haben  fchon  oben  gefehen",  wie  in   der   franzöfifchen  Wohnung   fich  zu 


]» 


146  DAS  KUNSTGEWERBE. 


dem  Salon  im  Gefchmack  des  achtzehnten  Jahrhunderts  das  Speifezimmer  im  Stil 
der  Renaiffance  gefeilt  hat.  Die  Tendenz  dazu  ift  allerdings  von  älterem  Datum, 
und  wir  brauchen  diefen  Stil  hier  wenigflens  nicht  mit  Nothwendigkelt  auf  Rech- 
nung der  neuen  Reform  zu  fetzen.  Aber  wir  haben  auch  auf  dem  Gebiete  der 
Decorationsgewebe  einer  Anzahl  Sammet-  und  Seidenfloffe,  fowie  einiger  Tapeten 
zu  gedenken  gehabt,  die,  im  Stil  der  Renaiffance,  felbft  des  Mittelalters  gehalten, 
entfchieden  erfl  durch  die  neuen  Gcfchmacksbeftrebungen  in  den  andern  Ländern 
angeregt  worden  find.  Und  es  waren  das  auf  der  Ausftellung  grade  die  fchön- 
ften  Leiflungen  der  franzöfifchen  Sammetweberei.  Ebenfo  hat  die  kirchliche  Kund 
in  geflickten  und  gewebten  Gewändern,  wie  insbefondere  die  reiche  Ausftellung 
von  Henry  in  Lyon  erkennen  liefs,  eine  vollkommene  Umwandlung  in  der  Rich- 
tung der  mittelalterlichen  Reform ,  wie  fie  von  Deutfchland  ausgegangen  ift,  vor- 
genommen. Selbft  die  goldenen  und  filbernen  Kirchengefäfse  und  Geräthc  be- 
fanden fich  in  der  glänzenden  Expofition  von  Poussielgue-Rusand  zum  weit- 
aus überwiegenden  Theil  auf  dem  heften  Wege  dahin. 

Minder  ausgefprochen  zeigt  fich  diefes  bei  den  franzöfifchen  Bronzen.  AUer- 
dings  haben  diefe  eine  bedeutungsvolle  Neuerung  in  jenem  Sinne  aufzuweifen; 
aber  fie  liegt  mit  ihren  Formen  wenigftens  noch  an  der  Gränze  jener  Zeit,  welche 
der  franzöfifche  Gefchmack  während  feiner  Herrfchaft  durchlaufen  hat.  Diefe 
Neuerung  find  die  blanken  Meffingarbeiten  in  Lüftres,  Lampen,  Leuchtern,  Uhren 
und  anderem  Hausgeräth,  wie  fie  feit  wenigen  Jahren  Mode  geworden  find  und 
allerdings  weit  beffer  zu  dem  neuen ,  ernfteren  Stil  der  Wohnung  paffen.  Die 
franzöfifchen  Fabrikanten  —  unter  ihnen  fcheint  Bagues  vorzugsweife  Specialift 
in  Meffing  zu  fein  —  nehmen  aber  nicht  die  guten  Formen  der  Renaiffance  zum 
Mufter,  fondern  diejenigen  des  fiebzehnten  Jahrhunderts,  woher  der  Charakter  des 
Barocken  niemals  vollftändig  abgeftreift  erfcheint.  Weitaus  die  überwiegende 
Maffe  des  zahllofen  Bronzegeräths,  das  in  fo  mannichfacher  Weife  dem  Haus- 
gebrauch zu.  dienen  hat ,  hält  fich  in  den  Formen  des  achtzehnten  Jahrhunderts 
und  erfcheint  daher  auch  vergoldet,  fei  es  für  fich  allein,  fei  es  in  Verbindung 
mit  Porzellan ,  mit  Marmor  oder  anderem  Material.  Die  franzöfifche  Bronzein- 
duftrie  ift  aber  auch  fchon  früher  gefchickt  gewefen  in  den  verfchiedenen  bräun- 
lichen, fchwärzlichen  und  grünlichen  Farbentönen  der  Bronze,  und  fie  machte 
auch  diesmal  vor  den  ähnlichen  Arbeiten  der  übrigen  Länder  diefen  Vorzug 
geltend,  freilich  auch  nicht  immer  ohne  einen  bizarren  Anftrich,  indem  es  ihr 
zuweilen  mehr  um  die  täufchende  Nachahmung  der  antiken  Patina  als  um  die 
Schönheit  zu  thun  ift. 

Man  mufs  aber  die  Bedeutung  der  franzöfifchen  Bronzeinduftrie  nicht  allein 
in  dem  Haus-  oder  Luxusgeräth  fuchen ;  fie  hat  noch  ein  zweites  kaum  minder 
bedeutendes  Gebiet,  worin  fie  heute  noch  fo  gut  wie  allein  fteht,  das  find  die 
Figuren.  Mit  diefen  Figuren,  welche  das  ganze  Gebiet  von  lebensgrofsen  freien 
Geftalten  bis  zu  kleinen  Gruppen,  Figürchen  und  Büften  für  Schreibtifch  und 
Etageren  umfaffen  und  oftmals  mit  höchfter  Delicateffe,  felbft  mit  Raffinement 
(wie  bei  Deniere  einige  Beifpiele  zu  fehen  waren)  ausgeführt  find,  erhebt  fich 
die  Bronzefabrikation  eigentlith  zur  hohen  Kunft,  aber  fie  ift  es  doch  wieder 
nicht,  weil  fie  wie   ein  induftrielles  Gefchäft    für  Vervielfältigung  behandelt  wird. 


II.    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


147 


Die  Ausftellung  Barb^dienne's,  des  gröfsten  Vertreters  diefer  Richtung,  wird  mit 
feinen  Copien  von  antiken  Figuren,  mit  feinen  Sclaven  von  Michelangelo,  mit 
den  Thüren  von  Lorenzo  Ghiberti  unfern  Lefern  in  bewundernder  Erinnerung  fein. 
Noch  eine  neue  Seite  boten  die  franzöfifchen  Bronzen  dar,  allerdings  fran- 
zöfifch  ihrem  Beginne   nach,   die  aber  doch   der  Reform    zugute  kommt,  das  ift 


Steinzeugkrug  von  A.  Sältzer  in  Eiftnacb,  grau  mit  blauen  Ornamenten. 

ihre  Verbindung  mit  Email.  Zahlreiche  Gegenftände  fahen  wir  bei  Barbedienne 
wie  auch  bei  Chriflofle  und  in  der  Ausftellung  anderer  Fabrikanten  fich  mit  ilem 
farbigen  Schmelz  bedecken  und  dadurch  den  Bronzen  einen  neuen,  feit  Jahrhun- 
derten in  diefer  Anwendung  nicht  geiibten  Schmuck  wieder  gewähren.  Die  crfle 
Wiederaufnahme  fand  wohl  bei  kirchlichem  Kupfergeräth  als  Email  champlevc 
ftatt,  in  Schwung  kam  fie  aber  nur,  als  die  altchinesifchen  Zellenfchmelze  mit 
ihrem  prachtvollen  tiefblauen  Colorit   nach  der  Eroberung  Peking's    in  Maffe  zu 


u 


148 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Tafelauffiitze  in  vergoldeter  Bronze,  entworfen  von  Heinr.  Claus,  Ausführung  von 
D.  Mollenbach  Söhne  in  Wien. 


uns  herüber  kamen.  Die  Imitation,  die  im  Anfang  unter  zu  viel  Vergoldung  litt, 
ifl  heute  vortrefflich  und  fchmückt  zahllofes  Geräth  von  Lampen,  Vafen,  Cande- 
labern,  Schalen  u.  f.  w. ,  und  hat  in  vielen  Beifpielen,  die  frei  ornamentirt  find, 
bereits  die  chinefifche  Erinnerung  abgelegt. 

Auch  die  Eifcnarbeiten  begeben  fich  auf  den  Weg  der  Reform,  infofern 
wenigftens,  als  im  Gegenfatz  zum  Gufs  das  Schmiedeeifen  wieder  als  künflle- 
rifcher  Gegenftand  betrachtet  wird,  mehr  allerdings  in  Verbindung  mit  der  Ar- 
chitektur, für  Gitter,  Stiegengeländer  und  ähnliche  Arbeiten,  als  bei  kleineren  und 


IL    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


149 


Kanne  und  Pukal,  nach  KiUwurl  von  l'riedr.  .Scliinidt  aufgeführt  von  J.  und  L.  Lubnicyr  in   Wien. 


feineren  Gcgenftänden,  Schlöffern  und  Befchlägen,  bei  denen  die  alten  techni- 
fchen  Ornämentationsvveifen  noch  immer  vermifst  werden.  Aber  was  die  Aus- 
ftcllung  von  jenen  gröfseren  Arbeiten  darbot,  namentlich  in  den  ausgezeichneten 
Leiftungen  von  Baudrit  und  Bernard,  dem  ifl;  es  fo  ergangen  wie  dem  Meffing; 
es  geht  in  feinem  Stil  nicht  über  das  fiebzehnte  Jahrhundert  zurück  und  fteht  fomit 
künfHerifch  noch  innerhalb  der  Gränzen  des  eigentlichen  franzöfifchen  Gefchmacks. 
Die  franzöfifchen  Arbeiten  in  edlen  Metallen  haben  nicht  minder  Verände- 
rungen aufzuweifen,  aber  fie  liegen  im  Ganzen  mehr  in  der  Richtung  der  Antike 
als  irgend  eines  anderen  Stils.     Zweierlei  trug  dazu  bei.    Einmal  waren   es  die 


15ü  DAS  KUNSTGEWERBE. 


Imitationen  des  antiken  Schmucks  in  Italien,  deren  Beifall  die  franzöfifchen  Gold- 
fchmiede  nicht  ruhen  liefs,  bis  fie,  wenn  nicht  den  antiken  Schmuck  felbft,  doch 
feine  formellen  Motive  in  Mode  gebracht  hatten.  Zum  anderen  war  es  die  Auf- 
findung der  antiken  Silbergefäfse  bei  Hildesheim,  welche  einen  aufserordentliche-n 
Einflufs  übte.  Eine  Reihe  verfchiedenartiger  Silberarbeiten,  die  fich  den  Origi- 
nalen mehr  oder  minder  anfchliefsen  oder  auch  nur  ihre  Weife  frei  verwenden, 
bekundeten  dies  insbefondere  bei  der  grofsartigen  Ausflellung  von  Christofle, 
dem  bedcutendflen  Vertreter  der  franzöfifchen  Silberfabrikation.  Die  Ausflellung 
diefes  berühmten  Haufes  vertrat  in  ihrer  Vielfeitigkeit  den  ganzen  Zweig  fowohl 
nach  den  Gegenftänden  als  auch  nach  den  verfchiedenen  Arten  der  Decoration 
und  der  Technik.  Eine  Anzahl  Gegenftände  von  Leuchtern,  Candelabern  und  Ta- 
felgeräth  gehörte  noch  dem  modernen,  in  den  Formen  diefes  und  des  vorigen 
Jahrhunderts  fich  bewegenden  Genrp  an;  die  Fabrik  hatte  aber  abfichtlich  ihre 
neueren  Gegenflände  und  diejenigen ,  welche  mehr  der  Kunfl;  als  dem  Gefchäft 
angehören,  nach  Wien  gebracht.  Um  fo  günftiger  flehte  fich  das  Urtheil  über 
ihre  Leiflungen,  die  in  Feinheit  der  Arbeit,  der  Cifelirung,  in  Behandlung  und 
Farbe  des  Silbers,  im  Email,  in  der  feineren  Technik  des  Taufchirens  und  Incru- 
flirens  höchft  bewundernswürdig  find.  Was  wir  an  den  Arbeiten  auszufetzen 
haben,  das  ifl  aber  das  fpezififch  Franzöfifche,  die  Willkür  der  Formen  und  die 
häufige  Ueberladung  des  Ornaments.  Es  gab  aber  auch  Ausnahmen,  und  zahl- 
reiche Ausnahmen,  die  in  jeder  Beziehung  reizend  und  vollendet  waren. 

Auch  der  Goldfchmuck  hat,  wie  gefagt,  die  Richtung  zu  antiken  Formen 
angenommen,  doch  war  er  im  Vergleich  zu  den  eigentlichen  Juwelierarbeiten, 
vor  denen  er  zurücktrat,  aufiallend  gering  vertreten.  Rein  antikifirten  Gold- 
fchmuck fall  man  eigentlich  nur  bei  einem  einzigen  Fabrikanten,  Emile 
Philippe,  der  fich  in  verfchiedenem  Genre  bewegt;  bei  ihm  erkannte  man_ 
auch  ägyptifche  und  byzantinifche  Vorbilder.  Derfelbe  zeigte  ferner  in  klei 
nerem  cifelirten  Silbergeräth  nach  den  Muftern  der  Renaiffance  höchft  vortreffliche 
und  vollendete  Arbeiten.  Der  Diamantfchmuck  dagegen,  der  von  einer  Reihe 
Ausfteller  wieRouvenat,  Mellerio,  Otterbourg  u.a.  materiell  glänzend  ver- 
treten war,  hielt  fich  noch  allzufehr  in  naturaliftifchen  Motiven:  Blumen,  Blätter, 
Zweige,  Federn,  ganz  mit  Diamanten,  hatten  bei  weitem  das  Uebergewicht  vor 
ftilifirten  Zeichnungen.  Uebrigens  erfchien  der  franzöfifche  Schmuck  nicht  blofs 
mit  Edelfteinen,  fondern  auch  in  Verbindung  mit  Email,  mit  Cameen  und  Korallen 
äufserft  vielfeitig;  felbft  der  indifche  Schmuck  mit  goldglänzenden  Käferflügeln 
fehlte  nicht. 

Die  auffallendfte  und  durchgreifendfte  Veränderung,  welche  die  franzöfifche 
Kunftinduftrie  neuerdings  erlitten  hat,  zeigten  wohl  die  glafirten  Thonwaaren,  und 
zwar  dadurch,  dafs  die  Kunftfaiencen  dem  Porzellane  hinzugefügt  worden  find. 
Diefes  für  die  Gefchichte  der  modernen  Cultur  höchft  bemerkenswerthe  Ereig- 
nifs,  die  Wiederaufnahme  der  alten  Faience,  mufste  fo  kommen.  Die  Franzofen 
konnten  daher  nicht  zurückbleiben,  als  die  Sache  von  England  und  Italien  aus 
begonnen  wurde.  Heute  find  ihre  Leiftungen  höchft  bedeutend,  nach  Umfang 
wie  nach  künftlerifchem  Werthe,  aber  auch  infofern  wieder  acht  franzöfifch,  als 
diefer  Induftriezweig  wie  ein  freies  Feld  erachtet  wird,  fich  nach  allen  möglichen 


II.    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNST  ARBEITEN. 


151 


Richtungen  zu  ergehen.  Binnen  wenigen 
Jaliren  ift  der  ganze  Umkreis  diefcs  Fabrikats 
räumlich  und  zeitlich  in  Nachahmungen  er- 
fchöpft.  Darunter  befinden  fich  allerdings 
auch  die  franzöfifchen  Faiencen  des  fiebzehn- 
ten  und  achtzehnten  Jährhunderts,  aber  der 
Kunftvverth  derfelben  ift  zu  gering,  um  dabei 
flehen  zu  bleiben.  Neben  ihnen  oder  vielmehr 
vor  ihnen  fchon  waren  die  italienifchen  Majoli- 
ken, die  fpanifch-maurifchcn  Faiencen,  die 
Rhodifer  und  perfifchen  Arbeiten,  die  indi- 
fchen.japänifchen  und  chinefifchen,  dieHirfch- 
vogel-  und  die  Paliffy-Poterien  vertreten,  und 
7war  »fo ,  dafs  der  einzelne  Fabrikant  oder 
Künftler  eine  Spezialität  bildete.  So  hatte 
Deck  uns  vorzugsweife  folchc  Arbeiten  vor 
Augen  geführt,  deren  Werth  in  figürlicher 
Malerei  befland,  C  o  1 1  i  n  o  t  und  P  a r  v  i  1 1  c  e  ar- 
beiten in  orientalifchem  Genre,  jener  mehr 
nach  China  und  Japan  fich  hinneigend,  diefer 
in  perfifch-türkifchen  Motiven,  Barbiz  et  ifl 
Imitator  von  Palissy  und  fo  ähnlich  andere. 
Das  Gebiet,  welches  auf  diefe  Weife  die 
Faiencen  gewonnen,  nämlich  das  mehr  deco- 
rative  in  grofsen  Dimenfionen,  hat  das  Por- 
zellan feinerfeits  verloren.  Wenn  wir  eme 
Anzahl  grofser  Sevresvafen,  die  in  der  Kunft- 
halle  ausgeftellt  waren  und  wohl  überwiegend 
älteren  Datums  find,  ausnehmen,  fo  hatte 
auch  in  der  That  die  franzöfifche  Porzellan- 
fabrikation, wie  fie  uns  in  der  Ausheilung  vor 
Augen  trat,  folche  coloffale  Prachtflücke  auf- 
gegeben und  fich  auf  die  kleineren  und  fei- 
neren Arbeiten  und  insbefondere  auf  das 
decorirteTafelgefchirr  befchränkt.  Und  hierin 
hielt  fie  fich,  im  Gegenfatz  zu  den  in  alle 
Weite  fchweifehden- Faiencen,  an  ihre  eigene 
Vergangenheit,  nicht  mit  Unrecht,  denn  die 
weiche  Sevresmaffe  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  hat  in  der  That, 
wenn  man  fie  ein  wenig  mit  ihren  eigenen  Augen  zu  betrachten  verlieht,  höchft 
zierliche  und  reizende  Gegcnflände  gefchaffen.  Diefer  Anfchlufs  an  die  Vergangen- 
heit ifl  aber  wieder  mit  grofser  Freiheit  gefchehen,  nicht  mit  ängftlicher  Nachah- 
mung, und  fo  zeigte  das  franzöfifche  Porzellan  neben  manchen  Gegenlländen,  denen 
man  die  Imitation  von  Altfevres  fchon  aus  der  Ferne  anfah,  viel  reizende,  feine 
und   originelle  Decpration.     So   licfs  trotz  mancherlei   Seltfamkeiten ,   wie    z.  B. 


Auf  Glas  geätztes  Ornament  von  Gugnoii  (lU 
in  l'aris. 


Qitter  aus  Gufseifen,  von  der  Coalbrookdale  Company,  Shropshire. 


II.    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


153 


Dunkelgrünes  Glas  mit  Gokt  und  farbigem  Email,  nach  altvenetianifchen  Muftern,  von  Lobraeyr. 

des  Nacre-Porzellans  oder  bemalter  Biscuitfiguren  und  trotz  der  Abfonderung 
von  S^vres,  das  Porzellan  im  Ganzen  fich  den  übrigen  Zweigen  der  franzöfifchcn 
Kunftinduftrie  würdig  an  die  Seite  ftellen. 

Hat  die  Kunfliiiduftrie  Frankreichs  trotz  fo  vieler  Veränderungen,  die  der 
Zeitflrömung  gefolgt  find,  im  Wcfcii  ihren  alten  und  eignen  Charakter  bewahrt, 
fo  kann  man  das  von  derjenigen  Englands  nicht  fagen.  Die  nunmehr  zwan- 
zigjährigen Bemühungen  zur  Reform  des  Gefchmacks  und  zur  Hebung  der  eng- 


» 


154 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


lifchen  Kunftarbeit  haben  in  jedem  Falle  das  Refultat  gehabt,  dafs  fich  England, 
fonft  der  letzte,  jetzt  unter  die  erften  Staaten  auf  diefem  Gebiete  geftellt  hat, 
dafs  es  felbft  Frankreich  in  manchem  Zweige  erfolgreiche  Concurrenz  bietet,  und 
dafs  fein  eigener  Gefchmack  in  der  That  feitdem  umgefchaffen  ift.  Wir  haben 
das  fchon  oben  bei  der  Befprechung  der  modernen  Wohnung  in  Bezug  auf  das 
Mobiliar  conftatirt. 

Eine  andere  Frage  ift  es  aber,  ob  diefe  Veränderung  des  Gefchmacks  voll- 
kommen den  reformatorifchen  Tendenzen  entfpricht,  mit  welchen  fie  begonnen 
wurde,  ob  fie  in  Bezug  auf  Schönheit  und  Reinheit  des  Stils,  in  Bezug  auf  Ge- 
fundheit  der  Ideen  dasjenige  gehalten  hat,  was  man  von  ihr  erwarten  konnte. 
Und  diefe  Frage  muffen  wir,  fo  fehr  wir  den  Auffchwung,  die  lebendige,  ftreb- 
fame  Regfamkeit  der  englifchen  Kunftinduftrie ,  die  bisher  dem  Continent  ein 
Muflcr  fehlen,  auch  anerkennen,  doch  zum  überwiegenden  Theil  verneinen.  Die 
englifchen  Kunflarbeiten,  wie  fie  fich  auf  unferer  Ausftellung  darf\ellten,  machten 
den  Eindruck,  als  fänden  fie  fich  nicht,  als  bedürften  fie  der  Führung  und  irrten 
ziellos  umher,  und  grade  das  Gegentheil  ift  es,  was  man  hätte  erwarten  dürfen. 
Man  erkennt  ein  aufserordentliches  und  vielfeitiges  Gefchick,  was  früher  nicht 
vorhanden  war,  man  erkennt  das  Streben,  das  Höchfte  zu  leiden,  man  findet  auch 
in  zerflreuter  Fülle  viele  vollkommen  gelungene  und  bewundernswürdige  Gegen- 
flände,  und  doch  ift  der  Gefammteindruck  kein  befriedigender,  weil  durch  das 
Ganze  ein  Zug  der  Verwilderung  geht. 

Allein  die  englifchen  Glasarbeiten  waren  es,  welche  in  ihrer  Art  einen  har- 
monifchen  und  befriedigenden  Eindruck  machten.  Die  richtigen  Wege  waren 
eingefchlagen ,  die  Formen  ausgezeichnet,  die  Arbeit  vollendet.  Das  englifche 
Glas  ift  befchränkt  in  feiner  Weife.  Als  bleihaltiges  Kryftallglas  beruhen  feine 
Eigenfchaften  in  der  klaren,  wafferhellen  Durchfichtigkeit,  wie  in  der  Kraft,  das 
Licht  in  prismatifche  Farben  zu  brechen.  Jene  Eigenfchaft  führt  zu  den  feinen 
und  zierlichen  glatten  Formen  mit  geätzten  oder  eingefchliffenen  Ornamenten, 
wofür  uns  die  ächten  Kryftallgefäfse  der  Renaiffance  die  reinften  und  vollkom- 
menften  Mufter  aufgeftellt  haben.  Diefes  Genre  wird  denn  auch  von  der  eng- 
lifchen Glasinduftrie  mit  höchfter  Kunft  gepflegt;  die  Ausftellungen  von  James 
Green,  Dan  i  eil  u.  A.  (viele  waren  es  nicht,  die  ausgeftellt  hatten)  zeigten  zahl- 
reiche bewundernswürdige  Beifpiele.  Die  andere  Eigenfchaft  des  enghfchen  Glafes, 
das  Licht  in  die  prismatifchen  Farben  zu  zerlegen,  leitet  von  felber  zu  einer 
kryftallinifchen  oder  diamantirten  Behandlung  der  Oberfläche  durch  den  Schliff. 
Diefe  Manier  ift  minder  fein  als  die  erftere,  aber  fie  gewährt  den  decorativen 
Reiz,  die  Tafel  mit  farbigen  Lichtern  zu  überftrahlen.  Auch  bei  Lüftern  bewährt 
fich  diefe  Kraft  auf  das  glänzendfte.  Der  grofsartigc  Kronleuchter  von  James  Green 
ftrahlte  weithin  mit  feinem  farbigen  Diamantlicht.  Seit  dem  vorigen  Jahrhundert 
haben  die  Engländer  diefe  Manier  ausgebeutet  und  fie  in  neuerer  Zeit  förmlich 
zum  Prinzip  gemacht.  Aber  die  Gefäfse  litten  früher  unter  der  Schwere  und 
Plumpheit  der  Formen.  Erft  diesmal  erkannte  man  auch  hier  mit  Entfchieden- 
heit  das  Beftreben  nach  edleren  Contouren. 

Das  Gefammturtheil,  welches  wir  über  die  englifche  Kunftinduftrie  äusge- 
fprochen  haben,    läfst  fich  wohl  am  klarften  durch  die  Kunftfaiencen  begründen, 


II.     DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


155 


-+ 


einen  neuen,  aber  höchft  charakteri- 
ftifchen  und  in  gewiffem  Sinne  bereits 
glänzenden  Induftriezweig.  Derfelbe 
war  auch  mit  einer  Reihe  von  Aus- 
ftellern,  Copeland,  Minton,  Da- 
niell,  Mortlock,  Royal  Worce- 
fler  Works,  Wedgwood  u.  A. 
weit  grofsartiger  vertreten  als  das 
Glas.  Vor  wenigen  Jahren  kannte  Eng- 
land nichts  in  Faiencen  als  fein  ge- 
wöhnliches weifsglafirtesTifchgefchirr; 
heute  verficht  es  Palaft  und  Haus, 
Zimmer  und  Garten  mit  diefem  farben- 
prächtigen Luxusgeräth  und  belegt 
Wände  und  Fufsboden  mit  den  bunt- 
glafirten  Fliefen.  Aber  fo  ausgedehnt 
die  Production,  fo  ausgedehnt  und 
mannigfach  ift  auch  das  künfllcrifche 
Genre.  Die  englifche  Faienceinduflrie 
leiflet  heute  alles,  fie  ahmt  die  fchwie- 
rigflen  Producte  der  Vergangenheit 
nach,  die  Majoliken  wie  die  Henri- 
deux-Gefäfse  in  all  ihrer  Zierlichkeit, 
Reinheit  und  delicaten  Technik;  es 
ifl  ihr  gelungen,  all  die  mannigfaltig- 
ften  Farben  und  Töne  der  chinefifchen 
Faiencen,  die  zum  Theil  an  Ort  und 
Stelle  verloren  gegangen  find,  wieder 
zu  erfinden:  aber  der  Gebrauch,  den 
fie  davon  macht,  ift  keineswegs  immer 

ein  glücklicher.  Härte  der  F"arben  und  Disharmonie  in  der  Zufammenfetzung  ift 
ein  Fehler,  der  nur- zu  oft,  namentlich  bei  den  gröfseren 'Gegenftänden  vorkommt; 
treue  Copien,  wie  die  Henri-deux-Gefäfse  bei  Minton,  find  wundervoll  gelungen, 
aber  die  eigene  Anwendung,  welche  die  Fabrik  von  diefem  zierlichen  Genre  für 
gröfsere  Arbeiten  macht,  ift  ebenfo  mifslungen.  Der  fchlimmfte  Fehler,  das  ift 
die  Willkür  der  Compofitionen  ohne  Rückficht  auf  Formenfchönheit  und  Verftand ; 
die  widerhaarigften  Dinge  werden  barock  zufammengeftellt.  Die  englifche  Indu- 
ftrie  geht  in  folchen  Bizarrerien  viel  weiter  noch  als  der  franzöfifchc  Gefchmack. 
Das  hindert  nicht,  dafs  es  unter  der  Menge  des  Verkehrten  auch  zahlreiche  be- 
wundernswürdig feine  wie  efifectvolle  Gegenftände  gab. 

Die  gleichen  Bizarrerien  liefs  das  Porzellan  erkennen,  ein  Induftriezweig,  der 
fich  gleich  dem  franzöfifchcn  vor  der  Uebermacht  der  Kunftfaiencen  auf  das  feine, 
zierliche  Genre  zurückgezogen  hat,  was  übrigens  fchon  ftofflich  für  das  englifche 
glafige  Material  allein  angemeflen  ift.  Da  fah  man  (bei  Mortlock  u.  A.)  Taften, 
bei  denen    die    Henkel   mit    bunten   Schleifen   angebunden   erfchienen  oder   bei 


Stuhl  au     dem  Alelier  der  Actiengcfellfchaft 
„Renaiffance"   in  Berlin. 


M* 


156 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Der  Rhein,  Relief  an  einer  Punschbowle  von  O.  König. 

denen  die  Unterfchalen  von  einem  halbgeöffneten  Fächer,  alfo  von  einem  Kreis- 
fcctor, gebildet  waren  und  dergleichen  Unfinn  mehr.  Neben  ihnen  ftanden  Teller 
und  Taffen  mit  den  zierlichften ,   höchft  angemeffenen  Randornamenten,  fein  und 


Bodenfiiefen,  von  Rob.  Minton  Taylor,  Fenton,  Stoke  upon  Trent. 

elegant  im  Effect,  gefund  im  Gedanken.  So  paarte  fich  das  Gute  und  das  Schlechte. 
Einzelne  Fabrikanten  hatten  auch  ihre  Specialitäten  gebracht,  alte  wie  neue,  fo 
Wedgwooddie  gefärbten  Biscuitarbeiten  mit  cameenartig  aufliegenden  Reliefs,  fo 
die  Royal  Worcefler  Works  ihre  Elfenbeinimitationen  in  chinefifchen Formen, 
viel  bewunderte  Arbeiten,  denen  wir  abfolut  keinen  Standpunkt  des  Gefchmacks 
abzugewinnen  vermochten,  da  die  gelungene  Imitation  des  Elfenbeintons  doch 
nur  eine  Künftelei  und  keine  Kunfl  ift. 


II.    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


157 


Die  Donau,  Relief  an  einer  l'vinschbowle  von  O.  König. 

Nicht  minder  haltlos  zeigten  fich  die  Silberarbeiten.  Bei  den  beiden  grofs- 
artigften  Ausftellern,  Elkington  und  Hancocks,  war  fogar  das  veraltete,  natu- 
raliftifche  Genre  der  Gefäfse  aus  Eulen,  Bären,  Füchfen  u.  f.  w.  nicht  wenig  zahl- 
reich zu  fehen  und  ebenfo  die  Schalen  und  fonfliges  Geräth  tragenden  Kichbäume, 
Palmen,  Farren  und  anderes  Gewächs.  Die  franzöfifche  Silberfabrikation  hat 
diefen  verkehrten  Gefchmack  bereits  völlig  ^verbannt,  oder  fic  hatte  klug  und 
weife  alle    derartigen  Gegenftände  zu    Haufe  gelaffen.     Auf  der  Ausflellung   war 


Tabourcl  aus  Kbenholz,  in   dreifarbigem   Sammet,  von  Haas  &  Söhne  in  Wien. 


nicht  einer  zu  fehen.  Uebrigens  waren  diefelben  bei  Elkington  auch  nur  ein 
Genre  von  vielen;  es  gab  aufserdem  Tafelgeräth  in  griechifchem  Stil,  in  den 
franzöfifchen  Formen  des  achtzehnten  Jahrhunderts,  allerlei  RenaifTancegeräth, 
namentlich  Schilde  und  grofse  Schalen  und  Imitationen  chinefifchcr  Emailarbeiten. 
Eine  Reihe  grofser  Tafelauffätzc  und  Feflgefchenke  oder  Ehrenpreife  zeigten  die 
Bedeutung  der  Aufgaben,  welche  diefer  Fabrik  geftellt  werden.  Auch  bei  ihnen 
fah  man  die  verfchiedenften  Stilarten.   Wirkhch  hervorragend  durch  künftlerifche 


158 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Bedeutung  und  die  Wiederaufnahme  alter  ächter  Technik  war  nur  die  f.  g.  Helicon- 
vafe,  eine  Arbeit  von  Morel-Ladeuil.  In  gleicher  Weife  wie  El  kington  die 
Silberarbeiten,  vertrat  Hanc  ocks  den  Gold- und  Juwclenfchmuck.  Darunter  gab 
CS  in  gricchifchcm  oder  ägyptifchcm  Stil  höchfl  gelungene  Leiflungcn,  daneben 
hielten  fich  andere  Gegenftände  in  der  allerfchlimmflen  modernen  Art,  die  wir 
fchon  anderswo  als  den  Manchcttcnflil  bezeichnet  haben.  Am  meiften  zog  der 
Diamantenfchmuck  von  Hancocks  die  Augen  auf  fich,  zumal  der  ganze  reiche 
Schmuck  der  Gräfin  Dudley,  der,  aus  Hancocks'  Werkflätte  hervorgegangen, 
fich  dabei  befand.  Aber  die  Formen,  in  denen  diefe  blitzenden  Steine  zur  Ver- 
wendung gekommen  waren,  hätten  in  den  meiften  Fällen  edler  und  auch  wirk- 
ungsvoller fein  können. 

Beffer  als  die  Gold-  und  Silberarbeiten  liefsen  diejenigen  in  unedlen  Metallen, 
in  Bronze,  MeffingundEifen,  den  Einflufs  der  beabfichtigten  Reform  erkennen.  Von 
diefen  waren  die  am  meiften  charakteriftifchen  Gegenftände,  das  Beleuchtungs- 
geräth,  Kirchcngeräth  und  anderes  in  Meffing  allerdings  fehr  fchwach  durch  einige 
Birminghamer  Fabriken  vertreten;  die  Hauptfabrikanten  fehlten.  Indeffen  das, 
was  vorhanden  war,  gab  mit  feinen  vorzugsweife  mittelalterlichen  Formen  und 
feiner  theilwcife  polychromirten  Verzierung  wenigftens  einen  Begriff  von  der  Art, 
wenn  man  auch  die  Bedeutung  diefer  Arbeiten,  die  mit  der  modernen  englifchen 
Gothik  in  enger  Beziehung  flehen,  daraus  nicht  zu  erfehen  vermochte.  Die  übri- 
gen Bronzen,  insbefondere  die  Beleuchtungsgcgcnflände,  in  der  gröfseren  Zahl 
vergoldet,  hielten  fich  mehr  an  die  Formen  der  Rcnaiffance,  allerdings  ohne  Ent- 
fchiedenheit  und  auch  ohne  befondere  Schönheit.  Die  figürlichen  Bronzen  find 
in  England  noch  nicht  vertreten.  Auch  die  geschmiedeten  Eifenarbeiten,  foweit  fie 
künftlerifcher  Natur  find,  wenden  fich  mit  Entfchiedenheit  dem  Mittelalter  zu,  und 
es  gab  unter  den  ausgeftellten  Gegenfländen  ganz  vortreffliche  Leiftungen,  von  denen 
eingrofses,  reich  mit  Bändern,  Stäben,  Ranken,  und  Laub  gefchmücktesThor  mit- 
fammt  feinen  durchbrochenen  Pfoflen  von  Barnard,  Bishop  &  Barnards  zu 
Norwich  wohl  als  die  erflc  englifche,  vielleicht  die  erfte  auf  der  ganzen  Ausflel- 
lung  zu  nennen  ift.  Auch  hier  zeigt  fich  der  Einflufs  der  modernen  Gothik,  die 
in  England  wohl  augenblicklich  fefleren  Boden  hat  als  auf  dem  Continent  und 
dort  mit  mehr  Energie  und  Entfchloffenheit  als  irgend  ein  anderer  Stil  von  den 
tüchtigften  Architekten  erhalten  wird. 

Läfst  die  englifche  Kunflinduftrie  in  ihrer  Gefammtheit  die  beflimmte  Rich- 
tung vermiffen,  welche  wir  nach  der  Dauer  und  der  anfänglichen  Energie  der 
Reformbeflrebungen  dort  zu  erwarten  hatten,  fo  tritt  fie  in  Oefl  er  reich,  deffen 
ähnliche  Beflrebungen  von  weit  jüngerem  Datum  find,  unverkennbar  hervor.  Es 
ift  noch  nicht  ein  Jahrzehnt,  dafs  diefelben  mit  der  Begründung  des  öfterrei- 
chifchen|Mufeums  Halt  und  Mittelpunkt  gewannen,  und  für  diefen  Zeitraum  haben 
fie,  allerdings  begünftigt  durch  eine  äufserft  bewegte  Bauperiode  und  unterftützt 
durch  bedeutende  Architekten,  welche  gleich  den  alten  Meiftern  Paffion  und  Ta- 
lent gleichzeitig  der  Kleinkunfl  als  der  nothwendigen  Ergänzung  ihrer  grofsen 
architektonifchen  Gedanken  zuwendeten,  bereits  reichliche  Früchte  getragen. 
Diefen  Beweis  hat  wohl  die  Ausfliellung  geliefert. 

Allerdings  war  die  öflerreichifche  Ausflellung  fehr  gemifchter  Art.     Es  kam 


II.     DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


159 


Emaillirle  Vafe  von  Chriftofle   &  Co.  in  Paris. 


ein  Umftand  hinzu,  der,  fcheinbar  günflig,  auch  feinen  Nachtheil  mit  fich  führte. 
Oefterreich,  als  dem  Unternehmer  der  Ausflellung,  war  ein  unvcrhältnifsmäfsig 
grofser  Raum  zugefallen,  und  e.s  war  daher  auch  dem  minder  Bedeutenden  ge- 
ftattet,  fich  in  grofser  Maffe  breit  zu  machen.  So  fahcn  wir  denn  auch  alles  auf 
der  Ausftellung  vertreten,  was  noch  ganz  und  gar  auf  dem  Standpunkt  des  ver- 
alteten und  verkehrten  Gefchmacks  fteht,  was  entweder  der  Neuerung  widerf^rebt 
oder,  weil  zu  abgelegen  in  der  Provinz,  noch  nicht  von  ihr  berührt  werden  konnte. 
Anderes,  was  in  grofser  Abficht  begonnen  und  als  etwas  Befonderes  gemeint 
war,  zeigte  fich  vieliach  als  mifslungen,  wie  denn  lias  nicht  anders  fein  kann, 
wenn  junges    frifches  Leben   fprudelt  und   die  Ideen  noch   nicht  abgeklärt  find 


160 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Portrailmeclaillon  Mollke's  modellirt  von  Zumbiisch. 


oder  die  Kräfte  zur  Ausführung  fehlen.  Während  andere  Staaten  durch  die  Be- 
engtheit des  Raumes  gezwungen  waren,  auszufcheiden  und  minder  Bedeutendes 
zu  Haufe  zu  laffen,  hatte  das  alles  in  der  öflerreichifchen  Abtheilung  ungehindert 
Aufnahme  finden  können  und  drückte  das  Gute. 

Nichtsdeftoweniger  erkannte  man  Zweierlei  mit  Beftimmtheit,  einmal  über- 
haupt die  Exiflenz  des  Lebens  auf  dem  ganzen  Gebiete  der  Kunftinduflrie,  eine 
neue,  früher  unbekannte  Luft,  Regfamkeit  und  Schaffensfreudigkeit,  und  zum 
anderen,  dafs  dennoch  alles  Gute  und  wirklich  Neue  in  einer  beflimmten  Richtung 
lag,  die  mit  gewiffer  confequenter  Abficht  verfolgt  fehlen.  Dafs  in  diefer  Rich- 
tung vieles  nur  Verfuch,  vieles  nur  in  der  Tendenz  gut  war,  liefs  fich  ebenfo- 
wenig  verkennen.  Aber  für  den  kurzen  Zeitraum  eines  Jahrzehnts,  mit  dem  man 
die  zweihundertjährige  Dauer  der  franzöfifchen  Gefchmacksherrfchaft  vergleichen 
mag,  ifl  auch  das  fchon  Hoffnung  erweckend.  Und  noch  Eines  ift  zu  bemerken: 
fowohl  die  neue  Richtung,  die  von  der  öflerreichifchen  Kunftinduflrie  heute  ein- 
gefchlagen  wird,  als  auch  ihre  Leiflungen  in  derfelben  find  unabhängig  vom  fran- 
zöfifchen Gefchmack,  von  franzöfifchen  Muflern. 

Wir  haben  demnach  eigentlich  die  Ausftellung  der  öfterreichifchen  Kunftin- 
duflrie in  zwei  Theile  zu  fchciden,  in  eine  alte  und  in  eine  neue.  Uns  kann  hier 
nur  die  letztere  intereffiren,  da  wir  in  unfrer  gedrängten  Ueberficht  nur  das  Hervor- 
ragende zu  würdigen  im  Stande  find.  Wir  begnügen  uns  daher  damit,  die  Exi- 
ftenz  eines  zweiten  Theiles  und  feines  minder  günftigen  Eindrucks  conftatirt  zu 
haben. 

Dafs  jene*  beftimmte  Richtung,  von  welcher  wir  gefprochen  haben ,  vorzugs- 
weife  jene  der  Renaiffancc  ift,  haben  wir  bereits  früher  in  unferer  Kritik  des 
öfterreichifchen  Mobiliars  anjjegeben.  Dafs  es  grade  die  Renaiffancc  ift,  in  wel- 
cher die  Reform  fich  vollzicHj,  das  gefchieht  nicht  aus  irgend,  einer  Paffion  oder 


IL    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


161 


Nordporlal  der  Induftriehalle. 


einer  Vorliebe  derjenigen  Perfönlichkeiten,  welche  die  Träger  der  Bewegung  find, 
fondern  weil  die  Renaiffance  unferem  modernen  Auge  am  nächften  liegt,  weil 
fich  innerhalb  ihrer  Formen  Zweckmiifsigkeit  und  Schönheit  für  unfer  Bediirf- 
nifs,  für  unfer  Gefühl  am  heften  vereinigen  laffen.  Diefe  Ucbereinftimmung  der 
Renaiffanccformen  mit  der  Natur  der  Dinge  ift  das  Hauptmotiv  für  ihre  erneu- 
erte, aber  frei  moderne  Wiedererwerbung.  Sie  fchliefst  keine  andere  Stilart  aus, 
die  auf  demfelben  gefunden  Boden  ruht  und  fich  derfelben  Vorzüge  erfreut,  wie 
denn  bekanntlich  die  Decoration  des  Orients  mit  vollem  Recht  unfere  Teppiche 
zu  beherrfchen  beginnt. 

Diefe  rationelle  Auffaffung  der  Renaiüance  tritt  befonders  klar  in  der  künfl- 
lerifchen  Umwandlung  des  bohmifchen  Glafes  zu  Tage,  die  fich,  wie  natürlich,  faft 
unbewufst  über  den  Stil  vollzieht.  Das  böhmifche  Kryflallglas  ifl  dem  Bergkry- 
fiall  nachgefchafifen  und  fucht  ihm  in  feinen  Eigenfchaftcn  möglichft  ähnlich  zu 
werden.  Nun  find  uns  eben  im  ächten  Kryftall  aus  dem  fechzehnten  Jahrhun- 
dert ganz  wunderbar  gelungene  und  ausgezeichnet  fchöne  Gefäfse  mit  der  ent- 
fprechenden  Decoration  in  eingefchliffener  Arbeit  erhalten,  und  es  ift  daher  felbft- 
verftändüch ,  dafs  die  Reform  diefe  als  Mufter  nimmt.  Was  L.  Lobmeyr  im 
Verein   mit  Kralik  (Firma  Meyer's  Neffe     in    diefer  Richtung   mit  Hülfe  der 


162  DAS  KUNSTGEWERBE. 


heften  künftlerifchen  Kräfte  Wiens,  wie  Storck,  Hansen  u.  a.  gefchaffen  hat, 
fteht  in  erfter  Linie  unter  allen  Leiftungen  der  modernen  Glasinduftrie.  Sein 
Vorgang  ift  bahnbrechend;  viele  der  böhmifchen  Fabrikanten  find  demfelben 
gefolgt  und  zeigten  auf  der  Ausftellung  bereits  hübfche  Arbeiten  in  derfelben 
Richtung,  die  man  allerdings  zuweilen  unter  der  Maffe  der  veralteten  farbigen 
und  mit  anfpruchsvollen  Malereien  bedeckten  Gegenftände  erft  auffuchen  mufste. 

Liegt  hierin  die  eigentliche  oder  mindeftens  die  höchfte  künftlerifche  Art 
des  böhmifchen  Glafes,  fo  doch  nicht  die  einzige.  Eine. zweite  Art  ftrcbt  es  den 
Engländern  in  dem  kryftallinifchen,  diamantirten  Schliff  gleich  zu  thun,  aber  mit 
aller  Vollendung  kann  fie  den  Effect  des  englifchen  Glafes  nicht  erreichen,  weil 
das  böhmifche  vermöge  feines  Materials  nicht  in  der  gleichen  Weife  in  Farben 
fpielt.  Es  werden  daher  auch  die  böhmifchen  Kryftall-Luftres  niemals  diefelbe 
Wirkung  machen,  und  fic  haben  demnach  ihr  künftlerifches  Princip  anderswo, 
nämlich  in  der  Schönheit  und  Reinheit  der  Formen  zu  fuchen.  Diefes  Ziel  war 
auch  bei  den  neueren  Kronleuchtern  Lobmeyr's  mit  Erfolg  angeftrebt.  Die 
dritte  Art  des  böhmifchen  Glafes,  auf  welche  fich  die  Reform  bezieht,  ift  diejenige 
des  geiärbten  Glafes,  fei  es  in  der  Maffe,  in  der  ganzen  Oberfläche,  aus  welcher 
die  Zeichnung  herausgefchliffen  wird,  oder  theilweife.  Diefe  Art  war  vielleicht 
am  tiefften  gefunken  und  bedurfte  daher  auch  am  meiften  der  Hebung.  Wir 
fahen  auch  mannichfache  Verfuche  dazu,  nicht  blofs  beiLobmeyr,  deffen  neue 
Gedanken  auch  hierin  am  durchgreifendften  waren,  fondern  auch  _bei  anderen, 
z.  R.  bei  Ullrich  mit  zierlich  gefärbten  Randornamenten;  indeffen  erfcheint  der 
Erfolg  keineswegs  fo  fchlagend  wie  bei  dem  klaren  Kryftallglas.  Manche  Ver- 
fuche knüpften  an  alte  venetianifche  Mufter  von  gefärbtem  Glafe  mit  farbigen 
Ornamenten  in  gelungener  Weife  an. 

Das  Porzellan  ift  nicht  fo  glücklich  folche  Vorbilder  der  Vergangenheit  zu  haben, 
wie  fie  das  Glas  in  den  Kryftallgefäfsen  oder  in  den  venetianifchen  Glasarbeiten 
des  fechzehnten  Jahrhunderts  befitzt.  Die  Uebertragung  der  Art  der  italienifchen 
"Majoliken  auf  Porzellan  hat  fich  nicht  bewährt.  Das  chinefifche  und  japanifche 
Porzellan  vermag  allerdings  in  vieler  Beziehung  lehrreich  zu  fein,  aber  es  ift 
fchwer  für  eine  nicht  geübte  Künftlerfchaft,  das  Barocke  davon  abzuftreifen  und 
das  Gute  zu  behalten.  Das  moderne  öfterreichifche  Porzellan  wendet  fich  daher 
in  feinen  Neuerungen  den  beften  Muftern  der  ehemaligen  Wiener  Fabrik  zu,  die 
bei  ftcifen  Formen  in  der  Ornamentation  allerdings  höchft  reizende  Vorbilder 
bieten.  Es  ift  daher  zugleich  bei  diefer  Imitation  die  Aufgabe,  die  Formen  freier 
und  lebendiger  zu  geftalten.  Verfchiedene  Verfuche  auf  diefem  Wege  fahen  wir 
bei  allen  öfterreichifchen  Porzellanfabriken,  die  ausgeftellt  hatten,  die  gelungenften 
wohl*  bei  Haas  &  Czizek  nach  Zeichnungen  des  Architekten  Alois  Haus  er. 

Ift  im  Porzellan  die  Neuerung  bereits  rührig  und  lebendig,  fo  ift  bei  der 
Regfamkeit  und  dem  Auffchwung,  welcher  die  öfterreichifche  Kunftinduftrie  er- 
griffen hat,  eine  auffallende  P>fcheinung,  dafs  die  Kunftfaiencen,  die  in  England 
und  Frankreich  bereits  eine  fo  aufserordentliche  Rolle  fpielen,  noch  keinen  nen- 
nenswerthen  Vertreter  gefunden  haben,  ebenfoWenig  die  glafirten  Fliefen.  Die 
Znaimer  Fabrikanten  haben  mit  ihrem  ausgezeichneten  Material  allerdings  die 
Delfter  Art  nach  Muftern  aus  dem  öfterreichifchen  Mufeum  zu  erneuern  verfucht. 


II.    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


163 


und  find  damit  dccorativ  auf  richtigem  Wege,  aber  der  künftlerifchc  Wcrth  fteht, 
noch  fehr  niedrig.  Auch  in  den  Oefen  rührt  fich  eben  erft  ein  leifer  Anfang 
zur  Beffcrung  mit  anderen  Farben  und  Formen  mehr  nach  Muftern  der  Renaif- 
fance.  Ebenfo  fteht  erft  im  Beginn  einer  vielleicht  bedeutungsvollen  Zukunft 
eine  andere,  mehr  architcktonifche  Decoration  in  glafirter  Faience,  die  gegenwär- 
tig mit  den  neu  erfundenen  Emailfarben  von  Kosch  von  der  Wiencrberger  Zie- 
gel- und  Thonwaaren  Fabrik  geübt  wird.  Ihre  Anwendung  zeigte  im  Grofsen 
das  von  Ferftel  entworfene  und  mit  eingebrannten  Malereien  von  Laufberger 
gcfchmückte   Thor   (S.  69)    und    im   Kleinen    ein    reizender  Wandbrunnen    von 


Faience-\  afen,  von  GeofTruy  &  Co.  in  Gien  (Loirel). 


Teirich  in  der  Art  des  Luca  dcUa  Robbia  (S.  37).       Auch   hier   fchen    wir  die 
öftcrreichifchc  Kunftinduftrie  auf  dem  Wege  der  Renaiffance. 

Die  gleiche  Richtung  fchlagen  mit  noch  mehr  Entfchiedenheit  die  Silber- 
arbeiten ein.  Die  grofse  Menge  der  Gegenftände  in  imitirtem  Silber  für  den 
Gebrauch  von  Tifch  und  Tafel  hatte'  freilich  des  Veralteten,  namentlich  auch  der 
naturaliftifchon  Gegenftände,  wie  wir  fie  unter  anderem  bei  Elkington  erwähnt 
haben,  in  überwiegender  Menge.  Die  Hauptarbeiten  aber  in  achtem  Silber  bei 
Klinkofch,  Meyer,  Granichftädten  und  anderen  waren  im  Stil  der  Renaif- 
fance gehalten,  darunter  vortreffliche  Tafelauffätze  mit  dem  dazu  gehörigen  Ge- 
räth ,  frei ,  fachgemäfs  und  nicht  als  Monumente  gedacht,  wie  fo  viele  ähnliche 
Arbeiten  auf  der  Weltausftellung.  Vorragend  waren  darunter  die  Arbeiten  und 
Compofitionen  von  König  und  Teirich.  Für  unfer  Auge  hatten  alle  diefe 
öfterreichifchen  Arbeiten  einen  Fehler:  fie  waren  zu  grau,  bleiern  und  todt  im 
Silberton.  Eine  eigenthümliche  Stellung  nimmt  unter  den  Wiener  Goldfchmieden 
Ratzersdorfer    ein   mit    feinen  zierlichen    emaillirten  Arbeiten   von   Gold  und 


164 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Jardiniere  in  vergoldeter  Bronze  nach  H.  Claus' Entwurf  von  D.  lloUenbach  Söhne  in  Wien.  (Vgl.  8.45.) 


Silber,  aus  Kryftall  und  Halbedelfteinen,  Kärtchen,  Trinkhörnern,  Bechern,  Schalen, 
Uhren  u.  f.  w.,  alle  in  Art  der  feinften  Cabinetflücke  der  Rcnaiffancc  gehalten. 
Seine  reiche  Ausftellung  litt  nur  unter  der  Finfternifs  der  Rotunde,  wo  fie  ihren 
Platz  erhalten  hatte.  Auch  die  öflerreichifchen  Juwelierarbeiten  zeigten  bereits 
mehr  als  die  eines  anderen  Landes  die  Hinneigung  zur  ftilvollcn  Zeichnung,  wenn 
auch  mehr  im  Geift  der  Renaiffance  als  in  ihren  Formen.  Unter  den  fchönen 
Arbeiten  bei  Aegidi,  Biedermann,  Granichflädten,  Köchert  u.  a.  hatte 
wohl  der  Diamantfchmuck  nach  Hänfen 's  Zeichnung  bei  dem  letztgenannten 
(f.  die  Abbildung  auf  S.  17)  den  meiften  Reiz. 

Das  Vorwiegen  einer  ftilvoUen  Zeichnung  ift  auch  das  unterfcheidende  Merk- 


II.     DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNST  ARBEITEN. 


165 


\ 


1 


iiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiuiiitiiiuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii 


l'""f 


111 


iiiiiiiiiiiillllllllllllililllilllllllllllllllllllllUilllllüllllliiiiiil 


[|i 


Jugdichiiiiik   uu.i  gebeiztem  Eiehenhol/,   (.■lUwmicii   von   (_ .  Grali,    aiisyelulirl 
von  H.  Irmicr  in  Wien. 

mal  zwifchen  den  öfterreichifchen  und  franzöfifchen  Bronzen,  bei  welchen  letzteren 
wir  bereits  die  Willkür  der  Compofition  als  die  charactcriftifche  Erfcheinung, 
wcnigftens  was  das  Geräth  betrifft,  hervorgehoben  haben.  Die  franzöfifchen 
Bronzen  behaupten  allerdings  noch  ihre  Vorzüge,  die  vor  allem  in  der  Ausbil- 
dung nach  der  figürlichen  Seite  beftchen  und  fodann  in  der  Behandlung  der 
Oberfläche,  was  Cifelirung  und  Farbe  betrifft.  Die  öfterreichifchen  Bronzen  be- 
fchrankcn  fich  auf  Geräth  und  find  in  überwiegender  Mehrzahl  vergoldet,  aber 
beiden  befferen  Fabrikanten,  wiellanusch,  Ilollenbach,  GrüUemeyer  find 
die  Formen  reiner  und  edler  als  bei  den  franzöfifchen.  Auch  der  Mcffinggufs, 
der  künftlerifch  erfl  begonnen  hat ,    wendet  fich   den  fchönen  Formen  des  fech- 


166  DAS  KUNSTGEWERBE. 


zehnten  Jahrhunderts  zu,  während  die  Franzofen  die  des  fiebzehntcn  zum  Mufler  ' 
nehmen.  Unter  Hansen 's  Einflufs  zeigen  die  Wiener  Bronzen  auch  viel  Hin- 
neigung zu  gricchifchen  Motiven.  Die  Fabrik  von  Lerl  &  Söhne  fucht  die  ein- 
facheren f.  g.  Galanteriegegenftände  zu  veredeln.  Es  ifl:  das  ein  anerkennens- 
werthes  Streben,  da  grade  diefe  Gegenflände  in  den  letzten  zwanzig  Jahren  unter 
den  verkehrtcften  Ideen  litten  und  fich  ^um  fchönc  Form  und  hübfche  Erfchei- 
nung  gar  nicht  mehr  kümmerten. 

Mit  diefen  Galanteriegegenftänden  flehen  die  Arbeiten  in  Leder  in  enger 
Beziehung.  Wenn  es  fich  um  Prachteinbände  handelte,  fo  fpielten  Bronze  und 
Email  und  Steine  eine  gröfsere  Rolle  dabei  als  das  Leder.  Zum  Theil  ifl;  das 
noch  heute  der  Fall,  wenn  auch  in  gemäfsigterer  Weife.  Die  zahlreichen  Pracht- 
arbeiten, die  wir  bei  Rosenberg,  Klein,  Rodeck,  Groner  und  anderen  auf 
der  Ausftellung  fahen,  machen  wenigftens  vom  Email  einen  weitgehenden  Ge- 
brauch, fetzen  es  aber  flacher  in  das  Leder  ein  als  früher.  Statt  Email  fah  man 
auch  wieder  Einfätze  von  gemaltem  Porzellan  ohne  Umrahmung  in  Ichwarzem 
Leder,  was  eine  harte  Verbindung  macht.  Weit  beffer  Und  feiner  ifl  der 
Efl"ect,  wenn  farbiges  Leder  mofaikartig  nach  der  Zeichnung  und  nach  dem 
Mufler  des  Zellenfchmelzes  behandelt  wird.  Die  Ausftellung  zeigte  mit  und 
ohne  Metallcloifons  höchft  reizende  Arbeiten  in  diefem  Genre.  Damit  nähern 
wir  uns  den  einfachen  Ledereinbänden  mit  zierlichen  Arabesken  in  Golddruck 
nach  dem  Mufter  der  alten  Grollier-Einbände,  wie  fie  heute  von  Franzofen  und 
Engländern  vortrefflich  imitirt  werden.  Auch  die  öfterreichifche  Ausftellung 
zeigte  gelungene  Arbeiten  von  Wunder  &  Kölbl  und  von  Franz  Kritz. 

Endlich  muffen  wir  bei  der  öfterreichifchen  Kunftinduftrie  noch  einer  Neue- 
rung gedenken,  die  bedeutungsvoll  ift,  nämlich  die  Wiederaufnahme  des  Schmiede- 
eifens.  Zuerft  für  die  Kirche  angewendet,  find  auch  die  meiften  Arbeiten  (nach 
Schmidt  und  Ferftel)  in  gothifchcm  Stile  gehalten.  Da  aber  auch  die  civile 
Baukunft  von  folchen  Geländern,  Gittern  und  Thorbefchlägen  Gebrauch  macht, 
fo  hatte  die  Ausftellung  bereits  eine  ganze  Reihe  derartiger  Gegenftände  im  Stil 
der  Renaiffance  aufzuweifen.  Von  den  Wiener  Schloffern ,  die  daran  betheiligt 
waren,  nennen  wir  Biro,  Milde,  Rosmanit,  Kirchmayr.  —  Wie  hier,  fo 
herrfcht  der  gothifche  Stil  auch  in  der  ganzen  übrigen  kirchlichen  Kunft ,  foweit 
fie  wirklich  Bedeutung  hat,  fowohl  in  den  Geweben  und  Stickereien,  z.  B.  bei 
Giani  in  Wien  und  Uffenheimer  in  Innspruck,  wie  bei  den  reichen  eniail- 
lirten  Goldfchmiedearbeiten  von  Brix  &  Anders,  welche  vorzugswcife  Gefäfse 
und  Geräthe  nach  Zeichnungen  von  Schmidt  und  Lippert  ausgeftellt  hatten. 

Wer  die.  Ausftellung  Deutfchlands  mit  einiger  Gründlichkeit  muftertc,  der 
konnte  trotz  der  Verworrenheit  des  Eindrucks  nicht  überfehen,  dafs  fich  auf  ver- 
fchiedenen  Gebieten  wenigftens  die  Anfänge  derfelben  Bewegung  und  derfelben 
Richtung  zeigten,  die  wir  in  der  öfterreichifchen  Kunftinduftrie  bereits  mit  Ent- 
fchiedenheit  ausgefprochen  fanden.  Wir  haben  das  bei  der  Befprechung  des 
deutfchen  Mobiliars  fchon  mit  Nachdruck  anzuerkennen  gehabt.  Diefe  Eigen- 
fchaft  wäre  aber  noch  deutlicher  hervorgetreten,  wenn  nicht  das  Arrangement, 
die  Aufftellung  in  der  deutfchen  Abtheilung  fo  durchaus  ungünftig  und  unvor- 
theilhaft  gewefen  wären. 


u.  DIE  ländp:r  und  ihre  kunstarbeiten. 


167 


Nicht  zum  geringen  Theil  beruht  es  mit  hierauf,  auf  der  völligen,  wie  ab- 
fichtlich  erfcheinenden  Vernachläffigung  der  aflhetifchen  oder  kiinülerifchcn  Seite 
des  Arrangements,  wenn  der  I'lrfolg  der  deutfchcn  Kunflinduftric  in  den  Augen 
des  grofsen  Publikums  —  und  die  Stimme  war  allgemein  —  einer  vollen  Nieder- 
lage gleich  kam.  Und  eine  folchc  Niederlage  ifl;  nicht  blofs  eine  Sache  der  Ehre, 
fondern  hat  auch  eine  fehr  materielle  Seite,  über  welche  das  Urtheil  einer  Jury 
nicht  zu  trüRen  vermag.  Uiefcr  Kindruck,  diefer  Mangel  an  Erfolg  waren  aber 
ficherlich  nicht  in  dem  Mafse  nothwendig  gewcfen,  wenn  zu  rechter  Zeit  Unificht 
und  kiinfllerifchcs  Gcfchick  gewaltet  hätten.  Bcifpielsweife  führen  wir  die  Gold- 
fchniiedearbeitcn  an.  I  lätte  man  zu  den  kleinen,  gut  und  vortheilhaft  arrangirten 
Schmuckarbeiten  von  Hanau  und  den  füddeutfchen  Städten  die  in  gewiffer  1  lin- 
ficht  eminenten  Silberarbeiten  von  Berlin,  München,  Nürnberg  hinzugefügt,  hätte 
man  rechtzeitig  für  eine  würdige  Vertretung  der  rheinifchen  Goldfchmicdekunfl, 
insbefondere  der  kirchlichen,  geforgt,  die  ganz  und  gar  unzulänglich  vertreten 
war,  hätte  man  das  alles  in  würdiger  Aufteilung  zu  einem  Ganzen  vereinigt,  fo 
würde  die  deutfche  Goldfchmicdekunfl  eine  höchft  refpectable  Figur  auf  der  Aus- 
ftellung  gefpielt  haben.  Aehnliches  läfst  fich  von  den  kofibaren  Geweben  des 
Rheinlandes  und  Sachfens  fagen,  die  fich  fehr  unvortheilhaft  präfentirten. 

So  wie  es  fich  dem  Auge  darftellte,  konnte  das  Arrangement  nur  die  Schwäche 
der  deutfchen  Kunflinduflrie,  die  Unficherheit  und  Zerfahrenheit  der  Reflrebungen, 
den  Mangel  an  Reiz  und  Originalität  vergröfsern.  Das  Gute,  was  vorhanden  war, 
kam  auf  diefe  Weife  nicht  einmal  zur  Wirkung.  Die  gcmeinfamen  Züge  erfchie- 
nen  in  der  Zerriffenheit  wie  rein  negative,  die  guten  Tendenzen,  die  man  fchon 
kennen  mufstc,  knüpften  fich  an  einzelne  Pcrfönlichkeiten,  einzelne  Anftalten  oder 
zeigten  fich  an  einzelne  Orte  und  Landfchaften  gebunden.  Auch  fo  kamen  fie 
nicht  zur  vollen  Geltung,  wie  z.  B.  die  kunftinduflriell  bedeutendfte  Gegend 
Deutfchlands,  das  Rheinland,  in  keiner  Weife  feiner  Bedeutung  gemäfs  auf  der 
Ausflellung  erfchiencn  oder  dargeftellt  war. 

Auch  in  der  zerftreuten  Aufltellung  erfchienen  die  deutfchen  Gold-  und  Silber- 
arbeiten, insbefondere  aber  die  letzteren,  neben  den  Möbeln  als  der  bedeutendfle 
Zweig  der  deutfchen  Kunflinduflrie.  Berlin,  München,  Nürnberg  liefsen  erkennen, 
dafs  es  ihnen  an  grofsen  Aufgaben  nicht  fehlt,  auch  bemerkte  man  mit  Vergnü- 
gen, dafs  es  hier  wirklich  Künfller  und  bedeutende  Künftler  find,  die  an  folchen 
Werken  thcilnehmen.  Der  zieriiche  Pokal  auf  feinem  reichgebildeten  Poflament 
mit  Figuren  und  finnreichen  Emblemen,  im  Stil  der  deutfchen  Renaiflance  ge- 
halten, den  Kreling  zum  Jubiläum  des  Herrn  von  Gramer -Klett  gefchaflfen, 
ifl  ein  Stück  ächter  freier  Goldfchmicdekunfl.  Ausgeführt  ift  derfelbe  von  Winter 
in  Nürnberg.  Aus  demfelben  Atelier  ifl:  ein  zweites  fchön  gearbeitetes  Stück 
nach  einem  Entwurf  von  Wanderer  hervorgegangen,  das  nur  an  Beflimmungs- 
lofigkeit  leidet.  Von  ganz  anderem  Genre  find  die  Berliner  Silberarbeiten  der 
berühmten  Fabriken  von  Vollgold  und  von  Sy  &  Wagner.  Vorragend  find 
die  grofsen  Werke,  welche  denkmalartig  zur  Erinnerung  an  die  grofsen  Siege 
oder  als  Ehrengcfchenke  für  die  Sieger  gefchaffen  wurden.  Leider  find  fie  nur 
zu  fehr  Denkmal,  mehr  Monumente  der  Sculptur  als  Silberarbeit.  Im  Uebrigen 
bemerkte  man  mit  Vergnügen,   dafs  der   antikifirende  Puritanismus   der  Berliner 


168 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


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Service  von  emaillirtem  Kryftallglas,  von  Chriftofle  &  Co.  in  Paris. 


Goldfchmiedekunfl;  nachläfst.  Man  fah  da.s  theils  an  dem  Uebergange  zu  Renaiffanceformen, 
in  denen  fchöncs  Tafclgcräth  von  Schalen  und  Candelabcrn  ausgcftcUt  war,  theils  in  der 
Aufnahme  einer  allerding.s  noch  fchwachen  Vergoldung.  Auch  zeigte  fich  vortheilhaft  der 
Einflufs  der  Hildeshcimer  Gefäfse  auf  eine  lebendigere  Bildung  des  Ornaments. 

Auch  in  dem  Goldfchmuck,  wie  er  zahlreich  und  wohlgeordnet  in  der  CoUectivausflellung 
der  füddeutfchen  Goldfchmiedcflädte  Hanau,  Pforzheim,  Gmünd,  Stuttgart  zu  fehen  war,  zeigte 
fich  entfchiedener  Fortfehritt,  theils  in  der  Zeichnung,  mehr  aber  noch  in  der  Verfeinerung 
und  Erweiterung  der  Technik.  Nichtsdeftoweniger,  obwohl  diefer  Schmuck  auch  in  Nachfolge 
der  franzöfifchen  Mode  fein  ornamentales  Gebiet  durch  Aufnahme  antiker  Motive  erweitert 
hat,  leidet  er  immer  noch  an  den  alten  Uebeln,  Mangel  an  origineller,  wirklicher  Erfindung, 
höchfl  willkürlicher,  mechanlfcher  Zufammenflellung  der  verfchiedenartigften  Ornamente  und 
einer  Fülle  gefchmacklofer,  nichtsfagender,  unkünftlerifcher  Motive.     Welchen  Einflufs  könnte 


n.    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


169 


Lehnftuhl  mit   olivenTrirbigem  Atlasbeziif; ,   nach  Entwurf  von  J.  Sturck  aiisjjclührl    von  Haas  &  Söhne. 


diefer  fo  blühende  Induftriezweig  mit  wirklich  guten  Arbeiten  auf  den  populä- 
ren Gefclimack  ausüben! 

Auch  den  Arbeiten  in  unedlen  Metallen,  in  Bronze  und  Eifen,  haben  wir 
nicht  viel  Gutes  nachzurühmen.  Die  Ilfenburgcr  Eifengüffe  nach  älteren  Arbeiten 
find  allerdings  von  ausgezeichneter  Technik,  aber  es  find  eben  nur  Copicn. 
Schmiedeiferne  Arbeiten  feinerer  decorativer  Eifentechnik  vermochten  wir  nicht 
aufzufinden.  Die  Bronzen,  die  in  zahlreichem  Leuchtgeräth ,  vorzugsweife  Ber- 
liner Art,  vertreten  waren,  hielten  fich  in  den  Grenzen  des  Anftändigen,  ohne 
irgend  Reiz  oder  Schönheit  zu  zeigen.  Nur  das  kleine  emaillirte  Geräth  von 
Schreibzeugen,  Schalen,  Leuchtern  u.  a.  aus  der  Fabrik  von  Ravene  &  Sufs- 
mann  in  Berlin  ift  ein  hübfches  Genre,  wohl  geeignet  das  gleiche  Geräth  von 
glatter  Bronze,  das  bis  heute  den  Dienft  thut,  anmuthig  zu  erfetzen. 

In  der  ganzen  deutfchen  Thonwaarcnfabrikation  erfchien  eigentlich  nur  eine 
Fabrik,  die  von  Villeroy  &  Boch  zu  Mettlach,  rührig  und  lebendig.  Sie 
hat  fich  fchon  einen  gewiffen  Namen  durch  ihre  mit  guten  Ornamenten  verfe- 
henen  incruflirten  Fliefen  erworben.  Diesmal  führte  fie  uns  eine  Fülle  künfller- 
ifchen  Geriithes  vor  in  forgfältigfter  Zeichnung  und  Ausführung.     Nur   litt  es  im 


u 


170 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Ganzen  wie  im  Einzelnen  an  einem  grofsen  Eehler:  meift  unglafirt  und  matt  in 
der  Farbe,  war  es  decorativ  trocken  und  reizlos.  Wer  in  feiner  Erinnerung  die 
Ausflellung  der  Majoliken  von  Ginori  oder  der  Faiencen  von  Deck  in  Paris 
damit  vergleicht,  wird  den  Gegenfatz  fofort  begreifen.  Die  beiden  königlichen 
Porzellanfabriken  von  Berlin  und  Meissen  hielten  fich  genau  auf  bekanntem  alten 
Standpunkt.     Das  hat  nun  zwar  auch  fein  Gutes,    namentlich  wenn  man  eine  fo 


Armleuchter  im  Stile  I.ouis  XIV.,  von  Suffe  freres  in   P.iris. 

berühmte  und  auch  fo  verdienftlichc  Vergangenheit  hinter  fich  hat,  wie  die  fäch- 
fifche  Fabrik,  und  vor  wenigen  Jahren  noch  mochte  das  der  ganz  richtige  Stand- 
punkt fein ;  allein  heute,  wo  fich  alles  rührt  und  regt  auf  dem  weiten  Gebiete  der 
Kunflinduflrie,  ift  es  mit  dem  Stehenbleiben  für  folche  Fabriken,  die  den  Beruf 
zu  Kunft-  und  Muflcranflaltcn  haben ,  wohl  nicht  gethan.  Auch  einige  neue 
Malereien,  auf  die  alten  Formen  angebracht,  genügen  wohl  nicht  der  Aufgabe. 
Das  übrige  deutfche  Porzellan,   das  von  verfchiedenen  Privatfabriken  ausgeftellt 


II.    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARHEITEN. 


171 


war,  hielt  fich   auf  dem  allcrgewöhnlichflen  Standpunkt   der  veralteten  franzöfi- 
fchen  Mode. 

Nicht  bclTer  fah  es  mit  den  deutfchen  Glasarbeilen  aus.  Nur  die  Fabrik 
von  Graf  Schaf fgotschc  zu  Königshüttc  zeigte  mit  einigen  zierlicheren  For- 
men, meift  nach  englifchen  Muflern,  den  Einflufs  der  jüngften  Beflrebungen  ;  im 
Uebrigen  trachtete   fie  ziemlich  vergebens,    das  alte  Genre  durch  vollkommnere 


Candelaber  im  Stile  Louis  Xlll.,  von  SuiTe  freres  in  Paris. 

Malerei  zu  veredeln.  Der  Weg  ift  eben  nicht  der  rechte.  Die  Münchener  Fabrik 
von  Steigerwal d's  Neffen  ftand  mit  ihrer  Ornamentation  unter  dem  Einflufs 
des  dortigen  Kunftgefchmacks,  aber  fic  verkannte  dabei  die  wefentlichen  Eigen- 
fchaften  des  Glafes. 

An  Specialitäten,  die  manche  rühmliche  Seite  zeigen,  fehlte  es  der  deut- 
chen Kunflinduftrie  nicht.  Wir  nennen  in  diefer  Beziehung  Meyer's  Anflalt 
für  kirchliche  Kunft  in   München  und  ihre   reiche  Ausflellung   gefchnitztcn  Kir- 


32* 


172 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Uhr  im  Stile  Louis  XIII.,  von  Suffe  freres  in  Paris. 


chengeräths  mit  vortrefflichen  Figuren  von  der  Hand  des  Bildhauers  Knabl. 
Auch  fonft  war  die  Kirche  von  der  deutfchen  Ausftellung  nicht  fchlecht  bedacht, 
insbefondere  mit  Geweben  und  Stickereien,  von  München,  Augsburg,  wie  vom 
Rheine  her.  Nur  die  rheinifchen  Goldfchmiede  waren,  wie  fchon  oben  bemerkt 
worden,  ganz  unzulänglich  vertreten.  Selbft  im  Weifszeug  für  Tifch  und  Tafel 
regt  fich,  befonders  in  fächfifchen  Fabriken,  ein  befferer  Geifl;,  wenn  auch  hier 
das  Richtige  zum  Theil  auf  falfchem  Wege,  in  der  kunftvoUen  figürlichen  Zeich- 
nung, ftatt  in  der  decorativen  Wirkung,  gefucht  wird.  Einen  völligen  Umfchwung 
zeigt  die  Ornamentation  der  Schwarzwälder  Uhren,  die  in  fabrikmäfsigen  Betrieb 
gekommen  find;  nur  find  fie  leider  mit  ihren  naturalifüfchen  Schnitzereien  ganz 
auf  dem  Holzwege. 

So  zeigt  fich  wohl  überall  in   der  deutfchen  Ausflellung  der  Geift,  zuweilen 
auch  nur  der  Wunfeh  der  Neuerung,  der  Wunfeh,  fich  frei  und  unabhängig  im 


II.    DIE  LANDER  UND  IHRE  KUNST  ARBEITEN. 


173 


Uhr  im  Stile  Lu 


iic  friircs  in  Pari.-. 


Gefchmack  zu  Hellen.  Aber  feiten  gelingt  der  Vorgang,  oder  er  bleibt  vereinzelt, 
oder  es  täufcht  die  Unfichcrhcit  des  Weges.  Es  fehlt  an  Klarheit,  an  entfchie- 
dener  Führung,  an  dem  Anblick  guter  Vorbilder,  die  den  Gefchmack  reinigen  und 
das  Auge  bilden,  es  fehlt  endlich  an  crnfler,  gemeinfamer,  entfchlolTener  Thätig- 
keit  auf  dem  ganzen  Gebiete.  Auch  das  wird  und  mufs  kommen ;  die  Indolenz 
wird  und  niufs  überwunden  werden.  So  negativ  der  Erfolg  der  deutfchen  Kunfl- 
induftrie  auf  der  Ausflellung  war,  fo  vielfach  und  beftimmt  traten  doch  für  das 
tiefer  fehende  Auge  die  Verfuche  der  Reform  hervor.  Die  Bewegung  ifl  in  Flufs 
gekommen  und  wird,  weil  die  Strömung  für  fie  ifl,  ficherlich,  wenn  auch  vielleicht 
langfam  zum  Ziele  kommen.  Und  infofern  hatten  wir  Recht,  Deutfchland  bereits 
mit  unter  denjenigen  Staaten  zu  betrachten,  wo  die  internationale  Frage  des  Gc- 
fchmacks  ausgekämpft  wird.  • 


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DAS  KUNSTGEWERBE. 


Uhr,  aus  dem  ägyptifchen  Zimmer  von  A.  Fix  in  Wien. 


4.  (Iruppe:     Der  Orient;  China  und  Japan. 

Da  das  Wefen  der  orientalifchen  Kunft  in  der  Flächcndecoration  liegt,  fo  ift 
mit  der  Schilderung  der  Wohnung,  ihrer  Decoration  und  der  Gewebe,  welche 
fie  zur  Ausflattung  bedarf,  wie  wir  fie  oben  verfucht  haben,  bereits  die  Haupt- 
fache gegeben.  Indeffcn  kennt  die  orientalifche  Weberei  gewiffe  Stoffe,  meid 
zur  Kleidung  beftimmt,  die  im  coloriftifchen  Princip  nicht  einerlei  mit  dem  der 
Teppiche  find;  es  giebt  aufserdem  vcrfchiedcne  Induftriezwcige,  zumal  in  Metall, 
die  noch  ihre  befondere  Bedeutung  haben,  und  endlich  fcheiden  fich  zwei  Länder 
von  dem  übrigen,  unter  der  Religion  oder  dem  Kunfteinflufs  des  Islam  flehenden 
Orient  aus,  China  und  Japan  nämlich,  deren  wir  noch  nicht  gedacht  haben. 

Was  jenes  zweite  coloriftifche  Princip  der  gewebten  Stoffe  betrifft,  fo  tritt 
es  zu  dem  der  Teppiche  in  einen  gewiffen,  allerdings  nur  gewiffen  Gegenfatz. 
Denn  beiden  ift  das  gemeinfam,  erftens,  dafs  fie  niemals  mit  Schatten  und  Licht 
erhöhen  und  fo  die  Fläche  für  das  Auge  aufheben,  und  zweitens,  dafs  fie,  fo 
fehr  fie  auch  die  Farben  brechen  mögen,  um  belebende,  reiche  Fülle  der  Töne 
zu  erhalten,  niemals  diefelben  mit  Grau  ertödten  oder  in  Grau  verwandeln.  Das 
orientalifche  Colorit  ift  niemals  fchwächlich,  verblafen  und  verblafst,  verwäffcrt 
und  fchal,  wie  das  des  achtzehnten  Jahrhunderts,  ift  niemals  fchmutzig,  trüb  und 
widerwärtig,  wie  das  der  franzöfifchen  Revolution  und  des  Empire,  ift  niemals 
grau  oder  bunt  und  roh,  wie  das  der  erften  Hälfte  des  neunzehnten  Jahrhunderts. 

Im  Allgemeinen  ift  das  coloriftifche  Princip  der  orientalifchen  Teppiche,  eine 
Fülle  verfchiedener  Farben  fowohl  in  ganzen  wie  gebrochenen  Tönen  fo  durch- 
einander zu  vertheilen,  dafs  keine  Farbe  als  die  herrfchcnde  hervortritt,  fondern 
fich  für  das  Auge  in  angemeffener  Entfernung  nur  ein  gemeinfamer  Ton  ergiebt, 


IL     DIE  LANDER  UND  IHRE  KUNSTARI^EITEN. 


475 


der  feinen  Reiz  und  feinen  Vorzug  in  dem  fchillernden,  fchimmernden  Spiel  der 
Farben  befitzt,  die  ihn  zufammenfetzen.  Diefe  Vertheilung  I<ann  in  mehr  blumi- 
ger Art  gofchehen,  wie  bei  den  indifchen  und  perfifchen  Teppichen,  oder  mehr 
geometrifch  und  ohne  beftimmte  Zeichnung,  wie  es  denen  Vorderafiens  eigen- 
thümlich  ift.  lüne  Ausnahme,  davon  machen  faft  die  Mehrzahl  der  Smyrnaer 
Teppiche,  bei  denen  Roth  und  Grün,  insbefondere  das  erftcre  als  Grund,  in  breiten 
Maffen  auftreten.  Die  zahlreichen  Beifpiele  auf  der  Ausftellung  in  der  indifchen, 
perfifchen  und  türkifchen  Abtheilung  liefsen  das  deutlich  erkennen. 

Was  bei  den  Teppichen  die  Ausnahme,  der  Gegenfatz  der  Farben,  ift  bei 
den  Kleiderfloffen  des  Orients  eine  fehr  häufige  Erfcheinung.  Allerdings  folgen 
auch  fie  zum  Theil  dem  Princip  der  Teppiche,  fogar  in  noch  erhöhtem  Mafse, 
d.  h.  in  kleinerer  Vertheilung,  was  z.  B.  von  den  tibetanifchen  und  perfifchen 
Shawls  gilt;  aber  diefes  Farbenprincip  ifl  durchaus  nicht  das  einzige.  Ich  erin- 
nere hier  beifpielsweife  an  Shawls,  Mäntel  und  andere  Gegenftände  indifcher 
Fabrikation,  bei  denen  auf  dem  Grunde  von  indifch  rothem  Kafchmir  von  vollfter 
Gluth  der  Farbe  grofsblumige  flilifirte  Stickereien  in  weifser  Seide  ausgeführt  find. 
Auch  viele  türkifche  feidene  Prachtftofife,  welche  ganze  Farben  in  breiten  Streifen 
gegen  einander  ftellen,  gehören  hierher,  namentlich  auch  die  arabifchen  Burnus 
von  Syrien  bis  nach  Marokko.  Die  Ausftellung  zeigte  dafür  die  Beifpiele  in  F'ülle. 
Ebenfo  ift  die  Art,  wie  die  Indier  in  den  Geweben  mit  dem  Golde  umgehen  und 
es  verwerthen,  eine  doppelte:  entweder  vertheilen  fie  es  in  kleinen  Muflern  auf 
einfarbigem  Grunde  oder  mit  verfchiedenen  anderen  ungebrochenen,  vollfaftigen 
Farben,  oder  fie  laffen  es  in  blanker  Fläche  wirken,  wobei  der  Faden  felbft  fchon 
glatt  und  fpiegelnd  ift.  Diefes  zweite  Princip  ift  wohl  dasjenige,  welches  den 
Eindruck  einer  effectvollen  Pracht,  die  ja  auch  ihre  Berechtigung  hat,  hervorzu- 
bringen geeignet  ift,  während  es  das  erftere,  das  Teppichprincip,  mehr  auf  Ruhe 
und  Feinheit,  jedoch  keineswegs  auf  Farblofigkeit  abgefehen  hat.  Wir  fehen 
daher  jenes  zu  dem  genannten  Zweck  nicht  blofs  noch  heute  im  Orient  ange- 
wendet, fondern  wir  können  es  durch  alle  Zeiten  verfolgen,  bis  es  im  achtzehnten 
Jahrhundert  erftirbt. 

Zwifchen  beiden  Principien  liegt  eine  unerfchöpfliche  Fülle  von  Varianten, 
die  fich  bald  der  einen,  bald  der  andern  Seite  mehr  zuwenden,  fo  dafs  das  Stu- 
dium der  orientalifchen  Gewebe  immer  neues  Vergnügen,  neue  Belehrung  bot. 
Sicherlich  waren  fie  auch  niemals  fo  umfaffend  vereinigt  wie  auf  diefer  Aus- 
ftellung, wenn  man  auch  vielleicht  in  London  mehr  Prachtexemplare  fah. 

Aber,  wie  fchon  oben  gefagt,  erfchöpft  fich  das  Intereffe  der  orientalifchen 
Kunft  nicht  in  der  textilen  Arbeit.  Der  Often  ift  die  urältefte  Heimat  der  Me- 
talltechnik; und  alle  feinere  Kunft  in  Eifen  und  Stahl  hat  fich  heute  faft  allein 
noch  in  Afien  erhalten.  Europa  hat  im  Verlauf  der  letzten  Jahrhunderte,  im 
Verfall  der  Kunftinduftrie  feit  der  Renaiffance,  all  das  verlernt  und  vergeften,  wo- 
mit einft  feine  Wafifenfchmiede  und  Schloffer  glänzten,  und  was  uns  heute  Spanien 
auf  der  Ausftellung  davon  vorgeführt  hatte,  das  war  eine  glückliche  Wieiierauf- 
nahnie  alter  arabifch-maurifcher  Kunft.  Zwar  hat  auch  der  Orient  heute  in  diefen 
Künften  nachgelaffen,  und  was  uns  der  Norden  »Afrika's,  Aegypten  und  die  Türkei 
mit  allen   ihren    Provinzen   von   verzierten  Waffen   fehen  liefsen,  das   war   wohl 


176 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Porzellanvafen,  von  Mintons  in  Stoke  lipon  Trent. 


noch  die  alte  Technik,  aber  in  durchaus  roherer  Arbeit.  Noch  fchlimmer  fah  es 
mit  dem  Goldfchmuck  aus.  Das  FiHgran  hat  fich  wohl  überall  erhalten,  aber 
nirgends  fah  man  auch  nur  eine  Annäherung  an  die  antike  Feinheit. 

Die  heutige  oricntalifche  Metallkunft  beginnt,  wenn  man  bedfere  Arbeit  ver- 
langt, erft  jenfeits  des  Kaukafus  und  in  Perfien.  In  der  perfifchen  Abtheilung 
waren  verfchiedene  Waffenftücke  ausgeftellt,  zumal  Helme,  Bruftpanzer,  Arm-  und 
Beinfchienen ,  welche  noch  gute  Goldtaufchirung  in  trefflichen  alten  Arabesken 
zeigten;  fie  wurden  aber  dennoch  in  jeder  Beziehung  von  den  indifchen  Waffen 
und  Rüftungsftücken  übertroffen,  davon  eine  Vitrine  eine  grofse  Anzahl  verei- 
nigte. Auch  war  es  Indien  allein  vom  Orient,  China  und  Japan  ausgenommen, 
welches  noch  mit  feiner  Goldfchmiedekunfl:  glänzte,  mit  feinen  zierlichen  Schmuck- 
arbeiten in  Gold  und  Silber,  mit  äufserfl  effectvoUer  Verwerthung  der  Steine  und 
vor  allem   mit  einem  ganz  vortrefflichen  transluciden  Email.     Die  indifchen  Me- 


U.    DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


177 


Irdene  Schüffein  von   Villeroy  iS:  Hoch  in   Melllach. 

tallarbeiten  zeigten  fich  ebenfo  vielfeitig  in  der  Technik,  davon  manche  heute 
Indien  allein  gehört,  wie  fein,  forgfältig  und  vollendet  in  der  Ausführung. 

Ueberhaupt  muss  man  Indien  als  dasjenige  Land  betrachten,  wo  fich  die 
orientalifche  Kunfl  am  reinflen,  vielfeitigften  und  vollendetften  erhalten  hat.  Das 
bewies  auch  unfere  Ausftellung,  obwohl  von  dem  ganzen  Orient  vielleicht  grade 
diefes  Land  am  mindeflen  feiner  Bedeutung  entfprechend  vertreten  war.  Man 
fand  wohl  Gegenflände  von  aller  Art  der  Kunftarbeit,  wie  fie  dort  geübt  wird,  aber 
feiten  in  befonders  glänzenden  Heifpielen.  Leider  beginnt  auch  für  die  indifche 
Kunft  eine  europäifche  Frage,  und  die  Anilinfarben  helfen  das  Colorit,  und  eng- 
lifche  Zeichenlehrer  die  reizenden,  ftilvollen  blumigen  Ornamente  verbefiern. 

Die  Kunft  Indiens  und  Perfiens  hat  foviel  Verwandtfchaft ,  dafs  man  oft  in 
Verlegenheit  fein  wird,  ob  man  einen  Gegenftand  feiner  ICntftehung  nach  diefem 
oder  jenem  Lande  zufchreiben  foU,  niemals  aber  wird  ein  einigermafsen  kundiges 
Auge  fchwanken  zwifchen  diefen  beiden  Ländern  einerfeits  und  Ciüna  und  Japan 
andrerfeits.  In  früheren  Zeiten  hat  ohne  Frage  eine  Culturverbindung  zwifchen 
Oftafien  und -jenen  beiden  Ländern  ftatt  gefunden,  und  man  mag  als  ficlier  an- 
nehmen, dass  vor  einem  Jahrtaufend  vielleicht  und  fpäter  noch,  als  die  Kund 
des  hinimlifchen  Reichs  der  Mitte  glücklichere  Zeiten  kannte  und  noch  nicht 
den  coloffalen  Zopf  von  heute  trug,  die  chinefifchc  Kunftarbeit  und  die  chincfifche 


» 


178 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


Ornamentation  höchst  anregend  auf  die  perfiche  eingewirkt  hat  und  dass  mit  ihrer 
Hülfe  jener  Zweig  des  muhamedanifchen  Kunftflils  gefchafifen  ift,  welcher  noch 
heute  in  Perfien  und  Indien  lebt.  Daher  zeigen  denn  auch  die  alten  chincfifchen 
Arbeiten,  je  älter  fie  find,  um  fo  mehr  Vcrwandtfchaft  damit.  Das  Nähere  freilich 
ift  mit  unferer  heutigen  Kenntniss  nicht  feftzuftcllen;  wir  wiffen  des  Genaueren 
nicht,  wann  und  wie  der  heutige  perfifch-indifche  Decorationsftil  cntftanden  ift. 
In  jedem  Fall  aber  ift  diefer  Stil  ein  muhamedanifchcr  und  kein  altindifcher ;  er 
gehört  dem  Islam  an,  nicht  dem  Brahmaismus  oder  Buddhismus,  und  feine  Ueber- 
tragung  nach  Indien  kann  fchwerlich  vor  die  Periode  der  arabifchen  Invafion 
fallen. 

Heute  fcheidet  fich  die  oftafiatifche  Kunft  ftreng  von  derjenigen  Perfiens 
und  Indiens.  Während  die  letztere  fich  rein  im  Stile  erhalten  hat  und  wohl 
fchwächer,  aber  nicht  barock  geworden  ift,  bildet  grade  für  die  chincfifche  und  die 
japanifche  Kunft  die  Bizarrerie  den  eigentlichen,  entfcheidenden  Charactcrzug. 
Es  find  in  beiden  Stilen  diefelben  Grundelemente,  diefelben  decorativen  Prin- 
cipien,  aber  in  China  und  Japan  find  fie  alle  in  das  Barocke  umgewandelt.  Die 
Unregelmäfsigkeit,  das  plötzliche  unmotivirte  Abfpringen  von  der  Linie  und  der 
Regel  ift  zum  Princip  erhoben,  grade  wie  im  chincfifchen  Garten  der  Wanderer 
auf  Schritt  und  Tritt  von  Ueberrafchungen  frappirt  werden  foll  und  die  querften 
Dinge  mit  einander  abwechfeln.  Daher  die  Seltfamkeit  der  Formen,  die  ver- 
fchnörkelten  Ornamente,  die  wunderlichen  Coftüme,  die  ungraziöfen  Bewegungen, 
die  krumme  und  eckige  Haltung  der  Menfchen.  Wir  finden  diefen  Character 
überall  in  jeder  Kunftarbeit,  mehr  freilich  noch  bei  den  älter,  verfteifter  und  knö- 
cherner gewordenen  Chinefen  als  bei  den  immer  noch  jugendfrifcheren  Japanern. 

Was  fich  aber  hiermit  an  Kunft  und  Gefchmack  vereinigen  läfst,  das  befitzen 
beide  Völker  noch  in  hohem  Grade,  obwohl  ihre  heutigen  Leiftungen  bei  weitem 
nicht  mehr  das  find,  was  fie  ehedem  waren.  Namentlich  hat  China  in  der  Treff- 
lichkeit feiner  Arbeit  abgenommen,  und  manche  feine  und  gute  Technik  ift  heute 
vergeffen.  Nichtsdeftoweniger  zeigte  ihre  Ausftellung,  die  namentlich  von  Seiten 
Japans  umfaffend  und  mit  grofsem  Verftändniss  der  Aufgabe  beforgt  war,  dafs 
noch  ein  gut  Theil,  ja  mitunter  ein  glänzendes  Theil  übrig  ift,  wovon  die  bef- 
fere  Hälfte  auf  Japan  kommt. 

In  Einem  find  noch  alle  chinefifchen  und  japanifchen  Arbeiten  gut,  in  der 
Farbe.  Können  die  neuen  Gegenftände  auch  hierin  fich  nicht  mit  den  älteren 
meffen,  wie  z.  B.  die  ganze '  chinefifche  Ausftellung  nichts  bot,  was  fich  im  Co- 
lorit  den  alten  Zellenfchmelzgefäfsen  an  die  Seite  ftellen  liefse,  fo  ift  der  Sinn  für 
Harmonie,  für  feine  Farbentöne  doch  nicht  verloren  gegangen.  Dies  ift  faft  das 
einzige  Verdienft,  welches  die  Porzellanarbeiten  diefer  Länder  noch  befitzen,  da 
auch  die  Formen  mit  der  Zeit  plumper,  barocker  und  reizlofer  geworden  find. 
Jetzt  verlegen  fich  die  Japaner  auch  bereits  auf  das  Imitiren  europäifcher  Formen. 
Die  gleichen  Reize  zeigen  durchweg  die  Seidenftoffe  und  die  wundervoll  au.sge- 
führten  Stickereien;  diefe  meift  lebhafter  in  den  Farben,  zuweilen  fehr  lebendig 
und  naturaliftifch  in  Blumen  und  Vögeln  gezeichnet,  ftets  ohne  Angabe  von  Schat- 
ten und  Licht,  jene  zum  Theil  von  feinen,  zum  Theil  von  tiefften  und  fatteften 
Farben,  zum  Theil  höchft  zart  in  der  Harmonie,  andere  wieder  mit  breiten  Gold- 


II.     DIE  LÄNDER  UND  IHRE  KUNSTARBEITEN. 


179 


papicrfailen  durchfchoffen ,  von  brillanteftem  Effect.  Neben  Porzellan  und  Ge- 
weben ftehcn  wohl  die  Mctallarbeiten  am  höchften.  Die  chinefifchen  Bronzen, 
zum  grofscn  Thcil  dem  Gottesdienft  gewidmet  und  daher  meift  von  den  baro- 
ckeften  Formen,  können  fich  mit  ihren  Vorgängern  nicht  meffen,  aber  im  zier- 
lichften  Schmucke  aus  Goldfiligran,  der  auffallend  frei  von  barocker  Zeichnung 
ift,  bringen  fie  noch  heute  die  feinften  Arbeiten,  wahre  Mufeumsftücke,  zu  Stande. 
Dagegen  find  die  japanifchen,  mit  Silber  taufchirten  Bronzearbeiten,  die  aller- 
dings in  den  Formen  auch  nicht  ohne  ihren  Zopf  find,  von  erftaunlicher  Gefchick- 
lichkeit  und  Vollendung.     Ihnen  ftellt  fich  das  japanifchc  Goldlack,  das  in  allen 


Leuchter  aus  dem  egy|)tifcheii  /.immer  von  A.  Fix  in  Wien. 

Imitationen  auch  nicht  annähernd  erreicht  wird,  würdig  zur  Seite,  während  die 
entfprechenden  chinefifchen  Arbeiten  an  Gefchmack  und  Technik  fich  bei  weitem 
geringer  zeigten.  Ebenfo  find  die  chinefifchen  Emails  gefunken  und  haben  nicht 
einmal  die  alte  Technik  des  Zellenfchmelzes  bewahrt,  fondern  ftatt  deffen  die 
unfolidefte  Art  des  gemalten  Emails  auf  dünnem  Kupferblech  angenommen.  Die 
Japaner  üben  noch  das  cloifonnirte  Email  und  zwar  mit  grofser  Feinheit  der 
Technik,  aber  an  coloriftifchem  Reiz  flehen  diefe  Arbeiten  weit  hinter  ihren  chi- 
nefifchen Vorgängern  aus  dem  Mittelalter  oder  dem  fechzehnten  und  fiebzehnten 
Jahrhundert  zurück.  ^ 

So  war  die  Kunft  d^efer  Länder  Ollafiens  längft  im  Rückgang  begriffen.  Das 
Schlimmfte  aber  ifl,  dass  heute  ihre  europäifche  Frage  an  fie  herantritt.  Japan  fetzt 
fich  mit  allen  Kräften   auf  europäifchen   Fuss  und   ftrebt,  fich   modern  zu  civili- 


23' 


180 


DAS  KUNSTGEWERBE. 


fireii.  Schon  ifl  es  in  das  Harmonie-Conccrt  der  modernen  Culturftaaten  aufge- 
nommen, feine  Gefandten  refidiren  an  den  Höfen,  geben  diplomatifche  Diners 
und  halten  specchcs  trotz  Beust  und  Gladstone.  Wir  haben  die  kleinen  Männer 
in  buntgefticktcr  Tracht,  die  Säbel  auf  dem  Bauche,  kommen  und  fich  in  Salon- 
herrn mit  Frack  und  Cylinder  verwandeln  fehen.  Und  nun  haben  fie  gefammelt, 
was  die  europäifche  Civilifation  und  die  europäifche  Induflrie  fchafft^  und  haben 
es  als  Mufler  in  die  Heimat  gefendet.  Wir  bezweifeln  nicht,  dafs  die  klugen 
Männer  mit  den  kleinen,  fliUen,  liftigen  Augen  recht  daran  thun,  zum  Heile  ihres 
Volkes  und  ihres  Landes,  aber  wir,  die  Freunde  jeder  guten,  gefchickten  und 
vor  allem  originellen  Kunflarbeit,  wir  werden  viel  Vergnügen  einbiifsen  und  werden 
ein  andermal  ftatt  der  reizvollen,  eigenthümlichen,  wenn  auch  bizarren  Gegen- 
fl^pde  barbarifche  Copien  unferer  eigenen  Werke  zu  fehen  bekommen.  Kaum 
wird  eine  andere  europäifche  Weltausflellung  —  möge  fie  zögernden  Fufses 
kommen !  —  uns  diefe  Länder  und  wohl  den  ganzen  Orient  wieder  in  voller 
Originalität  vor  Augen  führen. 

Jacob  Falke. 


Vafe  von  Villeioy  &  Boch  in  Mettlach. 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Ißl 


Vafeii  von  ViUeroy  &  Hoch  in  Mettlach. 


Die  Frauenarbeit. 

Es  fällt  nicht  leicht'  das  vielgeftaltige,  unbeftimmbare  Gefüge,  das  die  Frauen 
feit  Menfchengedenken  mit  Nadel  und  Faden,  mit  Spinnrocken  und  Webftuhl, 
und  mit  fo  vielem  anderen  oft  abfondcrlichen  Werkzeuge  7.u  fchaffen  haben  und 
zu  erfinden  verftehcn ,  mit  klügelndem  Sinne  zu  beleuchten,  zu  erklären,  ihm 
Zweck  und  Beftimmung  abzufragen,  ^nd  das  Unfafsbare  in  Reih  und  Glied  zu 
ftellen,  um  es  vergleichender  Betrachtung  zu  unterziehen.  Und  doch  mufs  auch 
die  Frauenarbeit,  das  regellos  erfundene,  undcfinirbare  Gebilde,  die  kühle  Kritik 
über  fich  ergehen  laffen,  da  es  fich  nun  einmal  hinausgewagt  hat  in  die  Schran- 
ken, in  welchen  Taufende  der  Werke  des  ewig  raftlos  erfindenden  Menfchengei- 
ftes,  gleich  ihm,  vor  dem  Urtheile  der  Mitwelt  fallen  oder  beftehen. 

Solche  Kritik  fcheint  um  fo  mehr  am  Platze,  als  fich  die  Aufmerkfamkeit 
der  Betheiligten  feit  neuerer  Zeit  der  Frauenarbeit  als  Induftriezweig  immer  mehr 
zuzuwenden  beginnt,  und  als  da  und  dort  ihre  Technik  in  Produkten  der  Indu- 
ftrie  und  des  Gewerbes  zu  bedeutender  Geltung  gelangt.  Die  Erfindungen,  die 
Umgeftaltungcn  auf  dem  weiten  Gebiete  der  Frauenarbeit  hören  hierdurch  auf, 
bedeutungslos  zu  fein,  und  die  Richtigkeit  der  Arbeit,  ihr  Schönheitsgrad,  ihre 
Zweckmäfsigkeit  find  Lebensfragen  für  die  Arbeit  felbfl  und  nicht  feiten  für 
ihre  Verfertigerin  geworden.  Es  gibt  Arbeiten  von  hohem  Kunftwerth  und  an- 
dere, die  eines  folchen  gänzlich  baar  find,  es  gibt  lohnende  Arbeiten  und  nicht 
lohnende,  es  gibt  folche,  die,  auf  das  Haus  beschränkt,  das  Spielzeug  des  einzel- 
nen Individuums  bleiben,  und  folche,  die  das  Gemeingut  von  Taufenden  von  Men- 


182 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Mufter  aus  der  Uobbinet-  und  Spitzenfabrik  von  Faber  &  Damboeck  in  Wien. 


fchen  werden,  den  Wohlftand  ganzer  Familien,  ganzer  Landftriche  bedingen,  und 
fomit  von  hoher  nationalökonomifchcr  Bedeutung  find.  Viele  diefer  Arbeiten 
kennen  wir,  die  fich  als  der  Segen  ganzer  Völkerfchaften  gezeigt;  wieviele  fich 
bei  richtiger  Verwendung ,  bei  Verbefferung  in  Technik  und  Material  in  gleicher 
Weife  dienftbar  machen  liefsen,  ifl;  heute  wohl  noch  nicht  zu  beftimmen;  dafs 
deren  Zahl  grofs  ift,  ifl:  gewifs. 

Die  Ausfliellung   hat  reichlich   Gelegenheit   geboten ,   vergleichende    Studien 
über  den  Werth  und  Unwerth  der  Frauenarbeit  zu  machen,  fie  hat  uns  die  Fort- 


DIE  FRAUENARBEIT. 


1S3 


r 


Mufter  aus  der  Bobbinet-  mid  Spitzenfabrik  von  l'aber  &  Damboeck  in  Wien. 


fchritte  in  einzelnen  Zweigen  gezeigt,  fie  hat  die  Irrthümer  in  Form,  Farbe  und 
Material  nachgewiefen,  fie  hat  die  Arbeiten  des  Orients  und  des  Occidents,  der 
Stadt  und  des  Landes,  der  Schule  und  des  Haufes  nahe  aneinander  geftellt,  fie 
hat  alte  Technik  und  neue  gebracht,  fie  hat  den  Erfindungen  des  Luxus  und 
der  Mode,  fie  hat  der  Dürftigkeit  und  Armuth  Rechnung  getragen,  fie  hat  die 
Entflehungsgefchichte  mancher  Technik,  ihren  Werth,  ihre  Verwendbarkeit,  ihren 
Verbreitungsbezirk  gezeigt  und  uns  manche  Erfcheinung  erklärt,  der  wir  bisher 
keinen  Grund  abzufragen  wufsten. 

Die  verfchiedenen  Länder  hatten  der  Frauenarbeit  fehr  verfchiedenen  Raum 
in  ihren  Ausftellungen  zugewicfen.  Einzelne,  wie  Oefterreich,  Schweden,  haben 
ihr  eigene  Gebäude  gewidmet,  andere  haben  fie  mitten  unter  anderen  Produkten 
des  Landes,  zerftreut  und  vereinfamt  gebracht,  viele  haben  fie  als  glänzenden 
Schmuck  verwendet,  und  manche  haben  fie  nur  hie  und  da,  im  Dienfte  anderwei- 
tiger Induftrie  des  Landes,  auf  Kleidern,  auf  Einrichtungsgegenftänden  und  ähn- 
lichen Dingen  ausgeftellt,  wo  fie  je  nach  Werth  und  Unwerth  eine  hervorra- 
gende oder  eine  dürftige  Rolle  spielte. 

Unter  den  Ländern,  welche  der  Frauenarbeit  den  geringften  Platz  einräum- 
ten, ift  vor  allem  Nordameri<ka  zu  nennen,  wo  fich  von  Frauenhand  nichts 
vorfand  als  ein  reizender  Straufs  von  Blumen,  aus  Wachs  geformt,  von  Dornro- 
fen,    Lilien,   wilden  Weinranken   und  dergleichen,   von  naturgetreuen,   in  F'orm 


184 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Lanipadaire,  von  Suffe  fr&res  in  Paris. 


und  Farbe  tadellofen  Blüthen  und  Blättern,  die 
nur  in  der  Zufammenftellung  leider  verfehlt  waren, 
und  ein  Bouquet  von  natürlichen  Blumen,  denen 
der  Farbftoff  auf  chemifchem  Wege  genommen 
war,  fo  dafs  die  Pflanzenfafer  wie  ein  feines 
Spitzengewebe  erfchien ,  eine  Art  Mumificirung, 
die  von  Frauenhand  ausgeführt,  vielleicht  von 
Frauenkopf  ersonnen,  einen  doppelt  traurigen 
Effect  abgab. 

Reizender  als  mit  diefem  letztgenannten 
Produkte  zeigte  fich  die  Frauenarbeit  in  Süd- 
amerika, wo  fie  zwar  auch  gering  vertreten 
war,  dafür  aber  einige  köflliche  Specialitäten 
brachte.  Für's  Erfte  waren  da  die  Fächer  aus 
Federn,  von  den  Fräulein  Natte  aus  Rio  Janeiro 
ausgefeilt.  Nach  der  Ausfage  diefer  Damen 
haben'  fie  vor  zwölf  Jahren  die  glänzende  Erfin- 
dung gemacht,  Fächer  aus  gebogenen  Federn 
zufammenzuftellen,  fie  mit  Bluriien  aus  gleichem 
Materiale,  mit  kleinen  Vögeln,  blitzenden  Koli- 
bris in  allen  Farben,  mit  Käfern  in  metallifch 
leuchtenden  Flügeldecken  zu  fchmücken  und 
damit  einen  -in  feiner  reizenden  Ausführung  ganz 
neuen  Handelsartikel  zu  fchafifen.  In  dem  AteUer 
der  Damen  Natte  find  nur  Frauen  befchäftigt, 
welche  die  äufserfl:  gefchmackvoUe  Arbeit  üben, 
die  Zufammenftellung  der  Fächer  in  ihren  ein- 
zelnen Beftandtheilen  anordnen,  fowie  die  Feder- 
blumen, von  denen  prachtvolle,  glühende  Zweige 
vorlagen,  und  den  Damenfchmuck  aus  Käfer- 
flügeln, in  feinen  Golddrath  gefafst,  zeichnen,  und 
bis  auf  wenige  Handgriffe  vollenden.  Ein  gan- 
zer Schrank  war  mit  den  reizenden  Objekten 
gefüllt,  mit  braungrünen,  goldig  leuchtenden 
Blüthenranken ,  mit  Fächern  in  allen  Farben, 
vom  fchneeigen  Weifs  bis  zum  glühenden,  pur- 
purnen Roth.  In  jedem  Fächer,  deffen  rund 
geftellte  Federn  ihre  Spitzen  fanft  nach  innen 
bogen,  fafs  ein  Vöglein  mitten  in  dem  weichen 
Flaum  und  lugte  hervor,  oder  zitterte  ein  Blü- 
thenfträufschen,  das  fich  ftets  durch  dunklere 
Farbe  von  dem  Rahmen  abhob.  Es  ift  hier  be- 
fonders  zu  betonen,  dafs  alle  die  Federn  unge- 
künftelt ,  ohne  fremde  Farbe,  ohne  Zuthat  ver- 
wendet waren,    und    dafs    die   volle  Schönheit 


DIE  FRAUENARBEIT. 


185 


Vifitenkartcnfchale,  nach  Entwurf  von  j.  Storck  ausgeführt  von  A.  Klein  in   Wien. 


der  Arbeit  in  dem  feinfühlenden  Gefchmacke  lag,  der  das  von  der  Natur  fo 
reich  gebotene  Material  in  tadellofer  Weife  zu  wählen  und  zufanimcnzufügen 
verfteht.  —  Weniger  glücklich  erfunden  präfentirten  fich  unter  den  Blumen- 
zvveigen,  dem  blitzenden  Käfervolk,  den  blauen  glänzenden  Faltern,  die  nebfl 
den  Fächern  den  Schrank  füllten,  einige  tropifche  Landschaften,  Palmen,  Hüfche 
und  dergleichen,  aus  Federn  gemacht,  eine  kleinliche  Verirrung  des  Gefchmackes, 
welche  zum  Glücke  nur  in  wenigen  verfchwindenden  Producten  vorhanden  war. 
Abfeits  von  diefer  Ausftellung  war  eine  andere  Specialität  der  Frauenarbeit 
zu  finden,  eine  Spitzenarbeit,  welche  Ruffino  d'Almeida  aus  Baja  eingefandt. 
Es  waren  das  Tafchentücher  aus  Batift,  in  welche  durch  das  Ausziehen  der 
Stofffäden  und  durch  das  Vernähen  derfelbcn,  breite,  durchfichtige  Bordüren  ge- 
fügt waren.  Diefe  Arbeit,  welche  in  Brafilien  von  den  Damen  und  den  Nege- 
rinnen in  aufserordentlich  kunflfertiger  Weife  geübt  wird,  ift  in  allert  Hausindu- 
ftricarbeiten  der  europäifchcn  Frauen,  in  den  Leinengevvändern  der  Orientalinnen, 
überall  wo  mühfame  Technik  geübt  vvird,  als  Randverzierung  zu  finden.  Nur 
anderes  Material  wird  in  allen  anderen  Ländern  zu  dem  durchfichtigen  Saume 
verwendet,  und  in  fo  zarter,  fragiler  Art  hatte  ihn,  aufser  Brafilien,  nur  noch  ein 
Land,  nämlich  Indien,  gebracht.  Es  ift  zu  beklagen,  dafs  bei  der  grofsen  Mühe, 
mit  welcher  folche  Arbeit  gefciiaffen  wird,  die  Zeichnung  der  Bordüren  hier  faft 


186  DIE  FRAUENARBEIT. 


durchwegs  häfsliche,  naturaliftifche  Blumengewinde  und  ähnliche  Darftellungen 
brachte,  welche  den  gefammten  Effect  verdarben.  — ■  Einige  Goldftickereien,  das 
brafilianifche  Banner,  von  dem  Haufe  der  .Findlinge  zu  Fcrnambuco  ausgeftellt, 
und  mehrere  Erfindungen  und  Arbeiten  von  Dilettantinnen  waren  theils  unfchön, 
theils  unbedeutend,  und  zogen  wenig  Beachtung  auf  fich.  —  Sehr  zu  bedauern 
ift,  dafs  Amerika  nichts  von  den  weiblichen  Hausinduftriearbeiten  feiner  wilden 
und  halbwilden  Volksftämme  brachte;  es  hätten  diefe  Dinge  gewifs  ein  inter- 
effantes  Material  zu  vergleichenden  Studien  gegeben,  wie  es  aus  Afien  und 
Afrika  zur  Ausftellung  gelangt  war,  wo  es  ficher  zu  den  fchwungvollften,  reizend- 
ften  Erfcheinungen  gehörte,  welche  in  den  glänzenden  Hallen  des  Induftriepala- 
ftes  das  Auge  des  Befchauers  feffelten. 

England  hatte  ebenfo  wie  Amerika  nur  eine  unbedeutende  Zahl  von  Frauen- 
arbeiten ausgestellt.  Als  vielgepriefenes  Ausftellungsobject  erfchienen  die  Irländer 
Spitzen,  von  denen  eine  reiche  Collection  von  George  Smith  ausgeftellt  und  von 
einer  Gefellfchaft  zur  Unterftützung  der  hilfsbedürftigen  Landbevölkerung  ge- 
fammelt  und  eingefandt  war.  Diefe  Spitzen ,  welche  von  ganz  jungen  Mädchen 
zum  Verkaufe  gearbeitet  werden,  erfchienen  in  reizenden  Zeichnungen  und  von 
vortrefflicher  Technik,  namentlich  waren  ornamentale  Bordüren  von  tadellofer 
Erfindung  unter  den  Hunderten  von  Deffms,  die  da  vorlagen. 

Nebft  diefen  Spitzen  hatte  England  nur  einige  Kunftftickereien  und  eine  Tam- 
bourarbeit gebracht.  Unter  den  erfteren  präfentirte  fich  in  höchft  auffallender 
und  grotesker  Weife  ein  Wandfchirm,  von  Lady  Carrington  gearbeitet,  welcher 
auf  weifsseidenem  Untergrunde  ein  Ornament  in  bunter,  lofer  Häkelarbeit  zeigte, 
welche  letztere  mit  Seidenbdrden  eingefafst,  und  hie  und  da  durch  Stickerei  er- 
gänzt war.  Die  Idee  war  nicht  unglücklich  gefafst;  es  liefse  fich  mit  folcher 
Technik  ganz  Reizendes  zufammenfügen ;  leider  war  hier  die  Zeichnung  eben 
nicht  von  eminenter  Schönheit,  und  die  Ausführung,  namenthch  in  den  Contou- 
ren,  nicht  präcis  genug,  um  den  Eindruck,  welchen  die  Arbeit  machte,  nicht  in 
ungünftiger  Weife  zu  beeinträchtigen.  Weit  tadellofer  in  der  Ausführung,  weit 
zweckmäfsiger  zeigte  fich  die  vorerwähnte  Tambourarbeit,  welche  auf  einem 
fchweren,  fchafwollenen  Möbelftoffe  als  bunte  Guirlande  in  Streifen  niederlief. 
Die  Arbeit  war  ebenfalls  in  Wolle  durchgeführt  und  fah  durch  glückliche  Far- 
benwahl, durch  Einfachheit  des  Deffins  elegant  und  anmuthig  aus  und  wies  in 
glänzender  Weife  nach,  wie  günftig  fich  die  einfache  Technik  des  Kettenftiches 
zu  folchem  decorativen  Zwecke  verwenden  läfst. 

In  gleicher  Weife  hatte  Spanien  diefelbe  Arbeit  auf  Portieren  als  Schmuck 
gebracht.  Es  waren  das  Vorhänge  von  fchwerem  bunten  Schafwollgewebe,  mit 
dicken  Klöppelfranfen ,  in  den  hellen  Farben  des  Südens  prangend,  Bordüre  an 
Bordüre  gereiht,  in  welchen  reizende  Arabesken  erfchienen ;  zwifchen  diefen  ge- 
webten Bordüren  war  hie  und  da  ein  matter  Streifen  deffinlos  geblieben,  und 
hier  war  dann  mit  groben  Tambourftichen  in  dicker  Wolle  eine  Reihe  von  ftili- 
ftifchen  Ornamenten,  von  Blüthen,  Vögeln  und  anderem  Zierath  angebracht,  der 
durch  Zeichnung,  Farbenwahl  und  Technik  einen  glänzenden  Effect  erzielte.  Der 
fo  verwendete  Schmuck  fprang,  mitten  in  den  glühenden  Farben  des  Stoffes, 
nicht  in's  Auge,  fondern  brachte  im  Gegentheile  Ruhe  in   das  bunte  Gewimmel, 


DIE  FRAUENARBEIT. 


187 


Stickereien  eines  Seffels,  entworfen  von  Lieb,  ausgeführt  von  Giani  in  Wien. 


M« 


188 


DIE  FRAUENARBEIT. 


er  liefs  fich  finden  und  entdecken,  und  feffelte  dann  durch  die  Eleganz,   welche 
er  der  ganzen  Decoration  verlieh. 

Zwifchen  diefcn  Portieren  hindurch  führte  der  Weg  zu  der  Menge  der  Aus- 
ftcllungsobjecte,  welche  Spanien  gebracht  hatte,  und  unter  denen  hie  und  da, 
mitten  unter  den  Werken  der  Männer,  oft  in  abfonderlicher  Zufammenftellung 
die  verfchiedenartigen  Arbeiten  von  Frauenhand  zu  finden  waren.  Darunter 
zeigte  fich  wohl  wenig  hervorragend  Gutes,  wenig,  das  die  Aufmerkfamkcit 
dauernd  zu  feffeln  vermochte.  —   „A  Santa  Cecilia,  erftes  Etabliffement  Spaniens 


Einbände  in  Leder-Mofaik  und  Ilandvergoldung  von  Wunder   &  Kölbl  in  Wien. 


für  alle  Arten  von  Stickereien  in  Seide  und  Wolle"  war  über  einem  Schranke 
zu  lefen,  der  eine  bunte  Reihe  von  gefticktcn  Bildern,  Zeichen-  und  Lithogra- 
phie-Imitationen, Gobelinflickereien,  Perlflicharbeitcn  und  dergleichen  enthielt.  In 
der  Technik  war  da  meifl;  nur  Tadcllofes  zu  fehen.  Zweck  und  Ziel  der  Arbei- 
ten waren  faft  durchfchnittlich  verfehlt,  wie  diefs  bei  Imitationen  von  Kunftwerkcn 
in  Farbe  und  Blei,  bei  mit  Perlllich  geflickten  Gcfichtern,  und  ähnlichen  Verir- 
rungen  des  Gefchmackes  nicht  anders  möglich  ifl,  von  einem  Schwerfleine  nicht 
zu  reden,  den  eine  plaflifchc  Landfchaft  aus  Schafwolle  und  Seide  zierte,  von 
anderem  altem  Spielzeug,  wie  es  die  Frauen  in  kindifch  verwendeter  Mufsczeit  in 
allen  europäifchen  Ländern  zu  unbekanntem  Zwecke  fchafTen,  und  das  hier  mit- 
ten unter  den  Arbeiten  mühevoller  Technik  prangte.  Die  Zeichnung  diefer  letz- 
teren war  meifl  gut,  die  Durchführung  präcis,  und  beide  hätten,  in  anderer 
Weife  verwendet,  unfehlbar  Glück  gemacht.  Es  ifl  das  überhaupt  eine  betrü- 
bende Thatfache,    welche  auf  der  Ausftellung  aller  europäifchen  Länder    mehr 


DIE  FRAUENARBEIT. 


189 


oder  weniger  auffallend  zu  Tage  trat, 
dafs  die  Frauen,  mit  einer  ganz  merk- 
würdigen Kunftfertigkcit  in  ihrem 
Fache  ausgcrüftet,  über  Zweck  und 
Anwendbarkeit  derfelben  vollkommen 
im  Unklaren  find.  Was  fich  mit  dem 
glänzenden  Materiale ,  mit  hervorra- 
gend künfllerifcher  oder  gcfchmeidiger 
Technik  erzielen  läfst,  haben  einzelne 
diefer  Frauen  in  eminenter  Weife  ge- 
zeigt; wie  fich  diefes  Material  und 
eben  diefc  Technik  zu  Abfcheulich- 
keiten  zufammcnfügcn  laffen,  haben 
wir  nur  au.s  den  Arbeiten  des  Abend- 
landes, nie  in  denen  des  Morgenlan- 
des gefehen. 

Eine  Arbeit,  deren  Material  von 
vornherein  zu  verdammen  ift,  und 
die  fich  ebenfalls  nur  in  Europa  finden 
läft,  ifl  die  Stickerei  mit  Menfchcn- 
haarcn,  die  kläglichfte  Vcrirrung,  der 
fich  die  Frauenarbeit  fchuldig gemacht. 
Sie  war  auch  in  Spanien  vertreten, 
wo  Marie  C.  Sievert  de  Hoto  eine 
kleine  Sammlung  diefer  mühfeligen, 
gefchmacklofen  Experimente  ausge- 
ftellt  hatte. 

Von  Wcifsftickereien  war  nur 
eine  vorhanden,  ein  Tafchentuch  mit 
reicher  Bordüre,  gut  gearbeitet,  aber 
gänzlich  verfehlt  in  der  Zeichnung 
und  durch  die  Maffe  der  Stickerei, 
welche  auf  dem  feinen  Gewebe  ladete. 
In  folcher  Arbeit,  die  zu  der  mühe- 
vollflen  Technik  gehört,  welche  die 
Hand  der  Frau  mit  Nadel  und  Faden 
übt,  find  überhaupt  äufserft  feiten 
gute  zwcckmäfsige  Zeichnungen  zu 
finden.  Die  Ausllellung  hat  uns,  in 
allen  Ländern,  aus  welchen  die  Weifs- 
ftickerei  vertreten  war,  übjecte  von 
kindifcher  oder  von  unpaffender  Er- 
findung, auf  dem  durchfichtigen  Stoffe 
ausgeführt  gezeigt;  feiten,  dafs  die 
Arbeit  einen   ruhigen,    gewinnenden 


Pradicr's   Phryne,  Bronze  von  Suffe  frites  in  Paris. 


«t 


190 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Effect  hervorbrachte,  und  den  Zweck,  den  feinen  Untergrund  feiner  Structur 
entfprechcnd  zu  fchmücken  und  nicht  blos  aufdringlich  oder  nichtsfagend  zu 
erfcheinen,  erfüllte. 

An  einer  der  Säulen  in  der  Halle,  welche  die  Ausftellung  Spaniens  enthielt 
fland  eine  Coftümfigur,  die  Frau  des  Landes,  in  leider  fehr  modernifirter  Tracht, 
der  keine  Eigenthümlichkeit ,  kein  nationaler  Charakter,  aufser  dem  fchweren 
Metallfchmucke  am  Hälfe  und  in  den  Ohren,  abzufehen  war.  Nur  das  weifse 
Spitzentuch,  das  um  die  Schultern  gefchlungen  lag,  erinnerte  an  die  vielgerühmte, 
vielbefungene  Mantille,  und  diefes  Kleidungsftück  trug  auch  eine  Arbeit  halb- 
vergeffener  Technik  an  fich,  die  durch  Tüll  gezogenen  Fäden,  welche  wir  noch 
hie  und  da  in  den  Schleiern  finden,  welche  unfere  Grofsmütter  trugen.  Derzeit 
ift  diefe  Arbeit  faft  gänzlich  aus  Europa  verfchwunden  und  hat  fich  auf  der  Aus- 
ftellung, aufser  in  Spanien,  nur  in  einigen  reizenden  Muftern,  die  Egypten  brachte, 
vorgefunden.  Draufsen  im  Parke  hatte  fich  Spanien  ein  kleines,  einftöckiges 
Haus  erbaut,  in  deffen  Räumen  es  neben  manchem  alten  Geräthe  wunderbarer 
Art,  neben  Waffen,  Bildern,  Kirchenparamenten ,  neben  Rüftungen;  mit  köftli-» 
chen  Zeichnungen  bedeckt,  neben  Glasmalereien,  alten  Urkunden  und  Büchern 
auch  das  bunte  Ding,  die  Frauenarbeit,  mit  einem  Plätzchen  bedacht  hatte.  Es 
waren  da  mehrere  Schulen  ausgeftellt,  darunter  das  Taubftummen-  und  Blinden- 
inftitut  zu  Madrid,  welches  einige  fehr  hübfche  Leinwebereien,  grobe  Näharbei- 
ten, Weifsftickereien  und  bunte  Tambourarbeiten  brachte,  welche  letztere  auf  der 
Wäfche,  namentlich  auf  Hemden  Verwendung  fanden,  und  dadurch  an  die  Arbei- 
ten der  flavifchen  Hausinduftrie  gemahnten.  Traurig  fahen  neben  diefen  einfachen 
Dingen  die  Luxusexperimente  in  Farbe,  mit  Seide,  Wolle,  Chenille,  Atlas  und 
Blumen  aus,  Reliefarbeiten,  Kiffen  mit  dicken  rothen  Wollblumen,  und  fonftige 
häfsliche  Erfindungen,  neben  denen  eine  in  Zeichnung  und  Ausführung  unedle 
Goldftickerei  prangte. 

Beffer  fahen  fich  die  Arbeiten  des  Lehrerinnenfeminars  zu  Madrid  an,  worun- 
ter jedoch  leider  auch  die  Lithographie-Imitationen  und  die  grellfarbigen  Bunt- 
ftickereien  zu  beklagen  waren,  in  welchen  hie  und  da  die  Matadore  des  Regen- 
bogens  einen  unentfcheidbaren  Streit  um  den  Vorrang  führten. 

Verföhnlich,  ernft,  gewinnend  trat  uns  dagegen  eine  alte,  herrliche  Kunft- 
ftickerei  entgegen,  die  über  einer  der  Thüren  des  Haufes  hing,  ein  Kirchenpara- 
ment  in  Gold  und  Seide  in  längftverblichener  Pracht,  von  der  noch  hie  und  da 
der  glitzernde  Faden  erzählte,  der  in  architektonifcher  Zeichnung  die  Figuren 
umrahmte,  die  eine  über  der  anderen  den  Rand  des  fchweren  Gewandes  zierten. 

Portugal  hatte  aufser  einer  Collection  ziemlich  gewöhnlicher  Klöppelspitzen, 
die  ein  ganz  befcheidenes  Plätzchen  einnahmen,  keine  Arbeit  von  Frauenhand 
ausgestellt.  Ein  Schrank,  der  theils  mit  Kinderfpielzeug,  mit  alterthümlichem,  un- 
förmlichem Holzgcrümpel  naiver  Art,  theils  mit  Thonfigürchen,  Typen  aus  dem 
portugiefifchen  Volke,  gefüllt  war,  zeigte  uns  die  Frauen  in  nationaler  Tracht, 
mit  dem  breitkrämpigen ,  runden  P'ilzhutc,  dem  weifsen,  fchleierartigen  Tuche, 
das  über  den  Rand  des  Hutes  niederfällt,  mit  dem  bunten  Mieder,  dem  weifsen 
Oberhemde,  dem  kleinen  Tüchlein,  um  die  Schultern  gefchlagen,  und  dem  dunk- 
len, faltigen  Rocke,   der  bis  an  die  Knöchel  reicht.     Die  Figürchen,  welche  die 


DIE  FRAUENARBEIT. 


191 


Moltke  in  feinem  Arbeitszimmer  zu  Verfailles,  von  A.  v.  Werner.^) 

Frau  auf  dem  Weg  zum  Markte,  mit  dem  weiten  runden  Korbe  am  Arme  oder  auf 
dem  Kopfe  darflellen  oder  mit  dem  reizenden  Kruge  antiker  Form,  oder  mit 
anderem,  hübfchen  Geräthe,  diefe  Figürchen  geben  uns  zwar  einen  netten  Ein- 
blick in  volksthümliches  Leben,  aber  fie  zeigen  uns  nichts  von  der  Arbeit,  welche 
an  dem  Coftüm  der  Frau  von  ihrer  Hand  herrühren  mag,  nichts  von  Technik  und 
Material ,  nichts  von  den  eigenthümlichen  Erfcheinungen ,  welche  die  weibliche 
Hausindüftrie  jedes  Landes,  fomit  auch  gewifs  die  Pnrtijgals  aufzuweifen  hat. 

In  dem  kleinen,  portugiefifchen  Schulhaufe,  welches  manche  höchft  empfeh- 
lenswerthe  Einrichtung  und  eine  intereffante  Sammlung  von  Lehrmitteln  ent- 
hielt, hatten  zwölf  weibliche  Schulen ,  darunter  acht  Vereins-  und  zwei  Klofter- 


*)  Mit  Erlaubnifs  des  Verlegers  ans  Fechner's  Deutfch-franzöfifchem  Krieg  (Grote'fche  Buchhand- 
lung in  Berlin)  abgedruckt. 


192 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Iphigenia  von  A.   Feuerbacli. 


k 


fchulen  ausgcftellt.  Die  Frauenarbeiten,  welche  diefe  Unterrichtsanftalten  brachten, 
waren  durchfchnittlich  gut;  wenig  oberflächliches  Spielzeug  war  da  zu  finden, 
namentlich  hatte  die  Normalfchule  zu  Liffabon  gut  gearbeitete  Lingerien  und  fehr 
hübfche  Klöppelfpitzen  ausgeftellt.  Die  Volksfchule  zu  St.  Engraine  brachte 
neben  anderen  Arbeiten  einen  Straufs  von  Blumen,  aus  Seidenfaden  und  Silber- 
draht gemacht,  eine  Decorationsarbeit,  welche  wir,  aufser  hier,  nur  im  öfterrei- 
chifchen  Pavillon  für  Frauenarbeiten  von  der  Mand  einer  Dilettantin  ausgeführt 
fanden,  wo  wir  das  reizende,  fchwankende  Bouquet  jedenfalls  mit  mehr  Freuden 
begrüfsten,  als  hier,  wo  folche,  entfchiedene  Luxusarbeit   aus    den  Räumen    der 


.if 


194 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Volksfchule,  der  erften  Unterrichtsanftalt  des  ungefchulten  Kindes,  zur  Ausftel- 
lung  gelangte. 

Frankreich  hatte  wenige  Arbeiten  weiblicher  Schulen  exponirt;  es  waren 
da  fehr  hübfche  Klöppelfpitzen,  worunter  eine  mit  400  Klöppeln  angefertigt  war, 
eine  Arbeit,  welche  die  unter  der  Leitung  der  soeurs  de  la  providence  ftehende 
Arbeitsfchule  aus  der  Stadt  Bayeux  eingefandt  hatte.  Eine  bunte  Mifchung  von 
Arbeiten,  Blumen,  Stickereien  in  Weifs  und  in  Farben,  von  Näharbeiten  aller 
Art,  von  Malereien  auf  Glas  und  Porzellan,  von  Zeichnungen  u.  f.  w.,  hatten  die 
katholifchen  gewerblichen  Schulen  aus  Paris  exponirt,  deren  derzeit  22  beftehen, 
und  zwar  12  weltliche  und  10  Klofterfchulen ,  in  welchen  1200  Schülerinnen  un- 
terrichtet werden.  Der  Zweck  diefer  Schulen  ift,  den  Mädchen  eine  allgemeine, 
wiffenfchaftliche  Bildung  zu  gewähren  und  fie  in  irgend  einem  gewerblich  tech- 
nifchen  Fache  zu  unterweifen.  Zu  letzterem  Zwecke  find  befondere  Curfe  ein- 
gerichtet, welche  die  Handelswiffenfchaften,  das  Zeichnen,  das  Malen  auf  Email, 
auf  Porzellan  und  auf  verfchiedenerlei,  gewebten  Stoffen,  das  Holzfehneiden,  das 
Notenftechen,  das  Coloriren,  das  Gold-  und  Silberpoliren,  die  Blumenfabrikation, 
und  alle  Arten  von  Frauenarbeiten  begreifen.  Leider  waren  die  eingefandten 
Arbeitsproben  nicht  gür.ftig  ausgeftellt,  fo  dafs  es  fchwer  hielt,  fich  ein  entfchei- 
dendes  Urtheil  über  ihre  Befchaffenheit  zu  bilden  ,  da  namentlich  den  Frauen- 
arbeiten und  den  Blumen  die  Reife  und  ihre  Fährlichkeiten  deutlich  anzuse- 
hen waren. 

Viel  köftlicher  zeigte  fich  die  Frauenarbeit  in  anderen  Abtheilungen  der  fran- 
zöfifchen  Ausflellung,  als  Beigabe,  als  Schmuck,  als  glücklicher  Gedanke,  der 
da  und  dort  auf  Gegenftänden  anderweitiger  Induftrie,  auf  Geweben,  Einrich- 
tungsflücken ,  auf  Wohnungsgeräthen,  auf  Kleidern,  und  dergleichen  zu  Tage 
trat.  Die  Franzofen  haben  beffer  und  klarer  als  die  meiften  anderen  europäi- 
fchen  Völker  dargethan,  was  fich  mit  Hülfe  der  Frauenarbeit  erzielen  läfst,  wie 
fie  namentlich  zu  decorativen  Zwecken  zu  verwenden  ift,  und  haben  gezeigt,  wie 
diefelbe  mit  voller  Wahrung  des  abendländifchen  Charakters,  ohne  Benützung 
der  allgewinnenden  orientalifchen  Motive  und  Farbenpracht,  durch  fchwunghafte 
Zeichnung,  durch  richtige  Anwendung,  durch  glückliche  Erfindung  in  Form  und 
Technik  einen  eminenten  Effect  hervorbringen  kann. 

Zu  dem  beften  diefer  Art  zählten  die  Fenfterdraperien,  die  Portieren,  die  Sto- 
res, von  denen  in  den  Ausftellungen  der  Wohnungseinrichtungen,  wie  durch  Zu- 
fall angebracht,  und  unter  den  Expofitionsgegenftänden  einzelner  Firmen  rei- 
zende Dinge  zu  finden  waren.  Von  Vorhängen  hatte  die  Firma  Meunier  &Co. 
eine  glänzende  Erfindung  vorgeführt,  Draperien  aus  locker  gewebtem  Leinenftoffe, 
wie  wir  ihn  an  den  Oberhemden  der  Orientalinnen  fanden,  und  an  diefen  Stoff 
fpannenbreite  Bordüren  gefügt,  die  aus  breiten  und  fchmalen  Bändchen  mit  dem 
Guipureftiche  zufammengefetzt  und  verbunden,  eine  fchwungvolle,  in  grofsen  Zü- 
gen entworfene  Zeichnung  hervorbrachten.  In  Weifs  und  in  Drapfarbe  waren  diefe 
Vorhänge  gearbeitet,  die  als  Mufter  decorativer  Frauenarbeit  gelten  können.  Von 
ebenfo  reizendem  Effecte  find  die  Stores  in  Tüllapplication,  die  Vorhänge,  welche 
als  Lichtdämpfer,  als  Schutz  gegen  Infecten  vor  das  Fenfter  gefpannt  werden, 
und  die    auf   durchfichtigem   Untergrunde    köftliche  Zeichnungen    in    dichterem 


DIE  FRAUENARBEIT. 


195 


Stoffe-,  der  mit  dem  Kettenftiche  durchzogen  und  eingerahmt  ift,  aufweilcn.  Da 
waren  Stores  in  bunter  Farbe,  mit  pompejanifchen  Deffins,  von  heiterer,  anmu- 
thiger  Wirkung,  andere  VVeifs  in  Weifs,  und  noch  andere,  in  welchen  die  Zeich- 
nung drapfarbig  auf  weifsem  Untergrunde  erfchien,  und  in  denen  ganz  naturali- 
ftifche  Motive  durch  die  Grazie,  die  Kühnheit  der  Zeichnung  und  durch  die  Ele- 
ganz des  matten  Farbentons  eine  feffelnde  Wirkung  hervorbrachten.  Vögel, 
Blumen,  Ranken  wimmelten  da  durcheinander,  Schilfgras,  Waffer,  felbft  einige 
Wolkencontouren  waren  flüchtig  in  den  Schleier  des  Untergrundes  gezeich- 
net, alles  fo  leicht,  fo  graziös,  als  wäre  es  in  der  Secunde  entflanden,  nicht  die 
Spur  der  laftenden  Hand,  die  daran  gefchaffen,  war  da  in  dem  Bilde  zu  fehen, 
das  auf  dem  durchfichtigen  Untergrunde,  wie  in  Luft  und  Licht  hinein  gezau- 
bert erfchien. 

Von  anderer  Art,  aber  ebenfo  gewinnend  durch  die  Schönheit  der  Technik, 
durch  Farbenvvahl  und  durch  Zeichnung  waren  die  verfchicdenen  Portieren,  die 
in  Sammt,  Seide  und  Schafwolle  die  reizendflen  Verzierungen  brachten.  Da 
waren  Deffms  in  feinen  Seidenbörtchen,  in  Stickerei  und  Tambourarbeit  auf  At- 
las ausgeführt,  Lificren  und  Arabesken  in  kühlen,  fanften  Farben,  durch  die  hier 
und  da  ein  goldener  Faden  blitzte;  da  waren  breite,  glühendrothe  Stoffbordüren 
an  dunkle  Vorhänge  gefügt,  und  in  dem  prunkenden  Stoff  Figuren  in  Seide  und 
Sammt  ausgeführt,  in  reicher  griechifcher  Formenfchönheit ,  Amoretten  und  Ge- 
nien zwifchen  Blumen-  und  Fruchtgewinden,  Arabesken  und  Ranken,  alles  fo 
warm,  fo  ftimmend  in  Farbe  und  Ausführung,  dafs  man  über  dem  behaglichen 
Eindrucke  den  Prunk  und  die  Pracht  der  Erfcheinung  vergafs.  An  anderer  Stelle 
waren  in  Schafwollftoffc,  in  Rips,  fchmalc  Blumenränder  mit  farbiger  Wolle  tam- 
bourirt,  eine  anfpruchslofe  Verzierung,  in  leicht  durchführbarer  Technik,  und 
doch  ganz  einzig  im  Effect.  Die  Franfen  ftimmten  in  Farbe  und  Licht  mit  dem 
Dcffm,  der  Untergrund  war  fo  matt,  dafs  jedes  Blättchen  darauf  zur  Bedeutung 
kam,  die  Zeichnung  war  fo  fchlank,  fo  leicht,  fo  flüchtig,  dafs  jedes  Blumenköpf- 
chen, jedes  Blatt,  jeder  Halm  aufwärts  zu  ftreben  fehlen,  und  fich  dadurch,  ohne 
aufdringlich  zu  fein,  wie  eine  nothwendige  Zier  ergab,  die  da  am  Rande  Platz 
finden  mufstc,  um  dem  unfcheinbaren  Untergrunde  Reiz  und  Anfehen  zu  geben. 
Solcher  Schmuck,  von  Frauenhand  ausgeführt,  läfst  fich  in  jedem  Gemache  in 
glücklicher  Verwendung  denken,  da  er  durch  einfache  Schönheit  mit  jeder  Um- 
gebung ftimmt. 

Schwerer  durchführbar  als  diefe  Decorationsarbeiten ,  von  künftlerifchem 
Werthe  in  Technik  und  Zufammenftellung ,  zeigten  fich  die  Stickereien,  welche 
Frankreich  auf  Kleiderftoffen  und  auf  Kirchenparamenten  ausgeftellt  hat.  J.  A. 
Henry  aus  Lyon  hatte  darin  Unübertreffliches  gebracht,  in  Wahl  des  Colorits,  in 
ernfter  Pracht,  in  reizenden  Motiven;  desgleichen  hatten  Tafsinari  und  Cha- 
tcl  Stickereien  auf  braunem  Sammt  und  auf  lichtblauer  Seide  ausgeftellt,  von 
denen  die  erfleren  durch  warme  Farbenfchönheit,  die  letzteren  durch  ganz  unbe- 
fchreibliche  Zartheit  ausgezeichnet  erfchienen.  Wunderbar  fchön  zeigten  fich 
mannigfache  Stickereien  in  Seide  und  Atlas  auf  Kleiderfloffen  ausgeführt,  darunter 
Blumen  von  fchimmernder  Schönheit,  Blüthenranken,  bemoofte  Baumzweige, 
Knospen  in  fchwarzem  Seidenftoffe,   mit   filbernen  Fäden   durchzogen,   alles  mit 


«• 


196 


DIE  FRAUENARBEIT. 


reicher  Pracht  in  den  Linien,  in  der  Zeichnung,  im  Materiale  ausgeflattet.  Auf 
einem  weifsen  Atlasfloffe,  der  mit  Rofenzweigen  überfchüttct  war,  waren  unten, 
am  uiivullcndeten  Ende,  die  Zeichnungen  zu  fehen;  in  wenigen  fchwarzen  Stri- 
chen lag  die  Pracht  und  Schönheit  angedeutet,  die  weiter  oben  Blume  um  Blume 
in  üppiger  Fülle  zeigte.  Diefe  Arbeiten  waren  alle  mit  ganz  merkwürdigem  Ta- 
lente angelegt  und    ausgeführt,    kein  Zuviel    und   kein  Zuwenig   war    da   zu  ent- 


f 


Poftameiilofcn,  bunl   in  l'.irbc  cinychrannt, 
von  Bernhard  Erndt  in  Wien. 


Ofen,  von  Bernhard  Erndt  in  Wien,  in  drei  Farben, 
Grund  dunkelbraun,  Ornamente  gelb  und  grün. 


decken,  und  jede  einzelne  Blüthc,  jede  einzelne  Ranke   lag  wie  nach  einem  un- 
verbrüchlichen Gefetze  an  ihrem  Platze. 

Von  Dilettantenarbeiten  haben  wir  in  Frankreich  nur  eine  einzige  entdeckt, 
eine  Chenilleftickerei,  welche  fich  ,,broderie  au  passe"  betitelte,  und  die  an  manche 
Arbeit  gemahnte,  die  wir  wirklich  vor  längftvergangener  Zeit  gearbeitet  gefehen, 
und  von  der  wir  Einzelnes,  ganz  Vortreffliches,  namentlich  in  der  dänifchen 
Ausftellung  wiederfinden  werden.  Die  vorliegende  Stickerei  ftellte  einen  Kakadu 
zwifchen  langfchaftigen  Blättern  fitzend  dar,  und  war  von  Madame  Marie  Bigot 


DIE  FRAUENARBEIT. 


197 


fchr  gut  ausgeführt.  Weniger  glücklich  als  alle  die  vorgenannten  Arbeiten 
prafcntirten  fich  einzelne  Erfindungen,  von  Frauenhand  gefchaflfen  und  von 
kleinen  Firmen  ausgeftellt,  darunter  ein  l'olflcr  aus  Federn,  ein  abfcheuliches, 
blaues  Ding,  und  manches  Geräthe  und  mancher  Beftandtheil  der  Kindertoilette, 


Eiferne  Tifchplatte  von  E.  G.  Zimmermann  in  Hanau. 


jenes  Zweiges,  in  welchem  die  weibliche  Phantafie  die  merkwürdigften  Abnor- 
mitäten fchafft.  Geflickte  Kleidchen  von  unbeftimmbarer  Form ,  Schuhe  mit 
einer  Laft  von  Schmuck  aller  Art  und  aller  Qualität  darauf,  und  ähnliche,  kin- 
difche  Dinge. 

Glänzend  zeigte  fich  Frankreich  in  zwei  Arbeiten  von  F'rauenhand,  die  als 
allbekannte  Induflriezweige  in  den  europäifchen  Ländern  ihren  Weg  auf  den 
Weltmarkt  hinaus  gefunden  haben,  und  wegen  der  Art  der  Production,  der  fa- 
brikmäfsigen  Erzeugung,    wohl    nur  andeutungswcife  ihren  Platz   in  diefem  Be- 


198  DIE  FRAUENARBEIT. 


richte  finden  dürfen.  Es  find  diefs  die  Blumen  und  Spitzen,  die  in  wunderherr- 
liclicr,  klarer  Schönheit  auf  der  franzöfifchen  Ausflellung  erfchienen.  Anmuthig 
in  Zeichnung  und  Material,  von  gewinnender  Pracht  waren  die  fchleierartigen  Ge- 
webe, die  da  als  Kleider,  als  Toilettefchmuck ,  als  Ränder  und  Kanten  ausge- 
ftellt  waren;  aber  noch  überrafchendcr,  noch  glänzender  in  ihrer  Art  zeigte  fich 
die  Fülle  von  Blumen,  die  fo  ausfahen,  als  wären  fie  alle  von  derfelben,  unfehl- 
baren Künfllerhand  gefchaffen.  Es  war  da  ein  grofser  Schrank,  der  eine  ganze 
Blumenwelt,  ihr  Entflehen,  ihr  Erblühen,  ihr  Welken  und  Vergehen  fafste,  mit 
einer  Naturwahrheit,  mit  einer  Grazie  dargeflellt,  wie  fie  nur  das  Künftlerauge 
dem  Leben  abzulaufchen  vermag.  Die  Franzöfinnen  haben  ein  ganz  wunderba- 
res Gefchick  in  der  Wahl  des  verfchiedenartigen  Materials,  aus  dem  fie  ihre  Blu- 
men bilden;  der  Stoff,  aus  dem  fie  jede  einzelne  Blume  geftalten,  fcheint  nur 
für  diefe  gefchaffen,  und  dadurch  gewinnt  fo  eine  kunftvoll  erzeugte  Blumenge- 
meinde den  Anflrich  originaler  Wahrheit.  Schwere  Rofen,  Tropenpflanzen,  Wald- 
blüthen ,  Moosköpfchen ,  matte  Frühlingsblümchen  mit  den  fchwanken  Stielen, 
das  bunte  Gelichter  auf  Feld  und  Wiefe,  mit  den  ftcilrechten,  kecken  Köpfchen, 
das  alles  lag  und  fland,  und  blühte  und  prangte,  und  ftarb  da  zwifchcn  Moos, 
Fels,  Gras  und  Baumftämmen,  wie  wir  es  feit  Menfchengedenken  draufsen  über 
der  duftigen  Erde  blühen,  prangen  und  fterben  fehen.  ■' 

Viel  trug,  nicht  zu  dem  Werthe ,  wohl  aber  zu  der  reizenden  Erfcheinung 
aller  der  Arbeiten,  die  wir  hier  befprochen  haben,  das  glückliche  Arrangement 
bei,  das  aufser  in  der  Ausftellung  der  Schularbeiten,  fich  überall  in  der  franzö- 
fifchen Abtheilung  geltend  machte.  Da  war  in  der  Anordnung  der  Blumen,  der 
Spitzen,  der  feidenen,  fchimmcrnden  Stoffe  nichts  Dürftiges,  nichts  Klügelndes, 
das  war  wie  mit  vollen  Händen  gegeben,  und  hatte  dadurch  den  berückenden 
Reiz  überftrömender  Schönheit  an  fich. 

Belgien  hatte  eine  reiche  Ausftellung  von  der  weltberühmten  Frauenarbeit 
des  Landes,  den  herrlichen  Spitzen  gebracht,  worunter  viele  von  märchenhafter 
Schönheit  waren.  Die  „Compagnie  des  Indes"  hatte  prachtvolle  Gewebe  diefer 
Art  ausgeflellt,  Spitzen  und  Toiletten,  die  wie  mit  Blüthen  übcrfchüttet  erfchienen, 
feine  Kanten  in  reizender  Zeichnung,  vieles  davon  ganz  mit  der  Hand  geklöp- 
pelt, manches  mit  Hülfe  der  Mafchine  gearbeitet,  Blumen,  Schmetterlinge,  Ara- 
besken mit  der  Nadel  genäht,  alles  von  wunderbarer  Feinheit,  tadellos  gefügt. 
Wie  viele  Frauenhände  in  Belgien  mit  diefer  echten ,  mühvollen  Frauenarbeit  be- 
fchäftigt  fein  mögen,  läfst  fich  annähcrungsvveife  fchliefsen,  wenn  man  bedenkt, 
dafs  manche  Firma,  wie  die  von  Buchholtz  &  Comp.,  3000  Arbeiterinnen 
und  darüber  zählt. 

Nebfl  diefen  herrlichen  Spitzen  hatte  Belgien  nur  Blumen  gewöhnlicher  Art, 
und  die  Arbeiten  von  Schulen  gebracht.  Die  Ausflellung  der  Elementarfchulen 
Belgiens,  welche  ein  unfcheinbares ,  dürftiges  Plätzchen  einnahm,  zeigte  von 
weiblichen  Handarbeiten  wenig  Bemerkenswerthes,  bis  auf  hübfchc  Strohgeflechte 
und  gute  Knüpfarbeiten,  die  von  Kinderhand  geübt,  in  der  erften  Schule  neben 
den  anderen  Arbeiten  ganz  am  richtigen  Platze  find  und  weitere  Verbreitung 
verdienten.  Arbeiten  vorzüglicher  Art  hatte  das  „Atelier  de  charite"  zu  Belem 
gebracht.     In  diefe,  auf  dem   Schlöffe   Belem   in   Oftflandern  befindliche  Schule 


DIE  FRAUENARBEIT.  199 


werden  junge  Waifcn,  arme  Mädchen  aus  dem  Orte  felbft  und  der  Umgegend 
aufgenommen,  und  in  allen  weiblichen  Handarbeiten,  namentlich  aber  im  Weifs- 
fticken  unterrichtet.  Proben  tler  Leiftungsfahigkeit  der  Schule  lagen  vor,  nieift 
ausgezeichnete  Arbeiten,  namentlich  in  der  Technik  tadellos,  wenn  auch  hie 
und  da  Zweck  und  Ziel  der  Arbeit  nicht  ganz  praktifch  feflgehalten  waren. 
Die  Schule  ift  ein  l'rivatunternehmen,  welches  unter  der  Leitung  Frau  von  Ker- 
chove's  fleht  und  fich  der  beften  Erfolge  erfreuen  foU. 

In  Holland  ging  die  Frauenarbeit  leer  aus;  da  war  nichts  von  dem  bun- 
ten Zeug  zu  fehen ,  aufser  in  einigen  Kleinigkeiten ,  welche  der  im  Haag  befte- 
h  ende  Frauen  verein  „Arbeit  adelt"  eingefandt  hatte,  und  die  in  hübfchen  Spitzen- 
arbeit A,  Frivolitütkrägelchen,  kiinftlichen,  grob  gearbeiteten  Blumen,  und  einer 
Collection  von  winzigen  Figuren,  von  Puppen  in  den  verfchiedenen  Trachten  tles 
Landes,  befland.  Diefe  Arbeiten,  die  Kleider  mit  allem  Schmucke  und  Zierath 
darauf,  wie  ihn  die  weibliche  Hausinduftrie  Hollands  fchafft,  waren  in  den  Schu- 
len des  Vereines  von  Kindern  angefertigt,  welche  dort  nebft  einigen  Arbeiten, 
die  ihnen  zum  Erwerbe  dienen  können,  alle  die  Hefchäftigungen  und  die  Kunft- 
fertigkeiten  üben  lernen,  welche  ihnen  im  täglichen  Leben  von  Nutzen  fmd. 
Der  Verein  befteht  feit  lO — 12  Jahren  und  hat  zahlreiche  Zweigvereine  gegrün- 
det ,  welche  in  allen  gröfseren  Städten  des  Landes  Schulen  zum  Unterrichte  ar- 
mer Kinder  erhalten. 

Einen  kleinen  Erfatz  für  den  Abgang  von  modernen  Frauenarbeiten  hatte  uns 
Holland  in  einzelnen  Objecten  der  reizenden  Ausftellung  vorgeführt,  welche  die 
Producte  feiner  Colonien  begriff.  Zwifchcn  Thee,  Kaffee,  Holzfchnitzereien, 
Thierfellen,  buntem  Zierath  aller  Art,  Waffen,  Gefchnieiden,  Hausgeräthen  und 
anderen  Dingen  lugte  bald  da,  bald  dort  ein  blitzender  Faden,  auf  fchillernder 
Seide  ein  JJlümchen,  ein  kunflvoU  durchbrochenes,  feines  Gewebe  hervor,  das 
uns  die  Spur  der  Frauenhand  erkennen  liefs.  Borneo  und  Java  hatten  Blu- 
men aus  Federn  gebracht,  darunter  manche  reizend  und  gut,  manche  nur  halb 
geglückt.  Borneo  hatte,  aufser  diefen  Blüthchen,  Gold-  und  Silberftickereien  ge- 
zeigt, auf  Sandalenriemen,  auf  Schuhen  in  Leder  und  Sammt.  Meift  waren  es 
Thiere,  die  da  prangten,  ein  Hahn  mit  zwei  Köpfen,  Schmetterlinge,  auch  flili- 
firte  Blumen  in  rothem  oder  goldenem  Felde.  Es  ift  überhaupt  in's  Auge  fal- 
lend, welcher  Gunft  fich  bei  allen  halbcivilifirten  Völkern  die  rothe  Farbe  er- 
freut; fie  kommt  im  Range  nach  dem  Golde,  und  wo  der  leuchtende  Faden 
fehlt,  da  mufs  etwas  von  dem  feurigen  Roth  durchglühen. 

Vom  indifchen  Feftlande  waren  F"lachftickereien  in  Wolle  von  ziemlich  häfs- 
Ucher  Ausführung  zur  Ausftellung  gelangt,  ganz  anders  als  folche  Arbeit  von 
dem  Indien,  das  feine  herrlichen  Schätze  unter  der  Aegide  Englands  zur  Aus- 
ftellung gebracht  hatte,  uns  gewiefen  ward.  Klein  und  unbedeutend  waren  einige 
Blumen,  Perl-  und  Goldftickereien  auf  Pantoffeln,  merkwürdig  und  fchön  dage- 
gen war  die  Bordüre  eines  Tafchentuches  ,  diefelbe  Arbeit  in  Batift,  welche  wir 
in  Brafilien  gefehen,  nur  dafs  hier  die  Zeichnung  viel  reiner  und  von  ftilgerech- 
ter  Schönheit  war. 

Hinter  einem  hohen  Portale,  das  in  einer  vielfarbigen  Draperie,  in  Sammt 
und  Gold  und  Seide  die  Wappenfchilder  aller  Kantone  zeigte,  hatte  die  Schweiz 


200 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Album  in  Leder-Mofaik,  Zeichnung  von  F.  Wunder,  Ausführung  von  Wunder  &  Köllil. 


ihr  Lager  aufgcfchlagen.  Weifs  in  Weifs  fah  dem  Befucher,  der  vom  Induftrie- 
palafte  aus  diefen  Ausftellungsraum  betrat,  die  Frauenarbeit  des  Landes  von 
allen  Wänden,  allen  Tifchen,  allen  Schränken  entgegen,  und  zeigte  durch  den 
Reichthum,  mit  welchem  fie  hier  vertreten  war,  welche  Rolle  ihr  im  Lande  zu- 
gewiefen  ift. 

Rings  an  den  Wänden  hingen  die  Stores  in  TüUapplication,  theils  mit  der 
Hand,  theils  mit  der  Mafchine  ausgeführt,  in  den  Schränken  waren  die  feineren 
Handarbeiten  ausgeflellt,  die  Kleider,  die  Tafchentücher,  die  Garnituren,  alles  mit 
einer  Fülle  von  Stichen,  von  Blumen,  von  Arabesken  bedeckt.  An  einem  der 
Seitentifche  arbeiteten  ftets  tagüber  zwei  Frauen,  welche  durch  ihre  Hantirung 
Einficht  in  die  Technik  und  in  die  Leiftungsfähigkeit  einzelner  Arbeiterinnen 
gewährten.  Nach  der  Ausfage  diefer  Frauen  verdienen  die  Stickerinnen,  bei  bedeu- 
tender Fertigkeit ,  12 — 20  Francs  per  Woche.  Die  Arbeiten  werden  alle  im 
Haufe  gemacht,    wo   die   Kinder,    die  kleinen   fchulpflichtigen  Mädchen  und  die 


DIE  FRAUENARHEIT. 


201 


Store,  entworfen  von  Storck,  ausgefillirl  von  Kaber  &  Oamböck  in  Wit 


202 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Mutter  dabei  thätig  find ,  und  fodann  an  die  Kaufhäufer  geliefert  oder  an  Hau- 
firer  veräufsert,  welche  damit  in  die  Welt  hinaus  wandern. 

Unter  den  vielen  Arbeiten,  welche  da  prangten,  und  von  denen  manche 
von  tadellofer  Schönheit  waren ,  fand  fich  eine  grofse  Zahl,  die  durch  verfehlte 
Zeichnung ,  durch  UeberfüUe  des  Dcffins ,  oder  durch  zu  knappe  Anordnung  in 
Form  und  Schnitt,  trotz  aller  ausgezeichneten  Technik,  keinen  gewinnenden  Ein- 
druck machte.  Die  Anwendung  naturaliftifcher  Motive  ift  in  den  Arbeiten  vor- 
herrfchend,  der  Blumen,  Ranken,  Blätter  mit  ihrem  Gezweige,  des  willkürlichen 
Gewimmels,  das  da,  wo  die  Grazie  dabei  zur  Geltung  kommt,  feinen  unbcftimm- 
baren  Reiz  ftets  behaupten  wird.  Leider  fehlte  aber  hier  nicht  feiten  die  leichte, 
fchwungvoUe  Anlage;  alle  die  Blumen,  die  Knospen,  die  Stengel  und  Blätter 
erfchienen  als  eine  mit  kunftfertiger  Hand  ausgeführte  Maffe  von  Stichen,  die 
zu  einer  Lafl  von  einzelnen  Gewinden  zufammengefügt  waren,  und  viel,  fehr 
viel  Stickerei  auf  einem  möglichft  kleinen  Raum  zufammcngedrängt  zeigten,  und 
nichts  weiter.  Es  gab  hiervon  glänzende  Ausnahmen ,  namentlich  waren  einige 
Tafehentücher  vorhanden,  mit  köfllichen,  ornamentalen  Bordüren. 

Hie  und  da  waren  zvvifchen  diefen  Arbeiten,  zwifchen  den  Kleidern,  den 
Vorhängen,  den  Tüchern,  die  im  glänzendften  Weifs  fchimmerten,  einige  Bunt- 
ftickereien  zu  finden,  wenige  mit  der  Hand,  die  meiden  mit  der  Mafchine  aus- 
geführt, die  in  der  Schweiz  mit  Macht  daran  arbeitet,  für  die  Frauenhand  einzu- 
treten. Neben  den  höchfl  unfchönen  Experimenten  mannigfacher  Art,  von  denen 
das  abfcheulichfte  ein  Lehnftuhl  mit  einem  buntgeftickten  Straufse  war,  den  die 
Mafchine  mit  trübfeliger  Starrheit  in  den  Stoff  gewebt  hatte,  waren  da  grobe 
Tambourarbeiten  auf  Vorhängen  und  Draperien  zu  fehen,  die  mit  der  Mafchine 
ausgeführt,  ganz  vortrefflich  ihren  Zweck  erfüllten,  und  kecke,  grofse  Zeichnun- 
gen aufwiefen,  die  fich  in  voller  Schönheit  von  dem  durchfichtigen  Untergrunde 
abhoben. 

Haararbeiten,  Imitationen  von  Lithographien  waren  neben  der  weltbekann- 
ten weiblichen  Indullriearbeit  des  Landes  zu  fehen.  Die  erfteren  gehörten  zu 
jener  Gattung  von  halb  überlebter  Manipulation,  von  Flechtwerk ,  Kleben, 
Sticken,  Knüpfen,  von  jener  Arbeit,  die  fich  an  die  Darftellung  von  allem  Erdenk- 
lichen und  allem  Sichtbaren  wagt,  von  Blumen,  Bäumen,  Häufern,  Denkmälern 
und  Bildniffen  aller  Art,  und  die  wir  als  eine  verfchrobene  Erfindung  echt  cu- 
ropäifcher  Art  leider  noch  überall,  wo  die  Frauenarbeit  fich  in  allen  Nuancen 
ihrer  Technik  zeigt,  mit  in  den  Kauf  nehmen  muffen. 

Die  Imitationen  von  Lithographien,  welche  wir  hier  von  Marianna  Bren- 
tani-Vigle  gio  ausgeftellt  fanden,  gehörten  zu  den  heften  Arbeiten  diefer  Art, 
die  wir  bedauerlicher  Weife  auf  der  Ausftellung  in  reichem  Mafse  vertreten 
fanden.  Dilettantinnen  und  Firmen,  Kunftftickerinnen,  Klöfter,  Schulen  hatten 
diefe  Arbeit  repräfentirt,  in  welcher  mit  feiner  Florfeide  Strich  um  Strich  die 
Zeichnung  nachgeahmt  wird,  um  mit  namenlofer  Mühe  ein  Bild  zu  fchaffen,  das 
um  ein  Minimum  des  Koftenpreifes  folcher  Arbeit  viel  correcter,  viel  dauerhafter 
in  jeder  Bilder-  oder  Kunfthandlung  zu  erftehen  ift.  Die  Lithographie-Imitation 
ift  eine  jener  Arbeiten,  durch  welche  die  Frauen  klar  beweifen,  wie  gering  viele 
von  ihnen  das  höchfte  Gut  des  denkenden  Menfchen,  die  Zeit,  anfchlagen,  und 


DIE  FRAUENARBEIT.  203 


wie  wenig  fie  im  Stande  find,  das  einfache  Rechenexempel  zu  machen,  das  ihnen 
nachweift,  ob  das  Refultat  ihrer  Arbeit  im  Verhältniffe  zu  der  aufgewendeten 
Mühe  fleht.  Es  fei  hier  noch  einmal  betont,  dafs  die  vorliegende  Stickerei  zu 
den  beflcn  ihrer  Art  zählte;  die  Zeichnung  war  gut  gewählt,  die  Ausführung 
kecker  als  fonft,  die  Stiche  gröfser,  daher  die  Mühe  geringer  und  der  Ein- 
druck nicht  fo  peinlich,  als  durchfchnittlich  der  ift,  den  folche  Arbeiten  auf  den 
vernünftigen  Befchauer  machen. 

In  dem  kleinen  Schweizerhaufe,  im  Parke,  waren  neben  mannigfachen  Holz- 
fchnitzereien  die  Arbeitsproben  vieler  Schulen  ausgeftellt,  worunter  auch  die 
mehrerer  weiblicher  Unterrichtsanftalten  zu  finden  waren.  Einzelne  diefer  Schu- 
len brachten  ein  reiches  Sortiment  der  verfchiedenartigften  Nutzarbeiten,  und 
die  Volksfchule  aus  dem  Aargau  fandte  einen  ausgezeichneten  Lehrplan  für 
den  Unterricht  in  den  weiblichen  Handarbeiten,  welchem  Plane  zufolge  die 
Schülerin  in  einem  fechsjährigen  Lehrgange  mit  allen  Fächern  der  Frauenarbeit, 
infofern  diefelbe  für  das  Haus  und  die  Familie  von  unbedingtem  Nutzen  ift,  voll- 
kommen vertraut  wird,  ohne  die  Zeit  mit  jenen  Lu.xusarbeiten  zu  vergeuden, 
welche  das  Programm  der  mciften  Mädchcnfchulen   bis  zum  Uebermafse    füllen. 

Italien,  das  Land,  welches  durch  das  bunte,  reizende  Gemifch  feiner  Aus- 
ftellungsobjecte,  und  namentlich  durch  feinen  vielfach  angefochtenen  Verfuch, 
die  Kunft  in  bedenklicher  Weife  zu  popularifiren,  die  MafTe  der  Befucher  für 
fich  gewann,  Italien  hatte  auch  der  Frauenarbeit  einen  bedeutenden  Raum  zuge- 
wiefen,  und  dort  rückhaltlos  zur  Anfchauung  gebracht,  was  die  Frauen  des  Lan- 
des für  ausftellungswerth  erachteten. 

Es  war  eine  grofse  Zahl  weiblicher  .Schulen  vertreten,  viele  mit  ausge- 
zeichneten Arbeiten,  viele  mit  Abfonderlichkeiten  merkwürdiger  Art,  die  gewöhn- 
lich in  das  Gebiet  der  Buntftickerei  gehörten,  und  die  auffallendften  Ge- 
fchmacksverirrungen  zeigten.  In  Wcifsftickereien  hatten  das  Stabilimento  delle 
figlie  di  Gesü,  das  Educandato  della  Miseria,  die  Giunta  municipale  zu  Mailand, 
die  Scuola  superiore  zu  Modena,  das  Orfanotrofio  di  Sinigallia  die  prachtvollften 
Arbeiten  ausgeftellt,  von  welchen  wohl  hie  und  da  die  Zeichnung  nicht  ganz  ge- 
lungen, die  Ausführung  aber  tadellos  war.  Von  eben  folcher  Reinheit  und 
Schönheit  zeigten  fich  in  vielen  Schulen  mannigfache  Nutzarbeiten,  namentlich 
Knüpfarbeiten,  von  denen  das  Educandato  della  Miseria  ein  gutes  Sortiment 
brachte,  und  Stopf-  und  Flickarbeiten,  in  welchen  die  Ausftellung  der  ifraeliti- 
fchen  ScHule  zu  Florenz  vor  allen  e.xcellirte.  Sehr  traurig  fah  es  dagegen 
hier,  wie  fchon  oben  erwähnt  wurde,  mit  den  bunten  Luxusarbeiten  aus, 
mit  den  Stickereien  in  Wolle  und  Seide,  von  denen  einzelne  Schulen  Bilder, 
Landfchaften  in  Stramin  gcftickt  und  ähnliche  Spielereien  brachten,  in  welchen, 
abgefehen  von  den  verfehlten  Motiven,  in  Wahl  und  Zufanmienftellung  der  Far- 
ben hie  und  da  unglückliche  Eingebungen  zu  Tage  traten. 

Denfelben  Eindruck,  welcher  den  Gefammtcharakter  der  Ausftellung  man- 
cher Schulen,  trotz  der  guten  Nutzarbeiten,  die  fie  brachten,  als  einen  ungünfti- 
gen  erfcheinen  liefs,  weil  die  lautfprechendften  Objecte,  die  in  allen  Farben 
fchimmernden  Arbeiten,  nicht  nur  häfslich,  fondern  oft  fogar  lächerlich  waren, 
den  gleichen  Eindruck  empfing   der    Befchauer    wieder,    wenn    er   fich  von  den 


204 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Goldftickerei  auf  rülhem  Sammet,  von  Giani  iii  Wien, 
Gefchenk  an  das  (achfifche  Königspaar  zur  goldenen  Hochzeit. 


Schulen  weg  den  Frauenarbeiten  zuwandte,  von  denen  cihe  bedeutende  Zjihl 
hier  vorhanden  war.  Neben  den  köftlichen  Spitzen  aller  Art,  den  geklöppelten 
und  genäliten  Kanten ,  den  Merletti  di  Palestrina ,  den  Venetianer  Guipuren, 
von  denen  ausgezeichnete,  in  Zeichnung  und  Technik  gleich  prachtvolle  Objecte 
vorlagen,  neben  fehr  nachahmungswürdigen  Knüpfarbeiten,  neben  mühfamen, 
vortrefflichen  Weifsftickcreien  aller  Art  zeigte  fich  eine  bunte,  in  allen  Farben 
des  Regenbogens  prangende,  die  Blicke-  der  Befucher  herausfordernde  Galerie 
von  geflickten  Bildern,  Landfchaftcn ,  Genrebildchen ,  Porträts ,  von  Schlachten- 
bildern, von  Lithographie-  nnd  Photographie-Imitationen ,  alles  mit  Nadel  und 
Faden  ausgeführt,  bis  auf  eine  grofse  Zahl  von  Händen,  Armen  und  Gefichtern, 
welche  gemalt    und  in  die  bunte,   geflickte  Garderobe,    welche   das   eigentliche 


Goldflickcei  auf  rothem  Sammet,  von  Giani  in  Wien, 
Gefchenk  an  das  (achfifche  Königspaar  zur  goldenen  Hochzeil. 


DIE  FRAUENARBEIT. 


205 


Bild  ausmachte  und  füllte,  hineingcklcbt  waren.  Es  machte  einen  wirklich 
faft  betäubenden  Eindruck,  wenn  man  diefes  Gemifch  von  Chriftusköpfen ,  Ge- 
lehrten, Monarchen,  von  Kindern  und  Heiligen  da  in  allen  Farben  fchillern 
fah,  ohne  Ziel  und  Zweck  folcher  Arbeit  errathen  7.u  können,  in  welcher  felbft 
die  Schönheit  und  Tadellofigkeit  der  Technik  durch  deren  Verwendung  dem  Be- 
fchauer  verleidet  war. 

Wahrhaft  erquickend  in  diefem  Uebermafs  von  Gefchmacksverirrungen  zeigte 
fich  eine  Arbeit  in  feiner  Leinwand,  eine  Bordüre  nach  Art  der  durchbrochenen, 
mittelft  ausgezogener  Stofffäden  und  kunflvoller  Vernähungen  erzeugten  DefTms, 
welche  wir  in  den  Ausflellungen  der  brafilianifchen  und  der  indifchen  Frauen 
gefehen.  Diefe  von  Clorinda  Nencini  verfertigte  Arbeit  war  in  prachtvoller 
Zeichnung  ausgeführt,  tadellos  fchön  und  rein  in  jeder  Linie,  von  crnftcm,  edlen 
Charakter;   fie   ftand  ganz  würdig  den  Spitzen  zur  Seite,    mit  denen  die  Ausftel- 


206  DIE  FRAUENARBEIT. 


lung  prangte,  und  half  die  mannigfachen  Spielarbeiten  überfehen,  die  hie  und 
da  ihren  Platz  gefunden  hatten,  die  gefchnitzen  Kirfchkerne  ,  die  Blumenflräufse 
aus  Mufcheln  und  ähnliche  veraltete,  halb  vergeffene  Dinge,  die  Ergebniffe  nutz- 
los verbrachter  Mufsezeit. 

Getrennt  von  dem  Ausftellungsraume  der  Schul-  und  Frauenarbeiten,  drü- 
ben im  Induftriepalafte  felbft,  waren  da  und  dort  noch  einzelne  weibliche  Arbei- 
ten zu  finden,  die  fich  von  fehr  verfchiedenem  Werthe  zeigten.  Da  waren  Flach- 
ftickereien  von  eminenter  Technik,  figürliche  Darftellungen  von  Angela  Span- 
dari  ausgeftellt;  wenige  Schritte  weiter  war  eine  klägliche  Ilaararbeit  zu  fehen, 
ein  Landfchaftsbild ,  das  durch  mehrfaches  Beftreichen  des  Papieres  mit  Gummi 
oder  einem  ähnlichen  Klebeftoff,  und  durch  Beftreuen  der  angefeuchteten  Stellen 
mit  feingefchnittenen  Haarendchen  zu  Stande  gebracht  wird.  Die  Ausftellerin 
des  confufen,  wirren  Dinges,  das  fich  in  widerftrebendcr  Häfslichkeit  als  Land- 
fchaftsbild präfentirte,  wies  eine  Medaille  auf,  welche  fie  auf  der  Weltausftellung 
zu  London  für  diefe  Gefchmacksabnormität  erworben  hatte.  Aehnlich  in  Erfin- 
dung und  ähnlich  in  Häfslichkeit  zeigte  fich  eine  Gefellfchaft  von  Vögeln  aus 
Schafwolle  gemacht ,  kleine  borftige  Geftalten ,  die  einen  ganzen  Schrank  von 
oben  bis  unten  füllten,  und  durch  ihre  traurige  Erfelieinung  nur  von  der  Mühe 
und  Plage  erzählten,  die  fie  gekoftet  hatten.  Glänzend  fahen  dagegen  die  Ar- 
beiten des  Albergo  dei  Poveri  zu  Genua,  die  Weifsftickereien  von  Paolina 
Carnaghi,  die  geklöppelten  Spitzen  von  Domenica  Zennoro  aus. 

Italien  hat  klarer  als  manches  andere  Land  gezeigt,  welche  Gebiete  die 
Frauenarbeit  berühren  darf  und  welche  nicht;  es  hat  die  Arbeiten  guter  P>fin-. 
düng  und  guter  Technik  neben  die  kindifchen  Experimente  von  P'rauenhand  ge- 
ftellt,  und  hat  dadurch  erfichtlich  gemacht,  von  welchem  Reiz  und  welchem 
Werth  die  einen,  von  welcher  traurigen,  von  welcher  lächerlichen  Erfcheinung 
die  anderen  find.  Leider  ift  dies  letztere  den  Frauen  felbft  noch  lange  nicht 
klar,  und  die  Ausrufe  des  Entzückens,  mit  welchen  die  Befucherinnen  der  italie- 
nifchen  Ausftellung  die  geftickten  Modebilder  für  herrliche  Gemälde  erklärten, 
machten  faft  einen  ebenfo  betrübenden  Eindruck  wie  die  Arbeiten  felbft. 

Aehnliche  Verirrungen,  wie  wir  fie  in  Italien  gefunden,  wies  die  Ausftellung 
des  deutfchen  Reiches  auf;  nur  war  hier  mit  gröberen  Mitteln,  mit  derbe- 
rem Material,  mit  viel  ungefchlachterer  Technik  gefündigt,  und  dadurch  der 
Effect  ungleich  grotesker  als  dort.  Unter  den  Frauenarbeiten ,  welche  Deutfch- 
land  gebracht  hatte,  waren  wenige  von  Dilettantinnen  ausgeftellt,  fondern  mcift 
von  Firmen,  die  in  hohen  Schränken  eine  bunt  durcheinander  gewürfelte,  ftolze 
Prachtausgabe  moderner  Gefchmacksverirrungen  darboten.  Da  waren  die  dicken 
Wollblumen  in  allen  Farben  und  allen  Gröfsen,  die  geftickten  Bilder  mit  in  Oel 
gemalten  Gliedmafsen  und  Gefichtern,  welche  mit  Hintanfetzung  aller  wohlthä- 
tigen  lUufionen  in  die  Stickerei  hinein  geheftet  waren,  da  zeigten  fich  die  figür- 
lichen Darftellungen  in  Kreuzftichftickerei ,  die  viereckigen  Augenfterne  und  Na- 
fen,  die  derben  Farbenabftufungen  und  Schlagfchatten  von  Roth  und  Blau  in 
allen  Gefichtern,  und  da  prangte  ein  ganzer  Garten  von  grellen,  lärmenden  Blu- 
men in  allen  Farben,  die  durch  die  Pfätenfion  abnormer  Schönheit  einen  dop- 
pelt bedauerlichen  Eindruck  machten.     Was   da  fchon   in   der  einzelnen  Arbeit 


DIE  FRiiUENAl^BEIT. 


207 


durch  Farbe  und  Zeichnung,  durch  Technik  und  Material  gefündigt  war,  das 
trat  im  Ganzen,  in  der  ZufammenfteUung,  durch  das  prunkhafte,  meift  gc- 
fchniacklüfe  Arrangement  noch  verdoppelt  zu  Tage.  Diefe  grellen  Farbentöne, 
welche  da  unvermittelt  neben  einander  lagen,  diefe  Menge  von  gleichartigen, 
gleich  lärmenden  Objecten  machten  durch  ihre  rückhaltlos  marktfchreierifche  Er- 
fcheinung  den  Effect  unfehlbaren  Selbrtbewufstfeins.  Solche  decorativcn  Frauen- 
arbeiten, wie  wir  sie  hier  auf  Kiffen,  Ofenfchirmen  und  Teppichen  zu  fehen  beka- 
men, find  abfolut  unvcrwendbar,  abfolut  häfslich,  abfolut  verfehlt;  ihre  Technik 
ifl  irrthümlich,  ihre  Farbenzufammenflellung  ift  unmöglich,  ihrer- Zeichnung  man- 
gelt die  Wahrheit;  ein  einziges  Stück,  wie  deren  jeder  Schrank  zu  Dutzenden 
aufzuweifcn  hatte,  genügt,  um  ein  wohl  eingerichtetes  Gemach  zu  entflellen,  um 
aus  dem  bcftangelegten  Arrangement  Ruhe  und  Behagen  zu  entfernen. 

Auch  unter  den  einzelnen  Dilettantenarbeiten,  die  fich  hier  vorfanden,  war 
da  und  dort  eine  ähnliche  Gefchmacksrichtung  zu  entdecken,  wie  wir  fie  eben 
in  den  Schaukäften  gefehen;  auch  da  prangte  zuweilen  eine  kühne  Abfonderlich- 
keit  in  Gold-  und  Glasperlen  und  dergleichen  wohlfeil  gruppirtem  Materiale,  ohne 
Rückficht  auf  Ziel  und  Zweck  der  Arbeit.  Aber  in  der  Technik  war  hier  viel 
mehr  Fleifs  und  Ernfl  zu  fehen,  und  einzelne  Dinge,  wie  die  ausgezeichnete 
Flachflickerei  von  A.  Lentvör,  verdienten  unbedingtes  Lob,  wenn  nicht  in 
der  Zeichnung  unläugbare  Mängel  zu  Tage  getreten  wären. 

Reizend,  wie  überall,  wo  fich  folche  Arbeiten  finden,  zeigten  fich  irifche 
Spitzen,  nach  alter  Klofterarbcit  angefertigt,  die  Imitation  von  Venetianer  Gui- 
pure in  Batifl:  genäht,  einige  ausgezeichnete  Wcifsftickcreien  und  vorzügliche 
Weifsnähereien  aller  Art. 

Drüben  in  dem  Pavillon,  welcher  die  Ausftellung  der  Unterrichtsanftalten 
des  dcutfchen  Reiches  fafste,  war  auch  eine  nicht  geringe  Zahl  von  weiblichen 
Schulen  vertreten,  welche  die  verfchicdenartigften  Frauenarbeiten  brachten.  Es 
waren  da  die  Vereinsfchulen,  Töchterfchulcn,  Privatinftitute,  Klofterfchulen,  Wai- 
fenhäufer,  Blindeninftitute  und  die  Seminare  zur  Heranbildung  von  Lehrerinnen 
zu  finden. 

Unter  den  Vereinsfchulen  brachte  der  Lette- Verein  die  Arbeitsproben 
feiner  Handels-  und  Gewerbefchulen,  nebft  den  Handelsbüchern,  Mafchinennähe- 
reien,  Kunftblumen,  Holzfchnitzereien,  Handarbeiten  verfchiedener  Art,  durch 
die  er  einen  befriedigenden  Einblick  in  das  Programm  feiner  Lehranftalten  gab. 

Der  badifche  Frauenverein,  welcher  unter  dem  Protectorate  der  Grofs- 
herzogin  Luife  (teht,  exponirte  nebft  einer  Anzahl  ausgezeichnet  fchöner  Hand- 
arbeiten, nebft  Spitzen  imd  Stickereien,  den  Flachs,  den  Hanf  und  die  Baum- 
wolle in  verfchiedenen  Stadien  der  Bearbeitung,  von  der  getrockneten  Pflanze 
bis  zum  feinen,  wohlgefponnenen  und  gedrehten  Faden,  Muftcr  der  Fabrikation 
von  Porzellan-  und  Beinknöpfen  und  Glasperlen,  und  einige  eminent  fchöne 
Luxusarbeiten,  darunter  eine  Decke  aus  Segeltuch,  die  durch  gute  Zeichnung 
und  glückliche  Erfindung  ganz  befonders  bemerkenswerth  erfchien. 

Der  Verein  zur  Förderung  weiblicher  Er werbsthätigkeit  hatte  nebft 
den  Hand-  und  Mafchinennähereien  Mufterzeichnungen,  Lithographien  und  Frei- 
handzeichnungen,  nach  der  Natur  ausgeführt,  gebracht. 


208 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Kamin  in  weifser  Glafur,  von   Ccrnhard  Enidt  in  Wien. 

Die  Ccntralleitung  des  Wohlthätigkcitsvcreines  in  Stuttgart  hatte 
die  Arbeiten  verfchiedener  Induftriefchulen  und  die  des  Blindeninftitutes  derfelben 
Stadt  ausgeftcllt.  Das  Lehrprogramm  der  letztgenannten  Anftalt  ift  bedeutend 
befchränkter,  nach  den  Arbeitsproben  zu  fchhefsen,  als  das  der  provinzial- 
(ländifchenBlindenanftalt  zu  Hannover,  welche  fechzehnfädige  Korbflech- 
tereien, Hand-  und  Mafchinennäharbeiten,  Strickereien,  Perl-,  Häkel-  und  Filetar- 
beiten, Haartreffenproben  und  fehr  nette  und  hiibfche  Flechtarbeiten  vorwies. 
Aehnlich  zeigte  fich  das  Arbeitsfortiment  der  k.  Blindenanflalt  zu  Dres- 
den, welches,  fowie  die  vorgenannten  Inftitute,  kleine  Wunderwerke  des  Fleifses 
und  fubtiler  Gefchicklichkeit  aufzuweifen  hatte. 

Luftiger  und  bunter  als  dicfe  Arbeiten,  die  wir  nicht  ohne  den  trüben  Ge- 
danken fehen  können,  dafs  fie  in  ewiger  Nacht  gefchaffen  worden,  um  das  Auge 
des  Sehenden  zu  erfreuen,  zeigten  fich  die  Producte  der  verfchiedenen  Arbeits- 
fchulen,  die  bald  mit  Gefpinnftcn,  Webereien  und  Näharbeiten  in  befcheidener 
Weife  das  Refultat  der  Schulthätigkeit  aufwiefen,  bald  ein  vielartiges  Gemenge 
von  Erfcheinungen  zur  Schau  (teilten  ,  das  beffer  von  den  Räumen  der  Schule 
ferne  bhebe.  Vortheilhaft  zeichnete  fich  hier  die  Arbeitsfchule  zu  Schwab. 
Gmünd  aus  und  die  zu  Reutlingen,  von  welcher  letzteren  das  vortreffhche  Lehr- 


DIE  FKAUlvXARHKIT. 


209 


^    r    ▼    T    T    V      / 


Uodcnfliefen,  von  Villeroy  &  Boch  in  Melllach. 

Programm  durch  cntfprechende  Arbeiten  erfichtlich  gemacht  war.  Aus  den  IVi- 
vatinflitutea  war  durchfchnittlich  ein  Conglomerat  von  Gegenftänden  eingefandt, 
welches  klar  zeigte,  dafs  da  kein  Syflem  unverbrüchlich  eingehalten  wird;  in 
vielen  derfelben  war  auf  Nutzarbeiten  vcrhältnifsmäfsig  wenig  Rückficht  genom- 
men, hie  und  da  zeigte  fich  eine  reizende  Arbeit  von  guter  Erfindung  und  ta- 
dellofer  Ausführung,  daneben  präfentirte  fich  eine  Gefellfchaft  von  Abfcheulich- 
keiten,  von  jenen  bunten,  geirttödtenden  Straminarbeiten,  von  jenen  traditionellen, 
dicken  Wollblumen,  von  den  Rahmen,  Schirmen,  Confolen  aus  Waldfruchten 
und  von  ähnlichen  Dingen,  mit  welchen  die  einzelne  Frau  wohl  nach  eigenem 
Belieben  ihre  Mufsezeit  ausfüllen  mag,  für  die  fie  nur  fich  felbft  verantwortlich 
ift,  von  Arbeiten,  die  aber  in  den  Räumen  der  Schule,  über  Hunderte  von  Kin- 
dern verhängt,  eine  Sünde  an  dem  jungen,  aufkeimenden  Geifle  find,  der  unter 
folcher  Befchäftigung  ermatten  und  erlahmen  mufs.  '^ 

Angefichts  diefer  häfslichen  Luxusarbeiten,  welche  da  aus  einzelnen  Schu- 
len, deren  Zweck  es  wäre,  nebft  der  manuellen  Fertigkeit  auch  den  Gefchmack 
der  kleinen  Mädchen  zu  bilden,  zur  Ausftellung  gelangten,  mufsten  wir  der  ein- 
fachen Arbeiten  der  weiblichen  llausinduflrie  anderer  Länder  denken,  jener  Ar- 
beiten, welche  die  Bauersfrau  zum  Schmucke  ihrer  Gewebe  verwendet,  un<l  des 
Reichtluinis  an  Schönheit  und  zweckmäfsiger  Zier,  der  fich  für  die  Schulen  er- 
werben liefse,  wenn  fie  fich  folche  Vorbilder  zu  Nutze  machen,  und  die  Kinder 
die  einfache  Technik  folcher  befcheidenen,  köfllichen  Luxusarbeit  lehren,  fie  mit 
dem  unerfchöpfilchen  Schatze  der  guten,  in  Taufenden  von  Muftern  vorliegen- 
<len  Zeichnungen  vertraut  machen  würden. 

In  der  Halle,  <lie  zum  Nordportale  des  Induflriepalaftes  fuhrt,  war  noch  eine 
andere  weibliche  Unterrichtsanftalt  mit  dem  reizenden  Ergebniffe  ihrer  Tliatigkeit, 
die  königl.  fächfifche  Spitzenklöppel  fchule  ausgeftellt.     In  Schwarz  und 


K 


210  DIE  FRAUENARBEIT. 


in  Weifs  hingen  und  lagen  da  in  einem  grofen  Schranke  die  Tücher,  Schleier  und 
Spitzen,  manche  tadellos  fchöne  Arbeiten  von  ganz  jungen  Mädchen,  den  12  bis 
16  Jahre  zählenden  Schülerinnen  angefertigt.  Die  Anflalt  befitzt  derzeit  2000 
Zöglinge,  welche  dort  den  Unterricht  geniefsen  und  für  ihre  Arbeit  entlohnt 
werden.  Die  Jüngeren  derfelben  verdienen  bei  einer  täglichen  Arbeitszeit  von 
6  bis  7  Stunden,  von  welcher  3  bis  4  Stunden  in  der  Woche  für  den  Nähunter- 
richt entfallen,  30  bis  70  Thaler  im  Jahre,  während  die  älteren  Schülerinnen  bei 
Fleifs  und  nöthiger  Gefchicklichkeit  circa  140  Thaler  jährlich  mit  Spitzenklöp- 
peln erwerben. 

Dänemark  hatte  einen  kleinen,  ganz  befcheidenen  Raum  in  dem  Riefen- 
bau des  Induftriepalaftes  inne ;  man  mufste  es  fuchen,  um  es  zu  finden  und  fich 
dort  der  mannigfachen,  hervorragenden  Produkte  der  induftriellen  und  kunftge- 
werblichen  Thätigkeit  des  Landes,  der  ausgezeichneten  Arbeiten  in  Holz,  Thon 
und  Metall  zu  freuen,  mit  welchen  es  auf  der  Ausftellung  glänzte.  Und  in 
einer  halbverborgenen  Ecke  des  dänifchen  Ausftellungsraumes ,  nett  geordnet, 
zu  einer  befonderen  Gruppe  vereint,  waren  da  die  Frauenarbeiten  des  Landes, 
die  von  Dilettantenhand  gemacht,  die  der  Schulen,  und  die  der  nationalen  weib- 
lichen Hausinduftrie. 

Unter  den  Schulen,  von  denen  nur  wenige  vertreten  waren,  zog  insbefondere 
das  Blindeninftitut  zu  Kopenhagen  die  Aufmerkfamkeit  auf  fich.  Es  hatte 
eine  reiche  Ausftellung  der  Arbeiten  von  weiblichen  Zöglingen  gebracht,  unter 
denen  alle  Arten  von  Strick-,  Häkel-,  Filet-,  Nadel-  und  Knüpfarbeiten,  Ma- 
fchinennähereien ,  Stroh-  und  Tuchflechtereien  vertreten  waren ,  alles  fauber  und 
gut,  manches  überrafchend  fchön  gemacht. 

Neben  den  Schulen  fchimmerten  in  Seide  und  in  bunten  Farben  die  Arbei- 
ten der  Dilettantinnen,  die  vorzüglichen  Stickereien  auf  Tuch  und  Sammet,  rei- 
zende Blumengewinde,  köftliche  kleine  Thierftudien ,  ganz  wunderbare  Erfindun- 
gen ,  in  Technik  und  Zeichnung  tadellos ,  wie  wir  fie  kaum  fonft  irgendwo  in 
der  Ausftellung  gefehen.  Die  dänifchen  Frauen  haben  mit  glücklicher  Hand 
den  lohnenden  Verfuch  gewagt,  naturaliftifche  Motive  mit  Nadel  und  Faden  dar- 
zuftellen,  einen  Verfuch,  den  fo  viele  Frauen  zum  Scheine  gemacht,  und  der 
doch  nur  da  zu  rechtfertigen  ift,  wo  er  fo  gelingt,  wie  diefs  hier  der  Fall  war. 
Mit  ausgezeichnetem  Verfländnifs  für  Form  und  Farbe ,  mit  dem  richtigen  Sinne 
für  die  Schwächen  und  die  Schönheiten  der  Natur,  waren  da  kleine  Epifoden, 
wie  fie  fich  draufsen  im  Frühlingsgrün,  auf  Bufch  und  Baum,  und  zwifchen 
blühenden  Zweigen  und  Ranken  abfpielen,  in  winzige  Bildchen  gebracht,  die 
uns  mit  überrafchender  Naturwahrheit  entgegen  fchauten.  Es  war  nicht  die 
Seide,  die  unfer  Auge  feffelte,  es  glänzte  nirgends  der  Faden  durch,  es  war  eine 
regellofe,  jedem  Lichtfunken,  jedem  Schatten,  jeder  Biegung  angepafste  Technik, 
die  das  Ganze  zufammenfügte,  das  auf  dem  dunklen  Sammet  lag  und  ein  lieb- 
liches Bild  voll  frühlingsgrüner  Blätter  abgab,  in  welchem  die  Vögel  vergnügt 
niederhockten ,  die  Blümchen  glühten  und  prangten ,  fich  läffig  gegen  einander 
lehnten  oder  mit  den  prunkenden  Köpfchen  durch  die  Grashalme  fchauten. 

Neben  diefen  kleinen  Studien,  aus  denen  die  reiche  Lebensluft  der  glückli- 
chen  Erfindung  uns   lachend   entgegen   fah,   war  eine  andere  Frauenarbeit  von 


DIE  FRAUENARBEIT. 


211 


liodenlliefeii   von  Villeroy  &  Hoch   in  Mctil.icli. 

meifterhaftcr  Technik  ausgcftellt,  eine  fogcnanntc  Kloftcrflickerci ,  von  Mathilde 
Safse  ausgeführt.  Es  war  diefs  das  Bild  eines  alten  Vorflehhundcs,  auf  einem 
Wandteppiche  angebracht,  und  nach  einer  Studie  von  Otto  Bache  angefertigt. 
In  grofsen  Zügen,  keck  und  kühn,  wie  die  eigentliche  Frauenarbeit  es  fonfl;  nicht 
wagt,  war  da  die  Zeichnung,  die  Farbe  gehandhabt;  die  Imitation  der  Malerei 
fiel  fcheinbar  weg,  da  fich  das  ganze  Ding  fo  plaflifch,  fo  zaufig  gab,  als  wäre 
es  der  Natur  entnommen,  und  als  fchaute  der  finftere,  ernfte  Gefelle  mit  den 
halbgefchlüffenen  Augen  und  den  fchlappen  "Ohren  uns  leibhaftig  aus  dem 
Schranke  entgegen.     Die  eigenthümliche  Technik,  welche  diefer  Arbeit  zu  Grunde 


Bodenfliefen  von  Villeroy  &  Hoch  in  Mettlach. 

liegt,  pafst  fich  mit  Vorzug  Gegenfländcn  von  grofsen  Dimenfionen  an;  andere 
Vcrfuche ,  welche  von  derfelben  Hand  vorlagen  und  kleinere  Objecte  darflellten, 
erfchienen  gewöhnlich  und  unbedeutend. 

Neben  dem  zottigen  Burfchen,  den  wir  eben  befchrieben  haben,  neben 
den  grünen  Buchenzweigen  in  dem  anderen  Schranke,  neben  den  Kolibris, 
den  Goldammern,  den  Schmetterlingen  mit  den  glänzenden  Schwingen,  neben 
den  Eriken  und  fonftigcm  Blumenvolk  aus  Wald  und  Haide  nahmen  fich  andere, 
nicht  ganz  glückliche  Erfcheinungen  doppelt  unglücklich  aus.  Die  gedickten 
Porträts  in  Florfeide,  von  denen  hier  zwei  zu  finden  waren,   das  Abendmahl  da 


lioiicnflicicM   v«Mi   MitUuii^  m  Suikt-  u[mhi    I'hh: 


87* 


212 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Luftre,  Stil  Louis  XIII.,   von  Suffe  freres  in  Paris. 


Vinci's  auf  Batift  mit  fchwarzcr  Seide  genäht,  Blumen  aus  Fifchgräthen  und 
aus  Tuchabfällcn,  und  ähnliche,  mcifl  ganz  ernfl  gemeinte  Spielereien  hatten  hier 
ebenfalls,  wenn  auch  in  fehr  bcfcheidenem  Mafse,  ihr  Plätzchen  gefunden  uml 
erzählten  uns  die  alte  Gefchichte  von  zwecklos  vergeudeter  Mufsezeit. 

Ganz  allerliebft  nahm  fich  mitten  in  der  bunt  gemifchten  Gefellfchaft  ein  Blu- 
menflraufs  von  Federn  gemacht  aus,  deffen  Auffchrift  erzählte,  dafs  die  Ausftel- 
lerin,  Maria  Prior,    dicfe  Arbeit   ohne  Unterricht  unternommen,    ein  Jahr   geübt 


DIE  FRAUENARBEIT. 


21» 


Camiclabur,  ciilwurkii   vmi   11.  Cl.ius,  ausgefülirl  von  1).   1  lulit  iii>.K  ii  .^uhne. 


214  DIE  FRAUENARBEIT. 


habe,  und  dafs  fie  feit  der  im  Jahre  1872  ftattgchabten  nordifchen  Expofition, 
aus  dein  Erträgnifs  diefer  Arbeit  reichen  Gewinn  ziehe.  Die  Blumen  waren  fehr 
hübfch  und  gemahnten,  wenn  auch  in  fchüchternerer  Erfcheinung,  an  die  Bhithen- 
zwcigc,  welche  wir  in  fo  glänzender  Art  in  der  brafilianifchcn  Au.sflellung  gefe- 
hen.  Es  fcheint  die  Fabrikation  der  Federblumen,  welche  wir  auf  der  Ausftel- 
lung  über  alle  Länder  verbreitet  fanden,  überhaupt  ein  reiches  Feld  der  Frauen- 
thätigkeit  zu  bieten ,  und  was  fich  da  mit  glücklichem  Gefchmacke ,  mit  der 
undefinirbaren  Gefchicklichkcit  der  Frauenhand  leiften  läfst,  haben  die  Damen 
Nattc  bewiefen. 

In  befonderen  Schränken,  getrennt  von  den  modernen  Luxusarbeiten,  waren 
die  Arbeiten  der  weiblichen  Hausinduftric  des  Landes  zu  fehen,  Gefpinnfte 
und  Gewebe,  das  glänzende  Garn  und  das  fchwere,  derbe  Linnen,  bunte  Schaf- 
wollftoffe,  geklöppelte  Spitzen,  feine  Näharbeiten  ganz  merkwürdiger  Technik, 
Krägelchen,  Hemden,  auf  denen  eine  Laft  von  Weifsftickerei  lag,  manche  von 
grotesker  Erfindung,  manche  leicht,  graziös  in  Zeichnung  und  Ausführung,  wie 
aus  Spinnenfäden  gewebt.  Es  waren  da  die  Tücher  aus  Leinewand  zum  täglichen 
Gebrauch,  Hand-  und  Tifchtücher,  an  deren  Rändern  die  Fäden,  ftatt  des  Sau- 
mes, zu  breiten,  fchweren  Bordüren  verknüpft  waren,  die  in  langen  Franfen  ende- 
ten. Auf  Schürzen  und  Hemden  prangte  die  durchbrochene  Arbeit  aus  vernähten 
und  ausgezogenen  Fäden,  die  hier  prachtvolle  Deffins  aufwies,  ornamentale  Zeich- 
nungen vortrefflicher  Art,  ernfl  und  ftilgerecht  und  doch  zu  graziöfen  Verfchlin- 
gungen  angewendet. 

Neben  diefen  Näharbeiten  zeichneten  fich  die  Hedebosynings,  die  Sticke- 
reien der  Haidebäuerinnen,  der  Frauen,  die  in  dem  Haideland  bei  Roe.skilde  am 
Isefiord  wohnen  ,  auf  das  Glänzendfte  aus.  Einige  diefer  Arbeiten  mit  den  fei- 
nen Gitterbordüren  waren  auch  drüben  unter  den  Arbeiten  der  Dilettantinnen 
zu  finden;  fie  find  eben  um  ihrer  Schönheit  willen  in  die  Stadt  gewandert  und 
werden  dort  von  der  Hand  der  vornehmen  Frauen  nachgeahmt  und  mit  Ge- 
fchick  geübt.  Es  ift  das  eine  Erfcheinung,  welche  auch  in  anderen  nordifchen 
Ländern  zu  Tage  tritt,  dafs  dort  die  Bewohnerinnen  der  Städte  fich  die  Erfin- 
dungen der  nationalen  weiblichen  Hausinduftric,  ihre  Technik  und  ihre  Zeich- 
nungen mit  vielem  Gefchick  zu  Nutze  machen,  dafs  fie  die  reich  gebotenen 
Motive  zu  neuem  Zwecke  verwenden,  und  mit  glänzendem  Arbeitsmateriale  aus- 
gerüftet,  den  befcheidenen  Arbeiten  vom  Dorfe  einen  neuen,  bisher  ungekannten 
Reiz  verleihen.  Wir  werden  auf  diefe  Erfcheinung  in  Schweden  und  Rufsland 
zurückkommen,  und  mögen  dabei  der  Arbeiten  unferer  füdllavifchen  Frauen 
gedenken,  der  reichen  Schönheit,  die  fich  dort  offenbart,  und  wieviel  fich  davon  in 
die  dürftigen  Erfindungen  modernen  Geiftes  einfügen  und  verweben  liefse,  um 
ihnen  eine  andere,  glücklichere  Geflalt  zu  geben. 

Dänemark  hatte  nebft  den  Hausinduftriearbciten,  dem  geflickten  Leinenzeug, 
den  Fraucnklcidern ,  den  brocatencn  Mützchen  ,  den  breiten  Halskraufen , ,  den 
Schürzen,  Tüchern,  den  fchweren  Hemden  mit  der  grotesken  Zeichnung  in  Tam- 
bourftich  darauf,  auch  eine  Reihe  von  kleinen  Coftümfiguren  gebracht,  von 
Frauen  und  Männern  in  allen  Nuancen  der  Landestracht,  im  Sonntagsputze  und 
im  Werktagskleide,  die  Frau  auf  dem  Wege  zum  Markte,  als  Braut  und  an  der  Ar- 


DIE  FRAUENARBEIT. 


2i: 


beit,  mit  Spindel  und  Spule  und  Nadel  und  anderem  Arbeitsgeräthe.  Es  ifl 
eine  bunte  Gefellfchaft ;  auf  jedem  Fleckchen  l">de  in  dem  kleinen  Lande 
haben  die  Menfchen  eine  andere  Tracht,  von  jeder  Infel  zur  andern  kommen 
Leute  in  anderen  Hüten,  in  anderen  Röcken  und  Schuhen,  und  es  giebt  ein 
luftiges  IJild,  fich  alle  die  Geftalten  in  ein  und  demfclben  Lande,  zur  Marktzeit, 
vielleicht  in  derfelben  Stadt,  durcheinander  wimmelnd  zu  denken. 

In  der  Ausftellung  Schwedens  war  nicht  nur  die  eigentliche  Frauenarbeit, 
fondern  auch  die  Arbeit  von  Frauenhand  überhaupt  reichlich,  und  nicht  feiten 
in  ganz  ausgezeichneter  Weife  vertreten.  Draufsen  in  dem  einftöckigen  Schul- 
haufe, im  Parke,  lagen  die  Arbeiten  der  Schülerinnen  der  verfchiedenften  Un- 
terrichtsanftalten vor;  in  dem  kleinen  Jagdpavillon  mit  dem  fpitzen  Thürmchen, 
den  traulichen  Gemächern  hatten  die  Frauenarbeiten  des  Landes ,  die  von  der 
Hand  der  Dilettantinnen  in  allen  Gebieten  weiblicher  Induftriearbeiten,  die  kunft- 
gewerblichcn  und  künftlerifchen  Verfuche  ihren  Platz  gefunden,  und  durch  die 
zahlreichen  Produkte  weiblicher  Erfindungsgabe,  durch  die  luftigen  und  die  ern- 
ften  I'^xperimentc,  die  da  in  mannigfacher  Form  und  mannigfachem  Stoffe  zu 
Tage  traten,  fich  zu  einem  bunten,  feffelnden  Hilde  geftaltet. 

Für's  Erfte  waren  es  die  Schulen,  welche  hier,  wie  dies  wohl  nur  in  wenig 
anderen  Ländern  der  Fall  war,  durch  gute,  tadellofe  Arbeit  glänzten.  Es  lag 
ein  eigenthümlicher  Charakter  ernfter  Ruhe  und  Ordnung  über  den  Uingen, 
welche  aus  den  vcrfchicdenartigften  Schulen,  aus  Dorf  und  Stadt  zur  Ausftel- 
lung gelangt  waren.  Faft  nirgends  war  eine  kindifche  Spielarbeit  zu  finden, 
überall  trat  Syftem,  Zweckmäfsigkeit,  Fleifs  und  Klarheit  in  der  Anordnung  und 
in  der  Ausführung  zu  Tage,  und  machten  den  Weg,  den  fich  die  Schule  vorge- 
fetzt, aus  den  Arbeiten  erfichtlich.  In  den  Landfchulen  ift  der  Spinnrocken  und 
der  Webftuhl  noch  daheim;  reinliche  Gefpinnfte,  weifse  und  bunte  Kattunge- 
webe, Bänder  und  Litzen  mit  netten  Deffins  lagen  aus  der  Volksfchule  vor, 
welche  nebft  diefen  echt  nationalen  Arbeiten  ein  reiches  Sortiment  von  Strick- 
und  Näharbeiten  und  von  allerliebflen  Rohrgeflechten  brachte. 

Im  Schulhaufe  hatten  35  Schulen  ausgeftellt,  darunter,  nebft  der  vorgenann- 
ten Volksfchule,  eine  grofsc  Zahl  von  Arbeitsfchulen,  Kleinkinderafylen,  Elemen- 
tarfchulen.  Privat inftituten ,  nebft  mehreren  Gewerbefchulen ,  darunter  eine  für 
Bauernkinder,  eine  Landwirthfchaftsfchule,  eine  weibliche  Volksfchule,  Afyle  für 
Blinde,  für  Taubftumme  und  Blödfinnige. 

Unter  den  Arbeiten  der  Privatfchulen  war,  ebenfo  wie  in  den  öffentlichen 
Unterrichtsanftalten,  nichts  von  den  Luxusgegenftänden ,  von  den  Modeerfindun- 
gen zu  fehen,  mit  welchen  jene  Anftalten  in  den  meiften  anderen  Ländern,  zum 
Leidwefen  des  Befchauers,  prangten.  Nett,  reinlich  präfentirte  fich  eine  Reihe 
von  Arbeiten,  wie  fie,  mit  anmuthigem  Schmucke  verfehen,  überall  am  Platze 
find;  keine  prunkende,  verletzende  Farbe  forderte  den  Blick  heraus,  keine 
Formverirrung  ftörte  den  guten  P^indruck,  den  man  empfing,  und  manche  aus- 
gezeichnet fchöne  Zeichnung  verlieh  den  einfachen,  vortrefflichen  Arbeiten  einen 
hervorragenden  Werth.  Einige  der  Schulen  waren  aus  Raummangel  aus  dem 
Schulhaufe  nach  dem  Jagdpavillon  hinüber  gewandert ,  wo  fie  in  einer  überra- 
fchend  bunten  Gefellfchaft  zu  finden  waren.     Auch  hier,  unter  den  Arbeiten  der 


216 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Dilettantinnen,  waren  reichlich  die  mannigfachften 
Gefpinnfle  von  Frauenhand  vertreten;  Flachs  und 
Wolle  glänzten  in  weichen  Fäden  und  erzählten 
von  dem  fernen,  nordifchen  Lande,  von  den  lan- 
gen Winterabenden,  von  Frort,  Eis  und  Schnee 
und  von  der  flillen,  durchwärmten  Stube,  in  der 
das  Spinnrad  noch  fchwirrt  und  fein  eintöniges, 
bei  uns  fchon  halb  vergeffenes  Liedchen  fummt. 
Neben  den  WoU-  und  Lcinenflrähnen  waren ,  in 
fafl  natijrlicher  Folge,  die  verfchiedenften  Gewebe, 
vom  bunten,  kattunenen  Tüchlein  bis  zum  köft- 
lichen,  ,  weichen  Teppich  zu  finden.  Unter  den 
Matten,  Decken  und  Teppichen  zeichnete  fich  ein 
folcher,  von  Carin  Sparrman  ausgeftellt,  durch 
feine  mittelalterliche  vortreffliche  Zeichnung  und 
durch  die  Schönheit  des  Gewebes  aus.  Viele  von 
den  Webereien,  von  den  Näharbeiten  und  Sticke- 
reien, welche  hier  vorlagen,  waren  in  Zeichnung 
und  Technik  den  1  lausinduftriearbeitender  fchwedi- 
fchen  Bauernfrauen  entlehnt.  Fremdartige,  runen- 
gleiche Linien  und  Schnörkel,  wie  wir  fie  weiter 
drüben  auf  den  Stoffen  und  Decken  von  Bäue- 
rinnen gewebt  gefehen,  prangten  hier  in  Sammet 
und  Seide,  in  reichen,  wolligen  Teppichen,  auf 
Kiffen  und  Gardinen.  Es  waren  da  die  modernen 
Arbeitsrtofife  verwendet,  mit  denen  unfere  Hände 
vertraut  find,  aber  in  ganz  anderer  Weife,  fo  ein- 
fach, fo  prunklos  und  dabei  fo  fchön,  fo  richtig 
gefügt,  dafs  ihnen  alles  Flitterhafte,  alle  Anwart- 
fchaft  auf  Vergänglichkeit  zu  fehlen  fchien.  Mögen 
diefe  l'"arben  ausbleichen,  mögen  die  Seide  und 
der  Sammet  ihren  Glanz  und  Schimmer  verlieren, 
die  Linien,  die  fich  da  auf  dem  Untergrunde  weich 
oder  kühn  verbinden,  fie  bleiben  zurück,  und  wer- 
den von  der  Schönheit  der  Arbeit  erzählen,  fo 
lange  ein  l-'aden  zum  anderen  hält. 
Neben  diefen  Geweben  und  Stickereien  in  bunter  Wolle  und  Seide  zeigte 
fich  eine  andere  Frauenarbeit,  die  wir  fchon  in  manchem  anderen  Lande  gefe- 
hen, die  aber  in  ihrer  eigentlichen  Schönheit  im  Norden  Europa's,  und  nament- 
lich in  Schweden  zu  Haufe  ift.  Es  ift  das  die  Arbeit  in  weifser  Leinewand ,  in 
welcher  durch  das  Ausziehen  von  Fäden  und  durch  das  Vernähen  derfelben 
die  verfchietlenartigfben  Deffins  zu  Stande  gebracht  werden.  Die  Schwedinnen 
nennen  diefe  Naht,  welche  in  den  Hausinduflriearbeiten  des  Landes  eine  emi- 
nente Rolle  fpielt,  den  Siurrjaii»i,  zudeutfch  Schnürfaum,  und  haben  die  Tech- 
nik und  die  Verwendung   der  Arbeit,    ebenfo    wie  dies    in  Dänemark  gefchehen, 


Lam[ie,  aus  dem  egyptifchen  Zimmer 
von  A.  Fix  in  Wien. 


DIE  FRAUENARBEIT. 


217 


Teppich  von    Schütz  &  Jucl  in  Würzen. 

um  ihres  abfonderlichen  Reizes  willen   auf  die  Gegenftände   moderner   Induftrie 
übertragen,  wo  fie  fich  in  ihrer  ganzen  edlen  Schönheit  zeigt. 

Weniger  glücklich  als  diefe  Arbeiten,  welche  fich  als  charakteriftifche  Er- 
fcheinungen  auf  der  Ausftellung  Schwedens  fanden,  erwiefen  fich  niannigfaciie 
andere  Frauenarbeiten,  welche  wir  in  gleiclicr  Erfindung,  wenn  auch  nicht  im- 
mer in  gleicher  Ausführung,  in  fo  vielen  anderen  Lantlern  gefehen.    DieSchmuck- 


u 


218 


DIE  FRAUENARBEIT. 


gegenftände  aus  Waldfrüchten  und  aus  Fifclifchuppen,  die  Lampenteller  aus 
Federblumen,  Arbeitstafchen  aus  Tannenzapfen,  Garnituren,  Rahmen,  Lampen- 
teller aus  gleichem  oder  ähnlichem  Material,  einige  Haararbeiten  zu  Brechen  und 
Medaillons  verwendet,  die  waren  auch  hier  zu  finden,  aber  fie  wurden  reichlich 
gedeckt  und  aufgewogen  durch  die  Kiffen  von  blendendem  Linnen,  auf  denen 
der  Schnürfaum  prangte  und  durch  die  pobelingewebe,  welche,  von  der  Hand 
der  Frauen  gefchaffen,  dem  Ausftellungsraume  manche  prachtvolle  Decoration 
verliehen.  "■ 

Neben  den  Frauenarbeiten  aus  der  Stadt  waren  die  der  Bäuerinnen  zu  fehen. 
Kleider  mit  dem  volksthümlichen  Gepräge ,  die  Häubchen  von  verfchiedener 
Form,  kleine,  nette  Kopftücher,  die  fich  wie  Mützchen  über  die  Stirne  flülpen, 
Schürzen  in  Streifen  gewebt,  von  dichtem  teppichartigem  Stoffe,  in  hellen  freund- 
lichen Farben ,' fchmale ,  bunte  Bänder,  von  denen  eine  Menge  vorne  an  der 
Schürze  herabhängend  getragen  wird.  Die  Frauen  von  Dalarne  hatten  köftliche 
Spitzen  eingefandt,  manche  von  ganz  merkwürdiger  Schönheit,  ebenfo  Sticke- 
reien, Schnürfaumarbeiten,  Handfchuhe  aus  Leder  und  aus  Tuch,  die  an  der 
Oberfeite  in  bunter  Stickarbeit  prangten,  Halstücher,  Gürtel  u.  f.  w.  Man  konnte 
fich  ein  vollkommenes  Bild  der  weiblichen  Trachten  des  Landes  zufammenftel- 
len,  wenn  man  die  vielen  buntfarbigen  Dinge  in's  Auge  fafste,  die  da  in  den 
mannigfachflen  Arten  von  Technik,  Formen  und  Material  erfchienen.  Zwifchen 
den  Kleidern,  den  Hüten,  Röcken,  Schürzen,  waren  noch  viele  Dinge  zum 
Schmuck  des  Haufes,  zum  Verbrauch,  zur  Deckung  der  Bedürfniffe  des  tägli- 
chen Lebens  ausgeftellt;  Gefpinnfle,  wie  wir  fie  in  der  Schule  und  unter  den 
Arbeiten  der  Städterinnen  gefunden,  Gewebe  aus  Zwirn,  aus  Wolle,  aus  gezupf- 
ten Lappen;  damaftenes  Tifchzeug,  gewebte  Decken,  darunter  die  fchönen, 
fchweren  Snärgewebe,  die  Teppiche  und  Vorhänge,  mit  welchen  die  fchwedifche 
Bauersfrau  bei  feftlichen  Gelegenheiten  Tifche  und  Bänke  bekleidet  und  die 
das  Fremdcnftübchen  fchmücken,  das  in  jedem  Bauernhaufe  des  müden  Wan- 
derers harrt  und  das  Befle  birgt,  was  die  kunfifertige  Hand  der  Hausfrau  zu 
fchaffen  vermag.  Unter  diefen  Snargeweben  waren  viele  nach  uralten  Muftern 
angefertigt,  mit  prachtvollen,  ftilgerechten  Zeichnungen,  und  von  weicher,  köft- 
licher  Farbenmifchung.  Daneben  waren  die  Wandbekleidung,  die  Drättaduk,  die 
gewebten  Bänkadrättar ,  die  Bankbekleidungen  in  blau  und  weifs  zu  fehen, 
während  da  und  dort  auf  einem  koftbaren  Teppich ,  auf  einem  gewebten  und 
geflickten  Tuch  Scenen  aus  der  Gefchichte  des  Tages  oder  der  .Vergangen- 
heit erfchienen,  felbftgefchaffene  Gemälile,  mit  welchen  die  Frau  die  dürf- 
tigen, hölzernen  Wände  ihres  einfamen  Haufes  fchmückt.  Tiefe,  ftille  Ein- 
famkeit  fah  dem  Befchauer  aus  allen  diefen  Dingen  entgegen ,  aus  den  Coflüm- 
flücken,  von  denen  jedes  durch  die  Hand  der  Frau  gegangen,  und  die  den  ganzen 
Kleidungsbedarf  reichlich  deckten,  aus  den  Schmuckgegenftänden ,  ilen  Dingen 
zum  täglichen  Gebrauch,  den  Kiffen,  den  Handtüchern,  den  Bettlaken  mit  der 
breiten,  mühfeligen  Schnürfaumbordüre,  den  reizenden  Strohgeflechten,  dem  ge- 
knüpften Zügel-  und  Zaumzeug;  Jahre  der  Mühe,  der  einfamen  Arbeit  liegen 
über  diefen  Dingen. 

J5eweglicher,  wenn  auch  oft  nicht  weniger   ernft,    zeigte   fich   dem  Befchauer 


DIE  FRAUENARUEIT. 


2IU 


Kanne,  in  türkilcliem   Stil,  von  ParviUee  in   Paris. 

in  einem  anderen  Geniaciie  des  kleinen  Jagdpavillons  eine  Sammlung  vun  Ver- 
fuchen  auf  gewerblichem,  künftlerifchem  und  wiffenfchaftlichem  Gebiete,  welche 
die  l'Vauen  Schwedens  zur  Ausftellung  gefandt.  Da  waren  Bücher,  in  Frau 
Luife  Flodins'  Buchdruckerei  zu  Stockholm  vun  Frauen  gefetzt  und  gedruckt, 
da  waren  künflliche  Zähne  von  der  Zahntechnikerin  Frau  Gällftedt  ausgeftellt, 
Kinrichtungsftiicke  mit  Perlmutter  eingelegt,  von  Frau  Lundqvist  angefer- 
tigt, technifche  Erfindungen  verfchiedener  Art  von  Frauen  gemacht,  ferner  Sta- 
tuetten, Büftcn  und  Basreliefs,  von  weiblichen  Bildhauern  gemeifselt,  Meduillen 
von  Frau  Lea  Ahlborn,  Graveurin  an  der  königlichen  Münze  zu  Stockholm 
gravirt,  y\quarell-  und  Oelgemälde,  Bilder  fpitzbergifcher  Blumen  und  fchwcdi- 
fcher  Gewächfe,  die  letzteren  von  Fräulein  Sjöberg  für  die  königliche  Akade- 
mie der  Wiffenfchaften  in  Stockholm  gemalt,  Lithographien ,  xylographifche  Ar- 
beiten, Kartenzeichnungen,  darunter  die  prämiirte  Karte  der  l^fenbahnbrücke  zu 
Upfala,  von  Fräulein  Hedda  Karlholm   gezeichnet,    Holzfchnitzereien,    einige 


ij« 


220 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Trinkhorn  aus  Bergkryflall,  Gold-  und  Relief-Eraail, 
von  Ralzersdorfer  in  Wien. 


reizende  Dinge  in  altnurdifchcni  Stil,  Photographien,  Zeichnungen,  Compofitio- 
nen,  kurz  von  fafl  jedem  Gebiete,  in  dem  fich  der  freie,  fchafifcndc  Menfchen- 
geift  bis  heute  verfuchte ,  war '  da  etwas  zu  finden.  Es  gab  einzelne  Dinge  in 
der  bunt  gemifchten  Gefellfchaft,  bei  denen  der  wahre,  fchöpferifche  Götterfunke 
bei  ihrem  Entftehen  fchon  erlofchen  war;  aus  der  Durchfchnittzahl  der  Arbeiten 
fah  ernftes  Streben  dem  forfchenden  Auge  entgegen,  und  der  Gefammteindruck, 
den  der  Befucher  empfing,  war  der,  dafs  hier  die  Frauen  des  ganzen  Landes 
zufammengeflanden  haben,  um  den  Fremden  ein  Bild  zu  geben  von  dem,  was 
fie  denken,  was  fie  werden  und  fchaffen  wollen  durch  ihre  eigene,  wenn  auch 
vielleicht  theilweife  noch  nicht  ganz  gefchulte  Kraft. 

Norwegen  hatte  von  Frauenarbeit  nur  die  Dinge  zur  Ausflellung  gebracht, 
welche  auf  einigen  weiblichen  Coftümfiguren  exponirt  waren;  Näharbeiten,  den 
Schnürfaum  auf  Tüchern  und  Hemdbefätzen,  die  hübfchen,  buntfarbigen  Schürzen, 
mit  den  feinen  Lifieren,  nette  Häubchen  und  abenteuerliche  Brautkronen  aus 
Blumenftäbchen,  mit  klingelnden  Münzen  behangen,  gewebte  Bänder  und  Gürtel. 
Es  waren,  wie  natürlich,  diefelben  Arbeiten,  die  wir  in  Schweden  gefehen,  mit 
demfelben  foliden  Gepräge,  mit  den  traditionellen  Zeichnungen  in  jedem  bun- 
ten Streifen,  und  mancher  ganz  unfcheinbaren  Zier,  die  aber  dem  Kennerauge 
als  ein  kleines  Prachtwerk  nationaler  Technik  crfchien. 


DIE  FRAUENARBEIT. 


221 


Gefchnitzter  Holzrahmen,  von  KruUini  in  Kloreiu. 


Oefterreich,  welches,  wie  Eingangs  erwähnt  worden,  der  Krauenarbeit 
einen  bcfonderen  Raum  erbaute,  hatte  die  Arbeiten  der  weiblichen  Schulen,  der 
Dilettantinnen  und  der  nationalen  weiblichen  Hausinduflrie  fo  ftreng  gefondert, 
wie  kein  anderes  Land. 

Die  Volks-  und  Bürgerfchulen  waren,  als  die  element.irften  Untcrrichtsanllal- 
ten  des  Landes,  an  den  Eingang  des  Ausftellungsraumes  gerückt,  dann  folgten 


222 


DIE  FRAUENARBEIT. 


die  ftädtifchen  Töchterfchulen,  dann  die  Lehrerinnen-Bildungsanftalten,  die  Wai- 
fenhäufer,  die  Klofterfchulen ,  die  Vereinsfchulen,  dann  die  Privatinftitute  und 
endlich  die  weiblichen  Strafanftalten.  An  die  Schulen  reihten  fich  die  Arbeiten 
von  Dilettantinnen ,  und  auf  diefe  folgte  eine  kleine  Sammlung  der  nationalen 
weiblichen  Arbeiten  des  Landes,  die  durch  das  mannigfach  geftaltete  Material, 
durch  Form,  Farbe  und  Schmuck  ein  abfonderlichcs,  feffelndcs  Bild  abgaben. 

Wir  wollen,  der  Aufftellung  folgend,  mit  den  Schulen  beginnen  und  von  die- 
fen  berichten ,  von  der  Volksfchule ,  die  aus  den  hohen  Eichenfehränken  mit 
einer  reichen  Zahl  von  Strick-,  Näh-  und  Häkelarbeiten  herauslugte,  von  Nutz- 
arbeiten, wie  fie  diefe  Schule  lehren  foU,  um  ihren  Zweck  zu  erfüllen.  Hier 
und  da  fah  aus  der  Menge  von  weifsen  Geweben,  von  Mützen  und  Jäckchen, 
von  Strümpfen  und  Hemdchen  eine  befonders  gute,  ganz  ausgezeichnet  zweck- 
mäfsige  Arbeit  hervor,  worunter  namentlich  die  Stopf-  und  Flickarbeiten  zu  nen- 
nen find,  welche  die  Volksfchule  zu  Roveredo  brachte.  Die  Schulen  der  gröfse- 
ren  Städte  trugen  fo  ziemlich  daffelbe  Gepräge;  Kinderarbeit  im  wahrften  Sinne 
des  Wortes,  hier  und  da  ein  kleiner  Verfuch,  irgend  eine  Luxusarbeit  einzu- 
fchmuggeln;  ein  F"rivolitätenkrägelchen ,  eine  bunte  Stickerei  oder  dergleichen. 
Mit  befonders  lobenswerthen  Arbeiten  waren  die  Schulen  zu  Freudenthal  in 
Sehlefien  und  zu  Roveredo  vertreten.  Von  der  Schule  im  Dorfe,  im  Gebirge 
tief  drinnen  im  Lande  bekamen  wir  hier  wenig  zu  fehen,  fo  fehr  es  uns  ge- 
freut hätte,  ihre  Arbeiten  mit  denen  ähnlicher  Schulen  Oefterreichs  und  anderer 
Länder  zu  vergleichen.  Aus  Tirol  hatte  nur  eine  Schule  eingefandt,  die  ein  ge- 
häkeltes Mufterband  und  zwei  Strohhüte  brachte. 

Einen  Schritt  weiter  finden  wir  die  Schulen,  die  weit  höhere  Aufgaben  zu 
erfüllen  haben,  als  die,  in  welchen  das  ganz  winzige  Kindervolk  aus-  und  einpil- 
gert. Es  ift  das  auch  ein  ganz  anderes,  viel  bunteres  Bild,  das  fich  uns  zeigt, 
manche  fehr  gute,  manche  tadelnswerthe  Arbeit,  wenig,  dem  Originalität  oder 
reizende  Erfindung  zuzufprechen  wäre.  Eine  grofse  Zahl  diefer  Schulen  hat  einen 
eigenthümlich  befchränkten  Weg  auf  dem  Gebiete  der  weiblichen  Induftriearbei- 
ten  eingefchlagen.  Die  Dinge  find  wie  nach  einer  beftimmtcn,  nicht  immer  ge- 
glückten Schablone  angefertigt,  und  wo  von  diefer  abgewichen  wird,  ficht  ein 
folchcr  Verfuch  meift  mehr  einem  Extemporiren  als  einem  ruhigen,  überlegten 
Schritte  oder  einer  guten  Erfindung  gleich.  Am  traurigften  aber  macht  fich  die 
Schablone  in  den  bunten  Arbeiten,  in  den  Geweben  mit  W^oUe  und  Seide,  in 
den  philiftcrhaften  Stickereien,  auf  dem  geduldigen  Stramine  geltend.  Je  fühl- 
barer diefes  Erbübel  der  Schularbeiten  da  und  dort  zu  Tage  trat,  um  fo  glück- 
licher zeichneten  fich  die  Unterrichtsanftalten  aus,  welche  Gutes,  Neues  in  Form 
und  Farbe  brachten,  welche  durch  zweckmäfsige  Arbeiten,  durch  richtige  An- 
ordnung einen  gewinnenden  Eindruck  machten.  Zu  diefen  war  hier  das  Wai- 
fenhaus  zu  Görz  mit  guten  Kunftftopfereien  und  reizenden,  Knüpfarbeiten  zu 
zählen,  ferner  die  Schule  zu  St.  Urfula  in  Wien,  welche  neben  eminenten  Weifs- 
ftickereien  ein  ausgezeichnet  fchönes  Kiffen  brachte,  das  nach  einem,  dem  öfter- 
reichifchen  Mufeum  entnommenen  Mufter  angefertigt  war,  ferner  die  Privatin- 
ftitute Goldhann  und  Frank,  die  Schule  der  englifchen  Damen  zu 
Roveredo,  welche  vortreffliche  Nutzarbeiten  brachte,  die  Schule  zu  St.  Ur- 


DIE  FRAUENARBEIT.  213 


fula  in  Görz,  welche  ausgezeichnete  Handknüpfarbeiten  und  eine  fchöne  Mu- 
üerlsarte  von  genullten  Spitzen  ausftellle. 

Unter  den  Vercinsfchulen  waren  fiebcn  Gruppen  zu  finden.  Die  Schulen 
des  l'rauenwohlthätigkeitsvereines,  die  des  Frauenvereines  für  Arbeitsfchulen, 
des  ifraelitifchen  Therefien-Kreuzer-Vereines  und  des  Frauen-Krwerb-Vereines  in 
Wien ;  aus  den  Provinzen  die  des  fleicrifchen  Gewerbe-Vereines  in  Graz ,  des 
l'Vaucnvereines  in  Innsbruck  und  des  Frauen-Krwerb-Vereines  in  Prag.  Die 
meiflen  diefer  Vereine  hatten  die  Ausftellung  nur  mit  weiblichen  Handarbeiten 
befchickt,  durchfchnittlich  mit  guten,  tadcllofen  Näharbeiten,  unter  welchen  ganz 
befonders  die  Lingerien  hervorzuheben  find,  welche  die  17  Schulen  des  P'rauen- 
vereines  für  Arbeitsfchulen  ausftellten,  Unterrichtsanftalten,  in  welchen  die  klei- 
nen Mädchen  für  ihre  Arbeit  entlohnt,  und  durch  fehr  zweckmäfsige  und  humane 
lunrichtungen  zu  Sparfamkeit  und  Fleifs  angeleitet  werden. 

Der  Wiener  Frauen  -  Erwerb-Verein  hatte  neben  feinen  Nähftuben 
und  feiner  höheren  Arbeitsfchule ,  welche  aufser  ganz  vorzüglichen  Mafchinen- 
und  Handnähereien  ,  eine  fehr  fchöne  veneziancr  Spitze  brachte,  die  Arbeiten 
feiner  gewerblichen  Zeichenfchule,  feiner  Ilandelsfchule,  feiner  franzöfifchen  und 
feiner  englifchen  Sprachfchule  und  feiner  telegraphifchen  Lchrcurfe  ausgeftellt. 

In  ähnlicher  Weife  hatte  der  Prager  Frauen-Erwerb-Verein  die  Ausftel- 
lung befchickt;  auch  hier  waren  gute,  gefchmackvollc  Lingerien  vertreten,  neben 
den  Ausarbeitungen  der  Handels-  und  Telegraphenfchule  des  Vereines. 

Von  den  Lehrerinnen-Bildungsanftalten  hatten  fich  zehn,  theils  durch  Ein- 
fendung  von  einzelnen  Arbeiten ,  theils  durch  Expofition  des  Lehrganges  an  der 
Ausftellung  betheiligt.  In  den  Arbeiten  vieler  diefer  Inftitute  machte  fich  in 
auffallender  Weife  die  Schablone  geltend,  deren  ich  früher  Erwähnung  that.  Ob 
das  Jäckchen  aus  Prag ,  aus  Brunn  oder  aus  Innsbruck  kam ,  ob  das  Häubchen 
da  oder  dort  fein  abgebrauchtes  lofes  Mafchenmufter  erhielt,  ob  das  fteif  ge- 
ftärkte  Mufterband,  das  locker  gefügte  Krägelchen  von  dicfem  oder  jenem  Hafen 
auslief,  es  war  das  gleich,  eines  fall  dem  anderen  in  Monotonie,  in  nichtsfagen- 
der  Zeichnung,  in  oft  mifsglückter,  herkömmlich  irriger  Form  ähnlich.  ICbenfo 
erfchienen  viele  reizlofe  oder  verfehlte  Arbeiten  in  farbiger  Wolle,  gehäkelt,  ge- 
ftrickt  oder  auf  Stramin  geftickt;  namentlich  unter  diefen  letzteren  waren  alle  die 
kümmerlichen,  in  Form  und  Farbe  entftellten  Produkte  weiblicher  Erfindung 
vorhanden,  die  wir  in  den  anderen  Schulen  entdeckt  und  dort  gerügt  haben. 
Es  ift  dies  eine  bedauerliche  l'^rfcheinung,  gegen  die  hier  in  den  Anftalten,  in 
welchen  die  Lehrerinnen  gebildet  werden,  unter  deren  Leitung  einft  eine  unbe- 
rechenbare Zahl  von  Mädchen  ihren  ganzen  Schatz  von  Gefchmack  und  Ar- 
beitsroutine erwerben  wird,  mit  doppeltem  lufer  anzukämpfen  ift.  lünige  der 
Inftitute  machten  bezüglich  der  oben  erwähnten  Fehler  höchft  lobenswerthe  Aus- 
nahmen ;  unter  diefen  find  befonders  die  Lehrerinnenbildungsanftalt  von 
Wien,  die  einen  ausgezeichnet  gut  gearbeiteten  Lehrgang  ausftellte,  und  die  von 
Graz  zu  nennen. 

Die  Ausftellung  der  weiblichen  Strafanftalten  üefterreichs  füllte  einen  be- 
fonderen  Schrank;  Neudorf,  Lankowitz,  Wall.  Meferitfch,  Repy  und  Lemberg 
hatten  eingefandt.     June   Gruppe    von    verfchiedenartigen  Arbeiten   war    da   zu 


224 


DIE  FRAUENARBEIT. 


l'eiielope.     Von  L.  Droffis  in  Athen. 


fehcn  ;  die  Gefpinnfte  und  Gewebe ,  wie  wir  fie  in  den  Volksfchulen  dei  nordi- 
fchen  Länder  gefunden,  Klöppelarbeiten,  Strickereien,  Häkel-,  Filet-,  Guipure-, 
Pofamentierarbeiten,  prachtvolle  Weifsftickereien  und  Näharbeiten,  Handfchuhe, 
Blumen,  Gold-  und  Silberftickereien.  Die  meiften  diefer  Anftalten  betrachten  ihre 
Sträflinge  als  Zöglinge ,  die  fie  für  ein  neu  zu  beginnendes  Leben  vorzufchulen, 
gegen  deffen  W^echfelfälle  fie  fie  zu  fchiitzen  haben,  und  denen  fie  einen  bis  da- 
hin ungekannten  Schatz  von  Kenntnifl'cn  mitgeben,  um  fie  bei  ihrer  Freilaffung 
erwerbsfähig  und  dadurch  felbftändig  zu  wiflen.  Die  meiften  Sträflinge  werden 
daher  fchon  während  ihrer  Gefangenfchaft  nicht  nur  unterrichtet,  fondern  für 
ihre  Arbeit  entlohnt,    fie  werden   mit  der  Ausführung    von  Beftellungen  betraut. 


DIE  FRAUENARBEIT. 


225 


Theil  <ler  IJecoiaiion  iiiicr    lifchplalto  in  llul/.niofaik,  von    Kami  in  Sieiia. 

welche  der  Anflalt  von  aufsen  her  zukommen,  und  fie  werden  dadurch  mit  den 
Anforderungen  des  Marktes  und  der  Kunden  bekannt  gemacht,  fo  dafs  fie,  wenn 
fic  einft  die  Arbeit  auf  eigene  Rechnung  betreiben  ,  nicht  mit  den  Schwierigkei- 
ten des  Neuhngs  zu  kämpfen  haijen.  Die  Arbeiten  der  verfciiiedenen  Anllalten 
waren  durchgehends  vorzüglich  fchön  und  gut  ausgeführt,  und  namentlich  die 
Nettigkeit  und  Correctheit,  welche  überall  zu  Tage  traten,  machten  einen  aufser- 
ordentlich  günfligen  Eindruck. 

Unter  den  Arbeiten  von  Dilettantinnen  war  da  eine  MalTe  der  vcrfchieden- 
artigflen  Producte  weiblichen  l'^leifses  und  weiblicher  lirfindung,  wie  wir  fic  drüben 
in  dem  fchwedifchen  Jagdpavillon  gefchen.  Nur  noch  reicher,  noch  vollzähliger 
war  hier  jeder  einzelne  Arbeitszvveig  vertreten,  und  mancher  trat  in  folcher  Menge 
von  Objecten  auf,  dafs  an  deifer  l'.rfcheinung  deutlich  die  Gefchmacksrichtung 
der  Mode  und  der  l'Vauen  zu  erkennen  war.  Naharbeiten  verfchiedener  Art, 
köRliche  Weifsflickereien,  Strick-  und  Häkelarbeiten,  IJunt-  Kunft-  und  Gold- 
Aickereien  bildeten  die  hervorragenden  Gruppen  guter  Frauenarbeit,  die  hier  in 
oft  malerifcher  Drapirung  ausgestellt  waren.  Unter  den  Kunftflickcreien  prangten 
Mefsgewiinder,  Altartucher,  reizende  Zimmerdecorationen,  unter  welchen  letzteren 
namentlich  die  Arbeiten  von  Severine  v.  Czaykowska  und  ein  Ofenfchirm,  von 


» 


226  DIE  FRAUENARBEIT. 


Gräfin  Zichy-Metternich  ausgeführt,  zu  nennen  find.  Die  erftgenannten  Arbei- 
ten beftanden  in  der  kunfl-  und  gefchmackvollen  Aufbefferung  alter,  fchwerer 
Seidengewebe,  die  durch  gute  Stickerei  und  Umnähung  zu  reizenden  Möbelfloffen 
adjuflirt  waren;  der  Ofenfchirm  war  im  japanefifchen  Style  mit  Schwung  und  Vir- 
tuofität  ausgeführt,  und  in  der  leichten  graziöfen  Zeichnung  geftaltet,  die  mit 
wenigen  kühnen  Zügen  eine  ganze  kleine  Wundermähr  erzählt.  Daneben  waren 
die  prachtvollen  Goldftickereien  der  Kunflftickereifchule  des  Herrn  Uffen heimer 
zu  Innsbruck,  ein  Shawl  von  Baronin  Paula  Bülow  gezeichnet  und  geflickt,  einige 
Tifchteppichc  in  tadellofer  Ausführung,  eine  Mappe  von  Clementine  Kohnb  erger 
eine  anmuthige  Arbeit,  ein  blühendes  Idyll  in  fchimmernder  Seide,  einige  Kiffen 
in  verfchiedenfter  Decoration,  Fächer,  Kleider,  Schirme,  Bänder,  vieles  darunter 
ganz  ausgezeichnet  gut,  manches  nicht  eben  beffer  als  die  Mehrzahl  folcher  Ar- 
beiten, weniges,'  das  nicht  dem  Plätzchen  zum  Schmucke  gereicht  hätte,  an  dem 
wir  es  zur  Schau  geflcUt  fanden. 

Neben  dem  fchimmmernden  Gepränge  der  Buntflickereien ,  der  Arbeiten  in 
Gold  und  Seide,  glänzte  an  anderer  Stelle  ein  anderes  Gewebe  in  feinen,  weifsen 
Fäden,  eine  der  köftlichflen,  vornehmften  Frauenarbeiten,  von  der  wir  bisher  in 
jedem  Lande  einzelne  Proben  gefehen.  Es  waren  das  die  Spitzen,  die  fich  hier  in 
der  oefterreichifchen  Ausflellung  in  befonders  grofser  Zal  vertreten  fanden.  Auf 
Kiffen ,  auf  Bordüren,  auf  Fächern,  auf  Schirmen ,  als  durchfichtige  Kanten,  auf 
Kiuderkleidcrn,  auf  Mützen  und  Jäckchen,  in  den  mannigfachften  Arten  der  Technik, 
in  point-lace,  in  venezianer  Guipure,  in  point  de  Rome,  als  irifche  Spitze,  als 
dicht  gefügte  Klöppelfpitze,  in  den  zarten  points  d'aiguille  und  als  weltberühmte 
brüffeler  Spitze  erfchien  das  feine  Gewebe,  und  lag  bald  in  weichen  Falten  über 
dem  feidenen  oder  fammtenen  Untergrunde,  oder  hing  wie  aus  Duft  gewebt,  in 
hunderten  von  Blüthchen  und  Arabesken  als  zarter,  durchsichtiger  Schleier  hinter 
den  Glasfeheiben  der  Schränke.  Die  Spitzen  gehörten  zu  dem  Vorzüglichsten, 
das  die  Ausstellung  gebracht  hatte,  und  namentlich  in  den  venezianer  Guipuren 
fanden  fich  einzelne  übjecte  von  ganz  vortrefflicher  Zeichnung  und  tadellofer 
Ausführung.  Zu  dem  Besten,  das  hier  zu  nennen  ifl,  zählte  die  Arbeit  der  Schwe- ' 
ftern  Cargnielli,  ferner  die  von  Opu  i  ch-Fon tana,  und  die  des  Wiener  Frauen- 
Erwerb- Vereines,  welche  letztere  die  schwungvollfle  und  anmuthigfte  Zeichnung 
aufwies. 

Eine  Arbeit  welche  in  gleicher  Menge  wie  die  Spitzen  vorhanden  war,  die 
aber  durch  ihre  Erfcheinung  nicht  daffelbe  glänzende  Zeugnifs  für  die  in- 
duflrielle  Thätigkeit  der  Frauen  abgab,  waren  die  kleinen  Frivolitäten,  die 
Sternchen  aus  feiner,  weifser  Baumwolle  gefügt,  die  hier  ebenso  wie  die  glän- 
zende, vornehme  Spitze  auf  Kiffen,  Decken,  Vorhängen  als  Bordüren  erfchienen, 
fich  an  die  Taschentücher  als  Ränder  fügten,  auf  Krägelchen,  Manfchetten,  Schir- 
men, auf  Toilettegardinen,  auf  Nadelpolflern,  auf  Häubchen,  Bändern,  allüberall 
einfanden,  wo  fich  ein  folches,  wenig  charakteriflifches  Zierwerk  befefligen  läfst. 
Gedankenlos  gefchaffen,  ohne  befonderes  Merkmal,  ein  Spielzeug  zwifchen  den 
Fingern,  vergänglich  wie  wenig  andere  Arbeiten,  zeichneten  fich  die  unzähligen 
Frivolitätengebilde  durch  nichts  als  durch  den  mehr  oder  weniger  feinen  Faden 
vor  einander  aus,  und  empfahlen  fich  durch  wenig  mehr  als  durch  die  tadellofe 


DIE  FRAUENARBEIT. 


227 


Nettigkeit,  mit  der  fic  ausgeführt  waren,  und  der  Hcfchaucr  nahm  von  deii  grofsen 
und  kleinen  Dingen,  die  da  aus  folcher  Arbeit  gefügt  waren,  wohl  kaum  einen 
anderen  Eindruck  mit  fich  fort  als  den,  dafs  or  ein  ungezähltes  Heer  von  blen- 
dend weifsen  Sternchen  beieinander,  mehr  oder  weniger  lofe  verbunden,  gefehen. 

Viele  andere  Erfindungen  der  Neuzeit  oder  der  Mode,  die  fich  hier  geltend 
zu  machen  Richten,  hat  die  7\ufnahmsjur>' nicht  zugelaffen,  unter  diefcn  vor  allem 
die  aufgequollenen,  gefchorenen  Wollblumen,  die  bunt  geflickten  Bilder,  die  Rah- 
men aus  VValdfrüchten,  die  aufgelegten  und  aufgenähten  Tuchblumen,  von  denen 
eine  grofse  Menge  zur  Ausheilung  gefandt  wurden,  und  eine  traurige  Verirrung 
des  weiblichen  Gefchmackes  erkennen  liefsen.  Mit  um  fo  mehr  Freude  waren 
dagegen  einzelne,  fehr  hübfche  Arbeiten  ganz  neuer  Art  zu  begrüfsen,  darunter 
einige  Tifchtüchcr,  von  denen  eines  auf  ilrapfarbigem  Untergrunde  bunte  Sträufs- 
chen,  mit  Baumwolle  gearbeitet,  als  Bordüre  zeigte,  ein  zweites  auf  gleichfarbiger 
Leinwand,  in  fchwarzer  Seide,  mit  ruffifchem  Stiche  genäht,  allerliebftc,  figürliche 
Vignetten  in  chinefifchem  Stile  trug,  und  ein  drittes  die  vortreffliche  Krcuzflich- 
arbcit,  der  wir  in  der  weiblichen  Hausinduftrie  aller  Länder  begegnen,  in  einer 
fehr  gut  gezeichneten,  mit  roiher  13aumwolle  ausgeführten  Randverzierung  auf- 
wies. Derlei  Arbeiten  find  befonders  bemerkeswerth,  weil  fie  klar  darlegen,  wie 
weit  das  Feld  ift,  auf  dem  ficli  die  Frauenarbeit  in  Gutem  und  in  Neuem  frei 
ergehen  kann,  und  wieviel  Grazie  und  wieviel  Schmuck  fie  auf  die  einfachen  Ge- 
räthe  für  den  täglichen,  häuslichen  Bedarf  zaubern  kann,  auf  denen  bis  heute 
ein?  Eintönigkeit  der  Geflalt  und  der  Farbe  laftet,  welche  die  gleichen  Gegen- 
llände  im  Haushalte  der  nordifchen  Frauen  nicht  kennen. 

Neben  den  bisher  genannten  Arbeiten  zeigte  fich  eine  vielgeflaltige  Menge 
von  verfchiedenartigen  Erfcheinungen,  von  Experimenten  auf  mannigfachem  Ge- 
biete, darunter  manche  gute  Leiftung,  manches  verfehlte  Stück  Arbeit,  manche 
neue  Erfindung,  untl  mancher  halb  überwundene  und  halb  überlebte  Gedanke, 
der  hier  noch  einmal  zu  Tage  trat.  Blumen  aus  Papier  und  aus  Leder,  unter 
den  erfteren  ein  reizender  Kranz  von  der  Meifterhand  der  Gräfin  Baudiffin  ange- 
fertigt, Malerei  auf  Seide,  Porzellan,  Leder  und  auf  Holz,  einige  Webearbeiten 
auf  winzigen  Webftühlen,  ein  gefiochtener  Brautfchleier,  Holz-  und  Papier- 
fchnitzereien,  xylographifche  Arbeiten,  Blumen  aus  Schwarz-  und  Wcifsbrod  ge- 
knetet, Teppiche  und  Decken  aus  Tuch-  oder  Seidenrtückchen  mofaikartig  zu- 
fammengenäht,  eine  langwierige,  mühfelige  Arbeit,  ein  ]5ücherfchrank  mit  einge- 
legten Bildern,  von  Gräfin  Anna  Braida  in  verfchieden  gebeizten  Hölzern  ausge- 
führt, ein  grofser  Tcppich  aus  Kleiderfloffabfällen  geftrickt,  Albums  und  Körbchen 
aus  Briflolpapier,  getrocknete  Blumen,  und  noch  viele  andere  Dinge  waren  da, 
wie  fic  weibliche  Phantafie  erfindet  und  weibliche  Hände  formen,  oft  reizend  und 
geglückt,  oft  ein  Spielding,  das  man  ficht,  um  es  wieder,  und,  nicht  feiten,  gerne 
zu  vergeffen. 

Wenn  wir  die  ganze  bunte  Reihe  überfchaut,  die  fich  da  in  meift  fröhlichem, 
hellfarbigem  Gewände  zeigte,  fo  kehrten  wir  mit  ftets  erneutem  Vergnügen  zu 
einer  ganz  merkwürdig  fchönen  Arbeit  zurück,  die  unter  den  Kunflflickereicn  hing, 
und  die  Blicke  aller  fachverftändigen  Befucher  feffelte.  Es  war  diefs  ein  von 
Anna  Kupka  geflicktes  Tuch,  deffen  Zeichnung  von  ProfefTor  Storck  entworfen, 


»• 


228, 


DIE  FRAUENARBEIT. 


in  glücklicher  Farbenwahl  ausgeführt, 
die  Arbeit  zu  einem  der  hervorragend- 
llen  Objecte  der  Ausfteilung  geflaltete. 
Als  ein  reizender,  abfondcrlicher 
Schmuck  des  Raumes,  welcher  die 
Frauenarbeiten  fafste,  erfchienen  die 
Producte  der  weiblichen  Hausipduflrie 
mehrerer  cisleithanifchen  Provinzen 
Oeflerreichs,  der  Lander  Tirol,  Steier- 
mark,  Dalmatien,  Mähren,  Schleficn, 
Galizien  und  Bukowina.  Steiermark 
und  Tirol  hatten  nur  wenig  einge- 
fandt,  das  erftere  einige  fchimmernde 
Goldhauben,  geflickte  Kopftücher  und 
ein  „Almtuch"  mit  rother  Kreuzllich- 
arbeit,  die  nette  Hülle,  mit  welcher 
die  Körbe  überdeckt  werden,  in  denen 
die  Almerin  Butter  und  Käfe  von  der 
Alpe  zum  Thal  hinabträgt.  Auch 
Dalmatien  hatte  nur  wenige  Objecte 
gebracht,  einige  geflickte  Hemden, 
rothe  Käppchen  mit  Silber  geflickt, 
ein  Flechtwerk  aus  Aloefäden,  gewebte 
Teppiche  und  Satteltafchen.  Von  die- 
fen Dingen,  unter  welchen  fich  nament- 
lich die  Webereien  durch  orientalifche 
Schönheit  in  I'arbe  und  Zeichnung  auf 
das  Günfligfle  darflellten,  war  drüben 
im  Induftriepalafte  eine  bedeutend 
gröfsere  Zahl  ausgeflellt.  Dort  fahen 
wir  die  Kreuzflicharbcit  des  Nordens 
in  füdlichcr  Farbenmifchung  prangend, 
auf  den  Hemden  der  Männer  und 
Frauen  neben  dem  Schnürfaume  an- 
gebracht, der  hier  wohl  in  ilürftiger 
Geflalt  erfchien ,  aber  dennocii  fein 
altes  Recht  als  durchsichtige  Randver- 
zierung in  den  linnenen  Gewändern 
behauptete.  Neben  diefen  Arbeiten 
nordifcher  Technik  fchimmerten  die 
Goldbenähungen  in  Schnürchen  und 
Flitter  auf  den  Oberkleidern  der  Männer  und  in  den  Schleiern  der  Frauen,  darunter 
manche  reizende  Zeichnung,  wie  fie  Perfien  und  Griechenland  brachten,  während  an 
anderer  Stelle  der  groteske,  derbe  Schmuck  flavifchen  Urfprungs  zu  Tage  trat,  die 
Metallverzierungen  an  Hals  und  Bruft,  die  derben  Knöpfe  und  Ketten,  die  bun- 


Standbild  Rauch's,  von   l'r.  Drake. 


tcn  Bander  und  Schleifen,  von  denen  ganze  Bündel,  vorne  am  Hemde  befeftigt, 
über  die  Hruft  niederflattern.  Goldene  Nadeln,  durchfichtige  Schleier,  hohe  Braut- 
kronen aus  Blumen  und  Federn,  goldbenahte  Mieder  und  Jäckchen  voll  Flitter 
und  Schmuck  und  dazu  die  einfache  crnftc  Arbeit  des  Nordens  auf  dem  wcifsen 


\ 


T" 


230 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Linnenzeuge  wurden  aus  den  verfchicdcncn  Landflrichen  Dalmaticns  gebracht. 
Daneben  glänzten  die  Alocfäden,  aus  denen  manches  fpit/.enartige  Krägelchen 
oder  Tiiclilein  geknüpft  war,  und  prangten  die  Teppiche  und  Decken  in  ihrer 
fröhlichen  Farbenfchönheit  und  den  undefinirbaren,  weichen  Linien  ihrer  fchwung- 
vollen,  untadeligen  Zeichnung. 

Mähren  hatte  im  Pavillon  für  Frauenarbeiten  weit  reicher  ausgcftellt,  als  es 
die  vorgenannten  Länder  gethan.  Es  waren  da  die  Weifsftickereien  und  die 
bunten  Arbeiten  zu  finden,  mit  welchen  die  Bäuerin  ihre  Schürzen,  Röcke  und 
Kopftücher  fchmückt,  Coftümftücke  mannigfacher  Art,  die  Oberhemden  mit  Arm- 
und  Ilalsbefätzen,  in  fchwarzer  oder  gelber  Seide  geflickt,  bunte  Mieder  mit  fil- 
bernen  oder  goldenen  Blumen  bedeckt,  weite  Schürzen  aus  Wollflofif,  aus  Seide 
oder  Sammt  mit  einer  bunten  ßlumenbordüre  geflickt;  Kopftücher,  wie  fie  die 
Mädchen  zum  Tanze  und  die  Frauen  zum  Kirchgange  tragen ;  die  Velums,  lange 
breite  Schärpen  mit  fchöner  Stickerei  in  fchwarzer  Seide;  Tücher  in  welche  die 
Bauerfrau  fich  beim  Qpf ergange  des  Sonntags  hüllt;  die  abfonderlich  geformten 
Hauben  aus  Tüll,  mit  weifsen  Fäden  durchzogen,  die  zierliche  Deffins  in  den 
glatten  Unterfloff  bringen. 

Einige  der  Arbeiten  welche  hier  vorlagen,  haben  ihren  Weg  in  die  Welt 
hinausgefunden,  wie  die  Lofchitzer  Weifsftickercien,  die  Ilotzenplotzer  Spitzen, 
die  mit  Perlen  durchftrickten  Häubchen  und  Lätzchen.  Die  letztgenannte  Arbeit 
wird  in  den  fehr  armen  Bezirken  des  Landes  angefertigt,  und  theils  im  Haufe 
verbraucht,  wo  die  kleinen  Kinder  die  fchweren,  harten  Perlenguirlanden  im  Ge- 
webe der  weifsen  Häubchen,  nach  I>andesfittc,  im  Sonntagsflaatc  tragen  muffen, 
theils  von  Händlern  und  Haufierern  einzeln  aufgekauft,  und  nach  dem  In-  und 
Auslande,  nach  Bayern,  nach  Ungarn,  und  insbefondere  nach  der  Türkei  verfandt. 
Ebenfo  geht  es  mit  den  Weifsflickcreien  und  den  geklöppelten  Spitzen;  beide 
Arbeiten  werden  von  den  ärniflen  Bewohnerinnen  des  Landes  angefertigt  und 
gegen  ein  kleines  Entgelt  an  Unterhändler  veräufsert,  welche  die  billige  Waare, 
mit  reichem  Gewinn,  in  die  meiflen  Kronländer  Oeflerreichs  und  hinaus  in  die 
Fremde  fenden.  Aufser  diefen  Spitzen  und  Stickereien  war  wenig  verkäuflich, 
das  da  vom  Dorfe  zur  Ausftcllung  gewandert  kam;  die  vielen  gehäkelten  und 
geflickten  Schürzenbänder,  die  Tücher,  die  Überhemden  mit  den  prunkvollen, 
breiten  Spitzenkrau fcn,  die  rothfeidenen  Mieder,  die  Leibchen  in  Silberbrocat, 
und  was  da  mehr  von  folchen  Dingen  crfchienen  war,  zeigte  fich  als  flolzer  Be- 
fitz  der  einzelnen  PVau,  der  hier  wohl  prangen,  aber  wieder  dahin  zurückkehren 
foUtc,  von  wo  er  gekommen. 

Schlcfien  hatte  nur  einige  Coflümftücke  gebracht,  darunter  die  langen,  grell- 
rothen  Strümpfe,  den  faltigen  kurzen  Weiberrock  und  das  feidene  Mieder,  in 
welchen  die  Mädchen  dort  zu  Lande  erfcheinen;  daneben  zeigte  fich  eine  primi- 
tive Goldflickerei  und  ein  Sortiment  geklöppelter  Spitzen,  ähnlich  denen,  welche 
Mähren  ausgeflellt,  und  die  um  ihrer  Haltbarkeit  und  ihres  befcheidenen  Prcifes 
willen  reiche  Verbreitung  verdienten. 

Aus  Galizien  und  aus  der  Bukowina  war  eine  Menge  fremdartiger  üb- 
jccte,  abConderlicher,  in  Form,  Farbe  und  Material  eigenthümlicher  Dinge  zur 
Ausftellung  gelangt.     Diefe  Länder,  welche  noch  verhältnifsmäfsig  ferne  von  der 


DIE  FRAUENARBlilT. 


231 


Ilccrftrafse  des  Verkehres  liegen,  bergen  einen  reichen  Schatz  uralter  Sitte,  ur- 
alter Trachten;  dort  ift  noch  das  graue  Linnen  als  Kleid,  das  Teppichgewebc 
als  Schürze  und  Ueberwurf,  der  bronzene  Schmuck  und  das  l'erlgehänge ,  der 
lange,  vielfach  gewundene  Gürtel  und  manche  abenteuerliche  Kopfbedeckung 
daheim,  rlie  halb  der  Turban  des  Südens,  halb  das  fchwere,  verhüllende  Regen- 
tuch des  Nordens  ifl.  Galizien,  das  weite  Land  mit  feinen  verfchiedencn  Völ- 
kerfchaften,  zeigte  eine  Menge  der  verfchiedencn  Trachten,  von  denen  theils  im 
Pavillon  für  Frauenarbeiten  theils  im  Induflriepalafte  eine  intereffante  Sammlung 
zu  fehcn  war. 

Lange  Hemden  von  Linnen,  mit  mancher  ausgezeichnet  fchönen  Kreuzftich- 
bordüre  in  fchwarz  und  roth  oder  in  vielfach  zufammengeflellten  Farben  auf 
Aermel  un<l  15ruft,  locker  gefügte,  wollene  Tücher  ftatt  der  Röcke,  fchmale  ge- 
webte Gürtel  mit  reizenden  Deffins,  Ueberwürfe  aus  Leinwand  oder  Tuch  und 
irgend  eine  abfonderliche  Kopfbedeckung,  ein  Mützchen  mit  rother  Wolle,  mit 
Perlbändern,  mit  Blumen  gefchmückt,  ein  kleiner  Turban,  ein  Strohhut,  eine 
Spitzenhaube  mit  gebaufchter  Kraufe,  ein  verfchlungenes  Kopftuch  oder  derglei- 
chen machen  das  Coflüm  der  J'raucn  aus.  Die  Kopfbedeckung  und  die  Perl- 
fchnüre  am  Hälfe  mit  den  bronzenen  Gehängen  unterfcheiden  in  manchem  I^nd- 
üriciie  allein  die  Tracht  der  P'rau  von  der  des  Mannes,  und  auf  (liefe  Dinge  wird 
daher  befondere  Liebe  und  Sorgfalt  verwendet.  P'eine  nette  Zeichnungen  ziehen 
fich  durch  die  vielfarbigeiv  Perlbänder,  welche  das  Mädchen  am  Hälfe  und  auf 
der  Mütze  trägt,  die  fchwcren  Zierrathe  von  Silbet  oder  von  unedlem  Metalle 
tragen  alle  P'ormen  und  alle  Geflaltcn,  die  ihnen  die  Phantafie  ihrer  Bildner  zu- 
erkennt, um  dem  weiblichen  Gefchmacke  zu  genügen,  und  ilie  Kopfbedeckungen 
in  ihrer  höchft  verfchiedenartigen  Erfcheinung  find  das  Ergebnifs  ebenfo  ver- 
fchiedenartiger  Sitten  und  Gebräuche,  und  erzählen,  ob  ihre  Trägerinnen  weiter 
gegen  Süden  oder  gegen  Norden  wohnen,  ob  fie  alt  oder  jung,  vermählt  oder 
unvermählt  find,  ob  fie  ihren  Hochzeitstag  feiern  oder  zum  Tanze  ziehen,  ob 
fie  das  Brautgemach  betreten  oder  zum  letzten  Gange  gefchmückt,  mit  dem  dürf- 
tigen, leinenen  Mützchen  hinaus  zum  Kirchhof  wandern. 

Bei  der  Einfachheit  der  Gewänder,  ihrer  meift  reizlofen  Form  und  dem  fchwc- 
ren, derben  Material  ift  an  ihre  Schönheit  keine  befondere  Anforderung  zu  ftel- 
len  ;  und  doch  überrafcht  hier  und  da  die  Pracht  der  F.arbe  und  Zeichnung  in 
den  meift  grob  ge.irbeiteten  Kreuzftichbordüren  imd  dem  Schnürfaume,  der  das 
Liimengewebe  fchmückt,  und  in  den  Gürteln,  Teppichen  und  Decken,  von  denen 
manche  als  ein  fchünes  muftergiltiges  Gewebe  auf  der  Ausftellung  erfchien. 

Südlicher  angehaucht ,  reicher  in  P'arbe  und  Stoff  zeigten  fich  die  Dinge, 
welche  aus  der  Bukowina  zu  uns  gelangten.  Auch  hier  find  die  fchwcren 
Oberhemden  aus  felbftgewebtem  Linnen  mit  den  Kreuzftichlifieren,  die  Klei- 
dungsftücke,  wie  fie  die  Männer  und  Frauen  tragen,  die  gewebten  Gürtel,  Ta- 
fchen  und  Teppiche,  die  Schürzen  aus  einem  gobelinartigen  Stoff,  wie  wir  fie  in 
Schweden  und  Norwegen  gefehen,  aber  zwifchen  (liefen  ernftcn,  nordifchen 
Frauenarbeiten  und  den  einfachen  Gewändern  baufcht  fich  hier  und  da  ein  fei- 
flener  Rock,  fchimmert  ein  florartiges  Gewebe,  ein"  Hemdchen  mit  feiner  Spitzen- 
kraufe  und  einem  flimmernden  Jiefatz    von  Goldfäden    und  PMitterftcrnchen   oder 


232 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Das  Nalionaldcnknial  für  König   Maxiinilian  II.  v.>ii  ü.iycin,  von   C.  Zumljufcl». 


DIE  FRAUENARBEIT. 


233 


(ioldfchnmck,  von  Cadcllani   in  Koni. 

;4län7.t  ein  breiter,  metallener  Gürtel,  in  welchem  ein  paar  mächtige  Glasftücke 
flatt  der  Edelfteine  prangen.  Drüben  in  Galizien  war  die  Brautkrone  ein  aufge- 
thürmtes,  luftiges  Flcchtwerk  aus  grünen  Hlättern  und  Zweigen,  hier  ift  fie  ein 
prunkvolles  Gebäude  aus  rother  Seide,  aus  Perlen,  Blumen  und  Pfauenfedern, 
die  fich  ftolr,  emporbäumen;  aus  den  Perlfchnüren  und  Korallen,  die  wir  in  Ga- 
lizien am  Hälfe  der  P^rauen  gefehen,  find  hier  fchwere  Gehänge  von  Silber-  und 
Goldmünzen,  von  metallenen  Kreuzen  und  vielfarbigen  Amulets  geworden ,  und 
neben  ilen  befcheidenen  Häubchen  und  Mützen  fehen  wir  manchen  zarten  Schleier, 
auf  welchem  feidene  Blümchen  in  bunter  Stickerei  fchimmern,  oder  weiche  Schär- 
pen von  gleicher  Arbeit,  ein  reizendes  Gefchenk,  welches  die  Braut  dem  künf- 
tigen Gatten  am  Hochzeitstage  reicht. 

Einzelne  der  Arbeiten  zeugen  von  orientalifchem  Urfprunge,  fo  die  Seiden- 
ftickereien,  in  Deffin  und  Technik,  und  in  dem  Metallglanze,  der  in  einzelnen  Li- 
nien durch  das  ganze  Gewebe  geht,  und  die  Teppiche  mit  ihrer  einfach  fchönen 
Zeichnung  und  der  glücklichen  Farbenwahl.  Diefe  Teppiche  find  von  der  Bauern- 
hütte nach  dem  llerrenhaufe  gewandert,  wo  jüdifche  Weber  mit  Gehülfen  und 
Handwerkszeug  fich,  nach  Landesfitte,  oft  für  Wochen  niedcrlaffen ,  um  fo  ein 
dichtes,  wollenes  Prachtltück  unter  den  Augen  der  Hausfrau  anzufertigen.  Im 
Dorfe  webt  fich  die  Bäuerin  felbft  die  fchwere  Decke,  mit  der  fie  ihre  Stube 
fchmückt. 

P2inen  noch  viel  reicheren  Schatz  als  das  cisleithanifche  Oefterreich  hatte  Un- 
garn in  den  Hausinduflriearbciten  feines  Landes  aufzuweifen.     Im  Induflriepalaflc 


30 


234 


DIE  FRAUENARBEIT. 


waren  die  Arbeiten  der  flavifchen,  fiebenbiirgifchen  und  rumänifchen  Bevölkerung 
Ungarns  neben  denen  Slavoniens  und  Croatiens  gruppirt,  wälirend  draufsen  im 
Parke,  in  dem  fächfifchen  Bauernhaufe  und  in  der  hölzernen  wallachifchen  Hütte, 
fich  ergänzende  Studien  machen  liefsen.  In  diefer  letzteren  war  wenig  zu  finden ; 
auf  einem  niederen  Webfluhl  war  ein  fchnialer,  teppichartiger  Stoffftreifen  aus- 
gefpannt,  etwa  eine  Schürze,  wie  wir  fie,  oft  einfach,  oft  mit  bunter,  ausnehmend 
fchöner  Stickerei  verziert  und  mit  blitzenden  Goldfäden  durchzogen ,  an  der 
Wand  hängen  fahen,  oder  ein  Stück  der  wollenen  Decke ,  wie  fie  über  die  roh 
gezimmerten,  mit  Stroh  gefüllten  Betten  gebreitet  war.  Aufser  dem  Webfluhle 
war  da  der  Spinnrocken,  einige  grobleinene  Hemden  mit  der  Kreuzflichverzie- 
rung  auf  Bruft  und  Aermel,  und  einige  andere  dürftige  Wäfchftücke  mit  fchma- 
len  Bordüren  im  Schnürfaume  und  der  eigenthünilichen  Flechtarbeit,  die  wir  an 
Handtüchern  und  ähnlichen  Dingen  in  Dänemark  gefunden. 

Viel  freundlicher  als  das  vereinfamte  wallachifche  Haus  mit  feinen  öden, 
freudlofen  Wänden,  empfing  den  Befucher  das  Haus  der  fiebenbürger  Sachfen, 
in  welchem,  nebfl;  manchem  nationalen  Geräthe,  hinter  den  Glasthüren  der  ge- 
höhnten Commode  eine  ganze  Sammlung  von  nationaler  Frauenarbeit,  auf  dem 
Sonntagsftaate  der  Bewohner  zu  finden  war.  Weifsftickereien  in  breiten  Rän- 
dern auf  Hemden,  Schürzen  und  Tüchern,  fchwarze  Seidenflickereien ,  zwifchen 
deren  Arabesken,  goldene  Flitterfternchen  und  blitzende  Linien  prangten,  Deffins 
mit  weifsen  Fäden  in  Tüll  genäht,  Flachftickereien  in  Wolle  und  Seide  auf  den 
fchweren  Kleidern  des  Mannes,  kleine  Mützchen,  metallene  Gürtel  und  ähnliche 
Schätze  füllten  den  Schrank. 

Viel  hübfcher  und  viel  eigenthümlicher  als  diefe  Dinge  zeigten  fich  die 
Kreuzflicharbeiten  in  blau,  fchwarz  und  roth,  mit  denen  die  hochgefüllten,  weifsen 
Kiffen ,  die  auf  den  Betten  im  Wohnzimmer  und  in  der  Gaftftube  lagen ,  reich 
verziert  waren.  Köftliche  Deffins  von  fliilgerechter  Klarheit  lagen  auf  dem  Lin- 
nenzeug, Arabesken,  Blumen  in  reizenden  Linien  und  origineller  Schönheit. 
Diefelbe  Arbeit  war  drüben  im  Induftriepalafte  zu  finden;  auch  da  hatten  die 
fächfifchen  Frauen  Siebenbürgens  von  den  wunderhübfchen  Kreuzfhcharbeiten 
auf  Decken ,  Tüchern  und  auf  Linnenzeug  aller  Art  die  prächtigften  Dinge  ge- 
liefert. Statt  der  feinen  Ranken,  die  fich  über  den  Rand  der  Kiffen  hinzogen, 
waren  da  fchwere  Bordüren  in  glühendem  Roth  auf  weifsem  Untergrunde  ausge- 
führt, neben  denen  an  anderer  Stelle  graziöfe  Lifieren  oder  leichte  Bändchen  in 
zarten  Linien  erfchienen.  —  Neben  den  Kreuzflicharbeiten  zeigten  fich  viele 
Flachftickereien ,  die  aber  von  den  erfleren  an  Schönheit  und  Originalität  weit 
übertrofi'en  wurden.  Ganze  Käftchen  lagen  da  voll  von  diefen  Arbeiten; 
ganz  wunderhübfche  Dinge,  eine  Fülle  von  Erfindungen  in  den  Zeichnungen,  in 
der  Anwendung  ftilgerechter  Motive  waren  da  zu  fehen ,  von  denen  eine  grofse 
Zahl  mit  ihrer  frifchen  Schönheit  als  belebendes  Element  in  unfere  moderne 
Frauenarbeit  mit  vielem  Glücke  einzuführen  wären. 

Unter  den  Arbeiten  der  flavifchen  Hausinduflrie  zeigte  fich  das  verfchie- 
denartigfle  Material  von  dem  fchweren ,  dicken  Schafwollfaden  bis  zur  Seide 
und  zum  blitzenden  Golde,  in  höchft  willkürlicher  Farben  -  Mifchung  verwen- 
det.    Auf  den    weifsen    Überhemden,    mit  den   kurzen,   weit   gebaufchten   Aer- 


DIE  FRAUENARBEIT. 


235 


t 


mein  prangten  Flachfiickereicn  in  Wolle  und  Silber  neben  der  Goldfpitzc,  die 
den  Rand  verzierte,  lün  luftiges,  fröhliches  Leben,  das  nicht  viel  nach  Ziel 
und  Zweck  fragt,  lag  auf  ilen  nieillen  Dingen,  ilie  faft  von  kindifcher  Freude 
am  Vielgeftaltigen  erzahlten.  Mützen  und  Hauben  in  allen  Formen,  mit  Spitzen 
Blumen,  Bamlern,  Federn  beiieckt,  mit  Gold  iiberfchüttet ,  prunkende,  flitter- 
bedeckte Gewander,  grofsblumige  Röcke,  fchillernde  Mieder  und  flatternde 
Schleifen,  mit  Thicrbildern  an  allen  Rändern,  machten  manchen  Aufputz 
aus.     Daneben   aber   zeigten    ficli    feine,    vornehme   Stickereien    in    gelber   Seide 


Tajielc  vun   iJaliii  in  l'aris. 

und  Silber  auf  irgend  einem  Gewand  oder  zitterten  funkelnde  Goldarabesken 
durch  eine  weiche  Spitze  oder  glühte  eine  farbenprächtige  Bordüre,  als  Rand- 
verzierung eines  Gewebes,  in  feltener  Pracht.  Vielfach  waren  hier  in  den  Ar- 
beiten die  Motive  aus  der  Thierwelt  zu  finden,  oft  recht  nett  gruppirt,  am 
richtigen  Platze,  oft  toll  und  grotesk,  in  kindifch  naiver  Zufammenftellung 
oder  wirrem  Durcheinander;  oft  Pferde,  Vögel  und  Frauengeflalten ,  die  hinter 
einander  herfprangen,  und  durch  die  regelmäfsige  Wiederholung  delTelben  Mo- 
tives  einen  doppelt  komifchen  Effect  machten.  Zuweilen  waren  diefe  Bilder 
mit  bunten  Farben  in  den  Rand  eines  Tuches  gezeichnet,  zuweilen  fchimmerten 
fie  in  einer  durchfichtigen  Spitze  und  liefsen  nur  in  feinen  Linien  die  Skizze  er- 
rathen,  die  hier  dem  Gewebe  zu  Grunde  lag. 

Noch  viel  prunkvoller  in  der  F'arbe,  noch  viel  glänzender   in  Schmuck  und 
Zier  als  die  ebengenannten  Arbeiten   zeigten   fich  die  Producte  der  rumänifchen 


JO* 


236 


DIE  FRAUENARRItIT. 


Hausinduftrie  Ungarns,  die 
Gewebe,  die  Gewänder,  auf 
deren  Form  und  Technik 
wir  fpäter,  in  dem  Berichte 
über  die  Ausftcllung  der 
Romania  wieder  zurück- 
kommen werden. 

Ungarn  felbft  hatte 
an  Frauenarbeiten  Coftüm- 
ftücke  vcrfchiedenftcr  Art, 
Strohgeflechte ,  gewebte 
Stoffe,  Blumcnund ähnliche 
Dinge  gebracht,  darunter 
manch  prunkendes  Gewand, 
Mieder  und  Schürzen  mit 
Gold  und  feidenen  Blumen 
bedeckt,  feine  Spitzenge- 
webe, durch  die  fich  Flittcr- 
arabcsken  mit  glühenden 
Kelchen  zogen,  Spitzen  mit 
fchwarzer  Seide  und  Gold 
durchwirkt,  manches  feine, 
elegante  Tuilettcflück,  auf 
dem  eine  ganze  Flulh  von 
Glanz  und  Schimmer  lag. 
Und  mitten  unter  all  der 
prunkenden  Schönheit,  un- 
ter dem  leuchtenden  Ge- 
funkel  lag  allerorts  das 
Flachsbündel  mit  feinem 
feinen  zaufigen  Fadenge- 
wirre, und  der  Spinnrocken, 
und  erzählten,  dafs  fie  hier 
in  dem  vielgeftaltigen  Ge- 
pränge daheim  feien ,  und 
die  Grundlage  wären  von 
all  der  Schönheit. 

Aus  Croatien  um! 
S 1  a  V  o  n  i  c  n  war  sehr  wenig 
von  den  fchönen  weitge- 
rühmten Arbeiten  der  Haus- 
induftrie eingefandt  worden, 
von  den  köftlichen  Sticke- 
reien in  Gold,  in  Wolle  und 
Seide,in  welchen  die  orienta- 


Treppcrigclancler    von  Mefriiig, 
voll  Denicre  in  Paris. 


lifchc  Technik  tiiiklin{;;t  und  oricntalifchcr  Farbcnfinn,  von  den  fchönen,  tlilgerechtcn 
Zeichnungen,  mit  denen  die  Bauersfrau  alle  Gewänder  fchmückt.  Das  k.  k.  öfter- 
reichifche  Mufeuni  für  Kunft  und  Induflrie  hat  eine  Samnilung  fulcher  Arbeiten 
erworben,  die  uns  die  gan/.e  Scliönheit,  den  Reichthuni  der  Erfindung  zeigt,  welche 
hier  aus.  unfcheinbarem  Material,  mit  den  dürftigflen  Mitteln  köftliche  Dinge 
fchafift.  Es  find  grobe  Leinwandhemden,  auf  Bruft  und  Aermel  mit  lockeren 
Kreuzflichbordüren  benäht,  die  durch  ihr  lofes  Gefüge  einen  plaftifchen  Kflfecl 
abgeben,  wie  wir  ihn  in  ähnlicher  Weife  nur  auf  den  Gewändern  der  Frauen 
von  Marokko  gefehen.  Auf  Tüchern,  Schürzen  und  Überhemden  erfcheint  der 
Schnürfaum  als  Spitze  verwendet,  hier  und  da  ifl  er  in  die  Schleier  als  feiner 
Rand  mit  Goldflittcr  unil  lichtrother  Seide  verwebt.  Blumen,  Arabesken,  Thier- 
und  Menfchengeftalten  find  im  Schnürfaum,  in  der  Flachflickerei ,  in  den  Kreuz- 


238  DIE  FRAUENARBEIT. 


ftichbordüren,  in  der  Klöppclfpitzc  und  in  den  VVcbcarbeitcn  zu  finden,  oft  kin- 
difch  naiv  und  grotesk,  oft  mit  Schwung  in  ernfter,  einfacher  Zeichnung  ange- 
bracht. Ueberall  khngt  in  den  Arbeiten  der  Norden  und  der  Süden  gleichzeitig 
an.  Die  Nelkenknofpe  und  die  vollerblühte  Mohnblume,  die  Vögel  mit  dem 
gehobenen  Flügel,  der  Ilahn,  das  fpringendc  Böcklein  und  ähnliche  Erfcheinun- 
gen,  wie  wir  fie  auf  den  Frauenarbeiten  Rufslands  finden,  und  die  Farbengluth 
in  den  reizenden  Ornamenten,  die  blitzende,  flitterdurchwebte  Spitze,  der  Schmet- 
terling zwifchcn  funkelnden  Sternen  und  glühenden  Blumenblättern,  wie  wir  fie 
im  Süden  entdecken,  liegen  auf  allen  Gewändern  bald  in  mühevoller  Arbeit,  bald 
leicht  und  lofe  hingeworfen,  wie  im  Spiele. 

Von  allen  diefen  Producten  der  weiblichen  Hausinduflrie  waren  nur  die 
Teppiche,  die  flachen  Gewebe,  auf  der  Ausfl;ellung  vertreten,  mit  ihrer  bunten 
Farbenpracht  und  der  meifl  fehr  fchöncn  flilgerechten  Zeichnung. 

Neben  den  Arbeiten  nationalen  Urfprunges  brachten  die  transleithanifchen 
Länder  einige  unbedeutende  und  einige  unfchöne  Frauenarbeiten  von  Dilettan- 
tinnen, darunter  manches  von  überlebter  Erfindung.  Die  Ausftellung  des  Haus- 
frauenvereincs  und  die  des  Fraueninduflrievcreincs  enthielten  der  Mehrzahl  nach 
echte  Dilettantenarbeiten  moderner  Erfindung,  von  der  fchwercn  Tuchblumc  auf 
Decken  untl  Polftern  bis  zu  den  Bildern  aus  Gewürzblumcn,  aus  Menfchenhaaren 
und  auf  Stramin  geftickt.  Hie  und  da  zeigte  fich  mitten  unter  diefen  traurigen 
Dingen  irgend  eine  Kante,  ein  Streifchen,  denen  die  volle  Schönheit  der  nationa- 
len y\rbeiten  eigen  war,  wie  wir  fie  in  der  Hausinduflrie  des  Landes  gcfehen,  und 
folche  Erfcheinungen ,  nebfl  guten,  praktifchen  Nutzarbeiten,  warfen  ein  verföh- 
nendes  Licht  auf  die  ganze  Gruppe,  in  welcher  die  mannigfachen  Verfchroben- 
heiten,  die  da  in  allen  Gcflalten  prangten,  mit  gewöhnlicher  Aufdringlichkeit  um 
den  Vorrang  ftritten. 

Alles,  was  wir  in  Ungarn  von  den  Frauen  der  vcrfchiedenen  Volksftämme 
gearbeitet  fahen,  das  hatte  Rumänien,  mit  dem  Glänze  und  dem  Reichthum 
des  Südens  überfchüttet,  in  mannigfacher  Geflalt  wiedergebracht.  Die  Aushei- 
lung der  Frauenarbeiten  des  Landes  bildete  einen  Glanzpunkt  in  dem  Räume, 
welchen  Rumänien  einnahm ;  da  flimmerte,  funkelte  und  blitzte  alles,  da  leuchtete 
die  dunkle  Farbengluth  auf  allen  Gewändern,  und  ein  reizendes  Gewirre  von 
golddurchfponncnen  Schleiern,  feidenen  Blumen,  flitterbedeckten  Schürzen,  von 
Flor  und  Spitzen,  von  Silberfäden  und  fchweren,  fchimmernden  Perlgehängcn  zog 
das  Auge  des  Befchauers  auf  fich. 

Der  Untergrund,  die  Technik,  aus  welchen  diefe  blendende  Herrlichkeit 
entfteht,  find  die  des  Nordens.  Die  Leinwand,  dicht  oder  locker  gewebt,  der 
dunkle  Schafwollftoff,  hie  und  da  die  leichte  Seide,  wie  wir  fie  in  der  Bukowina 
gefehen,  w'erden  zu  den  Gewändern  verarbeitet,  und  auf'dicfe  Stoüfe  wird  mit 
dem  Kreuzfliche  in  bunten  Farben,  oder  in  Flachflickerei,  das  Gewirre  von  Bor- 
düren und  Arabesken  gezeichnet,  das  nicht  feiten  den  ganzen  Untergrund  be- 
deckt. Hie  und  da  gibt  die  Technik  des  Südens  GaftroUen,  der  Tambourflich 
und  die  Schnürbenähungen  ziehen  ihre  biegfamen  Linien  über  den  Stoff"  und 
legen  fich  in  reizender  Farbenmifchung  zu  Gewinden  und  Ranken  zufammen. 
Erfl   über  diefe ,   mei(\  einfachen  Zeichnungen   in    anfpruchslofer  Technik  ausge- 


DIE  FRAUENARBEIT. 


23U 


führt,  ift  dann  das  metallifche  Lichtgefunkel  des  Südens,  das  bleiche,  leuchtende 
Silber,  das  glühende  Gold  gebreitet,  die  in  feinen  Fäden  fich  durch  die  Arabes- 
ken und  Ornamente  fchlingen,  oder  als  eine  Lafl  von  Glanz  und  Schimmer  den 
Untergrund  decken,  als  Flitterfternchen  die  Blumenkelche  füllen,  und  taufend 
Stellen  finden,  die  fie  mit  ihrem  zitternden  Lichte  beleben.  Die  Coftümftücke, 
auf  denen  die  reiche  Zier  von  Frauenhand  liegt,  find  die  Überhemden  in  Lein- 
wand, in  leichter  Seide  und  in  Flor,  die  Schleier,  die  gewebten  Gürtel  aus  Schaf- 
wolle und  Flitter,  und  das  Prachtwerk,  die  Schürze,  welche  aus  zwei  Theilen  be- 
fleht, von  denen  der  kürzere  vorne,  der  längere  rückwärts  getragen  wird.  Stickereien 
in  Farben,  mit  Gold  und  Silber  durchwirkt,  bedecken  das  teppichartige  Gewebe, 
an  deffen  Rand  lange,  mit  Flitter  gezierte  Wollfranfen  genäht  find,  welche  an 
der  oft  nur  fpannenbreiten  Schürze  als  ein  bewegliches,  meift  glührothes  Ge- 
hänge prangen. 


Ruffifche  Krüge. 


Auch  hier,  mitten  unter  dem  Gefunkel,  ifl  der  Schnürfaum  zu  entdecken,  mit 
Silberfäden  und  Seide  durch  webt,  der  fich  am  Rande  des  Schleiers,  des  durcli- 
fichtigen  Kopftuches  hinaufwindet,  welches  letztere  neben  Blumenkränzen  und 
langen,  feinen  Goldfirähnen ,  die  lofe,  wie  bewegliche  Strahlen,  über  die  Schul- 
tern bis  zum  Saume  des  Gewandes  hinabfallen,  den  Haarfchmuck  der  Frauen 
ausmacht. 

Von  bunten  Webereien  brachte  Rumänien,  aufser  den  Schürzen  und  den 
Bändern  welche  den  Gürtel  bilden,  und  deren  Enden,  mit  Flitter  und  Quäftchen 
gefchmückt,  vorne  herabhangend  getragen  werden,  eine  bedeutende  Zahl  von 
Teppichen,  Decken  und  Tafchen,  mit  denfelben  undefinirbaren,  ftilvollen  Zeich- 
nungen und  derfelben  fröhlichen  Farbenfchönheit,  wie  wir  die  gleichen  Gewebe 
unter  den  Arbeiten  der  füdflavifchen  Frauen,  ferner  in  Galizien  und  in  Dalmatien 
gefehen. 

Abfeits  von  den  Arbeiten  der  Hausinduftrie  waren  fchöne  Goldftickereien 
auf  purpurnem  Sammt  ausgeflellt,  Pelze,  Sättel  und  Männerkleider,  ferner  alte 
und  neue  Arbeiten  zu  kirchlichen  Zwecken,  i'.iramente,  Bihler,  «larunter  eine 
Grablegung  Chrifli,  eine  Menge  von  in  Ocl  gemalten  Gefichtcrn,  Händen,  Füfsen, 
über  die  ein  Goldgeftricke  hie  und  da  gebreitet  war;   häfsUch  wie  alles  ähnliche. 


240 


ÜIE  FRAUENARBEIT. 


Ilaiulfpiegel  von  W.  J.  Thomas  in   London. 


Die  Frauenarbeit  Griechenlands  ift  mit  der  Rumäniens  verwandt;  es  ift 
da  daffelbe  füdliche  Blitzen  und  Flimmern,  das  Goldgefunkel  und  die  leuchtende 
Pracht  der  Seide.  Aber  Griechenland  hatte  wenig  eigentliche  Hausuiduflriearbei- 
ten  im  ftrengen  Sinne  gebracht,  aufser  einigen  Cofliimflücken,  wie  feidene  Röcke, 
das  Mieder  mit  den  Arabesken  und  Vögelchen  in  Gold  benäht,  die  feine  Spitzen- 
fchürze,  das  Oberhemd  mit  der  breiten  Ilalskraufe,  den  Halsfchmuck  aus  Bän- 
dern, Perlen  und  Metallgehängen  und  den  Kopfputz  aus  Bandfchleifen,  Blumen, 
Flitter  und  dem  kleinen,  feinen  Spitzenfchleier,  der  über  den  Nacken  der  Grie- 
chin niederfällt. 

Neben  diefen  Dingen,  die  vereinzelt  zu  fchen  waren,  prangten  die  Arbei- 
ten   der  Städterinnen,    Gewänder  von  reicher  Schönheit,    Luxusgegenflände   mit 


DIE  FRAUENARBEIT. 


241 


Emaillirle  Mclallplatle  von  Elkingtoii  &  Co.  in  liirmingham. 


Grazie  und  Glanz  ausgeflattet.  Auf  Tuch,  Sammet  und  auf  fchwerer  Seide  wareo 
köflliche  Ornamente  mit  auf<^enähten  Goldfchnürchen  gezeichnet;  oft  lag 
diefer  Schmuck  als  breite  Bordüre,  die  ihre  Ranken,  Palmen  und  Gewinde  bis 
in  den  Mittelgrund  hinein  fpann,  bald  als  feines  Bändchen  am  Rande  des  Ge- 
wandes. I  lie  und  da  war  eine  leuchtende  Farbe  in  die  Blume ,  in  das  Orna- 
ment eingeführt,  glühte  mitten  in  dem  matten  Golde  eine  funkelnde  Linie  aus 
Flitter  oder  Bouillons  gewoben.  Auf  Schuhen,  auf  Jäckchen,  Ueberwürfen,  Gür- 
teln und  Schleiern  lag  diefe  helle,  elegant  durchgeführte  Pracht.  Selten  fand 
fich  eine  verfehlte  Zeichnung  oder  eine  mifsglückte  Farbenmifchung ;  alles  fah 
überfchüttet  mit  Reiz  und  Schönheit  aus,  und  nur  wo  die  Arbeit  von  der 
Technik   nationaler  Erfindung  abwich,   machten  fich   Irrthümer  geltend. 

Neben  den  bunten,  fchimmcrnden  Gewändern  war  die  Gold-  und  die  Sei- 
denfpitze  des  Orients  zu  finden,  die  letztere  als  das  feine,  filigranartige  Gewebe, 
welches  mit  der  Nadel  angefertigt  wird,  und  eine  der  mühfamften,  wenigfl  lohnen- 
den Arbeiten  von  Frauenhand  ifl.  In  fubtiler  Reinheit  ausgeführt,  erfchien  fie 
hier  am  Rande  der  Schleier,  der  weiten,  hängenden  Aermel  des  feinen,  feidenen 


u 


242 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Obergewandes,  wo  fie  als  Blümchen,  Arabesken  und  Falter  in  wechfelnder  Ge- 
ftalt  fich  zeigte. 

Die  Ausftellungen  einiger  weiblichen  Unterrichtsanflalten ,  der  Communal- 
fchule  zu  Corfu,  der  Inftitute  Arfakion  und  Surmelis  zu  Athen,  hatten  ausge- 
zeichnet fchöne  Arbeiten,  Weifs-  und  Buntftickereien,  Spitzen,  Nähereien,  gute 
Stopfarbeiten  gebracht.  Einige  Luxusarbeiten,  wie  eine  Gobelinftickerei  des  In- 
ftitutes  Arfakion  und  einige  reizende  Filctguipurearbeiten,  welche  die  Schule 
Surmelis  brachte,  gehörten  zu  den  beflen  Dingen  der  Ausftellungf  leider  wurde 
der  günflige  Eindruck,  welchen  der  Befchaucr  hier  empfing,  durch  manches  Pro- 
duct  ganz  kläglicher,  curopäifcher  Erfindung  geflört,  durch  lärmende  Tuchblumen 
und  Straminftickereien  und  durch  ähnliche  Dinge  von  unfchöner  Farbe  und 
plumper  Geflalt. 

An  der  Schwelle  der  Ausflcllung  Griechenlands,  und  hoch  oben  an  den  W^än- 
den  des  weiten  Raumes,  waren  die  gewebten  Teppiche  und  Decken  zu  fehen, 
von  denen  viele  zu  den  Producten  der  Hausinduflrie  des  Landes  zu  zählen  find, 
und  deren  Mehrzahl  durch  p'arbenfchönheit  und  Zeichnung  ihre  Verwandtfchaft 
mit  den  Geweben  ähnlicher  Art,  welche  Dalmatien,  die  Bukowina  und  Rumänien 
aufwiefen,  deutlich  bekundeten. 

In  anderer  Weife  prunkend  und  prangend  als  die  Frauenarbeit  in  den  bei- 
den Ländern,  über  welche  eben  berichtet  worden,  zeigte  fie  fich  in  Rufsland, 
wo  einzelne  Producte  folcher  Phätigkeit  als  fremde,  abfonderliche  Erfcheinungen 
fich  vorteilten.  Hier  ifl;  es  die  Kreuzflicharbeit  auf  weifsem'  Linnen,  das  bunt- 
bedruckte kattunene  Gewebe  und  die  grobe  geklöppelte  Spitze,  welche  den 
erften  Rang  im  nationalen  Gewände  der  Frau  und  auf  den  mannigfachen  Wäfch- 
ftücken,  dem  Leinenzeug,  den  Tüchern  behauptet.  Effectvolle  Zeichnungen, 
breite  und  fchmale  Bordüren  aus  flilgerechten  Blumen,  Sternen,  Arabesken  zu- 
fannnengefügt,  laufen  in  Blau  oder  Roth  auf  dem  weifsen  Untergrunde  rund  um 
den  Saum  des  Rockes,  auf  diefe  Bordüre  folgt  eine  geklöppelte  Spitze  oder  ein 
Zwifchenfatz,  der  in  den  Stoff  genäht  ifl,  dann  ein  farbiger,  meift  grell  rother 
Kattunflreifen,  auf  dem  eine  naive  Zeichnung  von  gelben  Blumen  und  Ranken 
erfcheint,  und  dann  wieder  die  Klöppelfpitze  und  wieder  die  Kreuzftichbordüre, 
und  fo  fort,  Rand  an  Rand,  in  bunter  Farbe  und  weifser  Spitze  vom  Saume  bis 
zum  Gürtel  hinan.  Ebenfo  find  die  Schürzen  gefchmückt;  ein  fchmaler  weifser 
oder  blauer  Streifen  zeigt  den  eigentlichen  Grundftoff,  dann  kommt  Zierrath  an 
Zierrath  in  bunter  P'arbe,  Klöppelfpitzen  mit  rothen  Hähnen,  mit  Böcken  und 
Ziegen  darin,  glührothe  Bänder  von  Kreuzflicharbeit  mit  ausgezeichnet  fchönen 
Ornamenten  von  claffifchem  Gefchmack  und  dazwifchen  die  hellfarbigen  Stoff- 
bordüren, die  wie  ein  luftiger  Gedanke  durch  das.  Gewebe  gehen.  Blau  und 
Roth  dominiren ;  wo  fich  die  Kreuzflicharbeit  zeigt,  ifl  fie  in  diefen  Farben  aus- 
geführt, auf  den  Handtüchern,  dem  Tifchzeug  find  die  Ornamente  von  leuchten- 
dem Roth  oder  tief  dunklem  Blau,  die  Stoffftreifen  in  Seide  und  in  Wolle  find 
von  gleicher  P'ärbung,  und  nicht  nur  in  der  geklöppelten  Bauernfpitze,  fondern 
felbfl  in  einigen  prachtvoll  gezeichneten  Venezianer  Guipuren  läuft  der  rothe 
Faden  keck  und  verwegen  rund  um  die  fchönen  Blumen  und  Arabesken,  die  in 
dem  kühlen,  blendend  weifsen  Untergrunde  liegen. 


DIE  FRAUENARBEIT. 


243 


Abgefehen  von  folcher  Verirrung  nationalen  Gefchmackes,  wie  fie  an  der 
edlen  Venezianer  Spitze  zu  Tage  trat,  hatte  Rufsland  unter  feinen  Frauenarbeiten 
wenig  ausgcflcllt,  das  nicht  zur  Nachahmung  höchlichfl  empfehlenswcrth  erfchiene, 
und  namentlich  hat  es  die  Verwendung  der  Krcuzrtichborduren  auf  Tifchtüchern, 
Handtüchern,    Bloufen    und   Kinderklcidern    in   entzückend  fchönen  Deffins   und 


Vafe  in  Limoufiner  Ail,  vuii  Mintons  in  Stoke  upon  Trent. 

in  reizeniler  Art  nachgcwiefcn.  Es  gibt  kaum  einen  fröhlicheren  Schmuck  als 
diefe  glührothcn  Bordüren  auf  dem  wcifscn  Untergrunde,  die  durch  die  edle, 
ftilgerechte  Zeichnung  das  einfache  Gewebe  zu  einem  Gcgenftande  von  künfl- 
lerifchem  Wcrthe  umgeftaltcn. 

Eine  Reihe  von  prachtvollen  Stickereien  und  alten,  halbverblichenen  Ge- 
weben hatte  die  Gefellfchaft  zur  Förderung  der  Künfle  ausgeftellt.  Unter  diefen 
Arbeiten  waren  Kleidungsflücke,  Paramcnte,  Kronen,  Mützen  von  abfonderlicher 
Art;    Seide,   Gold,  Perlen  lagen  auf  dem  erflorbenen  Untergrunde,  aus  dem  die 


31« 


244 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Schatulle  von  Serpenlin,   Bronze  und  Halbedelfteinen,  nach  Entwurf  von  R.  Steche  ausgeführt 
von  der  Sächfifchen  Serpentir.-Gefellfchaft  in  Zöblilz  im  fächl.  Erzgebirge. 


iJc^k^ 


DIE  FRAUENARBEIT. 


245 


KnuiiLi  von  <lcr  Züblilzer  SerpciUin-Gcfcllfchafl. 


alte  Pracht  in  einzelnen  Funken  noch  leuchtete.  Auf  den  meiften  Dingen  laftete 
die  Stickerei  mit  allem  T'runke,  wie  wir  ihn  auf  Kirchengewändern  fehen ;  vielen 
der  Gegcnflimdc  war  nicht  Zweck  und  Uefliinniung  abzufragen  ,  fie  waren  eben 
ein  Stück  alter ,  vergangener  Herrlichkeit,  von  der  losgetrennt  fie  nun  hier,  in 
dem  gläfernen  Schrein,  dem  Auge  de.^  forfchenden  Hefchauers  vorlagen. 

Die  AusftelUmg  Finnlands  zeigte  von  Frauenarbeiten,  aufscr  einer  Weifs- 
ftickerei  von  feltener,  äufserft  mühevoller  Technik,  nur  echte,  rechte  Hausindu- 
ftrieproducte,  gewebte  Tücher,  Schuhe  aus  breiten  Baflftreifen  geflochten,  Spitzen- 
mützchen  und  kleine  feidene  Hauben,  Hemden  mit  Tambourarbeit  gefchmückt, 
und  in  roth  und  weifs  mit  dem  ruffifchen  Stiche  auf  allen  Säumchen  benäht, 
Strohgeflechte,  Hüte  und  Matten.     Mitten    unter  allen  diefen    Dingen  lag  der 


246  DIE  FRAUENARBEIT. 


Spinnrocken  und  fland  der  Webfluhl,  auf  welchem,  in  einzelnen  verflochtenen 
Fäden,  ein  Stück  des  einfachen,  groben  Linnenzeuges  lag,  das  hier  in  fchweren, 
aufgerollten  Ballen  zwifchen  den  Holzfchnitzereien,  den  Flechtarbeiten  und  man- 
chem Geräthe  von  Männerhand  geformt,  zur  Schau  geflcllt  war. 

Am  nördlichen  Ende  der  ruffifchen  Ausftellung,  kaum  getrennt  durch  ein 
hohes  Portal,  zeigte  fich  die  Expofition  der  Länder  des  Kaukafus  und  von 
Turkestan,  wie  eine  glühende,  tropifchc  Blume,  welche  der  Zufall  mitten  auf 
die  fremde,  nordifche  Erde  herabgefchleudert  hat.  In  orientalifcher  Farbe  und 
Schönheit  fchimmerte  und  prangte  da  Alles  und  leuchtete  vor  allem  die  Frauen- 
arbeit, die  auf  Seide  und  Sammet,  mit  Goldfaden  und  filbernen  Schnüren  das 
fonnige  Gepränge  des  Südens  hinzauberte.  Schwere  fammetene  Decken,  Ge- 
wänder von  oripntalifchem  Schnitt,  Gürtel  ,  in  denen  Flitterquaften  hingen,  Vor- 
hänge mit  hochaufklimmenden  fremdländifchen  Blumen  und  kühnen  Arabesken, 
durch  welche  Sterne  blitzten  und  der  filbernc  Halbmond  leuchtete,  gemahnten  an 
das  Morgenland,  an  die  Türkei,  in  deren  Ausflellungsraum  unter  einem  Balda- 
chin von  farbenprächtigen,  fchweren  Geweben ,  und  unter  fanft  gebogenen  Pal- 
menzweigen, die  Frauenarbeit  des  Landes  an  bevorzugter  Stelle  erfchien. 

Wir  haben  es  hier  nicht  mehr  mit  der  Arbeit  von  Frauenhand  allein  zu  thun, 
wenn  wir  die  herrlichen  Gold-  und  Seidenftickereien,  die  bunten  Teppiche,  die 
Schleier,  Kiffen,  Decken  und  Gewänder  betrachten,  welche  die  Länder  des  Orients, 
welche  Perfien,  Indien,  die  Türkei,  Tunis,  Marokko,  Egypten  zur  Ausflellung  ge- 
bracht hatten.  Wir  wiffen',  wie  fehr  die  Hand  des  Mannes  hier  im  Spiele  ifl:, 
wieviele  der  wunderprächtigen  Farbeniiiifchungen,  der  kunflgerechten  Zeichnun- 
gen, der  glücklidien  Zufammenftellungen  in  Form  und  Material  ein  Werk  des 
Mannes  find,  der  hier  zu  Lande  das  reizende  Gefüge,  das  die  PVau  allerorts  als 
ihre  Arbeit  kennt,  mit  feiner  Erfindungskraft  belebt  und  gekräftigt  hat  und  mit 
deffen  Hülfe  das  weltberühmte,  unnachahmliche,  in  Form  und  F"arbe  untadelige 
Induftrieproduct  zu  Stande  kommt,  das  wir  als  orientalifche  Frauenarbeit  kennen. 

In  Tambourflich  auf  Seide,  Tuch  und  Gazefloff,  in  Goldflickerei  auf  purpur- 
nem Sammet,  in  Flachflickerei  auf  Leder  und  anderen  Stoffen,  in  Benähungen 
mit  Gold-  und  Silberfchnürchen  zeigten  fich  die  vornehmflen  Arten  der  Technik 
in  den  Arbeiten  der  Türkei.  Wie  begreiflich,  war  kaum  ein  Ding  zu  fehen, 
auf  dem  nicht  irgend  ein  leuchtender  Funke  lag,  bald  als  blitzender  Faden,  der 
fich  gehcimnifsvoll  durch  das  Gewebe  zog,  bald  als  flimmernde  Spitze,  die  am 
Rande  des  Gewandes  oder  des  Schleiers  hing,  bald  als  eine  Laft  von  Gold  und 
Silber,  die  mit  prunkendem  Gefunkel,  fchwer  und  mächtig  auf  dem  Unter- 
ftoffe  lag. 

In  der  Tambourararbeit,  der  eigentlichen  Technik  des  Morgenlandes,  hat 
fich  die  Türkei  weit  hinter  den  anderen  Ländern  des  Orients  gezeigt.  Gröber, 
unregelmäfsiger  reihte  fich  hier  Stich  an  Stich,  als  dies  in  Perfien  und  nament- 
lich in  Indien  zu  finden  war;  die  Arbeiten  fahen  lofe  und  weniger  gediegen  aus, 
wenn  fich  auch  die  Macht  der  guten  Farbe  mit  allem  eigenthümlichen  Reize  in 
ihnen  zur  Geltung  brachte.  In  glücklicher  Verwendung  war  die  Tambourarbeit 
auf  dem  Kleide  einer  der  vielen  Coflümfiguren  zu  fehen,  mit  welchen  der  Aus- 
ftellungsraum  der  Türkei  gefchmückt  war.     Auf  geftreiftem  Stoffe,   der  in  hellen 


DIE  FRAUENARBEIT. 


247 


und  dunklen  Farben  gezeichnet  war,  lief  in  einem  weifsen,  ziemlich  breiten 
Streifen  eine  fchmale  Guirlande  von  ftilifirten  Hlumen  hinauf,  ein  zartes  Gewinde 
im  Kettenftich  ausgeführt.  Die  Arbeit  fah  anfpruchslos  und  doch  reizend  aus; 
man  mufste  fie  fuchen,  um  fie  zu  finden,  ,und  doch  guckten  die  lilümchen,  Bliit- 
ter  und  Ranken  mit  eigenthümlicher,  freundlicher  Schönheit  aus -allen  Falten 
des  Gewandes  hervor. 

Viel  prunkvoller  als  folche  Arbeit  zeigte  fich  die  Goldftickerei,  welche  auf 
Decken  und  Kiffen  prangte.  Auch  an  diefer  Arbeit  war  hier  und  da  die  Aus- 
führung nicht  ganz  tadellos,  die  Zeichnung  nicht  von  hervorragender  Schönheit;  . 
aber  eben  nur  hier  und  da;  eine  grofsc  Zahl  der  herrlichen  Arabesken,  die  auf 
Sammet  und  Seide  mit  goldenem  Faden  gezeichnet  lagen,  fchimmerten  in  der 
ganzen,  räthfelhaften  Pracht  des  Orients. 

Zwifchen  den  kofibaren  Dingen,  die  fich  mit  Seide  und  Metallglanz  iiber- 
fchüttet  zeigten,  fanden  fich  einzelne  Erfindungen  und  Arbeiten  leichterer  Art, 
die  halb  im  Ernfle,  halb  im  Spiele  Verwendung  fanden.  Feine,  goldene  Säum- 
chen fpannen  fich  an  den  Schleiern  hinauf,  feidenc  Blumen  lagen  auf  den  leder- 
nen Riemen  der  Sandalen  geflickt,  einzelne  Halbmonde  und  Sternchen  flimmer- 
ten auf  Ueberwürfen  von  weifsem  Gazefloff,  wie  durch  Zufall  hingeflreut,  die 
feidene,  griechifche  Spitze  zeigte  fich  in  aneinander  gereihten  IJlümchen  und 
Blättern,  in  allen  Farben  verwendet,  während  die  Goldfpitze  am  Rande  des 
Schleiers,  des  Oberkleides  und  des  Tafchentuches  prangte. 

Unter  den  Arbeiten,  welche  in  den  Schränken  ausgeflellt  waren,  fand  fich 
wenig  oder  nichts ,  das  an  die  Technik  des  Abendlandes  oder  gar  des  Nordens 
gemahnte,  man  miifste  denn  einiger  entfetzlichcn  Modearbeiten  gedenken,  eini- 
ger fiatzenhaften  Gebilde,  \\ eiche  irgend  ein  Inflitut  zu  Conflantinopel  als  Schul- 
arbeiten ausgeflellt  hatte.  Dafür  fand  fich  aber  an  ilon  Cofiümftücken ,  an  den 
Gewändern  der  Männer  und  Frauen,  die  draufsen  in  der  Halle  an  den  hohen 
Säulen  (landen,  manche  Arbeit  wohlbekannter,  anheimelnder  Art.  Da  war  der 
Schnürfaum  auf  manchem  leinenen  Hemde,  da  klomm  an.  manchem  Gewände 
eine  fchmale  IJordüre  von  Kreuzftichen  empor  und  fchmiegte  fich  eine  derbe 
geklöppelte  Spitze  um  den  Aermel  des  Unterkleides,  über  dem  ein  koflbarcs, 
mit  Gold  und  prunkendem  Flitter  bedecktes,  in  Seide  fchimmerndes  Gewand  lag. 
Die  Technik  des  Nordens  war  hier  zu  finden,  aber  fie  friflete  ein  kümmerliches 
Dafein ;  der  vollen  Schönheit  entkleidet,  welche  fie  in  ihrem  Heimathlande  kennt, 
halb  verborgen,  nur  wie  geduldet,  verfchwand  fie  vor  der  hellen  Pracht  der 
Seide  und  des  Goldes,  deren  eigentliches  Reich  an  der  Schwelle  des  Orients 
beginnt. 

Die  Arbeiten,  welche  Egypten,  Tunis  und  Marokko  brachten,  und 
welche  hier,  wie  überall,  wo  der  Süden  auf  der  Ausdellung  vertreten  war,  als 
eine  reizende,  die  Blicke  feffelnde  Decoration  erfchienen,  trugen  durchfchnittlich 
das  Gepräge  des  Orients.  Es  war  da  derfelbe  Glanz,  derfelbe  Schimmer  über 
die  Gewäniier  gebreitet,  was  durch  Frauenhand  gegangen,  hatte  unfehlbar  etwas 
von  der  weichen,  üppichen  Pracht  des  Südens  abbekommen,  und  nur  in  einem 
einzigen  Schranke  der  egyptifchen  Ausflellung  waren  nüchterne,  düfter  gefärbte 
oder   wenigflens    prunklofe   Frauenkleider   zu   fehen ;    kattunene   Beinkleider   und 


248 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Kärtchen   in  Kbenholz,  vergolileter  Bronze  und  Email,  von  Ratzcrsdorfer  in  Wien. 

Ueberwürfe,  wcifse  fchmale  Tücher,  die  wie  Schürzen  über  die  Bruft  herabfielen, 
weifse,  weite  Mäntel  aus  BaumwolUloff,  und  einfache,  fchwarze  Lederfchuhe  bil- 
deten die  Beftandtheile  des  ganzen  Coftüms.  Wie  in  Feuer,  Licht  und  Farbe 
getaucht  erfchienen  dagegen  die  fcidenen  Gewänder ,  die  im  Gegenfatze  zu  fol- 
cher  traurigen  Drapirung,  mit  Gold  und  Flitter,  mit  Blumen,  Ranken  und  Orna- 
menten bedeckt  waren,  und  die  theils  in  den  Schränken  zur  Schau  lagen,  theils 
hell,  blitzend,  mit  Bändern,  Perlen,  Gold  und  Flitter  gefchmückt,  fich  als  Coftüm 
der  Frauen  von  Tunis  und  Marokko  erwiefen. 

Unter  den  Arbeiten ,  welche  aus  diefen  Ländern  zur  Ausflellung  gelangten, 
zeigte  fich  ein  eigenthümliches  Gemifch,  eine  Regellofigkeit  in  Technik  und 
Ausführung,   wie  fie  drüben  im  Orient  kein  Land  vorgewiefen  hat,  und  mancher 


DIE  FRAUENARBEIT. 


249 


Caffette  in   rpanifchcr  laufcliirler  Arbeit,  von  Zuloaga. 

Anklang  an  weit  Entferntes ,  an  Dinge,  die  wir  im  Herzen  Europa's  daheim  ge- 
fehen;  es  waren  da  viele  abfonderliche  Erfindungen,  aufgebaut  auf  afiatifche 
Pracht  in  Material  und  Zeichnun<T,  und  ausgefi.ihrt  mit  Hülfe  eingewanderter,  eu" 
ropaifcher  Technik.  So  waren  da  in  der  Ausfteiluiig  Egyptens  Blumen  in  far. 
biger  Seide,  deren  Fäden-durch  feinen  Florftoff  gezogen  waren,  eine  Arbeit  die 
wir,  zwar  in  Weifs,  aber  doch  nur  in  Spanien  getroffen,  und  die  feit  Jahrzehn- 
ten aus  Europa  verfchwunden  fcheint,  früher  aber  hier  hoch  im  Schwünge  war; 
ferner  brachte  Marokko  eine  eigenthümliche  Stickerei  auf  locker  gewebtem  Un- 
tergrunde, von  welchem  fich  Stich  um  Stich  lofe  abhebt,  fo  dafs  die  Arbeit  auf 
den  erflcn  Blick  einem  Geftricke  gleicht,  eine  Technik,  die  nur  in  Hausinduftrie- 
arbeiten  der  füdflavifchen  Frauen  wiederzufinden  ill;;  gleich  überrafchend  wie 
diefe  F>fcheinung  zeigte  fich  die  Uebereinflimmung  mancher  Zeichnung  mit  de- 
nen der  füdflavifchen  und  ruffifchen  Ornamente,  da  hier  in  Marokko  ebenfo  wie 
dort,  das  gehörnte  Böcklein,  der  Vogel,  die  Fraucngedalt  mit  den  in  die  Seite 
geftemmten  Armen  zu  finden  waren,  nur  dafs  fie  hier  nicht  in  der  geklöppelten 
Spitze  oder  in  der  Kreuzflichbordüre  erfchienen,  fondern  in  fchimmernder  Seide 
auf  reichen  Decken  prangten.  Ferner  hatte  Tunis  IJordüren  in  drapfarbiger  Seide 
auf  weifsem  Untergrunde  flach  gellickt  ausgeftellt,  wie  folche  Arbeiten  in  gleicher 
Farbe  und  von  gleicher  Schönheit  der  Zeichnung  unter  den  Producten  der  Haus- 
induftrie  Mährens  vielfach  auf  Hemdbefätzen  und  Vclums  der  Frauen  zu  fin- 
den waren. 

Diefe  halb   abendländifchen   Erfcheinungcn ,    die  uns    anheimelnd    aus    dem 
fremden,  orientalifchen  Gewände  entgegenfchauten,  waren  da  in  einer  glänzenden 


aa 


250 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Umgebung  anderer  Art.  Herrliche  Stoffe  in  purpurner  Seide  durchwebt,  Klei» 
der,  auf  denen  ein  ganzer  blitzender  Regen  von  goldenen  und  filbernen  Blüthen 
lag,  koftbare  Vorhänge  und  Decken  zu  religiöfem  Gebrauch,  mit  pomphaft  fchwe- 
rer  Zeichnung,  mit  Ampeln,  Säulen  und  aufflrebenden  Blätterranken  in  Gold- 
ftickerei  bedeckt,  Schuhe,  Schleier,  Ueberwürfe,  alles  mit  dem  leuchtenden  Ge- 
funkel  überfchüttet.  Befondere  Vorliebe  und  Sorgfalt  war  dem  Schmucke  der 
Sättel,  der  Pferde-  und  Kameeldecken  gewidmet.  Es  waren  da  einzelne  diefer 
Dinge  mit  feltenem  Reichthum  ausgeftattet;  dunkelgrüner  oder  purpurrother 
Sammet  bildeten  den  Untergrund,  auf  dem  mit  UeberfüUe  und  Verfchwendung 
Zierrath  an  Zierrath  fich  zu  breiten  Bordüren,  zu  fchwungvoll  verfchlungenen  Eck- 
flücken  aneinander  reihten,  und  mit  Gold,  Silber  und  Flitter  oft  hohe  Knaufe 
aufbauten,  in  denen  vielfarbiges  Metall  wie  ein  Regenbogen  fchillerte. 

Mannigfach  gefchmücktes  Sattelzeug  war  auch  faft  die  einzige  Frauenarbeit, 
welche  die  Ausflellung  Centralafrika's,  die  fich  an  die  Egyptens  fchlofs, 
aufzuweifen  hatte.  Hier,  wo  die  freundliche  Bahn  der  Cultur  ihrem  Ende  zugeht, 
wo  aller  Schmuck,  aller  Luxus  verfchwindet  und  nur  die  dürftigen  Gcräthe  für 
den  Bedarf  dürftiger  Exiftenzen  zur  Stelle  waren,  hier  fand  fich  wohl  nichts  von 
Gold  und  Seide  auf  den  hoch  gebauten  Sätteln  und  den  fchmalen  langen  Decken, 
die  vom  Rücken  des  Kameeies  herabhängen.  Statt  folcher  glänzender  Zier  waren 
weifse  kleine  Mufcheln  in  geraden  Linien  und  Arabesken  aufgenäht,  viel- 
farbige Glasperlen  und  Stoffendchen  daran  gereiht,  und  wo  der  Schmuck  und 
der  Luxus  ihren  Gipfelpunkt  erreichten,  hie  und  da  ein  winziges  Plättchen  Flitter- 
gold angebracht.  Wie  Kinderfpielzeug  fehen  diefe  Embryonen  des  Luxus  und 
der  verfeinerten  Bedürfniffe  aus;  fie  find  eben  ein  Anfang,  wie  er  taüfendmal  da- 
gewefen ,  und  wie  ihn  jedes  Ding  gehabt ;  der  Weg  ifl;  weit  von  den  kleinen, 
weifsen  Mufchelreihen  auf  den  ledernen  Decken  zu  der  funkelnden,  blendenden 
Pracht,  wie  fie  dort  im  Nebenraume,  auf  Sammet  und  Seide  und  den  prunkenden 
Gewändern  lag;  aber  der  Weg  ifl  da,  und  mag  es  noch  fo  lange  währen,  er  wird 
endlich  zurückgelegt  werden. 

Ein  Frauengewand  darf  nicht  vergeffen  werden,  das  unweit  von  dem  hier 
ausgeflellten  kleinen  Beduinenhaufe  an  der  hölzernen  Wand  hing,  und  als  Gegen- 
fatz  von  culturhifl:orifcher  Bedeutung  dem  Rahet,  der  Schürze  aus  Lederfträhnen, 
welche  die  Mädchen  als  einzige  Bekleidung  tragen,  diente.  Es  waren  Bein- 
kleider und  ein  Oberhemd  aus  grobem,  weifsen  Baumwollfloffe,  die  an  den  Nähten 
und  Säumen  reich  mit  Arabesken  gefchmückt  waren ;  in  bunter  Schafwolle  tam- 
bourirt  zeigte  fich  eine  einfache,  folgerechte  Zeichnung,  die  an  der  Bruft  des 
Oberkleides  fich  in  Rofetten  und  feinen  Lifieren  ausbreitete  und  nach  unten, 
nach  dem  Rande  des  langen  Gewandes,  fpitz  zulief. 

Hatten  die  Türkei  und  die  Culturländcr  Afrika's  die  Macht  des  Goldes  und 
des  Silbers  auf  den  prächtig  fchimmernden  Geweben  gezeigt,  fo  wies  Perfien 
den  anmuthigen,  allbezwingenden  Zauber  der  Farbe  nach.  Aus  allen  Schränken, 
von  allen  Wänden  grüfste  ein  fröhliches,  leuchtendes,  glühendes  Farbengemenge, 
ein  Meer  von  unentwirrbaren  Blumen  und  Arabesken,  die  auf  Teppichen, 
Decken,  Tüchern  und  Gejvändern  lagen,  und,  trotz  aller  Fülle  und  aller  Mannig- 
faltigkeit  der  Farbentöne,    fich  wie  die  gefchaute  Harmonie  darflellten.     Es   ifl 


DIE  FRAUENARBEIT.  251 


weltbekannt,  wie  die  herrlichen  bunten  Shawls  und  Decken  entflehen,  die  hier 
in  der  perfifchen  Ausflclhing  alle  Blicke  fcfleltcii,  wie  der  Untergrund  nach  be- 
flimmter  Zeichnung  aus  verfchieden  gefärbten  Stofifstücken  mühevoll  zufamnien- 
genäht  wird,  und  wie  erft  über  das  fo  bereitete  Gefüge  mit  Seide  und  Wolle 
geflickt,  tambourirt  und  der  Goldfaden  gezogen  wird,  der  hie  und  da  in  den 
Blumen  leuchtet.  Der  Effect  folcher  Arbeit  ifl,  bei  der  glücklichen  Wahl  der 
Farbe,  wie  fie  hier  immer  zu  Tage  tritt,  ein  unfehlbar  gewinnender,  da  nicht  nur 
die  Zeichnung  der  Stickerei,  voll  Grazie  und  Licht,  das  Auge  felTelt,  fondern  aus 
jedem  Ornament  die  Farbe  des  Untergrundes  voll  Kraft  und  Leben  hervor- 
leuchtet. 


Türkifche  Kruge. 

Mühevoll  wie  diefe  Arbeit,  zeigte  fich  faft  alles,  was  hier  mit  Nadel  und 
Faden  zu  Stande  gebracht  erfchien.  Da  waren  die  feinen,  meifl;  dünn  geflreiften 
Schawls,  in  deren  fertiges  Gewebe  taufende  von  winzigen  Blümchen  und  Arabesken 
eingenaht  find,  und  zwar  in  fo  meiflcrhafter  Weife,  dafs  niemand  die  Entftehungs- 
art  diefer  Deffins,  dicfer  unzählbaren  kleinen  Ornamente  ahnt,  der  nicht  darüber 
belehrt  wird ;  ferner  waren  da  die  kurzen,  gamafchenartigen  Beinkleider  der  per- 
fifchen Frauen,  die  aus  einem  dürftigen,  groben  BaumwoUftofif  gemacht  find, 
welcher  aber  mit  reizenden  Bordüren  von  flilifirten  Blumen  und  Arabesken  in 
Seide  gc-fhckt,  fo  dicht  bedeckt  ifl,  dafs  nicht  ein  Faden  des  urfprünglichen  Ge- 
webes fichtbar  bleibt,  und  aus  dem  lofen  Stoff  ein  fchweres,  dichtes  Gefüge 
wird.  Ebenfo  merkwürdig  wie  diefe  Arbeit,  die  nirgends  in  gleicher  Art  zu 
finden  war,  zeigte  fich  hier  das  Kind  des  Nordens,  der  Schnürfaum,  der  mit 
weifser  Seide  als  reizendes,  ganz  unübertrefflich  gearbeitetes  Gitterwerk  in  den 
Schleier  der  perfifchen  Frau  eingewebt  war,  wo  er  die  einzige  durchfichtige  Stelle 
für  das  Auge  der  Trägerin  bildet.  Eine  andere  Arbeit,  die  durch  Technik,  Ma- 
.terial   und   Zeichnung  an  Europa  gemahnte,    war  eine  feine   Strickerei,    kleine. 


33* 


252 


DIE  FRAUENARBEIT. 


Armfeffel  von  Levy  &  Wurms  in  Paris. 


fchafwoUene  Söckchen,  vielfarbig  mit  feinen  Bordüren,  wie  wir  ganz  diefelbe  Art 
unter  den  Hausinduftriearbeiten  Dalmatiens,  der  Frauen  aus  dem  Gebiete  Ra- 
gufa's  gefunden.  Diefelbcn  Palmen ,  Blümchen ,  Arabesken  waren  mit  kunfl- 
fertigcr  Hand  eingewebt,  diefelben  Farben  wechfelten,  und  felbft  in  der  ausge- 
zeichneten, feltenen  Feinheit  des  Materiales  war  zwifchen  hier  und  dort  kaum 
ein  Unterfchied. 

Wenn  nun,  wie  oben  angedeutet,  der  Charakter  der  Technik,  welche  der  pcr- 
fifchen  Frauenarbeit  zu  Grunde  liegt,  der  des  mühevollen  Schafifens  ift,  mit  dem 
glänzende,  lohnende  Refultate  erzielt  werden,  fo  fand  fich  doch  auch  hier  manches 
Ding,  auf  dem  mit  kecken  Zügen,  und  mit  grobem,  derbem  Matcriale  ganz  wun- , 
dervolle  Effecte  hervorgebracht  waren.  Schwere  Decken  und  Teppiche,  welche 
als  Unterlage  für  die  feineren,  koftbareren  perfifchen  Gewebe  ähnlicher  Art 
dienen,  lange  Draperien  aus  filzartigem  Stoffe,  welche  zum  Verfchluffe  und  als 
Schmuck  des  Zeltes  angebracht  werden,   zeigten   auf  weifsgrauem  Untergrunde 


DIE  FRAUENARBEIT. 


253 


Armfeffcl  von  Roudilloii  in  l'aiis. 

fchöne,  farbenprächtige  Bordüren,  Blumen,  Arabesken,  in  grober  Schafwolle  tam- 
bourirt,  die  leicht  und  kühn,  mit  langfchaftigen  Blättern,  mit  Ranken  und  Ge- 
winden zur  Höhe  ftrebtcn.  Nicht  alle  Dcffins  waren  gleich  glücklich  gewählt, 
hie  und  da  krabbelten  Pferde  und  Reiter  in  poffenhaften  Geftalten  den  Rand 
der  Decke  entlang,  aber  nur  hie  und  da,  und  Blume  und  Arabeske  trugen  den 
Sieg  über  diefe  Ausgeburten  einer  kindifchen  Phantafie  davon. 

Wenn  das  Gold  in  den  fonftigen  Arbeiten  Perficns  durch  die  Farbe  ver- 
drängt wird,  fo  behauptet  es  fein  Recht  in  den  Gewändern  der  Frauen. 
Auf  dem  feidcnen  Unterkleide,  auf  dem  mit  eingewebten  Blumen  ge- 
fchmückten  Leibchen,  in  dem  Gazeftoffe  des  Oberhemdes,  in  dem  mit  Flitter 
geftickten  weifsen  Mantel,  überall  blitzt  und  blinkt  der  Goldfaden  durch,  und  er- 
zählt die  alte  Mähr  von  der  ihm  angeborenen  Wunderpracht.  Auf  dunklem 
Sammet  lag  in  einem  Schranke  eine  Sammlung  köftlicher  Arbeiten  vor,  Gold- 
und  Silberbenähungen,  Arabesken,  in  denen  zwifchcn  goldenen  Ranken   filbeme 


254  DIE  FRAUENARBEIT. 


Vögel  und  Blumen  leuchteten,  Arbeiten,  welche  weniger  durch  die  Zeichnung 
als  durch  Glanz  und  Schimmer  an  ähnliche  Producte  Indiens  erinnerten. 

Die  Gold-  und  Silberbenähung,  der  koftbarfte  und  blendendfte  Schmuck  der 
Gewebe  ift  fo  recht  eigentlich  in  Indien  daheim,  und  was  diefes  Land  von 
folchen  Dingen,  von  mit  Gold  und  Silber  überfchütteten  Gewändern  und  Decken 
gebracht  hatte,  wurde  von  keinem  anderen  Lande  erreicht.  In  den  Prachtwerken 
indifcher  Technik  dient  der  Goldfaden  oder  das  blitzende  Schnürchen  nicht  als 
Randverzierung,  nicht  als  koftbarer  Schmuck,  fondern  wird  zum  Beflandtheile 
des  Gewebes,  das  es  nahezu  vollkommen  bedeckt,  und  welches  nur  hie  und  da 
durch  die  meift  herrliche  Zeichnung  blickt,  und  ihr  als  dunkler  Untergrund,  als 
Folie  dient,  aus  der  das  fchimmernde  Gepränge  mit  doppelter  Gewalt  leuchtet. 
Die  Deffins  erfcheinen  meifl  in  grofsen  Zügen  gezeichnet,  da  ifl  nichts  kleinlich, 
nichts  angflvoll  klügelnd  überdacht,  fondern  leicht,  fchwunghaft  fchlingt  fich 
Palme  um  Palme  ineinander,  und  zieht  grofsartige  weite  Linien  über  den  dunklen 
Sammet  oder  die  purpurne  Seide,  auf  der  die  Lalt  von  Gold  und  Silber  liegt. 

Während  der  Befchauer  wie  geblendet  vor  diefen  blitzenden,  glühenden 
Dingen  ftand,  welche  die  Mehrzahl  der  Schränke  füllten,  begegnete  fein  Auge 
da  und  dort  auch  anderen,  weicheren  Geweben,  auf  denen  die  köftliche  Seide,  der 
feine,  wollene  Faden  lag,  und  in  verfchiedenartiger  Technik  verwendet,  dem  Unter- 
floffe  originellen  Reiz  verlieh.  Es  waren  da  Uebervvürfe  und  Shawls,  auf  denen 
mit  weifser  oder  mit  fchwarzer  offener  Seide  grofse  Blumen  und  Ornamente  in 
Flachftickerei  ausgeführt  waren,  und  den  ganzen  Untergrund  bedeckten.  Die 
Arbeit  fah  lofe  gefügt  aus,  die  Stiche  waren  fehr  lang  und  die  ofTene  Seide  lag 
nicht  knapp  und  ftramm  auf  dem  Stoffe;  aber  eben  dadurch  machte  die  Arbeit 
einen  unendlich  fchmicgfamen,  weichen,  kühlen  Eindruck,  fo  wie  man  fich  die 
Gewänder  denkt,  die  unter  der  heifsen,  indifchen  Sonne  mit  Behagen  zu  ver- 
wenden find.  Ebenfo  köfllich  und  weich  waren  die  Shawls  von  Cafchmir,  auf 
denen  die  Seide  gleich  den  Schnürchen  in  fchöner  Zeichnung  aufgenäht  war, 
und  durch  die  hie  und  da  ein  flimmernder  Goldfaden  zog,  und  dem  Ganzen-  den 
Reiz  fröhlichen,  hellen  Schmuckes  verlieh.  Die  Shawls,  nach  perfifcher  Art  mit 
feinen  Deffins  durchnäht,  dafs  fie  fo  ausfehen,  als  wären  die  Blümchen  und  Orna- 
mente hineingewebt,  waren  auch  in  Indien  zu  finden,  und  darunter  mancher,  in 
welchem  ein  ganzes  Heer  von  Menfchen-  und  Thiergeftalten  durcheinander 
wimmelten,  oft  komifch  grotesk  gefügt,  meifl  aber  in  finniger  Anordnung,  fo 
dafs  fich  bei  näherer  Betrachtung  Bilder  und  Scenen  aus  der  Gegenwart  und 
Vefgangenheit  Indiens  in  dem  fcheinbar  wirren  Durcheinander  enträthfeln  liefsen. 

Viel  naiver  als  diefe  gewebten  oder  genähten  Krieger  und  Frauen,  Kameele, 
Pferde,  Vögel,  Fürflen  und  Diener  zeigten  fich  hie  und  da  Nachbildungen  der 
Thiere  in  Seide  und  Gold,  auf  fammetenen  Decken,  der  Löwe,  der  Hirfch  im 
Sprunge,  mit  dicken  Füfsen,  einem  rothcn  Zünglein  und  Augen  voll  leuchtenden 
Flittergoldes. 

Die  Tambourarbeit  in  bunter  Seide,  wie  fie  überall  im  Orient  geübt  wird, 
hatte  Indien  in  unvergleichlicher  Schönheit  gebracht,  und  jedes  Ding  erfchien 
tadellos,  auf  dem  die  feinen  Kettenftiche  lagen,  die  nicht  feiten  mit  anderer 
Technik  vereint,  neue,  niegefehene  Erfcheinungen  abgaben.    Mohn-  und  Cactus- 


DIE  FRAUENARBEIT. 


255 


blüthen  in  rother  glühender  Seide  tambourirt,  aus  deren  Kelchen  goldene  Staub- 
fäden hingen^  Arabesken,  zvvifchen  denen  die  Flügeldecken  blitzender  Käfer 
fchimmerten,  feine  feidene  Blumen,  durch  die  fich  breite,  fchwere  goldene  Bänder 
fchlangen ,  und  ähnliche  reizende  Erfindungen  voll  Eleganz  und  Tracht,  zeigten 
fich  hier  in  ]'\ille.  Oft  war  es  ein  köftlicher,  reicher  Unterftoff,  auf  dem  folche 
Zier  lag,  oft  ein  dürftiges,  kattunenes  Gewebe,  das  befcheiden  und  fchüchtern 
aus  dein  wunderbaren,  das  Auge  blendenden  Zierwerk  von  tropifchen  Blumen 
und  glüheiulem  Golde  hervorlugte. 

Merkwürdig  war  es  hier,   in   all   diefem  Glänze,   unter   all   den  Gewändern, 
von  denen  manches  wie  ein  funkelndes  Gefchmeide  erfchien,  eine  Arbeit  zu  ent- 


Glafirte  lürl<ifclie  Kiiij; 


decken,  die  uns  durch  ihre  Fügung  weit  weg,  bis  hoch  in  den  Norden  Europa's 
verfetzte.  Es  war  das  eine  Decke,  aus  verfchieden  gefärbtem,  bunt  bedrucktem 
Kattun  zufammengenäht,  die  aus  Vierecken,  aus  Würfelkreuzen  in  weifsem 
Untergrunde,  und  aus  grellfarbigen  Streifen  befland,  ein  Ding,  das  ganz  fo  aus- 
fah  wie  die  Röcke,  die  Decken,  die  Schürzen,  welche  Rufsland  zur  Ausheilung 
gebracht  hatte.  Unfcheinbar,  vereinzelt,  kaum  bemerkt  hing  das  fremdartige 
Zeug  hier  zwifchen  Gold  und  Seide,  ohne  dafs  fein  Urfprung,  die  Gefchichte 
feiner  .Uebertragung  nach  dem  fernen,  füdlichen  Lande  zu  erforfchen  war. 

Weit  verfchieden  von  der  Frauenarbeit  des  übrigen  Orients  zeigte  fich  die 
Japans  und  Chinas.  Die  Technik,  welche  in  diefcn  beiden  Ländern  vorzüg- 
lich geübt  wird,"  ift  die  der  Flachflickerei  mit  gedrehter  und  mit  ofTener  Seide, 
und  zwar  in  letzterem  Falle  mit  Fäden,  deren  Glanz  und  Feinheit  unnachahmlich 
erfcheint.  Zart,  dünn  und  doch  flramm  liegt  die  Stickerei  auf  dem  Untergrunde, 
Faden  an  l-aden,  mit  langen  Stichen,  die  ineinander  übergreifen,  fich  vermengen, 
je  nachdem  eine  neue  Farbe,  ein  Schatten-  oder  Lichtton  in  die  Zeichnung  ein- 
zuführen ift,  wobei  fich  oft  grofse  Flächen  ergeben,  über  denen  die  langen  Fäden 


256 


DIE  FRAUENARBEIT. 


mit  unvergleichlicher  Glatte  und  feinem 
Glänze  ausgefpannt  liegen.  Viel  weiter  ge- 
trennt als  durch  die  Technik  erfcheinen  die 
Frauenarbeiten  Chinas  und  Japans  von 
denen  anderer  Länder  durch  die  Zeichnung 
und  deren  Motive.  Hat  uns  der  übrige 
Orient  die  fliliflifche  Hlume  und  die  aus 
ihr  geflaltetc  Arabeske  als  Hauptftück  der 
Deffms  gezeigt ,  fo  ift  hier  der  Baum  mit 
feinen  Aeflen  und  Zweigen,  mit  feinen 
Blättern  und  Blüthen,  die  Vogelwelt  mit 
ihren  leichten,  graziöfen  Geflalten,  das 
Waffer,  die  Luft  mit  ihrem  Wolkenheere 
der  Vorwurf,  der  diefen  Arbeiten  zu  Grunde 
liegt.  In  China  find  es  meid  die  Ariflokra- 
ten  der  Vogelwelt,  die  köfllich  befiederten, 
fchimmcrnden  Gefellen,  wie  Kraniche, 
Pfauen,  Reiher,  die  Eisvögel  der  Tropen, 
der  Paradiesvogel  und  viele  andere,  welche 
fich  auf  und  unter  irgend  einem  breitäfli- 
gen  Nadelbaume  zufammengefunden,  wäh- 
rend von  nahe  und  ferne  noch  andere 
Genoffen  herzu  fliegen,  und  mit  ihren 
.farbenprächtigen  Schwingen  durch  die 
Wolken  ziehen.  Japan  bringt  dagegen 
wechfelvoUere  Bilder,  kleine  S.tudien,  die 
fich  dem  täglichen  Leben  entnehmen  laffen, 
wie  Vöglein,  die  fich  im  Halmenwald  zur 
Mittagsruhe  zurecht  rücken,  den  Hahn, 
der  halb  in  Stolz  und  halb  in  Liebe  vor 
feinen  Hennen  auf  und  nieder  paradirt, 
Reiher,  die  von  ihrer  Sommerreifc  heim- 
kehrend, in  fröhlicher  Gemeinfchaft  durch 
die  Lüfte  ziehen,  Infecten,  die  in  Luft  und 
PVeude  durch  die  Gräfer  fchwirren,  oder 
die  fich  wild  befehdend,  mit  abenteuerli- 
chen Geberden  gegen  einander  rennen. 

In  China  ift  die  bunte  Gefellfchaft,  die 
wir  draufsen  auf  dem  grünen  Baume  ge- 
fehen,  auch  auf  die  Gewänder  übertragen; 
zwifchen  blitzenden,  goldenen  Halbmonden 
und  Sternen,  zwifchen  Wolken  und  blauen 
Wogen  fchwimmt  und  fchwebt  das  beflü- 
gelte Volk  auf  dem  feidenen  Kaftan  hin, 
und  nicht  feiten  waren  feidene  Shavvls  und 


DIE  FRAUENARBEIT. 


257 


Eifemer  Tifch  von  E.  G.  Zimmermann  in  Il.mau. 

Tücher  zu  fehen,    deren  Zeichnung  einen  Vogel  zeigte,'  der  in  einem  überquel- 
lenden Meere  von  glühenden  Hiunien  unterzugehen  fcliicn. 

Als  Gegenfatz   zu  folciier  UeberfüUe,    die  oft    wie    in  Ueberniuth    und  Ver- 


sa 


258 


DIE  FRAUENARBEIT. 


zückung  gefchaffen  zu  fein  fcheint,  als  Gegenfatz  zu  dem  bunten  Gewimmel,  in 
welchem  der  hoch  aufgebäumte  Drache,  kämpfende  Vögel  und  fchwirrende  In- 
fecten  durcheinander  krabbeln,  haben  Japan  und  China  vielfach  die  Skizze  als 
Bild,  als  gemalte,  geflickte  und  gewebte  Mähr  gebracht,  als  finnige,  nicht  feiten 
höchft  klare  Darftellung  der  einfachen,  reizenden  Scenen,  die  fich  täglich  und 
flündlich  draufsen  unter  freiem  Himmel  ergeben,  zwifchen  Schilfgras,  Moos,  am 
Uferrande,  auf  der  Felfenhöhe.  In  wenigen  kecken  Zügen  war  fo  ein  Bild  ge- 
zeichnet, in  welchem  Reiher  oder  Paradiesvogel,  die  Schwalbe,  die  jagende  Katze, 
der  fratzenhafte  Affe  oder  irgend  ein  anderer,  oft  ganz  unfcheinbarer  Gefeile  in 
treuer  Darflellung  und  doch  in  dem  verklärenden  Lichte  finniger  Dichtung  erfchien. 

In  Japan  zeigte  fich  hie  und  da  die  Frauenarbeit  in  derfelben  Verwendung 
wie  in  der  Türkei,  nämlich  als  erhöhter  Schmuck  fchon  deffinirter  Kleidfloffe, 
und  zwar  nicht  fo  befcheiden  wie  in  dem  letztgenannten  Lande,  als  tambourirte 
Bordüre,  welche  die  hellen  Streifen  des  Gewebes  ziert,  fondern  geradezu  prunk- 
voll auf  koftbaren  Stoffen,  in  welche  glühende,  farbenprächtige  Blumen  gewebt 
waren,  zwifchen  denen  fchillernde-  Falter,  blauflüglige  Libellen  und  tropifche 
Vögel  auf-  und  niederflogen ,  welche  in  der  unvergleichlichen  Technik  des 
Landes  ausgeführt,  wie  gemalt  erfchienen. 

Japan  und  China  zeigten  uns,  gleich  dem  kleinen  Dänemark,  wie  fich  na- 
turaliftifche  Motive  in  der  Frauenarbeit  verwenden  laffen,  ohne  gegen  die  unde- 
finirbaren  Gefetze  des  guten  Gcfchmacks  zu  verftofsen.  Halb  Wahrheit,  halb 
Dichtung  und  Erfindung,  trugen  diefe  Arbeiten  das  Gepräge  echt  künfllerifchen 
Werthes  an  fich,  ohne  den  jede  Frauenarbeit,  bei  welcher  Zeichnung  und  Farbe 
in's  Spiel  kommen,  dauernden  Reizes  entbehrt.  Willkürlicher  angelegt,  freier  in 
der  Wahl  des  Vorwurfs ,  aber  cbcnfo  glänzend  in  der  Ausführung  zeigten  fich 
die  Arbeiten  Japans  und  Chinas  neben  denen  des  Orients.  Angehaucht  von  der 
Farbenfchönheit  des  Südens,  überfchüttet  von  dem  Sonnenglanze,  der  dort  über 
der  Erde  liegt,  haben  wir  die  Frauenarbeit  des  Morgenlandes  in  ihrer  vollen, 
blühenden  Pracht  gefehen.  In  dem  dunklen,  fchattenreichen  Haufe  des  Orients 
ift  die  Frauenarbeit  die  fchimmernde,  lei'.chtende  Decoration,  die  Licht  und  Leben 
in  die  Räume  bringt  und  fie  wohnlich  macht  und  fchmückt;  fie  ift  zu  folchem 
Zwecke  befonders  geeignet,  und  was  wir  von  ihr  uns  in  Technik,  in  Zeichnung, 
in  Wahl  des  Materiales  aneignen  können,  wird  der  europäifchen  Frauenarbeit  zu 
ftatten  kommen  und  ihr  einen  würdigen  Platz  neben  den  köftlichflen  Decoration.s- 
arbeiten  moderner  Induftrie  einräumen. 

Aus  eben  den  europäifchen  Arbeiten  haben  wir  gefehen,  dafs  fie  weit 
weniger  in  der  Technik  als  in  l'arbcii  und  Zeichnung  hinter  denen  des  Orients 
zurückblieben.  In  widerfinniger  Verwendung  von  unzweckmäfsigem  Materiale, 
von  geiftlofer  Erfindung,  häfslich  in  Form  und  Colorit  fahen  wir  hunderte  von 
Dingen  in  fo  tadellofer  Technik  ausgeführt,  wie  (ie  nur  die  vollkommenften  Ar- 
beiten des  Morgenlandes  gezeigt.  Es  ift  fafl  unbegreiflich,  wie  fich  Mufter  und 
Motive  von  fo  unberechtigter  Exiftenz,  deren  manche  Länder  ganze  Heere 
brachten,  feit  vielen  Jahrzehnten  -ein  fafl  unbeflrittencs  Bürgerrecht  in  dem  hoch- 
cultivirten  Europa  erwerben  konnten.  Akademieen,  Kunflfchulen ,  Mufeen  find 
entftanden,  Kunfl  und  Gewerbe   nehmen    einen    Immer   mächtigeren  Auffchwung 


DIE  FRAUENARBEIT. 


259 


Bunlglafirter  Kaminofen,  von  der  Thonwaareiifabrik  der  Magdeburger  Bau-  und  Creditbank. 

und  ftreben  nach  Verfeinerung  und  Klarheit,   in  taufend  Geflalten   tritt  die  Ver- 
allgemeinerung   des  Schönheitsgefühls    zu   Tage,    das    fich    allcrwärts  Bahn  zu 


w 


IT 


260 


DIE  FRAUENARBEIT. 


PorzcllauvAic,  n.icli  Entwurf  von  A.  Haufer,  von  Haas  cV  l..^.  ^i.  in  Schlaggenwald. 


brechen  fucht ;    nur  die  Frauenarbeit  hält    fich  abfcits  auf  dem  alten  Wege  und 
fleht    aus,    als   wäre    fie    nur    da,   um   als   Zeitvertreib   für  muffige  Stunden    zu 


DIE  FRAUENARBEIT. 


2t)  1 


■C-Aji», 


Li;uchtcr  von  BailjcdiL'iuicj  in   Paris. 

dienen,  dem  man  nicht  Ziel  und  Zweck  vorfchreiben  darf,  und  der  fich  keinem 
Vernunftgefctze  unterzuordnen  vermag. 

Die  Weltausftellung  hat  uns  reichlich  Gelegenheit  gebotenj  vergleichende 
Studien  zu  machen,  fie  hat  uns  die  einfachen  Arbeiten  der  nordifchen  Frauen 
gezeigt,  ihren  Wcrth,  ihren  Reiz,  fie  hat  uns  gezeigt,  wie  mit  dem  befcheidenflen 
Materiale,  mit  dem  dunklen  Baumwollfaden  auf  weifsem  Grunde  fich  kleine, 
unvergleichliche  Kunflwerke  durch  edle,  richtige  Zeichnung  fchafifcn  laffen ,  fie 
hat  uns  daneben  den  Orient  in  feiner  ganzen  glanzvollen  Schönheit  gewiefen, 
fie  hat  uns  da  und  dort  erfichtlich  gemacht,  was  der  Frauenarbeit  dauernden 
Werth  verleiht,  wo  fie  als  ein  würdiges  l'roduct  der  Menfchenhand  tlen  Werken 
der  Induftrie  und  der  Gewerbe  wohlberechtigt  zur  Seite  fteht;  fie  hat  uns  gezeigt, 
welche  Bahnen  fie  zu  gehen,  welchen  Zwecken  fie  fich  zu  wiilmen  hat,  wenn  fie 
vor  den  iVnforderungen  gefteigerter  Cultur  beflehen ,  und  fich  als  ein  nutz- 
bringendes Glied  in  dem  grofsen,  rafch  bewegten  Triebwerk  der  Induftrie  der 
Gegenwart  und  Zukunft  erweifen  will.  Aglaia  v.  Endercs. 


262 


OEFFENTLICHE  KUNSTPFLEGE. 


-•HUIlHiiHllllillMIIII 


Kelicl   vun   der   l'urllcliiiUbmcdaille. 


OefTentliche  Kunstpflege. 

Die  Weltausftellung  hat  auf  dem  Gebiete  der  bildenden  Künde,  fpeciell  auf 
dem  der  Malerei  keine  neuen  überrafchenden  Resultate  gezeigt,  aber  alte  Wahr- 
heiten und  Lehren  neu  bekräftigt.  Darin  ift  für  die  bildende  Kunft  der  eigentliche 
Werth  der  Ausheilung  zu  suchen. 

Neue  hervorragende  Talente  find  nicht  zur  Geltung  gekommen;  nicht  ein 
Künfller  ifl  zu  nennen,  von  dem  man  fagen  könnte,  er  habe  Ueberrafchendes 
geleiflet.  Das  Ueberrafchcnde  ifl;  in  unfern  Tagen  fafl  unmöglich  geworden.  Die 
Kunftvercinc  und  die  Jahresausftellungcn  bringen  in  reicher  Fülle  das,  was  in  den 
Ateliers  producirt  wird,  und  was  etwa  durch  diefe  nicht  bekannt  wird,  das  wird 
es  durch  die  Kunflfchriftfteller,  die  Kunfthändler  und  jene  verfchämte  und  fcham- 
lofe  Reclame,  welche  fclbflverfländlich  aus  reinem  Intereffe  für  die  Kunfl  laut  genug 
davon  fpricht.  Niemand  darf  Geh  daher  darüber  wundern,  dafs  er  in  den  Kunfl- 
fälen  der  Weltausflellung  durch  abfolut  neue  Erfcheinungen  nicht  überrafcht 
wurde.     Für  Wien  machte  nur  E.  v.  Gebhardt  eine  y\usnahme. 

Auch  von  einem  Fortfehritte  in  der  Kunfl  ifl  diefsmal  nicht  unbedingt  zu 
fprechen.  Nur  die  Architektur  und  die  Kunftgewerbe  —  beide  vorzugsweife  in 
Oeflerreich  —  haben  von  fortfchreitenden  Bewegungen,  die  nicht  beflritten  werden 
können,  Zeugnifs  abgelegt.  Die  Malerei  hingegen  ifl  eher  in  einer  rückfchreiten- 
den  als  in  einer  auffteigenden  Bewegung  begriffen.  Das  Befte,  was  an  Gemälden 
zur  Anfchauung  kam,  haben  Franzofen  und  Engländer  geliefert,  und  diefe  nicht 
mit  neueren  Bildern,  fondern  mit  älteren  Werken,  die  mit  Rückficht  auf  die  Zeit 
ihrer  Entftehung  eigentlich  grundfätzlich  von  der  Weltausftellung  ausgefchloffen 
fein  follten. 

Was  aber  die  Ausftellung  klar  zur  Anfchauung  gebracht  hat,  das  ift  der 
Einflufs  der  grofsen  Bildungsanftalten  auf  die  Kunft,  auf  ihre  Stellung  zum  Staate, 
zur  Kirche,  zur  Gefellfchaft,  der  Einflufs,  welchen  die  focialcn  Strömungen  der 
Gegenwart  auf  die  Kunftproduction  ausüben. 


OEFJ<'ENTLICHE  KUNSTPFLEGE. 


203 


Frankreich  vor  Allem  lehrt  den  Werth  einer  ^rüiuUichen  Künftlerbildung  auf 
Akademien  kennen,  wahrend  das  deutfche  Reich  in  diefer  Beziehung  faft  Alles 
zu  wiinfchen  übrig  läfst.  In  Dcutfchland  macht  fich  allein  die  Schule  Piloty's 
in  München  geltend,  die  eigentlich  nicht  durch  die  Akademie,  sondern  neben 
ihr  exiftirt  und  Zweige  der  Kunft  —  das  Genrebild  und  das  fogenanntc 
hiflorifche  Genrebild  —  pflegt,  die  eines  akademifchen  Unterrichtes  und  einer 
akademifchen  Methode  des  Unterrichtes  cntrathen,  ja  defto  mehr  gedeihen,  je 
weniger  fie  fich  an  Akadcmifches  anfchliefsen.  In  diefer  Beziehung  ifl  Piloty  eine 
Specialität,  deren  F;influfs  auf  die  Künftlerbildung  bei  dem  Zuflande  der  Akade- 
mien im  deutfchen  Reiche,  der  ein  fafl  troftlofer  ift,  nicht  hoch  genug  angefchla- 
gen  werden  kann. 

Wo  gäbe  CS  im  deutfchen  Reiche  eine*  Anflalt,  die  fich  nur  im  Entfernteften 
mit  der  Academie  des  Beaux-Arts  in  Paris,  der  Academie  de  France  im  Rom 
meffen  könnte?  Wo  wird  dafelbfl  mit  folcher  Confequenz  die  Kunft  grofscn  Stils, 
'wo  mit  dem  Ernfte  betrieben,  wie  an  der  franzöfifchen  Akademie?  Wo  find  Künft- 
lerpreise  und  Ausftellungen  fo  wohl  organifirt  und  fo  confequent  durchgeführt, 
wie  in  Frankreich?  —  Ich  habe  bereits  aus  Anlafs  der  crften  Weltausftellung") 
in  Paris  auf  die  Confequenzcn  der  Organifation  des  Kunflunterridits  in  Frankreich 
aufmerkfam  gemacht  -  für  Oefterreich  nicht  ganz  ohne  Erfolg  —  und  damals 
fchon  nachgewiefen ,  dafs  die  unbeflreitbare  Suprematie  Frankreichs  in  Angele- 
genheiten der  Kunfl;  wefentlich  von  der  trefflichen  Organifation  der  Kunrtanflalten 
und  der  Kunficrziehung  abhängt,  die  bis  in  die  Zeiten  Colbert's,  in  gcwiffer  Be- 
ziehung bis  in  die  F>anz  des  I.  zurückreicht.  Auf  der  Wiener  Weltausftellung 
trat  diefe  Thatfache  noch  entfcheidender  in  den  Vordergrund.  Aber  nicht  genug 
damit,  —  auch  der  Anthcil  des  Staates  und  der  Gcfellfchaft  macht  fich  in  Frank- 
reich ganz  anders  bemerkbar  als  im  deutfchen  Reiche. 

Im  deutfchen  Reiche  giebt  es  keine  Akademie  der  bildenden  Künfte,  die  im 
Stande  wäre,  der  deutfchen  Nation  jenen  Fonds  folider  Kunfibildung  zuzuführen, 
wie  dies  in  Frankreich  der  I'all  ift.  Mehrere  deutfche  Akademien  bewegen  fich 
in  fo  beengten  Verhältniffcn,  dafs  von  einem  Einfluffe  dcrfclben  auf  die  Kunftbil- 
dung  der  Nation  nur  in  fehr  befcheidenem  Mafse  die  Rede  fein  kann.  Die  Düffel- 
dorfer  Akademie  ift  gröfsercm  ftaatlichcn  Einfluffe  faft  entrückt.  Die  Münchener 
Akademie,  in  der  Zeit  ihrer  Blüthe  von  einem  grofsen  und  grofse  Ziele  verfol- 
genden Künftlerftand  umgeben,  getragen  von  den  Ideen  der  Romantik  auch  in 
P'ragen  der  Künftlerbildung,  ficht  fich  gegenwärtig  vereinfamt,  unil  niufs,  wie  die 
Diiffeldorfer  Malerfchule,  ihren  Blick  auf  den  Markt  werfen  und  das  pflegen,  was 
diefer  begehrt.  Die  Dresdener  Akademie  hat  ihren  Schwerpunkt  in  den  beiden 
Ateliers  für  Plaftik,  welche  in  den  Händen  von  Hähnel  und  Schilling  liegen.  Und 
die  Berliner  Akademie,  die  am  meiden  dazu  berufen  fem  foUte,  einen  Mittelpunkt 
für  grofse  Kunftbeftrebungen  zu  bilden  und  für  die  deutfche  Kunft  das  zu  fein, 
was  die  Berliner  Universität  für  die  deutfche  Wiffenfchaft  zur  Zeit  ihrer  Gründung 
war,  — jetzt  freilich  nicht  mehr  ift  —  die  Berliner  Akademie  ift  von  allen  deutfchen 


*)  Briefe  über  die  moderne «Kmirt    Frankrcich-i  aus  Anlafs  dur  l'arifer  Wetlausflellung    von   1855. 
Wien  1858. 


264 


o]':ffrntliciie  kunstpflege. 


mMm^ 


Angelica  (Orlando  Fiiriofo),  von   A.  Pialli. 


OEFFENTLICHE  KUNSTPKLEGE. 


265 


Kunflandalten  diejenige,  die  am  wenigften  leiftet  und  am  meiften  von  dem  ent- 
fernt ift,  was  man  von  der  Kunftakadeniie  des  erften,  tonangebenden  deutfchen 
Staates  erwarten  foUte. 

Allerdings  hat  das  deutfche  Reich  den  Vorzug,  dafs  es  höhere  Kunftanflalten 
in  einer  grofsen  Anzahl  von  Städten  befitzt,  aufser  den  genannten  in  Stuttgart, 
Königsberg,  Weimar,  Karlsruhe,  Nürnberg  —  und  dafs  eben  dadurch  das  Kunfl- 


teldlialche   von   Miiitoii  in   Slokc   upon    Tient. 

leben  felbft  weniger  monoton,  reicher  und  lebendiger  geftaltet  erfcheint  als  das 
franzöfifche.  Aber  diefe  Vielgeftaltigkeit  des  deutfchen  Kunftlebens  ift  von  un- 
beflreitbarem  Vortheile  doch  nur  dann,  wenn  fie  an  gewiffe  Vorausfetzungen  ge- 
knüpft irt,  die  leider  nicht  immer  vorhanden  und  Krankreich  gegenüber  nicht 
ganz  zutreffend  fuul.  Auch  in  manchen  franzöfifchen  Städten  aufserhalb  Paris 
giebt  es  gute  Kunftfchulen,  der  Unterricht  in  den  Parifer  Ateliers  bietet  hinlänglich 
Spielraum    für   ein    reichbewegtes,    nach    vcrfchiedenen    Principien    auseinander- 


34 


266 


ÜEFFENTLICHE  KUNSTPFLEGE. 


gehendes  Kunflleben,    und  die  Provinzialniuseen  find  fchon  feit  langer  Zeit    viel 
beffer  organifirt,  als  die  im  ganzen  deutfchcn  Reiche. 

Die  deutfchen  Höfe  find  nicht  mehr  grofse  Mittelpunkte  für  Kunflbeftre- 
bungen,  wie  es  theilweife  früher  der  F'all  war.  Nur  fehr  wenige  deutfche  Fürflen 
find  Amateurs  und  Kunftfreunde  im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes,  —  «adparent 
rari  nantes  in  gurgite  vasto».  An  den  Höfen  werden  neben  höfifchen  Intereffen 
nur  politifche,  kirchliche  und  Familienangelegenheiten  gepflegt.  Für  das  Kunftleben 
ifl  diefs  nicht  ohne  üble  Folgen;  faft  überall  dominirt  eine  gewiffe  Bureaukratie 
—  und  insbefondere  die  Baubureaukraten  find  es,  welche  der  Entwicklung  der 
Architektur  und  der  mit  ihnen  in  Verbindung  flehenden  decorativen  Künfte  im 
deutfchen  Reiche  hemmend  in  den  Weg  treten. 

Der  Mangel  an  vornehmen  und  an  reichen  Amateurs  mit  wirklicher  Kunfl- 
bildung,  welche  in  F"rankreich  und  England  fo  zahlreich  find,  weift  die  Künftler 
auf  Hervorbringung  eines  gewiffen  Mittelgutes  hin  und  drückt  wie  die  künftlerifche 
Fachbildffng  fo  auch  die  Kunftfchulen,  vor  Allem  die  Malerfchulen  auf  ein  ge- 
wiffes  Mittelmafs  in  dem,  was  gelehrt,  in  dem  was  angeftrebt  wird,  herab,  das 
theilweife  weit  abfeits  von  dem  liegt,  was  die  eigentliche  Kunft  und  Kunftbildung 
verlangt.  Dazu  kommt  noch  das  überwuchernde  Kunftvereinsleben,  das  gleich- 
falls die  Mittelmäfsigkeit  in  der  Kunft  befördert. 

„Nicht  dafs  die  Franzofen  talentvoller  find,  als  wir  Deutfche,  —  fagte 
zu  mir  vor  Kurzem  ein  hervorragender  deutfcher  Künftler  drückte  uns  auf 
der  Weltausftellung,  fondern  das,  dafs  die  Franzofen  mehr  und  gründlicher  lernen, 
als  es  bei  uns  der  Fall  ift."  —  Und  das  ift  eine  der  wichtigften  Lehren,  welche 
die  Weltausftellung  uns  gab;  es  mufs  der  Kunftunterricht  an  den  deutfchen 
Kunftfchulen  umfaffender  und  gründlicher  betrieben  werden,  wenn  überhaupt  die 
Schäden  der  modernen  deutfchen  Kunft  von  ihren  Wurzeln  aus  befeitigt  werden 
follen,  die  im  Unterrichte,  ihren  Boden  haben.  Es  ift  allerdings  der  akademifche 
Kunftunterricht  pedantifch  und  doctrinär  betrieben  worden,  und  es  ift  gut  gewe- 
fen,  dafs  die  Romantik  und  der  Realismus,  die  jetzt  an  den  meiften  deutfchen 
Kunftfchulen  dominiren,  den  akademifchen  Zopf  entfernt  haben,  der  jede  poe- 
tifche  Eigenart  erdrückte.  Aber  nachdem  dies  gefchehen  ift,  wird  es  doch  wieder 
gut  fein,  auf  das  Methodifche  des  Unterrichtes  ein  befonderes  Gewicht  zu  legen 
und  mit  mehr  Gründlichkeit  das  zu  pflegen,  was  einzig  und  allein  Gegenftand 
des  akademifchen  Unterrichtes  fein  kann.  Und  das  ift  es,  was  die  franzöfifchen 
Künftler  fo  auszeichnet;  fie  haben  Schule,  fie  wiffen  mehr  und  wiffen  gründlicher; 
und  fie  befchäftigen  fich  mit  dem,  was  zum  Wefen  der  grofsen  Kunft  gehört,  an 
ihren  Kunftfchulen  ernfthafter. 

Sie  kennen  nicht  blofs  die  Antike  und  den  menfchlichen  Körper  gründli- 
cher, als  die  deutfchen  Künftler;  fie  haben  auch  eine  eingehendere  Kenntnifs  der 
alten  Meifter.  Nicht  blofs  das  zur  Gewohnheit  gewordene  Studium  der  alten 
Gemälde  im  Louvre  giebt  ihnen  das  Fundament  zu  einer  tüchtigen  künftlerifchen 
Fachbildung,  nicht  blofs  die  Art  und  Weife,  wie  fie  an  ihren  Akademien  in  Rom 
und  Athen  Kunft  überhaupt,  alte  Kunft  fpeciell  ftudiren,  fondern  auch  ihr  Um- 
gang mit  den  Amateurs  und  mit  den  Kennern  erweitert  ihren  künftlerifchen  Ge- 
fichtskreis.     Sie  wiffen,  was  ein  vinttir  bedeutet,  in  der  Vergangenheit  wie  in  der 


OEFFENTLICHE  KUNSTPFLEGE. 


267 


Gegenwart.  Die  franzöfifchen  Kiinftler  leiden  nicht  unter  dem  geiftig  nivelliren- 
den  Einfluffe  der  Vereine,  unter  dem  fcluiblonenartigen  Tractamente,  das  für 
Kauf-  und  Händlerbilder  ausreicht,  aber  die  kiinltlerifciie  Individualität  in  ihrer 
VVury.el  angreift.  Allenlings  kommen  den  franzöfifchen  Künftlern  auch  Traditionen 
zu  flatten,  welche  im  deutfchen  Reiche  fafl;  gänzlich  verloren  gegangen  fmd: 
die  Traditionen  der  Kunftpflege  am  Hofe,  im  Staat,  in  der  Kirche  und  der  Ge- 
meinde. 

Es  \i\  in  h'rankreich  eine  feflflehende  Tradition,  dafs  die  Pflege  der  Kunft  zu 
den  Aufgaben  aller  diefer  genannten  Factoren  gehöre.  Ill  diefs  im  deutfchen 
Reiche  in  demfelben   Grade  der  Fall? 


Sfeiiueug  von  Daltoii. 


Im  deutfchen  Reiche  haben  die  Ideen  der  romantifchen  Schule  den  Refl  der 
akademifchen  Traditionen  zerflört.  Ohnehin  waren  diefe  felbst  nicht  bedeutend, 
und  in  keiner  Weife  fo  feft  begründet,  wie  es  in  Frankreich  der  Fall  war.  Die 
Methoden  des  Unterrichtes  individualifirten  fich,  je  nach  der  fubjectiven  Anficht 
des  l'rofeffors;  der  nachfolgende  konnte  und  wollte  vielleicht  nicht  an  das  an- 
"knüpfen,  was  und  wie  fein  Vorfahr  lehrte.  Das  Lernbare  wurde  auf  ein  Mini- 
mum reducirt.  Nicht  blos  in  der  Malerei,  fondern  auch  in  der  Sculptür  und  in 
der  Architektur  macht  fich  dies  geltend.  In  vielen  deutfchen  Städten  nahmen, 
wie  auch  in  Wien  —  wo  unter  Rösner,  van  der  Null  und  v.  Sicardsburg  reine 
Romantiker  lehrten  —  den  architektonifchen  Unterricht  nicht  die  Akademien, 
fondern  die  polytechnifchen  Inftitute  unter  ihre  Fittige;  dort  wird  umfaffender  und. 


268 


OEFFENTLICHE  KUNSTPFLEGE. 


vviffenfchaftlicher  in  Architektur  unterrichtet,  als  an  Akademien,  wo  faft  nur  noch 
ein  Atclicrunterricht  gegeben  werden  kann. 

In  der  Sculptur  und  in  der  grofsen  Figuren-Malerei  tritt  die  Ucberlegcnheit 
der  franzöfifchen  Schulung  der  deutfchen  gegenüber  eclatant  hervor.  Die  päda- 
gogifchen  Verfucher,  fei  es  vom  Standpunkte  der  Romantik,  fei  es  von  dem  des 
modernen  Realismus  —  einer  fchwächlichen  Kunflpflanze  gegenüber  dem  gewal- 
tigen NaturaHsmus  der  flämifch- holländischen,  fpanifchen  und  ncapolitanifchen 
Schule  des  XVII.  Jahrhunderts  —  haben  an  der  Akademie  in  Paris  keinen  Platz. 


Präfentir-Teller  in  Kryftall,  Kaffung  in  vergoldetem  Silber  und  Email,  von  Ratzersdorfer 

Das  Verhältnifs  zur  Antike,  die  permanente  Hinweisung  auf  die  grofsen  Tradi- 
tionen der  toskanifch-römifchen  Schule  des  XV.  und  XVI.  Jahrhunderts  werden 
durch  die  Akademie  in  Rom  und  durch  die  vorhergehende  Schule  an  der  Aka- 
demie in  Paris  auf  eine  fefle,  nicht  leicht  zu  verrückende  Grundlage  geftellt. 

Des  Lernbaren  in  der  Kund  ifl  aber  mehr,  als  die  Romantiker  zugeben  woll- 
ten, und  mehr  als  jene  Künftlef  zugeben,  die  an  den  deutfchen  Akademien  in 
der  Blüthezeit  des  poetifirenden  Romanticismus  ihre  Studien  gemacht.  Diefe  er- 
weifen  fich  heutzutage  als  abfohlt  ungenügend.     Pline  Umkehr  ifl  nöthig.  — 

Vor  uns  liegt  die  «Lifte  des  objets  exposes  par  la  Ville  de  Paris»  (Ex- 
position universelle  de  Vienne  1873.  Paris  1873.  143  S.)  Was  ftellte  die  Stadt  Paris 
in  erfler  Linie  aus?    Es  waren  Gegenftände  der  Kunft. 


i 


OEFFHNTLICHE  KUNSTFFLEGE. 


2Hfl 


Kanne  in  Bergkryftall  mit  Silberfaffung,  von  Ratzersdorfer  in  Wien. 


Unter  dem  „Service  des  travaux  d'architccturc"  fanden  fich  der 
Juflizpalaft  von  J.  L.  Duc,  die  Handelskammer  von  Bailly,  die  Kirche  des  h.  Am- 
brofius  von  Ballii,  die  Kirche  des  h.  Aiiguftinus  von  Baltard,  die  Kirche  des  h.  Bern- 
hard von  Maf;ne,  die  Kirche  des  h.  Fran/.-Xaver  von  Liiffon  u.  f.  f.,  einige  Com- 
munal-  und  Schulbauten,  die  Fontaine  des  Theeitre  frangais,  die  St.  Michel  um! 
Luxembourg  von  Davioud  u.  a.  m.  Am  interelTanteften  find  die  Projecte  zur 
Reftauration  des  Hotel  de  Ville,  insbefonde/e  die  von  Ballu  und  Deperthes,  aus- 
gezeichnet mit  dem  erften  Preis.  Man  ficht,  die  Stadt  Paris  verwendet  felbfl- 
fländige  vXrchitekten  zu  ihren  Bauten. 

Diefer  Abtheilung  reihte  fich  der  «Service  des  Beau.x-Arts»  an  und  zwar 
peinture:  tableaux,  dessins,  aquarelles,  photographles,  vitraux;  ferner  sc ulpture, 


270 


ÜEFFENTLICHE  KUN^TPFLEGE. 


gravure  en  medailles,  gravure  cn  taille  douce,  tapifferies.  Der  Katalog  dos 
Service  des  Beaux-Arts  umfafst  54  Seiten.  Er  verdient  eine  eingehende  Be- 
trachtung. 

Unter  den  Hiflorienmalern ,  die  im  DienRe  der  Stadt  Paris  gemalt  haben, 
kommen  Künfller  aller  Richtungen  vor,  Barrias,  Delacroix,  die  beiden  Flandrin, 
Glaize,  Heffe,  Jobbc-Duval,  Lehmann,  Eencpveu,  Robert-Fleury,  Signol,  Yvon 
u.  A.  m. 

Die  meiften  der  Oel-,  Fresco-  und  Glasgemälde  find  für  Kirchen  der  Stadt 
Paris,  in  zweiter  Linie  für  andere  Communalbauten  ausgeführt.  Daffelbe  gilt  von 
der  Bildhauerei;  auch  in  diefer  Abtheilung  erfcheinen  Künfller  vcrfchiedener  Stil- 
richtung, Carrier-Belleufe,  Duret,  F'remiet,  Guillaume,  Maillet  u.  f.  f.  Die  alte 
Gewohnheit,  Denkmedaillen  auf  wichtige  Ereigniffe  prägen  zu  laffen,  hat  die  Stadt 
Paris  aufrecht  erhalten 


Cafretlo  Voll    V.,   d.  Zimmenuann  in  Hanau. 


Unter  den  Kupferflichen  find  Blätter,  mit  dem  Grabftichel  ausgeführt,  nach 
Gemälden  aufgezählt,  welche  der  Stadt  Paris  gehören.  Kurz,  diefe  Ausftellung 
der  Stadt  Paris  war  ein  Fingerzeig  für  alle  jene,  welche  wiffen  wollen,  woran  es 
liegt,  dafs  die  Kunft  in  Frankreich  fo  mächtig  gedeiht.  Nicht  blofs  die  Kunfl- 
fchulen  Frankreichs  find  beffer  organifirt  und  werden  nach  höheren  Gefichts- 
punkten  geleitet,  die  Künfle  flehen  auch  im  Budget  der  Commune.  Aufser  Wien 
wäre  keine  Stadt  Mitteleuropa's  im  Stande,  eine  Ausflellung  ähnlicher  Art  vor- 
zuführen, und  Wien  felbfl;  nur  auf  dem  Gebiete  der  Architektur  und  der  decora- 
tiven  Künfte,  nicht  der  Sculptur  und  der  Malerei. 

In  Oeflerreich  aber  ift  es  nur  die  Stadt  Wien,  die  aus  Communalfonds 
die  Kunfi  fördert  —  wir  rechnen  dazu  den  Rathhausbau,  den  Bau  und  die  y\us- 
fchmückung  der  Kirche  unter  den  Wcifsgärbern,  die  monumentalen  Brunnen  auf 
dem  neuen  Rathhausplatze,  die  Bronzegüffe  des  Donner'fchen  Brunnens  auf  dem 
Mehlmarkte  u.  A.  m.  —  aber  wie  fähe  es  mit  Prag,  Innsbruck,  Lemberg,  Krakau 
oder  anderen  Städten  aus,  in  denen  Künfller  leben?  Was  thun  die  Communen 
für  fie,  wie  faffen  diefe  die  Kunftaufgabe  innerhalb  der  Commune  auf?  Es  fcheint 


OEFFENTLICHE  KUNSTl'FLEGE. 


271 


faft,  als  ob  die  guten  Vater  diefer  I  lauptftädtc  über  diefe  ihre  Aufgabe  noch 
wenig  naciigetlaclit  hatten. 

Aber  wenden  wir  uns  zum  deutfchcn  Reiche  —  wie  fleht  es  mit  der  Kaifer- 
ftadt  an  der  Spree,  wie  mit  dem  Communalbudget  anderer  Grofsftadte  in  diefer 
Beziehung?  Ich  fehe  die  Phyfiognomien  unferer  künftlerifchen  Freunde  fich  er- 
heitern, wenn  fie  eine  folche  Frage  beantworten  follen ;  —  und  jeder  weifs,  was 
diefes  ironifclic  Lächeln  zu  bedeuten  hat.  Die  grofsen  Communen  thun  faft  gar 
nichts  für  Sculptur  und  Malerei,  und  fowenig  wie  möglich,  —  häufig  nur  foviel 
wie  die  Staats-  und  Stadtbfiubehörden  erlauben  —  für  Architektur  als  Kund. 

Die  Commune  von  l'aris    läfst   Fresken    und  Altarbilder    für   Kirchen    malen 


1  irckc-l  der  (.'alTelto  aiil   S.   270,  vun  E.  G.  Zinmujiiu.iiHi  111   ll.m.iu. 


und  folgt  darin  dem  Heifpiele,  welches  der  Staat  in  Frankreich  giebt,  —  und  die 
Commune  von  Paris  gehört  nicht  zu  denjenigen  Corporationen,  welche  der  kirchlichen 
Gefinnung  verdächtig  und.  Gerade  deswegen  ifl:  es  bezeichnend  für  ihre  Stellung 
zur  Kunft,  dafs  sie  die  Malerei  für  die  Kirche  zu  ihren  Aufgaben  zählt.  Es  liegt 
darin  der  grofse  Unterfchied  in  Auffaffung  der  Kunflförderung  dielTeits  und  jen- 
feits  der  Vogefen.  Hier  pflegt  man  die  Gefinnung,  dort  die  Kunft.  In  Frankreich 
benützt  man  jede  Gelegenheit  zur  Förderung  der  Kunft,  im  deutfchen  Reiche 
geht  man  derfelben,  fo  viel  es  anftändiger  Weife  nur  geht,  aus  dem  Wege,  — 
vor  AUeni  auf  dem  Gebiete  der  Kunft  für  die  Kirche.  Man  hat  gegenwärtig 
vielleicht  den  guten  Vorwand,  die  feindfelige  Stellung  der  Kirche  zum  Staate 
und  der  Nation  nicht  durch  Kunftunterftützung  ftärken  zu  wollen;  in  Wahrheit 
aber  hat  man  keine  Vorftellung  von  der  Bedeutung  der  kirchlichen  Malerei  für 
die  Förderung  der  Kunft.  Es  fehlt,  wie  an  der  rechten  Kunftbildung,  fo  auch  an 
tieferem  Kunftverftändnifs. 

Auf  der  einen  Seite  macht  man  die  Beftellungen  für  Kunftwerke  in  der  Kirche 
von  der  Stilrichtung  und  der  (icfinnungstüchtis'keit  der  betreffenden  Künftler  ab- 


272 


OEFFENTLICHE  KUNSTPFLEGE. 


^  C)<^,'  i- 


hängig,  ganz  untreu  allen  Traditionen  der  Ge- 
fchichte,  allen  Beifpielen,  welche  Frankreich,  Bel- 
gien und  Italien  geben,  und  fchliefst  damit  Künft- 
1er  erflen  Ranges  und  ganze  Stilrichtungen  von 
derKunftübuiig  für  die  Kirche  aus;  von  der  andern 
Seite  dünkt  man  fich  für  zu  freifinnig  untl  liberal, 
um  Künftlern  noch  mit  Aufgaben  zu  kommen, 
für  welche  in  den  modernen  Iwangelien  keine 
Stelle  zu  finden  ift.  In  Frankreich  kennt  man 
weder  diefe  Gefmnungsmalerei,  noch  diefen  dün- 
kelhaften Liberalismus,  der  jeder  Berührung  mit 
der  Kunfl  in  der  Kirche  fcheu  aus  dem  Wege 
geht,  fondern  man  giebt  Künftlern  die  in  Deutfch- 
land  wie  in  Oefterreich  fo  feltene  Gelegenheit,  fich 
in  Vorwürfen  grofsen  Stiles  zu  verfuchen,  wie  fie 
die  Kirchenausfchirtückung  verlangt,  fo  oft  fich 
eine  folciie  Gelegenheit  darbietet.  Daher  kommt 
es,  dafs  in  Frankreich  die  Gewohnheit,  im  grofsen 
Stile  zu  arbeiten,  nicht  aufgehört  hat;  eben  des- 
wegen haben  die  franzöfifchen  Kunftausflellungen 
einen  vornehmen,  das  Ideal  nie  verläugnenden 
Charakter,  während  die  öfterreichifcheunddeutfche 
Kunflausflellung  wie  eine  vergröfserte  Kuiifl\'er- 
einsausflellung  unter  den  Arkaden  in  München, 
unter  den  Tuchlauben  in  Wien,  bei  Sachse  in 
Berlin  oder  Schulte  in  Düffeldorf  ausfieht,  — 
ermüdend  durch  Vorführung  von  Bildern  deffel- 
ben  Charakters,  fich  meiflens  befchränkend  auf 
Genrebilder  und  Landfchaften  und  einige  Portraite, 
denen  man  anfieht,  dafs  das  grofse  Portrait,  wel- 
ches aus  der  Uebung  der  grofsen  Hiftorienmalerei 
hervorgeht,  nicht  gepflegt  wird,  während  die 
wenigen  hiftorifchen  Gemälde,  eigentlich  mehr  der 
hiftorifchen  Decorationsmalerei  als  der  hiftorifchen 
Kunfl  angehörend,  die  Bedürfnifslofigkeit  ihrer 
Erfcheinung,  das  Nicht-  im  Einklänge-Stehen  mit 
den  Anforderlingen  des  Staates  und  der  Gefell- 
fchaft  in  wahrhaft  betrübender  Weife  an  der  Stirne 
tragen. 

Allerdings  hat  fich  das  Wechfelverhältnifs  der 
bildenden  Kunfl  zur  Gemeinde  im  deutfchen  Reiche 
etwas  gebeffert;  aber  das  Verhältnifs  der  Kund 
zur  Kirche  und  felbft  zum  Staate  könnte  fich  in 
keinem  trüberen  Lichte  zeigen,  als  es  auf  der 
Wiener  Weltausflellunir  trefchah. 


OEFFENTLICHE  KUNSTPFLEGE. 


273 


Faft  auf  jeder  Seite  des  franzöfifchen  Kunftkataloges  ift  das  ftolze  Wort  zu 
lefen:  «Appartient  a  l'Ktat,»  —  fchr  feiten  würde  man  auf  einem  Kataloge  in 
Preufsen,  Oefterreich,  Bayern,  Sachfen  diefes  Wort  hinzufügen  können.  Der  Staat 
giebt  eben  fo  wenig  wie  möglich  Geld  aus,  und  faft  fcheint  es  eine  Verlegenheit, 
wenn  irgend  ein  deutfcher  Künfller,  getrieben  von  dem  Drange,  etwas  im  grofsen 
Stile  zu  arbeiten,  was  über  das  Mafs  der  Vereins-  und  Handelsbilder  hinausgeht, 
mit  einem  Werke  hillorifchen  Stiles  auftritt  und  l^rfolg  hat,  was  man  bei  der  ftetigen 
Ebbe  des  Kunftbudgets  machen  foU  mit  Werken,   die   fchon  ihrem  Gegenftande 


Egyptifcher  (loWfchmuck. 

nach  das  laute  Geheimnifs  vcrrathen,  dafs  fie  gemalt  find  ohne  Auftrag,  dafs  fie 
für  keine  flaatlichen  Hedürfniffe  beflimmt  find,  und  dafs  der  Staat  —  ungleich 
den  franzöfchen  Nachbarn  —  fo  bedürfnifslos  in  Sachen  der  Kunfl,  fo  bureau- 
kratifch-haushälterifch  ift,  dafs  er  weder  beftellen  kann,  wie  der  franzöfifche,  noch 
auch  wollte,  wenn  er  es  könnte. 

Wahrend  die  Königreiche  Italien  und  Ungarn  ft)rcirte  Verfuche  machen,  die 
Kunfl  an  das  politifche  Räderwerk  des  Staatskarrens  zu  befeftigen,  und  fie  dort 
beftimmt  fcheint,  die  treibenden  Gedanken  der  Politik  durch  die  Action  der 
Künftler  zu  verftiirken,   geht  man  in  Oefterroich  und  liem    deutfchen  Reiche  mit 


u 


274 


OEFFENTLICHE  KUNSTPFLEGE. 


einer  Naivetät  vorwärts,  die  auf  der  Weltausftelliing  flark  markirt  war.  Die  deut- 
fchen  Siege  in  dem  letzten  franzöfifch-deutfchen  Kriege  haben  einige  Schlachten- 
bilder, einige  Portraitbilder  von,  wenn  auch  achtbarem,  doch  nicht  hervorragen- 
dem Werthe  hervorgerufen.  Sonft  war,  eine  Haupt-  und  Staatsaction  aus  der 
preufsifchen  Gefchichte  ausgenommen,  kaum  ein  gröfseres  Gemälde  auf  der 
Ausflellung,  aus  dem  hervorgehen  würde,  dafs  man  die  Pflege  der  modernen 
Kunit  mit  den  Factoren  des  Staates  und  mit  den  Anforderungen  des  grofsen 
Stiles  in  Einklang  bringt. 

Während  Frankreich  durch  ein  wohlorganifirtes  Syftem  von  Ankäufen  mo- 
derner Bilder  dafür  forgt,  dafs  den  Anfchauungen  der  Nation  und  der  kunflge- 
bildeten  Amateurs  voUfländig  Rechnung  getragen  wird,  fchreitet  man  durch  die 
modernen  Abtheilungen  der  Belvederegalerie  in  Wien,  der  neuen  Pinakothek  in 
München,  der  modernen  öffentlichen  Bilderfammlungen  in  Berlin  und  Stuttgart, 
ohne  die  Spur  eines  überlegten  oder  organifirten  Syftemes  von  Ankäufen  und  Be- 
ftellungen  von  Staatswegen  zu  entdecken.  Auch  bei  der  Decorirung  von  öffent- 
lichen Gebäuden,  ungleich  dem  in  Frankreich  bereits  in  Uebung  beflehenden 
Syftem,  fcheut  man  fich ,  das,  was  man  thut",  in  eine  einigermafsen  organifche 
Verbindung  mit  Kunflpflege  und  Künftlerförderung  zu  bringen. 

Man  fagt  immer,  der  Staat  in  Deutfchland  ift  arm,  das  Volk  ist  wohlhabend, 
aber  nicht  reich;  es  kann  nicht  beftellen  wie  in  P'rankreich.  Aber  man  vergifst 
dabei,  dafs  die  Pflege  der  grofsen  Kunft  in  PVankreich  dazu  beiträgt,  die  Nation 
reicher  zu  machen,  und  dafs  all  der  Glanz,  welchen  die  franzöfifche  Kunftindu- 
ftrie  entwickelt,  die  Folge  der  gröfsercn  Kunftpflege  und  Kunftbildung  ift.  In 
P'rankreich  weifs  man,  dafs  man  mit  den  Akademien  in  Paris  und  Rom,  mit  den 
Staatsmanufacturen  in  Sevres  und  den  Gobelinsfabriken  in  Paris  und  Beauvais 
nicht  blofs  die  Künftler  und  die  Kunft  fördert,  fondern  auch  die  Nation  berei- 
chert und  das  Ausland  befteuert.  Denn  aucli  das  deutfche  Reich,  trotz  feiner 
angeblichen  Sparfamkeit,  bezahlt  die  franzöfifchen  Bronzen  und  Spitzen,  Porzellan- 
waaren  und  Gemälde  fehr  theuer  —  während  es  aus  übelverftandener  Spar- 
famkeit fein  Kunftbudget  und  feine  Staatsfabriken,  wie  die  Weltausftellung  zeigte, 
nicht  fo  dotirt,  um  dem  franzöfifchen  Einflufs  gewachfen  zu  fein,  feine  erften 
Akademien  verkümmern  läfst,  für  grofse  hiftorifche  Malerei  im  Dienfte  des  Staates 
und  der  Kirche  nicht  forgt  und  fein  Bauwefen  von  dem  Einfluffe  des  Beamten- 
thumes  nicht  emancipirt. 

Es  fcheint  zwar  gegenwärtig  in  kunftgewerblicher  Beziehung  im  deutfchen 
Reiche  die  Erkenntnifs  zum  Durchbruche  gelangt  zu  fein,  dafs  mit  dem  Ausmafse 
des  Kunftunterrichtes,  wie  es  bis  jetzt  üblich  war,  gebrochen  werden,  dafs  neue 
Wege  betreten  werden  muffen.  Aber  es  ift  unfere  volle  Ueberzeugung,  dafs  die 
Kunftgewerbe  nicht  getrennt  von  der  grofsen  Kunft  und  der  Kunftpraxis  geübt 
werden  können,  und  dafs,  wenn  jene  gehoben  werden  follen,  auch  die  Schäden 
in  der  grofsen  Kunft,  die  fich  im  deutfchen  Reiche  auf  der  Wiener  Weltausftel- 
lung deutlich  genug  gezeigt  haben,  befeitigt  werden  muffen. 

Was  Oefterreich  in  diefem  Momente  mächtig  fördert,  ift  die  gewonnene  Ein- 
ficht in  das,  was  fowohl  der  Kunft.  als  der  Kunftinduftrie  Noth  thut,  die  grofsen 
monumentalen  Bauten,    die  Befreiung   der  Architektur  von  der  Bureaukratie,   die 


OEFFENTLICHE  KUNSTPFLEGE. 


275 


Rcformbevvegung  auf  tkin  Gebiete  der  Kunft,  die 
jetzt  in  Flufs  j^cbraciit  ift,  -  -  was  Oefterreich  liemnit, 
das  ift  die  politifche  Zwietracht  im  Innern,  die  man- 
gelnde Ueberzeugung  bei  Vielen,  einem  Staatsleben 
anzugehören,  gleichen  Ciilturzwccken  zu  dienen.  In 
diefen  Dingen  fteht  Oefterreich  nicht  blofs  hinter 
Frankreich,  fondern  auch  hinter  dem  deutfchen  Reiche 
zurück. 


Der  Kunft  im  deutfchen  Reiche  fehlt,  wie  fie 
auf  der  WeltausftelUin^  crfcliien,  der  Zug  nach  dem 
lileale,  die  Ueberzeugung,  dafs  die  Kunft  als  ein 
völkerbildendes  und  völkererziehendes  Element  einen 
l-'actor  im  Staatsleben  bildet,  der  auch  im  volkswirth- 
fchaftlichen  Sinne  durch  Nichts  erfetzt. werden  kann, 
—  fowenig  wie  grofse  Kunftfchulen,  d.  h.  Schulen, 
welche  grofse  Ziele  in  der  richtigen  Methode  verfol- 
gen, nicht  durch  Kunftfchuk'ii  erfetzt  werden  können, 
die  am  Kndc  Niemandem  dienen,  als  kleinen  Ama- 
teurs,  Kunstvereinen  und  Bilderhändlern. 

Was  es  nützt,  wenn  Talente,  wie  Schinkel  und 
Rauch,  Cornelius  und  Klenze,  Rietfchel  und  Schnorr 
von  Staatswegen  in  den  Kreis  einer  grofsen  Wirk- 
famkeit  verfetzt  werden,  hat  die  deutfche  Nation 
ebenfo  zur  Genüge  erfahren,  wie  das,  was  fie  damit 
verloren  hat,  feiner  Zeit  Talente,  wie  Carftens,  Genelli, 
Rahl,  Üverbeck  zurückgefetzt  zu  haben. 

Der  Franzofe  verfteht  es  am  heften,  eine  Künft- 
lerindividualität  par  excellence  zu  fchätzen  und  zu  ver- 
werthen;  ihm  gilt  in  erfter  Linie  nicht  die  Richtung, 
fondern  das  Talent.  Jeder  begabte  franzöfifche  Künft- 
1er  weifs  es,  dafs,  wo  auch  immer  er  leben  möge, 
der  Staat  feine  fchützende  und  fördernde  Hand  über 
ihn  ausftreckt;  Frankreich  verläfst  feine  Künftler  nicht. 
Ift  aber  einmal  ein  deutfcher  oder  öfterreichifcher 
Künftler  aufserhalb  feines  Vaterlandes,  wie  feiten  ift 
es,  dafs  die  Heimat  fich  feiner  erinnert.  Nicht  der 
Künftler.  entfremdet  fich  dem  Staate;  der  Staat  ent- 
lafst  den  Künftler  aus  feiner  Fürforge.  Sowenig  fich 
die  Commune  Wien  feiner  Zeit  um  ihre  hervorragen- 
den Kinder,  Schwind,  Rahl  und  Steinle  gekümmert 
hat,  ebenfo  ift  vereinfamt  und  verlaffen  von  feinem 
Vaterlande  üverbeck  in  Rom  geftorben,  ohne  dafs 
weder  feine  Vaterftadt  noch  fein  Vaterland  feine 
künftlerifche  Frbfchaft  übernommen  hätten. 


is  ;>ri:  1 


3W^^:i 


Guldnickerci  auf  rulhem 
Sammet  von  Uiani. 


SS« 


276 


OEFFENTLICHE  KUNSTPFLEGE. 


Rahmen,  in  Gold  und  Schwarz,  von  Ch.  Ulrich  jun.  &  Co.  in  Wien. 


Und  dicfs  ift  eben  eine  der  vielen  Confequenzen  davon,  dafs  der  Staat  die 
Pflege  der  Kunft  nicht  als  zu  feiner  Sache  gehörig  betrachtet,  die  Kunft  und  die 
Künftler  fich  felbft  überläfst,  während  jeder,  der  auf  der  Wiener  VVeltausflellung 
die  franzöfifche  Kunft  betrachtete,  die  führende  Hand  des  Staates  wahrnahm,  eine 
Hand,  die  es  gewohnt  ift,  die  Sache  der  Kunft  als  eine  Sache  der  Nation  feft- 
zuhalten.  Diefs  gilt  nicht  blofs  in  den  hier  berührten  Fragen:  in  noch  höhcrem 
Grade  machte  fich  in  Frankreich  die  ftaatliche  Intelligenz  geltend,  wenn  man  die 
glänzende  Ausftellung  der  «CoUection  des  monuments  historiques  de  France» 
(appartenant  ä  l'Etat)  und  die  XVIII.  Gruppe:  «Materiel  et  procedes  du  genie 
civil,  des  travaux  publics  et  de  l'architecture»  eingehend  unterfuchte. — Und  irre 


OEFFKNTLICHE  KUNSTI'FLP:GE. 


277 


SchülTel  von  Million  in  Sloke  iipuii  Treiit. 

icli  nicht,  fo  liegt  darin  der  gröfste  Werth  der  Weltausftellimg  in  Wien  für  die 
dcutfche  Nation,  dafs  fie  derfelbcn  nahe  gelegt  hat,  das  Wechselverhaltnifs  des 
Staates  zur  Kunft  auch  nach  der  Seite  hin  zu  prüfen,  wo  es  fich  nicht  um  die 
/Vusbeutung  der  Kunft  für  politifche  oder  Staatszvvecke,  fondern  um  interne 
l-'ragen  der  Kunft,  um  die  Erziehung  des  Volkes  zur  Kunft  und  die  Förderung 
der  Vülkswohlfahrt  durch  die  Kunft  handelt. 

R.  V.  Eitclbcrgcr. 


•C*^ 


■278 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Schale  in  cinaillirtciii  Mclall  vuii  Elkiii^lon. 


Plastik  und  Malerei. 


I.  Einleitung  und  Uebersiclit. 

Die  darRcllcndcn  Künde,  l'laftik  und  Malerei,  fpielten  auf  der  Wiener  Welt- 
ausflellung  räumlich  eine  fehr  hervorragende  Rolle.  Es  war  ihnen  ein  besonderes 
Gebäude  eingeräumt,  deffen  Flügel  (Pavillons)  einen  geräumigen  Hof  umfchloffcn, 
und  in  ihm  hatte  fich  eine  fehr  grofse  Zahl  von  Künftlern  zum  Theil  mit  ansehn- 
lichen Reihen  vcrfchiedenartiger  Werke  verfammelt.  Trotzdem  bot  die  Aus- 
flellung  als  Ganzes  betrachtet  lange  nicht  ein  fo  befriedigendes  Bild  von  der 
Kunfl;  der  Gegenwart,  wie  man  hätte  erwarten  follcn,  und  wie  es  die  Parifer 
Weltausflellung  von   1867  annähernd  bot. 

Die  Gründe  diefer  Erfcheinung  find  verfchiedener  Art.  Nicht  ganz  unberührt 
blieb  auch  die  Kunft  von  dem  verfehlten  Anordnungsprincipe  der  gefammten 
Ausftellung;  denn  wiewohl  _  fie  dem  Namen  nach  ifolirt  und  innerhalb  ihres 
Kreifes  zufammengehalten  auftrat,  fanden  fich  doch  fehr  wefentliche  zu  ihr  ge- 
hörige Stücke  an  verfchiedenen  Punkten  der  y\usflellung  zerflreut  vor,  und  es 
war  nur  um  fo  flörender,  diefen  verlorenen  und  verfprengten  Theilen  nachgehen 
7,u  muffen,  je  mehr  das  Vorhandenfein  derfelben  mit  dem  vorgeblichen  Princip 
im  Widerfpruche  ftand. 

Dazu  kam,  dafs  das  eigentliche  Kunfllocal,  man  darf  fagen,  fo  ungünftig  wie 
möglich  war.  Es  liegt  anderen  Berichtcrftattern  ob,  die  AufftcUung  von  Kupfer- 
flichen  und  architektonifchen  Zeichnungen   in  offenen  hölzernen  Hallen  auf  ihre 


I.  i:iNLEITUNG  UND  UKHERSICHT.  279 


Zulaffipjkeit  zu  prüfen.  Aber  auch  denjenigen  Räumen,  welche  mit  Bildern  und 
Sculi)turen  angefüllt  waren,  manfjelte  es  an  den  werentlichflen  l<>forderniffcn : 
zunächft  an  Uebcrfichtlichkeit.  Das  Scheitern  der  „Exposition  des  Amateurs",  von 
der  nur  ein  kleines  BruchlUick  zur  Ausführung  kam,  machte  Räume  disponibel, 
deren  fich  die  viel  zu  klein  angelegte  Kunfthalle  für  die  Aufftapelung  der  ihr  zu- 
gewiefenen  Schatze  mit  Vergnügen  bemächtigte,  die  aber  ganz  zusammenhangs- 
los gewi ff ermafsen  einen  Ariadnefaden  nöthig  machten,  um  fich  in  der  Gesammt- 
heit  der  einer  Kunft  gewidmeten  Räume  zurechtzufinden. 

Ferner  waren  trotz  diefer  unverhofften,  aber  sehr  erwünfchtcn  ]'>weiteriing 
die  Kunrträume  bei  Weitem  zu  klein.  Nicht  nur,  dafs,  wie  z.  B.  von  Deutfch- 
land  bekannt  und  nachweisbar  ift,  ein  fehr  erheblicher  Bruchtheil  der  zur  Aus- 
flellung  angemeldeten  Werke  nicht  etwa  ihrer  Unzuläffigkcit  wegen,  fondern 
lediglich  aus  Mangel  an  Raum  hat  zurückgewiefen  werden  muffen,  fo  dafs  man 
manches  fchätzbare  Werk  in  Wien  bedauernd  vermiffen  mufste,  • —  fondern  felbst 
die  zugelaffenen  mufsten  fo  hoch  über  einander  gehängt  werden,  wie  es  mit 
einer  rationellen  Bilderanordnung  unbedingt  unverträglich  ift.  Die  zuläffige 
hüchfle  Grenze  der  Behängfläche  von  15  bis  16  Schuh  war  zum  Thcil  um  mehr 
als  die  Hälfte  überfchritten ,  fo  dafs  eine  wirkliche  Beurtheilung  der  IJilder  zur 
Unmöglichkeit  wurde. 

Hierzu  gefeilte  fich  nun  noch  der  Umfland,  dafs  gerade  die  Haupträume  ein 
fo  abfcheuliches  Licht  hatten,  wie  es  kaum  in  irgend  einer  der  europäifchen  Ga- 
lerien angetroffen  wird.  Wenn  es  wahr  fein  follte,  dafs  dies,  wie  man  fich  aus- 
drückte, die  ,, Generalprobe"  für  die  Beleuchtung  der  neu  zu  erbauenden  kaiser- 
lichen Museen  in  Wien  war,  fo  verfprächen  diefelben  die  fchlechtefle  Oberlicht- 
beleuchtung von  allen  bisher  errichteten  zu  bekommen.  Nur  unter  den  aller- 
günftigflen  Witterungsverhältniffen  war  einigermafsen  etwas  in  den  Hauptfälen 
zu  fehen,  und  wer,  wie  der  Berichterflatter,  Gelegenheit  gehabt  hat.  Hunderte 
der  hier  ausgeflellten  Kunflwerke  bereits  an  anderen  Stellen  gründlich  und  unter 
mehr  oder  weniger  guten  Beleuchtungsverhältniffen  zu  betrachten,  der  fühlte  fich 
auf  Schritt  und  Tritt  beklemmt  durch  das  Gefühl ,  dafs  kein  einziges  Kunflwerk 
wiederzuerkennen  war,  ein  Umfland,  der  auf  die  Freudigkeit,  fich  überhaupt 
ein  Urtheil  über  bisher  unbekannte  Sachen  zu  bilden ,  fehr  niederfchlagend 
einwirken  mufste.  Auf  der  Parifer  Ausflellung  war  von  einem  folchen  Hemm- 
niffe  der  liefchauung  nicht  im  Geringflen  die  Rede,  fondern  dort  entfprach  die 
niedrig  angebrachte,  reichlich  gefpendete  und  in  paffender  Höhe  gedämpfte 
Oberlichtbeleuchtung  allen  Anforderungen,  die  an  eine  gute  Beleuchtung  ge- 
macht ^werden  können,  und  flellte  wohl  das  Ideal  deffen  dar,  was  durch  Ober- 
licht überhaupt  zu  erreichen  ifl.  —  Boten  nun  auch  die  Nebencompartimente 
mit  ihrem  Seitenlichte  günftigere  Verhältniffe  dar,  fo  waren  hier  grofsentheils  des 
entfetzlichen  Raummangels  wegen  auch  die  Fenfterwände  mit  Bildern  und  an- 
deren Kunftwerken  behängt,  die  da  natürlich  felbft  für  die  eifrigeren  und  gewiffen- 
hafteren  Bcfucher  der  Ausftellung  ihr  Grab  fanden. 

Wenn  man  fich  zu  all  diefen  Schwierigkeiten  noch  vergegenwärtigt,  dafs  über 
die  meiden  und  jedenfalls  über  die  hervorragendften  der  hier  zufammengeflolTe- 
nen  Kunftwerke  fich  d.is  Urtheil  durch  mehrfache  Befprechung  von  Fachleuten  und 


28« 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


durch  die  öffentliche  Meinung  zum  Theil  bereits  feit  Jahren  fixirt  hat,  dafs  anderer- 
feits  zahlreiche  an  den  Fingern  herzuzählende  Werke,  die  als  epochemachend  und 
für  gewiffe  Zeitftrömungen  im  höchften  Grade  bezeichnend  jedenfalls  zur  Signatur 
der  zeitgenöffifchen  Kunfl;  unzweifelhaft  beitragen,  aus  diefen  und  jenen  Gründen 
der  Ausftellung  fern  geblieben  waren,  —  ich  erinnere  nur  daran,  dafs  u.  A.  die 
Namen  Wilhelm  v.  Kaulbach,  Lourens  Alma  Tadema,  Gustave  Courbet  vergeblich 
gefucht  wurden,  —  dafs  weiter  durch  das  Vorhandene  oft  ganze  Richtungen  der 
Kunfl,  der  Kunftcharakter  einer  Nation  oder  die  Eigenart  eines  Künftlers  in  fal- 
fchem  Lichte  erfchienen:  fo  erhellt,  dafs  die  Pflicht  des  Berichterflatters  gerade 
über  diefen  Theil  der  Ausflellung  vor  allen  anderen  fchwierig  ifl. 

Woran   auch   follte   er  fich  halten?     Hätten   wir  eine   durchgehende  grofse 
Strömung,    welche   fich  in  der  Gefammtrichtung  der  Kunfl  zur  Geltung  brächte, 


Kuffifche  Krüge. 


wie  etwa  das  gefammte  Kunflgewerbe  bis  in  feine  äufserflen  Vorpoflen  hinein 
es  fich  anmerken  läfst,  dafs  es  energifch  an  feiner  Wiederherflellung,  an  feiner 
Zurückführung  zu  flrengen  und  fieberen  Stilprincipicn  arbeitet,  fo  dafs  die  Theil- 
nahme  an  diefen  Beflrebungen  das  Mafs  des  Intereffes  und  des  Beifalles  für  die 
einzelnen  Leiflungen  beflimmt,  fo  wäre  noch  allenfalls  ein  Faden  zu  finden,  an 
dem  die  einzelnen  Thatfachen,  ohne  ein  entflellendes  und  entflelltes  Bild  zu  lie- 
fern, aufgereiht  werden  könnten.  So  aber,  wo  die  widerfprechendflen  Strömun- 
gen ungehindert  neben  und  durcheinander  in  der  Kunflwelt  hergehen,  wo  jeder 
einzelne  irgend  bedeutende  Künfller  bein.ahe  eine  felbfländige  und  ifolirte  Erfchei- 
nung  ifl  und  für  fich  gewürdigt  werden  mufs,  und  wo  es  alfo  für  das  Gefamnitbild 
auf  Richtigkeit  und  Vollfländigkeit  diefer  einzelnen  Bilder  ankommt,  mufs  man 
beinahe  daran  verzweifeln,  in  diefer  Richtung  zu  einem  auch  nur  halbwegs  be-, 
friedigenden  Resultate  zu  gelangen. 


I.  EINLEITUNG  UND  UEBEllSICHT. 


281 


Hierbei  ifl  noch  gar  nicht  einmal  daran  gedacht,  dafs  weder  die  einzelnen 
Nationen  noch  die  Generaldirection  der  Ausheilung  gewiffenhaft  und  flreng  in 
der  Innehaltung  des  Termincs  gewefen  find,  über  welchen  nicht  in  die  Vergangen- 
heit zurückgegriffen  werden  durfte.  Theoretifch  war  die  Kunft  des  letzten  De- 
cenniums  hier   vertreten;    aber  in   Deutfchland  traten   frühe  Arbeiten    aus   dem 


Steinzeugkrüge  von  H.  Doulton  .S:  Co.  in  London. 

Anfange  der  50er  Jahre  von  Charles  Hoguet  und  Eduard  Hildebrandt  auf  Krank- 
reich fchmückte  fich  mit  den  Werken  Eugene  Delacroix's,  der  bekanntlich  1855 
bereits  geftorben  ifl,  und  um  fo  flörender  war  diefe  Einmifchung  ungehöriger 
Elemente,  als  fie,  wie  beifpielsweife  die  Werke  Delacroix's,  einen  Mafsflab  der 
Beurtheilung  an  die  Hand  gaben,  der  für  die  modernen,  eigentlich  zur  Ausflel- 
lung  berufenen  Arbeiten  nichts  weniger  als  erwünfcht  fein  konnte.  Der  allgemei- 
nen Herrfchaft  des  Machwerkes,  der  Routine  und  des  Calcüls  trat  hier  ein  dä- 
monifcher,  gewaltig  fchöpferifcher  Kündler  gegenüber,  mit  dem  die,  zahmere  oder 
ausfchweifende  Gegenwart  nicht  einen  Strang  ziehen  konnte. 

Nach  alle  diefem  mufs  mehr  als  jede  andere  15erichterflattung  diejenige  über 
die  darflellende  Kunfl  auf  der  Weltausftellung  Verfuch  und  Skizze  bleiben ;  fie 
mufs  iJas  feflzuflellen  fuchen,  was  fich  im  Wiener  Frater  mit  unzweifelhafter 
Deutlichkeit  herausgeÜcllt  hat,    und  das  wird  meift  tlas  fein,    was   keiner  Welt- 


86 


282 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


ausftellung  bedurft  hätte,  fondern  was  aus  der  früheren  Erfahrung  bereits  hin- 
länglich feflfleht;  und  fie  wird,  foweit  dies  ohne  ermüdende  Weitfchweifigkeit 
und  Eintönigkeit  möglich  ift,  das  Einzelne  verzeichnen  muffen,  das  als  befonders 
hervorragend  von  Zeit  zu  Zeit  immer  einmal  wieder  betrachtet  zu  werden  ver- 
dient, oder  das  der  bisherigen  Beobachtung  fich  entzogen  hat. 

In  letzterer  Beziehung  wird  freilich,  wenn  von  der  fubjectiven  Schranke  des 
einzelnen  Berichterftatters  abgefehen  und  die  Summe  des  hiflorifch  Bekannten  als 
Mafsflab  angenommen  wird,  gar  nichts  Erhebliches  zu  notiren  fein.  Kein  einziger 
neuer  befonders  genialer  Künftler  und  kein  einziges  neues  fehr  bedeutendes  Kunft- 
werk  hat  fich  auf  der  VVeltausflellung  zum  erften  Male  dem  Publicum  dargeflellt. 
Eine  ganz  geringe  Modification  erleidet  diefes  auch  fchon  von  anderer  Seite  in  einem 
früheren  Abfchnitte  diefes  Berichtes  gefällte  Urtheil  allenfalls,  wenn  man  in  den 
Begriff  der  Weltausflellung  das  gefammte  Wien  des  Ausflellungsjahres  mit  ein- 
bezieht und  das  Auftreten  Adolph  Hildebrand's  im  öfterreichifchen  Mufeum 
und  der  Caterina  Cornaro  von  Hans  Makart  im  Künftlerhaufe  mit  in  Betracht 
zieht,  was  allerdings  eine  gewiffe  Berechtigung  hat,  da  nur  private  Gründe  zum 
Theil  ganz  berechtigter  Natur  die  Sonderausftellung  der  betreffenden  Arbeiten 
veranlafst  haben. 

Ein  gleich  von  vorn  herein  fehr  auffallender  Mangel  der  Kunft  auf  der 
Wiener  Weltausflellung  war  das  Fehlen  der  monumentalen  Kunfl.  Ich 
denke  dabei  natürlich  nicht  etwa  blofs  an  öffentliche  Denkmäler;  ich  verflehe 
diefen  Ausdruck  auch  natürlich  nicht  in  dem  von  Detmold  verdienter  Lächerlich- 
keit preisgegebenen  Sinne  der  fogenannten  und  einft  allein  feiig  machenden 
Hiflorienmalerei,  fondern  ich  denke  an  diejenige  Kunfl,  welche  im  innigften 
Zufammenhange  mit  grofsen  Bauunternehmungen  aus  dem  Bedürfniffe  einer  Nation 
und  getragen  von  dem  grofsen  Sinne  der  Gefammtheit  hervortritt. 

In  diefer  Richtung  war  fafl:  nur  Frankreich  in  einigermafsen  befriedigender 
Weife  auf  dem  Kampfplatze  erfchienen;  und  dies  der  Wahrheit  gemäfs  an- 
erkennen zu  müfsen,  fällt  um  fo  fchwerer,  als  die  beiden  Hauptgründe  diefer 
P>fcheinung,  wenn  man  unbefangen  die  Vorgänge  beobachten  kann,  fich  nur 
allzuleicht  ergeben    und   nichts  weniger  als  erfreulich  und  rühmlich  für  uns  fmd. 

Erftlich  treten  derartige, Arbeitea  dort  in  gröfserer  Zahl  hervor,  weil  feit 
lange  alle  leitenden  Gefellfchaftsklaffen,  die  Herrfcher  refp.  der  Staat,  die  Arifto- 
kratie,  die  Geiftlichkeit,  die  Gemeinden,  die  Nothwendigkeit  eingefehen  und  eine 
Ehre  darein  gefetzt  haben,  die  Kunft  bei  jedem  grofsen  gemeinnützigen,  von  der 
Allgemeinheit  ausgehenden  und  für  fie  beflimmten  Unternehmen  in  grofsartigem 
Mafsflabe  heranzuziehen,  und  fich  dadurch  in  Frankreich  bis  in  unfere  Tage 
felbfl  unter  der  Herrfchaft  der  kleinlichflen  Modethorheiten  in  der  Kunfl  die 
Uebung  und  der  Sinn  für  monumentale  Gröfse  in  der  Künftlerfchaft  lebendig 
und  werkthätig  erhalten  hat. 

Der  zweite  Grund  jener  Erfcheinung  liegt  darin,  dafs  eben  diefelben  leiten- 
den Kreife  in  P'rankreich  mehr  als  irgend  fonfl  wo  das  Bcwufstfein  haben,  dafs 
es  eine  Ehre  für  fie  felbft  und  für  die  ganze  Nation  und  eine  Auszeichnung 
über  alle  übrigen  Auszeichnungen  ift,  wenn  fie  fich  gerade  in  diefer  Richtung 
fo  glänzend  wie  nur  immer  möglich  vertreten  laffen.     Daher  die  Anftrcngungen, 


I.  EINLEITUNG  UND  UEBERSICHT.  283 


die  von  allen  Seiten  gemacht  worden  find,  um  Alles,  was  ii^end  zu  einer  grofs- 
artigen  Rcpräfentation  Frankreichs  erfordert  werden  konnte,  mit  allen  Mitteln 
möglichft  vollzählig  zur  Stelle  zu  fchaffen  und  in's  rechte  Licht  zu  ftcllen:  wäh- 
rend man  fofort  kleinlaut  wird  und  als  wohlgefchulter  Bürger  zu  beschönigen 
anfangen  müfste,  wenn  man  darauf  blickt,  wie  bei  uns  derartige  Dinge  behandelt 
werden.  Ich  möchte  den  Franzofen  fehen,  der  es  begreift,  wie  es  möglich  ift, 
dafs  in  der  deutfchen  Kunftabthcilung  der  Wiener  Weltausflellung  nach  den 
Jahren  1870  und  71  die  wahrhaft  monumental  gedachten  Kunflwerke  von  der 
Berliner  Siegcsftrafse  beim  Einzüge  der  Truppen  vergeblich  gefucht  werden. 
Hatte  doch    auch   die  Stadt  Berlin,    in    deren  Befitze    fich    die   Velen   von    der 


Vafe  vuii  vciiL-uamlchcni  Avcnuiringlas. 

Triumphflrafse  befinden,  nicht  einmal  ihr  „fchönes  neues"  Rathhaus  ausgeftellt, 
was  freilich,  wenn  es  aus  Erkenntnifs  von  der  Armfeligkeit  und  Kümmerlichkeit 
diefes  Bauwerkes  unter  allen  Gefichtspunkten  —  fclbft  dem  der  Zweckmäfsigkeit, 
zu  gefchweigen  von  dem  der  Schönheit,  —  gefchehen  wäre,  eine  nur  zu  grofse 
Berechtigung  hätte,  aber  unzweifelhaft  wenigflens  feinen  Hauptgrund  in  dem 
mangelnden  Intereffe  für  diefe  Seite  des  öffentlichen  Lebens  und  die  öffentliche 
Kunflpflege  hat. 

Freilich,  was  ift  von  der  Vertretung  einer  Stadt  zu  verlangen,  deren  Bürger- 
fchaft es  gefchehen  läfst,  dafs  ein  nationales  Kunftwerk  allererften  Ranges,  wie 
das  berühmte  SiemeringTche  Relief  des  Auszuges  zum  Kampfe,  nicht  nur  nicht 
in  dauerhafter  Weife  ausgeführt  und  an  öffentlicher  Stelle  aufgeftellt  wird,  fondern 
dafs  fogar  das  Original  jener  Arbeit  in  den  Befitz  eines  Privatmannes  übergehen 


284 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Sefl'el  von   Ebenholz,  mit  Elfenbein  eingelegt,  nach  Entwurf  von  J.  Storck  ausgeführt 
von  J.   Haas  &  Söhne  in  Wien. 


darf!  Und  in  derfelben  Zeit  erfreut  man  fich  pflichtfchuldigft  eines  ebenfo 
kunfllofen  wie  koftfpieligen  Werkes,  welches  unter  dem  angeniafsten  Titel  eines 
„Nationaldenkmales"  fich  dem  Volke  darflellt.  Wann  wird  endlich  der  kleinliche 
Geifl  und  die  philifterhafte  Gefmnung  aus  den  leitenden  Kreifen  in  deutfchcn 
Lan,den  weichen,  und  das  Culturideal  für  fie  noch  andere  Dinge  umfaffen,  als  die 
Strammheit  im  Dienfte  und  die  begeifterte  Knappheit  in  der  Finanzwirthfchaft? 
Wenn  man  fah,  was  die  Städte  Paris  und  Wien  —  die  letztere  neben  der  Welt- 
ausflellung  in  ihrer  „hiftorifchen  Ausftellung"  —  für  ein  Bild  von  fich  und  ihrer 
Thätigkeit  entrollten ,  fo  konnte  man  nur  mit  Schauder  daran   denken ,    dafs  es 


I.  EINLEITUNG  UND  UERERSICHT. 


285 


Seffel  aus  Ebenholz,  nach  Entwurf  von  J.  Storck  ausgefülirt  von  J.  Haas  &  Söhne  in  Wien; 
Stoff;  violetter  Sammet  mit  Gold. 


eigentlich  doch  nicht  zu  viel  verlangt  wäre,  wenn  Berlin  etwa  gleiche  Anftren- 
gungen  machte,  um  fich  mit  den  Blüthen  einer  höheren  Cultur  zu  fchmücken, 
und  wenn  man  die  Spuren  eines  folchen  Beftrcbcns  felbft  bis  in  den  letzten 
Winkel  der  Weltausftellung  hinein  ganz  vergeblich  fuchte. 

Man  wende  hiergegen  nicht  etwa  ein,  dafs  es  an  den  Mitteln  gefehlt  habe, 
und  die  vorhandenen  für  nothwcndigere  Zwecke  gebraucht  feien.  Erftlich  hatte 
man  können  und  foUen  nach  dem  Mafse  der  verliehenen  Kräfte  die  Sehnfucht  nach 
den  Zierden  der  Kunft  bethätigen,  und  dafs  auch  nur  dies  gefchehen,  wird  fchwer- 
lich  Jemand  behaupten  wollen.     Sodann  ift  noch  nie  ein  Staat  oder  eine  Stadt  an 


286 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


der  Pflege  der  Kunfl;  zu  Grunde  gegangen  oder  bankerott  geworden,  und  felbft 
nach  national-ökononiifchcn  Grundfätzen  für  den  Augenblick  etwas  übertriebene 
Aufwendungen  haben  fich  auf  Umwegen  in  der  Folgezeit  mehr  als  bezahlt  ge- 
macht. Oder  wer  bereut  beifpielsweife  in  ürcsden  heute  noch  die  coloffalen  Sum- 
men, welche  in  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  für  die  Verfchönerung  Dres- 
dens und  feine  Bereicherung  mit  Kunftfchätzen  aller  Art  aufgewendet  worden 
find  r  Es  liegt  eben  lediglich  an  dem  Mangel  an  Sinn ,  dafs  bei  uns  nichts 
gefchieht,   und  diefer  Mangel  an  Sinn  ift  ein  Zeugnifs  von  Mangel  an  Cultur. 


Als  die  drei  Grofsmächte  auf  dem  Gebiete  der  Kunfl  ftellen  fich  ichon  ilurch 
ihre  räumliche  Entfaltung,  aber  auch  durch  das,  was  fie  bieten,  Frankreich, 
Oeftcrreich  (mit  Ungarn)  und  Deutfchland  dar.  Nur  bei  dicfen  ift  die 
Kunft  nach  allen  Richtungen  hin  ungefähr  gleichmäfsig  entwickelt,  und  nur  fie 
zeigen  einen  felbfländigen  eigenartigen  Charakter. 

Alle  anderen  Nationen  find  mehr  oder  weniger  von  diefen  Hauptmächten 
abhängig,  fo  Belgien  von  Frankreich,  Holland  thcils  von  diefem ,  theils  von 
Deutfchland  (überhaupt  auf  diefer  Ausftellung  fehrmäfsig  vertreten);  die  Schweiz 
als  ein  Boden  für  internationale  Einflüffe;  der  fkandi  na  vi  fch  e  Norden,  ja 
felbfl  Rufsland  fafl  ausfchliefslich  von  Deutfchland  her,  hauptfächlich  durch 
die  Düffeldorfer  Malerakademie  beflimmt.  Spanien,  welches  an  den  Traditio- 
nen feiner  Vergangenheit  zehrt  und  fich  am  Borne  der  franzöfifchen  Kunfl  zu 
beleben  verfucht,  trat  in  einer  innerlich  und  äufserlich  fo  auffallenden  Weife  zu- 
rück ,  dafs  man  es  nur  mit  den  unklaren  politifchen  Zufländen  des  Landes  ent- 
fchuldigen  kann.     Portugal  hat  es  vorgezogen,  zu  paufiren. 

So  bleiben  nur  noch  England  und  Italien  von  den  europäifchen  Staaten 
übrig;  denn  das  osmanifche  Reich  zählt  gar  nicht  mit,  und  Griechenland 
weifl  eigentlich  nur  einen  einzigen  Künfllcr  auf,  und  das  ifl  unter  graecifirtem 
Namen  ein  Dcutfcher.  I^ngland  hat  etwas  ganz  Sclbfländiges  zu  bieten  in  feinen 
Aquarellgemälden  und  überhaupt  in  feiner  Malerei,  und  Italien  elektrifirt  das 
Publicum  durch  feine  Sculpturen. 

Die  aufsereuropäifchen  Länder  fchweigen  in  diefem  künfllerifchen  Völker- 
concerte,  wenn  nicht  etwa  der  eine  und  der  andere  Herrfcher  in  den  Befitz  eines 
europäifchen  Künfllers  gekommen  ifl,  der  dann  ihn  felbft  oder  feine  Minifler  oder 
auch  Anfichten  aus  feinem  Lande  oder  dergleichen  malt.  Von  irgend  einem  natio- 
nalen Charakter  einer  folchenKunftvertretung  kann  daher  gar  keine  Rede  fein.  Der 
einzige  aufsereuropäifche  Staat,  der  mit  einiger  Selbfländigkeit  hätte  auftreten 
können,  wenn  er  fich  die  Mühe  gegeben  hätte,  und  wenn  er  nur  fo  gut  vertreten 
gewesen  wäre,  wie  in  Paris  1867,  find  die  Vereinigten  Staaten  von  Nord- 
america,  aber  kein  Menfch  kann  einen  Begriff  von  dem  bekommen,  was  dort  in 
der  Kunil  gelciftet  wird,  wenn  er  nichts  weiter  kennt,  als  was  die  Wiener  Welt- 
ausflellung  ihm  vorführte.  Die  klangvollflen  Namen  wurden  vergeblich  gefucht, 
und  Werke  von  folchcm  Intercffe  und  folchcr  anfprechenden  Wirkung,  wie  Paris 
fie  bot,  Bilder  von  Eaftniann  Johnfon,  dem  amerikanifchen  Knaus,  und  Anderen, 
waren  nicht  zu  finden. 


IL  DIE  KATALOGE. 


287 


II.  Die  Kataloge. 

Eine  ganz  ausdrückliche  Rüge  verdient  Alles,  was 
an  Kunftkatalogen  für  dieWeltausftellung  officiell  erfchie- 
nen  ift,  mit  einziger  Ausnahme  des  franzöfifchcn  und  des 
befonderen  belgifchen  Kunftkataloges.  Selbft  Deutfch- 
lands  officieller  Katalog,  der  diesmal  wohl  der  befte 
unter  allen  Specialkatalogen  der  Nationen  zu  fein  fich 
rühmen  durfte,  wurde  fofort  unbrauchbar,  fo  wie  er  fich 
dem  Kunflbereiche  näherte;  während  er  in  allen  übrigen 
Gruppen  Nachweife  über  die  Ausfleller  und  die  noth- 
wendigen  Erläuterungen  der  ausgeflellten  Objecte  giebt, 
wird  er  bei  der  Kunfl  von  einer  Dürftigkeit,  dafs  kaum 
auf  die  Richtigkeit  der  Angaben,  namentlich  auf  die 
richtige  Schreibart  der  Namen  mit  Sicherheit  gezählt 
werden  darf. 

Die  Italiäner  hatten  diesmal  nicht  wie  1867  die 
Tactlofigkeit,  einen  Katalog  mit  kritifirenden  Bemerkun- 
gen zu  verkaufen;  abgefehen  von  der  unerhörten  Un- 
ordnung einer  unalphabetifchen  Aufzählung,  bei  der 
nicht  einmal  die  Arbeiten  der  Meifter  bei  einander  flehen, 
und  die  mit  der  Numerirung  des  officiellen  Kataloges 
nicht  stimmt,  war  derfelbe  aber  auch  fo  dürftig,  dafs  er 


Knndornament   eines  Thürvorhangs    im  Stile  Henry  II.,    Seide   auf  Sammel,    von  Roiidillon   in  Paris. 


lediglich  auf  der  Stufe  des  allgemeinen  Kataloges  flehen  blieb ;  und  diefer  —  das  mufs 
fchliefslich  hervorgehoben  werden  —  war  an  Aermlichkeit  und  Unbrauchbarkeit  ein 
non  plus  ultra.  Dafs  er  nur  die  allerunumgänglichften  Angaben  enthielt,  verficht 
fich  zunächft  von  felber;  dann  aber  war  er  fo  eng  und  unüberfichtlich  gedruckt,  dafs 
er  für  den  Gebrauch  bei  einem  Studium  der  Ausftellung  gar  1  icht  zureichte. 
Schlimmer  aber  als  diefe  praktische  Unbrauchbarkeit  war  der  fo  zu  fagen  Geift, 
welcher  fich  in  der  Bearbeitung  diefes  Druckwerkes,  von  deflen  erfter  Auflage  aus 
Mitleid  vollständig  gefchwiegen  werden  mufs,  auch  noch  in  feiner  zweiten  „ver- 
mehrten und  verbefTerten"  Auflage  ilarftellte. 

Es  möge  dem  Berichterflatter  über  die  Exposition  des  Amateurs  vorbehalten 
fein,  über  die  wiffenfchafthche  Unzugänglichkeit  diefer  Abtheilung  des  Kunst- 
kataloges  fich  zu  verbreiten :  hier  fei  nur  auf  einige  Kleinigkeiten  hingewiefen, 
die  mehr  allgemeiner  Natur  find  und  die  Einheitlichkeit  der  Redaction  des  Ganzen 
verbingen.     So  lefen  wir  auf  S.    20  als  t-rlle  Ueberfchrift  unter    Schweden:  „b) 


288 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


PoftameiUiifcn   von    Ucmliard   Erndt^  Wien. 


II.  DIE  KATALOGE. 


289 


Sogenannte  (!)  Objets  d'art".  Auf  S.  24  ift  ein  Schild  des  Freiherrn  Anfehn  v. 
RothTchild  „reich  mit  Goldtouchirarbeit  verziert,  in  der  Mitte  ein  Reiterkampf, 
hf  rum  allegorifche  Figuren".  Auf  dem  grofsen  Verduner  Altare  von  Klofter- 
neuburg  (S.  29)  ift  auf  einem  Täfelchen  dargeftellt  „die  Opferung  der  h.  drei 
Könige".  S.  47  unter  No.  13  findet  fich  eine  „prachtvolle  applikirte  Perlen- 
stickerei"; und  was  dergleichen  Schönheiten  mehr  find. 

In  dem  eigentlichen  Kataloge  über  die  bildenden  Künfte  der  Gegenwart 
(Gruppe  XXV)  fpielt  nun  die  Schwierigkeit,  die  fremden  Zungen  zu  überwinden, 
eine  Hauptrolle.  Mit  unglaublicher  Gefchmacklofigkeit  werden  z.  B.  in  der  eng- 
lifchen  Abtheilung  die  umftändlichen  englifchen  Titulaturen  feierlich  überfetzt: 
„Portrait  der  ehrenwerthen  Frau  fo  und  fo",  „von  dem  höchft  ehrenvvcrthen  I  lerrn 


1  Lindleuchter  in  Meffing,  von   Deniöre  in  Paris. 


fo  und  fo  geliehen."  Wie  man  es  bei  Quintanern  beobachtet,  laffen  die  Schwierig- 
keiten der  Uebertragung  den  Ueberfetzer  die  eigene  Sprache  vergeffen:  No.  55 
hcifst  „Der  gespenftcrifche  Jäger".  No.  56  ift  „Eine  Schöne  und  ein  Thier"  'es  ift 
das  nämlich  eine  Dame,  welche  einem  Hunde  eine  Schüffei  vorhält").  No.  64  wird 
überfetzt:  „Der  fchüchterne  Schüler"  (allerdings  auch  auf  dem  Rahmen  des  Bildes), 
während  eine  Dame  im  Tanzen  unterrichtet  wird.  No.  103  erfcheint  der  Befitzer 
des  Bildes,  Sir  G.  E.  Street,  Efqr.,  als  „Mitglied  der  Quaritocks  Hügel  in  Somer- 
fetfhire",  während  der  letztere  Genitiv,  und  zwar  richtig  „Quantocks-Hügel",  zu 
den  beiden  fonft  unverftändlichen  erftcn,  den  Gegenftand  bezeichnenden  Worten 
„Am  Fufse"  gehört.  —  Auch  die  kleine  Kunftabtheilung  der  Vereinigten 
Staaten  ift  nicht  ohne  Komik  davongekommen:  gleich  der  erfte  Künftler  heifst 
„Wart  Am  es  van"  ;  fpäter  heifst  der  geniale  Erfinder  des  Telegraphen  „Morse". 
In  Spanien  ift  eine  Eintheilung  nach  den  Künften  auch  nicht  einmal  verfucht; 
was  der  Malerei  angehört,  wird  in  der  Regel  als  „Oelgemälde"  bezeichnet  —  auch 
wenn  es  mehrere  von  demfelben  Meifter  find,  unter  einer  Nummer.  Die  Namen 
der  Künftler  find  nicht  feiten  falfch  angegeben,  und  an  dummen  Ueberfetzungen 


37 


290  PLASTIK  UND  MALEl^I. 


wie  „Rette,  wer  kann,"  fehlt  es  auch  hier  nicht.  Von  einer  Benutzung  des 
Kataloges  war  Mangels  einer  Numerirung  der  Bilder  felber  keine  Möglichkeit  ge- 
boten. (Die  fpäter  auftauchende  Numerirung  ftimmte  nicht.)  — ■  Man  fage  nicht,  dafs 
dies  Schuld  der  fpanifchen  Ausftellungscommiffion  fei,  die  in  ihrem  ganzen 
,  Bereiche  ein  Labyrinth  anftatt  einer  geordneten  Ausftellung  dargeboten  hat.  Die 
Kunftabtheilung  hatte  ihre  eigene  Verwaltung,  und  es  wäre  keine  übertrieben 
grofse  Mühe  gewefen,  wenn  fich  Jemand  die  Zeit  genommen  hätte,  die  82 
Nummern  fpanifcher  Kunftgegenflände  vvenigftens  in  einer  ebenfo  ungenügenden 
Weife  wie  alles  Uebrige  zu  katalogifiren  und  ein  paar  Nummern  anzuheften. 

Selbfl  mit  dem  Franzöfifchen  fcheint  die  officielle  Katalogscommiffion  auf 
einem  fehr  gefpannten  Fufse  geftanden  zu  haben,  und  auch  hier  das  eigene  Sprach- 
gefühl durch  den  Dämon  der  fremden  Zunge  verwirrt  worden  zu  fein.  Als  Ueber- 
fchrift  der  Kupferstich-Abtheilung  in  dem  Verzeichnisse  der  Kunftwerke  Frank- 
reichs wird  das  franzöfifche  „Gravures"  mit  „Gravirungen"  überfetzt.  (In  der  Ab- 
theilung der  Schweiz  steht  an  derfelben  Stelle  „Zeichnende  Künfte"!)  Rembrandt's 
„Piece  de  cent  Florins"  erfcheint,  No.  1066,  als  „Hundertgulden  flück"  flatt 
„Hundertguldenblatt".  „La  femme  adultere",  was  bekannthch  die  Ehebrecherin 
heifst,  wird  unter  No.  852  „Das  ehebrecherifche  Weib".  Die  franzöfifche  „Societe 
de  Gravüre"  verwandelt  fich  —  vor  No.  1 1 56  —  in  eine  franzöfifche  Kupfer- 
ftecher-Gefellfchaft.  No.  72  ift  ein  „Gelübde  zur  heiligen  Anna."  No.  287  ftellt 
den  „guten  Samaritaner"  dar,  ftricte  Ueberfetzung  ohne  Berückfichtigung  der 
deutfchen  feftftehenden  Terminologie.  Die  falfche  Namenform  geht  natürlich 
durch.  —  No.  295  war  nicht  „Die  menfchliche  Thorheit",  fondern  „Das  Schaufpiel 
der  menfchlichen  Thorheit"  zu  benennen.  No.  1378  und  1379  find  „Denkmünzen 
an"  etwas.  No.  1353  zeigt  eine  „Genofeva-Capelle";  und  fo  wird  die  Heilige 
noch  unzählige  Male  gefchrieben,  einmal  -  No.  178  —  aber  der  Abwechfelung 
wegen  auch  richtig.  No.  1384  find  „Cariathyden"  (mehr  Fehler  in  der  Recht- 
fchreibung  des  Wortes  find  abfolut  unmöglich!),  No.  1571  giebt  es  einen  „Arti- 
medes",  und  dergl.  mehr. 

Auch  die  öflerreichifche  Manier,  den  abhängigen  Genitiv  an  eine  falfche  Stelle 
zu  fetzen,  wirkt  oft  recht  komifch,  wie  z.  B.  wenn  No.  I160  als  „Bruchftück  eines 
Bildes  in  Wafferfarben  des  Correggio"  erfcheint.  Uebrigens  find  auch  fchätzbare 
Entdeckungen  auf  dem  einft  ergebnifsreichen  und  hier  wieder  mit  Nutzen  betretenen 
Wege  des  der  Unwiffenheit  günftigen  Zufalles  gemacht  worden:  Unter  No.  25 
wird  als  Quelle  über  den  Tod  des  Sokrates  ftatt  des  bekannteren  Phaedon  der 
bisher  leider  noch  nicht  herausgegebene  Phedrus  nachgewiefen ,  noch  dazu  mit 
dem  Zufatze  ,,oder  über  die  Seele".  --  Nach  No.  514  exiftirt  im  Vatican  ein 
„Saal  des  Marktbrandes".  —  Bei  No.  556,  einem  Kirchen-Interieur,  lefen  wir: 
,,Die  alten  Weiber  auf  dem  Platze  Navone  ä  (heifst  bekanntlich  im  Italienifchen 
„hat")  Santa  Maria  della  Pace,  Rom."  Richtig  wäre:  „Die  alten  Hökerinnen  von 
der  Piazza  Navona  in  (der  nahe  gelegenen  Kirche)  S.  M.  della  Pace."  —  Durch 
No.  1317  lernen  wir  „Chriftus  im  Vorhimmel"  kennen;  das  wird  wohl  wieder 
ein  neues  Dogma  geben!     Neu  ift  auch  No.   1145  „Der  h.  Johann". 

Auch  manchen  Künftlernamen  bekommen  wir  in  merkwürdigen  neuen  For- 
men zu  hören:  vor  No.  2  „Gleyer"  (Gleyre),  vor  No.  120  „Zamarois"  ^Zamacois), 


II.  DIE  KATALOGE. 


291 


No.  67^  „Chabanel"  (Caband),  vor»No.  752  Ingres  mit  Vornamen  „Autjuftin" 
(Augufle).  Diefe  Auslefe  wird  als  Probe  geniigen;  doch  mögen  noch  zwei  Namen 
anderer  Art  eine  Vorftellung  von  der  Reichhaltigkeit  an  Fehlergattimgen  geben: 
No.  58  erfcheint  ein  „Herakles  T h eraphonios",  (vermuthlich  flatt  Trophonios; 
beiläufig  kennt  die  griechifche  Mythologie  einen  Herakles  diefes  Beinamens 
überhaupt  nicht!  und  No.  212  begegnet  uns  der  „h.  Thomas  von  Aquinus"  (jetzt 
Aquino,  im  Alterthum  Aquinum ;  die  Kataloglesart  wahrfcheinlich  entflanden  auf 
dem    Wege    einer    genialen    Conjectur    auf   Grund    eines    verlefenen    „Thomas 


Mcllinjjleiiclitcr,  von   Denicrc  in   Paris. 

Aquinas").  —  Schliefslich  mag  hier,  da  die  Claffification  diefes  Preisftückes  auch 
jedem  Anderen  als  mir  Schwierigkeiten  machen  dürfte,  die  ganz  buchllabliche 
Reproduction  einer  l'rachtftellc  auf  S.  126  Platz  finden: 

1487  Jefus'  (!)  Einzug  in  Jerufalem.  nach  einer 
Wandmalerei  von  Hipp. 

1488  Flandrin  in  der  Kirche  St.  Germain  des  pres. 

Das  ift  gewifs  unübertrefflich!  —  Zu  dem  „Jefus'"  bildet  ein  nicht  übles  Pendant 
J^o.  1331:  „Clovis'  Taufe".  Diefe  macht  den  fchicklichflen  Uebergang  zu  einer 
anderen  hübfchen  Kategorie  von  Schnitzern. 


«7» 


292 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Oft  wird  nämlich  in  der  abgefchmacktcflcn  Weife  überfetzt  und  verdeutfcht, 
anderwärts  wieder,  fichtlich  aus  reiner  Unwiffenheit,  das  Franzöfifchc  flehen  ge- 
laffen ;  bei  dem  Einen  wie  bei  dem  Anderen  entftehen  aus  Unbekanntfchaft  mit 
den  Dingen  felber  die  lächerlichften  Irrungen.  Hier  einige  Beifpiele  bunt  durch- 
einander:  No.  1047  "^^^  Halbkreis  des  Palafles  der  fc honen  Künfte" 
(ohne  Rücküberfetzung  ganz  unverfländlich !),  während  unmittelbar  zuvor,  No. 
1046,  die  Anbetung  der  h.  drei  Könige  „in  der  Cathedrale  von  Cöln"  aufge- 
führt wird.  Die  fchon  erwähnte  No.  1317  ftammt  aus  der  „Capelle  des  Fonts 
der  Euflachiuskirche".  Hier  hat  der  Schreiber  offenbar  nicht  gewufst,  dafs  „cha- 


^f-.V^M.^.*.. 


Bacchanal,  Relief  von  Kuntlmaiin. 


pelle  des  fonts  (baptismaux)"  Taufcapelle  heifst.  Als  No.  1474  figurirt  der  „Brunnen 
von  Luxemburg" ;  hätte  hier  der  Schreiber  nur  wörtlich  „des"  oder  „vom"  Luxem- 
burg überfetzt,  fo  hätte  er  einigermafsen  eine  Unwiffenheit  vor  dem  Lefer  wenig- 
ftens  allenfalls  verheimlicht,  und  diefer  die  Wafferkunftanlage  im  Garten  des 
Luxembourg  verflehen  können.  —  No.  3  giebt  es  „Beinchen -Spieler".  No.  369 
mufste  man  fich  erft  befinnen,  was  wohl  „Die  Kirche  der  heil.  Maria  vom  Heil 
zu  Venedig"  (della  Salute)  fein  dürfte.  —  Auch  wird  in  das  Ueberfetzen  durch 
wahrhaft  geniale  leichte  Aenderungen  ein  überrafchend  neuer  und  tieferer  Sinn 
gelegt,  z.  B.  No.  11 19:  „Die  Madonna  von  Cafa  di  Terra  nuova. 

Ein  herrliches  Stück  Quintanerüberfetzung,   das    bekannter  gemacht  und  im 
Gedächtniffe  behalten  zu  werden  verdient,  fleht  ganz  befcheiden  wie  ein  Veilchen 
unter  No.  148.     Das  dort  verzeichnete  Bild  ftellt  —    unter  dem  höchft  verftänd- 
nifsvollen  Titel   „Die  Hochzeit   der  Nibelungen"  —  Brunhildens  Brautnacht  dar,, 
und  da  fragt  —   nach  dem  Kataloge  —   die  fchöne  Maid  den  gebundenen  Gün- 


II.  DIE  KATALOGE. 


thcr,  den  „kühnen  Mann"  in  feiner  nicht  weniger  als  reckenhaften  Situation,  „des 
Morgens,  ob  er  wünfche,  dafs  fie  ihn  ihren  Leuten  fehen  laiTe  alfo  gefcffelt  von 
den  Händen  einer  Frau".  —  Das  ifl  wohl  ein  würdiger  Schlufs  dicfer  kleinen, 
aber  hochfeinen  Auswahl  aus  der  franzöfifchen  Katalog- Abtheilung.  —  Bei  der 
Schweiz  heifst  es  grundfätzlich  ein  „Cadre"  flatt  ein  Rahmen.  Im  Belgifchen 
Verzeichniffe  ift  bei  einem  Bilde  von  Henri  Leys,  No.  292,  das  allerdings  zu  fchwer 
zu  überfetzende  Wort  „pelerinage"  ftehen  geblieben  oder,  da  daffelbe  dem 
Corrector  ebenfo  unbekannt  war  wie  dem  Schreiber,  vielmehr:  „Le  Peterinage". 
Dass  mit  dem  Italienifchen  noch  mehr  Malheur  paffirt  ift,  verfleht  fich  wohl 
von  felbft.  Dass  aber  bei  Giufcppc  Mengoni  die  Würde  des  Comthures  zum 
S  t  ä  d  t  e  n  a  m  e  n  geworden,  ifl  denn  doch  etwas  zu  flark.  Andrei  und  A  n  d  r  e  i  n  i 
heifsen  Beide  Francesco,  nicht  Ferdinand,  wie  im  Kataloge  fleht.  Bigamonti 
und  Rigamonti,  die  Beide  „ein  Hirtenmädchen"  gemacht  haben  füllen,  sind  natür- 


Salzgefäfse,   Slil  Henri  II.,  von   Minton   in  Stoke  lipon  Trent. 


lieh  identifch;  die  erftere  Namenform  ift  die  richtige.  Matteucci  fchreibt  ("ich 
natürlich  mit  zwei  c.  Della  Nave  —  wenn  man  es  nicht,  wie  im  italienifchen 
Spccialkataloge  gefchehen,  in  ein  Wort  fchreiben  wollte  —  unter  D  aufzuführen,  ift 
verwirrend,  wenn  fich  z.  B.  findet:  „Negro  Dal,  Peter"  und  „Chirico  di,  Jakob", 
wo  wiederum  die  Folge  der  Wörter  falfch  ift.  Des  Letzteren  Bild  ift  bezeichnet : 
„Der  Vaterlands-Verräther  etc.  Buoso  da  Duera"  (ftatt:  di  Duero) ;  genau  wie 
„Ritter  pp."  —  „Lisi,  de  Benedikt"  ift  noch  verkehrter  als  die  vorigen  Namenbe- 
zeichnungen, denn  jedenfalls  gehört  (das  oder)  ein  Komma  vor  den  Vornamen,  und 
ferner  ift  bekanntlich  „de"  kein  italienifches  Wort:  der  Künftler  heifst  Delisi.  Sein 
Bildwerk  wird  benannt :  „Die  Jugend  Archimedes"  mit  einem  unmöglichen  Genitiv. 
,,Epifode  aus  dem  Blutbade  der  unfchuldigen  Kinder"  (No.  ']^)  ift  wieder  um- 
ftändliche  und  ungefchickte  genaue  Ueberfetzung,  wo  der  deutfche  Sprachgebrauch 
das  Richtige  leicht  an  die  Hand  gab.  —Was  mag  wohl  eine  „Vorfitzbank"  (No. 
103)  fein?  Schauerliche  Verundeutfchung  von  „banco  presidenziale".  Die  „Ein- 
impfung" (No.  187)       ohne  abhängigen  Genitiv  —  fagt  kein  Menfch  aufser  einem 


294  PLASTIK  UND  MALEREI. 


verzweifelten  Ueberfetzer.  „Amore  in  agguato"  heifst  nicht  „Die  Liebe  auf  der 
Lauer"   (No.   195),  fondern   „Amor  auf  der  Lauer",  wie  denn  überhaupt  die 

Synonymität  der  Liebe  und  des  Liebesgottes  in  den  romanifchen  Sprachen  dem 
armen  Ueberfetzer  vieles  Stolpern  verurfacht  hat.  — ■  „I  primi  fiori"  kann  doch 
nicht  „Die  erfte  Blut  he"  heifsen,  fondern  bedeutet  „Die  erften  Blumen".  — 
Wer  fagt  denn  (zwifchen  No.  544  und  545 :  „Marcello  läfst  feine  Pfalmen  durch  vier 
Frauenzimmer—  „Signore"  fleht  im  Italienifchen!  — fingen"?  —  Und  fo  könnte 
das  Sündenregifter  in  infinitum  fortgefetzt  werden.  Doch  mag  ein  recht  fchwerer 
Fehler  hier  fchon  die  Reihe  befchliefsen :  Ueber  No.  621  :  „Kupfersticharbeiten" 
(fchöne  Art  zu  katalogifiren  1)  fleht  fett  gedruckt  zu  lefen:  „Kallographie,  könig- 
liche, zu  Rom,  Rom".  Ein  jeder  ficht,  dafs  nur  ein  ganz  gedankenlofer  Menfch 
fo  das  italienifche  „Calcografia"  verprudeln  konnte. 

In  der  griechifchen  Abtheilung  erfcheint  unter  No.  16  „Die  Venus  von 
Milos"  —  ftatt  von  Melos  oder  Milo  —  „vollkommen  ergänzt"  unter  dem  Namen 
des  P  h  i  1  i  p  p  o  t  i  s  ftatt  unter  dem  des  K  o  f  f  o  s.  —  Das  Verzeichnifs  der  griechifchen 
üelgemäldc  beginnt  mit  den  Werken  des  Nikiphoros  Lytras  aus  Attika  unter 
ilen  Nrn.  23  und  24,  und  ebendiefelben  Bilder  treten  unter  dem  Namen  „Lytras 
N.,  Athen"  noch  einmal  als  No.  38  und  39  auf,  das  zweite  aber  hier  der  Ab- 
wechfelung  wegen  als  Sylvefter- Abend,  während  es  früher  Neujahrstag  war;  das 
erftere  falfch  als  ,, Brander  von  Canaris",  während  es  vorher  als  „Kanaris,  Brander- 
fchitf",  bezeichnet  war. 

Natürlich  ift  der  Katalog  überall  von  gleicher  Befchafifenheit,  und  es  könnte 
nun  auch  noch  die  fkandinavifchc,  die  ruffifchc  und  jede  andere  y\btheilung  durch- 
gegangen werden.  Doch  genug  der  traurigen  Lefe.  Es  fei  nur  noch  bemerkt, 
dafs  unter  „Rufsland"  über  den  Werken  Ludwig  Bohnftedt's  ein  ganz  bcfon- 
derer  Unftern  gewaltet  hat.  Da  ift  beinahe  Alles  falfch:  Villa  Borhardt —  ftatt 
Borchard,  Villa  Rapherr  —  ftatt  Rapher,  Villa  March  (auch  eine  Nummer  zu 
wenig,  37  gehörte  mit  dazu)   —  ftatt  Marc.  Troftenetz,  Gouv.  Charkow.    — 

Wie  lange  wird  man  noch  bei  allen  grofsen  Ausftellungen  derartige  Gegen- 
ausftellungen  machen  muffen,  und  wann  endlich  wird  man  begreifen,  dafs  das 
wichtige  und  fchwierige  Gefchäft  der  Katalogifirung  nicht  in  die  erften  heften, 
fondern  in  zuverläffige  und  berufene  Hände  zu  legen  ift,  und  nicht  nur  in  beru- 
fene, fondern  auch  in  folche,  die  etwas  thun  wollen  und  nicht  für  die  gewiflen- 
hafte  und  fachgcmäfse  Ausführung  der  ihnen  übertragenen  Arbeit  entweder  zu 
faul  find  oder  fich  zu  vornehm  dünken  r 


III.  Frankreich. 

Es  ift  von  allen  Seiten  ausgefprochen  und  beftätigt  worden ,  dafs  es  den 
Franzofen  gelungen  ift;,  fich  auf  der  Weltausftellung  in  allen  Zweigen  der  Kunft 
und  Induftrie  fo  vertreten  zu  laffen,  dafs  auch  nicht  der  mindefte  Kinflufs  des 
grofsen  nationalen  Unglückes  feit  dem  Jahre  1870  fich  bei  ihnen  wahrnehmen 
liefs.  Da  zu  der  in  Frankreich  allgemein  herrfchenden  richtigen  Auffaffung  von 
der  Wichtigkeit   der  Kunft  für   die  Cultur  und   die  Ehre   eines  Landes   diesmal 


III.  FRANKREICH. 


295 


noch  der  befondere  Antrieb  gekommt-n  ifl,  jede  Spur  einer  Scharte  auszuwetzen, 
fo  ift  von  allen  Seiten  eine  Rührigkeit  und  OpfervviUigkeit  an  den  Tag  gelegt, 
die  es  bewirkt  hat,  dafs  kaum  ein  irgendwie  klangvoller  Name  aus  der  jetzigen 
Kiinftlergeneration  auf  der  Weltausftellung  unvertreten  war;  und  dabei  hat 
Frankreich  es  möglich  gemacht,  dafs  faft  kein  Werk  von  der  Ausftellung  von 
1867  hier  wieder  erfchienen  ifl.  Namentlich  die  bedeutendflen  Künfller,  ein 
MeilTonnier,  Geröme,  Bouguereau,  Boulanger  u.  f.  w.,  auch  die  berühmten  Por- 
trätmaler, wie  Cabanel,  Duran,  Neue  Jacquemart  u.  A.  treten  mit  durchweg  neuen 
Werken  auf. 

In  ihrer  Gefammterfchcinung  zeigt  diefe  modernfte  franzöfifche  Kunfl  wie- 
derum, däfs  das  künfllerifche  Können  und  Wiffen  fich  dort  einer  Pflege  erfreut, 
wie  vielleicht  nirgend  fonfl  wo.  Jeder  Meifter  felbft  zweiten  und  dritten  Ranges 
ift  bewufst  und  klar  in  feinen  Zielen  und  beherrfcht  ficher  und  gewandt  die  zu 
feinem  Zwecke  erforderliche  Technik;  Unfertigkeiten  in  Zeichnung  und  I'infel- 
führung  kommen  nicht  vor,  abfolute  Thorheiten,  gräuliche  Fadheiten  und  Albern- 
heiten ,  wie  fie  anderwärts  wohl  vorgeführt  zu  werden  pflegen,  gehören  hier  fo 
zu  den  Ausnahmen,  dafs  man  vielleicht  fagen  kann,  man  findet  fie  gar  nicht, 
abgefehen  natürlich  von  einem  Gefichtspunkte,  auf  den  ich  nach  diefem  der  All- 
gemeinheit gefpendeten  Lobe  hinweifen  mufs.  Der  technifchen  Meifterfchaft  fleht 
nämlich  ein  Mangel  an  einfach  natürlichem  Gefühl,  an  wahrhaft  künfllerifchen 
Ideen  gegenüber,  und  es  wird  diefem  Mangel  mit  einem  Hafchen  nach  den 
pikanteren,  barockften,  mitunter  abflofsendflen  Sujets  abzuhelfen  gefucht,  fo  dafs 
man  fich  einem  Gefühle  der  Unheimlichkeit  und  der  Refremdung  in  den  Räumen 
der  franzöfifchen  Kunfl  kaum  entziehen  kann.  Aber  diefe  Schwächen  werden 
durch  jene  guten  Eigenfchaften  fafl  in  Vegeffenheit  gebracht,  deren  inniger  Zu- 
fammenhang  mit  der  Cultivirung  einer  wahrhaft  grofsartigen  national-monumen- 
talen Kunfl  vorher  ausgeführt  ifl.  Liegt  es  doch  auch  gar  nicht  so  fern,  die 
unnatürlichen  Appetite,  welche  fich  in  der  Auswahl  der  Stoffe  kundthun,  auf 
die  ungefunde  Temperatur  der  gefeil fchaftlichen  Atmofphäre  während  der  letzten 
Decennien  zurückzuführen,  und  wenn  man  auch  in  den  augenblicklich  herrfchen- 
den  Zurtänden  Frankreichs  noch  keine  Gewähr  für  eine  gefundere  Luft  finden 
kann,  in  welcher  die  Kunst  ruhig  Athem  fchöpfen  könnte,  fo  ifl  doch  die 
Rückkehr  zu  foliden  Zufländen  immerhin  näher  gerückt,  als  noch  vor  wenigen 
Jahren. 

Hin  höchfl  anerkennenswerthes  Taktgefühl  haben  die  Franzofen  darin  be- 
währt, dafs  fie  die  riefigen  Schlachtenbilder,  durch  welche  fie  die  früheren  Grofs- 
thaten  ihrer  „unbefieglichen  Armee"  zu  verherrlichen  flets  übermäfsig  beflrebt 
waren,  nicht  haben  auf  tlcr  Weltausflellung  erfcheinen  laffen,  fondern  dafs  die 
Kriegsbilder,  die  überhaupt  vurhanden  finil,  fafl  ausfchliefslich  dem  letzten  Kriege 
angehören  und  zwar  ihre  Vorwürfe  in  genrehafter  Aufiaffung  und,  beiläufig  gleich 
hier  zu  erwähnen,  mit  einer  feltenen  Vortrefflichkeit  behandeln;  fo  z.  B.  was 
Protais  und  Berne-Bellecour  in  diefer  Art  geliefert  haben.  All  die  zahlreich  ge- 
malten Fanfaronaden  und  Beleidigungen  des  Gegners  hat  man  unterdrückt. 


296 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Grabdenkmal  von  15.  Afinger. 


ül  FRANKREICH. 


297 


W''ti 


298  PLASTIK  UND  MALEREI. 


Es  wäre  eine  eben  fo  erfreuliche  Aufgabe,  wie  es  durch  die  Gerechtigkeit  erfor- 
dert wird,  der  monumentalen  Kunfl  der  Franzofen  eine  eingehende  Würdi- 
gung widerfahren  zu  laffen;  und  doch  mufs  es  aus  Mangel  an  Raum  unterlaffen 
werden.  Nur  eine  fummarifche  Ueberfchau  ifl;  möglich,  welche  aber  um  fo  mehr 
dem  Bedürfniffe  an  diefer  Stelle  genügen  kann,  als  die  Franzofen,  hier  wie  überall 
Meifler  in  der  Infcenefetzung,  die  Hauptmaffe  ihrer  monumentalen  Kunfl:  in  über- 
fichtlichem  und  impofantem  Gefammtbilde  vorgeführt  hatten.  Wir  meinen  die  fchon 
angedeutete  Special  au  sfl  eilung  der  Stadt  Paris,  welche  ihrer  eigenthümli- 
chen  Zufammenfetzung  wegen  fich  in  das  Gruppenfchema  der  Weltausftellung  nicht 
einfügte,  und  deshalb  ganz  abgefondert  aufgeftellt  werden  mufste,  leider  aber 
keinen  felbfländigen  Bau  zum  Aufenthaltsorte  angewiefen  bekommen  hatte,  fon- 
dern am  Ende  einer  „Zwifchengalerie"  (eines  überdeckten  Hofes),  gegen  die  Haupt- 
halle des  Induflriegebäudes  durch  eine  Ausftellung  von  Wag^n  u.  f.  w.  maskirt, 
einen  für  viele  Befucher  unentdeckten  Aufenthalt  gefunden  hatte.  Solche  unfind- 
bare  Räume,  welche  in  dem  Weltausftellungspalafte  von  Paris  1867  durch  keine 
Kunft  herzuftellen  gewefen  wären,  brachte  eben  das  winkelige,  unorganifche  und 
confufe  Syftem  des  Wiener  Baues  reichlich  und  fpontan  hervor. 

Dort  fahen  wir  nun  die  Entwürfe  zu  48  ausgeführten  Bauwerken  der  Stadt, 
dazu  von  achten  prächtige  monographifche  Bearbeitungen,  ferner  eine  muflerhafte 
Monographie  über  das  verbrannte  Hotel  de  Ville,  und  endlich  fechs  Concurrenz- 
pläne  für  deffen  Wiederaufbau.  Als  architektonifche  entziehen  fich  diefe  Werke 
der  Beurtheilung  an  diefer  Stelle :  fie  werden  fie  nach  Bedürfnifs  von  anderer  Seite 
erfahren.  Aber  wir  fehen  überall  Maler  und  Bildhauer,  oft  in  beträchtlicher  An- 
zahl, als  „Mitarbeiter"  aufgeführt ;  zum  Beweife,  dass  überall  bei  öffentlichen  Ge- 
bäuden, von  dem  Juflizpalaft,  der  Dreifaltigkeitskirche  und  dem  Chätelet-Theater  bis 
herab  zu  .Schulen,  Mairien  und  Cafernen,  den  bildenden  Künflen  würdige  Auf- 
gaben in  der  Theilnahme  an  der  monumentalen  Geftaltung  zu  Theil  werden. 
Theils  für  diefelben,  theils  für  zahlreiche  andere  Architekturen  der  franzöfifchen 
Hauptftadt  fahen  wir  in  Skizzen,  in  Cartons  und  Modellen,  in  fertiger  Ausführung 
und  in  verfchiedenartigfter  Reproduction  von  Malern  und  Bildhauern  monumentale 
und  zum  Theil  fehr  umfangreiche  Arbeiten  geliefert,  und  —  fei  es  auch  mit  we- 
niger Originalität  und  Genie  —  die  jüngeren  in  den  Spuren  der  grofsen  Vor- 
gänger voranfchreitend. 

An  diefe  felbfl:  werden  wir  noch  vielfach  erinnert.  Eugene  Delacroix  ifl 
durch  feine  drei  Gemälde  in  der  Engelcapelle  der  Kirche  St.  Sulpice  vertreten, 
jene  mächtigen  Ausbrüche  einer  gewaltigen  und  fruchtbaren  Phantafie,  welche 
durch  das  Ung^ftüm  ihrer  Lebensfülle  einen  beftechenden  Erfatz  für  die  man- 
gelnde flilvolle  Regelmäfsigkeit  und  Symmetrie  der  Compofition  darbieten.  H  i  p  p  o- 
lyte  Flandrin,  der  ernfle  und  feierliche  Meifler,  der  gröfste,  den  Frankreich 
je  im  religiöfen  Fache  grofsen  Stiles  hervorgebracht,  giebt  in  feinen  Malereien 
der  Kirche  St.  Severin  und  der  Kirche  St.  Germain  des  pres  fowie  in  den  herr- 
lichen Fresken  aus  der  Kirche  St.  Vincent  de  Paule  einen  Maafsftab,  der  freilich, 
flreng  zur  Anwendung  gebracht,  für  die  Jüngeren  vernichtend  ifl:.  Hierzu  kommt 
noch  die  grofsartige  Zeichnung  vonJean  Augufle  Dominique  Ingres:  „Die 
Apotheofe  des  Homer",  urfprünglich   als  Deckenbild  für    einen  der  Antikenfäle 


JL 


III.  FRANKREICH. 


2ftlt 


im  Louvre  entworfen,  unzweifelhaft  die  bcftc  künfllerifche  Frucht,  welche  durch 
das  —  vielfach  verwirrende  —  Studium  der  Schule  von  Athen  in  Raffael's 
Stanzen  gezeitigt  ift. 

Der  alte  Nicolas  Robert  Fleury  hat  fogar  noch  neuerlich  thätig  in  die 
monumentale  Kunftproduction  eingegriffen  und  durch  zwei  fehr  tüchtige  Dar- 
ftellungcn  aus  der  Gefchichte  der  franzöfifchen   Handelsgefetzgebung  —  für  den 


Kanne  in  vergoldetem  Silber  mit  Kmailmaleiei,  von   Rntzersdorfer  in   Wien. 

grofsen  Sitzungsfaal  des  neuen  Handelsgerichtshofes  — ■  das  fchon  vor  Jahren 
ausgefprochene  Urtheil  Julius  Meyer's,  „dass  des  Künftlers  l'hantafie  fich  ausge- 
lebt habe",  handgreiflich  widerlegt.  Der  älteren  Generation  ift  auch  Alexandre 
Heffe  beizuzählen,  deffen  Scenen  aus  dem  Leben  des  h.  Franz  von  Sales  (in 
der  Kirche  St.  Sulpice),  zu  feinen  gelungenflen  Schöpfungen  gehörend,  längfl 
ihre  Stelle  in  der  Gefchichte  gefunden  haben.  Auch  Emile  Signol  repräfentirt 
mit  feinen  religiöfen  Malereien  in  verfchiedcnen  Kirchen  ein  Entwickelungsftadium 
der  franzöfifchen  Malerei,  welches  durch  eine  fühlbare  Kluft  von  den  Richtungen 


S8* 


30Ü 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


der  unmittelbaren  Gegenwart  gefchieden  ift.  —  Sie  Alle  "und  noch  einige  Andere 
vergegenwärtigen  das  goldene  Zeitalter  der  modernen  Kunft  Frankreichs,  in  wel- 
chem binnen  wenigen  Jahrzehnten  eine  feltene  Reihe  fchöpferifcher  Ingenien  den 
künftlerifchen  Ausdruck  einer  neuen  Weltanfchauung  auf  den  verfchiedenften 
Wegen  fuchte  und  fand. 

Von  da  zu  den  Jüngften,  deren  Werke  nach  der  Zeit  ihrer  Entftehung  ftreng 
genommen  einzig  das  Recht  hatten,  hier  zu  erfcheinen,  ift,  wie  fchon  bemerkt, 
ein  grofser  Schritt,  und  nichts  weniger  als  in  auffteigender  Linie !  Und  doch,  welche 
Fülle  achtbaren  Könnens,  welche  reiche  Mannichfaltigkeit  der  Richtungen,  welcher 
Ernft  der  Bemühung,  oft  welche  Fruchtbarkeit  —  wenn  auch  nicht  recht  eigentlich 
der  Phantafie,  fo  doch  der  Hand!     Mari  denke  an  die  raftlofe  und  ftaunenswerth 


Tapete  aui  dem  Kail'eipavillon,  von  Giani  in  Wien. 

umfangreiche  Thätigkeit  eines  Henri  Lehmann  (die  freilich  in  der  Weltaus- 
ftellung  durch  vier  Photographien  nicht  einmal  als  andeutungsweife  repräfentirt 
gelten  konnte) ;  wie  hat  er  fich  mit  einer  wahren  Allgefügigkeit  den  verfchieden- 
artigften  Aufgaben  anzubequemen  verftanden,  und  eigentlich  nie,  ohne  durch  eine 
edel  geführte  Linie,  durch  eine  gewiffe  vornehme  Gröfse  der  Sinnesart,  durch  eine 
gefchickte  und  nicht  unkräftige  P'ärbung  decorativ  eine  bedeutende  Wirkung  her- 
vorzubringen, mag  auch  dem  einzelnen  Werke  gegenüber  mit  noch  fo  vielem 
Fug  der  Vorbehalt  gemacht  werden  können,  dass  weder  Gedanke  noch  Erfin- 
dung irgend  welche  Tiefe   und  eigenartige  Kraft  hat 


III.  FRANKREICH. 


301 


Ein  Schaufpicl  anderer  Art  bietet  Alexandre  Cabanel  dar.  Mag  ihm 
fein  Fiasco  auf  dem  Gebiete  der  Kunft  grofsen  Stiles  mit  feinem  „verlorenen 
Paradiefe"  von  der  1867er  Ausftellung  auch  unvergeffen  fein,  —  in  diefem  Jahre 
zeigte  er,  dass  nur  der  Stoffkreis  damals  ihm  fern,  nicht  die  Wucht  einer  monu- 
mentalen Aufgabe  an  fich  über  der  Sphäre  feines  Vermögens  lag.    Sein  „Triumph 


Faience-Schüffel, 'ans  Roerftrand,  blau  mit  weifs. 


der  Flora",  riefiges  Deckengemälde  für  einen  Saal  des  Louvre,  zeugt  von  einer 
fpielenden  Leichtigkeit  in  der  Ueberwindung  der  gröfsten  Schwierigkeiten.  Die 
Vcrthcilung  der  Maffcn  durch  den  Raum,  die  anmuthigen  Bewegungen,  das  freie 
und  leichte  Schweben  der  Geftalten,  der  freudige  und  doch  mafsvolle  Schwung  in 
allen  Theilen  der  Compofition  verrathen  den  vollbürtigen  Meifter  der  grofsen  Kunft. 
Nur  die  matte  fufsliche  Färbung,  die  fich  zu  keinem  ernften  Gegenfatze  zwifchen 
vollen  ungebrochenen  Tönen  auffchwingen  kann ,  gemahnt  an  die  fchwächftc 
Seite  des  Malers,  der  mit  jener  bekannten  „Geburt  der  Venus"  feinen  Ruf  be- 
gründet hat;  und  es  i(l  felbft  nicht  unwahrfcheinlich,  dass  auch  diefer  Mangel  in 


302  PLASTIK  UND  MALEREI. 


dem  Ensemble  der  betreffenden  Scialdecoration  minder  fchwer  empfunden  werden 
wird.  Wer  fich  von  der  Trefflichkeit  der  Compofition  recht  fchlagend  überzeu- 
gen will,  der  braucht  nur  die  überrafchend  kräftig  ausgefallene  Photographie  an- 
zufehen.  —  Bei  Cabanel  hat  fich  Julius  Meyer's  Vcrmuthung,  bei  der  man  1867  ein 
Fragezeichen  zu  machen  fich  gedrungen  fühlte,  beflätigt:  „Es  fteckt  wohl  in  dem 
gut  gefchulten  Maler  das  Zeug  zu  ernfteren  Arbeiten,  wenn  es  ihm  gelingt,  aus 
diefem  frivolen  Gebiete  herauszutreten."  Von  Frivolität  ift  in  diefem  Gemälde 
keine  Spur,  wenn  auch  freilich  ebenfowenig  eine  warme,  lebhafte  Empfindung 
dies  Geflaltenheer  durchftrömt. 

Indem  wir  die  zahlreichen  Namen  der  fonfl  noch  mit  monumentalen  Ar- 
beiten Befchäftigten  muftcrn,  fällt  uns  die  zunächll  fcheinbar  befremdliche  That- 
fache  auf,  dafs  Künftler  der  allerverfchiedenften  Richtungen  in  einem  oder  dem 
anderen  Stadium  ihrer  Entwickelung  durch  die  praktifche  Uebung  in  der  grofsen 
Kunfl  hindurchgegangen  find.  Es  ift  höchfl:  anziehend  und  belehrend,  Art  und 
Grad  des  Gelingens  oder  Mifslingens  mit  der  anderweitigen  früheren,  gleichzeitigen 
oder  fpäteren  Bewährung  des  Künfllers  in  Vergleich  zu  (teilen.  Dass  aber  fo 
grundverfchiedene  Künfller  gelegentlich  verfuchsweife  zu  folchen  Arbeiten  heran- 
gezogen werden,  das  fetzt  die  —  wenigftens  inftinctiv  vorhandene  —  richtige 
Ueberzeügung  voraus,  dafs  nur  durch  einen  ernfthaften  Verfuch  die  Tragweite 
der  Begabung  zuverläffig  ermittelt  werden  kann,  und  dafs  felbfi;  das  ausgefprochene 
Talent  oft  von  felbft  nicht  auf  feine  eigentlichen  Wege  kommt,  oder  nach  fchüch- 
ternen,  andeutenden  aus  eigenem  Antriebe  ausgeführten  Proben  nicht  hinlänglich 
erkannt  wird.  Wie  foUte  es  nicht  auch  in  der  Kunfl  gelten :  „Es  wächfl:  der  Menfch 
mit  feinen  höhern  Zwecken"?  Und  ift  nicht  die  Ausführung  höher  denn  die  Skizze, 
nicht  die  monumentale  Leiftung  begeiflernder  als  das  ohne  Beftimmung  gemalte 
Staffeleibild  r 

Nächft  jener  fubjectiven  Vorausfetzung  —  im  Befleller  —  hat  diefe  vielfeitige, 
faft  allfeitige  Antheilnahme  der  Künfller  an  den  monumentalen  Arbeiten  aber 
auch  noch  eine  objective  —  in  den  Künfllern  felber.  Was  bei  uns  noch  immer 
Gegenfland  der  Erwägung  ift,  ob  und  wann  dem  angehenden  Künftler  eine  indi- 
viduelle Richtung  gegeben  und  geftattet  werden  foll,  das  ift  in  der  Praxis  der  fran- 
zöfifchen  Künftlerbildung  längft  und  mit  beftem  Erfolge  in  der  einzig  richtigen 
Weife  entfchieden.  Bei  uns  fühlt  fich  der  junge  Akademiker  fchleunigft  als 
Künftler,  geniefst  akademifche  Freiheiten,  und  trägt  lange  Haare  und  einen  Ru- 
benshut. Er  achtet  Alles  gering,  was  er  nicht  kann  oder  nicht  verfteht,  und  sieht 
die  ganze  Kunft  befchloffen  in  dem ,  was  ihm  zufällig  —  entweder  wirklich  oder 
auch  nur  nach  feiner  Meinung  —  gelingt.  Es  fitzt  unferer  ganzen  Akademie- 
wirthfchaft,  wenn  auch  mit  Worten  in  Abrede  geftellt,  doch  thatfächlich  der 
alte  Zopf  noch  im  Nacken,  zu  glauben,  dass  es  möglich,  und  fomit  Aufgabe  fei, 
jemanden  zum  Künftler  zu  machen.  Es  wird  auch  von  den  Künftlerbildungsan- 
ftalten  her  jeder  Zögling  als  Künftler  angefehen,  deffenoft  gewiss  höchft  ver- 
kehrter und  befchränkter  Individualität  eine  Berechtigung  zuerkannt  und  eine 
Rückficht  erwiefen  wird,  auf  die  doch  lediglich  erft  die  fertige,  bewährte  Künft- 
lernatur  Anfpruch  hat. 

Bei  den  Franzofen  weifs  man  und  beachtet  man   ftrengftens,   dafs   von  der 


m.  FRANKREICH. 


303 


Kunft  nur  das  Handwerk  lehrbar  ift,  diefes  aber  auch  in  grofsem  Umfange  ficher 
gelehrt  werden  mufs,  und  in  folchem  Umfange  fchwierig  und  langwierig  zu  erlernen 
ift.  Und  wie  die  Erfahrung  lehrt,  dafs  die  Leute,  die  in  einer  Schule,  in  einer  Stadt, 
in  einem  Lande  nach  derfclben  Methode  und  denfelben  Vorlagen  fchreiben  gelernt, 
(loch    fpäter   eine  verfchiedene    und   für  jeden   charakteriflifche   Handfchrift  be- 


Seffel  im  Stile  Henri  II.,  von  Roudillon  in  P.nris. 


kommen,  un<l  diejenigen,  welche  den  gleichen  grammatifchen  Unterricht  genoffen 
haben,  trotzdem  jeder  einen  befonderen  .Stil  fchreiben,  fo  hat  man  —  verniinftiger- 
weife  —  auch  nicht  gefürchtet,  durch  eine  wohlüberlegte  ftrenge  Organifation 
für  den  Unterricht  in  dem  gefammten  handwerklichen  Theile  der  Kunft  die  in- 
dividuelle Entwickelung  und  Bethätigung  der  einzelnen  fertigen  Künftler  zu  ge- 
fährden oder  zu  pracludiren.  Ja,  man  hat  fogar  die  Leitung  und  Ueberwachung 
der  jungen  Künftler  mit  gröfstem  Vortheile  auf  eine  Stufe  ausgedehnt,  auf  der 
unfere  frühreifen  Herren  Akademiker  dei^leichen  als  fchnöden  Hohn  und  perfon- 


304 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Vorhangsbordiire  aus  dem  Kaiferpavillon,  von  Giani  in  Wien. 


liehe  Beleidigung  mit  Entriiftung  von  fich  weifen  würden.  Der  Erfolg  der  abwei- 
chenden Aufifaffiing  und  Behandlung  —  „An  ihren  Früchten  foUt  ihr  fie  erkennen!" 
—  ifl  aber  der:  Während  bei  uns  die  jungen  Künfller,  die  früh  nach  Italien  ver- 
fchlagen  werden,  dort  in  der  Regel  Schiffbruch  leiden,  und  höchfl  feiten  fich  einer 
auf  feiner  Römerfahrt  zu  etwas  Bemerkenswerthem,  vorher  noch  nicht  von  ihm 
Erreichtem  entwickelt,  exiftirt  in  Frankreich  kaum  ein  einziger  Künftler  von  einiger 
Bedeutung  und  einigem  Rufe,  der  nicht  den  „grand  prix  de  Rome"  unter  feinen 
Ehrenauszeichnungen  aufzuführen  hätte,  und  deffen  Berühmtheit  nicht  von  feinen 
pflichtmäfsigen,  unter  der  Förderung  und  Ueberwachung  der  franzöfifchen  Akade- 
mie in  Rom  entftandenen  „envois  de  Rome"  datirte. 

Die  franzöfifchen  Staats-,  flädtifchen  und  kirchlichen  Behörden  und  die 
Privaten,  welche  in  die  Lage  kommen,  gröfsere  künftlerifche  Arbeiten  in  Auf- 
trag geben  zu  muffen,  wiffen  daher  von  vornherein,  dafs  jeder  Künftler,  der 
feinen  regelmäfsigen  akademichen  Gang  abfolvirt  hat,  unbedingt  „fein  Handwerk 


III.  FRANKREICH. 


305 


Emailtaffl  mit  dem  Portrait  der  Uiaua  von  l'oitiers,  von  Pottier. 


verlieht".  Und  während  99  Procent  unferer  jungen  „Künftler",  fünf,  fechs  Jahre 
nach  Beginn  ihrer  Studien  vor  eine  felbftändige  monumentale  Aufgabe  geftellt, 
(wenigftens  innerUch  und  in  unbelaufchtcn  AugenbHcken)  ein  Geficht  machen 
würden,  wie  ein  Junge,  der  in  der  erden  Schwimmftunde  an  der  Leine  in's  tiefe 
Waffer  geworfen  ift,  plätfchcrn  die  franzofifchen  im  gleichen  Falle  —  um  in  dem 
Gleichniffe  zu  bleiben  —  mit  wohliger  Jimpfindung  als  fichere  Schwimmer  in  dem 
vertrauten  Elemente  umher.  Macht  Einer  in  übermüthiger  Laune  Tollheiten, 
nun ,  fo  finkt  er  unter ;  es  kommt  auf  feine  Geiflesgegenwart  und  Kraft  an,  ob 
er  wieder  emporkommt.  Aber  in  der  Regel  halt  die  genoffene  flrenge  Zucht  von 
'allzu  waghalfigen  und  verderblichen  Extravaganzen  fern. 

Daher  die  überrafchende  Erfcheinung,  dafs  felbft  Leute   von   einer  fo  eigen- 
thümlichen    und  bizarren  Geiftesbefchaffenheit,  wie  Augufle  Glaize,   fich  mit 


306 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


ziemlich  gutem  Anflande  im  grofsen  Stoffe  bewegen,  unfelbftändige  und  im 
höheren  Sinne  unproductive,  wie  etwa  Eugene  Lencpveu  (um  für  beide 
Arten  etwas  ältere  Namen,  deren  Entwickelung  zu  iiberfehen  ifl;,  beizubringen), 
fich  doch  durch  eine  gewiffe  Unanftöfsigkeit  und  äufsere  Zuverläffigkeit  als  brauch- 
bare Kräfte  empfehlen  können. 

lieber  dem  Allen  aber  fchwebt  herrfchend  und  beftimmend  jene  grofsartige 
Kunflgefmnung  der  Franzofen,  in  der  fie  allerdings  auch  eine  gewiffe  Aehn- 
lichkeit  mit  den  alten  Römern  haben,  mit  dem  ungeheuer  wesentlichen  Unter- 
fchiede  jedoch,  dafs  es  ihnen  an  wirklicher  Begabung  zur  künfllerifchen  Produc- 
tion  und  zu  fchöpferifchem  Auftreten  nicht  gleich  jenen  gebricht.  Dadurch  hat 
bei  ihnen,  und  zwar  unter  allen  modernen  Völkern  bei  ihnen  einzig  und  allein, 
die  Kunft  in  Staat  und  Gefellfchaft  diejenige  Stellung,  die  ihr  bei  einem  Cultur- 
volke  erflert  Ranges  gebührt,  die  ihr  vorzuenthalten  das  Zeichen  ifl,  dafs  dem 
betreffenden  Volke  zu  einem  Culturvolke  erflen  Ranges  doch  noch  etwas  fehlt. 

Nur  um  nicht  mifsverftanden  zu  werden ,  nicht  um  uns  über  uns  felbft  zu 
täufchen  und  zu  tröften,  fei  ausdrücklich  bemerkt,  dafs  natürlich  nicht  die  Wür- 
digung der  Kunft  im  öffentlichen  Leben  der  Nation  allein  fchon  ein  pofitives 
Kriterium  für  den  Rang  eines  Culturvolkes  abgeben  kann.  — 

Ein  weiteres  Eingehen  auf  Einzelheiten  aus  dem  Gebiete  der  franzöfifchen 
Monumentalmalerei  wollen  wir  uns  —  als  relativ  unerfpriefslich  —  erlaffen, 
ja  felbft  der  Plaftik  an  diefer  Stelle  nur  eine  kurze  ]'>wUhnung  zu  Theil  werden 
laffen ;  und  zwar  aus  zwei  Gründen.  Einmal  ifl:  die  Bildhauerkunft  ihrer  Natur 
nach  wefentlich  monumental,  und  ihre  Uebung  in  monumentalem  Sinne  begrün- 
det daher  nicht  eine  fo  durchgreifende  und  entfchiedene  Theilung  der  Production, 
wie  im  Gebiete  der  Malerei.  Zweitens  aber  darf  fich  die  franzöfifche  Sculptur 
nicht  nur  nicht  der  gleichen  kraftvollen  Blüthe  rühmen,  wie  die  Malerei  —  fie 
fleht  in  der  modernen  Welt  ja  immer  und  überall  hinter  der  letzteren  zurück,  — 
fondern  fie  hat  auch  nicht  einmal  relativ  eine  ähnliche  Bedeutung  erlangt.  Die 
Plaflik  ifl  eine  fpröde  Kunft  und  verträgt  keine  gewagten  Experimente.  Sie  ifl 
daher  wohl  gelegentlich  durch  überkühne  Neuerungen  aus  den  Fugen  gegangen, 
aber  ein  claffifcher  moderner  Typus  —  wie  in  der  deutfchen  Kunfl  durch  Thor- 
waldsen  und  die  Schadow-Rauch'fche  Schule  —  ifl  dort  nicht  producirt  worden. 
Ein  ficheres,  felbflbewufstes  Können  hat  fie  mit  der  Malerei  gemein  —  es  flammt 
bei  Beiden  aus  gleicher  Quelle.  Eine  gewiffe  Unverzagtheit  im  Wurf  ift  auch  ihr 
aus  diefem  Grunde  eigenthümlich.  Der  einzelnen  Künfller  Erwähnung  zu  thun, 
kann  hier  unterlaffen  werden.  Nur  Francisque  Jofeph  Duret,  der  form- 
gewandte Meifler  des  h.  Michael  mit  dem  Drachen,  an  der  Fontaine  St. 
Michel,  und  zahlreicher  anderen  öffentlichen  Denkmäler  in  Paris,  der  fein  etwas 
theatralifches  Wefen  durch  nicht  forcirte  Gröfse  der  Erfindung  und  entfchiedenes 
Schönheitsgefühl  —  freilich  ohne  die  Gabe  tieferer  Charakteriftik  —  in  Vergeffen- 
heit  bringt,  mag  an  diefer  Stelle  feines  Lobes  verdienten  Antheil  erhalten. 


III.  FRANKREICH. 


307 


Als  einen  weiteren  Glanzpunkt  der  franzöfifchen  Kunftabtheilung  darf  man 
wohl  unbedenklich  die  Vertretung  des  Portraits  bezeichnen,  und  zwar  vertritt 
hier  wiederum  die  bereits  genannte  Nelie  Jacquemart,  Schülerin  des  jüngfl 
verdorbenen  Leon  Cogniet,  die  höchfte  Höhe.  Ihre  zehn  Portraits,  die  von 
einfachen  Bruftbildern  bis  zu  ganzer  Figur  gehen,  Männer  und  Frauen  in  dem 
'verfchiedenften  Alter  darftellen  und  die  verfchiedenften  Charaktere  im  Coftüme 
und  in  der  Farbcnhaltung  zum  Ausdrucke  bringen ,  find  eben  fo  viele  Meiflcr- 
werke,  jetles  in  feiner  befondcren  Richtung;  eine  unübertreffliche,  ungezwungene 


Seidenltolf,  aiil   l'apier  j^eliiannl,  von  Haliii  in   Paris. 


Nobleffe  in  der  Haltung,  charaktcriftifcher  und  lebendiger  Ausdruck  der  Köpfe, 
ein  gefchicktes  Arrangement,  fehr  reine  und  präcife  Zeichnung  und  eine  aufser- 
ordentlich  fchöne  I'^arbc  zeichnen  diefe  Gemälde  gleichmäfsig  aus  und  reihen 
fie  dem  Beften  an,  was  die  Kunft  im  Portraitfache  überhaupt  hervorgebracht  hat. 
Das  Portrait  einer  jugendlichen,  reizvoll  fchönen  Dame  in  kirfchrothem  Kleide, 
ganze  F'igur,  würde  felbft  die  Nachbarfchaft  van  Dyck'fcher  Bildniffe  ziemlich 
ungefährdet  beftehen. 

Zwifchen  diefer  Dame  und  den  heften  männlichen  Vertretern  des  Faches 
ift  ein  grofser  Abftand,  wiewohl  auch  mehrere  der  bekannten  und  bewährten 
Meifter  des  Rildniffes  nicht  unrühmlich  vertreten  waren.  Ich  nenne  Alex  a  ndre 
Cabanel,  deffen  Portraitgruppe  im  I'^lorentiner  Coftüm  des  15.  (niclit,  wie  der 
Katalog  fchreibt,  des  14.)  Jahrhunderts  nur  etwas  mehr  Wärme  in  der  Behand- 
lung haben  dürfte,  um  für  vorzüglich  zu  gelten.    Ferner  Charles  Landelle, 


308 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


dcffen  fämmtliche  Bilder  eigentlich  Portraits  oder  wenigftens  Charakterfludien 
find.  Wunderbarerweife  fleht  gerade  dasjenige  unter  diefen  Bildern,  welches  er 
doch  ficher  mit  der  meiflen  Liebe  gearbeitet  hat,  die  Gruppe  feiner  beiden 
Söhne,  in  der  Malerei  auffällig  zurück,  während  das-  Bruftbild  der  Frau  S.,  jener 
ftolzen  Brünette,  die  fo  recht  den  Landelle'fchen  Gefichtstypus  zeigt,  in  jeder 
Hinficht  von  hervorragender  Schönheit  ift. 

Eine     eigenthümliche    Enttäufchung     bereitete     dem     deutfchen    Publicum 
Carolus  Duran,    der    das    unverdiente  Glück   gehabt   hat,    das  Portrait    der 


Stühle  mit  geprefstem  Leder,  von  B.  Ludwig  in  Wien. 


Frau  F.  von  Leopold  Flameng  meifterhaft  radirt  zu  fehen  und  dadurch  bei  allen 
Lefern  der  Gazette  des  Beaux-Arts  die  Vorflellung  eines  eleganten,  feinen  Künfllers 
erweckt  zu  haben.  Seine  drei  lebensgrofsen  Frauenbildniffe  in  ganzer  Figur, 
unter  denen  fich  auch  das  erwähnte  befand,  zerftören  diefe  Illufion  gründlich; 
feine  Behandlung  hat  etwas  Brutales,  und  weit  entfernt  von  jener  echt  franzö- 
fifchen  Grazie,  die  im  Portrait  faft  nie  verleugnet  wird,  kokettirt  er  förmlich  mit 
einer  decorativen  Malweife,  die  keineswegs  durch  harmonifche- Wirkung  und 
treffende  Charakteriftik  mit  fich  verföhnt.  Er  ift  ein  Maler  der  Toilette  und  der 
Schminke,  und  nur,  wo  es  fich  um  grobe  Effecte  handelt,  ift  er  an  feinem  Platze. 
Daher   auch   das  Portrait  der   wenig   anziehenden  Frau  Rattazzi  ihm  am   heften 


III.  FRANKREICH. 


309 


gelungen  ift  und  den  meiften  Beifall  bei  denen,  die  feiner  Kunft  überhaupt  Beifall 
zollen  mochten,  eingetragen  hat. 

Eine  andere  Ueberrafchung  der  mcrkwürdigflen  Art  bereitete  den  Kunft- 
frcunden  Claude  Ferdinand  Gaillard.  Der  gefchätztc  Radierer,  der  Meiflcr 
jenes  unvergleichlich  feinen  Blattes  nach  Jan  van  Eyck's  „Mann  mit  der  Nelke", 
ftellte  fich  gleichzeitig  mit  fechs  Portraits  als  Oelmaler  vor;  er  überträgt  die 
gröfste  Tugend  des  rcproducircndcn  Künftlers,  keine  eigene  Aufifaffungsweife 
und  keinen  felbfländigen  Stil,  fondern  die  Gabe  der  Anbequemung  an  jeden 
fremden  zur  höchflen  Entwickelung  gebracht  zu  haben,  auch  in  die  eigene 
Malerei,  wo  diefer  Vorzug  niindeftens  von  geringerem  Werthc  ift.     In  der  That 


Stuhl  von  Schmidt  &  Sugg  in  Wien. 


würde  Niemand  darauf  kommen,  diefe  fechs  Gemälde  demfelben  Künftlcr  zuzu- 
fchreiben ,  fo  verfchiedenartig  ift  ihr  Charakter  nicht  nur  je  nach  dem  verfchie- 
denen  Naturell  der  Dargcftellten ,  fondern  auch  durch  die  Tinfelführung,  durch 
die  Farbengebung  und  die  gefammte  Auffaffung.  Während  er  in  einem  weib- 
lichen BildnifTe  zeigt,  dafs  er  von  van  Eyck  gelernt  hat,  die  furchtbarfte  Häfs- 
lichkeit  mit  der  unverbrüchlichften  Treue  darzuftellen  und  zu  einem  Wunder  der 
Kunft  zu  machen,  fehcn  wir  in  dem  Bildniffe  eines  Herren  mit  der  Brille  die 
zartefte  Detaillirung  mit  der  markantcftcn  Zeichnung  vereint.  Und  während 
Abbe  Rogerfon  in  halb  lebensgrofsem  Mafsftabe  uns  liebenswürdig  und  freund- 
lich mit  gefundem  Geifte  und  Körper  in  das  Auge  fchaut,  fteht  der  Commandant 


310  PLASTIK  UND  MALEREI. 


des  Freifchützen-  und  Plänklercorps  vor  Paris  mit  einer  Krankhaftigkeit  der  ganzen 
Erfcheinung  vor  uns,  die  etwas  Grauenerregendes  hat,  und  der  bleiche  Teint  des 
hohlbackigen  Gefichtes  geht  in  furchtbarer  Monotonie  durch  das  graublaue  Wamms 
der  Uniform  in  den  tonlos  ftumpfen  grauen  Hintergrund  über,  —  ein  unheim- 
liches Enfemble.  Das  kleine  Portrait  des  Grafen  R.  in  gelbgrauem  Rock  ifl  in 
feiner  fchlichten  Eaceftellung  nur  fo  hingefchrieben,  der  ganze  Mann,  wie  er  leibt 
und  lebt,  in  ücherer,  ruhiger  Vornehmheit  mit  überlegendem  und  überlegenem 
Geifte.  Nicht  weniger  ift  in  feiner  draflifchen  Art  der  „normannifche  Typus"  ge- 
lungen. In  allen  diefen  verfchiedenen  Auffaffungs-  und  Behandlungsweifen  haben 
wir  das  Gefühl,  dafs  der  Künftler  feinen  Gegenftänden  vollfländig  gerecht  wird, 
und  wir  fehen  ihn  mit  unbefchränkter  Meifterfchaft  über  eine  unverbrüchlich 
fichere  Technik  gebieten,  der  jedes  Mittel  recht  und  jeder  Zweck  erreichbar  ifl, 
und  fo  mag  der  Totaleindruck  der  Bilder  je  nach  der  Eigenthümlichkeit  der 
Dargeftellten  und  der  fubjectiven  Zu-  und  Abneigung  der  Befchauer  mehr  oder 
weniger  anziehend  fein:  jedes  feiner  Bilder  ift  von  eigenartigem  und  feffelndem 
Intereffe,  ein  Lob,  welches  kaum  hoch  genug  angefchlagen  werden  kann,  An- 
gefichts  der  Fluth  gleichgültiger  Menfchenabbildungen,  mit  denen  in  ewiger 
Monotonie  und  Langweiligkeit  die  meiflen  Portraitkünfller  unferer  Tage  die 
Ausftellungen  überfchwemmen ,  ohne  uns  für  fich  und  ihre  Opfer  intereffiren 
zu  können.  Das  verftehen  die  franzöfifchen  Portraitkünftler  fafl  durchgängig, 
und  darin  liegt  ihre  grofse  Uebcrlegenheit. 

Man  darf  auf  diefen  Umfland  keineswegs  ein  zu  geringes  Gewicht  legen, 
denn  die  Blüthe  der  Portraitkunft  ifl;  von  der  Blüthe  der  Kunft  grofsen  Stiles 
durchaus  nicht  zu  trennen  und  ihre  nothwendige  Vorausfetzung.  Alle  Meifter 
der  grofsen  Malerei,  die  auf  verheifsungsvollen  Wegen  gewandelt  find  und  die 
höchfle  Spitze  künftlerifcher  Entwickelung  bezeichnet  haben,  find  im  Portrait 
grofs  gewefen,  und  wo  eine  hohe  Kunfl  ohne  gleichzeitige  Blüthe  der  Portrait- 
kunft fich  gezeigt  hat,  da  war  die  Frucht  taub,  die  Nachfolge  glitt  unmittelbar 
in  den  Verfall  hinein.  So  wird  uns  der  Zuftand  der  Portraitkunft  innerhalb  der 
Kunftübung  einer  Nation  zum  untrüglichen  Mafsflabe  für  die  Ausfichten,  welche 
fich  derfelben  eröffnen.  Eine  Nation,  welche  über  eine  folche  Bildnifskunfl  ver- 
fügt, wie  die  Franzofen,  hat  in  der  Kunft  noch  lange  nicht  ihr  letztes  Wort  ge- 
fprochen,  auch  wenn  unter  den  einzelnen  künfllerifchen  Erfcheinungen  und  felbfl 
in  überwiegender  Zahl  unter  der  Production  einer  längeren  Epoche  fich  tief 
gehende  Spuren  einer  geiftigen  Ermattung  und  einer  künftlichen  Ueber- 
reizung  der  Affecte,  die  nur  auf  den  äufserlichen  Effect  losarbeitet,  zeigt.  Geht 
daneben  eine  fo  tüchtige  und  fo  folide,  vielfach  geübte  Portraitkunft  her,  wie  in 
Frankreich,  fo  bedarf  es  eben  nur  etwas  veränderter  äufserer  VerhältnÜTe,  welche 
die  Ueberreizung  herabftimmen  und  an  Stelle  des  gefuchten  einen  gewachfenen 
würdigen  Stoff  der  Kunft  darbieten,  um  wieder  das  Gröfste  erreichen  zu  laffen, 
namentlich  wenn  durch  alle  Mifswege  hindurch  fich  eine  fo  veilfeitige  gewandte 
und  allerfeits  mit  Sicherheit  bewältigte  Technik  erhält,  wie  das  in  Frankreich  der 
Fall  ift;  und  auch  die  Concentration  und  einheitliche  Schulung  fämmtlicher 
künftlerifchen  Kräfte,  welche  durch  die  überlegene  Stellung  der  Parifer  Akade- 
mie und  durch  die  römifche  Akademie  herbeigeführt  wird,  kann  im  Intereffe  der 


III.  FRANKREICH. 


3t  1 


Ausprägung  eines  nationalen  Ty- 
pus kaum  hoch  genug  angefchla- 
gen  werden.  Dürfen  wir  z.  B.  in 
Deutfchland  auch  hoffen ,  durch 
die  Decentralifation  und  die  un- 
gefähre Gleiciiflellung  der  ver- 
fchiedenen  Kunrtfchulen  in  Nord 
und  Süd,  in  Oft  und  Wert  ein 
vielfarbigeres  Bild  unferer  natio- 
nalen Kunfl  zu  entfalten,  fo  wer- 
den wir  ducli  die  Schwierigkeiten, 
daraus  eine  Eiirlieit  zu  machen 
und  eine  höchfte,  umfaffende 
Repräfentation  der  nationalen 
Kunft  etwa  in  einem'  einzelnen 
grofsen  Künftler  zu  finden,  für 
doppelt  grofs  halten  muffen. 

Mit  dem  Vorerwähnten  dürfte, 
was  an  ganz  ungewöhnlichen 
Werken  der  Portraitkunft  vorhan- 
den war,  hinreichend  vollftändig 
aufgezählt  fein.  Nur  ein  fehr  vom 
Gewöhnlichen  ab  weichendes  Bild- 
nifs  fordert  noch  eine  Betrach- 
tung: dasReiterportrait  des  Gene- 
rals l'rim,  vonHenri  Regnault 
(f.  die  Abbildung  auf  S.  229). 

Krank  auf  dem  Wege  von 
Rom  nach  der  Heimat  in  Mar- 
seille angekommen  (September 
1868),  vernahm  der  junge  Künftler 
(damals  noch  nicht  ganz  25  Jahre 
alt),  dass  Spanien  sich  erhoben, 
die  Königin  verjagt  und  die  Repu- 
blik erklärt  habe.  Elektrifirt 
durch  den  Reiz  der  grofsen  Idee, 
für  die  es  ihm  felbft  beftimmt 
war,  dereinft  zu  fterben,  —  denn 
fo,  als  einen  Kampf  für  das 
republicanifche  Princip,  fafste  er  die  verlängerte  und  verzweifelte  Gegenwehr 
Frankreichs  gegen  die  unwiderftehlich  siegreichen  Heere  Deutfchlands  auf,  als 
deren  Opfer  er  bei  Bougival  fiel,  —  eilte  er,  kaum  einigermafaen  hergeftellt,  nach 
dem  Schauplatze  der  Ereignifse,  und  hatte  die  Genugthuung,  am  8.  Oktober 
dem  Einzüge  des  Helden  der  Revolution,  Juan  Prim's,  in  Madrid  beizuwohnen. 

Der  Eindruck  war  so  gewaltig,  dafs  er  ihn  als  Künftler  objectiv  zu  geftalten 


Stickerei  von  einem  Kinderkleid,  üflcrreiclülclie  1-rauen.irbeit. 


312 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Schreibtifch,  entworfen  von  König  &  Feldfcharek  und  C.  Graff,  ausgeführt  von  Michel  und  Hanufch  in  Wien. 


III.  FRANKREICH. 


313 


Ä  acJ «  «  W  hd  W  fed  Ijri  W  ^  be^^fe!*!^^ 


sjtfttrtoäaaaetrx- 


'ZtCSR 


Egypiifcher  Cioldfclimuck. 

fich     gedrungen    fühlte,     und     wenige   1,  Geltung  bringt,  das  ift  ganz  erftaunlich 
Monate  nachher  übcrrafchte  das  lebens-        zu  fehen. 

grofse  Bild   —   beinahe   eben   fo    fehr  Mit  Recht   ifl:   darauf  hingewiefen 

Hiftorie  wie  Portrait  —  worden,    dafs    die   Be- 


die  Befucher  desParifer 
Salons  (1869)  und  be- 
gründete entfcheidend 
den  Ruf  feines  Urhebers. 
Der  Kopf  des  Reiters  ift 
von  einer  ausdrucksvol- 
len Blässe;  energifch 
trotz  feiner  kleinen  Figur 
lenkt  er  mit  feftcr  Hand 
fein  auffallend  grofses 
Pferd,  einen  prächtigen 
feurigen  Rappen  mit  flat- 
ternder Mähne.  Bunte, 
erregte  Geftalten  umge- 
ben —  mit  bewunderns- 
werther  Kraft  unterge- 
ordnet—  jubelnd,  fchrei- 
end  und  Fahnen  fchwin- 
gend  den  Helden  des 
Tages;  wie  diefer  bar- 
häuptig, mit  herrschen- 
der Ruhe  in  dem  Strudel 
der  ihn  unitofenden  Lei- 
denfchaft  das  Rofs  pa- 
rirt,  wiesichtbarlich  eine 
Epoche  entfcheidender 
Kämpfe  in  dem  vorgeftellten  Momente 
gipfelt,  wie  das  Leben  felber  fich 
hier  unarrangirt  in  einem  Höhepunkte 
geifliger  Spannung  und  Aufregung  zur 


Tafel  in  MajoUca,  von   Ginori 
in  Uoccia  bei  Klorenz. 


kanntfchaft  mit  Velaz- 
quez  und  mit  dem  wun- 
derlichen ,  aber  dämo- 
nifch  gewaltigen  Goya 
unfern  Künftler  folche 
Töne  gelehrt  hat.  Die 
eigene  freie  und  breite 
Pinfeiführung,  zumal  in 
den  Nebenpartien,  die 
bewufste  Sicherheit,  mit 
der  in  möglichft  wenigen 
und  unvermaltenPinfel- 
ftrichen  —  gewisserma- 
fsen  durch  lauter  ein- 
zelne Drucker  ^-  die 
charakteriftifchen  Züge 
prägnant  wiedergegeben 
find,  das  verräth  eine  Be- 
geifterung  und  ein  Kön- 
nen ,  eine  Unmittelbar- 
heit der  Schöpfung,  die 
nur  allzufelten  ifl.  Wie 
zahm ,  wie  langweilig 
wird,  obwohl  an  fich 
recht  gut,  ja  fogar  be- 
deutend, gegenüber  die- 
fem  Bilde  etwa  Camphaufen's  Friedrich 
II.  und  der  grofse  Kurfürft !  Fürwahr : 
die  Kunft  der  Malerei  ifl  eigentlich 
die    Kunft,   regelmäfsig   und   fchön  zu 


40 


314 


PLASTIK  UND  MALE;REI. 


fehen,  d.  h.  mit  inflinctiv  ficherm  Blicke  die  wirkungsfähigen  Bilder  in  dem 
flüchtigen  Wechfel  der  wirklichen  Erfcheinungen  zu  erkennen  und  feilzuhalten. 
Es  wird  wenig  Muftergültigeres  nach  diefem  Grundfatze  getroffen  werden,  als  dieser 
Prim,  und  ich  flehe  nicht  an,  ihn  nicht  blofs  für  das  bedeutendfle  Werk 
Regnault's  zu  erklären,  fondern  es  zu  den  hervorragendften ,  bezeichnendften, 
vollendetften  Kunftwerken  zu  reihen,  welche  das  letzte  Jahrzehnt  hat  entflehen 
fehen.  — 

Die  franzöfifche  Kunftverwaltung  —  das  verfteht  fich  von  felbft  —  bringt 
es  mit  fich,  dafs  diefes  Bild  —  wie  alle  als  Markzeichen  der  modernen  Kunft- 
richtung  in  Frankreich  fich  darfteilenden  Kunflwerke  —  dem  Staate  gehört.  Man 
ift  dort  längft  fo  klug,  in  diefer  Richtung  lieber  zu  viel  als  zu  wenig  zu  thun, 
und  das,  was  fich  unter  dem  Angekauften  nach  Jahren  und  Jahrzehnten  etwa  als 
im  Momente  der  Entftehung  und  der  P>ftehung  überfchätzt  herausftellt,  lieber 
entweder  auszuschliefsen  oder  an  die  zahlreich  beftehenden  Provinzial- Museen 
abzugeben ,  als  die  Hauptfammlungen  des  Staates  in  die  peinliche  und  lächer- 
liche Lage  zu  verfetzen,  hinterdrein  auf  die  epochemachenden  Arbeiten  der  Ver- 
gangenheit Jagd  machen  zu  müfsen,  und  dabei  dann  auf  das  zufällig  noch  Käuf- 
liche —  alfo  auf  die  »beaux  reftes«  ftatt  auf  die  »premices«  der  Kunftproduction  — 
angewiefen  zu  fein  und  gleichwohl  in  die  Höhe  gefchraubte  Preife  zahlen  zu 
müfsen,  nachdem  der  Künftler  felbft  nicht  feiten  bei  Lebzeiten  aus  Mangel  an 
Abfatz  zu  annehmbaren  Bedingungen  —  namentlich  für  gröfsere  Arbeiten  —  in 
Noth  gerathen,  mindeftens  an  der  vollen,  freien  Entfaltung  feiner  Fähigkeiten 
gehindert  worden  war. 

Das  bemerkenswerthefte  Werk  Regnault's  nächft  diefem  Prim,  seine  Salome, 
machte  die  Wiener  Ausftellung  nicht  weitern  Kreifen  bekannt,  dagegen  fein 
letztes  grol'ses  Bild,  in  Tanger,  als  Nachwirkung  der  in  Spanien  und  in  Afrika 
empfangenen  Eindrücke,  während  des  Sommers  1870  entftanden  und  eine  Hin- 
richtung ohne  Urtheil  unter  den  maurifchen  Königen  zu  Granada  darftellend. 
Am  Eingange  eines  maurifchen  Palaftes  hat  ein  grofser  Henker  mit  bronzefarbenem 
Teint,  angethan  mit  einem  langen  rofafarbenen  Rocke,  fein  unfeliges  Gefchäft 
vollzogen.  Zu  feinen  Füfsen  liegt  in  jener  überwendlichen  und  ungefchickten 
Stellung,  welche,  wie  man  fagt,  den  Gliedern  der  Enthaupteten  eigen  ift,  der 
Leichnam  einer  prächtig  gekleideten  Perfönlichkeit.  Sein  Haupt,  blutlos  und 
bleich,  ift  auf  die  unterften  Stufen  der  im  Vordergrunde  befindlichen  Treppe  ge- 
rollt; eine  grofse  rothe  Blutlache  breitet  fich  über  die  weifsen  Marmorplatten  aus. 
Der  aufrechtftehende  Henker,  ungemein  ftolz  und  befriedigt,  fein  Amt  nach  allen 
Regeln  der  Kunft  geübt  zu  haben ,  wifcht  gleichgültig  die  kaum  benetzte  blitz- 
helle Klinge  feines  Yatagan  an  dem  Zipfel  feines  Gewandes  ab. 

In  diefem  Vorgange,  welchem  ein  Delacroix  natürlich  eine  Wendung  zum 
Tragifchen  gegeben' hätte,  und  der  in  der  That  nicht  übermäffig  heiter  ift,  hat 
Regnault  in  erfter  Linie  eine  Gelegenheit  erblickt,  gewiffe  Farbenverbindungen 
zu  probiren,  eine  in  der  Salome  noch  nicht  dagewefene  Harmonie  der  Töne. 
Der  Scharfrichter  hat,  wie  fchon  gefagt,  die  bräunlichen  Fleifchtöne  der  Afrikaner; 
fein  Gewand  hat  eine  Farbe  ähnlich  derjenigen  halbverwelkter  Rofen;  ein  fchmaler 
weiffer  Linnenftreif  umzieht  feine   Stirn.     So  in  einer    Tonleiter  gehalten,  deren 


III.  FRANKREICH. 


315 


Kraft  durch  den  Widerfchein  einer  indirecten  Beleuchtung  gcmäffigt  wird,  hebt 
fich  die  Figur  von  einem  glitzernd  hellen  Hintergrunde  ab,  der  Vorhalle  eines 
alhanibraartigen  Gebäudes,  auf  deffcn  Wänden  die  Arabeske  erglänzt  und  die 
unzähligen  I'-rhebungen  der  gemalten  und  vergoldeten  Stuckverzierungen  in  einem 
fahlen  Lichte  fchimmern.  Wenn  man  von  der  weifsen  Binde  abfieht,  die  die 
Stirn  der  Figur  heraushebt,  ifl  die  Wirkung  erftrebt  durch  den  wohlthuenden 
Gegenfatz  analoger  Farbcnwerthe,  indem  das  vcrblafste  Rofa  mit  dem  bräun- 
lichen Roth  zufammenquillt,  das  Orange  mit  den  Vergoldungen. 

Streng  genommen  hätte  es  Regnault  hierbei  können  bewenden  laffen,  aber 
unverzagt  bis  zur  Unklugheit  hat  er  für  den  untern  Theil  feines  Gemäldes  ein 
ganz  anderes  Syflem  zu  Grunde  gelegt.  Die  weifsen  Treppenftufen,  die  purpur- 
rothen  Flecken  des  ftrömenden  Blutes,  der  leichenhafte  und  fchon  in's  GräuUche 
fchillernde  Kopf,  der  Körper  des  Enthaupteten,  luxuriös  in  ein  Gewand  von 
grüner  Seide  gekleidet,  deffen  fchreiende  Farbe  noch  durch  einen  hochrothen 
Gürtel  gehoben  wird,  — •  all  das  bildet  ein  Enfemble  von  flarken  und  lebhaften 
Farbenwerthen ,  die  fich  gegenfeitig  durch  ihre  Nebeneinanderflellung  fleigern, 
und  die  —  wenn  man  den  Fall  unter  dem  Gefichtspunkte  der  literarifchen  Kate- 
gorien betrachten  wollte  ■ —  wohl  als  ein  einigermaffen  wunderbares  Mittel  für 
den  Ausdruck  der  Gemüthserfchütterung  erfcheinen  dürfte,  welche  eine  fo  tief- 
traurige Scenc  hervorbringen  follte.  Das  Drama  fpricht  hier  nicht  feine  natür- 
liche Sprache,  und  man  könnte  in  diefer  Combination  von  Tönen  eine  bis  zum 
Paradoxen  kühne  Gefuchtheit  fehen.  Unter  dem  einfachen  Gefichtspunkte 
der  Coloriflik  hat  der  Urheber  der  »Hinrichtung  ohne  Urtheil«  zwei  Bilder  in  einem 
geliefert.  Das  Auge  wird  ein  wenig  beunruhigt  durch  diefen  neckifchen  Gegenfatz 
in  fich.*) 

Und  wenn  es  nur  das  Auge  wäre!  Aber  das  Gemüth  wirft  in  einer  Weife 
gepeinigt  durch  diefe  Darftellung,  die  kaum  zu  überbieten  fein  dürfte.  Sclbfl;  der 
franzöfifche  Kritiker,  deffen  Worte  ich  unten  wiedergegeben,  hat  etwas  davon 
gemerkt,  wenn  er  fagt:  »Dies  Gemälde  war  in  dem  Werke  Regnault's  ein  neuer 
Beweis  nach  fo  vielen  anderen,  dafs  er  die  Dinge  nur  fall  und  fehen  wollte  von 
ihrer  malerifchen  Seite,  und  dafs  er  nicht  bis  zur  Seele  in  die  Tiefe  drang.  Un- 
zweifelhaft zeigt  fich  eine  Spur  von  Gedanken  in  dem  Portrait  Prim's ;  aber  er 
giebt  nichts  mehr  der  Art  in  feiner  Judith;  in  der  Salome  ift  er  unfafsbar;  fehr 
wenig  ift  davon  in  der  »Hinrichtung  ohne  Urtheil«  vorhanden.  Das  Dramatifche 
war  nicht  das  Gebiet  Regnault's,  und  obgleich  fic  ihn  verfchwenderifch  ausge- 
ftattet,  hatte  die  gütige  F'ee  unter  ihren  Gefchenken  die  Gabe  der  Thränen 
vergeffen.»  Bruno  Meyer. 


•)  Das  Vorftehende,  faft  wörtlich  genaue  Ueberfetzung  der  Schilderung  des  Bildes  in  dem  von  Paul 
Mantz  verfafslen  Auffatze  der  „Gazette  des  Beaux-Arts"  über  Henri  Regnault  {1872,  I,  p.  81  fg.),  kann 
dem  deutfchen  I^fer  als  eine  treffende  und  an  fich  vorzügliche  Probe  der  franzöfirchen ,  den  tech- 
nifchen  Gefichtspunkt  vor  jedem  andern,  fall  mit  Ausfchlufs  jedes  andern,  zur  Geltung  bringenden 
Kunftkritik  gelten.  Es  thäte  nur  gut,  wenn  auch  wir  diefer  .Seite  der  Beurtheilung  mehr  Rechnung 
trügen,  als  bis  jetzt  meifteniheils  gefchieht.  I.eider  geben  in  diefer  Beziehung  gerade  die  in  Deutfchland 
der  Kritik  waltenden  Künftler  ein  nichts  weniger  als  glänzendes  Vorbild. 


40« 


316 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


ijS^ 


Uhr  von  Ratzersdorfer  in  Wien. 


Zu  dem  Beden  und  Gcfündeften ,  was  die  franzöfifchen  Säle  entliielten,  ge- 
hörten auch  diesmal  wieder  die  Gemälde  der  beiden  grofsen  Genremaler  Breton 
und  Meiffonier. 

Jules  Adolphe  Breton  malt  das  Landvolk  feiner  Heimath,  der  ehemaligen 
Provinz  Artois,  in  den  einfachften  Situationen,  im  unmittelbarften  Zufammenhang 
mit  der  Natur.  Die  ruhige  Gröfse  feiner  Charakteriftik ,  der  fchHchte  Ernft  der 
Auffaffung,  verbunden  mit  einem  Zuge  des  Ahnungsvollen  und  Tiefen,  der  durch 
die  eigenthümliche  Schönheit  der  Farben-  und  Lichtwirkung  unterftützt  wird, 
find  aufserordentlich  und  finden  in  der  ganzen  modernen  Kunft  nicht  ihres 
Gleichen.  Es  find  nicht  novelliftifch  intereflante  Situationen,  welche  er  darftellt, 
nicht  humoriftifche  Epifoden,    in  weldhen  fich  die  einzelnen  Charaktere  launiger 


III.    FRANKREICH. 


:(17 


und  individueller  entwickeln  können.  Von  diefer  Richtung,  welche  in  der  dcut- 
fchcn  Volks-  und  Sittenmalerei  die  herrfchende  ift,  bleibt  Breton's  Weife  weit 
entfernt;  flatt  der  frohen  Laune,  welche  bei  den  Deutfchen  waltet,  tritt  uns  bei 
ihm  gewöhnlich  eine  leife  Melancholie  entgegen,  rtatt  des  dramatifchen  Elemen- 
tes gibt  ein  epifches  Motiv  oder  nocii  häufiger  ein  lyrifches  den  Gruntlton  an.  Die 
abfichtslofe  Einfachheit  in  Situation  und  Charakteriflik  ift  bei  Breton  das  Gröfste, 
fie  prägt  feinen  Werken  einen  unvergleichlichen  Adel  auf,  fie  bringt  es  mit  fich, 
dafs  die  Menfchcn,  die  er  malt,  eine  fo  unbedingte  und  felbftverftändliche  Be- 
rechtigung der  Exiftenz  haben,  fo  vollkommen  mit  der  Natur  verfchmolzen  er- 
fcheinen,    in   der  fie   ftchen.     Da  fanden  wir  zunächft  Breton's  Hauptwerke   aus 


MajoUca-Gefäfse,  von  Minton  in  Sloke  uiion  Trent. 


der  Galerie  des  Luxembourg  :  „Die  Segnung  der  Felder"  (1857),  eine  ländliche 
Proceffion,  welche  in  glühendem  Sonnenlicht  durch  die  Kornfelder  hinzieht,  und 
das  noch  fchönere,  zwei  Jahre  fpäter  entftandene  Gemälde :  „Die  Heimkehr  der 
Aehrenleferinnen ;"  ferner  zwei  neue  Gemälde  aus  den  Jahren  1871  und  1872: 
„Die  Freundinnen",  drei  Bauernmädchen,  welche  Arm  in  Arm  plaudernd 
durch  die  Kornfelder  hinwandeln;  an  Qualität  und  Feinheit  der  Stimmung 
den  Aehrenleferinnen  verwandt,  aufserordentlich  fchön  durch  die  Art,  wie 
hier  drei  weibliche  Charaktere  zufammenklingen ;  und  „Die  Quelle",  ein  Bild  in 
lebensgrofsen  Figuren  und  zwar  nur  mit  zwei  Geftalten  junger  Landmädchen 
am  Brunnen.  Ganz  im  Schatten  gehalten,  heben  fie  fich  vom  lichten  Abend- 
himmel ab.     Die  weiblichen  Charaktere  find  bei  aller  Schlichtheit  voller  Anmuth 


318  PLASTIK  UND  MALEREI. 


und  Adel.  Und  wie  ifl:  auch  in  diefen  beiden  Bildern  wieder  der  Frieden  des 
Abends  zum  Ausdrucke  gebrachtl  Inmitten  der  gedämpften,  dämmernden 
Stimmung  überrafcht  uns  die  fiebere  Klarheit,  mit  der  jede  Form  zur  Geltung 
kommt,  bei  aller  Unbefangenheit  find  Bewegung  und  Haltung  überall  edel  und 
flilvoll.  Wie  richtig  exiftiren  die  Figuren  im  Raum,  wie  vollendet  ift  die  Model- 
lirung  auch  in  den  dunkelflen  Schattenpartien,  wie  fein  umfpielt  das  Licht  die 
Umriffe  der  Körper!  Und  —  bei  aller  coloriflifchen  Meifterfchaft ,  aller  Breite 
des  Vortrags  —  welche  keufche  Discretion! 

Das  V orzüglichfte ,  was  von  Louis  Erneft  Meiffonier  vorhanden  war, 
befland  in  zwei  ganz  kleinen  Bildchen  aus  dem  Jahre  1869,  zu  denen  Antibes 
die  Scenerie  geliefert  hat.  Auf  einer  Strafse,  die  fich  neben  der  Mauer  hinzieht, 
läfst  er  das  eine  Mal  einen  Reiter  und  einen  Fufsgänger  fehen,  die  bei  glühen- 
dem Sonnenlicht  ihres '  Weges  ziehen ;  das  zweite  Mal  eine  Kegelpartie  von 
Soldaten  in  der  Uniform  des  erften  Kaiferreichs.  Jedesmal  volles,  fcharfes  Licht 
und  reizlofe  Gegend,  aber  eine  Sicherheit  der  malerifchen  Wirkung,  die  über 
jeden  Begriff  geht,  eine  Schärfe  der  Beobachtung,  die  kühl,  ruhig,  fogar  manch- 
mal felbfl:  mühfam  alles  Gegenftändliche  mit  der  äufserften  Genauigkeit  und  Ge- 
diegenheit fefthält,  eine  Fähigkeit,  im  allerklcinften  Mafsftabe  zu  arbeiten  und 
dennoch  im  Vortrag  breit  zu  fein.  In  diefer  Hinficht  erfcheint  namentlich  das 
zweite  diefer  Bilder  als  ein  wahres  W'under.  Verwandt  ift  der  Halt  von  drei 
Reitern  vor  einer  Schenke,  ein  Motiv,  welches  der  Künftlcr  fchon  früher,  in  etwas 
anderer  Compofition,  behandelt  hatte.  Ein  kleines  Kriegsbild,  zwei  fran- 
zöfifche  Chaffeurs  zu  Pferde  in  einem  entlaubten  Walde,  ift  wahr  und  malerifch. 
In  einem  Genrebilde  von  1872  tritt  dann  Meiffonier  uns  plötzlich  in  einem  für 
ihn  ungewöhnlich  grofsen  Mafsftabe  entgegen,  den  er  aber  mit  gleicher  Vir- 
tuofität  zu  beherrfchen  fähig  ift.  Es  ftellt  einen  Schildermaler  dar,  welcher 
einem  fchmunzelnden  Wirthe  das  für  diefen  gemalte  Aushängefchild  mit  einem 
]3acchus  auf  dem  Faffe  zeigt.  Beide  Geftalten,  im  bürgerlichen  Coftüni  vom  Ende 
des  vorigen  Jahrhunderts,  find  von  einem  fo  lebendigen  und  behaglichen  Humor 
des  Ausdrucks,  wie  er  fonft  bei  dem  überwiegend  kühlen  Meiffonier  nicht  vor- 
kommt, und  fo  nähert  er  fich  hier  den  alten  Holländern,  die  in  rein  malerifcher 
Hinficht  feine  Vorbilder  waren,  auch  in  der  alten  launigfrohen,  gemüthlichen 
Auffaffung. 

Zwifchen  allen  diefen  kleinen  Genrebildern  hing  aber  endlich  ein  grofses 
Kriegsbild,  an  welchem  Meiffonier  feit  einer  langen  Reihe  von  Jahren  gearbeitet 
hat  und  das  hier,  obwohl  noch  nicht  ganz  vollendet,  zur  Ausftellung  gekommen 
war:  „Napoleon  1807".  Dem  „Napoleon  1814",  den  der  Künftler  früher  gefchaffen 
hatte,  kommt  dies  neue  Bild  an  grofsartigem  hiftorifchen  Geifte  nicht  gleich, 
aber  höchft  lebendig  ift  das  Vorbeifaufen  der  Küraffiere  zum  Angriff  dargeftellt 
und  die  gefchichtliche  Erfcheinung  als  folche  ift  mit  grofser  Sicherheit  und 
Kenntnifs  feftgehalten,  die  Arbeit  allein,  die  uns  aus,  diefem  Bilde  entgegentritt, 
flöfst  Refpect  ein;  welche  Studien  liegen  hier  jedem  einzelnen  Motiv,  jeder  Gc- 
ftalt,  jedem  Pferde  zu  Grunde!  Doch  im  Ganzen  möchte  man  vielleicht  zu  dem 
Schluffe  kommen,  dafs  das  Einzelne  fich  nicht  in  allen  Theilen  harmonifch 
zufammenfchliefst ,    dafs   hier  und  da  der  Eindruck  des  mosaikartig  aus  kleinen 


III.  FRANKREICH. 


319 


Stücken  Zufammengefügten  überwiegt.  Vielleicht  wird  das  bei  der  Vollendung 
des  Ganzen  noch  überwunden  werden,  aber  wer  weifs,  ob  es  dem  Künftler  bei 
feiner  beifpiellofen  Gewiffenhaftigkeit  je  gelingen  wird,  das  Gemälde  foweit  zu 
führen,  dafs  er  felbfl  es  für  beendigt  halten  kann. 

Unter  den  Malern  des  Landvolks  reicht  keiner  auch  nur  entfernt  an  Breton 
heran.  Eugene  Ivcroux  ifl;  in  feinem  Hauernhaufe  vor  dem  Begräbnifs  fchlicht 
und  charaktervoll.  Auffallend  flau  und  vcrblafen  in  der  Farbe,  ohne  Charakter 
in  der  Zeichnung,  fowie  unzureichend  in  der  Individualifirung  erfcheint  Marchai 
in  feinen  Gemälden  aus  dem  elfäffifchen  Bauernleben,  obwohl  er  hier  durch  zwei 


Theekeffel  von  Hancocks  &  Co.  in  London. 


anerkannte  Werke  aus  früheren  Jahren,  den  „Lutherchoral"  (1813)  und  den 
„Mägdemarkt  zu  Buchsweiler"  (1864),  aus  dem  Luxembourg,  vertreten  war. 
Dort  eine  fchwächliche  Sentimentalität  ohne  poetifche  Kraft,  hier  ein  unächter 
Humor,  der  fich  zu  abfichtlich  giebt;  in  folchen  Zügen  kann  das  ländliche  Sitten- 
bild der  Franzofen  nicht  mit  dendeutfchenMeiftern  des  Faches  wetteifern.  Dagegen 
zeigt  der  Elfäffer  Guflav  Brion  Anklang  an  deutfche  Gefühlsweife,  mag  er  auch 
an  Lebendigkeit  und  Geift  in  Situation  und  Charakteriftik  einen  Knaus  oder 
Vautier  night  erreichen.  Seine  „Rafl  der  Pilger  nach  St.  Odilien"  ift  ernft  und 
tüchtig,  fein  „Flofs  auf  dem  Rhein"  bei  nebligem  Morgen  ift  malerifch  glücklich 
und  voll  guter  Motive.  Eugene  Feyen  erfreut  in  feinen  kleinen  Strandbildern 
mit  zahlreichen  Figuren  durch  den  zarten  Ton,  die  feine  Lebendigkeit,  das  fiebere 
malcrifche  Gefühl.  Neben  der  Naturbeobachtung  ift  hier  auch  das  Studium  guter 
hoUändifcher  Meifter,  eines  Wouwermans  und  A.  van  de  Velde,  wahrzunehmen. 
L^on  Bonnat  offenbart  Lebensgefühl  und  coloriftifche  Kraft  in  einigen 
orientalifchen  wie  italienifchen  Genrebildern,  befonders  aber  in  der  vortrefflichen, 


320 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


III.  FRANKREICH. 


321 


unmittelbar  packenden,  lebensgrofsen  Gruppe  einer  Italienerin,  der  ihr  Kind 
laciiend  um  den  Hals  fällt.  Hebert  dagegen  erfchien  in  feinen  hier  vorhande- 
nen grofsen  Bildern  aus  dem  italienifchen  Leben  kaum  auf  alter  Höhe ;  fie  find 
anfpruchsvoU  und  ohne  Frifche,  die  MelanchoUe ,  welche  für  ihn  einll  ein  fo 
wirkfames  Mittel  des  Ausdrucks  war,  ift  hier  krankhaft  überreizt.  Eugd-ne 
Ifabey  malt  nach  wie  vor  kleine  Bilder  mit  einem  bunten  Gewimmel  von 
Figuren  in  malerifcher  Tracht  der  Vorzeit,    breit  und  keck  vorgetragen  und  von 


Bronzegitter,  entworfen  von  Heinr.  Riewel,  ausyeflihrt  von    1).  Ilcillenljach  Sohne   in   Wien. 

grofsem  decorativcm  l'^ffect.  Tony  R  obert-Fleury  erfcheint  inclen  beten- 
tlen  alten  Weibern  in  der  Kirche  Santa  Maria  della  l'ace  zu  Rom  viel  kräftiger 
und  charaktervoller  als  in  feinem  grofsen  hiflorifchen  Gemälde. 

Ohne  auf  die  Bilder  von  dem  geiflreichen  Vibert,  von  Leloir,  Bouhinger, 
Fichel,  Chavet  weiter  einzugehen,  muffen  wir  doch  noch  bei  zwei  vorzüglichen 
kleinen  Kriegsbildcrn  (Icheii  bleiben.  „Der  Kanonenfchufs"  von  Etienne 
Berne-Bellecour  hatte  im  Salon  von  1872  durchfchlagenden  Erfolg.  Es  jfl 
eine  Schanze  mit  franzöfifchen  Soldaten;  eben  iil  ein  grofses  Gefchütz  abgefeuert 
worden;  gefpani*  beobachten  die  Naheftehenden  die  Wirkung  des  Schuffes. 
Das  ift  ruhig,  kühl,  mit  ficherfter  Beobachtung  und  überzeugender  Wahrheit  ge- 
geben.    Protais'  Gemälde  „1870",  ein  Schlachtfeld,  aufweichen!  ein  fchwerver- 


41 


322  PLASTIK  UND  MALEREI. 


wundeter  Franzofe  noch  die  Fahne  umklammert  hält  und  mit  letzter  Kraft  um- 
herfpäht,  ift  nicht  ohne  tendenziöfen  Anflug,  über  ftimmungsvoli  und  von  dufte- 
rer Poefie. 

Neben  diefem  gefunden  Realismus,  der  mit  echt  malerifcher  Gefühlsweife 
verbunden  ift,  fanden  wir  aber  auch  Aeufserungen  jenes  krankhaften  Geiftes,  der 
fich  unter  dem  zweiten  Kaiferreich  entwickelt  hatte.  Die  Arbeiten  des  vielbe- 
wunderten J  e  a  n  Leon  Gerome  haben  unverkennbare  künftlerifche  Qualitäten, 
doch  fie  find  auf  den  überreizten  und  dadurch  abgeftumpften  Sinn  einer  blafirten 
Gefellfchaft  berechnet.  Wenn  ich  „berechnet"  fagte,  fo  ift  dies  zwar  eigenthch 
zu  viel.  Die  bewufste  Speculation  des  Künftlers  mag  bei  der  Wahl  des  Stoffes 
wie  bei  der  Behandlung  ihre  Rolle  fpielen,  fie  ift  aber  eigentlich  nicht  die  Haupt- 
fache, fondern  im  Ganzen  bewegt  fich  Gerome  ziemlich  unbefangen  in  feiner 
Welt.  Nur  dafs  er  eben  nirgend  durch  ein  tieferes  inneres  Intereffe,  durch  einen 
idealen  Zug  geleitet  wird;  dafs  ihm  zweierlei  fehlt,  ohne  das  kein  echtes  künftle- 
rifches  Schaffen,  auch  im  realiftifchen  Stile,  möglich  ift:  die  Frifche  und  die 
Wärme  des  Gefühls.  Sein  Wiffen,  feine  archäologifchen  und  ethnographifchen 
Intereffen  beftimmen  ihn,  indem  er  culturhiftorifche  Sittenbilder  aus  dem  claffi- 
fchen  Alterthum  oder  Scenen  des  modernen  orientalifchen  Lebens  malt;  und 
wenn  er  auf  diefem  Wege  vorzugsweife  zu  Gegenftänden  kommt,  die  theils  ftark 
finnlich  gefärbt,  theils  furchtbaren  und  graufamen  Inhalts  find,  fo  mag  das  eben 
nur  deshalb  gefchehen,  weil  er  zu  wenig  Feuer,  Geift,  Gefühlswärme  und  idealen 
Sinn  hat,  um  dem  Einfachen  ein  tieferes  Intereffe  abgewinnen  zu  können.  Kr  be- 
fitzt weder  Erfindung,  noch  Gefühl  für  Schönheit  der  Form  und  für  den  wahr- 
haft poetifchen  Reiz  der  Farbe.  Aber  das,  was  er  beobachtet  oder  durch 
Wiffen  und  Studium  fich  zurechtgelegt  hat,  giebt  er  mit  ungewöhnlicher  Ge- 
nauigkeit und  Schärfe  in  Geftalten  und  Oertlichkeit  wieder,  wie  nach  der  Photo- 
graphie gearbeitet,  und  bei  meift  kleinem  Format  der  Bilder  fauber,  faft  geleckt, 
allerdings  auch  leblos  und  elfenbeinern  in  den  nackten  Partien  trotz  aller  Sorg- 
falt der  Durchbildung.  Gerade  bei  diefer  eleganten  Zierlichkeit  der  Behandlung 
wirkt  die  Darftellung  des  Gräfslichen  oder  finnlich  Erregten,  welche  bei  feuriger 
Kühnheit  der  Auffaffung  und  des  Vortrags  erträglich  wäre,  oft  um  fo  ver- 
letzender. 

Bereits  bekannt  ift  die  Wache  am  Eingang  der  Mofchee  P^l  -  Affaneyn ,  an 
der  abgefchlagene  Häupter  aufgcfchichtet  und  aufgehängt  find  —  fchr  frappant, 
aber  mit  ftumpfer  Nüchternheit,  die  um  fo  brutaler  wirkt,  vorgetragen.  Dann 
fahen  wir  ein  figurenreiches  Gladiatorenbild,  das  zu  feinem  früheren,  berühmten 
Bilde  „Ave  Caefar,  morituri  te  salutant"  eine  Art  Gegenftück  bildet.  Der  fieg- 
reiche  Fechter  fetzt  den  P'ufs  auf  den  Körper  des  niedergeworfenen  Gegners 
und  fchaut  triumphirend  umher,  während  die  erregte  Zufchauermenge,  nament- 
lich die  Weiber,  ihm  das  Zeichen  geben,  jenem  den  Garaus  zu  machen,  und  der 
Kaifer  dabei  gleichgültig  Früchte  verzehrt.  Auch  hier  ift  die  Roliheit  des  Ge- 
fühls geradey.u  unerträglich.  Ueberlegen  find  eine  orientalifche  Badefcene,  ge- 
fliffentlich  unfchön  componirt,  aber  mit  gut  durchgebildetem*I''rauenkörper,  ein 
in  der  Stimmung  fehr  charaktervolles  Wüftenbild  mit  einem  Araber  neben  feinem 
verfchmachtet  hingefunkenen  Pferde,   endlich    eine  Spazierfahrt   des  Harems    zu 


_L 


III.  FRANKREICH. 


323 


Krollleuchter,  entworfen  von  M.  Claus,  ausgeführt  von  D.  Hollcnbach  Söhne  in  Wien. 

Waffer,  intercffant  durch  die  Wahrheit,  mit  welcher  hier  bei  fchhcht  grauem  Ton 
die  duiiflige  Schwüle  der  Stimmung  wiedergegeben  ift.  Die  Gruppe  eines  Sclaven- 
niädchens  und  eines  braunen,  fluinpf  dakauernden  Knabens  unter  dem  Katalogtitel : 


«• 


324 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


„a  vendre,"  darf  nicht  überfehen  werden,  weil  Gcrome  trotz  feiner  Gewöhnung  an 
kleines  Format  und  feine,  miniaturartige  Behandlung  hier  einmal  beweift,  dafs 
er  auch  lebensgrofse  Figuren  gefchickt  und  ohne  Kleinlichkeit  zu  bewältigen 
vermag,  ifl:  aber  auch  fonft  nichts  mehr  als  eine  höchft  correcte  und  kundige 
Arbeit  nach  lebenden  Modellen,  ebenfo  gefühllos  wie  alles  Uebrige. 

Gerome  ift  eine  Erfcheinung,  welche  für  die  moderne  franzöfifche  Kunft 
hüchfl;  bezeichnend  ifl;  aber  wenn  er  auch  auf  diefer  Ausftellung  wieder  feine 
Rolle  fpielte,  fo  kann  man  doch  keineswegs  fagen,"  dafs  diesmal  feine  Richtung 
mit  ihrem  bedenklichen  Hautgout  befonders  hervorgeflochen  habe,  ebenfowenig 
wie  man  behaupten  könnte,  dafs  die  allerdings  gelegentlich  vertretene  Malerei  des 
Nackten  mit  ftark  fmnlichem  Beigefchmack  für  den  Gefammteindruck  der  franzöfifchen 
Säle  beflimmend  gewefen  wäre.     Von  dem  1871  jung  verftorbencn  Victor  Gir au d 


Ilalhband   und  Nadel  vuii  CallcUani  in   Rom. 


fall  man  allerdings  einen  antiken  Sklavenhändler,  tler  feine  weibliche  Waare  an- 
preifl,  in  lebensgrofsen  Figuren.  Es  ift  ein  Gegenfland  jener  Gattung,  die  Gerome 
in  Mode  gebracht  hat,  feinem  Inhalte  nach  beinahe  verletzend,  doch  von  grofsem 
malerifchem  Gefchick.  Da  oder  dort  erblickte  man  ferner  einen  nackten  weiblichen 
Körper,  der  theils  flehend,  theils  hingeftreckt,  feine  vollen  Reize  offenbarte.  Nir- 
gend war  jene  durch  Schönheit  verklärte  Sinnlichkeit,  jene  zauberhafte  Unbefangen- 
heit der  Exiflenz  vorhanden,  wie  fie  die  grofsen  venetianifchen  Meifler  ihren 
Schilderungen  unverhüllter  Frauenfchönheit  aufprägen,  aber  wir  fanden  auch  nur 
höchft  feiten  ein  unlauteres  Speculiren  auf  den  fmnlichen  Kitzel.  Etwas  derart 
war  allerdings  in  Jules  Lefebvre's  liegender  Frauengeftalt  vorhanden,  die  bei 
bewundernswerthem  Gefchick  in  der  Auffaffung  des  Körpers  und  bei  feltener 
Feinheit  der  Zeichnung  ganz  der  Sphäre  des  Getnein-Lüfternen  angehört.  Wenn 
Alexandre  Dumas  fils,  dem  dies  Bild  gehört,  an  einem  folchen  Gegenftande 
Gefallen  findet,  fo  theilt  er  diefen  Sinn  mit  dem  verftorbencn  Könige  von  Württem- 
berg, der  einen  Raum  feiner  Wilhelma  ganz  mit  Nuditäten  anfüllte ;  der  Unter- 
fchied  ift  nur  der,  dafs  keine  derfelben  fo  gut  ift  wie  das  Lefebvre'sche  Bild. 
Immer  beffer,  wenn  diefe  Hetärenmalerei  eine  Gattung  für  fich  bildet,  wenn  fie, 
um  gewiffer  Studien  und  Experimente  der  Künftler  und  gewiffer  Privatliebhabereien 
der  Käufer  willen,  gefondert  exiftirt,  als  wenn  fie  fich  in  die  Malerei  grofsen  Stiles 
eindrängt  und  wenn  Damen  der  Halbwelt  unter  der  Maske  hiftorifcher  Charaktere 
aufreten,  wie  das  mitunter  gerade  auf  gepriefencn  deutfchen  Gefchichtsbildern 
vorkommt.    J.J.  Lefebvre's  „Wahrheit",  mit  eniporgehaltcner  Fakel,  macht  den 


III.  FRANKREICH. 


;525 


Vcrfuch,  bei  Darftcllung  nackter  Frauen fchönheit  auf  I.inicnadel  und  Idealität  der 
Form  auszugehen,  etwa  auf  Jngres'  Spuren  zu  wandern,  doch  ohne  fonderliches 
Glück.  Sein  neucftos  Hild,  y.uerft  in  dem  Pariser  Salon  von  1872  erfchienen, 
„La  Cigale",  fo  genannt  in  Hinblick  auf  Lafontaine's  bekannte  Fabel,  und  in  der 
That  hinfichtlich  der  Toilette  „fort  depourvuc",  zeigt  in  der  flehenden  Frauen- 
tcoflalt,  die  fich  von  heller  Wand  abhebt,  einen  glücklichen  Rhythmus  der  Linien 


Seffel  im  Stile  Henri  Tl.,  von   Roudillon  in   l'ar- 


und  diefelbe  wohlftudirte,  feine  Zeichnung,  ifl  aber  zu  glatt  und  kalt  in  der  Be- 
handlung und  bleibt  an  Frifcho  jedenfalls  gegen  jenes  liegende  Weib  zurück. 
Wenn  Heu  vier  den  l'rühling  fymbolifch  durch  ein  kaum  noch  ganz  erblühtes 
nacktes  Mädchen  darftellt,  das  auf  einem  blühenden  Baume  balancirt,  fo  ift  das 
durchaus  nicht  unlauter  empfunden,  wenn  auch  nicht  ohne  eine  gewiffe  unfrei- 
willige Komik  in  der  Wirkung,  und  „der  Schlaf"  von  Bernard  de  Giro n de, 
der  glückliche  Wurf  eines  jüngeren  Künftlers,  auch  aus  dem  Salon  von  1872,' 
eine  Schlummernde,   deren  Oberkörper  aus  der  farbenprächtigen  Decke  hervor- 


■.m  PLASTIK  UND  MALEREI. 


fchaut,  ifl;  harmlos  finnlich  ohne  verletzenden  Zug  und  coloriftifch  wohl  gelungen, 
allerdings  ohne  höheres  Schönheitsgefiahl. 

Unter  den  Malern  der  Landfchaft,  des  Viehflücks  u.  f.  w.  überftrahlten  die 
Werke  von  zwei  berühmten  Verftorbcnen,  Troyon  undTheodore  Rouffeau 
an  Naturgefühl,  Mciflerfchaft  des  Vortrags,  Colorit,  Tonwirkung  und  poetifcher 
Empfindung  alles  Uebrige.  Aufscrdcm  fanden  wir  Landfchaften  von  Frangais, 
Cabat,  Duprc,  Diaz,  Paul  fluct,  eine  grofse  Anzahl  Bilder  von  Corot, 
die  bei  der  vollen  Auflöfung  alles  Gegenfländlichcn  in  Schimmer  und  Duft,  denn 
doch  von  zauberhafter  Wirkung  des  Tons  find,  mag  es  auch  nicht  an  manierifti- 
fchen  Zügen  fehlen,  endlich  mehrere  Gemälde  von  Frangois  Daubigny  mit 
ihrer  Kühnheit  des  freien,  fkizzenhaften  Vortrags,  dem  faft  ängftlichen  Vermeiden 
aller  Linienfchönheit,  der  energifchen  Wirkung  ohne  eigentliches  Hafchen  nach 
Effect.  Charles  Pierre  Daubigny  arbeitet  glücklich  im  Stil  feines  Vaters, 
wie  fein  ausgeftclltes  Strandbild  zeigte.  Von  hoher  poetifcher  Schönheit  find 
die  Winterlandfchaften,  namentlich  der  Wald  bei  Sonnenuntergang ,  von  dem 
jüngeren  Emile  Breton. 

Unter  den  Stillleben-  und  Blumenmalern,  die  zwar  vorwiegend  Alle  mehr 
auf  glänzende  decorative  Wirkung  als  auf  ein  feineres  Stimmungsleben  ausgehen, 
fe;ien  Couder,  Philippe  Rouffeau,  Desgoffe,  Mme.  Escallier,  dann  aber 
namentlich  Vollen    um  feiner  meifterhaft  gemalten  Scefifche  willen  erwähnt. 

Der  franzöfifchen  Plafliik  wurde  bereits  oben  im  Zufammenhange  mit 
der  monumentalen  Malerei  F"rankreichs  im.  Allgemeinen  kurz  gedacht.  Wir 
tragen  dazu  hier  über  die  wichtigften  der  ausgeftellten  Werke  einige  Bemerkun- 
gen nach. 

Schritt  man  auf  das  Hauptportal  der  Kunflhalle  zu,  fo  fand  man  vor  dem- 
felben  im  Freien  ein  Marmorwerk  von  dem  Baron  Charles  Arthur  Bourgeois, 
ein  leidenfchaftlichcs  Frauenzimmer,  das  fich  mit  der  Linken  in  die  Haare  fährt 
und  die  Rechte  warnend  emporhebt.  Wer  im  Katalog  nachfieht,  erfährt,  dafs 
diefe  Geftalt  die  Pythia  darftellt  und  merkt  dann  auch,  dafs  fie  auf  einem  Drei- 
fufs  fitzt;  jeder  Unbefangene  hält  fie  für  la  France,  die  »Revanche!«  fchreit.  Die 
Franzofen  find  aber  viel  mafsvoller  als  wir  es  ihnen  zutrauen;  Cabel's  Gyps- 
modell  »1871«  führt  uns  in  der  Figur  Frankreichs  nur  ein  Bild  dumpfer  ver- 
zweifelter Trauer  vor  Augen.  Die  Begabung  der  Franzofen  für  das  Pathetifche, 
welche  jenes  Werk  von  Bourgeois  in  rhetorifcher  Uebertreibung  zeigt,  tritt  wirk- 
famer  und  bedeutender  in  einer  Marmorgruppe  von  Barrias  zu  Tage,  dem 
Knaben  Spartacus,  der  zu  den  Füfsen  feines  gekreuzigten  Vaters  Rache  fchwört. 
Das  Herbe  des  Motivs  bringt  auch  hier  und  da  eine  gewiffe  formale  Härte  mit 
fich,  aber  die  Compofition  hat  etwas  Mächtiges,  der  Ausdruck  ifl  dramatifch. 
Von  denifelben  Künftkr  fanden  wir,  fowohl  in  Marmor  wie  in  verfilberter  Bronze, 
ein  fchlichtes,  gut  durchgeführtes  Genrewerk:  die  Spinnerin  von  Megara.  Com- 
pofitionstalent  mit  anmuthiger  Schönheit  verbunden  offenbart  die  Hebe  von  Car- 
rier-Belleufe,  einem  Schüler  von  David  d'Angers;  von  dem  mächtigen  Adler, 
der  über  ihr  zu  wachen  fcheint,  bcfchattet,  liegt  die  zarte  Mädchenfigur  weich 
hingebettet  auf  Jupiter's  Thron.  Geflalten  in  fchlichter,  idyllifcher  Situation, 
mögen  die  Motive  aus  der  antiken  Mythe  gefchöpft  fein  oder  nicht,  gelingen  den 


III.  FRANKREICH. 


327 


franzöfifchen  Bildhauern  am  heften  und  geben  die  ficherfte  Gelegenheit,  ihr 
Naturgefühl  und  ihre  Empfindung  für  die  Form  zu  bewähren.  Durch  lebendigen 
Rhythmus  der  Bewegung  zeichnen  fich  Gauthier's  junger  Wilddieb  und  Per- 
raud's  Erziehung  des  Bacchus  aus,  während  deffen  Geftalt  der  Verzweiflung 
gut  durchgebildet,  aber  kalt  im  Ausdruck  ift.  Der  verftorbene  Protheau  er- 
fcheint  in  feiner  Gruppe  »Unfchuld  und  lüebe«,  eine  Mutter  mit  ihrem  Kinde, 
etwas  zu  glatt,  während  Boiffeau  in  einer  Gruppe  zu  Chateaubriand's  Attala, 
die  junge  Wilde,  ihr  todtes  Kind  beweinend,  es  bei  zart  behandelten  Formen  zu 
einem  tieferen  Ausdruck  der  Empfindung  bringt.  Bei  Conny's  Gruppe  »Brüder- 
liche Liebe«,  die  fchon  1867  in  Paris  ausgeftellt  war  —  das  Aufnehmen  eines 
Verwundeten  darfteilend  —  kann  man  trotz  des  gediegenen  Studiums,  das  man 
hier  erkennt,  fich  nicht  über  das  Schwere  und  Maffige  der  Körperbildung  hin- 
wegfetzen. Die  »Schläfrigkeit«  von  Etienne  Leroux,  eine  im  Seffel  fich 
ftreckende,  fich  entkleidende  Frauengeftalt,  ift  bei  aller  formalen  Tüchtigkeit 
doch  zu  gewöhnlich  im  Motiv  und  zu  nüchtern  in  der  Empfindung.  Aizelin's 
zarte  Figur  der  trauernd  fitzenden  Pfyche  mit  der  Lampe  macht  fich  in  Bronze, 
wie  man  fic  in  der  Ausftellung  von  Barbedienne  fah,  vielleicht  noch  fchöncr 
als  in  Marmor.  Ein  neues  Gypsmodell  deffelben  Künftlers  ftellt  in  einem  an- 
muthigen  Seitenftück  hierzu  Pfyche  mit  dem  Kärtchen  dar.  Wir  erwähnen  noch 
die  ftehende  Pfyche  von  Peiffer,  die  gefällig  aufgebaute  Gruppe  »Quelle  und 
Bacli«  von  Chatrouffc,  und  das  junge  Mädchen  am  Brunnen  von  Truphcme, 
fehr  fein  in  der  Auffaffung  des  jugendlich  holden  Körpers.  Mirabeau's  Stand- 
bild von  demfelben  Künftler  ift  zu  rhetorifch.  Bei  der  Marmorftatue  des  Mar- 
fchalls  Peliffier  von  Crauk  war  das  Gewöhnliche,  ja  Ikutale  der  Perfönlichkeit 
nicht  zu  überwinden,  während  die  geiftvoUe  Bürte  Samfon's  von  der  Comedie 
Frangaife  Crauk's  Meifterfchaft  im  Bildnifs  bekundet.  Unter  den  hiftorifchcn 
Portraitfiguren  fteht  Caudron's  fitzende  Marmorgeftalt  in  erfter  Reihe.  Er  hatte 
allerdings  an  Houdon's  Büfte  ein  wundervolles  Vorbild,  aber  er  zeigt  fich  deffen 
in  der  geiftvollen  Auffaffung  des  Kopfes,  der  Nobleffe  und  glücklichen  Leichtig- 
keit der  Haltung  und  der  meifterhaftcn  Ausführung  werth. 

Weit  überlegener,  als  in  den  Marmorwerken,  trat  uns  aber  die  franzöfifche 
Plaftik  in  den  Bronze-Arbeiten  entgegen.  Die  Franzofen  haben  zunächft  das  fiebere 
Gefühl  dafür,  welche  G.ittung  von  Arbeiten  für  Marmor,  welche  für  Bronze  ge- 
eignet find.  Sie  wenden  letztere  in  folchen  Fällen  an,  in  denen  der  Charakter  fich 
nicht  fowohl  dem  Anmuthigen,  Weichen,  Ideal-Schönen,  als  dem  entfchieden 
Realiftifchen,  dem  Straff-Energifchen  oder  auch  dem  Keck-Humoriftifchen  zuneigt. 
Gerade  nach  diefer  Seite  hin  find  fie  aber  vorzugsweife  begabt.  Sie  wiflen  aufserdem 
die  Bronze  vorzüglich  zu  behandeln,  nicht  nur  im  Gufs,  fondern  auch  in  der 
Cifelirung.  Da  finden  wir  ftets  die  forgfamfte  Durchführung,  die  gröfste  Sicherheit 
in  der  Ik'arbcitung  des  gegoffenen  Stücks  mit  Meifscl,  Feile  und  Bunzen,  eine 
Behandlung,  welche  dem  Stoff  gerecht  zu  werden,  die  Gewandung,  das  Haar,  die 
nackten  Theile  charakteriftifch  ilurchzubilden  verfteht.  In  der  franzöfifchen  Ab- 
theilung des  Induftriepalaftes  gehörten  die  Bronzen  zu  dem  Intereffanteften,  die 
Ausftellung  von  Barbedinne  an  der  Spitze.  In  der  grofsen  Rotunde  fah  man 
die  Producte  der  Giefserei  von  Thi^bault  &  fils,  darunter  Jacquemart's  Löwen 


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328 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


I.efendea  Mäilcheii,  Marmorli{;iir  von    laiilardini. 


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330  PLASTIK  UND  MALEREI. 


für  die  Brücke Kasr-el-Nil  /.iiCairo  und  die  Furie  von  der  Herzogin  von  Marcello, 
(Caftiglione  -  Colonna) ,  geborenen  Gräfin  d'Afifry  aus  Freiburg  in  der  Schweiz, 
ein  Werk  von  wilder  Leiden fchaft  der  Empfindung  und  mächtiger  ]-"ormauffaffung. 
Gute  Büften  von  derfelben  hochbegabten  Dame  waren  in  der  Schweizer  und  der 
franzöfifchen  Abtheilung  der  Kunfthalle  zu  finden.  Die  Mitte  der  Rotunde  füllte 
der  riefenhafte  Brunnen  des  verftorbenen  Klag  mann,  gegoffen  von  Durenne. 
Sein  Aufbau  kam  nur  deshalb  nicht  zur  vollen  Geltung,  weil  die  ungefchickt  ver- 
baute Rotunde  das  nicht  zuliefs;  er  braucht  einen  weiten,  freien  Raum,  wie  die 
Place  de  la  Concorde,  um  rechte  Wirkung  zu  machen. 

Betrat  man  die  Kunflhalle,  fo  erblickte  man  auf  den  Treppenwangen  die  co- 
loffalen,  heroifch  kühnen  Thiergruppen  von  Augufte  Cain:  Löwe  und  Tiger  mit 
ihrer  Beute.  In  der  offenen  Halle  fland  Fremiet's  grofses  Reiterbild  des  Her- 
zogs Ludwig  I.  von  Orleans,  eine  Ritterfigur  von  vollendeter  Coflümbehandlung, 
wahrhaft  hiftorifchem  Gepräge,  auch  in  der  Aufifaffung,  zum  Beifpiel  in  dem  voll- 
kommen ruhig  flehenden  Pferde,  dem  mittelalterlichen  Geifte  entfprechend,  aber 
ohne  archaiflifche  Manier.  Mercie  hat  fich  in  feiner  Statue  des  David,  der  auf 
Goliath's  Haupt  feinen  Fufs  fetzt,  von  dem  berühmten  Werke  Donatello's  im  Motiv 
beeinfluffen  laffen,  zeigt  aber  wirklich  etwas  von  dem  Geifte  des  altflorentinifchen 
Realismus  in  feiner  Schöpfung.  Das  gilt  in  noch  höherem  Mafse  von  Paul  Du- 
bois' Johannes  dem  Täufer,  dem  hageren  Knaben  von  feltener  Energie  und  Adel 
der  Charakteriftik.  Auch  deffen  florentinifcher  Sänger  ift  eine  treffliche  und  pikante 
Coftümfigur,  ähnlichen  italienifchen  Verfuchen  weit  überlegen,  naiv  empfunden 
und  hiftorifch  treu  im  Charakter. 

Von  Clefinger  fanden  wir  ein  in  Silber  ausgeführtes,  mit  Vergoldungen 
und  Cameen  gefchmücktes  Standbild  der  Phryne,  die  vor  den  Richtern  fteht. 
Das  lebhafte  Gefühl  für  die  finnliche  Schönheit  fchliefst  hier  doch  die  Nobleffe 
nicht  aus.  Auch  feine  Tänzerin  in  l^ronze  ift  eine  kecke  und  lebendige  Figur. 
Caille's  Bacchus  mit  dem  Panther,  Maillet's  Jäger,  Blanchard's  junger 
Equilibrift,  Moulin's  l'"und  in  Pompeji,  Tournois'  Bacchus  als  Erfinder  der 
Komödie  find  glücklich  bewegte,  tüchtige  Arbeiten.  Bei  Lequesne's  römifchem 
Sklaven,  wie  bei  Sanfon's  römifchem  Tänzer  ift  die  ftraffe  Bildung  des  Mannes- 
körpers mufterhaft  durchgeführt.  Der  Schlangenbändiger  von  Bourgeois,  keck 
und  geiftvoll,  zeigte  uns  den  Künftler  von  einer  günftigeren  Seite  als  in  feiner 
früher  erwähnten  Pythia,  und  ebenfo  hat  Delaplanche  durch  feinen  Knaben  auf 
der  Schildkröte  — ■  ein  allerliebftes  Motiv  —  feine  in  Marmor  ausgeführte,  übervolle 
Eva  weit  übertrofifen.  Von  Moreau-Vauthier  fanden  wir  eine  kecke  Amorfigur 
und  einen  an  der  Quelle  knieenden  Trinker,  welcher  nur  von  Hildebrand's  Trinker 
übertroffen  wird.  Salmfon's  Spinnerin  ift  eine  fcharf  und  forgfam  durchgeführte 
Gewandfigur.  Der  Ariftophanes  des  verftorbenen  Frangois  Clement  Moreau 
ift  ein  edles  und  ausdrucksvolles  Charakterbild.  Carpeaux  führte  uns  aufser 
feiner  gefälligen  Genrefigur  eines  neapolitanifchen  Fifchers  mehrere  Büften  in 
Terracotta  vor,  die  bei  vielem  Geifte  doch  zu  fehr  in  das  Süfsliche  und  Sinnliche 
hineinfpielen.  Von  kleineren  Bronzen  feien  die  Gladiatoren  von  Guillaume, 
fowie  Mene's  wohlbekannte,  lebendige  und  geiftreiche  Arbeiten:  der  reitende 
Jäger  mit  den  Hunden  und  der  Araber  zu  Pferde,  genannt. 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


331 


IV.  Deutschland.  Oesterreich  und  Ungarn. 

Wenn  auch  die  grofsen  hiftorifchen,  religiöfen,  mythologifchen  und  allcgori- 
fchcn  Gemälde  der  franzöfifchen  Abtheilung  durchfchnittlich  nicht  das  waren,  was  hier 
den  Befchauer  vorzugsweife  anzog,  wenn  auch  C  abanel,  Tony  Robert-Fleury, 
Ulmann,  Antigna,  Sirouy,  Barrias  nicht  ih  dem  Mafse  wie  Meiffo- 
nier,  Breton,  MUe.  Jacquemart,  Gaillard,  Daubigny  uns  reine  künft- 
lerifche  Befriedigung  gewährten,  fo  hatten  ihre  Arbeiten  doch  nach  einer  andern 
Seite  hin  ernfte  Bedeutung.  Sie  legten  fiir  die  Art,  wie  die  franzöfifchen  Maler 
ftudiren,  Zeugnifs  ab.  Bilder  folchen  Charakters  und  fo  grofsen  Formats  kamen 
in  gröfserer  Anzahl  nur  in  der  franzöfifchen  Abtlicilung  vor.  Sie  find  ein  Beweis 
für  die  ernften  Beflrebungen  der  Künfller,  zu  einer  möglichft  gediegenen  Be- 
herrfchung  der  Form,  zu  möglichfl;  ficherer  Haltung  bei  bedeutenderen  Dimen- 
fionen  zu  kommen.  Dafs  folches  Streben  feinen  Werth  hat,  lernt  man  am  heften 
da  erkennen,  wo  es  fehlt,  wie  in  der  deutfchen  Kunfl.  Unfere  Maler  fchaffen 
ihre  Landfchaften,  ihre  Genrebilder  für  den  Markt,  feiten  wagen  fie  fich  an  folche 
Aufgaben,  die  einen  gröfseren  Aufwand  von  Kraft  und  Mitteln  verlangen.  Sie 
find  auch  nicht  in  der  Lage,  dies  thun  zu  können.  Niemand  würde  es  ihnen  danken 
und  ihre  Arbeit  bezahlen.  Anders  fleht  es  in  Frankreich,  wo  in  folchen  Fällen 
der  Staat  eintritt,  das  Streben  zu  belohnen.  Wenn  irgend  etwas  den  franzöfifchen 
Bilderfälen  jenen  bereits  früher  hervorgehobenen  Charakter  einer  gröfseren  Ruhe 
und  Harmonie  gegenüber  dem  wirren,  bunten  Durcheinander  der  deutfchen  Säle 
gab  und  es  mit  fich  brachte,  dafs  man  dort  in  einem  Mufeum,  hier  aber  nur  in 
einem  Kunftbazar  zu  fein  glaubte,  fo  ift  es  eben  nicht  fowohl  die  gröfsere  künft- 
lerifche  Begabung  der  Franzofen  überhaupt,  als  die  durchaus  andere  Stellung 
der  franzöfifchen  Kunft  im  Staate  und  im  öffentlichen  Leben. 

Vor  Allem  muffen  wir  uns  davor  hüten,  nach  hergebrachten  V'orftellungen 
uns  etwas  auf  unfere  eigene  Gründlichkeit  und  Gediegenheit  gegenüber  den 
leichtfertigen  und  flüchtigen  Franzofen  zu  Gute  zu  thun.  Gerade  umgekehrt  ver-. 
hält  fich  die  Sache.  Der  Wetlftrcit,  der  in  der  Kunfthalle  der  Weltaus- 
ftellung  ausgefochten  wurde,  führte  nicht  fo  fehr  das  Talent  als  vielmehr  die  Ge- 
diegenheit der  Ausbildung  und  der  Arbeit  als  entfcheidende  Mächte  in  das 
Treffen,  und  gerade  in  diefer  Beziehung  find  uns  die  Franzofen  um  vieles 
voraus. 

Die  echte  Bildung  des  Formenfinns  fehlt  nicht  nur  unfern  Handwerkern, 
unferm  grofsen  Publicum,  fie  mangelt  bei  uns  gewöhnlich  auch  den  Künftlern. 
Es  ift  ein  eigenthüniliches  Unglück  für  die  Entwicklung  der  modernen  deutfchen 
Malerei,  dafs  diejenigen  Meifter,  die  einen  grofsen  und  eigenthümlichen  Formen- 
finn  befafsen,  einen  viel  originelleren  und  genialeren  als  irgend  ein  P'ranzofe: 
Cornelius  und  die  meiften  übrigen  Künftler  der  idealen  Richtung,  niemals  zur 
vollen  Ausbildung  diefes  Formenfinns  kamen,  über  dem  Wurf  der  Erfindung  die 
folide  Durchführung  und  das  Studium  der  Natur  verfäumten,  in  der  Farbe  nicht 
die  Zeichnung,  in  der  Modellirung  nicht  den  Umrifs,  im  Carton  nicht  die  Skizze 
erreichten  und  unfähig  waren,  bei  gröfserem  Mafsftabe  die  Geftalten  mit  wahrem 


«• 


332 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Leben  zu  erfüllen;  dafs  ferner  diejenigen  Richtungen,  die  auf  gröfsere 
Durchbildung  des  Könnens  Gewicht  legten,  mit  wenigen  Ausnahmen  einen 
eigentlichen  Formenfinn  überhaupt  nicht  befafsen,  worin  die  ältere  Düffeldorfer 
wie  die  moderne  Piloty'fche  Schule,  ob  auch  fonfl;  noch  fo  verfchieden,  zufammen- 
llimmen.     Nur  auf  dem  Gebiete  der  Plaflik ,   wenigftens    foweit    die  Schule  von 


Gläfer  von  M.  Wentzcl   in   Breslau. 


Gottfried  Scha"dow,  Rauch  und  Riclfchel  reicht,  fleht  es  um  die  Bildung 
des  Formenünnes,  um  die  volle  Beherrfchung  der  Form  in  Deutfchland  befTer. 
In  der  Malerei  haben  wir  noch  immer  mit  den  Folgen  jener  halben,  unzufammen- 
hängenden  Entwicklung  zu  kämpfen,  die  mit  unferer  früheren  politifchen  Zerriffen- 
heit  in  einer  gewiffen  Beziehung  fleht. 

Vor  keinem  Gemälde  auf  der  Ausftellung  pflegte  das  Publicum  fich  in  fo 
dichten  Gruppen  zu  fammeln,  vor  keinem  fühlte  es  fich  in  folchem  Grade  zur 
Bewunderung    verpflichtet,    wie    vor  Piloty's  grofsem  Bilde  in  dem  Mittelfaal: 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


333 


dem  Triumph  des  Germanicus.  Schon  der  riefige  Umfang  hat  etwas  Imponiren- 
des.  Ift  doch  nach  Dctmold's  Anleitung  zur  Kunftkennerfchaft  das  Kennzeichen 
der  hiftorifchen  Malerei  nicht  nur  der  gefchichtliche  Gegenfland,  fondern  nament- 
lich eine  gcwiffe  Gröfse!  Ja,  wenn  es  nur  die  rechte  wäre!  Der  Triumph  des 
Germanicus  ift  an  und  für  fich  kein  ungünftiger  Gegenftand  für  die  Malerei.  Er 
bietet  dem  Künftler  Gelegenheit  zur  Entfaltung  reicher  malerifcher  Mittel;  die 
von  Tacitus  gcfchilderte  ungebrochene  Hoheit  der  Thusnelda,  welche  dem  Wagen 
des  Siegers  voranfchreiten  mufs,  ift  zugleich  ein  Motiv,  das  der  Darflellung  auch 
ein  geiflig  bedeutendes  Gepräge  aufdrücken  kann.  Aber  Piloty  war  nicht  im 
Stande,  dies  geiflige  Moment  zum  vollen  und  wahren  Ausdrucke  kommen  zu  laffen. 
Das  äufserliche    Theaterpathos,    welches    innerlich    hohle   Charaktere   zur  Schau 


GlSfer  von  M.  Wentxel  in  Breslau. 


tragen,  gewahrt  für  diefen  Mangel  keinen  l'>fatz.  Diefe  Thusnelda,  welche  ihren 
Knaben  an  der  Hand,  an  der  Tribüne  des  Kaifers  vorüberzieht,  zeigt  keine  Spur 
von  echter  Gröfse  mitten  in  der  Erniedrigung;  fie,  wie  die  Weiber,  die  ihr  folgen, 
find  prahlerifch  gefchmückte  Huhldirnen  mit  anfpruchsvoll  aufgebauten  und  nach 
neuer  Mode  künftlich-nachläffig  arrangirten  Frifuren.  Ein  gewaltiger  Apparat  ift 
entfaltet,  aber  der  Apparat  allein  macht  kein  hiftorifches  Bild.  Alles  ift  vor- 
handen, was  fich  an  äufsercm  Aufwand  irgend  erwarten  läfst:  der  thronende 
Kaifer  und  die  zufchauenden  Damen,  die  römifchen  Senatoren  und  der  deutfche 


334  PLASTIK  UND  MALEREI. 


Verräther,  Gefangene  in  ihren  Banden  und  aufgeregte  Weiber  aus  dem  Volke, 
ein  greifer  Barde,  den  ein  römifcher  Soldat  höhnend  am  langen  Barte  zupft,  ein 
Bär  an  der  Kette,  der  dem  Zuge  vorausgeführt  wird.  Aufdringlich  bis  zum 
Widerwärtigen  baut  fich  links  im  Vordergrunde  zu  den  Füfsen  der  ehernen 
Wölfin  ein  Haufe,  von  Beuteftücken ,  Gefäfsen,  Koftbarkeiten  und  niedergefun- 
kenen  germanifchen  Prieftern  empor.  Ueberall  entfalten  fich  gewaltige  Maffen 
von  Draperien.  Die  Gefchicklichkeit  in  der  Bewältigung  diefes  Aufwandes ,  die 
Bravour  in  der  Pinfeiführung  entfprechen  dem,  was  man  von  Piloty's  bewährter 
Kraft  erwarten  kann.  Wirkfam  ifl  die  Dämpfung  des  Sonnenlichtes  durch  das 
ausgefpannte  Zeltdach  zur  Anfchauung  gebracht,  malerifch  effectvoll  find  be- 
fonders  die  ferneren  Partien,  namentlich  die  Gruppe  um  den  Triumphator  felbfl, 
der  in  der  Ferne  die  Siegesftrafse  einhergezogen  kommt.  Und  doch  fleht  nicht 
einmal  die  Farbe  auf  Piloty's  voller  Höhe,  der  Vortrag  hat  etwas  Flaues  und 
Unkräftiges;  nicht  nur  die  Formen  find  ungenügend  durchgebildet,  auch  im  Ton 
ifl  das  Fleifch  ohne  Wahrheit;  freihch  —  wefshalb  follen  Damen  der  Art,  wie  fie 
hier  vor  uns  Parade  machen  und  nach  Blicken  hafchen ,  nicht  auch  gefchminkt 
fein?  Man  empfindet  hier  fafl  eine  Sehnfucht  nach  der  fattcn  und  glänzenden 
Stoffmalerei,  in  der  fonft  Piloty  das  Befle  leiflet.  Es  ifl,  als  hätte  er  diesmal 
fich  in  jenem  Spiel  der  Töne,  das,  ohne  fich  um  das  Gegenfländlichc  zu  küm- 
mern, rein  um  feiner  felbfl  willen  da  ifl,  verfuchen  wollen,  wie  wir  es  von  feinem 
Schüler  Makart  kennen.  Zugleich  fehen  wir  manche  Eigenfchaften  des  Kaul- 
bach'fchen  Stils:  den  grofsen  Aufwand  an  Mitteln  zum  Aufbau  einer  reichen 
Compofition,  das  Streben  nach  rein  Gnnlichem  Effect,  bcfonders  bei  den  weib- 
lichen Geflalten,  den  zur  Schau  getragenen  Schein  der  Gröfse,  nur  dafs  Piloty 
alle  diefe  Elemente  nicht  in  dem  Mafse  wie  Kaulbach  durch  den  Rhythmus  der 
Linien  zu  bändigen  im  Stande  ifl.  Alles  in  Allem  gerechnet,  hat  Piloty  dem 
hiftorifchen  Gegenftande  doch  nur  den  Vorwand  zu  einem  prunkenden  opern- 
haften  Aufzuge  entnommen.  Manche  kühlen  und  nüchternen  Gefchichtsbilder 
der  Franzofen  find  uns  daher  viel  lieber,  denn  fie  enthalten  weit  mehr  Wahrheit 
der  Handlung,  weit  mehr  fachlichen  Ernfl. 

Ueber  der  Thür  zu  den  deulfchen  Sälen  hing:  »Nero,  das  brennende  Rom 
betrachtend«  von  Ferdinand  Keller  in, Karlsruhe.  Auch  hier  mufs  man  die 
Wahl  eines  malerifchen  Stoffes  für  ein  hiftorifches  Situationsbild,  das  Streben 
nach  energifcher  und  reicher  Farbe  anerkennen.  Aber  dem  coloriftifchen  Ein- 
drucke fehlt  es  an  feinerer  Abwägung,  die  Farbenpracht  drängt  fich  zu  ab- 
fichtlich  auf,  während  uns  auch  hier  wieder  klar  wird,  wie  fehr  die  deutfchen 
Verfuche  einer  Malerei  höheren  Stils  im  Nachtheil  gegen  die  franzöfifchen  durch 
den  Mangel  an  rechter  Beherrfchung  der  Form  find ,  welche  die  fchwerfälligen 
und  anfpruchsvollen  Weiber  zu  den  Seiten  des  Imperators,  der  häfsliche  nackte 
Flötenbläfer  im  Vordergrunde  zu  auffällig  vermiffen  laffen. 

Gerade  im  Vergleich  mit  dem  neuen  Bilde  von  Piloty  kann  man  der 
Schöpfung  von  Guflav  Richter,  mag  man  gleich  ihre  Grenzen  kennen,  den 
Refpect  nicht  verfagcn.  Sein  »Bau  der  Pyramiden«  zeigt  nicht  entfernt  fo  viel 
Leichtigkeit  der  Mache,  aber  ein  viel  gediegeneres  Studium,  ein  ernfleres  Durch- 
arbeiten der  Form,  die  fich  unter  der  Schönheit  der  Farbe  nicht  verflüchtigt,  ein 


IV.    DEUTSCHLAND,  ÜESTERREICH  UND*UNGARN. 


335 


gewiffenhafteres  Bewältigen  des  gegebenen  Materials.  Wohl  mufs  man  zuge- 
sehen, dafs  der  Künfller  fich*nicht  immer  über  die  Abhängigkeit  vom  Modell 
emporgearbeitet,  dafs  manche  Gruppen  und  Geftalten  nicht  abfichtslos  genug 
erfcheinen;  aber  er  halt  fich  von  dem  opernhaften  Wefen  l'iloty's  frei;  in  dem 
crnften  Beftreben,  ein  culturhiftorifches  Genrebild  in  grofsem  Mafsftabe  zu  geben, 
drückte  er  demfelben  auch  das  Gepräge  eines  Stils  auf,  der  dem  Umfang  ent- 
fpricht.  Nach  einer  anderen  Seite  hin  kann  uns  aber  auch  Bendemann's  Weg- 
führung der  Juden  in  die  babylonifche  Gefangenfchaft  eine  Erquickung  nach  dem 
Anblick  von  Piloty's  Werk  gewähren.  Ohne  folche  finnlich  feffelnde  und  impo- 
nirende  Macht,  felbfl  ohne  eigentlich  ergreifende  Individualitat  und  ohne  das 
Gepräge  des    wahrhaft    Genialen,    ift  fie  doch  das  I'roduct   einer  edlen  künftleri- 


Tapete  von   L'i;i 


fchen  Gefinnung,  die  einen  grofsen  tragifchen  Vorwurf  in  feinem  Wefen  zu  er- 
faffen,  die  Empfindungen  wahr  und  edel  zum  Ausdruck  zu  bringen  vermag,  die 
nicht  raftet,  bis  fie  die  Handlung  in  das  fefle  Metrum  fchöner,  geläuterter  Grup- 
pen und  Linien  gefügt  hat,  fich  aber  dabei  nicht  mit  der  Phrafe  zufrieden  giebt. 
Einen  gröfseren  Gegenfatz  hierzu  kann  es  kaum  geben  als  Adolph 
Menzel 's  Krönungsbild,  das,  aus  durchaus  realiftifcher  Anfchauung  heraus  ge- 
boren ,  auch  deren  Einfeitigkeit  fcharf ,  doch  zugleich  in  voller  Originalität  zum 
Ausdruck  kommen  läfst.  Seine  Stärke  liegt  in  der  fcharfen  Individualifirung,  in 
der  durchdringenden  Charakterifhk  jeder  einzelnen  Perfönlichkeit.  Was  Menzel 
geben  wollte  und  was  man  von  ihm  verlangte,  war  nicht  nur  ein  Kunftwcrk,  es 
war  zugleich  ein  hiflorifches  Document.  Diefer  Rückficht  brachte  er  freiwillig 
fchwere  Opfer,  ihr  allein  ifl  es  zuzufchreiben ,  wenn  Menzel,  fonfl  durch  und 
^    durch   in    feiner  Anfchauung  auf  das  Malerifche   gerichtet    und    ein  Meifler    im 


336 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Toilettesfpiegel  von  Hanufch  &  Dziedzinski  in  Wien. 


kühnen,  virtuofen  und  fpielenden  Vortrag  dennoch  hier  zu  der  vollen  malerifchen 
üefammtwirkung  nicht  durchgedrungen  ift.  Das  Wirkliche  und  Gegebene  in  der 
Art  des  Vorgangs,  in  dem  Ornat  und  dem  Anzug  der  einzelnen  Perfönlichkeiten, 
in  der  Oertlichkeit,  fogar  ihr  zerftreutes  Licht  nicht  ausgenommen,  fah  er  als 
etwas  unverbrüchlich  Feftflehendes  an,  und  verzichtete  auf  glücklichere  Anord- 
nung, auf  effectvolle  Beleuchtung,  die  ihm  fonfl:  in  fo  hohem  Mafse  zu  Gebote 
fleht,  er  ging  gerade  auf  die  Sache  felbft  los.  Aber  mit  welcher  Macht!  Kein 
Zweifel,  dafs  das  grofse  Publicum  und  zugleich  die  im  Bilde  felbfl  vorkommen- 
den hohen  Damen  zufrieden  gewefen  wären,  wenn  ein  Meifter  coloriftifcher  Bra- 
vour,  ein  Gallait,  oder  auch  unfer  Julius  Schrader",  mit  diefer  Aufgabe  be- 
traut worden  wäre.  Das  Wefentliche  aber  von  Menzel's  Werk  hätte  kein  Anderer 
nur  annähernd  zu  geben  vermocht.  Diefer  Realismus,  dem  die  unbedingte 
Wahrheit  des  Charakters  über  Alles  geht,  und  der  diefelbe  mit  fo  felbftlofer 
Hingebung   herausarbeitet,    ift    ein    echter  Zug    der   deutfchen   Kunft,    die  ihren 


^; 


h 


IV.   DEUTSCHLAND,  OKSTERRHICH  UND  UNGARN. 


337 


Silljerner  Tafclauffatz  von  Morel-Ladeiiil  in   l'aris. 


Dürer  und  Holbein  befeffen.  Von  diefem  Bilde  kann  man  dreift  behaupten,  dafs' 
feine  Bedeutunjj,  und  zwar  die  künftlerifche  wie  die  gefchichtliche,  in  Zukunft 
fortwährend  wachfen  wird.  Wer  aber  nicht  über  die  Einfeitigkeit  hinauskommen 
kann,  mit  der  uns  Menzel  hier  in  der  That  entgegentritt,  der  konnte  wenigflens 
auf  der  Ausflellung  fehen,  dafs  der  Künftler  auch  noch  Anderes  vermag.  Da 
waren  wieder  ein  paar  jener  kleinen  Genrebilder  mit  ihrer  frappanten,  charakte- 
teriflifchen  und  geiftvollen  AuffalTung  des  wirklichen  und  augenblicklichen  Lebens 
vorhanden  —  Strafsenleben  an  den  Parifer  Boulevards,  eine  Scene  im  Erterhazy- 
Keller  in  Wien  und  eine  Miflionspredigt  im  Walde  —  die  gerade  4urch  ihren 
rein  malerifchen  Werth,  durch  die  Kraft  und  den  Reiz  in  Ton  und  Haltung 
iiberrafchten. 

Durch  einen  viel  zu  hohen  Platz  wurde  Eduard  von  Gebhardt's  Abend- 
mahl in  dem  Eindruck  beeinträchtigt,  den  es  unzweifelhaft  auch  in  Wien  bei 
befferer  Aufftellung  gemacht   hätte.     Diefe  geiftvolle,  wahrhaft  neue  und  eigen- 


338 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


thümliche  Auffaffung  des  biblifchen  Stoffes  hat  allerdings  beftimmte  Grenzen, 
über  die  Gebhardt  immerhin  nicht  hinauskommt,  aber  jedenfalls  war  auf  der 
Ausflellung  kein  zweites  religiöfes  Bild  von  fo  warmer,  gemüthvoUer  und  origi- 
neller Empfindung  vorhanden. 

Seit  mehreren  Jahren  find  ferner  bereits  bekannt:  die  ruhende  Nymphe  im 
Walde  von  Ferdinand  Schaufs,  im  Vortrag  vielleicht  nicht  fehr  kräftig,  aber 
in  der  Stimmung  fein ,  dabei  bemerkcnswerth  durch  die  mafsvolle  Behandlung 
des  Nackten,  die  nicht  fowohl  den  berüchtigten  Mühler'fchen  Bannftrahl,  als  den 
Ankauf  von  Seiten  der  Wiener  Akademie  begreiflich  macht;  dann  auch  Henne- 
berg's  »Jagd  nach  dem  Glück«,  eine  der  beften  neueren  Erwerbungen  der  Na- 
'tional-Galerie  in  Beriin.  Es  gewährte  ein  befonderes  Intereffe,  wieder  vor  diefes 
Bild  zu  treten,  nachdem  man  eben  auf  der  franzöfifchen  Seite  Sirouy's  Ge- 
mälde gleichen  Gegenflandes  gefehen.  Es  kann  kein  Zweifel  darüber  beftehen, 
dafs  der  deutfche  Künfller  den  Vorwurf  ungleich  geiflvoller,  fchlagender,  origi- 
neller gefafst  hat.  Der  Kriegsmann  zu  Rofs,  der  mit  verhängtem  Zügel  auf 
fchwindelnder  Bahn  dem  lockenden  Truggebilde  nachjagt,  über  den  Körper  des 
geliebten  Weibes  hinweg,  das  fich  ihm  warnend  in  den  Weg  geworfen,  während 
ein  zweiter  Reiter,  der  Tod,  ihn  bereits  einholt  und  der  Boden  im  nächften 
Augenblick  unter  ihm  fchwinden  wird:  das  ifl  treffend  und  mit  fchlagender  Ver- 
körperung des  allegorifchen  Motivs  erfunden,  im  Geifte  der  deutfchen  Kunfl  des 
i6.  Jahrhunderts,  die  fich  mit  Vorliebe  in  folchen  Todesphantafien  erging,  aber 
zugleich  wieder  neu  und  eigenthümlich.  Und  doch  wird  es  vielen,  die  erft  die 
Photographie  und  dann  das  Original  kennen  lernten,  ähnlich  ergangen  fein,  wie 
mir  felbft.  Ich  fand  nicht  Alles,  was  ich  erwartet  hatte.  Bei  ficherer  Meifterfchaft 
in  der  Farbe  klebt  diefer  doch  zu  fehr  die  Schwere  des  Materiellen  an ;  das 
phantaflifche  Element  hätte  in  Vortrag  und  Lichtwirkung  zur  Geltung  kommen 
müfsen.  Sirouy's  glühendes  Colorit  trifft  eher  den  richtigen  Ton.  In  der  Ge- 
ftalt  der  Glücksgöttin  felbfl  haben  fich  weder  der  Franzofe  noch  der  Deutfche 
hinreichend  über  das  Conventionelle  erhoben. 

Eine  neue  Erfcheinung  bot  uns  Auguft  von  Heyden  in  feinen  Wal- 
kyren,  die  über  das  Schlachtfeld  reiten,  voll  Schwung  in  der  Erfindung,  aber 
nicht  bedeutend  und  mächtig  genug  in  Formen  und  Ausdruck.  Heyden  tritt 
uns  viel  anziehender  und  ganz  anders  der  Sache  Herr  in  -feinen  kleineren  Ge- 
mälden gegenüber,  dem  fein  geftimmten  »Fefttagsmorgen«  aus  der  Berliner  Na- 
tionalgalerie und  der  ,,Prinzeffin  Clemence",  welche  die  Bedingung  erfüllt,  fich  den 
Abgefandten  des  Königs  von  Frankreich,  der  um  fie  wirbt,  nackt  zu  zeigen. 
Ein  eigener,  gefährlicher  Vorwurf,  der  nur  dann  wahrhaft  künftlerifch  verwerthet 
werden  kann,  wenn  der  Maler  ihn  mit  vollem,  fchlichtem  Ernfl,  ohne  den  leife- 
flen  Anflug  des  Gefallfüchtigen  und  Sinnlichen  giebt.  Das  aber  hat  Augull  von 
Heyden  durchaus  verftanden ;  feine  Auffaffung  ift  das  ausgefprochene  Gegentheil 
von  derjenigen  Gerome's  in  der  »Phryne  vor  den  Richtern« ,  in  welcher  das 
widrige  Aufwallen  der  Lüfternheit  und  das  Speculiren  auf  folche  den  Ton  an- 
geben. Mit  ruhigem  Adel 'tritt  die  völlig  entkleidete  Prinzeffin  aus  dem  Vor- 
hang, der  ihr  Lager  umfchliefst,  hervor;  ehrfurchtsvoll  laffen  die  Abgefandten, 
der  alterte  knieend,    ihre  Augen  auf   dem  fchönen  Weibe  ruhen,    wie  auf  einem 


/ 


IV.   DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 

i 


'.m 


Kiinftwerk.  Das  Ganze  ifl  zugleich  ein  vollendet  durchgeführtes,  ftimmungsvolles 
mitlclalterliches  Interieur,  aus  deffen  reicher  Farbenpracht  der  nackte  Kör[)er 
herrlich  hcrauslcuchtet. 

In  mehreren  genrehaften  Gefchichtsbildern  fanden  wir  endlich  aufs  Neue  gute 
alte  Bekannte  wieder:  Schrader's  jungen  Shakfpeare  als  Wilddieb,  der,  der 
Stuttgarter  Galerie  gehörig,  in  einem  der  letzten  Säle  hing,  C.  Becker 's  colo- 
riflifch  vortrefflichen  Carl  V.  bei  Anton  Fugger,  Treidler's  Abendmahl  der 
Kurfürftin  Elifabeth,  das  als  die  gediegene  Arbeit  eines  jüngeren  Künftlers  auf 
der  letzten  Berliner  Ausnclluiig  verdiente  Anerkennung  fand,  zwei  Lutherbilder 
von  Gu/lav  Spangen berg,  von  denen  die  Gruppe  der  bibelüberfetzenden 
Reformatoren  zwar  zu  trocken  in  Charakteriftik  und  Behandlung  ifl,  dagegen 
Luther  bei  der  Hausmufik  im  Kreife  der  Seinen  durch  die  Wahrheit  in  der  Auf- 
faffung  der  gefchichtlichen  Charaktere  in  wohl  gewählter,  einfacher  Situation 
und  durch  die  naive  Anmuth  in  den  Kindern  uns  als  ein  Mufter  feiner  Gattung 
werth  bleibt. 

Uebcrblickt  man  die  Schöpfungen,  von  denen  wir  eben  gefprochen,  fo  bleibt 
fchliefslich  immerhin  das  erfreuliche  Refultat,  dafs  von  den  älteren  und  bewähr- 
ten Meiflern  der  DüfTeldorfcr  und  der  Berliner  Schule,  von  Bendemann  und 
Menzel,  hervorragende  Werke  vorhanden  find,  die  fie  in  voller  Kraft  des 
Schaffens  zeigen,  dafs  aber  auch  eine  Reihe  jüngerer  Kräfte  mit  folchen  Arbei- 
ten auf  den  Schauplatz  tritt,  die  in  Umfang  und  Stoff  über  das  hinausgehen,  was 
die  Nachfrage  des  gewöhnlichen  Bildermarkts  verlangt,  und  ein  ernftes  Streben 
nach  höherem  Schwünge  in  der  Auffaffung,  nach  immer  gröfserer  Bewältigung 
der  künftlerifchen  Mittel  offenbaren.  Bei  den  Münchenern  aber  ifl  felbfl:  das  nicht 
der  Fall.  Keine  Spur  ifl;  mehr  davon  zu  fehen,  dafs  hier  der  Platz  war,  wo 
Cornelius,  Schnorr,  Heinrich  Hefs  ihre  grofsen  idealen  Compofitionen  ge- 
fchaffen.  wo  Kaulbach  dicfer  Richtung,  zwar  nicht  zum  Guten,  wie  wir  meinen, 
aber  immerhin  bedeutfam,  eine  neue  Wendung  gab,  wo  bis  vor  Kurzem  Moriz 
V.  Schwind  gelebt  und  gefchaffen.  Das  Haupt  der  entgegenftehenden  realifti- 
fchen  Schule,  Piloty,  feiert  mit  feinem  neuen  grofsen  Bilde  vor  der  Menge 
einen  Triumph,  fleht  aber  in  Wahrheit  mit  demfelben  am  Anfang  des  Endes, 
und  wie  lebhafter  auch  auf  Künfliler  verfchiedenfler  Rightung  als  Lehrer  gewirkt, 
fo  hat  er  doch  nur  unter  den  Ungarn  Nachfolger  auf  feiner  eigentlichen  Bahn 
gefunden. 

Von  mythologifchen  Bildern  ifl  Bcyfchlag's  anmuthige,  aber  fehr  gefall- 
füchtige  und  moderne  Pfyche  zu  nennen.  —  Adamo's  «Sturz  Robespierre's» 
giebt  uns  eine  höchfl;  lebendige,  frappante  Schilderung  des  hiftorifchen  Moments, 
bei  kleineni  Mafsflabe  gut  angeordnet  und  auch  in  den  einzelnen  Geftalten  hin- 
reichend charakteriflifch.  Ein  gröfseres  Gefchichtsbild  war  dann  nur  noch  in 
Wilhelm  Lindenfchmit's  »Tod  Wilhelm's  von  Oranien «  vorhanden.  Aber 
das  Ganze  nimmt  fleh  eigentlich  aus,  als  fei  es  für  eine  flüchtig  fkizzirte  lUuftra- 
tion  erfunden.  Wir  vermiffen  alles,  was  einer  Compofition  in  diefem  Mafsflabe 
den  feflen  Halt  und  den  Mittelpunkt  geben  müfste.  Da  ift  kein  tiefer  erfafster 
Charakter,  kein  geiftig  ausreichendes  Zur-Anfchauung-bringen  des  Momentes.  Die 
Figuren    fcheinen    gcwiffermafsen   alle   die  Treppe   hinunterzufallen,    welche  die 


41* 


340 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Eichenholzfpiegel,  nach  Kntwurf  von  C.  Grafl'  ausgeführt  von  F.  Kupka  in  Wien. 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


341 


Nulsbaumbüchcrfchrank,  von  F.  Rumaiielli  in  Kloreiu. 


342 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Scencrie  bildet.  Diefes  Gemälde  kann  ebenfowenig  wie  John  Knox  vor  den 
Bilderflürmern  oder  wie  Falflaff  mit  den  luftigen  Weibern,  ein  Bild,  dem  der 
feinere,  unbefangene  Humor  fehlt,  für  die  wahren  malerifchcn  Qualitäten  von 
Lindenfchmit  ein  Zeugnifs  ablegen.  Man  mufste  fich  freuen,  hier  auf's  Neue  fein 
früheres  Werk,  Hütten  im  Streit  mit  franzöfifchen  Edelleuten,  zu  fehen.  Zwar 
befleht  der  hiflorifche  Moment  hier  nur  in  einer  Prügelfcene,  aber  die  kecke, 
trutzige  Hauptgeftalt  ifl  höchfl:  lebendig  und  charakteriftifch  erfunden  und  die 
coloriflifche  Wirkung  ifl;  ebenfo  glänzend  wie  cnergifch. 

Nicht  ohne  krankhaften  Zug  find  die  neuen  Arbeiten  von  Gabriel  Max, 
aber  die  tiefe  diciitcrifche  l'lmpfindung,  die  jedem  feiner  Bilder  zu  Grunde  liegt, 
hat  bei  aller  modernen  Sentimentalität  ihren  Reiz,  und  Max  befitzt  die  maleri- 
fchen  Mittel,  um  die  lyrifchcn  Stimmungsmomente,  auf  die  es  ankommt,  wirkfam 
zur  ErfcheinUng  zu  bringen.  Keines  feiner  jetzigen  Bilder  ifl;  fo  bedeutend  wie 
feine  chriflliche  Märtyrerin  am  Kreuz,  keins  fo  zart  und  duftig  wie  fein  Adagio, 
um  an  diefe  Werke  aus  den  letzten  Jahren  zu  erinnern,  aber  fein  Bild  »Verblüht« 
—  das  Mädchen,  das  nacii  der  Rückkehr  von  Fefl  und  Jubel,  während  fchon  der 
Morgen  durch  die  Scheiben  blickt,  auf  ihrem  Bette  fitzt  und,  im  Begriff,  den 
glänzenden  Flitterftaat  vollends  abzuftreifen,  fchmerzlich  über  ihre  entfchwindende 
Jugend  nachfinnt,  —  ifl;  klar  und  treffend  in  pfychologifcher  Hinficht.  Nicht  in 
gleichem  Mafse  kann  man  das  von  dem  »Frühlingsmärchen«  fagen.  Warm  und 
fchlicht  ifl;  das  » Stillleben « ,  die  finnige  Clavierfpielerin  im  einfamen  Gemach. 
Die  poetifche  Wirkung  ergiebt  fich  leichter,  wo  der  Künftler  nicht  aus  der 
Gegenwart,  fondern  aus  einer  früheren  Zeit  feine  Vorwürfe  holt,  wie  in  dem 
blinden  Mädchen,  das  am  Eingange  der  Katakomben  den  Befuchern  die  Lampe 
darreicht.  Gretchens  Erfcheinung  in  der  Walpurgisnacht,  mit  dem  rothen  Streifen 
am  Hälfe,  fefl  an  den  Felfen  gedrückt,  effectvoU  beleuchtet  —  das  gröfste  diefer 
Bilder  —  geht  völlig  in  das  Seltfame  über,  wirkt  aber  durch  den  gefpenftifchen 
Reiz  auf  die  Phantafie. 

Leider  haben  wir  in  der  modernen  Kunft  fo  oft  zu  der  Wahrnehmung 
Grund,  dafs  bedeutende  Talente  mitten  in  ihrem  Streben  den  Halt  verlieren  und 
einer  krankhaften  Anwandlung  unterliegen.  Eine  folche  fpricht  aus  den  Bildern 
des  verflorbenen  Victor  Müller,  der  Waldnymphe,  dem  Adonis,  bei  aller 
originellen  coloriftifchen  Kraft,  bei  unläugbar  packenden  Zügen.  Durch  und 
durch  krank  erfcheint  der  Schweizer  Arnold  Böcklin,  der  hier  im  Kreife  der 
Münchener  auftrat.  Wo  find  die  Tage  hin,  in  welchen  er  jene  Landfchaften  und 
Stimmungsbilder  der  Galerie  Schack  hervorbrachte?  Sein  Centaurenkampf,  von 
unleugbar  dämonifcher'  Gewalt,  ifl  doch  fchon  von  einer  grenzenlofen  Formlofig- 
keit.  Und  nun  gar  feine  Pietä !  Eine  zerfliefsende  mufikalifche  Empfindung  rifs 
den  Künftler  hin ;  die  äufserfte  Leidenfchaft  des  Schmerzes ,  den  nahenden  Troft 
wollte  er  in  zauberhaften  Lichtwirkungen  darfteilen,  aber  ihm  zerrann  dabei  jede 
Geftalt,  die  Farbenwirkung  ward  zu  einem  blofsen  Feuerwerk. 

Ganz  anders  ftand  ein  dem  Ebengenannten  in  früheren  Beftrebungen  nahe 
verwandter  Künftler,  Anfelm  Feuerbach,  da.  Man  fah  nicht  feine  grofsen 
Arbeiten  der  letzten  Zeit,  die  erft  fpäter  vor  die  Oeffentlichkeit  getreten  find, 
fondern    nur    die    vor  Kurzem    für    die   Stuttgarter   Galerie   erworbene,     unfern 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


343 


Lefern  durch  den  Holzfchnitt  bekannte  Geftalt  der  Iphigenie  am  Meeres- 
flrande,  bei  fchlichtem  Ton  und  Vortrag  durchaus  edel  und  haltungsvoll.  Jetzt 
gehört  der  Kiinftler,  gegen  den  fein  Vaterland,  befonders  feine  engere  Heimath 
Baden,  fich  flets  kühl  und  ablehnend  verhielt,  Oefterreich  an  und  wird  in  Wien 
ficher  Gelegenheit  zu  Schöpfungen,  die  feiner  werth  find,  finden.  Auch  das 
Talent  bedarf  der  Sonne,  wie  die  Pflanze,  wenn  fie  gedeihen  foll.  Kann  es  uns 
wundern,  wenn  Feuerbach,  dem  feine  Nation  fo  lange  die  Anerkennung,  deren 
er  werth  war,  das  Feld  der  Thätigkeit,  das  er  brauchte,  verfagt  hat,  in  manchen 
der  letzten  Werke  nicht  zu  der  vollen  und  freien  Schönkeit,  zu  dem  Ziele,    das 


Kmailvafeu  vtin   Pottier  in  Paris. 


er  fich  ftellte,  gelangt  ifl?   Seine  Iphigenie,    wie   einfach,   faft  unfcheinbar  auch 
immer,  beweifl,  dafs  er  fich  dennoch  die  Gefundhcit  des  Wefens  bewahrt  hat. 

Auch  das  trug  wefentlich  zu  dem  minder  günftigen  Ausfehen  der  Münchener 
Schule  bei,  dafs  die  Portraitmalerei  faft  gänzlich  ausgeblieben  war.  Unter  den 
norddeutfchen  Bildnifsmalern  fahen  wir  Julius  Schrader,  der  namentlich  mit 
feinem  lebendigen  Portrait  des  grofsen  Iliftorikers  Leopold  von  Ranke,  fowie 
durch  Moltke's  Bildnifs  ILindruck  machte.  Guftav  Graef  zeichnete  fich  durch 
das  Portrait  Roon's,  dann  durch  ein  grofses  Knabenbildnifs  aus  und  bewies  in 
dem  Portrait  einer  fchöneii  Frau ,  dafs  er  die  coloriflifche  Würde  und  die  ge- 
fättigte  Ruhe  der  Erfcheinung,  welche  wir  an  den  venetianifchcn  Meiftern  be- 
wundern, nicht  umfonft  fludirt  hat.  Elegante  Damenportraite  waren  ferner  von 
Guftav  Richter,  Friedrich  Kaulbach,  Ernft  Hildebrandt,  PaulKiefs- 
ling  da.      Von   Richter's   zwei    neuen    Bildniffen,    die   den   Kunftler    felbft   und 


344 


PLASTIK  UND  MALI':REI. 


Treppengeländer  in  Hron/.e,   von  P.  Ilollcnhacli  Sühne  in  Wien. 


feine  Gattin  mit  ihren  Kindern  darflcllcn,  geht  das  erflere  zu  fclir  in  das 
Arrangirte. 

Aus  der  Münchener  Schule  zogen  nur  zvs'ei  Portraits  von  jüngeren  Künft- 
lern  die  Aufmerkfamkeit  auf  fich,  eine  in  der  Farbe  kräftige,  fchlicht  leben- 
dige Studie  von  Rudolph  Hirth  und  ein  weibliches  Knieflück  von  Wilhelm 
Leibl,  deffen  malerifche  Virtuofität  unverkennbar  ift,  das  aber  durch  das  Streben, 
ausfehen  zu  wollen,  wie  ein  altes  liild,  etwa  der  Rubens'fchen  Schule,  zu  ge- 
fucht  und  dabei  zu  verblafen  in  der  Farbe  crfchelnt.  Auch  folche  Experimente 
find  krankhafter  Natur. 

Auf  jeder  grofsen  Ausflellung  finden  wir  von  Neuem  beflatigt,  dafs  die 
deutfche  Kunft  fafl:  nirgend  ein  fo  eigenthüniliches  und  gefundes  Leben  entfaltet 
als  in  demjenigen  Zweige  des  Sittenbildes,  tler  feine  Stofl'e  aus  dem  heimifchen 


IV.  DICUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


345 


üronzegitler,  nach  Kntwiirf  von  H.  Claus  ausgeführt   von  D.  HoUenliach.Söhjie  in   Wien, 

Volksthum  wählt.  Wie  gewöhnlich,  ftand  auch  jetzt  Knaus  in  erfter  Linie.  Eine 
Reihe  bedeutender  Schöpfun<^en,  zum  Theil  bereits  bekannter,  war  in  Wien  von 
ihm  vorhanden,  zunachfl  das  Bild  aus  der  Berliner  Nationalgalerie:  „Wie  die 
Alten  fangen,  fo  zwitfchern  die  Jungen",  der  Kindertifch  bei  dem  ländlichen  Feft. 
Man  hat  es  vielfach  nicht  in  dem  Mafse  wie  andere  Arbeiten  des  Meifters  gelten 
laffen  wollen  ;  ich  glaube,  nicht  mit  Recht.  Ich  kann  nicht  finden,  dafs  von  der 
launigen  und  liebenswürdigen  Frifche  in  der  Schilderung  des  Kinderlebens  da- 
durch viel  verloren  gegangen,  dafs  der  Künftler  es  in  Tracht  und  Charakter 
des  vorigen  Jahrhunderts  zurückverfetzt  hat;  zu  der  einen  Aufgabe,  die  er  fich 
ftellte,  hat  er,damit  noch  eine  zweite  gefügt,  aber  beide  gelöft.  Eine  ganz  andere 
malerifche  Kraft  offenbart  freilich  noch  das  ländliche  Begräbnifs,  das  in  diefer 
alltäglichen  und  kleinen  Welt  eine  tief  ergreifende  Tragik  entfaltet  und  ihr  nicht 


M 


346  PLASTIK  UND  MALEREI. 


blos  durch  die  individuelle  Charakteriftik,  fondern  auch  durch  Farbe  und  Hal- 
tung, durch  das  Stimmungsleben  der  winterlichen  Scenerie  Ausdruck  verleiht. 
Das  kleine  Gemiilde  „Die  Gefchwifler",  halb  Bildnifsgruppe,  halb  Genrebild,  ifl: 
ein  Juwel  an  Eleganz  und  Zartheit.  Höchft  anziehend  ift  das  Portrait  eines 
flehenden  kleinen  Mädchens;  nicht  minder  der  kleine  „Freibeuter",  ein  Bube, 
der  fich  der  geflohlenen  Rüben  freut,  herzig  in  feinen  Lumpen.  Dazu  kommt 
das  neuefte  gröfsere  Werk  von  Knaus ,  eine  Bauernberathung  im  Schwarzwalde. 
In  rein  malerifcher  Beziehung  möchte  ich  es  dem  Begräbnifs  nicht  gleichftellen, 
der  durchgehende  Terra-di-Siena-Ton  mit  feinem  röthlich-bräunlichen  .Schimmer 
giebt  der  Haltung  etwas  Conventionelles;  dafür  ifl;  aber  die  Charakteriftik  von 
urfprünglichfler  Kraft  und  Lebendigkeit,  die  Zeichnung  fämmtlicher  1^'iguren  bei 
ziemlich  grofsem  Mafsflabe  fefl;  und  meiflerhaft,  die  Durcharbeitung  jedes  ein- 
zelnen unter  diefen  originellen,  fcharf  ausgeprägten,  kräftig  aus  der  Mitte  des 
Lebens  gegriffenen  Charakteren  zeigt  Knaus  auf  feiner  vollen  Höhe.  Die 
fchwarzwälder  Bauern  in  ihrer  derben  Tüchtigkeit,  ihrem  zähen  Fefthalten  am 
Alten  und  Hergebrachten,  ihrer  Gewichtigkeit  in  Berathung  der  kleinflen  An- 
gelegenheiten ,  find  nie  wahrer  gefchildert  worden.  Wie  paffen  dabei  die  Men- 
fchen  in  ihre  Umgebung,  in  das  ländliche  Zimmer  mit  den  fchlechten  Heiligen- 
bildern, dem  grünen  Kachelofen,  der  Hühnerfamilie  im  Vordergrunde,  hinein! 
Die  Ausflellung  wies  kein  Gefchichtsbild  auf,  das  eine  fo  tief  gehende  und 
wuchtige  Charakteriflik  des  Einzelnen,  ein  fo  lebendiges,  draftifches  Ineinander- 
greifen aller  Charaktere  zeigte. 

Neben  Knaus  mufs  man  ftets  B.  Vautier  nennen;  durch  fie  beide  nimmt 
Düffeldorf  in  der  Volksmalerei  den  erflen  Platz  ein.  Nur  feine  ländliche  Tanz- 
flunde,  der  Berliner  Nationalgalerie  gehörig,  hing  in  der  deutfchen  Abtheilung, 
die  übrigen  Bilder  fanden  wir  in  dem  Saale  der  Schweiz,  aber  ihre  Stoffe  find 
ebenfalls  aus  dem  deutfchen  Volksleben,  aus  dem  Schwarzwalde,  geholt  und 
Vautier's  ganze  Richtung  ift  durch  feinen  engen  Anfchlufs  an  das  deutfche 
Kunftleben  bedingt.  Da  fehen  wir  einen  Landmann  beim  Advokaten,  ferner 
ein  ftilles,  ergreifendes  Bild:  ein  Bauer  mit  feinem  Töchterchen  am  Kranken- 
bette der  Frau,  endlich  das  grofse  figurenreiche  Bt'gräbnifs,  das  er  im  Herbft 
1871,  gleichzeitig -mit  dem  Bilde  deffelben  Gegenftandes  von  Knaus,  vollendet 
hat.  lün  folcher  Colorifl,  wie  diefer,  ift  Vautier  nicht,  das  ift  bekannt,  und  wir 
dürfen  nicht  erwarten,  dafs,  wie  bei  Knaus,  aus  der  Farbe  felbft  die  Seele  des 
Vorgangs  rede;  dennoch  ift  das  Bild  durchaus  harmonifch  in  der  Durchführung 
und  bei  der  reichen  Gruppirung,  bei  der  F"ülle  der  Geftalten  entfaltet  fich  hier 
eine  folche  Tiefe  und  Feinheit  des  Gemüthslebens,  folche  Verwerthung  aller 
jener  Momente  des  Ausdrucks,  welche  die  Situation  mit  fich  bringt,  eine  bis  auf 
den  Grund  gehende  Vertrautheit  mit  jenem  Volksftamm ,  dafs  man  wohl  fagen 
darf,  fo  vollftändig  und  fo  ineinandergreifend  hat  der  Künftler  uns  alle  diefe 
Eigenfchaften  kaum  jemals  offenbart.  An  Innigkeit  geht  Vautier  noch  über 
Knaus,  und  bevvundernswerth  ift  vor  Allem  die  Befcheidenheit,  mit  welcher  er 
feine  Kenntnifs  vom  Empfindungsleben  des  Volkes  zum  Ausdruck  Jsringt.  Nicht 
nur  den  Gegenftand  des  Begräbniffes  haben  Knaus  und  Vautier  hier  gemein, 
auch   den  Volksftamm,    der  die  Perfönlichkeiten  liefert,   und  fogar  ein  paar  her- 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


347 


vorflechende  Züge  in  der  Compofition.  Das  Interefiante  ift  luiii  aber  gerade,  zu 
fehen,  wie  die  beiden  Meifter,  jeder  feiner  Natur  entfprechend,  aus  diefem  Vor- 
wurf etwas  ganz  Verfcliiedenes  gellaltct  haben. 

Unter  den  Düffeldorfern  fleht  den  beiden  vorigen  Karl  Hoff  an  Bedeutung 
zunächft.  Aufser  einem  kleinen  Damenportrait  und  tinem  geiflvollen  Rococo- 
bildchen  ,,Sub  rosa"  trat  er  hier  wieder  mit  dem  erften  gröfseren  Hilde  auf,  mit 
welchem  er  durchfchlagenden  Erfolg  hatte,  der  „R;ifl  auf  der  Flucht",  welches 
Schönheit  der  Farbe,  glückliche  malerifche  Verwerthung  des  Coftüms  aus  dem 
17.  Jahrhundert,  die  Wahl  eines  növelliflifch  anziehenden  Vorwurfs  und  eine 
feine  Spannung  des  Ausdrucks  verbindet.  Vom  ^Mtmeifter  Rudolph  Jordan 
und  von  Hi ddemann  fanden  wir  ihre  bekannten  Bilder  aus  der  Nationalgalerie, 
von  Siegert  den  pikanten  „ Liebesdienft".  Wir  erwähnen  noch  Lafch,  Plath- 
ner,  l'-rncfline  Friedrich  fen,  Salentin,  Geertz,  der  in  feinem  grofsen 
Bilde  ,,tlie  Verurtheilung"  verfucht,  auf  der  Bahn  von  Munkacfy  zu  wandeln; 
in  Schilderung  der  Nachtfeite  des  Volkslebens,  bei  breiter  Behandlung  und  viel 
zu  viel  Beinfchwarz,  nicht  ohne  Glück,  aber  ohne  rechte  Eigenthümlichkeit, 
endlich  Karl  Schlöffer  in  Weimar,  der  in  zwei  Genrebildern  coloriftifche  Kraft 
mit  Gediegenheit  des  Ausdrucks  verbindet. 

Unter  den  Berliner  Genremalern  fanden  wir  W.  G  e  n  t  z  mit  einigen  trefflichen 
Bildern  egyptifchen  Lebens,  Fritz  Werner  mit  mehreren  jener  fcharfen 
kleinen  Gemälde  im  Coflüm  des  vorigen  Jahrhunderts,  Kraus  und  Fritz 
Paulfen,  der  letzterem  nacheifert.  Von  Friedrich  Eduard  Meyerheim, 
der,  in  Richtung  und  Technik  einer  anderen  Zeit  angehörend,  uns  doch  noch 
immer  durch  feine  fülle  Liebenswürdigkeit  entzüdct,  waren  zwei  feine,  faubere 
Bildchen  da.  l'aul  Meyerheim  hatte  faü  Alles  ausgeftellt,  womit  er  feit  Be- 
ginn feiner  Laufbahn  Eindruck  gemacht  hat:  die  Menagerie  mit  ihrem  behag- 
lichen Humor  und  ihrer  feinen  Beobachtung  ties  Malerifchen,  den  hoUändifchen 
Antiquar,  die  Savoyardenkinder,  die  draftifche  Schaffchur,  endlich  den  Abend  im 
Walde,  dereine  feiner gediegenflen  Arbeiten  ift  und  fich  durch  das  echte  Stimmungs- 
leben ,  durch  das  völlig  ineinander  Aufgehen  der  Landfchaft  und  der  einfachen 
Staffage,  durch  den  fchlichten  Ernft,  der  doch  poetifch  wirkt,  auszeichnet.  Den 
gröfseren  Märchenbildern  gegenüber,  die  er  und  fein  Bruder  Franz  zu  decora- 
tivem  Zwecke  gemalt,  ift  von  vielen  Seiten  bemerkt  worden,  dafs  doch  dem 
behaglichen  Realismus  des  Erften,  wie  der  pikanten  Schilderung  mittelalterlichen 
Interieurs  und  Coftüms  bei  dem  Zweiten  der  Charakter  des  eigentlich  Märchen- 
haften fehle.  Aber  das  Rothkäppchen  im  Walde  von  Paul  Meyerheim  ift 
und  bleibt  allerliebft;  bei  fo  tüchtiger  Behandlung  fo  viel  unbefangenes,  frifches 
Leben  und  fo  viel  gemüthvolle  Freundlichkeit!  , 

Den  Berlinern  ift  endlich  Wilhelm  Riefftahl,  jetzt  in  Carlsruhe,  anzu- 
reihen, von  dem  wir  drei  bedeutende  Werke  vorfanden,  die  Morgenandacht  der 
Paffeyerer  Hirten  aus  der  Nationalgalerie  (1864),  die  ihm  zuerft  feine  jetzige  künft- 
lerifche  Stellung  fchuf,  den  AUerfeelentag  im  Bregenzerwalde,  diefen  Friedhof 
in  wohlthuender  Abendbeleuchtung  (i86g)  und  ein  Hochthal  am  Säntis  mit  einer 
Trauerverfammlung  vor  einer  Bergkapelle.  Dies  letzte  Werk ,  von  erheblichen 
Dimenfionen,  gehörte  zu  den  wichtigften  Bildern  der  deutfchen  Ausftellung  und 


44> 


348 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


ifl  ebenfo  bedeutend  durch  die  überrafchende  Wahrheit  in  der  Schiiderunfj  der 
Alpennatur,  wie  durch  die  reiche,  flcts  individuell  charakterifirte,  gediegen  durch- 
gearbeitete und  dein  Ganzen  zu  richtiger  Wirkung  eingeordnete  Staffage. 

Die  glücklichfte  und  begabtefte  Natur  unter  allen  Gcnremalern  der  Münche- 
ner Schule  ift  Franz  De  fr  egger,  der  Tiroler  Bauer,  der  erft  im  Alter  von 
fünfundzwanzig  Jahren  fich  der  Kunfl  zuwendete,  dann  mit  feinem  Speckbacher, 
der  1869  auf  der  Münchener  Ausflellung  erfchien,  einen  durch fchlagenden  Erfolg 
hatte,  und  der  nun  hier,  obwohl  ihn  längere  Zeit  eine  jetzt  glücklich  überwun- 
dene Lähmung  an  das  Lager  gcfeffelt  hielt,  in  vier  neuen,  höchfl  anziehenden 
Werken  uns  entgegentrat,  Defrcgger  ift  in  dem  Volksleben,  aus  dem  er  her- 
vorgewachfen,  zu  Haufe ;  leicht  und  einfach  findet  er  die  Situationen,  in  welchen 


Teller  von  Mintons  in  Sloke  iijion  Trcnl. 


dies  immer  neu  und  eigenthümlich,  und  zwar  vorwiegend  im  Charakter  des  Be- 
haglichen und  Herzlich-Gemüthlichen,  zum  Ausdruck  kommt.  „Der  Ball  auf  der 
Alm"  zeigt  uns  in  dem  tanzenden  Paare,  dem  kecken,  lufligen  Alten  und  der 
drallen  Dirne  Geflalten  von  überrafchender  Lebendigkeit  und  Wahrheit.  Eine 
befonders  reiche ,  in  jedem  Zuge  anfprechende  und  individuelle  Compofition 
zeigt  ein  zweites  Bild  „Das  Preispferd",  das  im  Triumph  in  das  heimifche  Dorf 
zurückgeführt  und  da  von  Alt  und  Jung  bewundert  wird.  Auf  den  zwei  andern 
Gemälden  kommt  der  Ausdruck  des  Gemüthes  noch  feiner  und  wärmer,  ohne 
jeden  fentimentalen  Anflug,  ohne  jedes  Hinauffchrauben  über  die  gegebene 
Sphäre,  zur  Geltung.  Das  eine ,  „Die  Brüder",  fchildert  die  Rückkehr  eines 
jungen  Schülers,  der  in  der  Stadt  feine  Studien  durchgemacht,  in  das  bäuerliche 
Vaterhaus,  wo  ihn  die  Seinen  in  froher  Herzlichkeit  und  doch  mit  der  Empfin- 
dung, dafs  er  etwas  l?cfonderes  fei,  begrüfscn  und  er  das  kleine,  in  der  Zwifchen- 
zeit  angelangte  Brüderchen,  das  ihn  fremd  anftarrt,  in  die  Arme  nimmt.  Wie 
liebenswürdig  ift  endlich  der  Eintritt  der  wandernden  italienifchen  Sänger  in 
die  Tiroler  Bauernftube  ;  wie  acht  der  Gegenfatz  zwifchen  den  frohen,  bchag- 
Uchen  Infaffen  des  Haufes,  von  denen  jeder  voll  Theilnahme,  jeder  fo,  wie  es  feinem 
Alter  und  Charakter  zukommt,  auf  die  ungewohnten,  fchwermüthigen  Töne  laufcht, 
und  dem  armen,    fremden  Wanderer    mit  feinen  Kindern,    die   fchüchtern  in  die 


IV.   DEUTSCHLAND,  ÜESTERREICH  UND  UNGARN. 


349 


y.  ■ 


Metallfpieijel  von  Harbddiiimc  in   l'aris. 

Thiirc  getreten  finil !  Das  hat  D^^lregger  gefchaffen,  wahrend  Tchweres  körper- 
liches Leiden  ihn  heninito,  und  hat  hier  einen  nierkwürtiigen  Heweis  voller 
geiftiger  Freiheit  unter  äufserer  Befchränkung  abgelegt.  In  nialerifcher  Hinficht 
offenbart   fich   die  vollkommenfle  Herrfchaft    über  die  Sache,   das   künfllerifchc 


350  PLASTIK  UND  MALEREI. 


Gefchick,  das  er  fich  in  der  Schule  von  Piloty  erworben,  zugleich  aber  eine  Ein- 
fachheit, die  nie  mit  den  Mitteln  prunkt  und  immer  nur  das  giebt,  was  die  Sache 
felbft  verlangt. 

Diefe  Gefundheit,  diefe  echt  deutfche  Richtung  berührt  uns  um  fo  erfreu- 
licher neben  manchen  Verfuchen  jüngerer  Münchencr  Gcnremaler,  die,  flatt 
fchlicht  zu  geben,  was  fic  fohcn  und  empfinden,  fich  in  feltfamen  malerifchen 
Experimenten  ergehen.  Der  hochbegabte  Munkacfy  wurde  für  Manche,  wie 
Guftav  Meier,  wie  Rudolph  Hirth,  in  feiner  Hopfenlefe,  wie  Spring,  ein 
gefährliches  Vorbild,  mag  auch  das  Talent  namentlich  der  beiden  letzteren  un- 
verkennbar fein.  Nennenswerthe  Lciftungen  aus  dem  Gebiete  der  Volksmalcrei 
waren  dann  befonders  noch  von  Gabi,  Eberle,  Epp,  H.  Kauffmann,  Kurz- 
bauer, den  wir  in  den  öfterreichifchen  Sälen  wiederfinden,  vorhanden.  Von 
Anton  Seitz  fahen  wir  wieder  ein  paar  jener  höchft  fauber  und  fein  durch- 
geführten, im  Ausdruck  anziehenden  und  lebendigen  Bildchen,  die  feine  Speciali- 
tät  find.  Der  geiflreichfte  unter  den  Münchener  Genremalern  ift  Eduard 
Grützner,  zu  deffen  bekannten  Kartcnfpielern  ein  allerdings  fehr  derb  gc- 
rathener  Falftaff  mit  Dortchen  Lakcnreifser  auf  den  Knieen  und  eine  prächtige 
Scene  im  Klofterkeller  kamen.  Der  feiig  über  dem  Glafe  eingenickte  Keller- 
meifter,  der  wohlbeleibte,  behäbige  Prior,  der  alle  Würde,  deren  er  habhaft  wer- 
den kann,  aufbietet,  und  der  hagere  Fanatiker,  der  ihm  den  Uebelthäter  zeigt, 
find  mit  dem  glücklichften  Humor  erfundene  Charaktere.  Grützner's  Einflufs 
fehen  wir  bei  Ortlieb,  der  uns  Mönche  in  der  Klofterküche,  der  reichlichen 
Liebesgaben  fich  freuend,  vorführt.  Ueberhaupt  haben  viele  Münchener  Genre- 
maler eine  ausgefprochene  Vorliebe  dafür,  Pfaffen  und  ihre  Gefellen  mit  ftark 
fatirifchem  Zug  zu  den  Hauptperfonen  ihrer  launjgen  Bilder  zu  machen,  fo 
R.  S.  Zimmermann,  der  uns  eine  hochkirchliche  Deputation  in  dem  fürft- 
lichen  Vorzimmer  aufmarfchirt  zeigt,  und  namentlich  Matthias  Schmidt,  der 
die  geiftlichen  Herren  in  Situationen ,  wie  fie  für  ihre  Beziehungen  zum  VoHce 
bezeichnend  find,  fchildert :  beide  fo  ftark  tendenziös,  dafs  die  ruhige  künftlerifchc 
Wirkung  keine  ungeftörtc  ift,  aber  der  letztere  mit  entfchiedenem  Geifl  und  mit 
ficherem  malerifchem   Gefchick. 

Der  Piloty'fchen  Schule,  der  direct  oder  indirect  auch  die  meiften  Genre- 
maler ihre  Ausbildung  verdanken,  gehört  auch  Hermann  Kaulbach  an,  der 
alfo  Wege  geht,  die  von  denen  feines  berühmten  Vaters  Wilhelm  von  Kaul- 
bach fehr  verfchieden  find.  Und  doch  trifft  er  manchmal  wieder  mit  diefem 
zufammen;  fein  gröfseres  Bild,  Mozart,  der  todtkrank  der  Probe  feines  Requiem 
beiwohnt,  erinnert  durch  die  fehr  fcharfe,  auf  die  Spitze  getriebene  Charakteriflik 
gerade  an  Wilhelm  von  Kaulbach's  frühere  Zeit.  Das  Gefchick  in  der  Anord- 
nung wie  in  der  malerifchen  Behandlung  ifl  unverkennbar;  fchade  nur,  dafs  ein 
giftig-unangenehmer  Ton,  motivirt  durch  den  grünen  Vorhang,  durch  welchen 
links  das  Licht  fällt,  über  das  Ganze  ausgegoffen  ift.  In  dem  zweiten  Bilde 
„Hanfei  und  Gretel  bei  der  Hexe",  ift  der  Ton  des  Märchens  verfehlt,  die  Nei- 
gung zur  Karikatur  fchlägt  in  das  Fratzenhafte  um. 

Der  jüngere  Claudius  Schraudolph  erfreute  uns  durch  eine  coloriftifch 
glückliche ,   anziehend   aufgefafste  Scene  aus  dem  „Fauft",    den  Spaziergang  am 


UNFEHLBARE    NIEDERLAGE. 


" 


•  Jf  von  E  A.Seenuum  in  Leip'iig: 


Drude  von  F  ABmddiinia  in  liripsig 


IV.   DEUTSCHLAND,  OESTIIRREICH  UND  UNGARN. 

£ 


3äl 


üflertage.  Seine  ganz  befondere  Stellung  nimmt  A.  von  Ramberg  in  diefer 
Schule  ein.  Sinnig  und  fein  empfindend,  bildet  er  ein  Ciegengewicht  gegen  jene 
einfcitig  auf  frappante  coloriflifclie  l^ffccte  ausgeiienden  jüngeren  Maler,  er  weifs 
dem  einfachftcn  Vorwurf  ein  poetifches  Gepräge  aufzudrücken  und  fetzt  der  allein 
mit  der  Mache  prunkenden  Virtuofität  feinen  mafsvollen  Adel  entgegen.  Ohne 
eigentlich  Colorift  zu  fein,  entfaltet  er  in  jenem  Interieur,  da.s  ein  Liebespaar  im 
Coftüm  lies  vorigen  Jahrluinderts  —  etwa  Werther  und  Lotte?  —  in  traulichem 
Zufammenfein  darftcllt,  ein  zartes  Stimmungsleben,  weifs  er  in  einem  Genrebild 
aus  der  Welt  des  17.  Jahrhunderts,  „Nach  Tifche"  nicht  nur  die  geiftige  Wirkung 


ISettftelle,  von  Blafchke  in   WUii. 


des  Gefanges,  welchen  die  fchöne  junge  Dame  anflimmt,  nicht  nur  das  vornehme 
Behagen,  welches  die  ganze  gefeilige  Gruppe  athmet,  fein  zu  fchildern,  fondern 
das  Atlaskleid  nach  dem  Vorbilde  der  altholländifchen  Gefellfchaftsmaler  wieder- 
zugeben und  ein  vollendet  durchgebildetes  Helldunkel  zu  erreichen.  Wo  aber 
junge  Künfller  auf  der  Bahn  Ramberg's  fortzuvvandeln  fuchen,  da  fchreiten  fie 
häufig  trotz  überrafchender  Bravour  und  Begabung  über  die  Grenze  hinaus.  M.ag 
Albert  KeUer's  Gemälde  „Chopin"  das  übertrieben  Moderne  in  der  Zimmer- 
einrichtung, wie  in  der  Toilette  der  zwei  jungen  Damen,  die  hier  clavierfpielend 
und  zuhörend  der  Situation  ihren  Inhalt  geben,  noch  fo  frappant  fchildern,  fo 
ftreift  der  Ausdruck  doch  gar  zu  fehr  an  das  Süfsliche  und  Affectirte.  Ein  anderes 
Interieur:  „Zur  Audienz  bei  Ludwig  XIV.,"   ift  dagegen    coloriftiXch  ebenfo  hal- 


352 


PLASTIK  UND  MALEREL 


tungsvoll  wie  eigenthümlich ;  eine  dritte  Arbeit,  die  flehende  Dame  mit  dem 
Fächer,  nimmt  fich  nur  wie  ein  gelungenes  Exercitium  im  Stile  der  holländifchen 
Kleinmaler  aus. 

Seit  wenigen  Jahren  fpielt  in  München  Wilhelm  Dietz  eine  grofse  Rolle, 
der  fein  aufserordentliches  Lehrtalent  fchnell  bewährt  und  der  verdienftvoUen, 
zum  Theil  aber  fchon  überlebten  Piloty'fclien  Schule  gegenüber  ein  frifcheres 
Leben  in  die  Kreife  der  jüngeren  Maler  gebracht  hat.  Seine  vier  kleinen  Bilder 
find  in  der  Erfindung  ohne  alle  Eigenthümlichkeit,  bei  dem  Halt  von  Reitern  im 


Soi)ha  und  Stuhl  iii  hellblauem  Atlas,  von  Haas  it  Söhne  in   Wien. 

Coftüm  des  vorigen  Jahrhunderts  lehnt  er  fich  in  diefer  Hinficht  unbefangen  an 
Meiffonier,  bei  den  Kriegs-  und  Lagerfcenen  im  Charakter  des  dreifsigjährigen 
Krieges  nicht  minder  unbefangen  an  Philip  VVouwermans  an.  Ganz  fein  eigen 
find  aber  die  rein  malerifchen  Qualitäten,  die  er  hier  entfaltet,  der  coloriftifche  Sinn, 
der  ebenfo  von  den  alten  Holländern,  wie  von  den  modernen  Franzofen  genährt 
worden  ifl,  das  haltungsvolle  Verfchmelzen  von  Landfchaft  und  figürlichem 
Motiv,  die  eigene  Stimmung,  welche  der  unfcheinbarfte  Vorgang  bei  fo  meider- 
hafter  malerifcher  Behandlung  gewinnt.  1  lie  und  da  fehen  wir  die  deutlichen 
Spuren  feines  Einfluffes    in  dem  „Spaziergang"    von    Ludwig   Loefftz,    in   der 


"T 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN.  353 


Portiere  in  hellblauem  Atlas,  von  Ph.   Haas  &  äöbne  in  Wien. 


354  PLASTIK  UND  MALEREI. 


Mühle  im  Sturm  von  Aiiguft  Holmberg,  einer  Landfchaft,  die  von  den  meiden 
Productionen  der  Münchener  Landfchaftsmalerei  fehr  verfchieden  ift.  Dafs  eine 
Kraft,  wie  Dietz,  den  ftrebenden  Talenten  eine  überrafchende  Anregung  giebt 
und  ihnen  ganz  neue  Seiten  der  Anfchauung  erfchliefst,  ift  fichtlich.  Nur  bleibt 
abzuwarten,  ob  auf  diefem  Wege  auch  eine  vielfeitigere  Ausbildung,  ein  gröfse- 
rer  geifliger  Auffchwung  zu  erreichen  find. 

Nahe  verwandt  ift  die  Richtung  einiger  polnifcher  Maler,  die  fich  den  Mün- 
chenern angefchloffen  und  unter  denen  Max  Gierymski  in  erfter  Reihe  fleht. 
Seine  Heimath  gewährt  ihm  die  Stoffe,  ihr  Leben  in  Krieg  und  Frieden  ift  ihm 
vertraut.  Ohne  je  an  fchärfere  Durchbildung  der  einzelnen  Individuen  zu  denken, 
behandelt  er  fie  in  Gruppen  und  Maffen,  die  fich  der  landfchaftlichen  Gefammt- 
wirkung  unterordnen,  mit  ficherer  Meifterfchaft.  Das  Treiben  der  Dorfbevölke- 
rung in  friedlicher  Dämmerungftunde,  der  Zug  der  Kofacken  auf  der  Landllrafse, 
die  Rafl;  der  Infurgenten  am  Waldesfaum  unter  trübem  Winterhimmel  gewinnen 
überzeugende  Exiftenz.  Je  fchlichter  Alle.s  gegeben  ift ,  meift  in  gedämpftem, 
grauem  Ton,  um  fo  wirkungsvoller  tritt  der  echt  coloriflifche  Sinn  des  Malers 
hervor,  der  dabei  jede  Art  von  Stimmung  und  Beleuchtung  in  ungefuchter 
Wahrheit  feflhalt,  die  Abenddämmerung  am  Waffer  mit  dem  feuchten  Dunft, 
der  jede  Beflimmtheit  der  Umriffe  verfchwinden  läfst,  wie  die  flernhelle  Nacht  mit 
dem  erleuchteten  Dachfenfter  am  Bauernhaufe. 

Den  Genrebildern  muffen  wir  die  Kriegsbilder  anreihen,  deren  Behandlung 
in  der  neueften  Kunft,  nicht  zum  Nachtheil  der  Sache  und  vollfländig  flilgemäfs, 
wenigftens  foweit  die  Stoffe  aus  der  Gegenwart  gefchöpft  werden,  eine  über- 
wiegend fittenbildliche  ifl.  Jofeph  Brandt  in  München  erfcheint  in  feinem 
ziemhch  grofsen  Gemälde:  „Die  Niederlage  der  Türken  vor  Wien  (1683)"  wahr- 
haft überwältigend  durch  die  Art,  wie  er  die  Maffen  auf  einanderplatzen  läfst, 
das  wilderte  Gewühl  fchildert,  bei  aller  Unerfchöpflichkeit  des  Einzelnen  doch 
die  gröfste  malerifche  Einheit  und  ein*  prangendes  glühendes  Colorit  erreicht. 
Zu  folchen  Farben  und  Effecten  giebt  das  moderne  Kriegsbild  von  vornherein 
keine  Gelegenheit.  Immerhin  verdienen  ein  paar  kleine  Bilder  diefer  Gattung 
von  Lang  und  Braun  in  München  Beachtung.  Unter  den  norddeutfchen 
Schlachtenmalern  erfchien  zunächfl  Hunten  mit  feiner  bereits  bekannten  heffi- 
fchen  Divifion  bei  Saint-Privat,  Bleibtreu  mit  feinem  nicht  eben  glücklichen 
Uebergang  nach  Alfen,  dann  aber  auch  mit  dem  eben  fo  frifchen  wie  haltungs- 
vollen kleineren  Bilde,  das  wir  vorletzten  Herbft  in  Berlin  begrüfsten:  den  Bayern 
vor  Paris.  Seine  neuefte  Leiftung :  der  Kronprinz  nach  der  Schlacht  von  Wörth, 
zeigt  viele  gute,  lebendige  Motive,  läfst  aber  die  volle  Ruhe  und  P^inheit  der 
Haltung  vermiffen.  Graf  Härrach  hat  mit  feinem  vorgefchobenen  Poften  im 
Morgennebel  vor  dem  Mont  Valerien  wie  mit  den  Verwundeten  in  den  Wein- 
bergen von  Wörth  einzelne,  in  fich  abgefchloffene  Motive  aus  dem  Kriegstreiben 
herausgegriffen,  nicht  zur  Darflellung  eines  beftimmten  Ereigniffes,  fondern  um 
ihres  malerifchen  Werthes  oder  ihrer  tieferen  Empfindung  willen  und  hat  bei 
aufserordentlicher  Meiflerfchaft  in  der  Beleuchtung,  bei  mächtigem  Eindringen 
in  das  Empfindungsleben,  Schöpfungen  hervorgebracht,  die  nicht  ihres  Gleichen 
finden.     Eine  neue  Leiftung    ift  Anton  von  Werner's  Moltke  vor  Paris.     Es 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


355 


war  ebenfo  taktvoll,  bei  der  gegebenen  Aufgabe,  die  Charakterfigur  des  Helden 
in  diefe  genrehafte  Situation  zu  verfetzen,  wie  auch  den  Mafsflab  nicht  zu  grofs 
zu  wählen.  Der  Feldherr  felbft,  wie  er  zu  Roffe  hält  und  den  Trupp  Infanterie 
und  Artillerie  im  Hohlwege  zu  feinen  Füfsen  vorbeiziehen  läfst,  dominirt;  aber 
er  ift  in  glücklichflem  Wurf  der  Erfindung  in  die  Mitte  eines  frifch  bewegten 
Kriegslebens,  das  fich  ungefucht  und  lebendig  entfaltet,  geftellt.  Jede  Gruppe 
hat  ihr  fpontanes  Leben,  der  gefunde  Humor  fordert  fich  herzhaft  feinen  Platz. 
Alles  ifl:  echt ,  aus  der  Sache  heraus ,  gegeben,  die  Schilderung  der  herbftlichen 
Scenerie,  der  Blick  auf  das  ferne  Paris  find  höchfl  wirkungsvoll,  die  Haltung 
ifl;  klar,  beftimmt,  gut  abgewogen,  aber  vor  Allem,  wie  es  dem  deutfchen 
Realismus  entfpricht,  kommt  die  Charakterifhk  des  Einzelnen  zu  ihrem  vollen 
Recht. 

Während  Berlin  das  vorzüglichfte  Architekturftück  der  Ausfliellung  geliefert 
hatte,  in  Carl  Graeb's  berühmter  Innenanficht  des  Halberflädter  Doms  aus  der 
Nationalgalcrie,  fpielte  es  in  der  Landfchaftsmalerei  keine  fonderliche  Rolle.  Um 
fo  beffer  war  die  ältere  Richtung  der  Düffeldorfer  Landfchaftsmalerei  mit  ihrer 
discreten  Technik,  aber  liebevollen  Empfindung  für  die  Heimath,  ihrem  gemüth- 
vollen  Sich-Einleben  in  die  Natur  durch  die  Bilder  von  Carl  Friedrich  Leffing 
in  Carlsruhe  und  von  dem  feither  geftorbenen  Augufl:  Weber  vertreten.  Ihnen 
gegenüber  trat  auch  die  realiflifche  Düffeldorfer  Richtung  in  voller  Kraft  auf, 
zunächfl  getragen  durch  die  beiden  Brüder  Achenbach,  Andreas,  der  im 
Norden,  am  Mühlbach,  wie  am  Seegeflade  und  in  den  Canälen  Ofl;ende's  heimifch 
ifl,  Oswald,  der  Italien  fammt  dem  Gefchlecht,  das  heut  auf  diefem  Boden 
wandelt,  mit  ebenfo  frappanter  Kühnheit  fefthält.  Beide  überftrahlte  aber  diesmal 
noch  Hans  Guide  in  Carlsruhe,  der  mit  ebenbürtiger  Meiflerfchaft  ein  Gefühl 
für  Schönheit  der  Linien,  für  vollendete  Abwägung  der  Maffen  verbindet  und 
neben  der  Keckheit  der  beiden  Achenbach,  die  oft  darauf  ausgeht,  gerade  im 
Fefthalten  des  fcheinbar  Zufälligen  ihre  volle  Macht  zu  zeigen,  die  beruhigte 
Kraft,  die  zur  Anmuth  zurückgekehrt  ifl,  offenbart.  Waffer  und  Luft  malt  er 
mit  gleicher  flofflicher  Wahrheit  wie  vollendeter  Wirkung  des  Tons.  Das  Bild 
auf  der  deutfchen  Seite ,  der  Hafen  von  Chriftiania  mit  glitzerndem  Sonnenlicht 
auf  der  fpiegelklaren  Fluth,  ifl;  ebenfo  vollendet  wie  das  gröfsere  Gemälde  im 
Saal  der  Norweger,  das  hier  gleich  mit  erwähnt  fei,  der  Nothhafen  an  der  nor- 
wegifchen  Küfte  bei  Sturm,  Regen  und  wild  bewegten  Wellen,  mit  den  düftern 
Felfen,  die  fich  vom  lichteren  Himmel  abheben. 

Von  Düffeldorfer  Landfehaftern  feien  noch  Oeder,  Frifche  fo.vvie,  in  Bildern 
aus  Italien,  namentlich  Hertel  erwähnt.  Burnitz  in  Frankfurt  a.  M.  geht  bei 
fchlichten  Anfichten  aus  der  nächften  heimathlichen  Umgebung  mit  Glück  auf 
die  feinen  Tonwirkungen  nach  Art  der  franzöfifchen  Landfchaftsmaler  aus.  Eine 
verwandte  Richtung  bildet  fich  unter  einer  jüngeren  Künftlergruppe  in  Weimar, 
Fedderfen,  Flickel,  von  Gleichen-Rufswurm  heran,  während  zugleich 
Graf  Kalkre  uth  von  neuem  durch  mehrere  ftimmungsvoUe  Alpenlandfchaften 
vertreten  war,  und  Meifter  Friedrich  Preller  eine  jener  grofsartigen  ftilvollen 
Compofitionen  gebracht  hatte,  die  nur  in  der  Oelmalerei  bei  weitem  nicht  fo  wie 
in  der  monumentalen  Technik  zur  Geltung  kommen. 


45* 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN.  357 


358  PLASTIK  UND  MALEREI. 


Die  Miinchencr  Schule  hatte  eine  folche  Fülle  von  Landfchaftsbildern  ge- 
liefert, dafs  fie  fafl  ermüdend  wirkte,  aber  unter  diefen  waren  Meifterwcrke,  wie 
die  beiden  Ifargegenden  von  dem  nun  verflorbenen  Eduard  Schleich,  wie  die 
vier  Gemälde  von  Augufl;  Lier.  Von  letzterem  fanden  wir  eine  hochpoetifche, 
grofse  Abendlandfchaft;  nicht  minder  fchön  find  zwei  Seitenftücke  hohen  Formats, 
ein  einfamer  herbülicher  Wald  mit  flillem  Gewäffer  in  abendlicher  Stimmung  und 
ein  Frühlingsbild:  der  Eingang  eines  Dorfes,  Bäume,  an  denen  die  erften  Blüthen 
imd  Blätter  fpriefsen,  Schafe  auf  der  Weide,  ein  altes  Weib,  das  feines  Weges  zieht, 
das  Ganze  ebenfo  freudig  und  heiter  wie  jenes  fchwermüthig  in  der  Stimmung, 
endlich  eine  Landflrafsc  im  Herbftregen,  von  aufserordcntlich  wahrer  und  frap- 
panter 15eobachtung.  Im  Ganzen  waren  von  den  Münchenern  viele  cunventionelle 
Alpenanfichten  vorhanden,  um  der  »fchönen  Gegend«  willen  gemalt,  aber  auch 
eine  Reihe  guter  Bilder,  meift  einfachen  Charakters  von  Blau,  Willroider, 
Paul  Weber,  Roth,  Splittgerber,  Pofchinger,  Robert  Schleich, 
Ebert,  Rafch  und  Anderen,  Winterlandfchaften  von  Stademann,  ein  gutes. 
Gletfcherbild  von  Steffan,  eine  fchöne  Waldland fchaft  von  Kotfch. 

Der  berühmte  Thiermaler  Friedrich  Voltz  war  durch  ein  paar  gute,  neben 
früheren  Arbeiten  aber  keineswegs  übcrrafchende  Gemälde  vertreten.  Als  feine 
Nachfolger  erfcheinen  Mali  und  Baifch,  während  Braith  durch  feinen  derben 
Realismus  und  feinen  kecken  Vortrag,  doch  ohne  vollkommen  ruhige  malerifche 
Haltung,  P^indruck  macht.  Als  Mufter  im  Thierftück  erfchien  diesmal  Otto 
Gebier,  der  die  Schafe  ganz  unvergleichlich  malt,  nicht  nur  die  Erfcheinung  mit 
merkwürdiger  naturaliflifcher  Sicherheit  feflhält,  fondern  auch  des  phyfiognomi- 
fchen  Ausdrucks  Herr  ifl  und  die  Thiere  wirklich  als  Individuen  charakterifirt. 
Das  machte  es  ihm  möglich,  fie  hier  in  eine  pikante,  genrehafte  Situation  zu 
verfetzen;  die  Heerde,  den  Leithammel  an  der  Spitze,  nähert  fich  neugierig  der 
Studie  eines  Malers,  die  Eins  ihres  gleichen  darftellt,  während  der  Hund  in  der 
Abwefenheit  feines  Herrn  treulich  Wacht  hält  und  eben  bei  vorläufiger  Zurück- 
haltung den  Augenblick  abwartet,  in  dem  er  einzugreifen  hat.  Könnte  man  es 
auch  für  zweifelhaft  halten,  ob  der  Künftler  recht  daran  that,  feinen  Gegenfland 
in  dies  Gebiet  hinüberzufpielen,  fo  ifl  es  doch  hier  jedenfalls  mit  dem  herx.hafte- 
flen  Humor  und  ohne  ein  Hinauffchrauben  des  Thierlebcns  über  feine  Grenzen 
gefchehen.  —  Von  Berliner  Thiermalern  war  der  früh verflorbene  geniale  S  c  h  m  i  t  f  o  n 
durch  ein  paar  ältere  Studien  und  Bilder  repräfentirt ;  Brendel,  Ockel,  Stef- 
feck  crfchienen  in  gewohnter  Qualität.  Adolph  Schreyer  in  P'rankfurt  a.  M- 
bewährte  fein  ficheres  malerifches  Gefühl,  feinen  breiten,  in  franzofifcher  Schule 
gebildeten  Vortrag,  feine  überzeugende  Tonwirkung  in  mehreren  Bildern,  deren 
fchönftes  ein  wallachifcher  Wagen  bei  trübem  Wetter  auf  fumpfiger  Strafse  ifl. 
—  Unter  den  Stillleben  ift  eine  gröfsere  Arbeit  von  Augufte  Schepp  in  Carls- 
ruhe, fehr  fleiffig  und  namentlich  in  der  Behandlung  der  todten  Vögel  wahr  und 
gediegen.  Die  Blumenmalerei  fchienc  für  die  Deutfchen  fafl  eine  untergegangene 
Kunft,  wäre  nicht  des  verflorbenen  Victor  Müller's  Blumenmädchen,  mit 
feinem  wundervollen  Reichthum  glühender  F"arben  und  feinem  bezaubernden 
decorativen  Gefchick  vorhanden  gewefen. 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN.  359 


In  der  öflcrreichifchen  Abtheilung  der  VVeltausftellung  vermifste  man 
noch  mehr  als  in  der  deutfchen  die  Gefchloffcnheit  der  Entwickelung  und  der 
künftlenfchen  Ausbildung.  Die  Verfchiedenheit  der  Nationalitäten,  welche  diefen 
Staat  bilden,  hat  an  fich  fchon  die  Folge,  dafs  die  lunzelnen  fich  bald  von  diefer, 
bald  von  jener  Richtung  und  Schule  angezogen  fühlen.  Immerhin  überwiegt  das 
deutfche  Element,  und  unfer  modernes  deutfches  Kunftleben  wäre  lückenhaft, 
wenn  wir  nicht  das,  was  Oefterreich  hervorgebracht  hat,  mit  hinzurechnen 
könnten.  Nur  in  der  öfterreichifchen  Abtheilung  fanden  wir  heute  noch  eine  Er- 
innerung an  jenen  grofsen  Umfchwung  in  der  deutfchen  Kunfl,  welchen  Corne- 
lius und  Overbeck  am  Anfang  diefes  Jahrhunderts  durchfetzten ,  in  den  Werken 
von  Jofeph  Führich,  der  einfl  als  einer  der  bedeutendflen  und  felbftändigflen 
Nachfolger  auf  Overbeck's  Bahnen  weiterging.  Nicht  fowohl  zwei  kleinere  Ge- 
mälde, die  in  der  Farbe  gar  zu  fehr  den  heutigen  Anfprüchen  gegenüber  zu- 
rückbleiben, als  zwei  grofse  Kartons :  das  jüngfle  Gericht  und  der  Sturz  der  Ver- 
dammten, zeigten  fein  mächtiges  Compofitionstalent,  und  am  anziehendften  tritt 
er  uns  als  lUuftrator  entgegen,  ebenfo  fein  Stilgefühl  wie  feine  finnige  Erfindung, 
feine  milde  Gefühlswärme  offenbarend,  in  den  Zeichnungen  zur  Nachfolge  Chrifti 
und  zur  Parabel  vom  verlorenen  Sohn. 

Eine  ebenfalls  fchon  abgefchloffene  Epoche  vertraten  die  Friescompofitionen 
für  die  Univerfität  in  Athen  von  dem  verflorbenen  Carl  Rahl,  der  unter  den 
Meiftern  des  idealen  Stils  es  wie  kein  Anderer  verftand,  auch  die  Farbe  zu  mo- 
numentalen Zwecken  auszubilden  und  Hand  in  Hand  mit  der  Architektur  zu 
fchaffen.  Dafs  diefe  Eigenfchaften,  dafs  überhaupt  fein  Geifl  und  fein  Stil  noch 
immer  in  feiner  Schule  lebendig  find,  wurde  auf  der  Ausftellung  durch  die  Farben- 
fkizzen  von  Griepenkerl  für  den  Sitzungsfaal  der  Akademie  der Wiffenfchaften 
in  Athen  bewiefen. 

Einer  der  geiftvoUflen  und  bedeutendflen  unter  Wiens  modernen  Malern  ifl; 
Heinrich  von  Angeli.  Von  neuem  fah  man  hier  diejenigen  Bilder  von 
feiner  Hand,  die  feinen  Ruhm  begründet  haben,  das  dramatifch-bewegte,  meifter- 
lich  durchgebildete  Genrebild  »Der  Rächer  feiner  Ehre«  und  das  vornehme 
Portrait  einer  fchwarzgekleideten  Dame;  noch  ein  kleineres  italienifches  Genre- 
bild :  ein  Geifllicher ,  welcher  einem  Weibe  aus  dem  Volke  die  Abfolution  ver- 
weigert, und  mehrere  Bildniffe  kommen  hinzu.  Feuriger  Schwung,  hinreifsende 
Genialität  find  eigentlich  nicht  Angeli's  Eigenfchaften,  wohl  aber  eine  nach  jeder 
Seite  hin  ausgebildete  Meifterfchaft  in  Farbe,  P'orm  und  malerifcher  Auffaffung. 
Dem  gröfseren  wie  dem  kleineren  Mafsftabe  bequemt  er  fich  ftilvoll  an;  dort 
gelingt  ihm  eine  gediegene  Nobleffe,  hier  eine  reizvolle  J-^leganz ;  die  feine 
Durchbildung  jedes  Details,  die  meifterhafte  Stoffmalerei  treffen  mit  aufser- 
ordentlicher  Sicherheit  der  P^xiftenz  aller  Figuren  im  Räume  zufammen.  Da- 
neben behauptet  fich  aber  der  dramatifche  Gehalt  der  dargeftellten  Scenen,  der 
Ausdruck  der  Empfindungen  und  Leidenfchaften  in  ungefchmälerter  Kraft,  mag 
auch  immerhin  die  kühle  Kefonnenheit,  mit  welcher  Angeli  die  malerifchen 
Mittel  handhabt,  etwas  von  ihrem  Wefen  auf  die  geiflige  Auffaffung  übertragen. 

Unter  Angeli's  Bildniffen  erblickten  wir  auch  das  Portrait  des  Kaifers  Franz 
Jofeph  in  ganzer,   lebensgrofser  Figur,  welches  durch  feine  ftilvojle  Schlichtheit 


H60 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


iiv.za,  von   Leon   lloiinat. 


und  klare  Beftimmtheit  in  der  Charakteriftik  Eindruck  macht.  Bei  diefer  Auf- 
gabe hatte  der  Künftler  einen  hervorragenden  Concurrenten  in  Franz  Lenbach, 
von  dem  ebenfalls  ein  grofses  Bildnifs  des  Monarchen  zu  fehen  war.  Diefes  aber 
befriedigt  bei  weitem  nicht  fo  fehr,  wie  andere  Schöpfungen  des  Künfllers.  Die 
weifse  Uniform  in  Verbindung  mit  den  rothen  Höfen  ift  an  und  für  fich  un- 
günftig,  aber  Angeli  hat  bewiefen,  dafs  fich  diefe  Schwierigkeit  überwinden  läfst. 
Lenbach  dagegen,  fonfl  ein  hervorragender  Colorift,  ifl  derfelben  nicht  Herr  ge- 
worden. Die  farbige  Gefammtwirkung  ift  hart,  die  Wolken,  die  fich  im  Hinter- 
grunde fammeln,  wirken  unruhig  und  gefucht,  und  feltfani  irt  der  rothe  Reflex, 
der  von  den  Höfen  auf  die  Tifchdecke  fällt.  Mag  das  auch  bei  einem  Meifter 
wie  Lenbach  überrafchend  klingen,  fo  mufs  man  doch  wohl  annehmen :  die  Auf- 
gabe, ein  Portrait  im  repräfentirenden  Stil  zu  fchaft'en,  hatte  ihn,  der  nun  einmal 
im  Bildnifs  feine  eigene  Art  und  Auffaffung  hat,  genirt.  Viel  natürlicher  giebt 
er  fich  in  mehreren  anderen,   dem  Umfange    wie   der  Anordnung   nach  ziemlich 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


361 


Schild  in  getriebener  Arbeit,  von  Zuloaga  in  Madrid. 


anfpriichslofen  l^iklniffen;  namentlich  der  Kopf  Richard  Wagner's  \(\  von  claffi- 
fcher  Einfachheit  und  ficherer  Charakteriflik.  Wie  I.enbach  die  alten  Meifter  gut 
kennt  und  ihnen  technifch  viel  verdankt,  fo  empfindet  er  auch  manchmal  den 
Drang,  mit  ihnen  in  der  Auffaffung  felbfl;  zu  wetteifern,  und  zwar  in  Frauen- 
bildniffen  neuerdings  mit  Rembrandt's  Fähigkeit,  durch  Coftüm  und  Lichtwirkung 
den  Abgebildeton  einen  befonderen,  geheimnifsvollen  Zauber  zu  verleihen. 
Hierin  ift  Lenbach  ohne  Widerrede  geiftvoll,  doch  nicht  immer  ganz  natürlich, 
nur  eine  junge  Frau  in  einem  Hauskleide  von  halb  alterthümhciiem  Schnitt,  in 
einem  goldig-grün  funkelnden  Ton,  ift  ebenfo  originell  wie  lieblich. 

Das  Bedenkliche  einer  Richtung,  die  wefentlich  auf  die  Nachahmung  alter 
Meifter  ausgeht,  lernen  wir  am  deutlichften  bei  Canon  kennen.  Seine  „Loge 
Johannis",  vier  Priefler  der  verfchicdenen  chrifllichen  Confeffionen,  vereinigt  zu  den 
Füfsen  des  Chriftuskindes,   das   auf  dem  Schoofse  des  thronenden  Mofes   fleht, 


362  PLASTIK  UND  MALEREI. 


ift  doch  lediglich  durch  die  Reflexion  eingegeben.  Das  ganze  Bild  befitzt  nicht 
einen  tiefer  befeelten,  von  geiftigem  Leben  durchdrungenen,  unmittelbar  zur 
Empfindung  fprcchenden  Zug.  Und  ebenfo  waltet  auch  in  dem  Machwerk 
das  Recept  vor:  viel  Virtuofitiit ,  viel  Gefchicklichkeit  in  der  Anordnung,  viel 
Kraft  und  Bravour  in  der  Farbe;  diefe  aber  ahmt  zur  Hälfte  Rubens,  zur  Hälfte 
die  Venetiancr  ii;ich,  jedesmal  mit  Hinzunahme  des  vergilbten  Firniffes  alter 
Bilder;  von  origineller  coloriftifcher  Auffaffung  ift  keine  -Spur.  Canon  ift  ein 
glänzendes  Talent,  wenn  es  für  decorative  Zwecke  zu  fchaffen  gilt;  manche 
Einzelfiguren,  welche  diefer  Gattung  anzugehören  fcheinen,  namentlich  die  grofse 
Geflalt  eines  Jägers  im  Coftüme  der  Vorzeit,  zeigten  auch  jetzt  wieder,  was  er 
kann.  Aber  hiermit  und  mit  einigen  gelungenen  Portraits  ift  feine  Bedeutung 
erfchöpft. 

Unter  den  übrigen  Bildern  gröfseren  Formats  verdienen  dievlängft  bekannte 
»Ruhende Bacchantin«  von  Felix,  ein  in  glühendem  Colorit  gehaltenes  Bild  aus 
dem  Volksleben  Italiens,  »Taubenopfer«,  von  Jofeph  Fux  Erwähnung.  Von 
Bildniffen  fielen ,  neben  manchen  guten  Arbeiten  anderer  Künftler,  noch  zwei 
durch  eine  gewiffe  Eigenthümlichkeit  auf,  ein  junges  Mädchen  von  Rudolph 
Huber,  in  fein  abgewogener  Haltung  beinahe  farblos,  offenbar  höchft  charak- 
teriftifch;  von  Eiduard  Charlemont  eine  Gruppe  von  zwei  Knaben  im  Coftüm 
des  17,  Jahrhunderts,  bei  grofser  Fähigkeit,  das  Malerifche  der  Erfcheinung  feftzu- 
halten,  doch  von  etwas  zu  weitgehender  decorativer  Breite. 

Die  Gefammtwirkung  der  öfterreichifchen  Ausftellung  büfste  viel  dadurch  ein, 
dafs  Hans  Makart's  letztes  grofses  Bild,  Venedig  der  Katharina  Cornaro 
huldigend,  nicht  in  ihren  Sälen  zu  fehen  war.  Da  dies  Werk  aber  gewiffer- 
mafsen  nur  durcli  Zufall  hier  fehlte  und  gleichzeitig  in  Wien  an  anderem  Orte 
ausgeftellt  war,  mufs  es  jedenfalls  mit  in  Betracht  gezogen  werden. 

Uns  Allen  ift  es  noch  frifch  im  Gedächtnifs,  wie  Makart  vor  wenigen  Jahren 
mit  feiner  ungewöhnlichen  coloriftifchen  Begabung  als  ein  Phänomen  auftrat  und 
von  der  einen  Seite  eine  geradezu  leidenfchaftliche  Bewunderung,  von  der 
anderen  einen  nicht  minder  erregten  Widerfpruch  erfuhr.  Unmittelbar  nachdem 
feine  „Peft  in  P'lorenz"  aller  Orten  in  Deutfchland  eine  fo  feltene  Wirkung  ge- 
macht hatte,  gefchah  das  Ueberrafchende,  dafs  fie  in  Paris  von  der  Jury  des 
Salons  zurückgewiefen  wurde.  Keine  Prüderie  lag  dem  zu  Grunde,  wie  man  es 
fich  meiftens  in  Deutfchland  eingebildet,  fondern  ein  rein  künftlerifches  Urtheil. 
Die  Mängel  der  Zeichnung,  die  Willkür  und  die  ungenügende  Durchbildung  der 
Form  waren  für  das  Auge  der  Franzofen,  denen  gediegene  Kenntnifs  der 
Form  die  erfte  Vorbedingung  des  künftlerifchen  Schaffens  ift,  fo  anftöfsig,  dafs 
keine  noch  fo  glänzende  Eigenfchaft  anderer  Art  fie  das  Unzulängliche  diefer 
Arbeit  überfehen  laffen  konnte. 

Das  mufs  man  nun  unbedingt  dem  neuen  Werke  zugeftehen,  dafs  es  in 
diefer  Beziehung  bedeutende  P^ortfchritte  zeigt.  Jene  abfohlte  Gleichgiltigkeit 
gegen  alles  Gegenftändliche,  gegen  Inhalt  und  Geftalten,  wie  damals,  finden  wir 
hier  nicht  mehr;  jenes  ausfchliefsliche  Gefühl  für  das  harmonifche  Zufammen- 
klingen  der  Farben  an  fich,  das  —  nach  Lübke's  Ausdruck  —  diefelbe  Wirkung 
thun    würde,    wenn  man    das  Bild  auf  den  Kopf  ftellte,    ift    hier  in    beftimmte 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


363 


Grenzen  gebannt.  Auch  jene  ungefundc 
Lüfternheit  in  Situation  und  Ausdruck,  wie 
früher,  ifl  verfchwunden.  Makart's  Kraft  ifl 
entfchieden  an  der  gröfseren  Aufgabe  gewach- 
fen.  Es  kam  dabei  dem  Künfller  zu  flatten, 
dafs  er  fich  an  ein  grofses  Vorbild  hielt,  wel- 
ches in  coloriftifcher  Beziehung  feinem  Ideale 
am  meiflen  entfprach,  an  Paolo  Veronefe. 
Ein  folcher  Anfchkifs  wäre  nicht  in  jedem  Falle 
als  ein  Vorzug  anzufehcn,  wohl  aber  hier, 
da  Makart's  nach  einer  Seite  hin  aufserordent- 
liches,  fonft  aber  nicht  hinreichend  durchge- 
bildetes ,  vielfach  des  Haltes  entbehrendes 
Talent  es  nöthig  hatte,  fich  anzulehnen.  Auch 
in  diefem  grofsen  und  figurenreichen  Bilde  ging 
er  keineswegs  auf  Geflaltung  einer  dramati- 
fchen  Situation,  auf  lebendigere  Entwicklung 
der  Charaktere  und  des  Empfindungslebens 
aus,  er  ftellte  fich,  wie  meifl;  Paolo  Veronefe, 
nur  die  eine  Aufgabe,  ein  feftliches  Dafein 
zu  fchildern.  Nicht  nur  für  die  Hauptmotive 
der  Anordnung  konnte  er  fich  dabei  an  Paolo 
halten,  fondern  deffen  Welt  kam  feinen  Ab- 
fichten  auch  mit  der  ganzen  Art  ihrer  Erfchei- 
nung,  mit  ihrer  Tracht  und  Scenerie  entgegen, 
und  keiner  wird  dem  Künftler  daraus  einen 
Vorwurf  machen  wollen,  dafs  er  in  Architektur 
und  Coftümen  das.  Venedig  des  i6.  Jahrhun- 
derts fich  vor  uns  entfalten  läfst,  nicht  das 
des  15.,  wie  es  die  Aufgabe  eigentlich  mit  fich 
bringen  würde. 

Katharina  Cornaro,  welche  Giacopo  II.  von 
Lufignan,  König  von  Cypern,  zu  feiner  Ge- 
mahlin erkoren,  thront  zur  Rechten,  neben  ihr 
fleht  der  rothgekleidete  Gemahl ,  und  zur 
Huldigung  drängt  fich  Alt  und  Jung  heran, 
in  erfler  Reihe  Damen  mit  Koflbarkeiten  und 
Mädchen  mit  Blumen,  die  fich  vor  ihr  auf  die 
Kniee  werfen.  Da  fticht  ein  braunes  Weib, 
das,  aufrecht  fchreitend,  einen  Korb  auf  der 
Schulter  trägt,  dort  ein  Neger,  dann  wieder 
ein  Lautenfpieler  aus'  dem  Gewühl  hervor. 
Die  prächtigen  Stoffe,  in  welche  alle  gekleidet 
find,  das  leuchtende  P'leifch,  der  grofse  rothe 
Vorhang  über  der  llauptgiuppe,  die  Segel,  die 


liorduie,    cnlw.  v(m  C  GralT,  auägeführt 
von  C.  ürächsler  in  Wien. 


46* 


364 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Candelaber  aus  Bronze,   nach  Entwurf  von 

Ybl  ausgeführt  von  D.  Hollenbach  Söhne 

in  Wien. 


Terraffe  und  Baluflradc,  die  Architektur 
des  Hintergrundes  klingt  harmonifch,  ge- 
fattigt,  glühend,  beraufchend  in  farbigem 
Wohlklang  zufaniinen,  fo  dafs  kein  anderer 
moderner  Künftler  hierin  Makart  erreicht. 
Wundervoll  flehen  die  Figuren  im  Räume, 
fie  fmd  dabei  zu  einer  wirklichen  Compofi- 
tion  verbunden,  die  grofscn  Maffen  find  mit 
Gefchick  und  Sicherheit  bewältigt.  Die 
Wirkung  der  Farbe  ifl  bei  ihm  keine  rein 
äufserliche,  dem  Effect  allein  dienende  und 
materielle ;  fie  wird  freilich  auch  nicht,  wie 
bei  Eugene  Delacroix,  zur  Offenbarung  des 
tiefflen  inneren  Empfindungslebens,  aber 
einen  poetifchen  Zauber  übt  fie  dennoch 
aus.  Widerliche  Züge ,  wie  fie  fonft  bei 
Makart  ftörten ,  find  kaum  vorhanden; 
höchftens  fehlt  es  dem  kleinen  Mädchen 
in  der  Nähe  der  Hauptfigur  an  Natürlich- 
keit und  Gefundheit  des  Ausdrucks.  Dann 
kann  man  vielleicht  fagen,  dafs  die  Geftalt 
des  rothen  Gondoliers,  der  fich  fcitwärts 
im  Vordergrunde  von  dem  blauen  Gondel- 
zelt abhebt,  zu  fchreiend  und  zu  abficht- 
lich  auf  den  Farbeneffect  fpeculirt. 

Mifst  man  freilich  Makart  an  feinem 
grofsen  Vorbilde,  fo  mufs  man  zugeben: 
jene  Feinheit  der  Uebergänge,  jene  Mäfsi- 
gung  und  Zartheit  mitten  im  Reichthum, 
wie  Paolo  Veronefe,  erreichte  er  nicht; 
beifpielsweife  behandelt  er  die  Luft,  die 
Architektur  des  Hintergrundes  viel  zu  wuch- 
tig und  materiell.  Vor  Allem  aber  fehlt 
Makart  eins:  die  eigentliche  Individualifirung. 
Seine  Geftalten  find  nur  da,  um  diefe  Stoffe 
zu  tragen  und  um  fich  in  diefe  Gruppen  zu- 
fammenzufchlicfsen.  Nirgend  finden  wir 
eine  Pcrfönlichkeit,  die  zum  wirklichen  Cha- 
rakter herausgebildet  ifl,  nirgend  ein  Auge, 
aus  dem  wahres  geifliges  Leben  fpricht. 
Eine  gewiffe  Lähmung  fcheint  die  Figuren 
zu  bannen,  ein  Scfileier,  durch  welchen 
Bewufstfein  und  Wille  nicht  hindurchblicken 
können ,  liegt  über  den  Gefichtern ;  halb 
traumwandelnd   erfcheinen  diefe  Menfchen 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


365 


vor  uns.  Das  ift  ein  —  im  bedenklichen  Sinne 
des  Wortes  —  moderner  Zug,  der  Makarl's  Werk 
nicht  zu  jener  gefunden  Freudigkeil  und  Sicher- 
heit des  Dafeins  kommen  iäfst,  wie  fie  die  Werke 
der  grofsen  Venotianer  athmen.  Er  ifl;  aus  die- 
fem  Grunde  kein  grofser  Ki.inftler,  fondern  ein 
Virtuofe  erflen  Ranges;  als  folcher  aber  ift  er 
diesmal  für  uns  in  höherem  Grade  und  reiner 
als  fonfl  geniefsbar,  weil  er  feine  Bravour  mehr 
in  der  Gewalt  hat. 

Die  Schlachtenmalerei  war  in  den  öflerreichi- 
fchen  Sälen  faft  reicher  vertreten  ,  als  in  denen 
des  deutfchen  Reiches.  Alte  Siege  Oefterreichs 
find  für  den  Kaifer,  den  Erzherzog  Albrecht  oder 
für  l'erfönlichkeiten  der  hohen  Ariftokratie  von 
Sigmund  1 '  A 1 1  e  m  a  n  d  und  von  W  i  1  h  e  1  m 
Emelc  (jetzt  in  Karlsruhe)  gemalt  worden. 
Erfterer  ift  überlegen  in  dem  malerifchen  Erfaffen 
der  Situation,  verbunden  mit  feiner  und  beftimm- 
ter  Durchbildung,  während  Letzterer  im  Ein- 
zelnen von  gediegenen  Studien  Zeugnifs  ablegt. 

Unter  den  hiftorifchen  Genrebildern,  das 
hcifst  folchen ,  in  denen  Coflüm  und  Scenerie 
einer  früheren  Epoche  das  malerifch  beflimmende 
Element  bilden,  war  keines  vorhanden,  das  an 
Angeli's  Rächer  feiner  Ehre  auch  nur  entfernt 
heranreichte.  Sehr  hübfch  trifft  Franz  R  üben 
in  feinem  Turnier  aus  der  Zeit  Kaifer  Maximilian's 
den  rechten  Ton ;  die  Liebe  und  zugleich  die 
Lebendigkeit,  mit  welcher  er  fich  in  die  Vorzeit 
verfetzte,  fprechen  aus  jedem  Zuge.  Eugen 
Blaas  bewies  im  Jahre  1867  durch  ein  kleines 
Bild  „Decamerone,"  Jünglinge  und  Damen  im 
altflorentiner  Coflüm,  die  fich  in  der  Kirche 
finden,  coloriflifche  Begabung,  Sinn  für  die  hifto- 
rifchen Erfcheinungsformen  und  liebenswürdige 
Aimiuth.  Jetzt  befitzt  man  neben  diefem  Ge- 
mälde mehrere  fpätere  und  mufs  leider  conftati- 
ren,  dafs  jedes  folgende  fchwächer  wird.  Wil- 
helm Koller,  jetzt  in  Brüffel,  ift  ganz  der  ge- 
fuchten  Alterthümelei  anheimgefallen,  welche 
dort,  unter  Einflufs  von  Leys,  fich  wie  eine 
Krankheit  eingeniftet  hat. 

Nur  da  giebt  es  Gefundheit  in  der  Kunft, 
wo    der  Künftler  mit  eigenen  Augen   ficht,    wo 


Lampenftänder  v. 


366 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


er  felbfl  ein  Verhältnifs  zur  Natur  hat  und  frei  von  aller  Angewöhnung  unbe- 
fangen zu  geben  weifs,  was  er  fieht.  Was  A.  Pettenkofen  in  feinen 
kleinen  Genrebildchen  —  zweiundzwanzig  fah  man  ausgeflellt  —  befonders 
auszeichnet,  ifl  nicht  blos  das  malerifche  Gefchick,  durch  welches  er  mit 
den  bcflen  Franzofen  wcitteifert,  fondern  die  Sicherheit  des  Blicks,  mit  der  er 
flets  den  Nagel  auf  den  Kopf  trifft.  Seine  Stoffe  behcrrfcht  er  unbedingt,  die 
Menfchen  wie  die  landfchaftliche  Umgebung,  in  die  fie  hineingehoren,  mag  er 
buntes  ungarifches  Markttreiben  oder  das  Landvolk  bei  feiner  Arbeit,  die  luftige 
Fahrt  flotter  Gefellen  durch  die  weite  P'läche  oder  das  hagere,  braune,  feltfamc 
Volk  der  Zigeuner  darflcllcn,  das  fich  im  kümmerlichftcn  Dafein  wohl  fühlt. 
Niemals  eigentlich  hiimoriftifch,  ifl  dabei  Pettenkofen  immer  geiflreich,  frappant. 


Battiktirter  Stoli 


echt  malerifch.  Alois  Schönn  ifl  in  feinen  figurenreichen  Bildern  aus  dem 
italienifchen  Volksleben  mitunter  etwas  bunt,  was  trotz  der  lebendigen  Be- 
obachtung flört;  dagegen  find  ihm  der  Vorhof  einer  Synagoge  und  der 
Gänfemarkt  in  Krakau  mit  den  höchft  charakteriftifchen  Geflalten  polnifcher 
Juden  wohlgelungen.  Eine  ältere  Richtung  unter  den  Wiener  Genremalern  ver- 
tritt Friedrich  Friedländer,  dem  es  mcift  darauf  ankommt,  zunächfl  durch 
das  Gcgenftandlichc  an  fich  zu  intereffiren,  dem  Publicum  irgend  eine  Gefchichte 
zu  erzählen.  Manchmal  gefchieht  diefes  nicht  ohne  Glück,  gewöhnlich  aber 
bleibt  der  malerifche  Werth  zu  fehr  zurück,  der  Witz  ift  abfichtlich,  der  morali- 
firende  Beigefchmack  ftört.  Auch  ein  jüngerer  Maler,  der  fich  der  Münchener 
Schule  angefchloffen ,  Kurzbauer,  hat  ein  gröfseres  Genrebild  von  ausge- 
fprochen  novelliftifchem  Charakter  gemalt  und  damit  Erfolg  gehabt:  „Die  ereilten 
Flüchtlinge".  Auch  hier  fehlt  es  nicht  an  einem  moralifirenden  Beigefchmack, 
aber  die  Situation  ift  jedenfalls  dramatifch  entwickelt,  bei  zahlreichen  Neben- 
figuren, die  alle  lebendig  in  die  Handlung  hieingezogen  find. 

Die  jüngere  Generation   der  Wiener   Landfchaftsmalcr    dankt  gröfstentheils 
Albert   Zimmermann,    dem  Meifter  ftrengen,   heroifchen  Stils,  der   diesmal 


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IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


367 


indeffen  nicht  zu  feinem  Vortheilc  erfchien,  ihre  erfle  Ausbildung,  hat  fich  aber 
in  der  Folge  ganz  andern  Richtungen  in  die  Arme  geworfen.  Sie  wirkt  nicht 
durch  Compofition  und  Linienführung,  fondern  durch  den  Ton,  unter  Einwirkung 
der  neueren  franzöfifchen  Landfchaftsmalerei.  Unter  Allen  gebührt  Eugen 
Jettel  der  Preis,  der  überall  ein  zartes  Stimmungsleben  entfaltet,  in  feinen 
Strandbildern,  wie  in  der  duftigen  Partie  aus  Oberbayern  mit  See,  Tannenwald, 
Bergen,  die  von  Wolken  verhüllt  find,  und  Krähen  als  der  einzigen  Staffage. 
Hugo  Charlemont  folgt  einer  verwandten  Richtung.  Daneben  erwähnen  wir 
Seelos,  Schäffer,  Schindler,  Obermüllner,  Lichtenfcls.  Der  belgi- 
fchen  Technik  fteht  Robert  Rufs  nahe,  der,  befonders  in  einer  Anficht  aus 
Rotterdam  mit  Windmühlen ,  Canälen  und  lebendiger  Staffage ,  Kraft  des  Tons, 


liaitiktirte  Stdrt'e  aus  Sumalia. 


breiten  Vortrag  und  perfpectivifch  wirkungsvollen  Aufbau,  bei  kühner  Wahl 
eines  nahen  Augenpunktes,  zeigt.  Strengeren  Stil  haben  die  egyptifchen  Land- 
fchaften  von  Bernhard  P"iedler  aus  Berlin,  jetzt  in  Trieft.  Auch  der  Thier- 
maler  Otto  von  Thoren,  der  fich  ganz  der  franzöfifchen  Schule  angefchloffen, 
wirkt  durch  die  fichere  Beherrfchung  des  landfchaftlichen  Stimmungslebens. 
Neben  ihm  fei  von  den  Thiermalern  noch  Bühlmeyer  genannt.  1-Indlich  darf 
Max  Schödl  nicht  vergeffen  werden  mit  feinen  ganz  kleinen,  äufserfl  feinen 
Stilleben,  auf  denen  Gefäfse  und  Geräthe,  von  grofser  Accurateffe  und  Wahr- 
heit in  der  Wiedergabe  des  Materials,  die  Hauptrolle  fpielen. 

Einen  befonderen  Genufs  gewähren  endlich  zwei  Meifter  im  Aquarell : 
Rudolph  Alt  und  Ludwig  Paffini.  Vergleicht  man  Alt,  von  dem  wir  An- 
flehten von  Rom's  Ruinen,  vom  Innern  der  Peterskirche,  von  einer  Ecke  des 
Dogenpalaftes  in  Venedig  fanden,  mit  Carl  Werner  in  Leipzig,  von  dem  in 
einem  der  Nebenpavillons  mehrere  vorzügliche  Anfichten  aus  Italien,  Egypten, 
dem  Orient  vorhanden  waren,  fo  finden  wir  nicht  das  Streben,  das  Einzelne, 
namentlich  in  den  architektonifchen  Partien,  miniaturartig  fein,  mit  äufserfter 
Schärfe  wiederzugeben,  fondern  Alt  geht  zunächft  auf  die  malerifche  Gefammt- 


36S 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Garnitur  in  Kryftallglas,  von   Luiji.it). 


Wuii. 


Wirkung  .lus,  erreicht  fie  bei  fchüchtem  Vortrag  mit  (chlagender  Sicherheit,  ift 
im  Architektonifchen  aber  ebenfo  charakteriftifch  wie  in  der  landfchaftlichen  Hal- 
tung und  fetzt  die  Staffage  lebendig  und  meiflerhaft  an  ihren  Platz.  —  Wie  er 
die  Gegenden  und  Bauwerke,  fo  fchildert  Paffini  die  Menfchen  Italiens.  Er 
dringt    ganz   in   ihren    Charakter   ein,    verbindet  aber  mit    dicfer  klaren   Objec- 


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IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


369 


Detail  der  Holzarcaden  des  Ausftelluiigsplalzes,  gezeichnet  von  F.  Baidinger. 

tivität  des  Blickes  einen  ungewöhnlichen  Sinn  für  das  Schöne  im  Volksthuni. 
Das  prägt  fich  in  der  ungefuchten  Anmuth  der  Kinder  beim  Religionsunterricht, 
wie  in  der  ruhigen  Würde  der  geiftlichen  Herren  in  ihren  Chorflühlen  aus.  Da 
wo  andere  Schilderer  des  Volksthums  den  Ton  des  Humors  anfchlagen  würden, 
ifl  ihm  ein  kaum  merklicher  Hauch  der  Ironie  genug.  Mag  er  uns  alltägliche 
Geftalten  vorführen,  fo  feffcln  fie  uns  doch  immer  durch  ein  befonderes  geifliges 
.  Intereffc.     Mitunter  fleigert  der  Künfller  den  Ausdruck   in  das  echt  Dramatifche, 


47 


370  PLASTIK  UND  MALEREI. 


wie  in  der  „Beichte",  einem  Blatte  mit  nur  zwei  kleinen  Figuren,  der  Dame  in 
Schwarz,  die,  tief  erregt,  bekennt,  und  dem  Priefter,  der  ernfl,  "voll  geiftiger 
Würde  mit  dem  Blick  ihr  Innerftes  durchdringt.  Auch  in  zwei  Kinderporträten 
ift  Paffini  cbenfo  einfach  wie  liebenswürdig,  und  hier,  wie  ftets,  bei  vollendeter 
Meifterfchaft  und  Grazie  des  Vortrags  ohne  die  leifefte  Gefallfucht. 

Die  öflerreichifchen  Maler,  von  denen  wir  bisher  gcfprochen,  find  meifl 
deutfcher  Abflammung  oder  haben  wenigflens  alle  deutfche  Bildung  genofTen. 
Dagegen  war  auf  der  Ausftellung  eine  ungewöhnliche  Erfcheinung  vorhanden,  in 
der  fich,  in  Gefinnung  und  in  künftlerifcher  Erziehung ,  eine  andere  Nationalität 
mit  voller  P.ntfchiedenheit  ausfpricht:  der  Pole  Jan  Matejko  aus  Krakau. 
Er  erfchien  in  diefen  Räumen  als  fremdartige  Natur,  trat  aber  dabei  wuchtig 
genug  auf,  mit  fechs  Bildniffen  und  vier  grofsen  Gefchichtsbildern.  Diefe  be- 
herrfchten  den  Saal,  in  welchem  fie  hingen,  vollfländig,  indem  die  deutfch-öfter- 
reichifchen  Maler  ihnen  nichts  an  die  Seite  zu  fetzen  hatten,  was  an  Umfang 
und  mächtiger  Charakteriftik  auch  nur  entfernt  heranreichte.  Für  meine  Em- 
pfindung wirkten  die  Bildniffe  am  beften,  ganz  befonders  das  Porträt  eines  fchwarz 
gekleideten  Gelehrten  von  ausgefprochen  flavifchem  Nationaltypus,  geiflvoU, 
höchft  individuell  und  von  gefchloffcner  malerifcher  Haltung.  Noch  mehr  zog 
das  Porträt  einer  fchwarz  gekleideten  Dame  mit  weifsem.  Spitzenkragen  und 
blonden  Locken,  effectvoll  fich  von  einem  ziemlich  hellen  Teppich  -  Hintergrund 
abhebend,  die  Augen  auf  fich.  Das  magere,  etwas  verlebte  Geficht,  das  Arifto- 
kratifche  der  Tournure  wirken  feffelnd  und  pikant,  nur  die  gar  zu  männlichen 
Hände  fallen  auf.  Ein  anderes  Damenbildnifs  flöfst  durch  den  unangenehm 
violetten  Fleifchton  ab.  Eine  Gruppe  von  drei  Kindern  macht  den  Eindruck 
des  aufserordentlich  Naturwahren  und  Charakteriftifchen ;  aber  wie  ifl  es  möglich, 
Kinder  fo  anmuthlos  aufzufaffen !  Dafs  bei  dem  Künftler  neben  vielen  ganz  emi- 
nenten Eigenfchaften  doch  die  Grazien  ausgeblieben  find,  ift  das  Refultat,  das 
feine  hiftorifchen  Gemälde  beftätigen.  Das  unerfreulichfte  derfelben  ift  Kopernicus 
—  natürlich  in  feiner Eigenfchaft  als  Pole! — der  in  ziemlich  leerer,  theatralifcher 
Begeifterung  auf  feiner  Sternwarte  einen  Monolog  hält,  das  bedeutendfte  eine 
Predigt  des  Jefuiten  Skarga,  welcher  auf  feine  vornehmen  Zuhörer  einen  er- 
fchütternden ,  in  jedem  Charakter  fich  mächtig  ausprägenden  Eindruck  hervor- 
bringt. Aber  auch  dies  Bild  hat  eine  ftörende  Eigenfchaft,  über  die  man  fich 
nicht  hinwegfetzen  kann,  den  ungefunden  violetten  Ton,  den  auch  Matejko's 
berühmtes  Bild  im  Belvedere,  dem  keines  der  im  Prater  ausgeftellten  gleichkommt, 
die  polnifche  Reichstagsfcene,  befitzt. 

In  den  beiden  neuen  grofsen  Bildern  hat  fich  Matejko  darüber  hinausgear- 
beitet, aber  auch  hier  ift  die  malerifche  Haltung  keine  glückliche.  Eine  über- 
rafchende  Bravour  tritt  in  jedem  einzelnen  Zuge  hervor.  Sie  rundet  die  Figuren 
meifterhaft  ab  und  läfst  fie  plaftifch  heraustreten,  fie  beherrfcht  die  Farbe  zum 
Zwecke  naturaliftifcher  Wirkung,  fie  glänzt  in  der  Stoffmalerei.  Aber  das  Ganze 
erfcheint  fleckig  und  unharmonifch,  ohne  jede  Ahnung  von  der  abgewogenen 
Licht-  und  Schattenwirkung,  die  allein  das  Bild  zum  Bilde  machen  kann,  ohne 
wahre  Exiftenz  der  Figuren  im  Räume,  ohne  eigentliches  Stilgefühl.  In  dem 
Allen   oflfenbart  fich  gerade  bei  fo  mächtiger  künftlerifcher  Kraft    ein  Zug   des 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


371 


Barbarifchcn ,  ja  des  Brutalen ,  und  diefen  wird  auch  die  Darftellung  der 
Handlung  felbfl:  nicht  los.  Befonders  gilt  das  von  dem  Könige  Stephan  Bathory, 
den  die  ruffifchen  Gefandtcn  um  Frieden  anflehen,  diefe  von  wahrhaft  thierifcher 
Rohheit,  der  König  von  Natur  mifsgeftaltet  und  widerwärtig  im  Ausdruck, 
während  die  Befchwörung  der  Union  zwifchen  Polen  und  Lithauen  unter  König 
Sigismund  Augufl  (1569)  immerhin  durch  die  kühne  Sicherheit  imponirt,  mit 
welcher  bei  einer  folchen  Haupt-  und  Staatsaction  dramatifche  Charaktere  in 
Scene  gefetzt  find.  Dafs  ein  Kunftwerk  zum  äfthetifchen  Gefühl  zu  fprechen,  dafs 
es  fich  an  das  tiefere  Empfindungsleben  zu  wenden  habe,  kam  freilich  Matejo 
nicht  in  den  Sinn.  Es  ifl:  etwas  Eigenes  um  die  hiftorifchen  Stoffe :  fie  find  dem 
Vcrftändnifs  des  Bcfchauers   nur   mit  Mühe  zugänglich,  fie  find  nur  feiten  wahr- 


Seffelbezug,  türkifche  Seidenflickerei  mit  Gold. 

haft  malerifch  günftig,  fie  laffen  durch  die  Bedingungen,  die  in  ihnen  liegen,  fo 
feiten  das  rein  Menfchliche,  das  wahrhaft  Künfl:lerifche  zur  Geltung  kommen; 
und  wenn  man  das  Goethe'fchc  Wort:  »das  Befle  an  der  Gefchichte  ifl:  der 
Enthufiasmus,  den  fie  erregt,«  auf  die  Hiftorienmalerei  anwenden  wollte,  fo  würde 
fich  nur  fragen,  was  für  ein  Enthufiasmus  denn  gerade  von  der  polnifchen  Ge- 
fchichte hervorgerufen  werden  kann? 

In  keinem  Saal  der  ganzen  Kunfliausftellung  trafen  wir  ein  fo  buntes  Durch- 
einander wie  in  dem  ungarifchen:  Gemälde,  Zeichnungen,  Aquarelle,  Kupfer- 
fl;iche  hingen  an  denfelben  Wänden.  Oben  fchloffen  die  Cartons  von  Lotz 
und  Moriz  Than  für  den  Fries  im  Treppenhaufe  des  National  -  Mufeums  das 
Ganze  ab.  Beide  find  Schüler  des  verftorbenen  Rahl  und  haben  fich  hier  in  wür- 
digen, edlen  hiftorifchen  Compofitionen,  die  freilich  keine  hervorragende  Origina- 
lität verrathen,  bewährt.  Im  Uebrigen  merkt  man  bei  Than  in  Stil  und  Farbe 
nur  noch  wenig  von  diefer  Schule,  mag  er  fich  gleich  in  phantafl;ifchen  wie  rea- 


47« 


372 


PLASTIK  UND  MALEREL 


len  Stoffen,  in  Scencn  aus  Dichtern  wie  in  grofsen  Gefchichtsbildern  verfuchcn. 
Das  Bildnifs  von  Franz  Pulszky  ift  ihm  noch  am  heften  gelungen.  Was 
man  von  Liezenmeyer  und  Alexander  Wagner  fah,  gehört  zu  den 
mäfsigercn  Productionen  der  Piloty'fchen  Schule.     Im  Uebrigen  konnte  man  fich 


Gläfemer  Krug,  mit  Silber  befchlagen,  von  Lobmeyr  in  Wien. 


die  Betrachtung  der  grofsen  ungarifchen  Hiftorienbilder  fchenkcn;  ein  gcfchicht- 
lich  bedeutender  Stoff  giebt  an  fich  noch  kein  Bild.  Von  GuftavKeleti,  L. 
Paal  und  Victor  Meszöly  fanden  wir  hübfche.Landfchaftcn.  Im  Ganzen 
trat  uns  aber  nur  eine  bedeutendere  und  eigenthümliche  Künftlerperfönlichkcit 
in  diefem  Räume  gegenüber:  Michael  Munkacfy. 

Erft  vor  wenigen  Jahren  trat  er  mit  einem  Bilde,  dem  Verurtheilten,  auf  und 
hatte  in  Deutfchland  wie  in  Frankreich  durchfchlagenden  Erfolg.  In  eine  duftere 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


373 


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Vafe  in  (Uas   und  üronze,  entworfen  von  Hänfen,  ausgeführt  von  Lobmeyr  in   Wien. 


und  niedere  Sphäre  des  Lebens  hinabfteigend ,  wufste  er  aus  diefer  ein  drama- 
tifch  erfchütterndes  Bild  zu  geftalten  und  überrafchte  zugleich  durch  feine  unge- 
wöhnliche malcrifche  Potenz.  Schon  verftand  er  es,  jüngere  Talente  auf  feine 
Bahn  zu  ziehen.  Unter  den  Münchenern  wie  den  Düffeldorfern  haben  wir  ein- 
zelne Künfller  kennen  gelernt,  die,  nicht  zu  ihrem  Vortheil,  ihm  in  der  Auf- 
faffung  wie  in  der  Malweife  nachzueifern  fuchen.  Sein  Weg  ift  ein  ganz  eigener, 
der  für  andere  gefährlich  werden  mufs.    Das  gröfste  der  Bilder,  »Nachtfchwärmer«, 


374 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


zeigt  einen  Trupp  Gefindel,  der,  auf  der  Strafse  aufgegriffen,  am  Morgen  von 
Soldaten  nach  der  Wache  transportirt  wird;  darunter  gefährliche  Strolche,  her- 
abgekommenc  Subjecte,  ein  verführter  junger  Menfch,  der  befchämt  zu  Boden 
blickt  und  von  einer  jungen  Magd  mit  Schrecken  erkannt  wird.  Durch  diefen 
Zug  kommt  ein  unmittelbar  dramatifch  wirkendes  Element  in  die  Scene.  Eine 
gaffende  Weibergruppe  am  Tifch  der  Hökerin  und  nachlaufende  Kinder  vollen- 
den die  Compofition.  Munkacfy  befitzt  die  Fähigkeit,  das  Düflere  und  Niedrige 
im  Dafein  des  Menfchen  ficher,  fogar  mit  dramatifcher  Wucht  zu  fchildern. 
Aber  eine  Freudlofigkeit,  die  furchtbar  ift,  breitet  fich  über  feine  Schöpfungen 
aus,  das  Oede  und  Häfsliche  waltet  überall  ohne  den  Icifeften  verföhnenden  Zug. 
Noch  auffallender  als  bei  diefer  dramatifchen  Compofition,  in  welcher  folche 
Auffaffung  fich  durch  den  gewählten  Vorwurf  rechtfertigen  läfst,  ifl  die  Einfeitig- 
keit  des  Künftlers  bei  kleineren  und  fchlichteren  Compofitionen,  bei  der  Alten, 
welche  Butter  macht,  bei  der  Heimkehr  des  Betrunkenen  zu  feiner  Frau.  Dies 
Bild  ift  durchaus  widerwärtig.  Der  elende  Lump ,  den  ein  Anderer  heimführen 
mufs,  das  ältere  Kind,  das  auf  dem  Tifche  herumkriecht,  das  Weib  mit  dem 
Säugling  an  der  Brufl  find  fo  dumpf  und  ftumpf,  dafs  man  fich  mit  Ekel  ab- 
wendet; ein  Gegenftand,  den  nur  der  Humor  erträglich  machen  könnte,  bleibt 
hier  ganz  in  die  Sphäre  des  Gemeinen  gebannt.  Auch  die  malerifche  Behand- 
lung von  Munkacfy ,  wenn  auch  erftaunlich  ,  ifl  doch  nicht  eine  folche ,  die  uns 
wahrhaft  künrt;lerifch  befriedigt.  Die  Breite  der  Pinfeiführung,  die  Fähigkeit,  das 
Körperliche  aller  Figuren  frappant  heraustreten  zu  laffen,  geht  in  das  Aufser- 
ordentliche,  aber  der  ftarke  Gebrauch  von  Beinfchwarz,  das  Düflere  des  Tons 
wirken  ermüdend  und  führen  zur  Unwahrheit.  Weder  für  das  Morgenlicht  auf 
der  Gaffe,  wie  es  das  erfte  Bild  verlangen  würde,  noch  für  die  Intcrieurwir- 
kung  auf  den  anderen  ift  diefe  Haltung  und  Stimmung  charaktcriftifch.  Bei  aller 
Anerkennung,  die  ein  folches  Talent  fordert,  wollen  wir  froh  fein,  dafs  unfere 
deutfche  Volksmalerei  andere  Bahnen  geht,  dafs  fie  in  das  tieffle  Gemüthslebcn 
des  Volkes,  fei  es  ernft,  fei  es  humoriftifch,  eindringt  und  die  fchlichte  Wahrheit 
der  Erfcheinung  über  die  Bravour  fetzt. 


Der  Ueberblick  über  die  deut  f  che  Plaflik  mit  Einfchlufs  der  öfterrei- 
ch ifchcn  bot  im  Ganzen  kein  befriedigendes  Ergebnifs.  Trotz  einzelner  an- 
erkennenswerther  Leiftungen  fühlte  man  fich  enttäufcht,  man  vermifste  gröfsten- 
theils  die  Meifter,  auf  welche  wir  als  auf  unfere  heften  ftolz  find,  man  hatte  in  dem 
Vorhandenen  keinen  Mafsftab  für  das,  was  geleiftet  werden  kann  und  während 
der  letzten  Jahre  auch  wirklich  geleiftet  worden  ift.  Das  kümmerliche  Material 
des  Gypfes  überwog,  die  Maffe  des  Vorhandenen  war  gleichgültig  und  bedeu- 
tungslos ,  Schülerarbeiten ,  welche  auf  eine  Weltausfteliung  nicht  hingehören, 
machten  fich  breit.  Zu  dem  Beften  gehörten  immer  noch  die  grofsen  monumen- 
talen Werke,  in  denen  der  hiftorifche  und  realiftifche  Charakter  überwiegt;  die 
ideale  Plaftik,  welche  in  der  Darftellung  der  fchönen  Menfchengeftalt  ihr  Ziel 
ficht,  war  fpärlich  vertreten. 

So  kam  es,  dafs  auf  der  Weltausfteliung  die  deutfche  Plaftik  von  der 
franzöfifchen  in  Schatten  geftellt  wurde,  obwohl  die  Sculptur  im  franzöfifchen 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


375 


.\Htttr 


Kunfllebeii  niemals  auch 
nur  entfernt  eine  fo  do- 
minirende  Stellung^  ein- 
genommen iiat,  wie  die 
Malerei.  Bei  viel  gerin- 
gerem Idealismus  der 
Empfindung  hatten  die 
Franzofen  doch  gerade 
viel  mehr  gediegene 
Bildwerke  idealen  Cha- 
rakters ausgeflellt.  In 
der  ganzen  Nation  ifl 
eben  das  Verftändnifs 
für  die  plaftifche  Schön- 
heit ungleich  verbreite- 
ter, der  Künftler  kann 
eine  ganz  andere  Nach- 
frage nach  folchen  Arbei- 
ten erwarten,  kann  ge- 
wifs  fein,  dafs  ihm  die 
Gelegenheit  zur  Aus- 
führungin Marmor  oder 
in  Bronze  nicht  fehlen 
werde,  kann  es  wagen, 
feineArbeiten  gleich  von 
vornherein  in  edlem 
Material  auf  den  Markt 
zu  bringen.  Die  Plaftik 
hat  hier  überall  im  Privat- 
haufe ihre  Stelle,  und 
ebenfo  wendet  ihr  der 
Staat  feine  Theilnahme 
zu,  glaubt  nicht  genug 
gethan  zu  haben,  wenn 
er  den  Bildhauern  die 
Standbilder  berühmter  Männer  aufträgt, 
fondern  legt  gerade  auf  diejenigen  Werke, 
die  um  der  Form  felbfl:  willen  da  find, 
Gewicht,  erwirbt  fie  für  feine  Mufeen 
oder  für  die  Ausflattung  öffentlicher 
Gebäude. 

Auffällig  war  namentlich  das  Zurück- 
ftehen  der  Berliner  Sculptur.  Albert 
Wolff's  »Juflitia«  und  feine  Gruppe 
»Kunft  und  Induftrie«,  für  das  Denkmal 


S.^ngerfe(liiokal  in  verfilbertem  Neu- 
filber,  nach  Entwurf  von  Jiil.  Maefs 
aiisgef.  von  Ritter  &  Co.  in  Efslingen. 


Friedrich  Wilhelm's  III. 
in  Erz  gegoffen,  find  fehr 
mäfsige  Arbeiten.  Das 
Gypsmodell  zum  Stand- 
bildeRauch'svonDrake 
(f.  d.  Abb.  S.  228)  zeigte 
uns  dicslängfl  berühmte 
Meifterwerk  von  Neuem. 
Afinger's  Grabdenk- 
mal wurde  den  Lefern 
ebenfalls  im  Holzfchnitt 
vorgeführt  (S.  296).  Unter 
den  Arbeiten  jüngerer 
Bildhauer  nennen  wir 
E  n  k  e's  höchft  lebendige 
Negerbüfte  mit  dem  Pa- 
pagei, dies  Mufler  wir- 
kungsvoller Polychro- 
mie  in  Bronze,  Otto's 
Gruppe  des  Fauns  mit 
der  Nymphe,  das  vor- 
trefflich durchgeführte 
badende  Weib  von 
Reinhold  Begas, 
während  wir  feinen  be- 
reits etwas  älteren,  in 
der  Auffaffung  unedlen, 
in  den  Formen  fchwül- 
fligen  Mercur  gern  ver- 
mifst  hätten.  Seine 
eherne  Brunnenfigur  des 
Knaben  mit  dem  Schlau- 
che auf  dem  triefenden 
Haar,  ifl  von  folcher 
Keckheit  und  folchem 
reizenden  Humor,  dafs  wir  fie  flets  von 
Neuem  mit  Vergnügen  fehen,  und  die 
bekannte  Gruppe  Venus  und  Amor 
nimmt  fich  ebenfalls  bei  kleinem  Mafs- 
ftabe  in  Bronze  gut  aus.  Unter  den 
Büften  mufs  Keil 's  Bildnifs  des  Kaifers 
wegen  feiner  feinen  Beobachtung  und 
guten  Durchführung  genannt  werden. 
Die  deutfch-römifche  Schule  hatte  nichts 
Aufsergewöhnliches  aufzuweifen:  aufser 


PLASTIK  UND  MALEREI 


Theebielt  von  vcii'iUjertein  Neufilber,  von  Kitter  &  Co.  in   Kfslingeii. 


der  Judith  von  Emil  Wolff  noch  verfchiedene  Arbeiten  von  Jofeph  Kopt 
aus  Stuttgart,  mit  denen  ich  mich  aber  nicht  fo  fehr,  wie  mit  früheren  Werken, 
befreunden  kann.  Die  Pietas  ifl  eine  würdige,  doch  nicht  fehr  urfprüngHche 
Gruppe.  Die  Leiftungen  genrehaften  Charakters  find  anmuthig,  oft  felbfl  über- 
zierlich, doch  ohne  wahrhaft  frifchen,  kecken  Wurf  C.  St  ein  häufer 's  Marmor- 
figur eines  nackten,  fitzenden  Mädchens  am  Schilf  würde,  bei  edler  Durchbil- 
dung der  formen  und  vollendetem  Schwünge  der  Linien,  nur  im  Kopfe  etwas 
weniger  Eleganz  und  mehr  individuelles  Leben  vertragen  können  und  hätte  mit 
der  Benennung  »Ophelia«    verfchont  bleiben  follen. 

Die  Dresdener  Schule  hielt  diesmal  den  Ruf  der  deutfchen  Monumental- 
Plaftik  am  wirkfamflen  aufrecht.  Breymann's  eherne  Statue  Heinrich's  des 
Löwen  für  Braunfchweig  ifl  echt  plafhfch  empfunden,  von  ftilvoller  Gröfse  und 
gediegen  durchgeführt.  Donndorf  hatte  bei  feinem  Reiterbilde  Karl  Auguft's 
für  Weimar,  das  wir  hier  im  Gypsmodell  fahen,  die  fchwierige  Aufgabe,  den 
wefentlich  für  das  geiftige  Leben  bedeutungsvollen  Fürften  zu  Pferde  darzuftellen, 
fchuf  aber  ein  wahrhaft  individuelles,  ausdrucksvolles  Bild.  Dabei  erinnere  man  fich, 
dafs  auch  A u  g u  fl;  \V  i  tt i  g  in  Düffeldorf,  deffen  längfl  berühmte  Hagar-Gruppe  wir 
hier  wieder  fanden,  und  Kundmann  in  Wien,  von  dem  mehrere  gute  Düften  und 
Reliefs,  fo  wie  die  empfindungsvolle  und  edel  aufgebaute  Gruppe  des  barmlierzigcn 
Samariters  unter  den  öflerreichifchen  Sculpturen  zu  fehen  waren  (f.  d.  Abb.  S.  92, 
93  u.  292),  in  Dresden  ihre  Schule  durchgemacht  haben.  Ebenfo  der  Schweizer 
Robert  Dorer,  deffen  Nationaldenkmal   für  Genf  fich  in   der  Rotunde  erhob: 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


377 


Bordüre,  entwarfen 


zwei  hoheitsvolle  Frauengeftalten ,  die  Stadt  Genf,  als 
die  zartere,  welche  fich  an  die  mächtige  Helvetia  lehnt, 
das  Ganze  klar  und  fchlicht  im  Motiv ,  vornehm  in  der 
Durchführung.  Wie  fteht  das  Bafeler  Monument  der 
Schlacht  von  St.  Jacob  von  Ferdinand  Schlot h  hier- 
gegen zurück! 

In  der  Münchener  Plaflik  trat  diesmal  eine  jüngere 
Richtung  und  mit  ihr  ein  freieres  und  urfprünglicheres 
Leben  in  den  Vordergrund.  Es  ift  tröftlich,  dafs  fich 
dort  neben  der  geifllofen  und  ermüdenden  Galerie  von 
Puppen,  mit  welchen  die  einheimifche  Schule  alle  Strafsen 
und  öffentlichen  Plätze  ausgeftattet  hat,  bald  ein  fo  ge- 
diegenes Werk  wie  das  Denkmal  Maximilian's  II.  von 
Z  u  m  b  u  f  c  h  erheben  wird,  welches,  theils  fchon  in  Bronze- 
Ausführung,  theils  in  bronzirten  Gypsmodellen  auf  dem 
Platze  zwifchen  den  deutfchen  Annexen  fland.  Hier  tritt 
uns  ein  wirklich  plaflifches  Gefühl  bei  charaktervollem 
Anfchlufs  an  den  Stil  der  italienifchen  Renaiffance  ent- 
gegen. Zunächfl  befriedigen  die  glückliche  Architektur 
des  Sockels,  welche  dem  Zufammenwirken  mit  dem 
Architekten  Hügel  zu  danken  ifl,  die  breiten  und  mäch- 
tigen Verhältniffe  des  Aufbaues,  die  kühnen  und  fprechen- 
den  Umriffe  (f.  S.  232).  Die  allegorifchen  Geftalten,  welche 
frei  vor  dem  Poflamente  fitzen,  fmd  einander  an  künftleri- 
fchem  Werthe  nicht  gleich,  jedenfalls  aber  ift  die  vordere, 
der  Friede,  eine  Jünglingsgeftalt  von  hohem  Adel.  Die 
tragenden  Knabenfiguren  an  den  abgefchrägten  Ecken 
des  Poftamentes  ftellen  die  glücklichfte  Verfchmelzung 
zwifchen  den  plaftifchen  und  architektonifchen  Theilen 
her  und  die  Figur  des  Königs,  voll  fchöner  Humanität 
und  fürftlicher  Würde  der  AuiTaffung,  bei  glücklichem 
Faltenwurf,  vermag  die  reich  bewegten  unteren  Partien 
energifch  zu  bcherrfchen.  Zumbufch  gehört  feit  kurzem 
Wien  an,    und  in  der  öfterreichifchen  Abtheilung  war  er 

von  F.   Kifchbach,  ausgeführt   von  IF.  Engelhardt   in  Mannheim. 


tö 


378  PLASTIK  UND  MALEREI. 


noch  durch  mehrere  treffliche  Portraitbüftcn  und  Reliefs  vertreten.  Endlich  zog  noch 
ein  Münchener  Bildhauer  von  entfchiedenem  Talent,  aber  oft  auf  bedenklichem 
Wege,  die  Aufmerkfamkeit  an:  Michael  Wagmüllcr,  deffen  Entwurf  zu  einem 
Nationaldenkmal  fchon  unter  den  Concurrenz-Entwürfen  für  das  Niederwald-Monu- 
ment in  Berlin  zu  fehen  war.  Die  malerifche  Verwilderung  ift  hier  auf  die  äufserfte 
Spitze  getrieben,  manche  kühnen  Ausfchreitungen  von  Reinhold  Begas  find  noch 
übertrumpft,  von  deffen  krönender  Gruppe  auf  der  l^erliner  Börfe  ift  die  Wind- 
mühlenflügel-Armftreckung  der  Hauptfigur  entnommen,  zahlreiche  leichte  Per- 
fonen,  die  aus  früheren  Bildern  Makart's  entlehnt  fein  könnten,  treiben  am  Pie- 
deftal  ihre  Gaukelei.  Von  hier  ifl  nur  ein  Schritt  bis  zu  dem  drolligen  Zucker- 
bäckerftil  jener  Zopfmonumente,  welche  auf  dem  Graben  in  Wien  und  auf  dem 
Marktplatz  in  Mannheim  zu  Ehren  Gottes  ftehen.  Dagegen  find  ein  Paar  Genre- 
ftücke, die  Weine  Bronze  eines  Mädchens  mit  einer  Eidechfe,  das  in  Marmor  aus- 
geführte junge  Mädchen,  welches  mit  einem  Kind  auf  feiner  Schulter  fpielt,  trotz 
der  übertriebenen  malerifchen  Gewandbehandlung  liebenswürdig,  keck  und  leben- 
dig, und  ebenfo  flott  wie  geiftreich  tritt  uns  endlich  Wagmüller  in  mehreren  Por- 
traitbüften,  darunter  derjenigen  von  Paul  Heyfe,  entgegen. 

Von  den  Bildhauern  Oefterreichs  haben  wir  zwei  der  bedeutendften ,  Zum- 
bufch  und  Kundmann  bereits  erwähnt.  Von  Fernkorn  war  noch  das  Modell 
feines  bereits  1860  enthüllten  Reiterbildes  des  Erzherzogs  Karl,  von  dem  ver- 
ftorbenen  Hans  Gaffer  ein  Ganymed  in  Bronze  zu  fehen.  Otto  König  er- 
freute durch  mehrere  launige  und  geiftreiche  Figuren  in  kleinem  Mafsftabe,  Vin- 
cenz  Pilz  bewährte  fich  als  einen  productiven,  feine  Aufgaben  kühn  und  kräftig 
angreifenden  Künftler.  Da  fahen  wir  mehrere  Denkmalsentwürfe,  die  er  bei 
Concurrenzen  eingefendet  hatte,  ohne  jemals  den  rechten  Erfolg  zu  haben,  und 
doch  hätte  namentlich  feine  Goethe-Skizze  (für  Berlin)  entfchieden  mehr  Beach- 
tung verdient.  Man  hatte  Recht,  das  zu  weit  Greifende  des  Programms  zu 
tadeln,  den  fchwungvollen  Aufbau  und  die  wahrhaft  plaftifche  Anlage  hätte  man 
aber  nicht  verkennen  foUen.  Mehrere  gröfsere  Modelle  führten  uns  einige  der 
lebensvollen  hiftorifchen  Bildnifsfiguren  aus  dem  Veftibul  des  Arfenals  und  von 
der  Elifabethbrücke  vor. 

Nicht  im  Ausftellungspalaft,  wohl  aber  gleichzeitig  im  Oefterreichifchen 
Mufeum  fanden  wir  Arbeiten  eines  jungen  deutfchen  Bildhauers  ausgeftellt,  die 
Alles  übertreffen,  was  die  Ausftellung  felbft  an  plaftifchen  Darftellungen  bot. 
Diefer  Künftler  ift  Adolph  Hildebrand  aus  Jena,  jetzt  in  Italien. 

Wir  wiffen  nur  zu  gut,  dafs  die  Plaftik  nicht  in  dem  Mafse  wie  die  Malerei 
im  Stande  ift ,  der  modernen  Empfindungsweife  als  Organ  zu  dienen  und  den 
Inhalt  des  heutigen  Lebens  auszufprechen.  Ihre  ganze  Exiftenz  ift  heut  eine  be- 
dingte, dem  Bildhauer  fehlt  das  entgegenkommende  Verftändnifs  des  Volkes, 
wenn  er  das  eigentliche  Ideal  feiner  Kuiift  offenbaren  will,  ja  noch  mehr,  er 
felbft  vermag  die  wahrhaft  plaftifche  Empfindung  nur  feiten  harmonifch  auszu- 
bilden und  rein  zu  bewahren.  Um  fo  freudiger  muffen  wir  deshalb  eine  echt 
plaftifch  fühlende  und  geftaltende  Natur  begrüfsen,  die,  wahrhaft  vom  Hauche 
des  Genius  berührt,  durch  alle  Hemmniffe  ahnungslos  ihren  Weg  verfolgt,  fo 
ficher,  als  ob  es  nicht  anders  fein  könnte,  als  ob  ein  anderer  Himmel  uns  lächelte, 


380 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


als  ob  die  Kluft  minder  grofs  wäre,  die  unfer  heutiges  Sein  und  Denken  von  der 
Welt  der  Hellenen  trennt.  Eine  folche  Natur  ift  Adolph  Hildebrand.  Thor- 
waldfcn's  fitzender  Schäferknabe  mit  dem  Hunde,  der  Inbegriff  keufcher  Anmuth, 
holder  Natürlichkeit  und  edler  Formvollendung  unter  den  plaflifchen  Werken 
der  Neuzeit,  ift  nicht  fchöner  als  Hildebrand's  fchlafender  Hirtenknabe,  ■  der  fanft 
hingegoffen  dafitzt,  rückwärts  gegen  den  Kaumf^amm  gelehnt,  in  holdem  Schlum- 
mer. Ungefucht,  fchlicht  und  dabei  bezaubernd  find  die  Motive  der  Haltung: 
der  linke  Fufs  vorgeflreckt,  der  rechte  angezogen,  im  rechten  Arm  der  Hirten- 
flab,  der  linke  läffig  herabhängend.  Zarte  Jugendlichkeit  bei  vollendeter  Bildung, 
feine  Naturbelaufchung ,    ficheres  Formverfländnifs   wirken  hier    zufammen.     Un- 


Details zu  M.  Semper's  Wandvertäfelung. 


mittelbarkeit  des  Naturgefühls,  Unfchuld  und  Grazie  verbinden  fich  mit  voller 
Kraft  und  Gefundheit ,  kein  Zug  des  Gcfallfüchtigen  fpielt  hinein.  Vielleicht  ift 
die  hintere  Linie  des  Halfes  und  des  Nackens  etwas  zu  ftark,  doch  nur  diefer 
kaum  merkliche  Einwand  läfst  fich  gegen  die  herrliche  Durchbildung  der  Geflalt 
erheben.  Die  charakterifhfche  Behandlung  der  feften  wie  der  weichen  Partien 
des  Körpers,  die  feine  Brechung  der  Flächen  an  Leib  und  Hüften,  die  Indivi- 
dualifirung  und  vollkommene  Durchgeifligung  des  ganzen  Baues  find  bewunderns 
werth.  Bei  gröfster  Gediegenheit  und  Vollendung  der  Marmorausführung  bleibt 
doch  jedes  Prunken  mit  der  Technik  als  folcher  fern,  und  der  erquickende  Ein- 
druck diefer  Schöpfung  wird  erhöht  durch  den  warm  goldigen  Schimmer,  den 
der  Künfller  dem  Marmor  zu  geben  gcwufst  hat.  Das  edle  Korn  des  Materials 
wirkt  ungetrübt,  aber  das  kalte,  todte  Weifs  ift  vermieden,  über  die  Schöpfung 
ift  ein  wohlthuender  Hauch  des  Lebens  ergoffen. 

Von  einer  andern  Seite   und  zwar  nicht  minder   geiflvoll   und  trefflich   zeigt 


IV.  DEUTSCHLAND,  OESTERREICH  UND  UNGARN. 


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fich  der  Künftler  in  einer  männlichen  Portraitbüfte,  fo  charaktervoll  und  mächtig 
fchlicht  wie  ein  alter  Römerkopf.  Endlich  fah  man  von  ihm  noch  die  kleine 
Bronzefigiir  eines  Trinkers.  Es  ifl;  ein  flehender  bacchifcher  Jüngling,  das  Haar 
von  Ephcii  durchflochten,  Trauben  in  der  Linken,  während  er  mit  der  Rechten 
die  Schale  zum  Munde  führt  und  fchlürft.  Der  entfchicdenere  Realismus,  welchen 
das  Bronzewerk  durch  die  Eigenfchaften  des  Materials  felbfl  beanfprucht,  ifl:  hier 
ebenfo  glücklich  getroffen,  wie  die  zarte  Anmuth  bei  der  Marmorfigur.  Der  Zug 
des  Sinnlichen,  der  Durfl,  das  Verlangen,  das  Behagen  prägen  fich  in  der  Körper- 
haltung wie  im  Ausdruck  mit  ungemeiner  Lebendigkeit  aus. 


Details  zu  M.  Scui[)cr's  Wandverläfelung. 

Während  in  der  modernen  Sculptur  bald  conventioncllc  Leerheit  und  aka- 
demifche  Kälte,  bald  zügellofer  Naturalismus  und  Hinübergreifen  in  das  Maleri- 
fche  das  Feld  behaupteten,  flehen  diefe  Arbeiten  mitten  inne,  von  jeder  moder- 
nen Krankhaftigkeit  unberührt.  Von  Hildebrand's  Geftalten  möchte  man  fagen, 
was  ein  Zcitgenoffe  vor  denen  von  Carflens  ausrief:  »Jeder  ifl  fo  unbekümmert 
um  fich,  fo  ganz  eins  mit  fich,  dafs  man  fühlt,  dies  find  wahre  Menfchen.« 


Detail  zu  M.  Semper's  Wandvertäfelung. 


382 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Tabouret,  Goldftickerei  aus  dem  Kaukafus. 


V.^Die  Schweiz,  Belgien,  Holiand,  SItandinavien,  Russland,  Spanien,  Italien  und  England. 

Deutfchland,  Ocfterreich  mit  einbegriffen,  und  Frankreich  find  die 
beiden  grofsen  Mächte,  die  fich  in  der  modernen  Kund  gegenüberftehen.  Gegen 
ihre  Leiftungen  treten  diejenigen  aus  den  übrigen  Staaten  und  Nationen  erheb- 
Uch  zurück.  Die  Künftler  der  Schweiz  neigen  fich,  den  Nationahtäten  der 
Alpen-Republik  entfprechend,  in  ihrer  Richtung  und  Ausbildung  nach  drei  ver- 
fchiedenen  Seiten  hin.  Anton  Barzaghi-Cattaneo  aus  Teffin,  jetzt  in  Mai- 
land, zeigte  fich  in  zwei  Studienköpfen  und  einem  hübfchen  Genrebild  als  Italiener, 
der  Waadtländer  C.  Gleyre  in  Paris  auch  diesmal  als  Franzofe,  durch  feine 
flötende  nackte  Mädchengeflalt,  die,  zart  und  fauber,  dennoch  von  feiner  eigent- 
lichen Bedeutung  kaum  einen  rechten  Begriff  gewähren  konnte.  Auch  A.Pott  er  in 
Genf  ifl  von  der  neueren  franzöfifchen  Landfchaftsmalerei  beeinflufst.  Die  meiflen 
übrigen  Maler,  felbfl  diejenigen  aus  der  franzöfifchen  Schweiz,  find  dagegen 
deutfch  in  Können  und  Empfinden.  Wir  brauchen  kaum  mehr  bei  Einzelnen 
flehen  zu  bleiben,  indem  wir  Vautier,  unflreitig  einen  der  gröfsten  lebenden 
Meifter,  bereits  vorweggenommen  haben.  »Die  Kappeier  Milchfuppe«  von 
Albert  Anker  ift  ein  ganz  hübfches  hiflorifches  Genrebild.  E.  Stückelberg 
in  Bafel  bewährte  fich  als  einen  finnigen,  zarten,  anfpruchslofen  Portraitmaler  und 
entfaltete  in  mehreren  kleinen  Stimmungsbildern,  befonders  in  der  Wahrfagerin, 
bei  edler  Durchbildung  des  Ausdrucks  und  bei  gedämpftem  Tone  einen  wahr- 
haft poetifchen  Reiz.  Die  Schweizer  Landfchaftsmalerei,  namentlich  wenn  fie 
ihre  Motive  aus  den  Alpen  holt,  will  nicht  viel  bedeuten.  Rudolph  Koller 
in  Zürich  ift  ein  ausgezeichneter  Viehmaler,  wahr  und  plaflifch  in  der  Darflellung 
der  einzelnen  Thiere,  nur  in  der  Haltung  des  Ganzen,  in  der  harmonifchen  Aus- 
bildung der  landfchaftlichen  Umgebung  minder  glücklich,  was  gerade  bei  den 
in  Wien  ausgeflellten  gröfseren  Bildern  auffiel. 


V.  DIE  SCHWEIZ,  BELGIEN,  HOLLAND,  SKANDINAVIEN  ETC.    383 


Die  moderne  belgifche  Malerei  gehört  zu  den  intereffanteften  Erfchei- 
nungen  des  neueften  Kunftlebens.  Dies  kleine  Volk  brachte  es,  der  grofsen 
künftlerifchen  Vergangenheit  eingedenk  und  gefördert  durch  eine  verftändige 
Kunftpflege  von  Seiten  des  Staates,  zu  einer  höchft  anfehnlichen  technifchen 
Ausbildung,  die  nicht  blos  hervorragenden  Meiftern,  fondern  allen  Lernenden 
und  Strebenden  zu  Gute  kam.  Es  machte  feine  Kunflproducte  zu  einem  be- 
deutenden Exportartikel,  der  zum  nationalen  Wohlflande  beitrug.  Aber  die 
Glanzepoche  der  belgifchen  Malerei  dauerte  nicht  lange  und  ifl  jetzt  vorüber. 
Von  gefunder  Fortentwickelung  und  urfprünglicher  Lebenskraft  ifl:  heut  in  diefer 
Schule  wenig  zu  fpüren,  fie  befteht  eben  nur  als  ein  höherer  Induflriezweig  weiter. 
Die  gepriefenen  Hiftorienmaler  der  früheren  Jahrzehnte,  Gallait,  'de  Bicfve, 
N.  'de  Kayfer,  erfchienen  auf  der  Wiener  Ausfl:ellung  ziemlich  fchwach,  nur 
der  Erfte  unter  ihnen  zeigte  fich  noch  in  zwei  Bildniffen  auf  der  alten  Höhe,  in 
demjenigen  des  Minifters  Dumortier  und  dem  noch  fcliöneren  des  Herrn  Saint- 
Paul  de  Singay.  Die  weltmännifche  Erfcheinung  mit  röthlich-blondem  Bart  und 
vortrefflich  durchgebildeten  Händen  ifl  ebenfo  elegant  wie  correct  aufgefafst 
und  hebt  fich  pikant  von  dem  lichtgrauen  Hintergrunde  ab. 

Die  Nüchternheit,  welche  dem  belgifchen  Realismus  bei  all  feinem  Glänze 
von  Anfang  an  eigen  war,  trieb  Künftler  anderer  Gefinnung  zu  einer  fo  ent- 
fchiedenen  Oppofition,  dafs  fie  auch  ihrerfeits  zu  weit  gingen  und  in  das  ent- 
gegengefetzte Extrem  verfielen.  Dafs  fich  die  belgifche  Regierung  veranlafst  ge- 
fühlt hatte,  zur  Ausftellung  auch  eines  der  coloffalen  Gemälde  von  Antoine 
Wiertz  zu  fenden,  für  das  die  Wiener  Bezeichnung  »Der  grofse  Krach«  der 
Kürze  wegen  beibehalten  werden  möge,  trug  nicht  wefentlich  dazu  bei,  den 
ohnehin  unruhigen  grofsen  Mittelfaal  der  Kunflhalle  harmonifcher  zu  machen  und 
konnte  auch  dem  Künftler  felbft  nicht  viele  neue  Anhänger  gewinnen.  Zur  Er- 
gänzung mochte  man  die  Photographien  anderer  Gemälde  in  der  belgifchen  Ab- 
theilung des  Induftriepalaftes  betrachten.  Wiertz  hatte  ganz  recht,  dafs  er  nie- 
mals ein  Bild  verkaufen  und  nie  eins  ausftellen  wollte.  Ohne  diefe  Vorficht 
wäre  er  nicht  zu  feinem  Ruhme  gelangt,  oder  er  hätte  ihn  wenigftens  nicht  lange 
bewahrt.  In  fein  Atelier  bei  Brüffel,  diefen  Raum  von  mehr  als  Reitbahngröfse 
—  feit  dem  Tode  von  Wiertz  ein  öffentliches  Mufeum  — ■  mufs  man  treten,  hier 
diefe  Schaar  von  Bildern  entfprechend  grofsen  Formates  rings  um  fich  her  fehen ; 
die  ganze  Atmofphäre  des  Raumes,  fowie  der  Katalog  des  Herrn  Watteau  mufs 
den  Befucher  belehren,  dafs  er  in  einem  Heiligthum  ftehe,  dafs  der  Geift,  der 
hier  wirkte,  ein  Meffias  gewefen  fei.  Die  räumliche  Görfse  an  fich  macht 
immer  fchon  eine  gewiffe  Wirkung,  diefer  Ocean  von  Farbe  und  von  bewegten 
Geftalten  umfängt  die  Phantafie.  Wenn  man  jenes  Gewirr  von  Fratzen  und  Ver- 
zerrungen vor  fich  hat,  welche  »drei  Minuten  eines  abgefchlagenen  Kopfes«  dar- 
ftellen  foUen,  wenn  man  das  lehrreiche  Gemälde:  »ein  Grofser  der  Erde«  be- 
trachtet, das  in  Wandhöhe  einen  Fufs  nebft  dem  Bein  bis  zum  Knie  darfteilt, 
und  auf  welchem  man  allmählich  auch  noch  den  ganzen  Polyphem  gewahr  wird, 
wie  er  hinter  feinem  Beine  fich  in  der  Verkürzung  niederbeugt  und  einige  kleine 
zappelnde  Menfchengeftalten  zum  Verfpeifen  aufgreift,  dann  findet  man  den 
»grofsen  Krach«    und  ähnliche   Bilder  gar  nicht   mehr  feltfam   und  phantaftifch, 


384 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Granatfchmuck  mit  OoldfalTung,  von  GoUlfchmidt  in  Prag. 


und  ein  paar  mafsvollere  kleinere  Gemälde,  wie  die  Gruppe  von  fchwebenden 
Geflalten,  denen  Wiertz  den  Titel  zugewiefen  hat:  »die  menfchliche  Macht  hat 
keine  Grenzen«,  ein  im  Rubens'fchen  Stil  coloriftifch  werthvolles  Bild,  findet 
man  dann  fogar  fchön.  Rubens  war  das  Ideal  von  Wiertz,  nur  dafs  der  moderne 
Nachfolger,  feiner  ganzen  Natur  nach,  einen  fo  echt  humanen,  gefunden,  lebens- 
frohen Geift  wie  Rubens  gar  nicht  verliehen  konnte.  Die  Principien  des  Colorits, 
welche  er  Rubens  abgefehen ,  walten  auch  in  dem  »grofsen  Krach«  ,  nur  dafs 
Schwere  und  Undurchfichtigkeit  die  Nachahmung  von  dem  Original  unterfchei- 
den ;  ebenfo  hat  Rubens  die  Vorbilder  zu  diefen  fchwebenden,  himmelanfleigen- 
den,  ftürzenden,  zu  Knäueln  fich  ballenden  Gewalten  geliefert.  Dafs  Wiertz  dies 
Alles  eigentlich  nur  zu  einem  religiöfen  und  politifchen  Kunftftück  der  Rhetorik 
aufwendete,  ift  feine  Sache  und  geht  den  Hefchauer  nichts  an;  diefer  hält  fich 
an  die  Erfcheinung  felbft,  und  wenn  fie  ihm  auf  der  Wiener  Weltausftellung  ent- 
gegentrat, fo  mochte  fie  ihm  fehr  fremdartig  vorkommen,  aber  er  wird  nicht  läug- 
nen  können,  dafs  fich  hier  eine  ungewöhnliche  Kraft  offenbart  und  fchliefslich 
bedauern,  dafs  eine  fo  begabte  Künftlernatur  der  Krankhaftigkeit  bis  zum  Wahn- 
finn  verfallen  war. 

Ein  anderes  ßeifpiel  ungefunder  Ausartung  bei  grofsem  Talente  gewährt  der 
verdorbene  Henri  Leys.  Er  theilt  mit  Wiertz  den  Zug,  in  dem  Anfchlufs  an 
bedeutende   kündlerifche   Vorbilder  der    heimathlichen  Vergangenheit   fein    Heil 


V.  dip:  scuwkiz,  Belgien,  ikjlland,  Skandinavien  etc.  sss 


SchülTel  vun  Giiiori  in   Doccia. 


ZU  fuchen;  er  fchlofs  fich  zunächfl;  an  die  Holländer  des  17.  Jahrhunderts  in 
feinen  hiftorifchen  Genrebildern,  mit  Feinheit  und  Verftändnifs,  mit  grofsem  ma- 
lerifchen  Gefchick  und  echtem  Gefühl  für  Lichtwirkungen,  nicht  fclavifch  und 
nicht  ohne  eigene  Empfindung  an.  Ein  Bild  diefer  Art,  das  Fefi:,  welches  die 
Antwerpener  Schützengilde  zu  Ehren  von  Rubens  giebt,  allerdings  fchon  185 1 
gemalt,  war  in  Wien  zu  fehen.  In  der  Folge  aber  wurde  Leys  mehr  und  mehr  Ma- 
nierifl.  Er  ging  in  feiner  Alterthümelei  immer  weiter,  in  der  niederländifchen  und 
deutfchen  Kunfl;  des  15.  Jahrhunderts,  befonders  in  den  fpätcren  Nachfolgernder 
van  Eyck'fchen  Schule,  fuchte  er  feine  Vorbilder.  Mitten  unter  einem  Künfller- 
gefchlecht  flehend,  welches  in  einer  äufserlichen,  oft  feelenlofen  Bravour  aufging, 
fühlte  er  fich  durch  die  milde  Befcheidenheit,  die  tiefe,  doch  nur  fchüchtern  fich 
zum  Ausdruck  bringende  Empfindung  diefer  alten  Meifter  angezogen.  So  be- 
gann er  in  der  Malerei  rein  die  Localfarben  zu  betonen ,  ohne  auf  eine  harmo- 
nifche  Gefammthaltung  auszugehen,  verzichtete  auf  jede  Luftperfpective ,  ftellte 
alle  Figuren  ungefchickt,  hölzern,  handlungslos  hin,  als  kenne  er  den  Körper 
nicht  und  könne  ihn  nicht  in  Bewegung  fetzen.  Aber  die  Keufchheit  feiner  Vor- 
bilder nahm  er  bei  diefer  erkünflelten  Nachahmung  nicht  mit  herüber,  die  Cha- 
rakterifbk  und  das  individuelle  Leben  derfelben  verwifchte  er  bei  folcher  L.ihm- 
heit  und  Abfichtlichkeit.  Was  wir  noch  auf  der  Ausftellung  fahen,  die  Einzel- 
figuren Philipp's  des  Guten  um!  der  Maria  von  Burgund  (1864),  der  Bürgermeifler 
Lancelot    von  Urfel,   die   Miliz  anredend,    welche  Antwerpen    vertheidigen    foll, 


I_ 


386  PLASTIK  UND  MALEREI. 


(1867)  und  die  Pilger  (1868)  find  dürftige,  geiftlofe,  gezwungene,  und  deshalb  un- 
angenehme Uebungen  in  alterthümlicher  Manier. 

Der  Sonderling  Wiertz  blieb  ohne  Nachfolge,  Henri  Leys  aber  weckte 
eine  folche;  eine  grofse  Anzahl  junger  Kiinftler  machte  diefe  ungefunden  Ver- 
fuche,  die  zum  Modeartikel  für  den  überreizten  Gefchmack  geworden  waren,  mit, 
und  diefe  Richtung  gab  fich  für  die  wahrhaft  nationale  aus.  F.  Vinck,  Lagye, 
in  feinen  ganz  hübfchen  Interieurs  mit  auffallend  fchwachen  Figuren,  Braecke- 
laer  fehen  wir  auf  ähnlicher  Bahn.  Am  talentvollften,  mit  einer  gewiffen  Mäfsi- 
gung  bewegen  fich  auf  ihr  Albrecht  und  Julian  de  Vriendt,  der  erfte  in 
feiner  Jacobäa  von  Baiern,  welche  Philipp  den  Guten  um  Gnade  für  ihren  Gemahl 
fleht,  der  zweite  in  der  heiligen  Elifabeth  mit  ihren  Kindern,  welche  von  den  Ein- 
wohnern Eifenachs  in  das  Elend  geftofsen  wird  (f.  die  Abb.  S.  124).  Dies  find  Bilder 
ziemlich  grofsen  Umfangs,  denen  man  bei  forgfamer  Ausbildung  und  gediegener 
Färbung  wenigftens  ein  gröfseres  Gefchick  in  der  Haltung,  ein  felbftändiges  Ge- 
fühl nicht  abfprechen  kann.  Frei  von  Alterthümelei  find  nur  die  beiden  gröfseren 
Hiflorienbilder  von  Emile  Wauters,  der  wahnfinnige  Hugo  van  der  Goes,  und 
Maria  von  Burgund,  welche  die  Schöffen  von  Gent  um  Gnade  für  ihre  Räthe  fleht. 
Hier  finden  wir  wenigftens  ausdrucksvolle  und  lebendige  Charaktere,  aber  eine 
dumpfe,  fchwere  Farbe. 

Neben  den  archaiftifchen  Tendenzen  weift  die  belgifche  Malerei  auch  hyper- 
moderne auf,  die  fich  am  fichtlichften  in  Alfred  Steven.s  verkörpern.  Seine 
fechzehn  Bilder  find  pikante  Cabinetsftücke  von  eigenartigem  Reiz  der  Farbe, 
jedes  einzelne  ein  Bravourftück.  Sie  ftellen  meiftens  Damen  aus  der  feinen  Ge- 
fellfchaft  in  allerlei  Toiletten  und  in  verfchiedenen  Situationen  dar,  im  Haus- 
kleide, im  Befuchs-  und  Promenaden-Anzug,  als  Wöchnerin  im  Bette,  unbekleidet 
im  Bade,  in  hübfchen  Interieurs  oder  mit  aufgefpanntem  Sonnenfchirm  vor  einer 
rothen  Tapete,  wo  derfelbe  gar  nicht  nöthig  ift.  Dazwifchen  erfcheint  zur  Ab- 
wechfelung  eine  Japanefin  vor  dem  Spiegel  auf  dem  gröfsten  diefer  Gemälde. 
Jedes  der  Bilder  übt  feinen  Reiz  aus.  Aber  von  Inhalt  und  Gedanken  ift  nirgend 
die  Rede.  Weder  ein  feines  geiftiges  Intereffe  noch  ein  Zug  gemüthlichen 
Humors,   wie  in  den  Cabinetsftücken  der  alten  Niederländer,  fpielen  hier  hinein. 

Die  Geiftlofigkeit  ift  ein  Zug,  der  in  der  modernen  belgifchen  Genremalerei 
durchgeht.  Willems  malt  nach  wie  vor  Bilder,  in  welchen  Atlaskleider  die 
Hauptrolle  fpielen,  ift  dabei  aber  ohne  Ausn.ihme  hölzern  und  empfindungslos, 
während  in  technifcher  Hinficht  ein  Terburg  und  Metfu  ihre  Sache  doch  noch 
beffer  •  verftanden.  Madou  bleibt  mehr  und  mehr  gegen  frühere  Leiftungen 
zurück,  er  ift  im  Vortrag  flau,  im  Ausdruck  gezwungen-witzig.  Die  Volksmalerei 
gelingt  den  Belgiern  vollends  nicht.  Gerade,  wo  der  Ton  des  Humors  ange- 
fchlagen  werden  foU,  fehlt  es  ihnen  an  Naivetät  und  Leben. 

Eine  gewefene  Gröfse  ift  auch  der  einft  berühmte  Thiermaler  Verboeck- 
hoven.  Die  jüngere  Generation,  wie  Robbe,  de  Haas,  Jofeph  Stevens, 
leiftet  im  Thierftück  Befferes.  Charles  Verlat,  jetzt  in  Weimar,  verfteht  es, 
die  Thiere  fcharf  zu  individualifiren,  ja  fogar  dramatifches  Leben  zu  entfalten,  in 
den  Hunden,  die  ein  Kind  vom  Wolfe  befreien.  Nur  follte  er  es  bleiben  laffen, 
einen  Amor  zu   malen,  und  auch  feine  Bildniffe,   welche  man   auf  der  deutfchen 


V.  DIE  SCHWEIZ,  BELGIEN,  HOLLAND,  SKANDINAVIEN  ETC.   387 


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Candelabcr  aus  Terracolta,  von  Franz  Naumann  in  Ploltendorf. 

Seite  fah,  find  hart  und  hölzern.  Im  Seeftück  zeichnet  fich  Clays  durch  gute 
Beobachtung,  kräftige  Pinfelführung  und  feine  Haltung  aus.  Unter  den  Land- 
fchaftsmaltrn,  die  ihre  Motive  wcfentlich  in  der  heimathlichen  Natur  fuchen  und 
ähnliche  Wege  wie  die  neueren  franzofifchen  Landfchaftsmaler  gehen,  ftechen 
Fourmois,  van  der  Hecht,  D.  Schampheleer,  belonders  aber  Lamorir 
niere  hervor,  der  auch  etwas  von  der  Poefie  der  älteren  niederländifchen  Land- 
fchaft  aufgenommen.  Das  gröfste  feiner  Bilder,  ein  flandrifcher  Herbfttag  mit 
flehendem  Gevväffer,  hochflämmigen  Birken  und  ferner  Ortfchaft,  ifl  bei  gedämpf- 
tem Ton  duftig  und  ftimmungsvoU. 

Von  dem  belgifchen  Bildhauer  Fraikin  fahen  wir  die  glatte,  aber  anniuthige 
Gruppe  einer  jungen  Mutter  mit  ihrem  Kinde- 

Trotz  der  politifchen  Trennung  zeigen  die  Niederlande  in  der  modernen 
Malerei  eine  flarke  Verwandtfchaft  mit  Belgien.  Bei  grofser  Ausbildung  der  rein 
malerifchen  Seite  bleiben  auch  die  Holländer  im  geifligen  Ausdruck  weit  zurück. 


»* 


388 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Untere  Partie  eines  Kirclienfenllers,  Glasmalerei  von  1'".   X.  Zettler  in  München. 


und  find  gerade  dadurch  nicht  eben  ihrer  grofsen  Kunftvergangenheit  wiirdig, 
obwohl  fie  fonft  — ■  und  zwar  ohne  falfchen  Archaismus  — ■  manches  von  der- 
felben  zu  lernen  fuchen.  In  dem  Saal  der  Holländer  hingen  faft  nur  Bilder,  die 
fich  fehen  laffen  können.  Das  Durchfchnittsmafs  der  Ausbildung  ift  noch  höher 
als  in  Belgien,  aber  hervorragendere  Schöpfungen,  die  fich  tiefer  dem  Geifle  ein- 
prägen, find  nicht  darunter.  Der  eigenthümlichfte  Künftler  der  Niederlande, 
Alma-Tadema,  fehlte  diesmal.  C.  Biffchop  hatte  einige  Genrebilder,  ein  vor- 
nehmes und  lebendiges  Herrenportrait  und  zwei  Charakterfiguren  in  holländifchem 
Nationalcoflüm,  lebensgrofs,  in  halber  Figur,  ausgeflellt;  fein  »Gretchen  van 
Marken«,  gut  gemalt,  traulich  und  anziehend  im  Ausdruck,  mufste  dem  Eintreten- 
den fofort  in  die  Augen  fallen.  Unter  den  Genremalern  trat  J.  Ifraels  am  an- 
fpruchvoUften  auf.  In  Farbe,  Helldunkel  und  malerifcher  Wirkung  eines  Inte- 
rieurs verfteht  er  feine  Sache,  aber  die  Geftalten  entbehren  der  Individualität. 
Man    findet  keinen  Humor  da,  wo  er  hingehört,    wie  bei  der  Bauernfamilie    bei 


V.  DIE  SCHWEIZ,  BELGIEN,  HOLLAND,  SKANDINAVIEN  ETC.    389 


Creileiiz  von  Cooper  &  Holt  in   London. 


390 


PLASTIK  UND  MALEREI., 


Tifche,  und  auch  mit  der  Tiefe  der  Kmpfindung  ift  es  nicht  weit  her;  denn  diefe 
müfstc  in  ganz  Anderem  Heften  als  in  dem  Titel:  »Durch  Finfternifs  zum  Licht«, 
welchen  er  bei  einem  ländlichen  Begräbnifs  an  den  Rahmen  gefchrieben  hat. 
Auch  in  den  Bildern  aus  dem  Volksleben  von  Sadee  fehlt  das  individuelle 
Leben,  Hermann  ten  Kate  erfcheint  kaum  auf  früherer  Höhe,  die  Scenen  aus 
dem  Fifchcr-  und  Seemannsleben  von  Elchanon  Verveer  fmd  von  ziemlich 
wohlfeiler  Laune.  Stroebel  hat  namentlich  in  einem  feiner  Bilder,  einem 
Goldfchmiedsladen,  ein  gefälliges  Interieur  mit  Figuren  und  Durchblick  in  das 
Freie  nach  Art  des  Pieter  de  Hooghe  gefchaffen.  In  Trigt's  hiftorifchen 
Genrebildern  aus  der  Gefchichte  der  deutfchen  Reformation  —  nur  Predigt-, 
Unterrichts-  und  Disputations- Motive  —  ift  auch  auf  die  Interieur-  und  Licht- 
wirkung ein  ftärkercs  Gewicht  als  auf  die  wirkliche  Herausbildung  der  Charak- 
tere gelegt. 

Ausgezeichnete  Leiflungen  finden  wir  in  der  Architektur- Malerei,  in  Bos- 
boom's  ftimmungvollen  Kirchen- Interieurs,  in  C.  Springer's  ziemlich  grofsen, 
klaren,  prncis  gezeichneten  Anflehten  der  Rathhäufcr  von  Leyden  und  von 
Lübeck.  Beide  werden  auf  diefcm  Gebiete  nur  von  unferem  Graeb  übertroffen. 
Auch  die  Landfchaft  fleht  durchfchnittlich  auf  einer  erfreulichen  Höhe.  Die 
flotten  Waldpartien  von  Bilders,  die  Gemälde  von  Boks,  Borfeleu,  J.  Bak- 
huyfen,  J.  F.  van  Deventer,  van  der  Maaten,  W.  Roelofs,  J.  G.  Vogel 
zeugen  dafür,  S.  L.  Verveer  ift  in  feinen  holländifchen  Stadtanfichten  vortreff- 
lich. P>benfo  finden  wir  mehrere  gute  Seeftücke,  unter  denen  zwei  Bilder  von 
Heemskerk  van  Beert  in  erfter  Reihe  flehen.  T.  Bakhuyfen  malt  Blumen 
flott  und  kühn,  zwei  Damen,  A.  Haanen  und  M.  Vos,  zeichnen  fich  im  Still- 
leben aus.  Eine  andere  Dame,  Henriette  Ronner,  ift  längft  als  eine  treff- 
liche Hundemalerin  bekannt.  Unter  den  übrigen  Thierbildern  ift  namentlich  ein 
Pferdeftück  von  A.  Mauve  hervorzuheben. 

Alles,  was  die  S  ka  ndi  na  v  i  fchen  Länder  in  lier  Kunft  leiften  ,  ift  ledig- 
lich dem  Zufammenhang  mit  deutfchem  Geift  und  deutfchcr  Bildung  zu  ver- 
danken, ift  Product  ihrer  Düffeldorfer  Colonie.  Wenn  fie  hernach  den  Zufammen- 
hang mit  dem  eigenen  Vatcrlandezu  wahren  wiffen,  aus  deffen  landfchaftlicher  Natur, 
aus  deffen  Volkstluim  ihre  Vorwürfe  wählen,  fo  bewähren  fie  dadurch  nur  die 
Richtung  und  Gefinnung,  zu  der  fie  der  Umgang  mit  dem  deutfchen  Geifte  ge- 
führt hat.  In  Gude  haben  wir  den  bedeutendften  Meifter  aus  diefen  Ländern 
bereits  berückfichtigt.  Norwegen  befitzt  aber  noch  einen  zweiten  Landfchafts- 
maler  erften  Ranges,  L.  Munthe  in  Düffeldorf,  der  durch  zwei  herrliche,  ftim- 
mungsvolle  Bilder,  den  Saum  eines  herbftlichen  Birkenwaldes  und  einen  Winter- 
abend bei  Thauwetter,  vertreten  ift.  Unter  den  Landfchaftsmalern  find  dann 
noch  Jaco  b  fon,  Morten  Müller  und  zwei  Schüler  von  Gude,  J.  Nielfen 
iMuI  Frithjof  Smith,  beachtenswerth,  dazu  kommen  ein  paar  hübfche  Archi- 
tekturftücke  von  Lerche  in  Düffeldorf.  Der  Altmeifter  der  norwegifchen  Volks- 
malerei, A.  Tidemand,  tritt  uns  in  einer  freundlichen  Compofition,  die  jedoch 
kaum  auf  feiner  früheren  Höhe  fteht,  einem  Brautzuge  im  Walde,  entgegen. 
Unter  den  fchwedifchen  Gemälden  fiel  durch  feinen  Umfang  ein  fonft  nur 
mäffiges  Gefchichtsbild ,    König  I'rich  XIV.,  von   Graf  Georg  von  Rofen,  in 


V.  DIE  SCHWEIZ,  BELGIEN,  HOLLAND,  SKANDINAVIEN  ETC.    391 


die  Augen.  Die  befl"eren  Genreftücke,  von  Fagerlln,  Jernberg,  Nordenberg, 
find  fämmtlich  aus  Düffeldorf  eingefendet.  In  einem  Gemälde  von  Heiander  ift 
der  directe  Einflufs  von  Carl  Hoff,  in  einer  Arbeit  von  Agnes  Börjeffender 
von  Wilhelm  Sohn  zu  erkennen.  Die  dänifche  Malerei  nimmt  fich  nicht  fon- 
derlich  aus;  höchftens  ein  paar  Marinen  von  Johann  Carl  Neu  mann  und  von 
Sörenfen  und  einigen  behagliche  Genrebildchen  von  Carl  Bloch,  meiftens 
Mönche  in  verfchiedenen  launigen  Situationen,  verdienen  Beachtung. 

Unter  den  zahlreichen  Arbeiten  des  dänifchen  Bildhauers  J erichau  find 
die  beiden  hervorragendften  längft  bekannt:  zwei  badende  Mädchen,  mäfsig  in 
der  Erfindung,  aber  gefällig  durch  das  weiche  Sich-Aneinanderfchmiegen  der 
Körper,  wenngleich  ziemlich  flau  in  der  Behandlung;  fodann  die  weit  überlegene, 
lebendige  und  herrliche  Gruppe  des  Pantherjägers. 

Die  Zahl  der  ruffifchen  Künftler  war  nicht  bedeutend  und  der  Saal,  der 
ihre  Arbeiten  enthielt,  fah  faft  ebenfo  unruhig  und  verworren  aus,  wie  der  un- 
garifche,  da  Zeichnungen  und  architektonifche  Aufnahmen  unmittelbar  neben 
den  Gemälden  Platz  gefunden  hatten.  Die  Ruffen  wiffen  im  Allgemeinen,  woher 
fie  ihre  künftlerifche  Bildung  zu  holen  haben,  ihren  Arbeiten  ficht  man  wenig 
nationale  Urfprünglichkeit,  dagegen  eine  deutfche  oder  franzöfifchen  Kunfter- 
ziehung  an.  Letztere  läfst  ein  gröfseres  Bild  von  Heinrich  Semiradski 
vermuthen,  welches  in  dem  internationalen  Mittelfaal  hängt:  »die  Sünderin«,  nach 
dem  gleichnamigen  Gedicht  von  Tolftoi.  Diefe  Dichtung  kenne  ich  nicht,  fie 
behandelt  aber  offenbar  die  Gefchichte  der  Magdalena,  welche  durch  Chrifli  Er- 
fcheinung  aus  ihrem  üppigen  Leben  aufgerufen  wird.  Der  rufTifche  Maler  hat 
eine  grofse  Genrefcene  bei  effectvoUem,  füdlichem  Sonnenlichte  daraus  gemacht, 
mit  zahlreichen,  gefchickt  in  Scene  gefetzten  Figuren,  aber  mit  einem  falonfähigen, 
ausdruckslofen  blonden  Chriflus  und  auch  fonft  ohne  wahre  geiftige  Befeelung  des 
Vorgangs.  Eine  verwandte  Richtung  tritt  uns  in  einem  gut  angeordneten  und  ge- 
fchmackvoll  durchgeführten  Gemälde  von  WaffiliWerefchtfchagin  entgegen: 
Gregor  der  Grofse  ftraft  die  Geldgier,  indem  er  einem  Todten  feine  Schätze  mit 
in  das  Grab  giebt.  Alexander  Kotzebue,  der  in  München  lebt,  ift  ein  be- 
deutender Schlachtenmaler,  aber  fein  ausgeftelltes  Bild,  Avantgardengefecht 
bei  Karftula  im  Jahre  1809,  hing  fo  hoch,  dafs  ich  höchftens  feine  überfichtliche 
Anordnung  erkennen  konnte ,  ohne  fonft  eines  Urtheils  fähig  zu  fein.  Ein  paar 
kleine  Schlachtenbilder  von  Willewalde  find  haltungsvoll  und  lebendig.  Die 
Schilderung  des  heimathlichen  Lebens  bei  ftarkem  Realismus  tritt  uns  in  Rie- 
pin's  Barkenziehern  an  der  Wolga  entgegen:  echt  ruffifche  Typen,  fehr  derb, 
faft  brutal  in  der  Auffaffung,  aber  mit  dem  Stempel  des  Wahren,  bei  glühendem 
Abendlioht.  Minder  glücklich  ift  Waffili  Peroff,  deffen  raftende  Jäger  ebenfalls 
naturaliftifche  Kraft,  doch  mit  ftarker  Uebertreibung  des  Ausdrucks,  verrathen. 
Conftantin  Makovski  fchildert  ein  winterliches  Volksfeft  in  St.  Petersburg, 
die  Butterwoche,  mit  vielen  lebendig  beobachteten  Einzelheiten,  ohne  rechte 
Haltung.  Anziehender  find  die  kleinen  Genrebilder  von  Wladimir  Makowski, 
knöchelfpielende  Kinder,  glücklich  im  Charakter  beobachtet,  etwas  fpitz  im  Vor- 
trage; fodann  die  »Nachtigallen-Liebhaber«,  ein  fehr  hübfches  ruffifches  Interieur, 
endlich  das  Vorzimmer   eines   Arztes.     Karl  Huhn  ift    in  feinen  Kinderbildern 


392 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Gothircbes  Grabmal,  nach  Fr.  Scbmidt's  Entwurf  ausgeführt  von  A.  Wafferburger  in  Wien. 


wk 


n. 


V.  DIE  SCHWEIZ,  BELGIEN,  HOLLAND,  SKANDINAVIEN  ETC.    393 


Toilette-Spiegel,  von  Ravene  &  Sufsmann  in  Berlin. 


SO 


♦ 


394  PLASTIK  UND  MALEREL 


fauber  und  allerliebfl,  wahrend  ein  liiflorifches  Genrebild:  Vorabend  der  Bartho- 
lomäusnacht, in  der  Hallunkcn-Fhyfiognoniie  des  Franzofen,  der  fich  das  weifse 
Kreuz  an  den  Hut  befeftigt,  ganz  witzig  und  dabei  gut  gemalt  ift.  Zwei  kleine 
Genrebilder  des  Finnländers  Carl  Janfon,  Seeleute  beim  Kartenfpiel  und  liraut- 
wcrbung,  fcheinen  die  IJüffeldorfer  Schule  zu  verrathen.  Daffelbe  ift  wohl  auch 
bei  der  Landfchaft  eines  Finnländers,  Berndt  Li  ndh  olni,  der  bellen  in  diefem 
Saale,  voll  feinen  Stimmungslebens,  der  I^'all,  während  aufserdem  eine  flache 
Gegend  mit  fumpfigem  Boden  von  Szuchodolsky,  ein  kühl  geflimmtes  nordi- 
fches  Strandbild  von  Eugen  Dücker,  und  der  Eisgang  auf  der  Newa  von 
Alexius  Bogoljuboff,  klar,  charakteriftifch  und  fein  in  der  Perfpective,  Be- 
achtung verdienen. 

Ueber  die  fpanifche  Malerei  im  Zufammenhange  zu  fprechen,  fühle  ich 
mich  nicht  im  Stande.  JJer  Raum,  welcher  diefer  Schule  angewiefen  war,  einer 
der  Eckpavillons  mit  Kuppellicht,  war  von  fchornfleinartigem  Format  und  fo 
dunkel,  dafs  man  höchftens  bei  geöffneten  Thüren  durch  das  von  unten  ein- 
fallende Licht  etwas  erkennen  konnte.  Unter  den  Malern  diefer  Nation  fcheuen 
mehrere  den  gröfstenMafsftitb  nicht;  fo  Mercada,  welcher  den  Tod  des  heiligen 
Franz  von  Affifi  dargeflellt  und  dazu  Ghirlandajo's  berühmtes  Frescobild  benutzt 
hat,  und  Dominguez,  deffen  Tod  des  Seneca  ein  ernfles  Studium,  gute  fran- 
züfifche  Schule,  etwas  von  David's  akademifchem  Stil,  aber  kräftige  Farbe  und 
realiftifche  Energie  zeigt.  Ein  Genrebild  von  PeUicer,  welches  das  abend- 
liche Strafsenleben  in  Madrid  charakteriftifch  fchildert,  ein  ftattliches,  in  der 
Farbe  prunkvolles  Damenportrait  von  Navarrete,  ein  Mädchen  in  Volkstracht 
von  Rodriguez  fielen  mir  noch  am  meiflen  in  die  Augen. 

Zu  den  Nationen,  welche  in  der  Malerei  bereits  an  der  Grenze  der  europäi- 
fchen  Cultur  flehen,  gehören  merkwürdiger  Weife  auch  die  Italiener,  das  gröfste 
Kunflvolk  der  modernen  Welt,  dem  Europa  im  15.  und  16.  Jahrhundert  die 
Wiedergeburt  des  Gefchmacks  verdankt.  Noch  immer  ifl  auf  andern  Gebieten 
etwas  von  der  alten  Begabung  zu  fpüren,  doch  in  der  Malerei  find  die  Italiener 
halbe  Barbaren;  fie  treten  anfpruchsvoU  auf,  oft  im  grölsten  Mafsflabe,  fie  prun- 
ken mit  ihrer  Virtuofität  der  Technik,  dabei  haben  fie  aber  fafl  niemals  ein  echtes 
Gefühl  für  die  Farbe,  nie  ein  feines  durchgebildetes  Verfländnifs  der  Form. 
Ihre  grofse  künftlerifche  Vergangenheit,  noch  heut  das  Ideal  der  modernen  Welt, 
ifl  für  die  Italiener  nicht  vorhanden;  fie  find  in  der  Auffaffung  und  Mache  völlig 
modern,  ebenfowcnig  kennen  fie  aber  auch  ihre  Natur,  ihr  Land  und  Volk,  ihre 
Gegenwart;  das,  was  um  feiner  Schönheit  willen  Menfchen  aus  allen  Nationen, 
und  befonders  die  Künfller,  über  die  Alpen  lockt,  wird  von  ihnen  nicht  verflan- 
den,  theilnahmlos  gehen  fie  an  Alledem  vorbei.  Motive  aus  dem  Volksleben 
Italiens,  wie  von  dem  Wiener  Paffini,  lebensvolle  Geflalten  aus  diefer  Welt, 
wie  von  dem  Franzofen  Bonnat,  Blicke  in  die  landfchaftliche  Schönheit  diefer 
Gegenden,  wie  von  Oswald  Achenbach,  finden  wir  hier  nicht.  Wie  wenig 
können  fich  neben  folcher  Naturauffaffung  —  um  zunächfl  bei  der  Landfchaft 
zu  bleiben  —  Arbeiten  wie  die  von  Vertu nni  fehen  laffen.  Künfller,  die  mehr 
P^igenthümlichkcit  befitzen,  glauben  in  der  Landfchaft  nur  dann  etwas  leiften  zu 
können,  wenn  fie  die  Schönheit  der  heimifchen  Natur,  der  fie  fich  nicht  gewachfen 


V.  DIE  SCHWEIZ,  BELGIEN,  HOLLAND,  SKANDINAVIEN  ETC.    395 


fühlen,  ängftlich  vermeiden,  das  möglich^  Langweilige,  Üede  und  Häfsliche  auf- 
fuchen  und  dies  nicht  etwa  mit  feinem  Stimmungsleben  zu  durchdringen  fuchen, 
fondern  es  mit  kalter  photographifcher  Schärfe  fefthalten.  Roffano's  Viehmarkt 
aus  der  Gegend  von  Neapel,  eine  fchnurgerade  Allee,  welche  das  ganze  Bild 
ausmacht,  ifl  für  diefc  Art  von  Landfchaftsmalerci  bezeichnend.  Pittara's  Thier- 
ftückc  fchcinen  ein  gewiffes  Studium  Troyon's  zu  verrathen,  bleiben  aber  gegen 
das  Vorbild  durch  ihre  Trockenheit  weit  zurück. 


\jl(n   von   weifsem  opakem  Glas,  von  Lolimeyr  in   Wien. 


Eher  öffnen  fich  den  Italienern  dann  die  Augen,  wenn  fie  über  ihre  Grenzen 
gehen;  die  befte  Landfchaft,  in  der  Technik  allerdings  ganz  franzöfifch,  ifl  ein 
dufteres  VVüftenbild  mit  lagernder  Karawane  von  Pafini;  auch  das  italienifche 
Feldlazareth  bei  der  Belagerung  von  Paris,  von  Carlo  Nogaro,  ift  ein  effect- 
volles Winterbild.  Ein  Hühnermarkt  von  Cipriani,  mit  lebendigen  Motiven  und 
einigen  gut  aufgefafsten  Mönchscharakteren,  ein  Heiligenbilder- Händler,  deffcn 
Kram  von  Landleuten  bewundert  wird,  von  Girolamo  Induno,  gehören  zu  den 
befferen  Schilderungen  aus  dem  italienifchen  Volksleben.  Das  fcinfte  und  talent- 
vollfte  aller  italienifchen  Gemäkle,  die  wir  hier  ausgeftellt  fahen,  ift  aber  feinem 
Stoffe  nach  aus  dem  ruffifchen  Volksleben  gegriffen,  die  Brautfchau  von  Ro- 


50* 


396 


PLASTIK  UND  MALEREI 


Schild  in  Treib-,  Cifelir-  und  Taiifchirarbeit,  von  Elkington  &  Co.  in  Birmingham. 

berto  Fontana;  die  junge  Braut  ficht  ganz  entkleidet  da,  um  fich  fo  den  weib- 
lichen Anverwandten  des  Bräutigams  zu  präfentiren,  der  Ausdruck  der  Prüfenden 
ifl  fein  und  mannigfaltig;  die  geduldige  Schamhaftigkeit  der  Hauptfigur,  die  wir 
kaum  im  Profil  fehcn,  und  die  durch  ein  Streiflicht  pikant  beleuchtet  ifl,  wirkt 
allerliebfl.  Eine  zweite  Arbeit  deffelben  Künftlers,  die  Gefpenfterfcene  aus 
Robert  dem  Teufel,  trifft  den  Ton  recht  gut  und  ifl,  bei  feiner  Zeichnung,  poe- 
tifch  in  der  Wirkung  des  Mondlichtes.  Aber  es  ifl  fehr  bezeichnend  für  die 
künfllerifche  Gefinnung  des  modernen  Italiens,  dafs  die  Malerei  zu  ihren  Vor- 
würfen eine  Anleihe  bei  der  Oper  macht. 

Zu  den  beflen  Künfllern  gehört  fodann  Bertini,  von  dem  wir  zunächfl  zwei 
Bildniffe,   fein  eigenes  und  das  der  Prinzeffin  Margherita,   fahen,  nicht  eben  tief 


nr 


V.  DIE  SCHWEIZ,  BELGIEN,  HOLLAND,  SKANDINAVIEN  ETC.    397 


Füllung,  in  Eifen  getrieben,  von  A.   Katfche  in  Wien. 


im  Ausdruck,  aber  mit  Bravour  und  Leben  durchgeführt.  Seinen  beiden  kleinen 
Mädchen,  welche  Tauben  füttern,  fehlt  trotz  mancher  feinen  Züge  doch  die 
rechte  Naivetät.  Von  den  zwei  hiflorifchen  Genrebildern  ifl  das  eine:  Leonardo, 
die  Beatrice  von  Efte  malend  —  diefe  nach  einem  Kopf  in  der  Ambrofiana  zu 
Mailand  —  ein  Coftümflück  ohne  fonderlichen  Geift,  doch  von  fauberer  Durch- 
führung, während  das  andere,  Franz  I.  von  F'rankreich  und  der  Marfchall  Tri- 
vulzio ,  durch  wirkungsvolle  coloriflifche  Haltung  befriedigt.  Ein  originelles 
Talent  tritt  uns  in  Bianchi  entgegen;  feine  Gefangftunde  in  der  Sacriftei  mit 
dem  cholerifchen  alten  Maeftro,  welchen  die  Chorknaben  mit  ihrem  Mangel  an 
Gehör  in  Verzweiflung  bringen,  ifl  glücklich  und  geiflvoll;  hier  wie  in  einem 
anderen   Gemälde,  betende  Frauen   am    Altar,    fpricht   fich  ein    eigenthümliches, 


398  PLASTIK  UND  MALEREI. 


freilich  das  Bizarre  auffuchendes  Farbengefühl  aus.  Ganz  anmuthig  ifl;  eine  Malerin 
in  ihrem  Atelier  von  Domenico  Induno,  ein  hiibfches  Interieur.  Zu  den  befferen 
hiflorifchen  Genrebildern  gehören  Gamba's  Goldoni,  der,  auf  der  Gondel  ein- 
herfahrend,  das  venetianifche  Volksleben  betrachtet,  Lodovico  Norfini's 
Jacob  II.  von  England ,  der  des  Herzogs  von  Monmouth  Bitte  um  fein  Leben 
zurückweift.  Nicht  ohne  Geift  fchildert  Patini  das  wilde  Treiben  in  Salvator 
Rofa's  Atelier. 

Eine  merkwürdige  Eigenfchaft  der  Italiener  ift,  dafs  ihnen  das  Gefühl  für  das 
eigentlich  Malerifche  häufig  fehlt,  dafs  fie  die  Grenzen  zwifchen  dem,  was  der 
Dichtung  und  was  der  bildenden  Kunft  zukommt,  fo  oft  verkennen.  Gar  häufig 
ift;  ihre  Abficht,  bei  Genrebildern  dem  Publicum  eine  rührende  Gefchichte  zu  er- 
zählen. Da  wirft  fich  in  Mion's  »Häuslicher  Scenc«  ein  junger  Mann,  etwa  wie 
Goethe's  Clavigo,  reuig  zu  den  Füfsen  der  einft  Geliebten  und  Verlaffenen,  die 
krank  im  Lehnfluhl  fitzt,  von  ihren  tiefbetrübten  Angehörigen  umgeben.  Ein 
andermal  fehen  wir,  wie  der  Geldmcnfch  feine  Tochter  verhandelt  hat,  trotz  der 
Thränen  der  Mutter  und  der  armen  Braut,  trotz  der  innigen  Theilnahme  von 
Verwandten  und  Hausgenoffen.  Alcffandro  Zezzos  nennt  fein  Bild  »\yeder 
Gemahl  noch  Sohn«.  Wer  foU  das  der  langweiligen  fchwarzgekleideten  Perfon 
anfehen,  die  ftcif  wie  ein  Plättbrett  und  mit  der  gleichgültigften  Miene  von  der 
Welt  dafteht! 

Auch  bei  den  hiftorifchen  Bildern  fallen  die  Italiener  häufig  in  den  P'ehler, 
das  darftellcn  zu  wollen,  was  durch  den  Anblick  des  Bildes  felbft,  ohne  eine  Er- 
klärung des  Katalogs  nicht  verftändlich  ift.  Hieran  leidet  auch  z.  B.  die  Er- 
mordung des  Buondelmonti  von  Eleuterio  Pagliano,  ein  Bild,  dem  es  weder 
an  Lebendigkeit  der  Handlung,  noch  an  Farbenfinn  fehlt;  und  bei  dem  ziemlich 
lahmen  grofsen  Bilde  von  Gianetti,  das  in  dem  internationalen  Mittelfaal  hing, 
Giovanni  Barbarigo,  welcher  der  Königin  Maria  von  Ungarn  die  Freiheit  wieder- 
giebt,  hat  man  eine  gewöhnliche  Theaterfcenc  ohne  nähere  Motivirung  und  ohne 
individuelles  Leben  vor  fich.  Ciferi's  Niedermetzelung  der  Maccabäer  ift  thea- 
tralifch,  aber  gut  aufgebaut,  voll  Haltung  und  Kraft  der  Farbe.  Mitunter  fehen 
wir  auch  in  Figurenbildern  jenen  äufserften  Naturalismus  losbrechen,  den  wir 
bereits  in  der  Landfchaftsmalerei  gefunden.  Gamma rano's  »Epifode  vom  20. 
September  1870«,  eine  Infanterie-Attake  in  überlebensgrofsen,  ganz  von  vorn  ge- 
fehenen  Figuren,  ift  von  frappanter,  doch  geradezu  brutaler  Wirkung.  Von  einer 
unfreiwilligen  Komik  ift  dagegen  Lodovico  Bufi's  grofsesBild:  König  Vittore 
Emmanuele,  die  Annexionen  fanctionirend.  Ein  Künftler,  der  fonft  kleine  ele- 
gante Genrebilder  malt,  ift  hier  über  feine  Sphäre  hinausgegangen;  eine  gröfsere 
Lahmheit  und  Geiftlofigkeit  läfst  fich  nicht  denken;  die  Menfchen  fehen  wie  aus- 
geftopfte  Puppen  aus.  Offenbar  das  befte  unter  den  gröfseren  Gemälden  war 
Uffi's  Aufbruch  der  Pilger  nach  Mecca;  das  bunte  Gewühl  der  Karavane, 
reich  an  charakteriftifchcn  Typen,  ift  in  fcharfer  Beobachtung  und  ficherem  male- 
rifchem  Gefühl  und  voller  Verwerthung  der  glühenden  füdlichen  Beleuchtung 
gefchildert. 

Aber  nicht  fowohl  durch  ihre  Malerei  haben  die  Italiener  Effect  gemacht 
als  durch  ihre  Plaftik.     Die  ift  ein  beliebter  Modeartikel,   ein  Hauptvergnügen 


V.  DIE  SCHWEIZ,  BELGIEN,  HOLLAND,  SKANDINAVIEN  ETC.    399 


des  grofsen  Publicums,  gangbar  und  gut  bezahlt,  während  unter  den  Werken 
der  Malerei  aller  Völker  felbfl  das  Beliebtefle  in  diefer  ungünftigen  Zeit  keinen 
Käufer  mehr  fand. 

Die  Plaftik  bildet  in  Italien  einen  Induftriezweig,  der  für  den  Export  arbei- 
tet und  wefentlich  nicht  von  felbfländig  productiven  Künfllern,  fondern  von  ge- 
fchickten  Handwerkern  betrieben  wird.  Ihre  Stärke  haben  dicfe  in  der  möglichfl 
gefteigerten  technifchen  Virtuofität  der  Marmor-Ausführung,  die  für  fie  die  Haupt- 
fache bildet,  während  unftre  Bildliauer  fich  meifl  mit  der  Modellirung  in  'I'hon 
begnügen  und  das  Marmorwerk   nur  als   eine  Copie  des  Modells,    von  Gehilfen- 


wyj>jji>j>yAjjj^^^/.^^. 


^v's!j,Si^^!kSk<k<kVs'v>l .  j 


SeidenftofT  von  Giani  in  Wien,  olivenfail)ig,  die  Ornamente  in   rotheni  Sanimet  erhöht;  Kaiferpavillon. 


hand  ausgeführt,  in  die  Welt  fenden.  Die  Italiener  wiffen  fich  in  der  Marmor- 
technik bei  fortwährender  Uebung  der  Hand  eine  Routine  anzueignen,  die  über 
jeden  Begriff  geht,  und  gehen  darauf  aus,  durch  das  rein  technifche  Kunflüück 
zu  wirken,  wofür  fie  ftets  ein  williges  Publicum  finden.  Das,  was  das  eigentliche 
Ziel  der  Plafhk  ift,  die  nackte  Menfchengeflalt  darzuflellen ,  gilt  ihnen  nichts, 
niemals  gehen  fie  auf  die  IdeaUtät  der  P'orm  aus,  das  Nackte  hat  für  fie  nur  in- 
fofern Bedeutung,  als  es  einen  Reiz  auf  die  Sinne  ausübt.  Hierauf  ifl:  die  Art, 
in  welcher  fich  die  Geflaltcn  bewegen,  die  Formen  fich  entblofsen,  Bufen  und 
Nacken  aus  den  Gewänden  hervorfchauen,  berechnet.  Die  Formen  felbfl  gehen 
aber  nur  feiten  über  das  Gewöhnliche  hinaus.  Während  unfere  Bildhauer  gern 
in  Italien  weilen,   da  ihnen   unter  diefem  glücklichen  Himmel   eine  gröfsere  Un- 


400 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


ini^iwiii 


l,;|,.u,    w,ii   i  ,   II.,.: 


.\   S.iliii   111   iJ.uaill.ult. 


V.  DIE  SCHWEIZ.  RRLGIEN,  HOLLAND,  SKANDINAVIEN  ETC.    401 


Befangenheit  des  Dafeins,  eine  edlere  Plaftik  der  Körper  entgegentritt,  da  fie 
hier  mit  Leichtigkeit  fchöne  Modelle  finden ,  die  ihnen  die  Heimath  nicht  bietet, 
haben  die  italienifchen  Bildhauer  faft  ebenfowenig  wie  die  italienifchen  Maler  für 
die  Schönheit  ihrer  eigenen  Wirklichkeit  Sinn.  Nirgend  finden  wir  bei  ihnen  eine 
einfache  Ruhe  des  Dafeins,  fie  gehen  überall  auf  das  Pikante  aus,  fie  wiffen  nur 
durch  das  Gezierte,  Gefall füchtige,  lüflern  fich  Einfchmeichelnde  des  Motivs  zu 
wirken.  Den  Reiz  des  Machwerks  zeigen  fie  nicht  fowohl  im  Nackten,  als  im 
Coflüm,  fie  wetteifern  mit  dem,  was  nur  Sache  der  Malerei  fein  kann,  indem  fie 
darauf  ausgehen,  die  Stoffe  des  Anzugs,  Linnen  und  Wolle,  Sammet  und  durch- 
fichtige Schleier,  Spitzen  und  Schnüre  mit  der  denkbar  gröfsten  Realität  und 
materiellen  Wahrheit  wiederzugeben,  ebenfo  die  Vegetation  des  Bodens,  das 
zottige  Fell  des  Hundes  oder  den  Strickftrumpf  in  der  Hand  des  kleinen  Mäd- 
chens, wie  in  zwei  Kindergeflalten  von  Zannoni.  So  wird  auch  das  Netz  in  der 
Hand  von  Br  aga'sFifcherknaben,  das  Gefieder  der  Hühner  und  das  lange  Haar 
der  Ziegen  in  Lombardi's  Thiergruppen  mit  raffinirtefler  Technik  dargeflellt. 
Mit  diefer  gefallfüchtigen  Ueberfeinerung  ifl;  zugleich  flets  noch  ein  anderer  Zug 
verbunden :  eine  auf  die  Spitze  getriebene  Sentimentalität  des  Ausdrucks.  Beides 
gehört  nothwendig  zufammen,  ohne  diefe  krankhafte  Steigerung  des  Ausdrucks 
würden  die  Gefichter  neben  den  anfpruchsvoll  und  aufdringlich  behandelten  Ein- 
zelheiten und  Nebendingen  nicht  zur  Geltung  kommen.    So  ift  die  Wahrheit  des 


61 


402  PLASTIK  UND  MALEREI. 


Effectes  auf  der  einen  Seite  von  der  äufserften  Unwahrheit  des  Gefühls  auf  der 
anderen  Seite  untrennbar. 

Gerade  bei  Kindergeftalten  in  mancherlei  Situationen  —  und  folche  lieben 
diefe  Bildhauer  ganz  befonders  dar/uftellen  —  ifl  die  Sufslichkeit  am  unange- 
nehmfit n.  Uas  beweifen  manche  y\rbeiten  von  PietroGuarniero,  der  nur  zu- 
weilen durch  einen  gevviffen  Humor  verföhnt,  wie  in  dem  kleinen  Buben,  der  mit 
äufserftem  Widerwillen  auf  Befehl  fein  Gebet  fpricht.  Durch  die  übertriebene 
Sentimentalität  ftöfst  auch  die  aufserordentlich  elegante  Coflümfigur  ab,  die 
Guarniero  für  Raffael  in  feiner  Jugend  ausgiebt.  Mitunter  können  wir  uns  trotz 
des  Widerfpruchs  gegen  die  Richtung  nicht  dem  Eindruck  des  echten  Talentes 
und  des  glücklichen  Wurfes  verfchliefsen,  wie  bei  Francesco  Barzaghi's 
»Vanarella«,  der  kleinen  Eitlen,  die  mit  der  langen  Schleppe  ihres  Seidenkleides 
kokettirt.  Auch  die  Phryne  deffelben  Künftlers  gehört  bei  feiner  Behandlung 
des  Nackten  zu  den  befferen  Leiftungen;  das  durch  und  durch  Sinnliche,  die  ge- 
heuchelte Scham ,  die  zur  Schau  getragene  Nacktheit  bringt  das  gewählte  Motiv 
von  felber  mit  fich.  Bei  Ginotti's  blinder  Nidia  —  nach  Bulwer's  »letzten 
Tagen  von  Pompeji«  ifl  recht  hübfch  ausgedrückt,  wie  fie  beim  Blumen- 
pflücken,  ohne  zu  fehen,  ihren  Weg  fucht,  aber  Blumen,  durch  die  Mittel  der 
Plaftik  möglichfl  naturaliüifch  dargeflellt,  find  allerdings  ein  eigenes  Ding.  Tan- 
tardini, der  fonfl  vorzugsweife  Bewunderung  gefunden,  war  diesmal  befonders 
glatt  und  conventionell.  Zocchi's  junger  Michelangelo  im  Eifer  der  Arbeit  ift 
ein  frifches  und  charaktervolles  Genrewerk.  Auf  das  gröfsere  Publicum  übte  eine 
Arbeit  von  Tabacchi  Anziehung  aus,  welche  für  die  äufserfte  Verirrung  diefes 
italienifchen'  Virtuofenthums  charakteriftifch  ift :  eine  Dirne  im  Debardeurcoftüm, 
welche,  die  Maske  in  der  Hand,  verführtrifch  auf  einem  zierlichen  Tifchchen 
balancirt  — •  das  Motiv  im  Stil  mancher  llolzfchnitte  des  »Journal  amufant«,  und 
dabei  Stiefelchen  mit  hohen  Abfätzen  und  Tricut  in  Marmor! 

Kein  italienifcher  Bildhauer  hatte  fo  durchfchlagenden  Erfolg  wie  Monte- 
verde  mit  feinem  Gypsmodell:  »Dr.  Jenner,  der  an  feinem  Kinde  die  erfte  Impfung 
vornimmt«  (f.  d.  Abb.  auf  S.  96).  Auch  hier  tritt  uns  der  äufserfte  Naturalismus,  die 
zu  malerifche  Auffaffung,  die  Bravour  im  Coftüm  entgegen,  aber  dabei  ein  fo 
kecker  Wurf  in  der  Auffaffung,  eine  fo  unmittelbare  Lebendigkeit,  dafs  die 
Wirkung  nicht  ausbleiben  kann.  Die  gefpannte  Aufmerkfamkeit  des  Arztes  bei 
der  Operation,  die  charakteriftifche,  haarfcharf  der  Wirklichkeit  nachgebildete 
Bewegung  der  Rechten  mit  der  Pincette,  das  Sich-Eindrücken  der  Linken  in  das 
Fleifch  des  Kindes  find  meifterhaft  gegeben,  nur  der  nackte  Knabe  felbft,  wenn 
auch  flott,  ift  nicht  ganz  fo  glücklich  und  unmittelbar  in  der  Bewegung  Von 
Monteverde  war  auch  noch  ein  Columbus  als  Jüngling  da,  welcher  neben  Fran- 
ceschini's  Trovatore  zu  den  beften  Coftümfiguren  gehörte. 

Nur  in  den  Werken  der  Genreplaftik  leiften  die  Italiener  Beachtenswerthes, 
ihre  Arbeiten  höheren  Stils  werden  wenig  Theilnahme  finden.  Die  beftechen- 
den  Reize  der  Technik  fallen  fort,  fchcn  weil  wir  hier  meift  mit  Gyps,  ftatt  mit 
Marmor,  vorlieb  nehmen  muffen,  das  Gefuchte  und  Widrige  bleibt  mitunter,  wie 
in  Gallori's  Nero  in  Weibertracht,  oder  die  Auffaffung  geht  nicht  über  das 
Conventionelle  hinaus,  wie  inConfani's  Victoria  mit  dem  Schilde,  Luccardi's 


V.  DIE  SCHWEIZ,  BELGIEN,  HOLLAND,  SKANDINAVIEN  ETC.    403 


Kain,  Magni's  Juftitia  und  feiner  Sappho.  Oldofredi's  müder  Mann  von 
Chifelhurft,  ein  Nachklang  von  Vela's  flerbendeni  Napoleon  I.,  ift  ganz  charak- 
tervoll.  — ■ 

Nur  die  Kunft  eines  Volkes,  des  englifchen,  haben  wir  noch  zu  be- 
rückfichtigen.  Es  ift  fachgemäfs,  diefe  für  fich  zu  behandeln,  denn  fie  hat  ihren 
ganz  befonderen  Charakter.     Der   Canal    bildet  auch  'in    künftlerifcher  Beziehung 


Bronzeleuchtcr,  von  Elkington  &  Co.  in  Birmingham. 

eine  entfchiedene  Trennungslinie  zwifchen  den  britifchen  In  fein  und  dem  Con- 
tinent.  Die  englifche  Malerei  hat  fich  aui  dem  heimathlichen  Boden  felbft  ent- 
wickelt, meift  unbekümmert  um  die  künftlerifchen  Strömungen  in  dem  übrigen 
Europa;  fie  findet  ihr  Publicum  bei  fich  zu  Maufe,  fie  arbeitet  nicht  für  den  Ex- 
port, und  der  Markt  auf  dem  Continent  hat  für  fie  nicht  das  mindefte  Interefife. 
Diefer  Uinftand  hat  bei  Gelegenheit  der  Wiener  Weltausftellung  nun  zunächft 
einen  fehr  günftigen  Einflufs  gehabt;  die  englifche  Gemälde-Ausftellung  war  eine 
gewählte.  Die  Künftler  hatten  nicht  das  gefchickt,  was  fie  gerade  fertig  hatten, 
was  eben  frifch  von  der  Staffelei  kam  und  des  Käufers  harrte,  fondern  aus  dem 
Privatbefitz,  meift  aus  vornehmen  Wohnungen  und  Sammlungen,  war  eine  kleine 


51* 


404 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Stimmzettelurne  für  den  deutfchen  Reichstag,  vo 


11'     -    I 


V.  DIE  SCHWEIZ,  BELGIEN,  HOLLAND,  SKANDINAVIEN  ETC.    405 


Lampe,  entwürfen  von  Hcyden,  ausgeführt   von  der   ISerliner  Lampen-  und   Bron/.ewaaren-Fabrik 

von  Stobvvaffer  &  Co. 


406 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


Anzahl  von  Gemälden  auserlefen  worden,  die  fo  ziemlich  die  Höhe  deffen  reprä- 
fentirten,  was  die  angefehenften  Maler  zu  leiflen  im  Stande  find.  Der  Eindruck 
des  englifchen  Saales  war  daher  ein  ganz  be(onderer,  man  glaubte  fich  in  den 
Raum  eines  englifchen  Privatfammlers  von  feinem  Gefchmack  verfetzt. 


Taufchirtu  Schale  von  Ybarzabal  in  Eibar. 


Als  ich  die  englifche  Malerei  zuerft  in  England  felbft  kennen  lernte,  konnte 
ich  mich  anfangs  nicht  recht  mit  ihr  befreunden,  bis  ich  einmal  die  grofse 
Kunflausftellung  in  der  Royal  Academy  und  die  Biklerfäle  im  South  Kenfington 
Mufeum  des  Abends  befuchte,  wo  fich  flets  ein  befonders  elegantes  Publicum 
dort  wie  in  Gefellfchaftsräumen  vcrfammelt.  Ich  merkte  fofort ,  dafs  die  Leute 
nicht  Unrecht  hatten  und  dafs  die  Bilder  fich  in  der  That  bei  diefer  Beleuchtung 
am  heften  ausnahmen.  Die  englifche  Malerei  ift  eine  Malerei  für  Gaslicht.  Die 
Beftimmung  der  neueren  englifchen  Gemälde  liefert  dafür  eine  genügende  Er- 
klärung. Sie  werden  eigentlich  nur  für  den  Drawing  room  des  Privathaufes  ge- 
fchafifen.  Da  liegt  es  in  der  Natur  der  Sache,  dafs  man  fie  Abends,  bei  künft- 
licher  Beleuchtung,  vorzugsweife  ficht  und  geniefst,  und  es  fcheint,  als  ob  fich 
die  Maler,  vielleicht  gröfstentheils  unbewufst,  darauf  einrichten.     Bei  künftlicher 


V..DIE  SCHWEIZ,  BELGIEN,  HOLLAND,  SKANDINAVIEN  ETC.   4Ü7 


Beleuchtung  wird  der  coloriftifche  Eindruck  harmonifcher,  während  er  fonfl  durch 
eine  Vorliebe  für  gar  zu  lebhafte,  fcharfe  Gegenfätze  leicht  bunt,  dabei  durch 
einen  Zug  des  Gefallfüchtigen  oft  füfslich  ift.  Aber  auch  Auffaffung  und  Cha- 
rakteriftik  ftreifen  oft  an  das  Süfse,  was  mit  dem  ganzen  Entwicklungsgange  der 
modernen  englifchen  Malerei,  ihrem  Losgelöflfein  von  aller  gröfseren  Tradition, 
ihrem  Schaffen  für  Privatliebhaberei,  namentlich  der  vornehmen  Kreife,  zu- 
fammenhängt. 

Für  kirchliche  Zwecke  hat  die  Kunfl:  nichts  zu  thun,  da  die  Formen  des 
Cultus  dies  verbieten,  zu  monumentalen  Zwecken,  zu  der  Decoration  öffentlicher 
Gebäude  wird  fie  nicht  herangezogen,  und  wenn  einmal  der  Verfuch  gemacht 
wird,  ihr  folche  Aufgaben  zu  gewähren ,  wie  bei  der  Ausfchmückung  der  Parla- 
mentshäufer,  fo  fällt  die  Sache  ungenügend  aus,  denn  hierzu  fehlt  es  den  engli- 
fchen Künftlern  an  Sinn  wie  an  Vorbildung. 


Innenfläche  der  Schale  von  Ybarzabal;    taufchirte  Arbeit. 


Einige  Worte  von  Richard  Redgrave  in  feiner  Einleitung  zu  dem  Kata- 
loge der  neueren  englifchen  Gemälde,  meift  aus  dem  Nachlafs  von  Mr.  Sheep- 
fhanks,  im  South  Kenfmgton  Mufeum,  treffen  den  Nagel  auf  den  Kopf,  nur 
dafs  er  gerade  in  dem,  was  uns  als  Einfeitigkeit  der  englifchen  Schule  erfcheint, 
ihren  Hauptvorzug  erkennt:  »Die  Blüthe  der  englifchen  Kunft«  ,  fo  heifst  es  an 
einer  Stelle,  »entfaltete  fich  den  Anforderungen  derjenigen  entfprechend,  die  fie 
als  eine  Quelle  des  Genuffes  in  der  Häuslichkeit  lieben.  Deshalb  find  unfere 
Bilder  klein,  unfcren  Privatwohnungen  angemeffen,  und  ihre  Gegenftände  find 
folche,  mit  denen  wir  leben  und  die  wir  lieben  können,  die  uns  eine  Erquickung 
in  den  Augenblicken  der  Ruhe  nach  der  harten  Arbeit  des  Tages  gewähren.« 
Trat  man  auf  der  Parifer  Ausftellung  des  Jahres  1855,  meint  Mr.  Redgrave,  aus 
den  Sälen  der  franzöfifchen  und  continentalen  Gemälde  in  die  Galerie  der  engli- 


Goldfclimuck  voll  Olto  Knimhügel  in  Moskau. 


fchen,  fo  kam  man  von  Scenen  des  Kriegs  und  der  Leidenfchaft,  des  Ringens 
und  des  Leidens  zu  Scenen  häuslichen  Friedens,  welche  das  Leben  eines  Volkes 
wiederfpiegeln,  dem  lange  eine  ruhige  Exiftenz  vergönnt  war.  Und  während  die 
grofsen  holländifchen  Genremaler  des  17.  Jahrhunderts,  fetzt  er  hinzu,  in  ihren 
Arbeiten  wie  Leute  erfcheinen,  die  niemals  lefen,  weil  fie  blos  Motive  aus  dem 
alltäglichen  Leben  tiarftellen,  ohne  Zufammenhang  mit  der  Literatur,  ohne  An- 
fchlufs  an  heimifche  oder  fremde  Dichter,  finden  unfere  oder  fremde  Schrift- 
fteller  an  den  englifchen  Malern  ihre  liebevollen  lUuftratoren ,  und  felbft  wenn 
diefe  ihre  Stoffe  aus  dem  gewöhnlichen  Volksleben  fchöpfcn ,  fuchen  fie  irgend 
einen  rührenden  Zug,  eine  zarte  Epifode,  einen  füfsen  Ausdruck  einzumifchen, 
durch  welche  auch  diefe  Gegenftände  mit  der  edleren  Menfchlichkeit  in  uns 
felbfl  verknüpft  werden. 

Uas  Alles  ficht  unfer  englifcher  Gewährsmann  für  befondere  Vorzüge  an. 
Wir  dagegen  finden  in  diefer  einfeitig  literarifchen  Infpiration,  in  diefem  zum 
Theil  moralifirenden  und  zum  Theil  fentimcntalen  Zug  der  Kunflwerke  eine 
krankhafte  Neigung,  welche  dem  übertrieben  modernen  Wefen  der  englifchen 
Schule  entfpringt.  Ohne  Zufammenhang  mit  den  herrlichften  Epochen  der  Ver- 
gangenheit, namentlich  mit  der  italienifchen  Renaifiance,  ohne  Antheil  an 
dem  Auffchwung,  welchen  Frankreich  und  Deutfchland  in  unferem  Jahrhundert 
erlebten,  im  eigenen  Lande  durch  keine  frühere  künftlerifche  Ueberlieferung  als 
die  des  vorigen  Jahrhunderts  getragen,    kommt  die  englifche  Schule   fchwer   zu 


V.  Du<:  SCHWEIZ,  bp:lgien,  Holland,  Skandinavien  etc.  409 


Goldfchniuck  von  Otto  Krumhügel  in  Moskau. 

einem  ausgebildeten  Stil  in  Compofition,  Ausdruck  und  Farbe.  D<i^  bannt  fie  in 
ganz  beflimnite  Schranken,  aber  innerhalb  derfelben  entfaltet  fie  in  der  That 
manche  überrafchende  Eigenthümlichkeiten :  Geifl  und  lebendigen  Humor,  glück- 
liche Anmuth,  feine  Individualifirung,  gute  Beobachtung  des  Lebens,  malerifchen 
Reiz.  Diefcn  Eigenfchaften  mufs  man  gerecht  werden,  befonders,  wenn  fic  uns 
in  einer  fo  feinen  Auswahl  von  Kunftwerken  wie  diesmal  gegenübertreten. 

Bei  der  Stellung  der  englifchen  Malerei,  wie  wir  fie  eben  fchilderten,   ift  es 
felbflverftändlich,  dafs  gröfsere  hiftorifche  oder  religiöfe  Gemälde  feiten  auftreten. 


52 


410  PLASTIK  UND  MALEREI 


Aber  einige  Ausnahmen  von  wirklicher  Bedeutung  waren  in  Wien  vorhanden,  unter 
denen  ein  Gemälde  von  K.  M.  Ward,  allerdings  bereits  aus  dem  Jahre  1854, 
durch  Umfang  wie  durch  Energie  der  Behandlung  hervorragt:  des  Herzogs  von 
Argyll  letzter  Schlaf.  Der  greife  Gegner  Carl's  II.  fchläft  ungebrochen  und  fried- 
lich in  feinen  Feffeln,  während  der  Kerkermeifter  und  der  Offizier,  der  ihn  zum 
Tode  führen  foll,  tief  ergriffen  an  feinem  Lager  flehen.  Bei  grofser  Macht  des 
Ausdruckes  und  charaktervoller  Zeichnung  wirkt  dies  Gemälde  zugleich  durch 
feine  Tiefe  des  Tones  und  fein  gut  abgewogenes  Helldunkel,  das  ein  ernfles 
Studium  der  Rembrandt'fchen  Schule  verräth.  Von  G.  F.  Watts  war  eine 
Skizze  vorhanden,  die  in  kleinem  Mafsftabe  eine  echte  Gröfse  der  Compofition, 
ideale  Empfindung,  ftilvoUen  Aufbau  und  noble  coloriftifche  Haltung  zeigt:  der 
Todesengel,  der  mächtig  thront,  während  zu  feinen  Füfsen  der  greife  König, 
der  feine  Krone  darbietet,  der  Ritter,  der  fein  Schwert  auf  den  Altar  legt,  der 
Bettler,  das  Kind,  das  lebensmüde  Mädchen  nahen.  Fr  oft  ift  in  feinen  Ver- 
fuchen,  das  Nackte  zu  idealifiren,  kalt  und  conventionell.  Seine  Una  unter  den 
Waldnymphen  (1846)  lohnt  die  Ueberfchreitung  des  Programmes  wahrlich  nicht. 
¥.  Leighton,  der  als  Schüler  von  Steinle  mit  der  ftrengen  continentalen 
Richtung  im  Zufammenhange  fteht,  hatte  aufser  einem  anmuthigen  antiken  Genre- 
bilde »Kleobulos  und  Kleobule«  noch  die  lebensgrofse  Halbfigur  eines  grün  ge- 
kleideten jungen  Mädchens,  das  eben  vom  Gebete  auffteht,  ausgeftellt,  zart  im 
Ausdruck  und  von  feinem  Reiz  in  Farbe  und  Vortrag.  J.  E.  Millais,  einft  das 
Haupt  der  fogenannten  »PreraphaeUtes«  erfchien  diesmal,  ohne  alle  früheren 
idealen  Beftrebungcn,  nur  als  Portraitmaler,  in  Bildniffen  von  Kindern,  allerlieb- 
ften  kleinen  Mädchen,  von  echt  englifcher  Schönheit,  aber  etwas  puppenhaft, 
von  einer  zu  abfichtlichen  Virtuofität  des  Vortrags  und  kreidig  im  Ton.  Unter 
den  Bildnifsmalern  zeichneten  fich  dann  noch  J.  P.  Knight  und  Sir  Francis 
Grant  aus.  Das  Jagdrendezvous  des  letzteren  bewältigt,  trotz  mangelnder  Luft- 
perfpective,  diefen  fchwierigen Vorwurf  fchrgcfchickt.  Von  dem  berühmten,  feitdem 
verftorbenen  Thiermaler  Sir  Edwin  Landfecr  fahen  wir  fein  eigenes  Portrait 
nebft  zwei  Hunden,  die  ihm  über  die  Schulter  gucken,  recht  gemüthlich,  obwohl  dem 
Künftler  daffelbe  wie  manchen  anderen  Thiermalern ,  z.  B.  Verlat,  begegnet, 
dafs  er  auch  das  menfchliche  Abbild  kaum  über  die  animalifche  Exiftenz  hin- 
aushebt. Zwei  andere  Bilder  von  ihm  find  bekannte  frühere  Arbeiten:  »Die  Zu- 
fluchtsftätte«  —  ein  Hirfch  in  der  Dämmerung  am  einfamen  Hochlandsfee,  diefe 
durch  den  Stich  allgemein  verbreitete,  poetifche  Conception  —  und  »Das  arabi- 
fche  Zelt«,  mit  der  ruhenden  Stute,  dem  Füllen,  Hunden  und  Affen,  fchlicht  und 
tüchtig  in  der  Charakteriftik  des  Thierlebens,  doch  ohne  hinreichende  Kraft  des 
Colorits. 

Merkwürdig  fpärlich  trat  die  eigentliche  Volksmalerei  auf,  der  doch  in  Eng- 
land ein  Wilkie  glorreich  die  Bahnen  gewiefen  hatte.  Jene  Schönthuerei  in 
Vorwurf  und  Behandlung,  welche  im  Gemälde  zunächft  nur  ein  behagliches 
Möbel  des  Wohnzimmers  fieht,  macht  ihr  mehr  und  mehr  den  Platz  ftreitig. 
Harvey's  Aufbruch  der  Schulkinder,  voll  Frifche  der  Auffaffung  und  von  glück- 
licher Interieur-Wirkung  im  Charakter  der  alten  Holländer,  rührt  fchon  von  1846 
her.     Nicol's  Gefchirrhändler   ift  eine  joviale,  köftliche  Charakterfigur,   kräftig 


V.  DIE  SCHWEIZ,  BELGIEN,  HOLLAND,  SKANDINAVIEN  ETC.   411 


Vafe  mit  Fufsgeftell,  mit  Gold-  und  Emailverzierung,  von  Lobmeyer  in  Wien. 


5a* 


412 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


aus  dem  Leben  herausgegriffen,  theilt  aber  die  gewöhnlichen  Fehler  des  begab- 
ten Künfllers,  im  Ausdruck  faft  übertrieben,  im  Ton  zu  violet  zu  fein.  Thomas 
Faed  offenbarte  mit  grofser  Energie  des  Ausdrucks  auch  diesmal  eine  ergrei- 
fende pfychologifche  Wahrheit  bei  blühendem,  aber  ruhigem  Colorit.  Der  »Letzte 
feines  Stammes«  ifl  ein  alter  Schotte  zu  Pferde,  der  von  den  Seinen  umgeben 
am  Strande  der  Ueberfahrt  harrt;  der  fchwerc  Abfchied  von  dem  Vatcrlande 
prägt  fich  in  Allem  tief  ernfl  aus.  Während  dies  Bild  fchon  aus  dem  Jahr  1865 
herrührt,  ift  ein  neues,  drei  Kintlcr  an  einem  offenen  Grabe,  nicht  minder  aus- 
drucksvoll und  echt  empfunilen. 

Im  Ganzen  überwiegt  das  hiflorifche  Genre.  Yeame's  Konigin  Elifabeth, 
welche  nach  der  Bartholomäusnacht  den  franzöfifchen  Gefandten  empfängt, 
mir  fchon  vom  Jahre  1866  her  bekannt,  ift  in  der  Luftwirkung  etwas  hart,  fonfl 
höchfl  charaktervoll  in   der  pfychologifchen  Erfchöpfung  diefes    peinlichen  Mo- 


Ilandleuchter  von  Raveiie  &  Siifbniaiin   in  Berlin. 

ments  und  voll  echten  gefchichtlichen  Lebens.  Stowe  fchildert  König  Eduard  II. 
in  feiner  Hingabe  an  den  unwürdigen  Günflling  Gavcftone,  welche  den  Unwillen  des 
Hofes  erregt.  Philipp  Calderon  erzählt  uns  mit  Laune  und  geiftreicher  Leben- 
digkeit eine  Scene  aus  den  Vendce-Kriegen:  englifche  Soldaten  finden  nach  der 
Schlacht  einen  Knaben  allein  als  Hüter  im  verlaffenen  und  geplünderten  Gehöft. 
Sein  gröfseres  Bild,  ein  junges  Paar  im  Coflüm  des  16.  Jahrhunderts,  das  auf 
dem  Waffer  treibt,  führt  den  fentimentalen  Titel  »Sighing  his  foul  into  his  I^dy's 
face«  —  echt  englifch!  Es  follten  womöglich  noch  ein  paar  Verfe  im  Katalog 
und  am  Rahmen  flehen.  Bei  unleugbarem  Reiz  ifl  hier  doch  die  Süfslichkeit 
auf  die  Spitze  getrieben  und  die  Figuren  find  eigentlich  für  das  Motiv  zu  grofs. 
In  Stoff  und  Geifl  ifl  das  Rococobild  »fair  quiet  and  sweet  red«  von  Fields 
dem  vorigen  verwandt.  Wir  hatten  dann  noch  an  Mark.s'  mittelalterlichen 
Bettlern,  an  Horsley's  hübfchem  Interieur  mit  Schachfpielern,  fchönen  Damen 
und  Courmachern  im  Collum  des  17.  Jahrhunderts  und  an  Watfon's  »Gift- 
becher« unfere  Freude,  denn  dies  kleine  Bild  ficht  viel  zu  gemüthlich  aus,  als 
dafs  wir  im  Ernft  dem  Cavalicr  im  Atlaskleide,  der  ein  Fläfchchen  in  den  Pokal 


V.  DIE  SCHWEIZ,  BELGIEN,  HOLLAND,  SKANDINAVIEN  ETC.    413 


leert,  eine  böfe  yXbficht  zutrauen  könnten.  Allcrliebrt,  ^eiftreich  und  voll  kecker 
Laune  ift  Storey's  » fcliüchtcrne  Schülerin«,  ein  Giinschcn  im  Coftüm  des 
17.  Jahrhunderts,  das  fich  bei  der  Tanzfluiide  un^efchickt  anftellt.  Frith  über- 
rafcht  auch  diesmal  wieder  durch  feinen  liebenswürdigen  Humor  und  feine  feine 
Indiviilualifirun^,  welche  das  Momentane  und  fchnell  Vorüberfliegende  im  Aus- 
druck ebenfo  zart  wie  ficher  feilzuhalten  weifs.  Während  Lord  Foppington,  der 
unverfchämte  Schwätzer,  feine  Abenteuer  einer  Gruppe  im  Coflüm  des  vorigen 
Jahrhunderts  erzählt,  ift  der  Ausdruck  der  jungen  Dame  am  Fenfler,  die  kaum 
verhehlen  kann,  wie  wenig  fie  von  dem  Allen  glaubt,  fowie  die  Haltung  der 
anderen  Schonen,    die  vor  fich  hinfchaut,    wohl    wiffend,   wie   nachdrücklich   der 


■lttlh«ltll      WltH 


Inclirdie  ThoniTL'färsc. 


flehende  Ca  valier  fein  Auge  auf  ihr  ruhen  läfst,  fein  und  lebensvoll.  Lewis  und 
Hodgfon  führen  uns  orientalifche  Sccnen  vor,  Paul  F'alkoner  Poole  in 
feinem  gefpenflifchen  Jäger,  nach  einer  F>zälxlung  des  Decamerone,  und  Elmore 
in  feinem  Bilde  zu  Bürger's  Leonore  entfalten  dämonifchen  Reiz  und  träumeri- 
fche  Phantaftik.  Orchardfon  in  einer  Fallflaff-Scene  und  Pettie,  der  uns 
Probftein ,  den  Narren  aus  »Wie  es  euch  gefällt« ,  mit  feiner  Unfchuld  vom 
Lande  vorführt,  illuftriren  Shakefpeare  mit  flotter  Laune,  nur  in  einem  etwas  zu 
eleganten  Stil. 

Unter  den  Landfchaften  fanden  wir  zunächfl  eine  Themfc-Partie  mit  Brücke 
und  Vieh  von  dem  verfliorbenen  Turner,  und  zwar  offenbar  ein  früheres  Bild, 
vor  Beginn  jenes  Manierismus,  zu  dem  der  Künftler,  wie  Dr.  Liebreich  vor 
Kurzem  nachgewiefen  hat,  durch  eine  Erkrankung  des  Auges  geführt  wurde. 
Sonnig  und  duftig,  offenbart  dies  Werk  jene  volle  Pocfie  der  Luft-  und  Licht- 
wirkung, deren  der  Künftler  in  feiner  beften  Zeit  fähig  war.  Neben  ihm  zeich- 
neten fich  Linnel,  Davis,  Vicat  Cole,  diefer  in  einer  einfachen  Gegend  bei 
Abenddämmerung,    und  Richard  Redgrave    aus,   deffen  Richtung    eine    von 


414 


PLASTIK  UND  MALEREI. 


der  hcrrfchcnden  ganz  abweichende  ifl:,  und  der  in  feinen  durchfichli^en  Wald- 
partien auf  die  liebevolle,  feine  Behandlung  des  Einzelnen,  der  Rinde  jedes 
Stammes,  der  Gräfer  des  Vordergrundes  ausgeht,  ohne  die  harmonifche  Ge- 
fammtwirkung  dabei  zu  trüben.  Endlich  bewährt  fich  E.  W.  Cooke  auch  dies- 
mal wieder  als  ausgezeichneter  Seemaler. 

Ein  befonderer  Raum  ward  von  den  englifchen  Aquarellen  gefüllt.  Die 
Engländer  bewährten  auf's  Neue  ihre  anerkannte  Meifterfchaft  in  diefer  Technik. 
Aber  trotz  guter  Arbeiten  von  Read,  Barrett  und  Anderen  waren  es  diesmal  nicht 
fowohl  Landfchaftcn  und  architcktonifche  Anflehten,  welche  den  gröfsten  Ein- 
druck machten,  als  vielmehr  eine  Reihe  hiftorifcher  Scenen  von  Sir  John  Gil- 
bert: Ludwig  XIV.  mit  feinen  Miniftern  in  den  Gemächern  der  Frau  von  Main- 
tenon  Staatsrath  haltend;  eine  Sccne  nach  der  Schlacht  von  Nafcby;  der  Ein- 
zug der  Jeanne  d'Arc  in  Orleans.  Hier  ift  echtes  gefchichtliches  Leben  und 
grofsartige  Charaktcriflik,  verbunden  mit  einer  ganz  crftaunlichen  Kraft  des  Tons, 
wobei  freilich  zu  beachten  ift,  dafs  Gilbert  im  Aquarell,  ohne  eigentliche  Rück- 
ficht auf  das  befondcre  VVefen  diefer  Technik,  geradezu  auf  die  Wirkungen  der 
Oelmalcrei  ausgeht. 

Die  englifche  Sculptur  fpielte  keine  hervorragende  Rolle.  Weftmacott's 
Eva  wie  feine  Andromeda  find  nicht  ohne  Reiz  der  Bewegung,  nähern  fich  aber 
dem  Thcatralifchen.  Marfhall's  Büfte  „Undine"  fpielt  bei  vieler  Anmuth  doch 
in  das  Glatte  und  Süfse.  Um  ihrer  Lebendigkeit  und  Frifche  willen  verdienen 
die  kleinen  Thiergruppcn  von  J.  E.  Boehm  Beachtung. 

Alfred  Woltmann. 


DIE  VERVIELFÄLTIGENDEN  KÜNSTE. 


415 


Wandleuchter,  entworfen  von  G.  Schröfl,  in   Hronze  ausgeführt  von  D.  Hollenbach  Söhne  in  Wien. 


Die  vervielfältigenden  Künste. 

I.     Frankreich. 

Der  Kunftfreund,  welcher  den  Kupferflich  und  was  darum  und  daran  hängt, 
auf  der  WeltausRellung  fludiren  wollte,  wandelte  ziemlich  einfanie,  wenig  betretene 
Pfade  — ■  und  dies  aus  Gründen,  welche  zum  Theil  in  der  Ausftellung  felbft  zu 
fuchen,  zum  Theil  aber  ganz  allgemeiner  Natur  find.  Die  letztern  find  ja  be- 
kannt genug.  Seit  geraumer  Zeit  find  unfer  Gefchmack  und  die  Productions- 
verhältniffe  dem  Kupferflich  fo  ungünflig  wie  nur  möglich.  Das  flrenge  Grab- 
ftichelblatt  wird  immer  feltener  —  Weltausftellungen  werden  immer  häufiger.  Die 
Bearbeitung  einer  grofsen  Kupferplatte  durch  einen  hervorragenden  Meifter  nimmt 


416 


DIE  VERVIELFÄLTIGENDEN  KÜNSTE. 


Kryitallglasflafchcn  von  James  Green  in  I.undon. 


ja  heutzutage  einen  längern  Zeitraum  in  Anfpruch,  als  die  haftige  Begehrlich- 
keit nach  Neuem  ertragen  kann.  Auch  die  leichtern  Arten  der  Vervielfältigung, 
die  Radirung,  der  ITolzfchnitt,  die  Lithographie,  muffen  fich  zur  Ilhiftration  be- 
quemen, fich  an  das  gedruckte  Wort  anklammern,  um  zu  öffentlicher  Geltung 
zu  gelangen.  Ihnen  kommt  der  entfchiedene  Zug  zum  Malerifchen,  der  unfere 
Kunft  fo  fehr  beherrfcht,  doch  noch  zu  ftatten,  während  das  Gefallen  am  grofsen 
ftiliftifchen  Kupferftiche  dadurch  nur  beeinträchtigt  wird. 

So  kam  es  denn,  dafs  auf  der  Wiener  Weltausftellung  nicht  fowohl  der 
Kupferftich  in  Linienmanier  als  vielmehr  jene  feine  Nebenbuhler  Erfolge  auf- 
wiefen.  Dies  gilt  insbefondere  von  der  franzöfifchen  Abtheilung,  die  wir  hier 
zunächft  in'sAuge  faffen.  Zwar  waren  die  Leiftungen  der  vervielfältigenden  Künfte 
in  Frankreich  durch  die  153  Nummern,  welche  der  Katalog  unter  der  Rubrik 
„Gravüre"  aufzählt,  nur  fehr  mangelhaft  und  unzureichend  vertreten,  aber  auch 
durch  ihre  Lücken,  nicht  minder  als  durch  ilire  Glanzpunkte  war  ihre  Auswahl 
lehrreich.  Denn,  mögen  wir  über  die  heutigen  Zuftände  Frankreichs  denken, 
wie  wir  wollen,  mögen  wir  zu  abfälligem  Urtheilen  über  feine  Errungenfchaften 
noch  fo  fehr  geneigt  fein,  im  Wettkampfe  auf  dem  Felde  der  Kunft  und  Kunft- 
induftrie  können  wir  nirgends  eine  franzöfffche  Niederlage  verzeichnen.    Nur  klein- 


I.  FRANKREICH. 


417 


Emaillirtc  Schale,  galvanoplaftifclie   Reproduction  von   Elkington  in  London. 


lieber  Chauvinismus,  der  ja  auch  in  deutfcher  Druckerfchwärze  üppig  gedeiht, 
kann  der  franzöfifchen  Kunfl:  auf  der  Wiener  Weltausftelking  den  Siegerpreis 
vorenthalten. 

Bei  diefer  hervorragenden  Stellung,  welche  wir  nach  unferm  beüen  Wiffen 
und  Gewiffen  insbefondere  der  franzöfifchen  Malerei  zuerkennen  muffen,  gewinnt 
auch  die  vervielfältigende  Kunfl;  der  franzöfifchen  Abtheilung  ein  höheres  Intereffe. 
So  wagen  wir  denn  einen  Gang  durch  den  offenen  Corridor  (zu  deutfch:  hölzer- 
nen Schupfen),  in  welchem  die  grofsen  und  kleinen  Kunflblätter  dem  Sonnen- 
fchein,  Wetter  und  Staub  ausgefetzt  und  bunt  über  Eck  zur  Befichtigung  auf- 
gehängt find. 

Schon  diefe  Art  der  Unterbringung  hat  etwas  Geringfchätziges.  Infoferne 
ifl;  die  Stellung  der  vervielfältigenden  Künfle  in  der  Gegenwart  allerdings  gekenn- 
zeichnet. Die  Anftrengungen,  welche  insbefondere  die  Franzofen  gemacht  haben, 
um  ihre  Malerei,  im  günftigften  Lichte  erfcheinen  zu  laffen,  haben  fich  auf  ihren 
Kupferflich  nicht  erflreckt.  Sie  haben  nicht,  wie  in  der  Malerei,  auch  hier  über 
den  programmgemäfsen  Zeitpunkt  zurückgegriffen.  Ja  weit  entfernt,  die  Werke 
verflorbener  Meifter  des  Kupferfliches  mit  auszuftellen,  wie  dies  mit  den  Malern 
Delacroix,  Rouffeau,  Troyon  z.  B.  gefchehen,  liefsen  fie  fogar  ihre  berühmteflen. 


418 


DIE  vervielfältigendp:n  Künste. 


heute  noch  lebenden  Stecher,  als:  Henriquel-Dupont,  Jules  und  Alphonfe  Fran- 
gois,  Achille  Martinet  u.  A.  m. ,  blos  durch  ihre  Abwefenheit  glänzen.  In  An- 
betracht des  unbeftrittenen  Ruhmestitels,  welchen  die  neufranzöfifche  Stecher- 
fchule  feit  den  Tagen  Wille's  und  Ikrvic's  geniefst,  in  gerechter  Würdigung  ihrer 
ebenbürtigen  Weiterentwicklung  durch  einen  fo  rüftigen  Veteranen  wie  Henri- 
quel,  ift  uns  die  Kntfagung,  welche  die  franzöfifche  Commiffion  hier  geübt  hat, 
völlig  unverftändlich.  Sie  läfst  sich  eben  nur  aus  den  bereits  oben  erwähnten, 
ganz  allgemeinen  Gründen  erklären. 

Die  franzöfifche  Maler-Radirung  ifl  es  daher  vor  Allem,  was  unferer  Be- 
wunderung fich  darbietet.  Die  kleinen  Blätter  eines  Leopold  Fl  am  eng,  eines 
Claude-Ferdinand  Gaillard,  eines  Jules  Jacquemart  fmd  wahre  Glanzpunkte 
der  ganzen  Kunft-Abtheilung  überhaupt.  Wenn  fie  auch  in  der  That  nur  funkte 
find  im  Vergleich  zu  den  klaftergrofsen  Götzen  der  fogenannten  Salle  carree, 
fo  ifl  doch  wahrlich  in  dem  kleinflen  von  ihnen  mehr  echte  Kunfl  befchloffen 
als  in  fo  manchem  Ungeheuer  von  geölter  Leinwand.  Freilich  hätte  es  keiner 
Weltausftellung  bedurft,  um  die  Gebildeten  aller  Nationen  mit  den  Spitzen  der 
franzöfifchen  Radirer  bekannt  zu  machen.  Ihre  Arbeiten,  meifl  ziemlich  kleinen 
Formates,  find  fchon  durch  ihre  Publication  bei  gedruckten  Werken,  zumeift  in 
der  „Gazette  des  Beaux-Arts"  allgemein  verbreitet.  Ueber  ihren  hohen  Kunfl- 
werth  konnte  man  fich  daher  längft  allerwärts  ein  Urtheil  bilden,  welches  durch 
keine  noch  fo  bunt  zufammengewürfelte  Auswahl  ihrer  Blätter  eine  Abänderung 
erfährt.  Diefes  Urtheil  geht  dahin,  dafs  die  moderne  franzöfifche  Radirung  in 
ihren  erflen  Vertretern  die  legitimfle  Nachfolgerin  der  holländifchen  im  fiebzehn- 
ten  Jahrhunderte  ifl.  An  den  MuRern  jener  claffifchen  Kunft  hat  fie  fich  auch 
vor  allen  gebildet.  Aeufserlich  zwar  fcheinen  ihre  Meifter  aus  der  Descendenz 
der  alten  l'arifer  Stecherfchule  hervorzugehen,  fie  wiffen  auch  den  Grabflichel 
trefflich  zu  handhaben,  ja  fie  beuten  feine  feinden  Mittel  bis  zum  Raffinement 
aus.  Flameng  zum  Beifpiel  nennt  fich  einen  Schüler  von  Calamatta,  feine  Wie- 
dergabe von  Ingres'  „Quelle"  und  „Angelica",  fein  Bildnifs  der  Kaiferin  Jofefine 
nach  Prud'hon  gehören  zu  dem  Zarteften  und  Stilvollften,  was  der  moderne 
Grabflichel  geleiftet  hat;  die  Modellirung  des  Fleifches  mittelfl  freier  Stichel- 
punkte ifl;  glücklich  getroffen  und  hebt  fich  leuchtend  aus  der  linearen  Umgebung 
hervor.  Doch  treten  fchon  diefe  Ausnahmen  aus  der  Linie  heraus,  welche  die 
flrenge  Zucht  der  alten  Grabflichel-Technik  vorfchreibt.  Vergleicht  man  vollends 
die  daneben  flehenden  fpätern  Arbeiten  des  Meifler.s,  wie  das  Selbftbildnifs  von 
(Juentin  Latour,  die  Sa.skia  Rembrandt's  und  Andere,  fo  fieht  man  in  dem  grellen 
Gegenfatz  diefer  breiten  und  freien  Behandlung  deutlich,  wie  aller  Zufammen- 
hang  mit  den  Traditionen  der  franzöfifchen  Stecherfchule  abgebrochen  ifl.  Aus 
dem  Schüler  Calamatta's  ifl  ein  eifriger  Nachfolger  Rembrandt's  geworden,  der 
es  fogar  verfucht,  das  „Hundertgulden-Blatt"  des  grofsen  Niederländers  auf  eigene 
Fauft  zu  wiederholen.  Der  Strom  von  Farbe,  der  mit  Delacroix  und  Genoflen 
über  die  franzöfifche  Malerei  hereingebrochen,  hat  eben  auch  die  vervielfältigende 
Kunfl  mit  fich  fortgeriffen.  Ihre  tüchtigllen  jungem  Kräfte  folgen  nothwendig 
dem  Zuge  zum  unbedingt  Malerifchen,  der  unfern  Gefchmack  immer  mehr  be- 
herrfcht.    Sie  find  felbfl  vor  Allem  Maler,  wenn  auch  nur  in  Schwarz  und  Weifs. 


I.  FRANKREICH.  419 


Aber  mehr  ,il.s  das:  viele  von  ihnen  find  auch  Maler  in  der  f^anzen  Bedeutunc; 
des  Wortes  —  Maler,  die  es  nicht  verfchinähen ,  zur  Radirnadel  zu  greifen,  um 
entweder  die  eigenen  Gedanken  oder  die  Grofsthaten  früherer  Meifler  öffentlich 
und  vor  allem  Volke  z.u  erzählen. 

Wer  die  in  den  GemiiKIefälen  zcrflreuten  Bildniffe  Gaillard's  aufmerkfam 
betrachtet  hat,  jene  liebevoll  durchgeführten  Charakterköpfe,  welche  mit  dem 
Leben  der  Gegenwart  zugleich  eine  Jahrhunderte  alte  künfllerifche  Wahrheit  zu 
athmen  fcheinen,  der  wird  es  begreiflich  finden,  dafs  ihr  Meifler  den  »Mann  mit 
der  Nelke«  von  Van  Eyck  aus  der  Galerie  Suermondt,  den  »Condottiere«  des 
Antonello  da  Meffina  im  Louvre  fo  zu  flechen  verftand,  dafs  feine  Platte  nicht 
füwohl   eine  Abbildung  als  vielmehr  eine  Wiedergeburt   des   alten  Kunftvverkes 


Teller  vuii  Miiiluns  in  Sluke  upoii  Treiit. 

genannt  zu  werden  verdient.  Doch  findet  Gaillard's  Genie  in  der  Vertiefung  in 
minutiöfe  Feinmalerei  keineswegs  feine  Grenze,  er  weifs  auch  ganz  andern  An- 
forderungen gerecht  zu  werden.  Beweis  davon  ifl  das  grofse  Portrait  des  Grafen 
von  Chambord,  das  nicht  blofs  in  feiner  architektonifchen  Einfaffung,  fondern 
auch  in  der  Stichelführung  an  den  Gefchmack  des  vorigen  Jahrhunderts  erinnert. 
Vergleicht  man  damit  das  lebensgrofs  gemalte  Bildnifs  feines  Mobilgarde -Capi- 
täns,  fo  mufs  man  geftehen,  dafs  Gaillard  doch  leichter  mit  dem  Stichel 
als  mit  dem  Pinfel  eine  breitere  Behandlung  der  Formen  zu  bewältigen  weifs. 

Es  geht  ein  antiquarifcher  Zug  durch  diefe  neuefle  franzöfifche  Stecherfchule, 
die  wir  eigentlich  Radirerfchule  nennen  muffen;  denn  ob  auch  Stichel  und  kalte 
Nadel  und  alle  möglichen  Mittel  der  Abtönung  bei  ihr  Anwendung  finden,  fo  führt 
doch  die  geätzte  Linie,  das  erfte  Wort  und  das  Princip  der  malerifchen  Freiheit  waltet 
überall  vor.  Zu  dem  Genius,  zu  dem  technifchcn  Gefchick  ihrer  erflen  Vertreter  ge- 
feilt fich  ein  tiefes  Verlfändnifshiflorifcher  Kunflformen,  kunftgefchichtlichcs  Wiffen 
und  jene  klare  Anfchauung  von  der  fCigenberechtigung  der  Vergangenheit,  welche 
der  befle  Schutz  gegen  kalten  Eklekticismus  ill.  Mit  Vorliebe  lajTen  fie  alte  Kunfl- 
werke  für  fich  felber  fprechen,  indem  fie  ihnen  von  den  Ausdrucksmitteln  ihrer  eige- 
nen Kunfl  nur  foviel  und  nicht  mehr  leihen,  als  zur  Deutlichkeit  nöthig  ill.   Ver- 


as' 


4-1 


420 


DIE  VERVIELFÄLTIGENDEN  KÜNSTE. 


l^rrzr 


Lampe  von  J.  OrUllemeyer  in  Wien. 


ftändigc  Pietät  nur  kann  einem  reichen  Künftler  diefeEntfagung  auferlegen.  Ihm 
gilt  es,  von  den  alten  Meiflern  zu  lernen,  nicht  aber  fie  nachzuahmen.  Daher 
die  Mannigfaltigkeit,  mit  der  ein  Jules  Jac  c]  uemart  jedesmal  ein  Anderer  ifl, 
je  nachdem  fein  Gegenfland  es  ihm  eingicbt.  Im  Vergleich  zu  feiner  Schwefler 
Nelie,  der  genialen  Portraitmalerin ,  hinter  deren  vielbewunderten  Bildniffen  wir 
Alles  eher  als  eine  zarte  Frauenhand  vermuthen  würden,  zeigt  der  geiftvolle 
Radirer  eine  Nachgiebigkeit  gegen  feine  Vorlagen,  die  faft  an  weibliche  Schmieg- 
famkeit  erinnert.     Zumal  dort,   wo  der  Farbenfinn  durch  merkwürdige  Probleme 


I.  FRANKREICH. 


421 


Khreiipokal    aus   vergoldetem  Silber,    nach    Th.  Ilanfen's  Entwurf  ausgeführt    von  G.  Simon    in  Wien. 


angeregt  wird,  wie  bei  Reinbrandt,  Frans  Hals  oder  Van  der  Meer  aus  Delft 
dringt  er  bis  zu  einem  erftaunlichen  Grade  in  die  Feinheiten  feiner  Originale  ein, 
und  das  Alles,  ohne  lange  zu  taften,  mit  wenigen  fichern  Treffern.  Am  deut- 
lichflen  erhellen  diefe  feine  Vorzüge  an  jenen  einfachen  Beifpielen,  wo  er  mit 
der  blofsen  Radirnadel  einen  Kryflallbecher  oder  einen  Schmuckgegenftand  wieder- 
gicbt.  Noch  niemals  vielleicht  ifl  der  Charakter  des  Materials  in  fo  geiflreicher 
Weife  bildlich  dargcflcllt  worden,  wie  in  den  Radirungen  von  Jacquemart. 

hiftorifch-antiquarifchen  Richtung 


Wenn  wir  bei  diefer,    man   könnte 


fagen : 


422  DIE  VERVIELFÄLTIGENDEN  KÜNSTE. 


der  franzöfifchcn  Ratiirung  länger  verweilten,  fo  foll  dies  nicht  zu  Ungunften  jener 
Meifter  gedeutet  werden,  welche  ein  weniger  umfangreiches  Regifter  beherrschen, 
vielmehr,  wie  in  der  Malerei,  fo  auch  in  der  geätzten  Zeichnung  ihrer  einmal 
eingefchlagenen  Richtung  treu  bleiben,  als:  Leun  Gaucherei,  Maxime  Laianne 
und  deren  Beider  Schüler  Brunet-Debaines  und  Rajon,  ferner  Delauney, 
Rüchebrune,  Veyraffat  u.  A.  Ausgezeichnet  find  fie  Alle  durch  einen  feinen 
Sinn  für  Lichtwirkung,  fei  es  in  Contraflen,  fei  es  in  feiner  Abtönung.  Beffer  als 
es  hier  auf  kleinen  Kupferplatten  gefchieht,  kann  auch  die  kühnfte  Malerei  nicht 
Schattenmaffen  bewältigen,  Raum-  und  Luftwirkung  verfolgen.  Eine  befondere 
Gruppe  unter  diefen  Mciftern  bilden  noch  diejenigen,  welche  mit  Vorliebe  archi- 
tcktonifche  Anfichten  wiedergeben  und  dabei  ein  feltenes  Verftändnifs  hiflorifcher 
Bauformen  an  den  Tag  legen. 

Bedeutfame  Anftrengungen  macht  auch  die  franzöfifche  Lithographie  in 
ihrem  Streben,  fich  der  Radirung  und  wohl  gar  auch  dem  linearen  Kupferflich 
an  die  Seite  zu  flellen.  Seitdem  Alexandre  Calanie  und  Eugene  Blery  die  Ori- 
ginal-Lithographie mit  fo  viel  Erfolg  cultivirt  haben,  ift  die  Steinzeichnung  buch- 
Aäblich  falonfähig  geworden.  Sie  dient  nun  manchen  Malern  als  Surrogat  für  die 
fchwierigere  Kupferradirung,  wie  z.  B.  Achille  S  i  r  o  u  y.  Andere  bedienen  fich  ihrer 
zum  Studium  und  zur  Reproduction  fremder  Werke,  wenn  es  auch  nicht  Jedem 
fo  gut  gelingt  wie  E.  L.  Vernier  mit  der  Wiedergabe  von  Landfchaften  Corot's, 
deffen  graue,  (laubige  Malweife  wie  für  die  Lithographie  prädeftinirt  erfcheint. 
Kühne  Neuerungen  auf  diefem  Gebiete  zeigen  dagegen  zwei  von  Alexandre  Col- 
lette  ausgeflellte  grofse  Blätter,  die  Himmelfahrt  Chrifti  nach  Pietro  Perugino 
und  die  heilige  Familie  des  Königs  Franz  I.  nach  Raphael.  Jene,  theils  mit  der 
Feder,  theils  mit  dem  Stift  ausgeführt,  ift  ein  Verfuch,  den  Contouren  Fertigkeit 
zu  verleihen,  ohne  die  Zartheit  der  Schattirung  aufzuheben;  diefe  ift  eine  genaue 
Nachzeichnung  des  berühmten  Edelinck'fchen  Stiches  mittelft  der  Feder.  Letztere 
Lciftung  ift  von  erftaunlicher  Kraft  und  verfagt  nur  etwa  beim  Uebergang  in  die 
höchften  Lichter  die  Wirkung. 

Eine  Kunfttechnik,  welcher  die  illuftrationsluftige  Gegenwart  und  mehr  noch 
vielleicht  die  Zukunft  eine  grofse  Rolle  anweift,  der  Holzfchnitt,  findet  in 
Frankreich  gleichfalls  erfolgreiche  Pflege.  Und  zwar  ift  es  nicht  fowohl  die  über- 
triebene, nach  rohen  Effecten  hafchende  Richtung,  welche  der  Gaukler  Guftav 
Dore  feinen  Holzfehneidern  aufgezwungen  hat,  es  ift  vielmehr  eine  ftreng  zeich- 
nende, mafsvoll  abtonende  Art  und  W^eife,  welche  uns  auf  der  franzüfifchen  Aus- 
ftellung  vorgeführt  wurde.  Dabei  mufs  es  als  eine  ehrenwerthe,  allerw|>rts  nach- 
zuahmende lunrichtung  hervorgehoben  werden,  dafs  die  Hulzfchneider  felbft  als 
ausftcllende  Künftlcr  auftraten.  Der  Spielraum,  welcher  dadurch  dem  perfönlichen 
Ehrgeiz  geboten  wird,  ift  das  befte  Mittel,  eine  fo  leicht  zu  induftriellem  Betriebe 
herabfinkende  Kunfttechnik  vor  Verflachung  und  Verfall  zu  fchützen. 

Schliefslich  find  wir  aber  auch  dem  franzöfifchcn  Grabftichelblatte  auf 
der  Weltausftellung  noch  eine  nähere  Iktrachtung  fchuldig.  Wie  bereits  oben 
erwähnt,  hat  diefelbe  allerdings  wenig  Tröftliches.  Wo  ift  fie  hin,  die  vergangene 
Pracht,  an  welche  die  Namen  Maffard,  Maffon  und  Morin  im  Kataloge  ohne  ihr 
Verfchulden   erinnern?     Faft   fcheint   es,    als   wäre   die    berühmte  Stecherfchule, 


I.  FRANKREICH.  423 


welche  Colbert  in  den  Gobelins  einfl  begründet,  bis  auf  ihre  letzten  Ausläufer 
ausgeftorben ;  denn  die  altern  anerkannten  Meifler  Cmd  auf  ihren  Lorbeern  fitzen 
geblieben  und  haben  blos  ihre  Jüngern,  nicht  immer  viel  verfprechenden  Schüler 
auf  den  Kampfplatz  gefchickt.  Pierre  Met/machcr  und  G.  N.  Bertinot  er- 
fcheinen  beinahe  als  die  einzigen  refpectabeln  Vertreter  des  gröfsern  monumen- 
talen Kupferfliches,  und  der  Letztgenannte  ift  vielleicht  der  Einzige,  welcher  feine 
Ausführung  mit  tiefer,  kraftiger  Stichelführung  zu  vereinigen  weifs,  z.  B.  in  feiner 
Madonna  mit  Stiftern  nach  Van  Dyck.  Auch  in  dem  genrehaften  «Schutzengel» 
nach  Bougereau  ift  der  Lichteffect  nicht  ohne  Witz  im  Stiche  wiedergegeben. 

Was  fonfl  von  Grabflichelblättern  ausgeftellt  war,  gruppirt  fich  um  die  Societe 
frangaise  de  gravure,  welche  zugleich  auch  felbfl  als  Ausftellerin  auftrat,  fo  dafs 
dadurch  einige  Blätter  doppelt  in  der  Ausftellung  vorkamen,  einmal  nämlich 
unter  dem  Meifternamen,  das  anderemal  unter  dem  der  Gefellfchaft.  Diefe  ward 
im  Jahre  i8ö8  gegründet  und  beruht  auf  Jahresbeiträgen  ihrer  Mitglieder,  denen 
dafür  die  beffern  Abdrucksarten  der  Platten  refervirt  find.  Die  Gefellfchaft  ver- 
folgt den  Zweck,  den  ernften  Kupferftich  zu  fördern,  und  erfreut  fich  des  Präfidi- 
ums  von  Henriquel-Dupont.  Die  Hoffnungen  aber,  welche  man  unter  diefen 
Umfländen  auf  die  Pflege  der  alten  Linienmanier  durch  die  Gefellfchaft  zu  fetzen 
berechtigt  war,  werden  durch  die  bisher  gelieferten  Blätter  nur  in  fehr  mäfsiger 
Weife  erfüllt.  Meift  find  es  anfpruchslofe  Arbeiten  von  Anfängern  oder  Kräften 
zweiten  Ranges;  und  auch  jene  Platten,  welche  hervorragenden  Meiftern  ihre 
Bearbeitung  verdanken,  flehen  nicht  auf  der  Höhe  deffen,  was  von  guten  Namen 
zu  erwarten  wäre.  So  erklärlich  und  zweckmäfsig  die  Heranziehung  jüngerer 
Künftler  zu  den  Aufträgen  der  Gefellfchaft  fein  mag,  fo  bedenklich  '\(l  das  Ab- 
fallen guter  Meifler  in's  Mittelmafs,  fobald  fie  für  die  Gefellfchaft  thätig  find. 
Lobenswerth  ifl:  jedenfalls  die  Befchränkung  ihrer  Publicationen  auf  anerkannte 
Werke  alter  Meifler.  Mit  der  blofsen  Publication  des  Gegenflandes  erwirbt  sich 
aber  eine  folche  Institution  nur  erfl  den  kleinern  Theil  ihrer  Verdienfle.  Die  Art 
der  Reproduction  fällt  hier  vor  Allem  in's  Gewicht.  An  deren  technifche  und 
künfllerifche  Vollendung  muffen  die  höchflen  möglichen  Anfprüche  geftellt  werden. 
Am  wenigflen  dürfen  fich  tüchtige  Meifler  denfelben  entziehen  und  die  Gefell- 
fchaft mit  kleinern  Abfällen  ihrer  Kunfl  abfertigen.  Wenn  das  möglich  ifl:,  fo 
läfst  es  auf  eine  mangelhafte  Organifation  der  Gefellfchaft  fchliefsen,  fei  es,  dafs 
diefelbe  gröfsere  Arbeiten  erfler  Künfller  nicht  zu  beflellen  vermag,  fei  es,  dafs 
deren  perfönliche  Stellung  zur  Gefellfchaft  jede  fruchtbare  Kritik  ausfchliefst.  Es 
wäre  fehr  zu  beklagen,  wenn  es  auf  diefem  Wege  der  Societe  frangaise  de  gra- 
vure nicht  gelänge,  diejenige  dominirende  Stellung  in  dem  regen  Kunflleben 
jenfeits  der  Vogefen  einzunehmen,  deren  fie  zur  endlichen  Erreichung  ihres 
fchönen  Zieles  bedarf 


421 


DIE  VliRVIIiLFÄLTlGENDEN  KÜNSTE. 


Brunnenfigur  von  A.  Schmidgrubcr. 


426 


DIE  VERVIELFÄLTIGENDEN  KÜNSTE. 


Maiirchctlenknopf, 
Gold  niitblmall,  von 
E.Philippe  in  l'aris. 


II.  Deutsches  Reich. 

Im  Gegenfatz  zu  den  l'Vanzofen,  welche  fich  insbefondere 
durch  die  Ausdellungen  ihrer  Radirer  hervorthaten,  lag  das 
Schwergewicht  in  der  deutfchen  Abtheilung  auf  einigen  grofsen 
GrabflichelbUittcrn.  Und  zwar  waren  es  einige  Stiche  nach  Rafael, 
welche  mit  den  höchsten  Anfprüchen  auf  monumentale  Geltung 
auftraten  und  daher  vor  Allem  unfere  Heachtung  auf  fich  ziehen. 
Man  fpricht  in  Deutfchland  viel  und  gern  von  der  «grofsen 
hiflorifchen  Kunft».  Man  fleht  zu  ihr  gewiffermafsen  in  einem 
platonifchen  Verhältniffe;  man  kann  fie  zwar  nicht  faffen  und  erreichen,  man  würde 
fich  aber  fchämen,  einzugeftehen,  dafs  man  fein  Ziel  minder  hoch  gefleckt  habe, 
als  es  die  nun  einmal  theoretifch  und  äfthetifch  feftgeflellte  Aufgabe  der  «grofsen 
Kunft»  verlangt.  Leider  läfst  fich  nur  die  grofse  Kunft  nicht  auf  demfelben  Wege 
machen,  auf  welchem  die  ganz  inhaltslofe  und  theoretifche  Schwärmerei  des  Publi- 
cums  gemacht  wird.  Der  Künftler,  welcher  fich  dadurch  täufchen  läfst  und  nur  das 
Unmögliche  für  ftrebenswerth  hält,  ifl  mehr  zu  beklagen  als  anzuklagen.  Indefs 
er  vornehmlich  für  feine  Unflerblichkeit  zu  arbeiten  vermcmt,  huldigt  er  leicht 
einem  vorübergehenden  Zeitgefchmacke,  der  auf  keine  tieferen  Bedürfniffe  und 
Ueberzeugungen  begründet  ifl. 

Unter  folchen  Umfiänden  ift  es  ein  Glück,  wenn  die  reproducirende  Kunft 
fich  den  anerkannten  Meifterwerken  der  Vergangenheit  zuwendet.  Hier  allein 
fteht  fie  auf  ganz  ficherem  Boden.  Die  Anfprüche,  welche  die  grofsen  Meifter  des 
XV.  bis  XVII.  Jahrhunderts  an  unfere  Bewunderung  ftellen,  find  unverjährbar. 
Ihren  Werken  kann  der  Kupferftecher  getroft  den  Aufwand  von  Zeit  und  Mühe 
widmen,  den  heutzutage  feine  Technik  koftet.  Freilich  find  aber  auch  die  An- 
forderungen, welche  fie  an  den  Stecher  ftellen,  ungemein  viel  höher  als  die  eines 
modernen  Vorbildes;  denn  einmal  ift  die  claffifche  Sprache  der  alten  Meifter  uns 
urfprünglich  fremd  und  ihr  Verftändnifs  fchwierig;  fodann  aber  haben  fich  bereits 
zahlreiche  hochbegabte  Stecher  in  ihrer  Interpretation  verfucht,  ja  bewährt,  und 
das  Ergebnifs  des  modernen  Künftlers  fordert  fomit  zu  den  gefährlichften  Ver- 
gleichungen  mit  den  ihrigen  heraus.  Dies  wird  um  fo  mehr  der  Fall  fein,  wenn 
fich  ein  Zcitgenoffe  an  die  Wiedergabe  von  Gemälden  wagt,  von  denen  bereits 
grofse,  bisher  für  muftergiltig  angefehene  Kupferftiche  exiftiren. 

Zwei  folche  Beifpiele  lieferte  uns  nun  gerade  die  deutfche  Abtheilung  auf  der 
Weltausftellung.  Es  find  natürlich  Stiche  nach  Rafael;  denn  es  ift  feit  lange 
fchon  eine  kupferftecherifche  Zunftregel,  nur  Rafael  und  immer  wieder  Rafael  zu 
ftechen,  und  es  fpricht  gewifs  für  die  Dauerhaftigkeit  feines  Credits,  dafs  es  bisher 
nicht  gelang,  ihn  todtzuftechen.  Im  Gegcntheilc  erregte  Eduard  Mandcl's  Stich 
nach  der  Madonna  della  Seggiola  Auffehen,  nachdem  das  Bild  bereits  einige 
vierzigmal  geftochen  war.  Und  fo  wenig  Rafael's  Werke  in  dem  ungemeffenen 
Vorrathe  gleichzeitiger  Meifterwerke  vereinfamt  daftehen,  fo  hat  doch  der  mo- 
derne Grabftichel  ihm  mehr  gehuldigt  als  allen   andern  clafllfchen  Künftlern  zu- 


II.  DEUTSCHES  REICH. 


427 


famincngenommcn.  Zu  den  berühmtcften  Stichen  aber  nach  Rafael  gehören 
unftreitig  und  mit  Recht  Friedrich  Müll  er 's  Wiedergabe  der  Madonna  Sixtina 
in  Dresden  und  Longhi's  Arbeit  nach  dem  Spofalizio  in  der  Brcra  zu  Mailand. 
Es  zeugt  nun  gewifs  von  nicht  geringem  Selbftvertrauen,  dafs  der  deutfche 
Kupferflich  der  Gegenwart  gerade  mit  diefen  beiden  Meifterwerken  in  die  Schran- 


Kryftall-Spiegel,  in  Relief  gefchliffen,  von  Krilz  Ileckert  in  Petursdorf  bei  Warmbrunn  in  Schlefien. 

ken  tritt  und  fozufagen  Concurrenzblätter  für  diefelben  liefert.  Wenn  wir  den 
Recenfenten  von  Beruf  und  den  allgemeinen  Zeitungsftimmen  glauben  wollten, 
fo  wäre  diefer  kühne  Wurf  gelungen.  Insbefondere  ifl;  die  Sixtinifche  Madonna 
von  Jofef  Keller  bei  ihrem  Erfcheinen  Gegenfland  ungemeiner  Lobeserhebung 
gewefen ;  fogar  auf  Koflen  der  hcllleuchtenden  Verdienfte  Friedrich  Müller's.  Bei 
der  Seltenheit  fo  grofser  Unternehmungen  auf  dem  P'elde  des  Kupferfliches  hat 
es  zwar   fein  Mifsliches,    das   ohnedies   nicht   allzu  rege  Intereffe  des  Publicums 


54* 


428 


DIE  VERVIELFÄLTIGENDEN  KÜNSTE. 


durch  eine  kühle  Beurthcilung  abzufchrcckcn ;  auch  war  es  erfreulich,  dafs  Keller 
feine  frühere  blaffe  Stichweife  zu  Gunflen  einer  tieferen  Durcharbeitung  der  Platte 
verlaffen  hatte.    Nun  aber,  wo  der  Meifter  verdorben  ifl:,  dürfte  es  doch  gerathen 


Schreibzeug  in  Meffinggufs,  von  1 

fein,  der  Wahrheit  die  Ehre  zu  geben  und  die  ihm  dafür  gezollten  Lobfprüche 
auf  ihr,  dem  Sachverhalte  cntfprechendcs  Mafs  zurückzuführen.  Sein  Werk  ge- 
hört jetzt  der  Gcfchichte  an,  fowie  das  Friedrich  Müller's,  deflen  ehrwürdiges 
Andenken  nun  fein  Recht  fordert.  Wüfsten  wir  nicht  längft,  was  wir  an  Mül- 
ler's Madonna  befitzcn :  gerade  der  Vergleich  mit  der  Kcllcr'fchen,  die  Beobach- 
tung, wie  weit  dicfe  hinter  ihrer  Aufgabe  zurückbleibt,  müfste  uns  darüber  be- 
lehren. Möglich,  dafs  vor  dem  Originale  auch  bei  Müller  nicht  Alles  haarfcharf 
klappt;  wie  treu  und  wahr  ftimmt  aber  der  Total-Eindruck  mit  der  Offenbarung 
Rafael's  zufammcn!  Wie  leuchten  da  die  Geftalten  im  himmlifchcn  Aelher,  wie  • 
flattern  die  Gewänder  der  Madonna,  wie  bcflimmt  fitzen  alle  Linien,  wie  glühen 
die  römifchen  Kinderaugen?  Das  Alles  ift  bei  Keller  in's  Schwarze  und  Unbe- 
(limmte  verflüchtigt.  Die  Draperien  laften,  wie  durchnäfst  an  den  Figuren,  die 
Augen  find  vcrwafchen  und  fehcn  gcifterhaft  glafig.  Die  Engelsgloric  ifl  flumpf 
geworden.  Ueber  dem  Ganzen  liegt  ein  dumpfer  Mehlthau,  der  die  Zeichnung 
verwifcht  und  über  die  fonnige  Helle  des  Urbildes  vollftändig  täufcht.  Das 
Schlimmfle  aber  liegt  in  den  inncrn  Contouren   des  Flcifches.     Das  Körperchen 


II.  DEUTSCHES  REICH. 


429 


UfMUJMJfHOFUll/ILIL. 

Schild  von  Elkington  in  Birmingham. 


des  Chriflkindes  ifl;  ganz  unverfländlich ;  die  reizenden  anatomifchen  Freiheiten 
eines  Rafael  find  zu  knolligen  Unwahrhdten  umgeflochen  worden;  und  die  bei- 
den Lieblinge  des  modernen  Gefchmackes,  die  beiden  Engelskinder  an  der  un- 
tern Brüftung,  fchauen  traurig  in  die  Welt.  Auffallend  ifl:  es,  dafs  hervorragende 
Vorzüge  Kcller's  aus  feinen  frühern  Arbeiten  nicht  auf  fein  letztes  Werk  über- 
gegangen find.  Angefichts  der  höhern  Aufgabe,  die  er  fich  hier  gcflellt  hat, 
follte  man  eine  Steigerung  feiner  früheren  bewährten  Mittel  vorausfetzen.  Statt 
deffen  hat  er  die  bcftimmtc  klare  Stichclführung,  die  feine  Disputa  und  mehr 
noch  das  Fresco  von  San  Severo  auszeichnen,  im  Stich  der  Sixtina  aufgegeben 
zu  Gunften  einer  fpitzen,  ftruppigen  Stichweife,  welche,  ftatt  coloriftifch  zu  wir- 
ken, Lichtglanz  und  Sättigung  der  Schatten  glcichcrweife  unmöglich  macht.  Ich 
kann  mir  diefc  Verirrung  eines  bedeutenden  Künftlers  nur  aus  allgemeinen, 
endemifchen  Einflüffen  erklären.  Es  ifl  der  coloriftifche  Zug  unfcrer  Zeit,  der 
uns  hier  einen  Poffen  gefpielt  hat. 

Unwillkürlich  wird  man  an  die  Manier  erinnert,  in  welcher  Henriquel-Dupont 
vor  einigen  Jahren  Correggio's  Vermählung  der  heiligen  Katharina  auf's  neue  un- 


430  DIE  VERVIELFÄLTIGENDEN  KÜNSTE. 


ftcrblich  gemacht  hat.  Aber  Rafacl  und  Correggio,  welcher  Abflantl!  Alles  was 
hier  Tugend  ifl,  wird  dort  Sünde.  Das  Schwellen  des  Flcifches,  das  Vibriren 
des  Contours,  der  zitternde  Farbennebel,  der  über  der  ganzen  liildfläche  lagert, 
alles  das  hat  mit  Rafacl's  Art  nichts  gemein.  F""ür  Correggio  hat  es  Henriquel 
unvergleichlich  wiedergegeben.  Sein  Triumph  — ■  ich  kann  mich  des  Gedankens 
nicht  erwehren  —  hat  Keller  nicht  fchlafen  laflcn,  der  doch  aus  P>fahrung  wilTen 
mufste,  dafs  Rafael  nur  in  ganz  beftimmten,  klaren  Umriffen,  nur  niittelft  ein- 
facher, gediegener  Stichelzüge  foRzuhalten  ift.  Aus  der  aligemeinen  Begründung 
von  Kellcr's  Irrthum  fchcint  mir  aber  auch  eine  allgemeine  Folgerung  hervorzu- 
gehen, die  nämlich,  dafs  auch  uns  das  Verfländnifs  einer  rein  ftiliflifchen  Vollen- 
dung der  Zeichnung  immer  mehr  abhanden  kommt. 

Beffer  ficht  es  um  das  focben  vollendete  Spofalizio  von  R.  Stang.  Zu- 
nächft  ifl  Longhi  keine  fo  gefährliche  F'olie  wie  Müller;  doch  ifl  auch  jener  bei- 
weitem nicht  verdunkelt  worden.  Auch  hier  läfst  die  Beflimmtheit  der  Zeich- 
nung Manches  zu  wünfchen  übrig,  z.  B.  das  ausgefchliffene,  unfichcrc  Profil  jener 
Frau  zur  Linken,  die  fich  auch  im  Original  durch  die  abfcheuliche  Drapirung 
ihres  Gewandes  auszeichnet.  Wenn  fchon  nicht  beim  fpätcren,  fo  können  wir 
noch  weniger  beim  jugendlichen  Rafacl  ftiliftifche  Genauigkeit  entbehren.  Dafür 
würden  wir  den  Farben-Contrafl  gerne  in  den  Kauf  geben ,  durch  welchen  die 
vordere  Hauptgruppe  von  dem  duftigen  Hintergründe  nicht  abflicht  —  nein,  ab- 
fällt —  ein  F'ehler  freilich,  der  bereits  dem  Originale  anhaftet,  vermuthlich  feit 
dfcr  Zeit,  da  es  von  der  dunklen  Uebermalung  des  Grundes  befreit  wurde.  Dem 
nun  wieder  lichten  Hintergründe  aber  und  auch  den  kleinen  Figuren  in  der  Ferne 
hätte  es  hier  an  der  entfprechendcn  Durchzeichnung  nicht  fehlen  follen.  Dicfen 
Schwächen,  welche  indefs  ebenfowohl  als  Conceffionen  an  den  Zeitgefchmack 
aufgefafst  werden  können,  flehen  auch  grofse  Vorzüge  entgegen,  als:  folide  Aus- 
führung, liebevolles  Eingehen  in  die  Zartheiten  des  Vorbildes,  willige  Hingebung 
an  den  Meifler.  Immerhin  bleibt  Stang's  Arbeit  eine  der  bedeutendften  Leiflun- 
gen  des  modernen  Kupferfliches. 

Ganz  anders  freilich  verficht  fich  Pxiuard  Mandel  auf  die  Wiedergabe  Ra- 
fael's.  Der  Altmeifler  hat  ja  noch  andere  Zeiten  gefehen,  in  denen  grofse  For- 
menanfchauung  und  correcte  Linienführung  im  Sinne  der  Alten  in  Ehren  flan- 
den.  Es  waren  drei  Blätter  von  ihm  ausgeflellt.  Zwei  davon  find  in  aller  Welt 
bekannt  und  beliebt,  fo  dafs  es  überflüffig  wäre,  ein  Wort  zu  ihrem  Preife  aus- 
zufprechen;  es  find  die  Madonna  della  Sedia  nach  Rafael  und  die  Bella  di  Ti- 
ziano,  beide  in  Florenz.  Diefe  Blätter  find  aber  weit  übertroffen  durch  feine 
neucfle  Arbeit,  durch  die,  zum  erflenmale  geftochene,  kleine  Madonna  Panshanger 
von  Rafael,  fo  genannt  von  dem  Wohnfitze  des  Lord  W.  Cowper  bei  Hertford,  wo 
fich  das  Bild  befindet.  Wenn  man  bei  aller  Meiflerfchaft  der  Technik  von  der 
Sedia  fagt,  dafs  die  Schatten  für  das  farblofe  Bild  zu  tief  gehalten  feien,  dafs 
das  unnachahmliche  Profil  der  Nafe  jeder  Reproduction  fpottet,  und  von  der 
Bella  Tizian's,  dafs  die  etwas  harte  Zeichnung  des  Kopfes  nicht  auf  der  Höhe 
des  ftupend  getroffenen  Beiwerkes  fteht,  fo  fchweigt  gegenüber  der  jüngflen  Pu- 
blication  des  greifen  Meifters  alle  und  jede  Kritik.  Wie  fein  und  finnig  find  die 
Strichlagen  gewählt,   wie  delicat  find  fie  angeführt!     Die  Zierlichkeit  des  Con- 


II.  DEUTSCHES  REICH. 


431 


tours,  das  milde  Leuchten  des  Fleifches,  der  helle  Gefamnitton,  ja  auch  das 
Email  der  frühen  Malweife  —  Alles  echt  rafaelifch!  Wahrlich,  der  Kupferflich 
mufs  eine  fchwere  Kunfl  fein,  wenn  grofse  Meifter  doch  erft  in  ihren  fpäten  Jahren 
ihr  Beftes  zu  leiften  vermögen!  Von  rechtswegen  follte  daher  jeder  Kupfer- 
ftecher  hundert  Jahre  alt  werden. 

Die  Münchener  Kupferflecher  J.  Bankel,  Paul  Barfufs  und  Johann  Lind- 
ner erfchienen  mit  guten  Bildniffen;  von  Letzterem  ifl  namentlich  das  l'orträt  des 
deutfchen  Kaifers,  zwei  Drittel  der  Lebensgröfse,  keine  gewöhnliche  Leiftung  und 
wohl  das  Befle   diefer  Art.     Sehr  gelungen,   von   klarer,   beflimmter  Haltung  ifl 


Glasteller,  ilunkelhlau  und  weifs  emaillirt,  mit  Goklrmid,  von  J.  &  L.  Lobmeyr  in  Wien. 


Johann  Burg  er 's  Kupferflich :  „Bauer  und  Makler"  nach  Vautier;  duftig  auch 
feine  „Ruhe  auf  der  Flucht  nach  Egypten"  nach  Van  Dyck.  Johann  Kracker 
hat  fein  Talent  vergeblich  an  das  letzte  Gaflmahl  der  Generale  Wallenflein's  nach 
Julius  Scholtz  gewandt;  ein  folcher  Hexentanz  von  Glanzlichtern  eignet  fich  über- 
haupt nicht  für  den  Grabftichel.  Gut  in  einem  grauen  Tone  gehalten  ifl  Chrifloph 
Preifel's:  „Verfäumte  Effenszeit"  nach  K.  von  Enhuber.  Seltene  Vorzüge 
kennzeichnen  die  Arbeiten  von  Profeffor  J.  L.  Raab  in  München:  „Die  Ver- 
laffene  auf  dem  Tanzboden"  nach  Kindler  hat  einen  gefälligen,  lichten  Gefamnit- 
ton; das  Porträt  W.  Kaulbach's  ifl,  obwohl  breit  und  unverfchmolzen  behandelt, 
fehr  ausdrucksvoll;  dagegen  fcheint  die  Radirung  der  Pietä  nach  Feuerbach  zu 
tief  geätzt  und  ifl  dadurch  unklar. 


432 


DIE  VERVIELFÄLTIGENDEN  KÜNSTE. 


W 


ien    etwas 


Die  grofse  Landfchaft  von  J.  Rich- 
ter nacli  C.  Ebert  ifl  eine  verdienüliclie 
Arbeit,  wirkt  aber  etwas  unruhig.  Diefen 
fammtlich  Münchener  Künftlern  reiht 
(ich  noch  Friedrich  Vogel  an;  in  fei- 
nem «Seni  vor  der  Leiche  Wallenftein's» 
ift  der  Knalleffect  auf  gefchickte,  mafs- 
volle  Weife  wiedergegeben;  dagegen 
hat  feine  Zeichnung  nach  dem  Bildniffe 
der  de  Taffis  von  Van  Dyck  in  der 
Liechtenftein- Galerie  zu 
modern,  albumblättlich 
Anempfundenes ,  das 
fich  hoffentlich  im  Stich 
wieder  verlieren  wird. 
Auch  A.  Schult- 
heifs:  «Luther  als 
Chorknabe  mit  Andern 
fmgend»,  nach  Linden- 
fchmit,  ifl  von  guter 
Wirkung  und  wäre  es 
noch  mehr,  wenn  fich 
die  Lichtmaffe  des 
Stichfeldes  beffer  vom  • 
weifsen  Rande  ifolirte. 

Die  «Anbetung  der 
heiligen  drei  Könige» 
nach  Faolo  Veronefe 
von  H.  Steiffenfand 
in  Düffeldorf  ifl  eine 
tüchtige  Arbeit.  Ein 
ungemein  liebenswür- 
diger Meifler  aber  ifl 
Profeffor  E.  W  i  1 1  m  a  n  n 
in  Karlsruhe.  Niemand 
verfleht  es  fo  wie  er, 
landfchaftliche  Reize 
im  Kupferftich  wieder- 
zugeben. Sein  «Frühling»  nach  Knaus 
ifl  ein  luftiges  Stückchen.  Seine  Land- 
fchaftcn  nach  Jules  Coignet  find  kleine 
Meifterwerke  in  technifcher  Beziehung 
und  in  dem  Reichthume  ihrer  Tonfcala. 
Die  Jahreszeiten  nach  Marak  waren  die 
einzigen    bedeutenden    Leiftungen   der 


KieclifläfchcliLii   jiul  GuMLilluiiy  uiul  lidel- 
fteinen,  von  E.  Philippe  in  l'aris. 


Radirnadel  in  diefer  Abtheilung.  Auch 
von  Lithographie  und  Holzfchnitt  ift 
uns  nichts  Bemerkenswerthes  aufge- 
fallen, aufser  etwa  die  Vignetten  von 
Albert  Vogel  in  Berlin,  meift  Kriegs- 
fcenen,  welche  zeichnend  und  für  Text- 
einlagen in  Bücher  recht  ftilgemäfs  be- 
handelt find. 

Das  Fehlen  aller  fogenannten  feinen 
Kunftblätter  in  der  deutlichen  Abthei- 
lung gäbe  zu  lehrreichen  Betrachtungen 
Anlafs.  Die  Species 
der  Liebhaber,  welche 
fich  einft  an  diefem 
kleinen  Kaliber  ver- 
gnügte, ift  ausgeftor- 
ben.  Was  heute  den 
Ausfchlag  giebt,  ift  das 
Nietenblatt  der  diver- 
fen  Kunftvereine ,  das 
nur  an  der  Wand  hängt, 
um  einemöglichft  amu- 
fante  und  gcmüthliche 
Familiengefchichte  zu 
erzählen.  An  diefem 
Genre  mufs  nun  der 
deutfche  Kupferftich 
fein  Dafein  friften  und 
wir  dürfen  ihn  daher 
nicht  für  alles  das  ver- 
antwortlich machen, 
was  als  regelmafsige 
Ration  den  Mitgliedern 
der  verfchiedenen 
Kunft -Vereine  vor  die 
Krippe    gefteckt   wird. 


III.  Oesterreich  und  die  übrigen  Staaten. 

Wie  auf  fo  manchem  andern  Ge- 
biete, gab  uns  die  Weltausftellung  auch 
in  der  öfterreichifchen  Abtheilung  der 
graphifchen  Künfte  Gelegenheit,  zu 
beobachten,   was  Nachfrage  und  guter 


III.  OESTERREICH  UND  DIE  ÜBRIGEN  STAATEN. 


433 


Wille  felbft  da  zu  fchaffen  vermögen, 
wo  es  urfprünglich  an  ausreichenden 
Kräften  und  am  Angebote  mangelte. 
Ifl;  nur  einmal  ein  erflrebenswerthes 
Ziel  gefetzt,  der 
Bewegung  Spiel- 
raum geboten,  dann 
finden  fich  wohl 
bald  auch  Talente 
ein,  welche  davon 
Gebrauch  machen. 
Wie  traurig  ftand  es 
noch  vor  einemjahr- 
zehnt  in  Wien  um 
die  vervielfältigende 
Kunfl!  Unter  der 
Aegide  privilegirter 
Kunflvereine  hatte 
man  es  glücklich  fo 
weit  gebracht,  dafs 
die  Kupferpreffen 
und  lithographi- 
fchen  Anftalten  fafl 
nur  mehr  höhere 
Maculatur  lieferten. 
Dafs  die  Kupfer- 
ftich-Profa  eines 
Heinrich  Rahl  kei- 
nen Nachwuchs 
fand,  brauchen  wir 
wohl  nicht  zu  bekla- 
gen, und  in  welchen 
traurigen  Ausläu- 
fern die  Stöber'fche 
Schule  fich  verlief, 
konnte  man  an 
einem  Portrait  des 
Kaifers  beobachten, 


MiUelflück  für  ein  Aquarium,  nach  Entwurf  von 

O.  König  in  Silber  ausgeführt  von  J.  GrüUemeyer 

in  Wien. 


der  reproducirenden  Kunfl  gegenwärtig 
entfaltet.  Nur  die  franzöfifche  und  die 
deutfche  Abtheilung  laffen  fich  in  die- 
fer  Beziehung  mit  der  öflerreichifchen  in 
Vergleich  flehen. 

Allerdings  find 
es  vorerft:  nur  einige 
wenige  Künfller,  de- 
ren Leiflungen  uns 
ein  fo  reiches  Bild 
vor  Augen  führen, 
und  .diefe  find,  wie 
es  nach  der  frühe- 
ren Stagnation 
nicht  anders  fein 
konnte,  meifl;  aus 
der  Fremde  zuge- 
wandert. Nur  auf 
diefemWege  konnte' 
das  Verfäumte  fo 
rafch  nachgeholt 
werden.  An  der 
Spitze  der  neuen 
Wiener  Kupfer- 
(lecherfchule  fleht 
Profeffor  Louis 
J  a  c  o  b  y  aus  Havel- 
berg in  Preufsen, 
ein  Schüler  Eduard 
Mandel's  und  fowie 
diefer  ein  eifriger 
Ikkenner  jener 

flrengen,  flilgerech- 
ten  Grabflicheltech- 
nik,  welche  fich  zu 
Ende  des  vorigen 
Jahrhunderts  aus 
der  claffifchen  fran- 


das  unter  der  Nummer  806  ausgeflellt 
war  und  fich  nur  etwa  durch  den  bei- 
gefetzten runden  Preis  von  fünfzig 
Gulden  auszeichnete..  Dafür  lieferte 
die  Ausflellung  ein  erfreuliches  Bild 
von  der  regen  Thätigkeit,  welche  ins- 
befondere    Wien    auf    allen    Gebieten 


Schule  herausge- 


zöfifchen  Porträtiflen 
bildet  hat.  Die  Verdienste  Jacoby's 
beruhen  vorzüglich  im  Porträtflich. 
Die  charakteriflifchen,  fein  durchgeführ- 
ten Köpfe  von  Theodor  Mommfen, 
Henzen  und  Profeffor  Brücke  verdienen 
umfomehr    Anerkennung,     als    fie    aus 


65 


434 


DIE  VERVIELFÄLTIGENDEN  KÜNSTE. 


originalen  Aufnahmen  des  Meiflers  felbft  hervorgegangen  find.  Das  kleine  Bildnifs 
Grillparzer's,  welches  die  Gefammtausgabe  von  deffen  Werken  ziert,  ifl  die  zarte, 
mafshaltende  Wiedergabe  einer  frühen  Daffinger'fchen  Miniature.  Einen  glücklichen, 
fehr  lobenswerthen  Schritt  nach  rückwärts  machte  aber  Jacoby  mit  dem  Bruftbilde 
Rokitansky's.  Er  geht  darin  von  der  des  Kupferftiches  unwürdigen  Gepflogenheit 
ab,  den  Kopf  des  l'ortraites  haltlos  in  der  Luft  oder  vielmehr  auf  der  weifsen  Papier- 
fläche hängen  zu  laffen.  Mit  Verleugnung  feiner  Reichthümer  hatte  der  moderne 
Kupferflich  diefe  bequeme  Ausflucht  von  der  Armuth  der  Lithographie  entlehnt. 
Jacoby  giebt  nun  dem  geftochenen  Bildniffe  wieder  feinen  farbigen  Hintergrund 
zurück,  deffen  es  bedarf,  wenn  es  als  fertiges  modernes  Kunftwerk  und  nicht  als 
Skizze  und  Bruchflück  wirken  foll.  Eine  folche  fkizzenhafte  Darftellungsweife 
fei  der  Radiriing,  dem  Holzfchnitt  und  andern  leichtern  Arten  der  Technik  un- 
verwehrt,  dem  fchweren  Kaliber  des  Grabflichels  aber  ziemen  derartige  Ab- 
kürzungen nicht.  Vielmehr  erweift;  es  fich  dem  Kupferftiche  vortheilhaft,  wenn 
auch  der  Grund  noch  durch  irgend  eine  architektonifche  Umrahmung  einge- 
fchloffen  und  zufammengehalten  wird,  wie  dies  Jacoby  hier  nach  dem  Beifpiele 
der  älteren  claffifchen  Meifter  wieder  verfucht  hat.  Eine  andere,  noch  ungleich  er- 
freulichere Neuerung  — ■  wenn  wir  die  Rückkehr  zu  einer  älteren,  befferen 
Uebung  fo  nennen  dürfen  —  conftatiren  Jacoby's  Bildniffe  von  Kaifer  und 
Kaiferin,  in  ganzer  Figur  geftochen  nach  Winterhalter.  Das  Verdienft  des 
Stechers  fteht  hier  um  fo  höher,  je  weniger  ihm  der  Maler  vorgearbeitet  hat. 
Immer  wieder  mufs  aber  hervorgehoben  werden,  wie  hoch  die  Gunft  der  Ver- 
hältniffe  anzufchlagen  ifl:,  welche  dem  Künftler  einen  fo  weitgehenden  Auftrag 
zu  Theil  werden  liefs.  Vielleicht  dafs  das  feltene  Beifpiel  doch  Nachfolge  findet 
und  den  Mächtigen  diefer  Erde  die  Wahrheit  zu  Gemüthe  führt:  dafs  fich  Stand- 
bilder oder  Denkmäler  aere  perennius  am  beften  mittelft  der  Kupferplatte  her- 
ftellen  laffen! 

P2inen  fehr  begabten  Schüler  Jacoby's  lernen  wir  in  Johann  Klaus  aus  Wien 
kennen.  Der  noch  unvollendete  Abdruck  eines  grofsen  Stiches  nach  der  «Schlacht 
von  Kolin»  von  Sigmund  L'Allemand,  welchen  der  junge  Künftler  mit  kaiferlicher 
Unterftützung  ausführt,  verfpricht  durch  feine  correcte  Zeichnung  und  feinfühlige 
Abtönung  einen  fchönen  Erfolg.  Die  gleichen  Vorzüge  vermögen  wir  leider  an 
den  Radirungen  desfelben  Künftlers,  insbefondere  an  denen  nach  Canon,  Schmit- 
fon  und  Adolf  Menzel  nicht  wahrzunehmen.  Zum  Gefolge  Jacoby's  gehört  auch 
der  gewiffenhafte,  liebenswürdige  Nürnberger  Johannes  Sonnenlciter,  deffen 
«Junge  Kätzchen»  nach  Knaus,  «Speckbacher  und  fein  Sohn»  nach  Defregger 
und  «Die  ereilten  Flüchtlinge»  nach  Kurzbauer  überall  gerne  gefehene  Gäfte  fein 
werden.  In  C.  E.  Forberg  aus  Düfl'eldorf  ift  der  Wiener  Stecher-Colonie  ein 
weiteres  Talent  zugewachfen.  Dies  verbürgt  der  gelungene  Stich  nach  Vautier, 
mit  dem  er  auf  der  Ausftellung  dcbutirte. 

Eine  feltene  Begabung  für  die  ftilgerechte  und  doch  zugleich  auch  malerifche 
Wiedergabe  von  Architekturwerken  befitzt  Heinrich  Bülttmeyer  aus  Hameln 
bei  I  lannover.  Die  grofse,  prächtige  Anficht  des  St.  Stephans-Domes,  die  er  im 
kaiferlichen  Auftrage  vollendet  hat,  ift,  wie  keine  andere,  des  Wiener  Riefenwahr- 
zeichens würdig.    Und  damit  auch  die  Landfchaft  und  das  Thierftück  feine  Ver- 


III.  OESTERREICH  UND  DIE  ÜBRIGEN  STAATEN. 


435 


tretung  finden,  defs  waltet   der  emfige  Grabftichel   von  Karl  B.  Port  in   feinen 
grofsen  Blättern  nach  Friedrich  Voltz,  Paufinger  und  Andreas  Achenbach. 

Die  Radirung    wird    nur   durch   Einen    namhaften   Meifter   vertreten;    diefer 
Eine  aber  wiegt  für  Viele,  fowohl  durch  die  Qualität  feiner  Lciftungen,  wie  durch 
die  I'roductivität,  deren  er  fähig  ift.    William  Unger  aus  Göttingen  bildet  eine 
ganze  Schule  für  fich.     Er  hat  bei  Niemandem  gelernt ,    als   etwa   bei  den  alten 
Meiflern,    die  er  nachbildete,    und  fchwerlich  wird  auch  Jemand  bei  ihm  lernen, 
wenigflens  nicht  Dasjenige,    was   ihn   vor  Allen  auszeichnet;    denn  das  ift  einer 
Uebertragung  nicht  fähig,  es  ift  der  Ausflufs  einer  ganz  fpeciellen  perfönlichen 
Begabung.     Wie  kein  Anderer,  verfteht  es  Unger,  jenes  unfagbare  Etwas,  wel- 
ches wir  Farbe  nennen,  aus  dem  Faffe :  Gemälde,  in  die  Bouteille :  Radirung,  ab- 
zuzapfen, ohne  dafs  der  Geift,  die  Blume  des  edlen  Inhaltes  verloren  geht.   Das 
fchwankende  Spiel  der  Lichter,   er  weifs  es  mit   der  Spitze   feiner  Nadel  feftzu- 
halten ;  in  dem  Streite  von  Hell  und  Dunkel  zieht  er  mit  Sicherheit  die  Diagonale 
ihrer  beiderfeitigen  Wirkung ;  nie  ift  er  verlegen  um  die  Stelle,  welche  mit  Nach- 
druck dem  Aetzwaffer  auszuliefern  ift.     Bedenkt  man,    dafs   Unger   unmittelbar 
vor  den  Gemälden  zu  arbeiten  pflegt  und  das  Original  gleich  im  Gegenfinne  auf 
die  Platte  reducirt,  fo  kann  dies  unfere  Bewunderung  für   die  Trcffficherheit  des 
Meifters  nur  fteigern.     Es  gehört  ein  ganz  ungewöhnliches  Gefchick   dazu,    eine 
Reihe  farbiger  Effecte  in  fo  compendiöfer  Kürze  wiederzugeben,  ohne  dabei  fei- 
nem Vorbilde   untreu   zu   werden.     Doch   liegt  es   in  der  Natur  diefer   genialen 
Begabung,  dafs  fie  mit  ganzem  Erfolge  nur   auf  jene  Werke  anwendbar  ift,   die 
überhaupt  einen  folchcn  Auszug  unbcfchadet  ihrer  Wirkung  vertragen,  ja  theil- 
weifc  durch  dicfe  Vereinfachung  dem  weniger  geübten  Auge  fogar  verftändlicher 
und    fomit  wohlgefälliger  werden.      Das  kunftgefchichtliche  Gebiet,   in  welchem 
das  Scepter  —  foU  heifscn  die  Radirnadel  William  Unger's  unumfchränkt  waltet, 
ergibt  fich  daraus  von  felbft.     Vom  Clairobscur  Correggio's  zieht  es  fich  fort  zu 
den  Schlagfchatten  der  „tenebrofen"  Italiener,  von  diefen  erftreckt  es   fich   hin- 
über zu  den  Spaniern,  um  fich  dann  unter  den  farbengewaltigen  Holländern  des 
ficbzehnten  Jahrhunderts  in's  Endlofe  auszubreiten.     Was  Unger  auf  diefem  ihm 
unterworfenen  Gebiete  der  Coloriften  zu  Iciften  vermag,    hat   er  uns  durch  zahl- 
reiche Proben  bewiefen.     Gerade   für  die  Spitzen  der   malerifchen  Entwicklung, 
die   zuweilen   eine    ziemlich  fchwer   verftändliche  Sprache   fprechen ,   gerade  für 
Frans  Hals,  für  Rembrandt  und  die  Seinen  ift  Unger  der  befte  Dolmetfch.    We- 
niger fchon  eignen  fich  die  Gemälde  eines  Rubens  für  die  gleichen  Reproductions- 
mittel.    Bei  aller  Farbenpracht  und  üppigen  Lebendigkeit  feiner  Darfteilung  hält 
Rubens  überall  an  einer  beftimmten  zeichnenden  Umfchreibung  der  Einzelheiten 
feft.     Mächtig  dehnen  und  blähen   fich   feine  Formen,    aber  bei   aller  Spannung 
und  Fülle  durchbrechen  fic  ihre  Umriffe  nicht  zu  Gunften  einer  allgemeinen  Licht- 
vertheilung  und  Farbenftimmung.    Eine  Reproduction  erfordert  daher  bei  gröfsern 
Dimenfionen  jene  klare,  confequente  Linienführung,  wie  fie  Rubens  felbft  in  der 
von   ihm    geleiteten  Stechcrfchule   eingeführt    hat.     Die    fchlichte   und  doch   fo 
glanzvolle  Stichweife  der  Bolswert,  Vorftermann,  Pontius,  de  Jode  wird  für  Ru- 
bens immer  claffifch  bleiben.     Am  eheften  hat  noch  der  Altar  des  heiligen  Ilde- 
fons  im  Belvedere   etwas  von  jener  allgemeinen,   in  Duft  zerfliefsenden  Farben- 


55* 


436 


DIE  VERVIELFÄLTIGENDEN  KÜNSTE. 


Vifitiire   in  vergoldeter  ßronze,  nach  Entwurf  von  A.  Haufcr  ausgeführt  von  J.  Grüllemeyer   in  Wien. 


Vifitenkartenfchale  in  vergoldeter  Bronze,  nach  Entwurf  von  O.König  ausgeführt  von  J.  Grüllemeyer  in  Wien. 

Atmofphäre,  welche  der  Radirung  wahlvcrwandt  ift,  und  infoferne  konnte  Unger 
doch  auch  an  der  grofsen  Platte,  die  er  nach  diefem  Hauptbilde  von  Rubens  aus- 
geführt hat,  einen  fchönen  I^rfolg  erringen. 

Der  Wiener  Holzfchnitt  findet  die  gcdicgenfle  Pflege  in  dem  Atelier  Fr. 
Wilh.  Bader's  aus  Brackenheim  in  Württemberg.  Seine  Anflehten  vom  Weltaus- 
ftcUungsplatze  und  die  Anficht  von  Wien  aus  der  Vogclperfpective  find  grofs- 
artige  technifche  Lciflungen.  Feinern  künfllerifchcn  Gcfchmack  zeigen  aber  na- 
mentlich feine  Nachbildungen  von  verfchiedenen  Gegenftänden  der  Kunftindu- 
ftrie.  Der  Wiener  Xylographen- Verein  hat  eine  Reihe  fchr  tüchtiger  Kräfte 
aufzuweifen,  deren  Vielfeitigkeit  der  forgfältigen  Durchführung  im  Einzelnen  kei- 


III.  OESTERREICH  UND  DIE  ÜBRIGEN  STAATEN. 


.437 


Emaillirle  Untertaffe,  von  Baranzewilfch  in  Moskau. 


liehen  in  Email,  von  E.  Philippe  in  Paris. 

nen  Eintrag  thut;  ich  nenne  nur:  O.  Mcnde,  A.  Hörn,  L.  Geisbe,  A.  Gün- 
ther und  Hermann  Paar.  Von  I-etzterem  flammt  auch  der  vortreffliche  Far- 
benholzfchnitt  nach  dem  Bildniffc  des  Greifes  von  Jan  van  Eyck  im  Belvedere. 
Die  Chromoxylographie  ifl  Eigenthum  der  „Gcfellfchaft  für  vervielfiiltigende 
Kunft,"  deren  PubHcationen  hier  überhaupt  ziemHch  viel  Raum  einnahmen. 


Was  die  übrigen  Staaten  an  Werken  der  reproducirenden  Kunft  ausgeftellt 
hatten,  ward  von  Frankreich,  Deutfchland  und  Ocfterreich  wo  nicht  an  Zahl,  fo 
noch  mehr  an  Bedeutung  dermafsen  übertroffen,  dafs  nicht  viel  zu  bemerken  übrig 
bleibt.     Die  Schweiz  befitzt  in  Friedrich  Weber  zu  Bafel  eine  gediegene  Kraft. 


438    DIE  VERVIELFÄLTIGENDEN  KÜNSTE.  III.  OESTERREICII  ETC. 


Seine  Grabftichclblätter  nach  Rafacl,  Luini  und  Holbein  erfreuen  fich  gerechter 
Anerkennung;  insbefondere  das  Bildnifs  Amerbach's  nach  Letzterem  erhebt  fich 
bis  zu  einer  des  Originals  würdigen,  coloriftifchen  Wirkung.  Die  Bildniffe  des 
Kronprinzen  und  der  Kronprinzeffin  des  deutfchen  Reiches  find  zwar  leichter, 
doch  nicht  ohne  Gefchmack  ausgeführt.  Belgien  flelltc  nur  wenige,  aber  ge- 
fchickte  und  feinfühlige  Zeichner  von  franzöfifcher  Schule  u.  A.  Guftave  Biet 
und  J.  Delboete  als  Stecher,  H.  Danfe  als  Radirer  und  Fl.  Van  Loo  als 
Lithographen.  Holland  lieferte  blofs  Stahlftiche  von  J.  H.  Rcnnefeld  und  P. 
J.  Arendfen  in  Amfterdam. 

Reichlicher  hatte  Italien  ausgeftellt,  als  machte  es  den  Verfuch,  den  alten 
Ruf  feiner  Grabfticheltechnik  noch  zu  retten.  Von  C.  Raimondi  erfchien  ein 
fehr  grofses  Blatt :  Correggio's  Himmelfahrt  Maria  im  Dom  zu  Parma,  zum  Theilc 
noch  nach  der  Zeichnung  feines  berühmten  Schwiegervaters  Paolo  Tofchi,  aber 
nicht  mehr  mit  der  weichen,  fchimmernden  Farbentiefe  dcffelben  ausgeführt.  An 
ähnlichen  Härten  leidet  der  grofse  Stich  Luigi  Sivalli's  nach  dem  fogenannten 
„Tag"  von  Correggio.  Sorgfältige  Stichelblätter  brachten  noch  T.  A.  Juvara,  G. 
Micale,  M.  A.  Martini  u.  a.  Einen  eigenthümlichen  Contraft  dazu  bilden  die 
kräftigen  Radirungen  von  Francesco  di  Bartolo:  Thierftücke  und  Bildniffe,  die 
wie  aus  dem  Norden  importirt  erfcheincn;  darunter  ein  Graf  Cavour  in  ganzer 
Geftalt  mit  einem  Belcuchtungseffect  <^  la  Rcmbrandt.  Auch  ein  Zeichen  der 
zte|lofen  Strebungen  in  der  heutigen  italienifchen  Malerei. 

Nur  England  hatte  noch  im  grofsen  Mafsftabc  gedruckte  Kunflblättcr  aus- 
geftellt. Schöpfen  wir  noch  einmal  Athem  zum  letzten,  fchwercn  Gange!  Der 
Quantität  nach  fleht  die  englifche  Abtheilung  der  franzöfifchcn  am  nächften,  der 
Qualität  nach  aber  —  ift  es  eine  ganz  andere  Welt,  in  die  wir  uns  hier  verfetzt 
finden.  Es  ift,  als  wandelten  wir  durch  die  kunfthiftorifche  Schreckenszeit  ver- 
gangener Tage.  An  die  Vergangenheit  erinnert  felbft  der  leider  vcrftorbene  R. 
A.  E.  Graves,  der  einzige  geniale  Lenker  des  Stichels,  der  uns  den  „Blue  Boy" 
des  Gainsborough  vervielfältigt  hat.  Die  modernfte  Verbrämung  bilden  aller- 
dings gelungene  Nachbildungen  von  Kunftinduftrie-Gegenftänden  durch  die  Etching 
Clafs  des  Science  and  Art  Departement  im  South-Kenfington-Mufeum.  Effcct- 
volle  Ausnahmen  find  auch  die  Radirungen  der  drei  Slocombe  und  von  J.  H. 
M.  Whiftler:  Anfichten  und  Architekturen,  gut  gezeichnet,  grell  beleuchtet  und 
mit  tüchtigem  „Bart"  gedruckt.  Dazwifchen  hin  und  wieder  die  Holzfchnitte  des 
,, Graphic,"  deffen  unruhige  Fauftpraxis  mit  den  aus  dem  Grunde  herausgeriffe- 
nen  Lichtern  der  foliden,  wenn  auch  einförmigeren  Illuftration  der  „Illuftrated 
London  News"  den  Rang  abgelaufen  hat.  Faft  alles  Andere  ift  gemifchte,  fehr 
gemifchte  Manier,  Schabkunft,  Aquatinta,  Stahlftich  und  wie  die  edlen  Surrogate 
des  kunftgerechten  Kupferftiches  alle  heifsen!  Brutale  Originalität  und  flache  Fa- 
brication  reichen  fich  hier  in  bewunderungswürdiger  Weife  die  Hand.  Wahrlich, 
wenn  dem  fo  ift,  dafs  uns  dicfe  Infulaner  nur  ein  verfloffenes,  früher  allgemeines 
Stadium  der  Kunftreproduction  confcrvirt  haben  ,  dann  mufs  man  es  ja  faft  ein 
Glück  nennen,  dafs  die  Sündfluth  der  Photographie  über  fie  hereingebrochen  ift, 
um  wenigftens  den  Markt  des  Continentes  von  diefcr  Waare  zu  fäubern! 

M.   Tliaufing. 


DER  FARBENDRUCK. 


439 


Emaillirte  Vafe,  von  Kavent  &  Sufsmann  in  Berlin. 


Der  Farbendruck. 

Es  ift  nun  einmal  fo  in  unfern  Tagen,  dafs  das  Neue  nicht  feiten  nur  defs- 
halb,  weil  es  neu  ift,  das  oft  kaum  in  geringerem  Grade  nützliche  Aeltere  ver- 
drängt. So  fehen  wir  die  Schwarzlithographie  faft  ignorirt,  während  der  bunte 
Steindruck  in  allen  feinen  Phafen  zu  immer  gröfserer  Geltung  gelangt.  Die  Ur- 
fache  hievon  liegt  übrigens  in  diefem  Falle  wohl  hauptfächlich  in  dem  natürli- 
chen Reizmittel  der  Farbe.  Die  meiften  der  lithographifchen  Anftalten  brachten 
daher  auf  der  Weltausftellung  vorwiegend  Farbendrucke  zur  Anfchauung,  der 
Schwerpunkt  ihrer  Unternehmungen  hat  fich  eben  fafl  ohne  Ausnahme  ganz  aus- 
fchliefslich  dahin  gewendet. 


440 


DER  FARBENDRUCK. 


Beginnen  wir  unfere  Revue  mit  Oefterreich,  fo  haben  wir  einer  ganz  refpec- 
tablen  Anzahl  von  Firmen  zu  gedenken,  deren  Leiflungcn  fich  mit  ihrer  Zeit  und 
den  in  anderen  Ländern  gemachten  Fortfehritten  zu  mcffen  im  Stande  find.  Zu 
den  bedeutendften  und  alterten  Unternehmungen  in  Wien,  welche  fich  um  die 
Hebung  des  Oelfarbendrucks  grofse  Verdienfte  erworben  haben,  zählt  die  k.  k. 
lithographifche  Anftalt  von  Reiffenftein,  welche  eine  wahrhaft  impofante  und 
ebenfo  gefchmackvoll  arrangirte  Ausflellung  ihrer  Werke  veranftaltete.  Die  Thä- 
tigkeit  diefer  Kunftanftalt  umfafst  alle  Zweige    der  Lithographie  von  der  kleinen 


l'errifches  Metallgeräth. 

unbedeutenden  Vignette  angefangen  bis  zum  vollendeten,  in  prächtigen  Goldrah- 
men gefafsten  Oelfarbendruck.  Durchweg  begegnen  wir  in  diefen  mannigfachen 
Leiftungen  einem  guten,  von  künfllerifchem  Geifte  befeeltem  Gefchmacke.  Auch 
können  wir  nicht  umhin,  das  Voi^ehen  diefes  Induftricllen  anzuerkennen,  neben 
feiner  freilich  Allem  überfchriebenen  Firma  auch  die  bei  jedem  Werke  befchäftigten 
künfllerifchen  Kräfte  an  eigens  angebrachten  Täfelchen  bemerkbar  zu  machen. 
Fs  machte  diefs  eine  um  fo  beffere  Wirkung,  als  die  auf  den  Unternehmer  gefallene 
Auszeichnung  demzufolge  gleichzeitig  auch  denjenigen  die  verdiente  Anerkennung 
zuertheilte,  ohne  deren  Mühen  und  kiinfllerifche  Fähigkeiten  die  heften  Abfichten 
des  Unternehmers  gefcheitert  wären.  An  den  Oelgemälde- Imitationen  der  Firma 
Reiffenftein  möchten  wir  vornehmlich  die  Freiheit  der  technifchen  Behandlung, 
die  Frifche  und  Klarheit  der  Farben,  wie  die  characteriftifche  und  künftlerifche 
Wiedergabe  der  Originale  rühmen.    Die  oft  ängftliche  und  daher  fchablonenhafte 


DER  FARBENDRUCK. 


441 


Erfcheinung  des  gewöhnlichen  Farbendrucks  ift  fafl  ganz  vermieden,  während  die 
verftandnifsvolle,  keine  Mittel  fcheuende  Behandlung  des  Drucks  bei  felbflvcrrtänd- 
licher  Vermeidung  nachträglicher  Retouchen  die  Schönheit  der  Refultate  wefent- 
lich  zu  fördern  vermochte.  Der  bekannte,  treffliche  Genremaler  Franz  Schams, 
der  begabte  Landfchaftsmaler  Varrone,  der  virtuofe  Aquarellift  und  Porträtmaler 
Pitner,  der  Lithograph  Maraftoni,  einer  der  beften  feines  Faches,  u.  A.  haben  der 
genannten  Firma  durch  ihre  Arbeiten  ganz  ausgezeichnete  Dienfle  geleiflet  und 
wenn  auch  die  Originale  nicht  immer  von  dem  wünfchenswerthen  Werthe  fein 
mögen,  indem  fie  vorwiegend  der  beliebten  Gattung  angehören,  welche  auch  auf 
den  Ausftelluneen  am  eheflen  Liebhaber  und  Käufer  findet,    fo  ift  doch  keines- 


Zuckerdofe  in  Email-Champleve,  von  Barb(Jdienne  in  Paris. 

wegs   die  Würde  des  Inftituts   durch  Darftellungen    von  Frivolitäten  u.  dgl.  ge- 
fchädigt  worden. 

Neben  einer  Reihe  künftlerifch  angeordneter  und  beftens  ausgeführter  Di- 
plome, z.  B.  von  der  Hand  Profeffor  Laufberger's,  neben  einem  maffenhaften 
Materiale  von  Vignetten,  Initialen,  Adreffen  u.  f.  w.  wie  auch  kleineren  und 
gröfseren  Publicationen,  —  wir  nennen  den  tropifchen  Urwald  nach  Selleny,  litho- 
graphirt  von  dem  verdienftvollen  Landfchaftsmaler  G.  Seelos  und  die  Seegrund- 
Darftellungen  des  Baron  v.  Ranfonnet,  —  fahen  wir  ein  intereflant  ausgeftattetes 
Werk  des  Erzherzogs  von  Toscana  über  fpanifche  Küftenländer,  deffen  erfter 
Band  vollendet  ift  und  an  deffen  in  Aquarcllmanier  ausgeführten  Blättern  fich 
vornehmlich  die  Landfchaftsmaler  Selleny,  Seelos,  Nowopacky,  Marak,  Aug. 
Schaeffer  u.  a.  betheiligt  haben.  Aber  auch  den  ernfteften  künftlerifchen  Unter- 
nehmungen fich  zuzuwenden,   zeigt  die  Anftalt  das  Beftreben,   worüber   uns  die 


SS 


442 


DER  FARBENDRUCK. 


gelungene    Reproduction    der   Tizian'fchen  Kirfchen  -  Madonna    durch    Maraftoni 
belehrt. 

Eine  fehr  bedeutende  Stellung  unter  den  lithographifchen  Kunftanftalten 
Wiens  behauptet  auch  die  Firma  Hölzel.  Diefelbe  ift  mit  grofser  Opferwillig- 
keit beftrebt,  die  beften  künftlerifchen  Kräfte  an  fich  zu  ziehen.  Eine  Reihe 
guter,  oft  vortrefflicher  Oelgemäldc-Imitationen  nach  Fr.  Defregger,  Eberle,  Voltz, 
A.  Schönn,  Ilanfch,  Steffan,  Riefer,  Paul  Delaroche,  Rafael,  Dürer,  Murillo,  van 
Dyck  u.  a.  kennzeichnen  das  Beflreben,  Ausgezeichnetes  zu  leiflen.  Das  auflie- 
gende Verzeichnifs  der  fämmtlichen  Publicationen  des  Herrn  Holzel  verfchwieg 
uns  leider  die  Namen  der  mit  diefen  Reproductionen  betraut  gewefenen  Künft- 
1er.  Doch  wiffen  wir  beifpielsweife,  dafs  Defregger's  Bild  durch  Pitner  repro- 
ducirt  wurde,  während  fich  Schams  namentlich  an  der  Reproduction  der  Werke 
alter  Meifler  betheiligt  hat.  Von  Ed.  v.  Wecber  rühren  verfchiedene  Landfchafts- 
bilder  her.  Namentlich  von  Fremden  dürften  die  Imitationen  nach  Fr.  Alt's 
Aquarellen:  »Wien  im  Ausflellungsjahre  1873«  gerne  gekauft  werden.  Die  Blätter 
find  recht  fauber  ausgeführt,  doch  etwas  einförmig  in  der  coloriftifchen  Behand- 
lung, woraus  allerdings  kaum  für  die  daran  betheiligten  Lithographen  ein  Vorwurf 
erwachfen  dürfte.  Nicht  blofs  um  künfllerifche  Aufgaben  macht  fich  die  Anflalt 
verdient,  fondern  auch  um  das  Schulwefen,  in  welcher  Richtung  diefelbe  viel- 
verfprechende  Publicationen  von  Anfchauungsbildern  u.  dgl.  im  Werke  hat.  — 
Paterno's  hthographifche  Anflalt  cultivirt  mit  Glück  die  beliebten  Reproductio- 
nen der  fo  populären  Bilder  von  Gauermann.  Ferner  ftellte  diefelbe  Chromo- 
lithographien nach  den  Gemälden:  »Madonna  della  Sedia«  von  Rafael,  «Ecce 
homo»  von  Guido  Reni,  «Mater  dolorosa»  v.  Carlo  Dolce,  «Madonna  dell'  uva» 
von  Mignard,  lithographirt  von  Schams,  Bauer  und  Marafloni  aus,  endlich  als 
neueftes  Werk  einen  in  feiner  coloriftifchen  Wirkung  gut  bemeifterten  Farben- 
druck: »Holländifche  Marktfcene«  (Nachtefi'ect)  nach  van  Schendel,  lithographirt 
von  Ed.  von  Weeber.  —  Das  erfl  vor  wenig  Jahren  errichtete  Atelier  für 
Chromolithographie  und  Oelgemälde-Imitation  von  Conrad  Grefe,  einem  bekann- 
ten Wiener  Künftler,  bildet  fich  ebenfalls  energifch  heran.  Eine  Reihe  guter 
Reproductionen,  von  welchen  wir  vornehmlich  die  nach  Löffler-Radymno,  Ranftl, 
Gefellfchap,  Rota  u.  a.  m.  nennen  wollen,  bekundet  die  lobenswerthe  Thätig- 
keit,  mit  welcher  der  genannte  Künfller  fein  Unternehmen  fördert.  —  Das  erfl 
vor  kurzer  Zeit  entftandene  Specialgefchält  für  Farbendruck  von  S.  Czeiger 
mag  allerdings  beftrebt  fein,  feinem  Programme  nach  grofse,  ganz  vollendete 
Nachbildungen  von  bedeutenden  Meifterwerken  moderner  Künftler  herauszuge- 
ben. Wenn  uns  beim  Ueberblick  der  Ausftellung  diefer  Firma  vorwiegend 
der  gute  Wille,  weniger  die  That  einleuchtet,  indem  wir  bis  jetzt  doch  nur  mehr 
oder  minder  gute  Originale,  aber  ftreng  genommen  wenig  von  wahrhaft  bedeu- 
tenden Meifterwerken  der  modernen  Kunft  vervielfältigt  fahen,  fo  dürfen  wir, 
namentlich  in  Anbetracht  des  Umftandes,  dafs  es  oft  fchwer  ift,  ausgezeich- 
nete Kunftwerke  zur  Reproduction  für  den  Farbendruck  zu  erlangen,  das  Treff- 
liche nicht  unterfchätzen,  das  von  der  Unternehmung  namentlich  in  Bezug  auf 
Farbenhelle  und  tüchtige  Ausführung  der  Bilder  geleiftet  wurde.  —  Die  literarifch- 
artiftifche  Anftalt   von  C.  Dittmarfch,    deren    hauptfächliche  Thätigkeit  fchon 


DER  FARBENDRUCK. 


443 


ihrem  Titel  nach  mehr  Hterarifch-illuflrativen  PubHcationen 
als  dem  Oelfarbendrucke  zugewendet  ifl:,    betheiligte  fich, 
neben  einer  anfchnlichen  Ausftelking    von  nicht  in  diefen 
Specialbericht  gehörenden  Arbeiten ,    mit   zwei    gröfseren 
Chromolithographien,     darflcllend    «Ilirtenfcencn   aus    der 
Campagna» ,  deren  Ausführung,  obwohl  etwas  hart,  doch 
im   Uebrigen   als    gelungen   zu   bezeichnen    ifl.      Die    von 
derfelbcn    F"irma    ausgeftclltc    «Paffion»    für   Landkirchen 
mag  ihrem  Zwecke  wohl  entfprechen,    dagegen  hätte  ein 
fehr  veraltetes  Kaiferbild  wegbleiben  können.     Unter  der 
Firma  Gerold   fahen  wir  die  in  Farbendruck  ausgeführ- 
ten,   längft  bekannten   Panoramen   vom    Semmering  und 
die    VVeflbahnanfichten ,     während    der    Schwerpunkt    der 
bedeutfamen  Thätigkeit  diefer  altberühmten  Firma  bekannt- 
lich nicht  in  den  Rahmen  diefes  Berichtes  fällt.  Theilweifc 
'  recht  verdienftvolleLeiflungen  des  lithographifchen  Farben- 
drucks lieferten  noch  Leo  Tein,  Gerhardt  und  Seh  mat- 
ter,   während    die  k.  k.   Staatsdruckerei,    welche   früher 
grofse  Verdienfle   um    die  Hebung  des  Farbendrucks  fich 
erworben  hatte,  diefsmal  vorwiegend  auf  anderen  Gebieten 
der  graphifchen  Künfte  excellirte. 

Im  Ganzen  genommen  ifl  zu  betonen,    dafs   feit  der 
verhältnifsmäfsig  kurzen  Zeit,  in  welcher  man  fich  in  Wien 
überhaupt  mit  diefer  Technik  befafst  hat,  mit  viel  Erfolg 
gearbeitet  worden  ifl.     Den  Wiener  Unternehmungen  wäre 
nur  noch  zu  wünfchen,  dafs  fie  in  ihrem  Einfluffe  auf  die 
allgemeine  Bildung  des  künfllerifchen  Gefchmackes  fo  weit 
kommen,   ohne  Gefährdung  ihres  gefchäftlichen  Betriebes 
fich  Aufgaben  zuwenden  zu  können,  wie  fie  von  der  Kunfl 
in  der  edelften  Bedeutung   des  Wortes   gefordert   werden. 
Hiezu  gehören  wohl  vor  der  Hand  noch  opferwillige 
Männer  und  was  diefe  nicht  zu  erzwingen  im  Stande  find, 
wäre  fodann  die  Aufgabe  der  Vereine.    Der  erfle  Verfuch 
der    »Gefellfchaft     für    vervielfältigende    Kunfl«    mit    der 
durch   Maraftoni   erfolgten  Reproduction  des    fo   fchönen 
Aquarellgemäldes   des  leider  der  Kund  fo  frühzeitig  ent- 
riffenen  Meifters  Bitterlich  hat  diefe  Gefellfchaft  ermuthisft, 
eine  Folge   von  Werken    der  berühmteflen  alten   Meifler 
durch    den    Farbendruck    zu    publiciren.     Wir   begrüfsen 
diefen   Gedanken   aufs    freudigfle,    da    nur   durch   folche 
voranleuchtende    Bilder    das    noch    immer    etwas    unter- 
fchätzte  Wefen    des  Oelfarbendrucks    als    Reproductions- 
Mittel  für  Gemälde  höchften  Ranges  zur  vollen,  würdigen 
Bedeutung  erhoben  zu  werden  vermag.     Wir  fehen,  welch 
grofsen  Beifall  und  welche  ungewöhnliche  Würdigung  die 


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444 


DER  FARBENDRUCK. 


Arundcl-Socicty   erworben  hat,  und  diejenigen  Unternehmungen,   welche  fich  in 
letzterer  Zeit  auch   in  Frankreich   und  in  den  Niederlanden  mit  der  Vervielfälti- 


Schmiedeeiferne  ThürfüUung,  eniwmicn  von  G.  Schutt  in  Hamburg. 


gung  hervorragender  Bilder  alter  Meifter  befafst  haben,  dürften  bei  der  vor- 
trefflichen Qualität  ihrer  Leiftungen  auch  die  hierzu  nöthige  gefchäftUche  Bafis 
gefunden  haben. 

Die  Thätigkeit  Dcutfchlands  auf  diefem  Gebiete  kann  feit  Jahren  fchon 
eine  höchfl  bedcutfame  genannt  werden.  Während  München  unter  Hanfftängl 
u.  A.  die  Wiege  der  trefflichften  Leiftungen  der  Schwarzlithographie  war,  feierte 
Berlin  nach  den  gewaltigen  Erfolgen  der  Engländer  in  der  Aquarell  -  Manier 
des  Farbendrucks  Triumphe  in  der  Imitation  von  Oelgemälden.  Die  Firma 
Storch  und  Kramer  in  BerHn  lieferte  in  fortwährend  fteigender  Production 
die  erflen  vollendeteren  Arbeiten  auf  diefem  Felde  und  ihr  Ruf  drang  bald 
in  alle  Welt.  Doch  beflanden  diefe  Leiftungen  jenen  der  jüngften  Zeit 
gegenüber  zumeift  nur  in  einer  freilich  recht  anfthndigen  Handelswaare  und  die 
etwas  trockene  Technik,  wenn  auch  fehr  fleifsige  Ausführung  gaben  diefen  Re- 
productionen  etwas  Uniformes  in  der  Erfcheinung,  wozu  auch  wohl  zumeift  die 
noch  bedingte  Wahl  der  Originale  Veranlaffung  geben  mochte.  Bald  flrebte 
man  nach  bedeutfamen  Fortfehritten  in  Beziehung   auf  feften,   klaren  Farbenfatz 


DER  FARBENDRUCK. 


445 


wie  auf  die    rtrcng   charactcriflifchc   Wiedergabe  der  individuellen   Technik  des 
reproducirten  Meifters  und  wenn  man  hiebei  felbftverftändlich  nach  neuen,  freie- 


Eifernes  Balkongeländer  aus  Wafleralfingen, 
nach  Entwurf  von    Profcffor   Bäumer    in    Wien. 

ren,  rein  malerifchen  Mitteln  der  Technik  griff,  fo  mufste  wohl  nunmehr  dem 
bislang  gehandhabten  »Schummern«  mit  der  fpitzen  Kreide  der  Krieg  erklärt 
werden,  um  mit  Pinfel,  Tufche  und  Meffer  weit  wirkfamere  Effecte  erzielen  zu 
können.  Das  durch  diefe  neuen  Mittel  erforderte  Druckverfahren,  zu  welchem 
neben  anderem  auch  das  von  Manchen  verpönte  Aufftauben  von  Farben  in  Pulver 
auf  den  noch  feuchten  Abzug  gehört,  deffen  Vorzüge  fowohl  auf  die  Erhaltung 
der  Farben  als  auf  deren  Leuchtkraft  von  nicht  zu  unterfchätzendem  Einfluffe  find, 
hatte  allerdings  eine  weit  heiklere  Technik  bei  der  Herftellung  der  Abdrücke 
zur  Folge;  doch  vergalt  der  Erfolg  reichlich  den  hicmit  verbundenen  höheren 
Zeitaufwand  und  den  dadurch  bedingten  höheren  Lohn  des  freilich  oft  mehr 
künftlerifch  als  handwerkmäfsig  arbeitenden  Druckers.  Haben  wir  fchon  in  der 
öfterreichifchen  Abtheilung  die  fprechenden  Zeugniffe  all  diefer  neuen  techni- 
fchen  Vortheile  gefehen,  fo  finden  wir  diefelben  in  eben  dem  Mafse  in  den  Chro- 
molithographien des  deutfchen  Reiches  wieder.  Leider  ifl  im  Allgemeinen  die 
Art  der  Aufflellung  der  Chromolithographien  hier  keine  fchr  günftige  gewefen, 
fo  dafs  es  in  der  That  oft  fchwierig  war,  den  Werth  der  Leiftungen  zu  erken- 
nen.   Ueber  alle  nur  möglichen  Hinderniffe  mufsten  wir  uns  zuweilen  Bahn  bre- 


446 


DER  FARBENDRUCK. 


chen,  um  dasjenige  mit  eindringendem  Blicke  betrachten  zu  können,  über  das 
wir  berichten  füllten.  Da  man,  wie  es  fchcint,  die  Oelfarbendruckbilder  in 
Goldrahmen  mehr  oder  minder  als  Decoration  für  die  übrigen  Ausftellungsob- 
jccte  betrachtet  haben  mochte  und  diefelbcn  demnach  hoch  oder  entfernt  von 
dem,  dem  Befchauer  karg  zugemeffenen,  Räume  placirte,  fo  war  es,  wie  diefs  in 
der  öfterreichifchen  Abtheilung  durch  deren  Aufftellung  fo  glücklich  vermieden 
wurde,  hier  wefentlich  erfchwert,  fich  ein  Gefammtbild  des  Geleifteten  vor  Augen 
zu  führen.  In  von  halbem  Lichte  erhellten  Winkeln  fahen  wir  z.  B.  die  ganz 
vorzüglich  rcproducirtcn  Werner'fchen  Aquarelle  aus  Aegypten  von  Seitz 
in  Wandsbeck  nächft  Hamburg  und  die  höchft  fchätzenswerthen ,  mit  Recht 
grofsen  Ruf  geniefsenden  Chromolithographien  der  Firma  C.  H.  Gerold  in  Berlin 
ausgeftellt,  während  freilich  die  in  ihrer  Treue  der  Imitation  der  individuellen 
Characteriftik  der  Mildebrandt'fchen  Aquarelle  ganz  einzig  und  unübertroffen 
daftchcnden  Reproductionen  durch  die  Firma  R.  Wagner  in  Berlin  etwas  günfli- 
gere  Aufftellung  fanden.  A.  Silber,  Grack  &  Aron,  Kaufmann,  wie  die 
Firmen  Herrmann  &  Bagantz,  Otto  Troitzfch  und  Steinbock  in  Berlin 
führten  gröfstentheils  gute,  oft  bei  guter  Wahl  der  Originale  ganz  ausgezeichnete 
Leitungen  auf  dem  Gebiete  der  Chromolithographie  vor.  Freilich  wird  die 
Mehrzahl  diefer  Reproductionen  als  Marktwaare  bezeichnet  werden  muffen. 

Hat  man  bei  der  Vervielfältigung  durch  den  Kupferftich  faft  immer  nur  ge- 
trachtet, das  Befte  zur  Darftellung  zu  wählen,  fo  find  es  eben  bei  dem  Oelfarben- 
drucke  ganz  andere  Bedingungen,  unter  welchen  fich  derfelbe  zum  Handelsartikel 
geftaltet  hat.  Das  Bild  mit  dem  roheften  Farbeneffect  bringt  zumeift  dem  Un- 
ternehmer mehr  Gewinn  als  das  folidefte,  nach  allen  Richtungen  hin  fublimfte 
Kunflwerk.  Da  nun  aber  auch  die  Aufflellung  der  Chromolithographien  in  der 
Weltausftellung  weniger  unter  dem  künftlerifchen  als  einem  merkantilen  Gefichts- 
punkte  gefchah,  fo  ift  es  um  fo  begreiflicher,  wenn  die  billige,  alltägliche  Markt- 
ware den  Vorfprung  gewann. 

So  reichhaltig  und  fchön  Berlin  vertreten  war,  eine  fo  kärgliche  Thätigkeit 
fahen  wir  München  auf  dem  Gebiete  der  Chromolithographie  entwickeln  und 
wenn  auch  die  Firmen  Forndran,  Schreiner,  fowie  Aug.  Becker  recht  viel 
Anerkennenswerthes  anftrebten,  fo  fcheincn  doch  die  dafelbft  herrfchenden  Kunft- 
verhältniffe  nicht  die  Stätte  zu  gröfseren ,  diefsbezüglichen  Etabliffements ,  dem- 
nach zu  weiterer  Entwicklung  in  der  Pflege  der  graphifchen  Künfte  überhaupt 
bieten  zu  wollen.  Aus  Stuttgart  fahen  wir  die  Firmen  E.  Hochdanz  und 
Gufl:.  Weife  mit  guten  Publicationen  —  namenthch  was  fchöne  Illuftrationen 
betrifft  —  vertreten,  ebenfo  Leipzig  durch  die  Bach'fche  Kunftanftalt  und 
durch  die  Collectiv-AusftcUung  des  Brock haus'fchen  Verlages  auf  dem  Ge- 
biete des  Farbendrucks.  Brandes  und  Wolff  aus  Hannover  flcUten  recht 
anerkennenswerthe  Oeldruckbilder  aus;  namenthch  mufs  die  ernfte,  coloriftifche 
Haltung  in  dem  Blatte  nach  Rembrandt  anerkannt  werden. 

Eine  höchfl  bedeutende  Stellung  nimmt  Frankreich  auch  auf  diefem 
Gebiete  der  Technik  ein,  und  feine  Vertretung  auf  der  Ausftellung  ifl  eine 
glänzende  zu  nennen.  Wenn  etwa  gefagt  werden  feilte,  dafs  es  dem  Franzofen 
gegenüber  dem  Deutfchen  an  Erfindung  mangle,  fo  erfetzt  derfelbe  diefen  Man- 


DER  FARBENDRUCK. 


447 


Kanzel,  entworfen  von  Fr.  .Schmidt,  ausgeführt  von  F.  Schönthaler  in  Wien. 


448 


DER  FARBENDRUCK. 


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DER  FARBENDRUCK. 


449 


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450 


DER  FARBENDRUCK. 


Elföffifcher  Bauernhof;  Grundrifs. 


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DER  FARBENDRUCK. 


451 


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IClföffifches  Bauernhaus;  Durchfchnitt. 


gel  reichlich  ilurch  den  feinen  Tact,  mit  welchem  er  feine  technifchen  Mittel 
haiidhabl,  durch  die  eminente  Präcifion  und  durch  den  auserlefenen  Gefchmack, 
mit  welchen  er  in  allen  feinen  Ausführungen  in  der  Kunft  /ax  Werke  geht.   Dcm- 


57' 


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452 


DER  FARBKiNDRUCK. 


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DER  FARBENDRUCK. 


453 


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DurchfchniU  des  Szckler  Haul'cs 


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Grundrifs  des  Szckler  llaiileä. 


454 


DER  FARBENDRUCK. 


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nach  vermögen  wir  auch  ganz  aufserordenthche  I.eillungen  nicht  nur  in  der 
Imitation  von  Oelgemälden  und  Miniaturen,  fondern  auch  in  jenen  Mufterwerken 
zu  conflatiren,  welche  in  das  Gebiet  der  Artiteklur,  der  Hautechnik  wie  des  Kunft- 
gewerbes  einfchlagen.  Die  Firmen  Dupuy  und  Hangard-Mauge  brachten 
wohl  das  Berte  zur  Schau,  was  gemacht  werden  kann.  Des  Krfteren  Genrebilder 
und  Thicrrtücke  find  in  der  Feinfühligkeit  der  Imitation  ganz  einzig  in  ihrer  Art, 
und  eine  wahre  Blumenlcfc  moderner  Leirtungen  auf  dem  Gebiete  der  Chromo- 
lithographie erblicken  wir  in  den  Publicationen  des  Letzteren.  Die  Darftellungen 
des  Genter  Allars  der  Iküder  van  Eyck,  wie  jener  köftlichen  Initialen  u.  a. 
Dinge  verdienen  die  vollfte  Bewunderung.  Tertu  und  Maffin,  Aeppel, 
Boulant  d.  Ac.  und  Morel  reihen  fich  in  würdiger  Vertretung  den  Errt- 
genannten  an.  Allenthalben  fanden  wir  die  raffinirteften  technifchen  Mittel 
fowohl  in  tler  Ik-liandlung  der  Zeichnung  als  in  der  tles  Druckverfahrens  mit  voU- 
ftandigem  Erfolge  zur  Anwendung  gebracht.  Daffelbe  lafst  fich  auch  von  den 
Unternehmungen  fagen,  welche  mehr  der  Gefchaftsmäfsigkcit  als  den  ftreng 
künlllerifchen  Normen  Folge  leiflen ,  wovon  uns  die  Ausftellung  von  Berg  in 
Marfcille,  J.  Bognard  d.  J.  nebfl  Anderen  Zeugnifs  gaben.  Es  kann  demnach 
mit  Recht  gefagt  werden,  dafs  der  gefällige  franzöfifche  Gefchmack  auch  das 
allenfalls  gebotene  rohe  Material  behcrrfche,  womit  fich  felbRverrtändlich  die 
mitunter  derbe  Kort,  eben  durch  die  Art  wie  fic  gereicht  wird,  in  eine  anmuthende, 
leicht  verdauliche  Speife  verwandelt. 

Ganz  merkwürdig  gering  vertreten  fanden  wir  den  I'arbendruck  Englands. 
Da,  wo  namentlich  in  der  Imitation  des  Acjuarelis  fo  Glänzendes  lange  fchon 
gcleiflct  wurde,  wo  die  Verbreitung  und  Pflege  der  Chromolithographie,  un- 
terrtützt  durch  die  mächtigen  Handelsverbindungen  der  Nation,  die  grofsartig- 
ften  Dimenfionen  angenommen  haben,  wo  demnach  bei  der  fo  aufscrordentlichen 
l'roduction  ein  überreiches  Material  zur  Verfügung  gewefen  wäre,  hat  man  es 
unterlaffen,  fich  an  dem  allgemeinen  Wettkampfe  zu  betheiligen.  Während  dem- 
nach Frankreich  diefen  Zweig  der  Kuiilt  durch  eine  umfaffende  Ausftellung  feiner 
l'roductionen  würdigte,  fanden  wir  in  der  englifchen  Abtheilung  nur  eine  einzige 
I'-irma,  John  B.  Day,  anfangs  auf  einem  befcheidenen  Plätzchen  nächft  einer 
in  die  Annexe  mündenden  Thür  poftirt,  welche  vier  Oelgemälde- Imitationen, 
Niagara-  und  Strand- Anfichten,  das  Abendmahl  von  Lionardo  da  Vinci  und 
irgend  ein  Repräfentationsbild,  welches  bereits  durch  Feuchtigkeit  bcfchädigt 
war,  ausftellte.  Die  Behandlung  diefer  unter  Glas  gebrachten  Chromolithogra- 
phien zeichnete  fich,  bei  einiger  an  die  Xylographie  erinnernden  Härte  des  Vor- 
trags, durch  grofse  Präcifion  der  Zeichnung,  durch  minutiös  beobachtetes  Auf- 
einanderpaffen  der  einzelnen  Farbenplatten,  wie  überhaupt  durch  die  gröfste 
Sorgfalt  der  Technik  aus.  Jedoch  von  all'  den  in  der  ganzen  Welt  epochema- 
chenden Leiftungen,  welche  wir  feit  einer  Reihe  von  Jahren  theils  in  den  fo  emi- 
nent durchgeführten  Nachbildungen  berühmter  alter  Gemälde,  theils  in  einer  Un- 
maffe  von  grofsen,  in  breiter  und  ebenfo  virtuofer  Aquarellmanier  gehaltenen 
Anfichten  aus  Italien,  der  Schweiz,  Schottland  u.  f.  w. ,  ferner  in  zahlreichen 
Thierftücken  und  Landfchaften  nach  modernen  englifchen  Malern,  endlich  in  den 
beliebten  1  )arftellungen  aus  tler  Rennbahn  oder  ilem  landwirthfchaftlichen  Thier- 


JL. 


DER  FARMEN  DRUCK. 


45.1 


leben  faheii  und  bewunderten,  fanden  wir  in  der  englifclien  Abtheilung  nichts, 
fo  dafs  man  mit  Recht  annehmen  kann ,  England  habe  es  verfchmäht ,  diefen 
Zweig  feiner  glänzenden  Production  zur  Anfchauung  zu  bringen. 

Hüchfl  Anerkenneiisuerthes  brachte  dagegen  die  betreffende  Abtheilung  der 
Niederlande.  Die  Firmen  W.  Bos  Sohn  in  Utrecht,  Tresling  &  Co.  in  Amfter- 
dam,  wie  die  köriigl.  Niederländifche  Steindruckerei  im  Haag  leiflen  Vorzügliches 
in  Sättigung  des  Tons,  tüchtiger  Modellirung  und  characteriflifcher  Zeichnung, 
insbefundere  aber  in  .den  hübfchen  Imitationen  nach  Gemälden  von  Potter, 
Fr.  Hals,  Rembrandt,  Jan  Steen  u.  A.  Einige  recht  gute  moderne  Landfchafts- 
gemälde,^  darunter  fehr  lobenswerthe  Aquarell -Imitationen  liefern  eine  auflandige 
Marktwaare. 

Italiens  ausgefeilte  Üleographien  nehmen,  obgleich  dafelbft  der  Farben- 
druck erft  fi);iter  in  Uebung  kam,  bereits  eine  recht  ehrenvolle  Stellung  ein.  Das 
Atelier  Borzi  11  o  in  Mailand  liefert  vollkommen  gelungene  Imitationen  fowohl 
nach  modernen  als  nach  altern  Gemälden.  Das  Genrebild  nach  Cremona  kann 
als  eine  vcirzügliche  Leiftung  hingeftellt  werden.  Von  höchftem  Intereffe  jedoch 
find  die  Nachahmungen  byzantinifcher  Mofaiken,  au.sgeftellt  von  Spithöver. 
Ueberhaupt  nimmt  Italien  eine  höchfl  refpectable  Stellung  ein  in  verfchiedenen 
l'ublicationen,  welche  das  geüimmte  Gebiet  der  Kunftwiffenfchaft  umfaffen. 

Noch  erübrigt  uns,  der  Thätigkeit  auf  dem  Gebiete  der  Chromolithographie 
in  den  Vereinigten  Staaten  zu  gedenken,  die  felbftverfländlich  durch  die 
bedeutfame  Nachfrage,  welche  diefe  Art  von  Reproduction  feit  allem  Anfange 
fand ,  gar  bald  zu  eigenen  Refultaten  führen  mufste  ,  wovon  wir  auch  die 
fprechenden  Zeugniffe  auf  der  Weltausflellung  fahen.  Eine  der  bedeutendflen 
Firmen,  die  von  L.  Prang  &  Co.  in  Horton,  fiel  uns  zuerfl  in's  Auge.-  Sie 
brachte  eine  ziemlich  umfaffende  CoUectiv-Ausflellung  ihrer  bisherigen  Leitungen 
und  legte,  was  namentlich  intereffant  für  den  Fachmann  fein  mufste,  die  pro- 
greffiven  Scalen  zweier  reproducirter,  pompejanifche  F'amilienfcenen  behandelnder 
Genrebilder,  etwa  im  Stile  Hamon's  gemalt,  zur  Anfchauung  auf.  Wir  fanden 
hiebei  die  namhafte  Zahl  von  33  Steinen  verwendet,  was  allerdings  in  grofsem 
Widerfpruche  zu  jener  Knappheit  fteht,  mit  welcher  man  beifpielsweife  in  den 
Wiener  Kunflanflalten  behufs  Vermeidung  der  zu  grofsen  Druckkoflen  in  der 
Anzahl  der  Steine  vorgeht.  Was  nun  die  Art  der  Behandlung  diefer  beiden  be- 
zeichneten Blätter  betrifft,  fo  fahen  wir,  dafs  der  betreffende  Künftler  vorwiegend 
mit  der  Tufche  und  dem  Schaber  manipulirte,  während  die  Kreide  erft  etwa  beim 
24.  Stein  zur  Anwendung  gelangte.  Die  Arbeit  ifl  eine  äufserfl  faubere,  ja  fub- 
tile  zu  nennen  und  reiht  fich  den  hervorragendften  Leiftungen  an.  Neben 
diefem  cheval  de  bataille  führte  uns  die  genannte  Firma  noch  eine  ausgewählte 
Anzahl  von  Genrebildern,  Thierftücken  und  Landfchaften  vor,  unter  welch' 
letzteren  wir  namentlich  gute,  effectvolle  Marinebilder  fanden.  Auch  über  die 
Ausftellung  Duval's  und  Hunter's  in  New-York  läfst  fich  Gutes  berichten, 
obfchon  fie  mit  ihren  Erzeugniffen  nicht  ganz  an  die  erflgenannte  hinanreicht, 
fondern  mehr  das  gewöhnliche  Effectbild  cultivirt,  welches  von  der  Menge  gerne 
gekauft  wird.  T.  R. 


456 


DIE  PHOTOGRAPHIE. 


Badendes  Mädchen,  Marmorftalne  von  R.  BeKas. 


DIE  PHOTOGRAPHE. 


457 


Oeckel   eines  Kaftclieiis  in    Liniuiiliner  Email,   ausgeführt   vun  Hans   MaclU    in   Wien. 


Die  Photographie. 

eit  durch  Archer  und  Frig  (1851)  das  Collodion  -  Verfahren  zur 
■P^rzeugung  des  Negativs  eingeführt  wurde,  hat  fich  die  Photo- 
graphie in  flaunenerregend  rafcher  Weife  zur  Vollkommenheit 
emporgefchwungen,  fo  dafs  fie  heutzutage  bereits  als  felbftän- 
diger  Induftriezvveig  eine  wichtige  Rolle  fpielt.  Die  univerfelle 
Bedeutung  des  Lichtbildes  für  die  verfchiedenften  Zweige  des 
Wiffens  und  Könnens  wurde  auf  der  Weltausftellung  von  1873 
in  umfaffender  Weife  dargelegt,  und  ein  Blick  auf  das  reiche  Material  zeigte,  wie 
lebhaft  es  fich  regt  auf  allen  Gebieten  des  Schaffens  mit  der  „Camera,"  und  was 
die  Zukunft  noch  zu  hoffen  hat.  Die  mechanifche  Erzeugung  des  Lichtbildes 
verwehrt  es  zwar,  die  Photographie  eine  „vervielfältigende  Kunfl"  zu  nennen; 
nichtsdeftoweniger  aber  haben  mit  Verftändnifs  gearbeitete  Reproductionen  fowohl 
als  directe  Aufnahmen  heute  ein  fo  bedeutfame  Stellung  zur  Kunfl  genommen, 
dafs  ihr  Einflufs  nicht  zu  unterfchätzcn  ifl:  und  es  daher  gerechtfertigt  fein  mag, 
wenn  wir  hier  in  Kurzem  das  Hervorragendfte ,  was  im  Prater  zu  fchauen  war, 
der  Befprechung  unterziehen. 

Was  zunächfl  die  Technik  der  Photographie  betrifft,  fo  arbeitet  das  Gros 
der  Photographen  noch  durchwegs  mit  dem  fogenannten  Silberdruck;  in  aller 
Welt  wird  darin  Vortreffliches  geleiftet.  In  der  Zartheit  der  Licliteffecte  und  der 
Durchfichtigkeit  der  Töne  dürfte  diefes  Verfahren  auch  von  keinem  anderen  in 
der  Zukunft  übertroffen  werden.  Der  Kohlendruck  (d.  h.  das  Kohle-Copierver- 
fahren)  findet  feine  Anwendung  in  Deutfchland  und  theilweife  auch  in  Frankreich, 
befonders  für  künftlerifche  Reproductionen;  das  Beflc  leiftet  hierin  die  Firma 
Braun  in  Dornach.  Die  Emailphotographie  und  Photoxylographie  wird,  wenn 
auch  nicht  in  bedeutendem  Mafse,   fo  doch   von  einigen  Photographen   in  hoher 


458 


DIE  PHOTOGRAPHIE. 


Vollkommenheit  betrieben.  Die  Photolithographie  und  Photozinkographie  fowic 
die  Galvanographie  waren  in  gelungenen  Proben  vertreten.  Den  erften  Rang 
unter  den  verfchiedenen  Lichtdruck-Verfahren  nimmt  jedoch  entfchieden  gegen- 
wärtig die  fog.  Albcrtotypie  (Preffendruck  von  der  Glasplatte  mittelft  Drucker- 
fchwärze)  ein,  die  von  der  renommirten  Münchencr  Firma,  welche  fie  zuerft  in 
Anwendung  brachte,  in  glänzenden  Refultaten  ausgcftellt  war. 


4- 


♦  r 


^JUdim-: 


Sächfifcher  Siebenbürger  Bauernhof;  Griindrifs. 


Im  Grofsen  und  Ganzen  aber  zeigte  es  fich,  dafs  trotz  mancher  ausgezeich- 
neten Leiflung  im  Druck- Verfahren  die  Schwierigkeit  der  Ilerflellung  des  Drucks 
noch  deffen  Concurrenz  mit  der  Silbcrcopie  fernhält  und  dafs  dem  erfindenden  und 
grübelnden  Geiftc  noch  manches  Problem  zu  löfen  bleibt,  bis  das  Lichtbild  eben 
fo  ficher  und  vollkommen  aus  der  Preffe  laufen  wird,  wie  es  gegenwärtig  aus 
dem  Copierrahmcn  genommen  wird.  Das  Terrain,  welches  die  Photographic  in 
praktifcher  Hinficht  beherrfcht,  hier  weiter  zu  verfolgen,  verbietet  der  gemeffene 
Raum ;  im  kurzen  Streifzug  wollen  wir  nur  das  Hcrvorragendfle  der  verfchiede- 
nen Läntlcr  berühren  und  beginnen  unfere  Wanderung  mit  üeflerreich. 

Wie  fchon  bei  früheren  Ausftellungen,  fo  brillirten  auch  diesmal  die  Wiener 
Photographen  im  Portrailfache.  P'ein  abgewogene  Beleuchtungseffecte,  forgfälti- 
ges  künfllerifches  Arrangement  bei    der  höchflen  techliifchen  Vollendung   haben 


4G0 


DIE  PHOTOGRAPHIK. 


den  Wiener  Vifitenkarten-Portraits  einen  Weltruf  verfchafft,  und  es  dürfte  wenig 
Kunfthändler  des  Continents  geben,  die  nicht  in  ihren  Schauiäden  Bilder  von 
den  renommirten  Firmen  Ludw.  &  Vict.  Angerer,  Rabending,  Luckhardt, 
Szekely,  Gertinger,  Adele,  Löwy  etc.  befäfsen.  Die  Negativ-Retouche 
wird  hier  mit  viel  Bravour  und  gröfstcntheils  auch  mit  gutem  Verftändnifs  be- 
trieben. Damit  fei  jedoch  derfelben  für  die  Photographic  noch  kein  gutes  Wort 
gefprochen ;  Schmeichelei  und  Betrug  bleibt  die  Retouche  bei  einer  guten  Platte 
immer;  entfchieden  verwerflich  aber  find  Productionen,  wie  das  abfchreckende 
Beifpiel,  welches  in  der  additionellen  Ausftellung  als  „Fortfchritt"  zu  fehen 
war,  wo  ein  ältlicher  charaktervoller  Kopf  um  circa  30  Jahre  jünger  retouchirt 
erfchien. 

Von  Landfchaften  und  Architekturaufnahmen  find  vorzügliche  Blätter  von 
Dr.  Heid,  J.  Löwy  und  Frankenflein  in  Wien,  Baldi  in  Salzburg  und  Se- 
bafbianutti  in  Trieft  zu  erwähnen,  von  letzterem  fowie  von  Ludw.  Angerer 
und  Löwy  auch  gute  Arbeiten  in  Lichtdruck. 

Die  Reproduction  hat  in  Wien  ihre  vorzügliche  Vertretung  in  der  Firma 
Wawra.  Höchft  intereffant  waren  die  Polar-Aufnahmen  des  Grafen  Wilczek, 
die  Blätter  der  oftafiatifchen  Expedition  von  W.  Burger  und  die  Thieraufnahmen 
von  L.  Schodifch.  Wahre  Meifterftücke  in  der  Mikroskop-Photographie  brachte 
Haak  (Wien);  es  war  dergleichen  auf  der  gefammten  Ausftellung  nicht  wieder 
zu  finden;  ebenfo  muffen  die  Heliogravüren  des  k.  k.  militär-geographifchen 
Inftitutes  in  Wien  als  die  hervorragendften  Leiftungen  in  diefem  Fache  bezeich- 
net werden;  die  auf  galvanifchem  Wege  reproducirten  Platten  von  Karten  und 
anderen  Stichen  in  verfchiedenen  Gröfsen  liefsen,  was  Klarheit  und  Kraft  anbe- 
langt, nichts  zu  wünfchen  übrig. 

Von  den  ungarischen  Photographen  nahm  Prof.  Koller  (Biftritz  in  Sieben- 
bürgen) mit  feinen  Portraits  und  Genre-Scenen  die  erfte  Stelle  ein ;  auch  unter 
Rupprecht's  (Oedenburg)  „Kinderfpielen"  fand  fich  manches  reizvoll  compo- 
nirte  Bildchen. 

Ueberrafchendes  bot  auf  den  verfchiedenften  Gebieten  der  Photographie 
Rufsland.  C.  Bergamafco  ift  bekannt  als  Virtuos  im  Pnrtraitfache;  feine  Bil- 
der find  in  tiefem,  gefättigtem  Tone  gehalten  und  bei  aller  Kraft  zart  und  weich 
modellirt;  im  Arrangement  dürfte  es  ihm  kaum  ein  zweiter  gleichthun;  in  tech- 
nifcher  Vollendung  wären  feinen  Arbeiten  nur  die  Bilder  Mieczkowski's  an 
die  Seite  zu  ftellen,  welche  fich  auch  noch  dadurch  auszeichneten,  dafs  fie  faft 
ohne  Retouche  ausgeftellt  waren.  Reizende  Landfchaftsmotive  hatten  Fajans 
und  Dutkewicz  (Warfchau)  gebracht,  worin  befonders  die  Helldunkel-Partien 
im  Grün  von  feltener  Durchfichtigkeit  waren. 

In  Betreff  des  Wiedergebens  malerifcher  I-^ffecte  —  freilich  mit  allen  und 
oft  den  complicirteften  Mitteln  —  flehen  wohl  die  cnglifchen  Photographen 
obenan.  Die  ausgeftellten  Arbeiten  waren  in  der  That  photographifche  Copir- 
Studien,  bei  welchen  mehr  ilas  künftlerifche  Gefühl  des  Erzeugers  und  feine  Ge- 
duld als  das  eigentlich  Technifche  in  Betracht  kam.  Die  Landfchaften  Robin- 
fon's  und  Cherills,  meift  Strandbilder  mit  bewegter  See  und  ftürmifcher  Luft 
oder  Waldbilder  waren  von  überrafchender  Wirkung.     Bei    den    meiften   Bildern 


DIE  PHOTOGRAPHIE. 


461 


Sachfifches   Siel)Lnbürgi:r  Bauernhaus;  (^uerfchiiitt. 


war  die  Luft  wohl  mit  einer  anderen  Platte  gegeben  und  gewiffe  Partien  mit  aller  Sorg- 
falt im  Ton  angelaufen ,  fo  dafs  das  Bild  fchliefslich  nicht  mehr  als  reine  Aufnahme  zu 
betrachten  ifl,  —  doch  kümmert  die  Manipulation  des  Erzeugers  nicht  mehr  den  Be- 
fchauer ;  er  ergötzt  fich  an  der  Wahrheit  des  Gegenftandes  und  bewundert  die  Gefchicklich- 
keit  der  Darflellung.  Originell  in  ihrer  Art  waren  die  F'iguren-Bilder  von  Colonel  Stuart 
Wortley  (London)  und  der  Mrs.  Jul.  M.  Cameron  ^Infel  VVight),  in  welchen  Copien 
nach    alten    Bildern     (vorzugsweife    Italienern)    glücklich    nachgeahmt    erfchienen;     einige 


462 


DIE  PHOTOGRAPHIE. 


■+- 


Kufrifcher  liauernlmf;  (irundrifs. 


Modelle  ZU  den  gefliehten  Motiven  waren  übrigens  auch  von  claffifcher  Schönheit. 
Der  Ton  erfchien  matt,  die  Contouren  abficlUlich  Rumpf  und  die  Modellirung  unend- 
lich weich  gehalten.  Von  feffelnder  Wirkung  war  unter  anderen  Portraits  berühm- 
ter Männer  Darwin's  origineller  Kopf.     Befonderer  Erwähnung  verdienen  von  der 


DIE  PHOTOGRAPHIE. 


463 


cnglifchen  Ausflellung  auch  die  Thieraufnahmen  von  Frank  Haes  (London)  und 
die  Stereoskopen  der  Londoner  Phographic  Company.  England  hatte  auf  der 
VVeltausftcllung  in  impofanter  Weife  feine  Colonien  repräfentirt,  und  es  fpieltcn 
in  den  äufaerft  fyflematifch  angelegten  l'lxpofitionen  von  Queensland  und  Indien 
die  Photographien  eine  wichtige  Rolle.  Von  höchflem  Intereffe  waren  darunter 
die  Anflehten  aus  den  Hinduländern,  in  welchen  uns  vorzugsweife  die  Denkmäler- 
welt diefes  Wunderlandes  vor  Augen  geführt  wurde. 

Aus  der  P'erne  unfere  Blicke  wieder  zur  nächften  Heimath,  zu  Deutfchland 
wendend,  treffen  wir  die  Photographie  wie  kaum  in  einem  anderen  Staate  der 
Welt  im  Dienfte  der  Kund.  Die  Reproduction  von  Zeichnungen  und  Gemälden 
moderner  und  alter  Meifler  wird  nirgends  grofsartiger  und  vollkommener  betrie- 
ben als  von  den  bekannten  Münchener  Photographen  Albert,  Pruckmann, 
Hanfllängl  und  Obernetter,  welcher  Letztere  neben  Albert  im  Lichtdruck  die 
heften  Leiftungen  auf  der  Ausflellung  aufzuweifen  hatte,  f^s  ift  wohl  überflüffig, 
hier  auf  die  einzelnen  Publicationen  diefer  Firmen  einzugehen;  fie  haben  längft 
den  Weg  durch  alle  Welt  gemacht.  Mit  Kohlebildern  excellirte,  wie  fchon  oben 
angedeutet,  Braun  (Dornach).  Auffallend  fchwach  war  in  Bezug  auf  Repro- 
duction Berlin  vertreten,  dagegen  war  Brillantes  in  directen  Aufnahmen  von  Por- 
traits,  Genreftücken  etc.  vorhanden;  die  Arbeiten  der  Firmen  Löfcher  & 
Petfch,  Th.  Prüm,  Schaarwächter  und  Brafch  find  hier  befonders  hervor- 
zuheben; von  den  Uebrigen  feien  aus  der  Maffe  noch  R.  Eich  (Dresden),  Bie- 
ber,  Benque  &  Kindermann  (Hamburg)  undHanfftängl  (München)  erwähnt. 

Photographifche  Naturftudien  bilden  ein  neues,  noch  weiter  auszubeutendes 
Feld,  in  welchem  jedoch  hie  und  da  fchon  mit  beftem  Erfolge  gearbeitet  wird. 
Obenan  find  hier  Bernhard  Johannes'  (Partenkirchen)  „Studien  aus  dem  baierifchen 
"Hochgebirge"  und  Völkerling's  „Bäume"  zu  nennen.  Eine  hochintereffante 
Sammlung  reizvoller  Motive  brachten  auch  Eckart  und  Richard  (Heidelberg) 
aus  dem  Nekarthale  und  der  unvergleichlichen  Schlossruine  am  Eingange  deffelben. 
Grün  neben  Architektur,  malerifch  modellirt  und  klar  bis  in's  tieffte  Dunkel,  bil- 
dete einen  befonderen  Vorzug  von  F.  Suck's  (Berlin)  Arbeiten,  unter  welchen 
auch  reizende  Interieurs  zu  finden  waren.  Von  den  Leiftungen  in  Architektur- 
aufnahmen überhaupt  find  F.  Peter's  grofsc  Blätter  vom  Strafsburger  Münfter 
als  befonders  gelungen  zu  verzeichnen.  Den  Architekten  hat  die  Photographic 
fchon  manche  Reife  erfpart  und  mit  welcher  Rührigkeit  heutzutage  auch  für  die 
Kunftwiffenfchaft  in  diefer  Sphäre  gearbeitet  wird ,  davon  gaben  die  Wände  der 
Ausftellung  genugfam  Zeugnifs. 

Die  Parifer  Photographen  machten  vor  Jahren  mit  ihren  grofsen  Louvre- 
Anfichten  den  Anfang  damit,  für  die  Architekturfchulen  zu  arbeiten;  die  Deut- 
fchen  räumten  nicht  mit  zahlreichen  Denkmälern  ihrer  Gothik;  die  Denkmäler  der 
Renaiffance  wanderten  in  Lichtbildern  ebenfo  maffenhaft  über  die  Alpen,  wie  die 
Schätze  des  alten  Rom  und  Griechenlands;  die  Collodionplatten  drangen  am  Nil  bis 
zu  dem  alten  Meroe  hinauf  und  zogen  in  Hindoftan  die  verfteckten  Heiligthümer 
der  Brahmanen  an  das  Licht  der  civilifirten  Welt.  Bewunderungswürdig  ift  die  tech- 
nifche  Vollkommenheit,  mit  welcher  nahezu  allerorts  gearbeitet  wird.  Es  feien 
von  den  Deutfchen  ihrer  hervorragenden  Leiftungen  wegen   auf  diefem  Gebiete 


DIE  PHarOGRAPHIE. 


46S 


noch  Nöhring  (Lübeck),  Kopp  mann  (Hamburg), 
Rein  ecke  (Hannover)  und  E.  Kiewning  (Greifs- 
wald) erwähnt.  Die  Verfuche  über  die  Perfpective 
und  die  „Verzeichnungen"  der  Photographie  von 
H.  Vogel  find  als  höchft  intereffant  zu  nennen. 

Wie  in  manch  anderer  Beziehung,  zeichnete 
fich  auch  in  Betreff  der  Photographie  die  franzö- 
fifche  Ausftellung  durch  ein  forgfältiges  und 
zweckmäfsiges  Arrangement  aus ;  es  wurde  das 
Hauptgewicht  darauf  gelegt,  wirklich  Neues,  den 
Fortfehritt  Kennzeichnendes  vorzuführen.  Die 
Refultate  der  verfchiedenen  Druckverfahren  waren 
durchweg  brillant  zu  nennen  und  oft  vom  Silber- 
druck nicht  zu  unterfcheiden.  Das  non  plus  ultra 
an  Reinheit  und  Klarheit  bot  Roussellon  (Firma 
Goupil)  in  feinen  Kupferplatten;  auch  die  Kohle- 
bilder deffelben  wetteiferten  an  Plaftik  und  Durch- 
fichtigkeit  mit  den  beflen  Silberphotographien. 
Mit  ausgezeichneten  Proben  in  der  Photo-Zinkogra- 
phie waren  Lehman  &  Lourdel  vertreten; 
Fleury-Hermagis,  Baldus,  Amand-Durand, 
G.  Fortier  arbeiten  in  den  verfchiedenften  Ver- 
fahren mit  gleich  vorzüglichen  Erfolgen.  Im  Por- 
traite  gebührte  die  Palme  der  weltbekannten  Firma 
Reutlinger;  in  effectvoUer  Beleuchtung,  meid 
im  Ton  tief  geftimmt,  waren  die  Bilder  von  über- 
rafchender  Wirkung.  Es  genüge  noch  der  vor- 
züglichen Leiftungen  wegen  hier  die  Namen  Gey- 
met.  Alker,  Walery  (Paris),  A.  Lumiere  und 
A.  Bernoud  (Lyon)  zu  nennen.  In  Gemälde- 
Reproductionen  fteht  das  Haus  Goupil  obenan; 
auch  in  der  Eleganz  der  Ausftattung  der  Publicatio- 
nen  ifl:  es  unübertroffen;  tüchtige  Arbeiten  in  die- 
fem  Fache  waren  auch  von  Ferrier  &  Lecadre 
ausgeftellt.  Von  directen  landfchaftlichen  Auf- 
nahmen war  auffallend  wenig  zu  finden,  doch  dar- 
unter wahre  Perlen  von  Harri fon.  Dafs  die 
Stereoscopie  in  den  Namen  E.  Lamy,  J.  Lewy 
vorzüglich  vertreten  war,  bedarf  keiner  weiteren 
Erörterung.  Welche  Verwendung  die  Photographie 
in  allen  Zweigen  der  Kunft,  Induflrie  und  der  tech- 
nifchen  Fächer  in  Frankreich  findet,  zeigte  in  deut- 
lichfter  Weife  die  „PLxpofition  de  la  ville  de  Paris," 
in  welcher  das  gefaramte  Schaffen  der  Gegenwart 
gleichfam  in  Bildern  katalogifirt  erfchien. 


_!■  jkdi p 


Candelal>er  au>   \\  altcralltngen, 
nach  Entwurf  von  Prof.  Bäumer. 

59 


466 


DIE  PHOTOGRAPHIE. 


Italien  brachte  in  der  Photographie  nicht  viel  Neues  zur  Ausftellung; 
die  weltbekannten  Arbeiten  der  Firma  Naya  (Venedig)  fanden  ihrer  Lichteffecte 
und  der  herrlichen  Motive  halber  die  meiden  Bewunderer;  auch  Bertoja's  Auf- 
nahmen enthielten  manches  Blatt  von  gelungener  kiinftlerifcher  Stimmung;  im 
Uebrigen  fanden  wir  in  vorzüglichen  Bildern  das  alte  Rom  von  Cuccioni's 
Wittwe,  Architekturen  von  Roffetti  (Brescia),  darunter  aus  vielen  Stücken  zu- 
fammengefetzt,  mit  Retouchen  ergänzt,  im  Coloffalmafsflabe  die  reizvolle  Fagade 
der  Kirche  S.  Maria  dei  Miracoli  in  Brescia.  Das  Portrait  war  nur  von  den  Ve- 
netianern  vertreten  und  bot  nichts  Befonderes. 

Auffallend  fchwach  war  die  Schweiz  in  der  Photographie  beftellt;  aufser 
Cham  aux's  (Genf)  Landfchaften  war  in  diefem  für  das  Land  fo  dankbaren  Genre 
nichts  von  Bedeutung  vorhanden;  auch  von  den  Portraits  konnte  nichts  hervor- 
ragend genannt  werden. 

Anziehenderes  brachte  die  Expofition  der  Niederlande,  wo  Vorzügliches 
im  Lichtdruck  von  C.  J.  Affer  (Amflerdam),  Binger  &  Chits  (Harleni)  und  N. 
B.  Verve  er  (Haag)  zu  finden  war;  des  letzteren  Portraits  überralchten  durch 
freie  künfllerifche  Auffaffung  und  efifectvolle  Beleuchtung. 

Von  den  Belgiern  find  fehr  hüb fche  Lichtdrucke  und  gute  Kohlebilder  von 
Geruzet  freres  (Brüffel)  zu  verzeichnen;  J.  Fierlants'  vorzügliche  Reproductio- 
nen,  namentlich  der  Wiertz'fchen  Bilder  find  bekannt.  Neyt's  Mondphotogra- 
phien  können  fich  mit  den  bellen  englifchen  Arbeiten  diefer  Art  meffen.  Schwe- 
den, Norwegen  und  Dänemark  boten  aufser  guten  Portraits  nichts  Bemer- 
kenswerthes.  Von  Portugal  verdienen  die  reizvollen  Madeira-Aufnahmen  von 
Carlos  Revals  (Oporto)  unbedingtes  Lob.  Das  Obfervatorium  in  Liffabon  hatte 
gelungene  Sonnenaufnahmen  ausgeflellt.  Die  Denkmäler  Griechenlands  wur- 
den in  ausgezeichneten  Lichtbildern  von  P.  Moraitis  (Athen)  dem  Publicum 
vorgeführt,  Conflantinopel  hatte  in  den  Photographen  P.  Sebach  feinen  Re- 
präfentanten  und  Aegypten  in  J.  Schöfft  (Cairo).  Schöffts  Arbeiten  waren 
im  Palafl:  des  Khedive  ausgeflellt  und  beftanden  in  Charakterbildern,  die  vom 
Vicekönig  von  Egypten  eigens  beftellt  wurden,  um  „Land  und  Volk"  am  Nil 
zu  illuftriren. 

Die  Photographie  America' s  war  nur  in  Silberpapier-Bildern  vertreten;  es 
brillirten  im  Portrait  W.  Kurtz  und  W.  R.  Howell  (New-York)  und  James 
Landy  (Cincinnati) ;  ausgezeichnete  Landfchaftsaufnahmen  gröfsten  Formats  und 
befonders  für  Geologen  und  Geographen  von  hohem  Intereffe,  hatte  V,.  Wat- 
kins,  Muybridge  und  Th.  Houfeworth  (San  -  Francisco)  ausgeftellt.  Die 
Leiftungen  in  der  Stereoscop  -  Photographie  von  Ch.  Bierftadt  und  Anthony 
(New-York)  gehörten  zu  dem  Vollkommften ,  was  derart  auf  der  Ausftellung  zu 
fehen  war. 

Was  die  Pliotographie  für  die  WiiTenfchaft,  Kunft  und  Induftrie  in  der  ge- 
genwärtig erreichten  Technik  zu  leiften  vermag,  und  welche  wichtige  Rolle  ihr 
ajs  Bewahrerin  vorübergehender  Ereigniffe  zufällt,  zeigte  übrigens  am  fchlagendften 
die  Ausbeute,  welche  in  diefer  Beziehung  während  des  internationalen  Feftes 
felbft  gemacht  wurde.  Noch  bei  keiner  der  früheren  Ausftellungen  wurde  durch 
die  Photographie  der  Reichthum  des  Sehenswerthen  in    fo  umfaffender  und  kla- 


DIE  PHOTOGRAPHIE.  467 


rcr  Weife  der  Nachwelt  übermittelt,  als  es  durch  die  Photographen-AfTociation 
für  die  WcltausflclUing  1873  gefchchcn  ift.  Die  Herren  Frankenflein ,  Krä- 
mer, Klöfz  und  Löwy,  die  Unternehmer  des  fchwierigen  und  riskanten  Ge- 
fchäftes,  haben  in  ihren  brillanten  Refultaten,  die  fie  trotz  gar  vieler  unvorher- 
gefehener  Hinderniffe  erzielten,  gezeigt,  dafs  fie  die  Gröfse  und  Wichtigkeit  ihrer 
Aufgabe  wohl  erfafst  hatten,  und  zu  bedauern  ift  es  nur,  wenn  der  materielle 
I'>folg  hinter  den  gebrachten  Opfern  weit  zurückblieb.  Es  bedarf  hier  wohl  keiner 
weiteren  Anpreifung  der  ausgezeichneten  Arbeiten.  Wer  hätte  fich  nicht  als 
lüinnerung  an  den  gewifs  für  Jeden  denkwürdigen  Aufenthalt  im  Prater  einzelne 
Blätter  der  reichen  Collection  mitgenommen?  Wem  wären  fie  in  den  Schauläden 
der  Kunfthandlungen  fremd  geblieben  ?  —  Der  zum  Schluffe  der  Ausftellung  von 
der  Gefe|lfchaft  herausgegebene  Katalog  weift  über  2000  Nummern  aus,  und  es 
wurden  in  dem  verhältnifsmäfsig  kurzen  Zeitraum  über  14,000  Matrizen  aufgenom- 
men. Als  befonders  gelungen  find  darunter  die  bisher  noch  weniger  bekannten 
Stereoskopen  (von  Lamy  aufgenommen)  zu  bezeichnen.  Die  voUftändige  Samm- 
lung (die  von  der  Gefellfchaft  in  vcrfchiedenen  Formaten  herausgegeben  wurde) 
follte  als  culturhiftorifches  Werk  in  keiner  öffentlichen  Sammlung  fehlen;  denn  fo 
wahr  und  deutlich  fchildert  der  Nachwelt  kaum  das  gefchriebene  Wort  alle  Seiten 
diefes  denkwürdigen  Ereigniffes,  wie  das  Bild  der  Camera  es  vermag. 

7.  Langl. 


Vafe  aus  opakem  vveifsem  Glas,  von  Lobmeyr. 


49» 


468 


ARCHITEKTONISCHE  ZEICHNUNGEN  UND  MODELLE. 


>f^1'^-:^'roOJr.-^^<'J>f-:-Jrc^<'^-^^-:-'X'>Jfc<'*y-!fA 


Schmalfeite  eines  Kärtchens  in  Limoiifiner  Email,  ausgeführl  von  H.  Macht  in  Wien. 

(Vcrgl.  S.  457-) 


Architektonische  Zeichnungen  und  Modelle. 

Dafs  die  Baukunfl,  im  Gcgcnfatzc  zu  ihren  bevorzugten  Schwefterkünften, 
auf  Ausftellungcn  niemals  ihre  Werke,  wie  fie  find,  vorführen  kann,  fondern  nur 
Zeichnungen,  Abbildungen  oder  kleine  Modelle  derfelben,  die  unter  allen  Um- 
ftänden  nur  einen  abgefchwächten ,  oft  fogar  nur  fiar  den  routinirten  Fachmann 
verflandlichen  Eindruck  der  Eigenthümlichkciten  des  Baues  geben,  und  dafs  die 
Architekten  von  diefer  nachtheiligen  Stellung,  die  ihre  Mufe  auf  Ausflellungen 
einnimmt,  ein  fehr  klares  Bewufstfein  hegen:  dies  mag  wohl  zunächfi:  die  Urfachc 
der  aufserordentlich  fchwachen  Betheiligung  der  Architektur  an  der  Wiener  Welt- 
ausflcllung  fein.  Der  Architekt  weifs  wohl,  wie  wenig  feine  künftlerifchen  Dar- 
flellungen  auf  das  Publicum  wirken,  er  weifs,  welch  aufserordentliche,  fiir  prak- 
tifche  Zwecke  ganz  überflüffige  Sorgfalt  und  Ausführung  den  Zeichnungen  ge- 
widmet werden  muffen,  wenn  fie  überhaupt  Beachtung  finden  foUen;  fo  dafs  es 
wohl  als  ein  günftiges  Zeichen  für  die  bauliche  Thhtigkeit  der  Gegenwart  aufge- 
fafst  werden  mufs,  wenn  fich  nur  wenige  Künftlcr  herbeigelaffen  haben,  ihre  Zeit 
der  Herflellung  von  ausftellungsfähigen  Blättern  zu  widmen. 

Wenn  diefe  fchwache  Betheiligung  an  fich  das  Bedauern  des  Fachmannes 
hervorruft,  fo  hört  diefes  fofort  auf,  wenn  er  in's  Auge  fafst,  wie  das  wenige 
vorhandene  Material  in  einer  Weife  placirt  werden  mufste,  die  felbft  von  den 
befcheidenflen  Anfprüchen  kaum  erwartet  wurden. 

Im  Allgemeinen  fanden  die  Modelle  günftigere  Aufnahme  und  vielleicht 
auch  mehr  Verfländnifs  von  Seite  des  Publicums,  obfchon  uns  auch  da  unfere 
Erwartungen  im  Stiche  liefsen.  Was  foll  man  zu  folcher  Naivetät  fagen,  wenn 
gebildet  ausfehende  Leute,  die  wir  zu  beobachten  Gelegenheit  hatten,  vor  das 
Modell  der  Wiener  Univerfität  hintreten  und  daffelbe  für  das  Schlofs  in  Schön- 
brunn anfehen? 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dafs  diejenigen  Nationen,  denen  es  gegeben  ift,  ihre 
architektonifchen  Entwürfe  von  vornherein  in  flotter,  wirkungsvoller  Manier  vor- 
zutragen, die  Ausftellung  flärker  befchickten  als  die  andern.     Das  gilt  vornehm- 


ARCHITEKTONISCHE  ZEICHNUNGEN  UND  MODELLE. 


469 


lieh  von  den  Franzofen  und  in  neuerer  Zeit  in  eminenter  Weife  von  den 
Ruffen.  Die  deiitfclien  Schulen  vernachläffigen  die  äufserliche  Seite  der  künftleri- 
fchcn  Thätigkeit  noch  immer  etwas  zu  fehr  und  mancher  Entwurf  von  trefflichem 
Innern  Werth  liefs  in  der  That  diefcn  Mangel  bedauern.  Die  fchönllen  Ideen  lei- 
den unter  ungefüger,  manierirter  und  geiftlofer  Darfteilung. 


Conccrtpiaiüno,   von  R.  Ibach  &  Sohn   in  Barmen. 

Wie  erwähnt,  war  es  Frankreich,  fpeziell  Paris,  das  weitaus  das  meifte  an 
architektonifchen  Zeichnungen  geliefert  hatte.  Indeffen  find  es  nur  zum  geringften 
Theil  die  Künftler  felbft,  vielmehr  der  Staat  und  die  Stadt,  welche  auf  ihre  Koften 
und  mit  Subventionen  die  prächtigen  Werke  über  ihre  öffentlichen  Bauten,  ihre 
Aufnahmen  im  In-  und  Auslande  vorlegten.  Es  ift  in  diefem  Berichte  fchon 
mehrfach  auf  die  bedeutende  Unterftützung  von  Seite  des  Staates  hingewiefen 
worden,  welche  die  Kunft  gerade  in  Frankreich  erfährt,  und  unfere  Ausftellung 
hat  diefe  Thatfache  höchft  ehrenvoll   für  das   genannte  Reich,  höchft  betrübend 


47« 


ARCHITEKTONISCHE  ZEICHNUNGEN  UND  MODELLE. 


für  die  andern  illuftrirt.  —  Wohl  reichte  das  von  Paris  cingefandte  Material  weit 
zurück  und  wäre,  ftreng  genommen,  nicht  ausflellungsfähig  gewefen;  aber  das 
ändert  die  Thatfache  nicht,  fondern  hat  fie  nur  bekräftigt.  Frankreich  hat  da- 
durch wieder  gezeigt,  dafs  es  eben  in  dem  Einen  Punkte  höher  fleht,  als  alle 
andern  Staaten:  in  der  Anerkennung  der  Kunftthätigkeit  als  Factor  nationaler 
Wohlfahrt  und  Gröfse. 

Auch  die  franzöfifchc  Ausflcllung  war  unter  der  eigenthümlichen  Gruppen- 
eintheilung  in  zwei  getrennte  Partien  zerfallen,  von  denen  die  eine,  mit  den 
prächtigen,  von  Paris  her  und  aus  neuern  vorzüglichen  Publicationen  bekannten 
Aufnahmen  und  Reftaurationen  mittelalterlicher  Burgen  und  Kirchen  von  Viollet- 
le-Duc,  Queftel,  Dariuelle,  Lameire,  Laisne  u.  a.  in  den  Loggien  des 
Kunfthofes  untergebracht  war,  wo  auch  Labroufte's  Nationalbibliothek,  Vau- 
doyer's  im  Bau  begriffene  Kathedrale  von  Marfeille  und  die  ungemein  grofs- 
artig  gedachten  Reftaurationen  des  römifchen  Forums  von  Baudry  fich  fan- 
den, —  während  im  Seitenhofe  des  Hauptgebäudes  Paris  feine  flädtifchen  Gebäude 
in  Original/.eichnungen,  Photographien,  Stichen  und  Modellen  vorgelegt  hatte. 

Ilöchft  intereffant  waren  die  fechs  preisgekrönten  Entwürfe  für  das  Hotel 
de  Ville,  unter  denen  derjenige  von  Ballu  und  Deperthes  die  alte,  aus  dem 
16.  Jahrhundert  flammende,  trapezförmige  cour  d'honneur  durch  einen  rechtwinkli- 
gen Hof  erfetzt  und  den  erden  Preis  davon  getragen  hatten.  Ballu's  Name 
tritt  uns  auch  bei  den  drei  bedeutendflen  Kirchen  entgegen:  S.  Ambroife  und 
S.Jofcphe  in  romanifchem  Styl,  Ste.  Trinitc  aber  in  überaus  reicher,  an  diefer  Stelle 
viel  zu  opulenter  Rcnaiffance.  Die  Front  ift  eine  Ueberfetzung  der  gothifchen 
Fagade  von  Notredame. 

Von  Davioud,  einem  der  bedeutendflen  Rcpräfentanten  des  neufranzöfi- 
fchen  Stils,  waren  feine  Theater,  Chätelet  und  Lyricjue,  fowie  das  Orphcon  ausge- 
llellt;  dann  deffen  fchöner  Ikunnen  vor  dem  Theatre  frangais  in  lebenswahrer 
Ausführung,  derjenige  aus  dem  Luxemburggarten  im  Modell  und  endlich  der 
bekanntefle,  S.  Michel,  in  Zeichnungen  und  Photographien.  —  Detaillirte  photo- 
graphifche  Abbildungen  des  unglücklichen  Palais  de  Juftice  von  Duc  und  des 
prächtigen  zweigefchofsigen  Säulenhofes  im  Tribunal  de  commerce  von  Bailly 
find  neben  vielem  Andern  noch  zu  erwähnen. 

Unter  den  Belgiern  (5  Ausfteller)  brachte  Carpentier  in  Beloeil  drei  beach- 
tenswerthe  Kirchenprojecte.  Als  Backfteinbau  ausgeführt,  mit  fpärlichen  Glie- 
derungen, machen  fie  in  ihrer  fchlichtcn  Einfachheit  einen  aufserordentlich  ruhi- 
gen und  wohlthuenden  Eindruck.  Die  Brüffcler  Börfe  von  Suys,  von  der  ein 
anfpruchsvoUes  Modell  in  der  Rotunde  fland,  leidet  dagegen  nicht  nur  an  fchlechten 
Vcrhältniffen,  fchmucküberladenen  barocken  Einzelheiten,  fondern  auch  an  einem 
höchft  unfchöncn  Rhythmus  der  Maffen. 

England  (4  Ausfleller)  brachte  einige  auf  grofse  malcrifche  Wirkung  be- 
rechnete lintwürfe,  von  denen  derjenige  für  Eaton-Hall  von  VV^aterhoufc  in 
feiner,  an's  Venezianifche  anklingender  Gothik  fehr  bemerkenswerth  ift,  während 
eine  ebenfo  lebendige  Gruppirung  bei  dem  Entwürfe  für  den  Juflizpalaft  von 
Street  mit  dem  Innern  Wefen  eines  folchen  Baues  nicht  recht  harnioniren  will. 

In    der  Schweiz   fanden   wir   die   mit   Spannung   erwarteten  Rcflaurationen 


ARCHITEKTONISCHE  ZEICHNUNGEN  UND  MODELLE. 


471 


der  Fa(;ade  zur  Peterskirche  nach  den  Skizzen  liramante's,  Peruzzi-s  und  San 
Gallo's  von  Geymüller.  Waren  diefe  intereffanten  Blätter  ausnahmsweifc 
im  Licht,  fo  waren  fie  doch  viel  zu  hoch  aufgehängt,  fo  dafs  nicht  einmal  das 
Opernglas  fie  erreichte. 

Die  Italiener  hatten  viele  Nummern  im  Katatoge,  die  aber  nirgends  zu  finden 
waren,  und  das  Vorhandene  fuchte  man  dort  vergeblich.  Es  war  fehr  viel 
Dilettantenhaftes  darunter.  Vor  Allem  ein  abfcheulicher  Entwurf  für  ein  Thea- 
ter, der  nur  darum  auffiel,  weil  er  unter  allen  Architekturzeichnungen  weitaus 
den  fchönften  Platz  erhielt.  Die  Italiener  von  heute  zeigen  in  der  Architektur, 
wie  in  deren  Schwefterkiinften,  kaum  einen  blaffen  Schatten  ihrer  bedeutenden 
Vergangenheit;  es  fcheint  ihnen  aller  Sinn  für  das  Grofse  und  Monumentale  ab- 
handen gekommen  zu  fein.  Wenn  irgendwo,  fo  tritt  der  Mangel  einer  guten, 
mit  Ernft  auf  die  Antike  gegründeten  Schule  befonders  auffallend  dort  hervor, 
weil  man  ihn  dort  am  wenigflen  erwarten  würde.  In  den  beiden  fchönen  Mo- 
dellen, der  Gallerie  Vittore  Emmanuele  in  Mailand,  mehr  noch  in  der  Sparbank 
von  Bologna  von  Mengoni  zeigt  fich  das  recht  auffallend.  Einfacher,  aber  edler 
ifl;  Cipolla's  Nationalbank  dafelbft,  ausnahmsweife  grofsartig  der  Entwurf  für 
einen  Nationalplatz  vor  S.  M.  degli  Angeli  in  Rom,  von  Montiroli,  und  der 
Campofanto  von  Genua  von  Refasco,  mit  ernft  gehaltener  Architektur  in  den 
tcraffen förmig  anfteigenden  Hallen,  die  in  dem  Kuppelbau  über  hohen  Treppen- 
anlagen ihren  Abfchlufs  finden.  Die  Verwendung  von  Sgraffito  an  den  Fagaden 
florentinifcher  Paläfte,  wie  fie  ein  Carton  von  Frl.  A.  Fries,  einer  für  diefes 
Genre  dort  ftark  in  Anfpruch  genommenen  Künftlerin  zeigt,  dürfte  auch  in  un- 
fern nordifchen  Städten  fich  mehr  einbürgern;  allerdings  müfsten  dabei  etwas 
ftrengere  Compofitionen  zu  Grunde  gelegt  werden. 

Nicht  blos  quantitativ  (285  Blätter),  fondern  auch  qualitativ  vorzüglich  reprä- 
präfentirt  war  Rufsland.  Sein  eigenthümlicher  Stil  fprach  fich  zunächfl;  in 
mehreren  vielkuppeligen  Kirchenprojecten  aus,  unter  denen  ein  Entwurf  für 
Tiflis  von  Schröter  und  Huhn  durch  Compofition  und  Darfteilung  hervorra- 
gend ift;  nicht  minder  in  der  Erlöferkirche  von  Thon.  Unter  den  Profanbauten 
war  die  fchönfte  Renaiffance  durch  Alex.  Krakau  in  Petersburg  vertreten,  von 
dem  ein  Bahnhof  und  ein  Palais  vorlagen;  auch  Stakenfchneider  fcheint  in 
der  Behandlung  claffifcher  Renaiffanceformen  fehr  bewandert;  dagegen  lehnt  fich 
Refanoff  in  feinem  Palais  des  Grofsfürften  Wladimir  an  den  franzöfifchen  Ro- 
cocoftil  an.  Von  Bohnftedt's  Entwürfen  find  diejenigen  für  die  Villen  weitaus 
die  heften,  befonders  Villa  Troftenetz,  während  das  Stadttheater  und  die  Kirche, 
mehr  aber  all  feine  Interieurs  ganz  den  unentfchiedenen,  weichlichen  Charakter 
feines  neuen  grofsen  Werkes  zeigen.  Das  Sehenswürdigfte  hier  waren  aber  die 
farbigen  Reifefkizzen  Koffow's  und  Mesmacher's,  die  in  ihrer  Technik  un- 
erreicht fein  dürften.  Beide  Architekten  vereint  lieferten  eine  pompöfe  Reftaura- 
tion  des  antiken  Theaters  zu  Taormina  in  ftreng-römifchem  Stil. 

Relativ  numerifch  am  fchwächften  vertreten  war  wohl  das  deutfche  Reich. 
(34  Blätter  von  18  Ausftellern).  In  feinem  Saale  waren  nebft  einigen  kleinern 
drei  grofse  Modelle  leider  fo  aufgeftellt,  dafs  fie  die  Rückfeite  dem  Lichte  zu- 
wendeten.     Das    erfte    ift    Stüler's    Nationalgalerie,    ausgeführt    von    Strack 


472 


ARCHITEKTONISCHE  ZEICHNUNGEN  UND  MODELLE. 


und  Erbkam.  Dafs  ein  folchcr,  in  ftreng  claffifchcn  Verhältniffen  und  feiner 
Dftaillirung  ausgeführter  Bau  feine  Wirkung  nicht  verfehlen  wird,  ift  unzweifel- 
haft; bei  alledem  bedauern  wir  doch  die  nicht  wegzuleugnende  ftörende  Wirkung 


Kleiner  Wandfchrank,  entworfen  von  M.  Kiebacher  in  Hamburg. 


der  breit  vorgelegten  fchwerfälligen  Freitreppe,  den  überaus  hohen  Unterbau  mit 
den  grofsen  Fenftern,  die  halbrunde  Apfide  und  endlich  die  ganze  Anlage  als 
Pfeudoperipteros,  was  alles  mit  dem  flachen  griechifchen  Giebel  nicht  recht  har- 
moniren  will. 

Eine  fehr  glückhche  Compofition  ift  dagegen  die  königliche  Hauptbank  von 
Hitzig,  deren  feine  Gefimfe  und  Profile  mit  der  farbigen  Terracottaverkleidung 
wohl  zufammenftimmen. 

Auch  das  dritte  Modell,  das  Theater  in  Frankfurt  von  Lucae,  ift  harmo- 
nifch  in  feiner  Erfcheinung,  wenn  auch  nicht  ganz  frei  von  ftörenden  Unklarheiten 
in  der  am  Aeufseren  zum  Ausdrucke  kommenden  Grundrifsentwicklung. 

Auf  gleich  hohem  Niveau  flehen  die  Entwürfe  Prof.  Giefe's  in  Dresden 
zum  Düffeldorfer  Theater,  deffen  Grundrifs  den  neueren  SemperTchen  verwandt 
ift,  und  Dehn 's  Gemäldegallerie  in  Caffel. 

Auch  die  Chemnitzer  Börfe  von  Lipfius  ift  ein  treffliches,  an  ächte  deut- 
fche  Renaiffance  erinnerndes  Werk.  Kafka  und  Schul ze's  zahlreiche  Pro- 
jecte  zeigen  ebenfalls  immer  die  ftilvoUen  Formen,  in  der  fich  eine  ftreng  ge- 
zügelte  und  in   der  Antike  gefchulte  Phantafie  ergehen  mag.     Das  entfchiedene 


ARCHITEKTONISCHE  ZEICHNUNGEN  UND  MODELLE. 


473 


Spanifche  Wand,  von  Roudillon  in   Paris. 

Gegentheil  ifl;  bei  Ebe  und  Benda  in  BerHn  der  Fall.  Nicht  die  Mofaiken  auf 
Goldgrund  an  den  Fagaden,  fondern  deren  überladene  Decorationsarchitektur,  vor 
Allem  aber  die  Ausftattung  der  in  den  Querfchnitten  fichtbaren  Interieurs  muffen 
zu  diefem  Urtheile  drängen. 

Von  Hauberriffer's  prunkvollen  Renaiffanceprojecten  ifl  ein  Belvedere 
bemerkenswert!!.  In  den  gröfseren  Entwürfen,  die  in  einer  kräftigen,  aber  aus- 
drucke- und  gefühllofen  Manier  ausgeführt  find,  findet  fich  manch  fremdartiges 
Element;  aber  immerhin  ift  es  dankenswerth ,  dafs  ein  urfprünglicher  Gothiker, 
der  fich  dazu  in  diefem  Stile  folcher  Erfolge  rühmen  kann,  wie  Hauberriffer,  fich 
nicht  darauf  caprizirt,  auch  Unterrichtsanftalten  im  mittelalterlichen  Stile  auszu- 
führen. 

Budapeft  zeigte  einestheils  die  Abhängigkeit  von  der  Wiener,  fpeziell 
Hanfen'fchen  Schule  in  den  Zinshäufern  von  Kolbenheier,  Hausmann  U.A., 
andererfeits  und  zwar  vorwiegend  eine  übertriebene  Sucht  nach  Originalität,  die 
in  maafslofen  Extravaganzen  zu  Tage  tritt.  Es  dürfte  nicht  leicht  trotz  oder 
gerade  wegen  all  der  aufgewendeten  Mittel  eine  abgefchmacktere  Fagade  geben, 


60 


474 


ARCHITEKTONISCHE  ZEICHNUNGEN  UND  MODELLE. 


als  diejenige  von  Linzbauer  für  das  Haus  des  Hrn.  Ph.  Haas.  Eine  Aufein- 
anderflellung  von  immer  fläri<er  werdenden  Säulen,  von  immer  plumperen  Ver- 
krüpfungen  und  Attiken,  an  deren  Ausführbarkeit  man  geradezu  zweifeln  möchte, 
wenn  man  nicht  wüfste,  dafs  derjenige,  der  folches  componirt,  auch  kein  Mittel 
zu  deffen  Herftejking  fcheut.  Etwas  ruhiger,  aber  an  fehr  fchlechten  Verhält- 
niffen  leidend,  ift  die  Fagade  defl'elben  Architekten  für  das  Palais  Andraffy.  An 
der  Erweiterung  der  Hofburg  war  nichts  zu  verderben ;  nur  gerade  das  Eine,  was 
der  Architekt  aus  Eigenem  beifügte,  die  doppelte  Säulenftellung  zwifchen  beiden 
Gebäuden  ifl  an  diefem  l'latze  entfchieden  ganz  unmotivirt  und  wirkungslos. 


Grundrifs  des  Palais  Helfert  in  Wien,  von  Tifchler;  erfter  Stock. 


Einen  günfligeren  Eindruck  von  der  Pefter  Architektur  geben  die  Modelle 
der  Radialftrafse.  Wenn  auch  die  erflen  Gebäude  derfelben,  von  Ybl,  mit 
fchweren  Profilirungen,  weit  ausladenden  Geftmfen  und  Verkröpfungen,  mit  An- 
klängen an  die  fpäten  Renaiffangepaläfte  Venedigs  noch  genug  maafslofes  Ueber- 
treiben  zeigen,  fo  kann  man  diefs  vielleicht  auf  Rechnung  des  Modells  fetzen. 
P"einer  und  eleganter,  und  nicht  fo  verfchwenderifch,  aber  inuiierhin  noch  voll 
Conceffionen  an  die  Originalitätsfucht  auf  Koften  des  guten  Gefchmacks  find  die 
Gebäude  Skalnitzky's;  relativ  weitaus  das  Edelfte  und  Reinfte  die  Projecte 
Steindl's,  fowohl  das  Stadthaus  mit  feiner  mehrfarbigen  Backrteinarchitektur 
und  clen  farbig  glafirten  Friefen,  als  auch  feine  Villen,  in  denen  reizende  Motive 
fich  finden. 

Von  Ybl  ift  aufser  der  gothifchen  Kirche  noch  das  Zollamtsgebäude  ein 
ganz  bedeutender  und  fchöner  Bau. 


ARCHITEKTONISCHE  ZEICHNUNGEN  UND  MODELLE. 


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Die  Ausftelkmg  Wiens,  —  denn  aus  den  Provinzftädten  Cislcithaniens  war 
nur  Prag  mit  zwei  Entwürfen  vertreten,  -  mufste  ein  ungewöhnliches  Intereffe 
erregen,  da  hier  die  Projecte  und  Modelle  von  fo  bedeutenden  Monumental- 
bauten vorlagen,  wie  fie  in  folcher  Weife  in  gleichzeitiger  Ausführung  nur 
äufserfl  feiten  in  der  Gefchichte  vorkommen. 

Unter  den  Kirchenbauten  fiel  uns  zunächft  von  Schmidt  die  Choranficht 
von  St.  Stephan  mit  den  zu  gleicher  Höhe  ausgebauten  zwei  Thürmen  in's  Auge. 
Das  zweite  Project,  die  Fünfhaufer  Kirche,  ift  eines  der  intereffanteflen  Bei- 
fpiele  des  Compromiffes  zwifchen  der  Gothik  und  der  römifchen  Antike,    indem 


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Grundrifs  des  I'.ilais  Helfert  in  Wien;  zweiter  Stock. 


diefe  ihre  Formen  zur  Bildung  einer  bedeutenden  Kuppel  hergibt.  Das  Aeufsere 
ifl  ungemein  lebendig  in  Rohbau  durchgeführt;  das  Innere  mit  möglichfl;  wenig 
architektonifchen  GlieJern  durchweg  auf  Malerei  berechnet.  —  Für  die  Votiv- 
kirche  waren  zwei  Farbenfkizzen  von  Jobft  ausgeftellt. 

Vom  Aeufsern  des  künftigen  Wiener  Rathhaufes  von  Schmidt  gab  ein  Modell 
eine  Vorftellung.  In  kräftiger,  durch  italienifche  Horizontalgliederungen  durch- 
brochener und  umrahmter  Gothik  ifl  es  aufgebaut;  an  der  F'agade  finden  fich 
offene  Bogengänge  zu  jeder  Seite  des  Thurmes.  Neben  dem  Modell  hingen  die 
Grundriffe,  von  muflergültigcr  Regelmäfsigkcit,  in  denen  ausgedehnte  Treppen- 
anlagen zu  den  zahlreichen  Repräfentationsräumen   in's  Auge   fallen. 

Ferftel's  Univerfitätsbau  war  ebenfalls  durch  ein  Modell  veranfchaulicht. 
Das  reich  gruppirte  Aeufsere  enthält  Partieen,  in  denen  die  edelften  Formen  des 
Cinquecento  zum  Ausdruck  kommen ;  der  Schwerpunkt  der  ganzen  Anlage  liegt 


60' 


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ARCHITEKTONISCHE  ZEICHNUNGEN  UND  MODELUi. 


aber  in  dem  prächtigen  Arcadenhof  von  den  ganz  bedeutenden  Dimcnfionen 
von  212'  auf  148'.  Die  noch  künflhch  gefteigerten  Niveaudififerenzen  find  in 
glücklicher  Weife  durch  malerifch  wirkfame  Treppenanlagen  vermittelt  und  auch 
die  zu  den  Fcfiräälen  fuhrenden  I  lauptftiegen  werden  von  grofsartiger  Wirkung 
fein.  —  Von  dem  zur  Univerfität  gehörenden,  bereits  vollendeten  Laboratorium, 
einem  der  gelungenflen  Bauten  unferer  Zeit,  deffen  Aeufseres   ganz   mit  gelben 


Fagade  des  l'alais  Helfert  in  Wien. 


und   rothen  Terracotten  verkleidet  ifl,    lagen    nur    die   Grundriffe    vor    und   ein 
Schnitt,  der  den  reizenden  untern  Sgraffitohof  zeigte. 

All  jene  Interieurs  werden  aber  überboten  von  dem  Veftibule  und  Treppen- 
haufe der  k.  k.  Mufeen  von  Ilafenaucr  und  Semper,  in  deren  Dimcnfionen 
und  Aufbau  die  ganze,  auf  grandiofe  malcrifche  Wirkung  berechnete  Pracht  der 
letzten  Epochen  der  Ilochrenaiffance  entfaltet  ift.  Ein  Modell  des  Aeufscrn  zeigte 
uns  einen  aufserordentlich  prunkvollen,  aber  in  den  Verhältniffen  nicht  ganz  be- 
friedigenden Aufbau  in  den  Formen  der  genannten  Stilrichtung.  Das  Ganze  tritt 
übrigens  fo  fehr  aus  dem  Rahmen  des  Dagewefencn,  um  uns  ein  entfcheidcndes 
Urtheil  bis  nach  der  Vollendung  nicht  zu   geflattcn.     Eine  Vogelpcrfpective  der 


ARCHITEKTONISCHE  ZEICHNUNGEN  UND  MODELLE. 


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ganzen  Anlage,  der  Mufeen  mit  der  projectirten  Erweiterung  der  Burg  läfst  die 
Schönheiten  derfelben  nicht  zur  rechten  Geltung  kommen. 

Von  den  Monumentalbauten,  welche  Hänfen  eben  jetzt  zur  Ausführung 
übertragen  fmd,  war  leider  kein  Modell  vorhanden.  Von  der  claffifchen  Schönheit 
des  künftigen  Wiener  Parlamentsgebäudes,  deffen  Bau  nun  eingeleitet  ift,  und  von 
deffen  vorzüglicher  Lage  gab  uns  eine  Perfpective  einen  Begriff,  der  um  fo  rich- 
tiger ift,  als  jener  wirklich  ein  möglicher  Augenpunkt  in  der  Mitte  der  Ring- 
ftrafse  zu  Grunde  liegt.  —  Die  beiden  Sitzungsfäle  find  durch  einen  in  ihrer 
Mitte  liegenden  giebelbckrönten  Mittelbau,  der  die  gemeinfamen  Räume  enthält, 
zu  einem  einfeitlichcn  Ganzen  verbunden.  -  Die  Börfe  zeigt  im  Aeufsern  einen 
zweigefchoffigen  Säulcnporticus  am  Mittelrifalit;  an  den  Seiten  dagegen,  wo  die 
Bureaux  liegen,  eine  kleiner  gehaltene,  an's  Venetianifche  fich  anlehnende  Fenfter- 
architcktur.  Der  wichtigfle  und  zugleich  grofsartigfte  Theil  ifl  aber  der  grofse 
Börfenfaal,  der  kaum  feinesgleichen  in  der  Profanarchitektur  findet ;  in  zwei  Ord- 
nungen mit  Dreiviertelfäulen  zwifchen  Bogenftellungen  übereinandergebaut,  mit 
den  Axenweiten  des  Palazzo  Farnefe,  erreicht  er  eine  Länge  von  185'  und  eine 
lichte  Weite  von  86'  bei  72'  Höhe.  —  Der  dritte  in  der  Ausführung  begriffene 
Bau  Hanfen's,  von  dem  die  Entwürfe  vorlagen,  ifl;  die  Akademie  der  bildenden 
Künfte;  im  Aeufsern  von  fchöner  Einfachheit,  in  zwei  Gefchoffen  mit  Pilafter- 
architektur,  zwifchen  denen  abwechfelnd  Bogenfenfter  und  Nifchen  mit  Statuen 
fich  befinden.  Auch  hier  foUen  Terracotten  für  die  Details  und  die  Verklei- 
dung verwendet  werden. 

Von  den  im  Laufe  des  letzten  Jahres  vollendeten  grofsen  Hotels  waren  die 
äufsern  Anfichten  der  drei  bedeutendflen ,  H.  Metropole  von  Ti  fehler,  H. 
Britannia  und  II.  Donau  von  Claus  und  Grofs  ausgeflellt.  Durch  pompöfe 
Säulenaufbauten  vor  den  Fagaden  ifl  ihnen  der  fonfl  nicht  zu  vermeidende  Zins- 
hauscharakter genommen.  Die  letztgenannten  Architekten  führten  auch  Schnitte 
und  Anfichten  ihrer  römifchen  Bäder  vor,  deren  vorzügliche  Einrichtung  und 
überaus  reiche  Ausflattung  durch  die  fchwere  Architektur  leider  etwas  beein- 
trächtigt wird. 

Unter  den  neuen  Bahnhof  bauten  ragt  befonders  derjenige  der  Südbahn 
von  Flattich  und  Wilhelm  hervor,  mit  feinem  fchönen  Veflibule  und  Stiegen- 
aufgang, und  auch  das  Aeufsere  macht,  trotz  feiner  etwas  wuchtigen  Details, 
wegen  der  einheitlichen  und  klaren  Gefammtdurchbildung  eine  gute  Wirkung; 
wogegen  beim  Nordweflbahnhof  von  Bäum  er  die  Ucbcrfeincrung  der  Architek- 
turformen den  Mangel  an  Einheit  und  bedeutendem  Aufbau  nur  noch  mehr  her- 
vortreten läfst. 

Unter  den  Projecten  für  öffentliche  Bauten  find  noch  die  in  vorzüglicher 
technifcher  Vollkommenheit  ausgeführten  Farbenfkizzen  Hlawka's  für  das  Innere 
des  bifchöflichen  Rcfidenzgebäudes  in  Czernowitz  zu  nennen,  fowie  das  preisge- 
krönte Project  für  den  Wiener  Centralfriedhof  und  ein  Entwurf  von  claffifcher 
Grundrifsanlage  für  den  Curfalon  in  Ifchl  von  Wielemans. 

In  weit  geringerem  Maafse  waren  die  Darftellungen  für  Privatgebäude  ver- 
treten. Unter  den  Palaftbauten  heben  wir  ein  fchönes  Project  mit  dem  Cinque- 
cento entnommenen  Motiven  von  König   und  das  bereits   vollendete  Palais  Si- 


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ARCHITEKTONISCHE  ZEICHNUNGEN  UND  MODELLE. 


mon  von  Wurm  hervor,  voll  feiner  Grazie  in  den  Formen  und  ruhiger  Harmonie 
in  den  Vcrhältniffen. 

Aus  der  Reihe  der  von  den  Baugefellfchaften  ausgeführten  Zinspaläften 
führte  der  Architekt  der  Wiener  Baugefellfchaft,  Ti  fehl  er,  zwei  Fagaden  vom 
Parkring  vor,  die  zu  dem  Berten  gehören,  was  in  diefer  ftark  frequentirten  Richtung 
gefchaffen  wurde.  — 

In  einem  Seitentracte  des  Ausftellungsgebäudes  war  Gelegenheit  geboten, 
über  die  Thätigkeit  der  beiden  bedeutendften  Wiener  Baugefellfchaften  einen 
umfaffenden  Ueberblick  zu  gewinnen.  Es  fanden  fich  dort  unter  den  elegant 
ausgcftattcten  Sammlungen  ausgeführter  Entwürfe  zahlreiche  oft  fehr  glückliche 
Löfungen  der  fchwierigen  Aufgaben,  die  in  den  eigenthümlichen  vielfeitigen 
Anfprüchen  an  diefe  Zinspaläfte  begründet  find.  Mit  einer  der  oben  erwähnten 
Fagadcn  von  Ti  fehler  legen  wir  die  dazugehörigen  Grundriffe  vor,  die  zwei 
unmittelbar  übereinanderliegenden  Stockwerken  angehören  und  dennoch  weit 
auseinandergehenden  Programmen  entfprechen. 

Zum  Schlufs  haben  wir  noch  eine  Seite  der  Wirkfamkeit  der  Wiener  Archi- 
tekten zu  erwähnen,  die  auf  die  Aufnahme,  Vervielfältigung  und  Veröffentlichung 
von  hervorragenden  Bauwerken  der  früheren  und  der  gegenwärtigen  Zeit  gerichtet 
ift,  worin  fich  befonders  die  angehenden  Architekten  des  Polytechnicums  und  der 
Akademie  unter  Leitung  ihrer  Profefforcn  bethätigen.  Diefe  unter  dem  Namen  der 
»Wiener  Bauhütte«  herausgegebenen  Autographien  fanden  im  Kunrthofe  ihren 
Platz.  Es  ift  hier  nicht  der  Ort,  alles  das,  was  die  Bauhütte  feit  ihrem  Entftehen 
veröffentlichte  hier  anzuführen;  es  mag  genügen,  darauf  hinzuweifen,  dafs  die 
bedeutendften  Monumente  Italiens,  vieles  aus  der  Gothik  und  Renaiffance  Oeftcr- 
reichs  und  endlich  fammtliche  hervorragenden  Neubauten  Wiens  in  genügend 
grofsem  Maafsftabe  mit  Details  und  Decorationsftücken  darin  aufgenommen  find. 
Die  Förderung  diefer  Publicationen  ift  namentlich  das  Verdienft  Fr.  Schmi  d  t's. 
Unter  den  ausgeftellten  Blättern  fiel  vor  Allem  der  Entwurf  Hanfe  n's  für  die 
k.  k.  Mufeen  mit  der  grofsartigen  Verbindung  beider  Theile,  wodurch  die  Stal- 
lungen verdeckt  werden  foUten,  in  die  Augen.  Dann  die  beiden  Paläfte  F"erfters 
am  Schwarzenbergplatz  und  unter  den  gothifchcn  Aufnahmen  diejenigen  von 
Heiligenkreuz. 

Hans  Alier. 


Emaillirte  Taffe  von  Baranzewitfch  in  Moskau. 


ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERRICHT. 


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Seitenwaiul  eines  Källcliciis,  in  Limoulincr  Email  ausgefülirl  von  Hans   Macht  in  Wien. 


Zeichen-  und  Kunstunterricht. 

Welche  Vortheile  der  Induftrie  durch  eine  geregelte  Pflege  des  Kunftunter- 
richtes  erwachfen ,  hat  in  den  letzten  zwei  Decennien  wohl  am  fchlagendflen 
England  bewiefen.  Uie  Thätigkeit  des  «Uepartement  of  Sciene  and  Art»  hatte 
fchon  bei  den  früheren  Weltausftellungen  in  diefer  Hinficht  Erfolge  aufzuweifen, 
die  felbft  der  auf  diefem  Gebiete  leitenden  Grofsmacht  Frankreich  Respect  ein- 
flöfsten.  Uie  Mittel,  deren  fich  England  zur  Förderung  der  induflriellen  Kunfl 
bediente,  liefen  in  drei  Hauptpunkten  zufammen:  i)  in  der  Gründung  öffentli- 
cher Mufeen  für  Kunflinduflrie  «als  der  wahren  Lehrer  eines  freien  Volkes,» 
wie  Gottfr.  Semper  in  feinen  «Vorfchlägen»  fie  damals  bezeichnete;  2)  in  der 
Erziehung  tüchtiger  Lehrer  für  Kunftfchulen  und  der  Errichtung  folcher  Anftalten, 
in  denen  diefelben  ihre  Verwendung  finden  können  und  3)  in  der  Errichtung  von 
Elementar-Zeichenfchulen,  durch  welche  die  Elemente  der  Kunfl;  zu  einem  Be- 
flandtheil  der  nationalen  l^rziehung  gemacht  werden.  Als  Centralflelle  wurde 
die  nationale  Kunftfchule  in  South-Kenfington  mit  einem  Seminar  zur  Heranbil- 
dung von  Lehrern  gegründet  und  zugleich  Mufeen  und  Sammlungen  angelegt, 
durch  welche  fämmtliche  Schulen  in  den  Provinzen  beeinflufst  und  einheitlich 
dem  beflimmten  Ziele  zugeführt  wurden. 

Bis  heute  ift  die  Zahl  der  «Schools  of  Art»  in  den  verfchiedenen  Provinzen 
Englands  auf  über  Hundert  angewachfen,  und  durch  fie  wurde  in  erfter  Linie 
jene  Umwandlung  vollzogen,  deren  Grundideen  dann  auch  bei  anderen  Nationen 
Aufnahme  fanden.  Zunächft  war  es  Oefterreich,  welches  nach  ähnlichen  Grund- 
fätzen  einerfeits  das  Volk  zur  Kunft  herzuziehen  und  andererfeits  direct  auf  die 
Thätigkeit  der  Kunflindufirie  einzuwirken  fuchte.  Das  im  Jahre  1864  in  den  befchei- 
denen  Räumen  am  Ballplatze  eröffnete  Wiener  «Mufeum  für  Kunfl  und  Induftrie» 
hat  bis  zum  heutigen  Tage,  wo  das  neue  flattliche  Haus  am  Stubenring  den 
reichen  Sammlungen  und  der  Kunflfchule  abermals  zu  enge  wird,  in  umfaffender 
Weife  feinen  Einflufs  auf  den  Gefchmack  geltend  gemacht  und  nahm  nicht  ge- 
ringen Antheil  an  der  hervorragenden  Stelliing  der  öflierreichifchen  Induflrie  auf 
der  Weltausftellung.     Die  Kunftfchulen  Frankreichs,   die  es  bisher  mit  den  Prin- 


480 


ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERRICHT. 


cipien  nicht  allzu  genau  nahmen  und  im  Grofsen  und  Ganzen  noch  der  Willkür 
des  vergangenen  Jahrhunderts  huldigten ,  lenkten  in  deutlich  erkennbarer  Weife 
währepd  der  letzten  Jahre  in  die  von  der  Wiffenfchaft  vorgezeichneten  Hahnen 
ein,  und  felbfl  in  Rufsland,  das  bis  dahin  in  diefen  Dingen  faft  ausfchliefslich 
von  Frankreich  abhing,  erwachte  ein  ernflerer  Geift  und  wurde  das  kunfhndu- 
(Irielle  Schaffen  zu  den  Quellen  der  nationalen  Kunfl  zurückgeführt.  Nur  Deutfch- 
land  zögerte,  fich  der  modernen  Strömung  anzufchliefsen;  feine  alten  Kunft- 
fchulen  verfolgten  meiftens  den  breitgetretenen  Weg  hergebrachter  Traditionen. 
Erft  in  allerjüngfter  Zeit  ift  auch  hier  das  Bewufstfein  durchgedrungen,  dafs  eine 
Reform  nöthig  ift. 

Die  Weltausflellung  von  1873  illuftrirte  die  Beflrebungen  der  Gegenwart 
auf  dem  Gebiete  des  Kunftunterrichtes  in  umfaffender  Weife. 

Was  zunächft  den  Zeichenunterricht  in  Oefterreich  anbelangt,  fo  datirt 
eine  eigentliche  Pflege  deffelben  in  den  unteren  und  mittleren  Unterrichtsan- 
ftalten erft  feit  den  Fünfzigerjahren  und  zwar  waren  es  die  damals  gegründeten 
Realschulen,  in  welchen  diefer  Gegenftand  in  den  allgemeinen  Unterricht  aufge- 
nommen wurde.  Der  vorwiegend  gewerbliche  oder  vielmehr  technifche  Charakter 
der  bezeichneten  Anftalten  gebot  damals  dem  Zeichnen,  fich  als  dienendes  Glied 
dem  Lehrplane  einzufügen  und  hauptfächlich  in  einer  gewiffen  manuellen  Fertig- 
keit das  Ziel  zu  fuchen.  Die  öfterreichifche  Realfchule  hat  jedoch  heute  eine 
breitere  Bafis  erhalten  ;  das  Zeichnen  hat  dadurch  erft  feine  eigentliche  Be- 
deutung gewonnen,  dafs  der  humaniftifche  Theil  deffelben  jetzt  in  den  Vorder- 
grund tritt  und  die  Fertigkeit  als  folche  diefem  höheren  Zwecke  dienftbar  ge- 
macht wird.  Diefs  kann  jedoch  nur  mit  tüchtigen  und  vielfeitig  gebildeten 
Lehrern  und  mit  gediegenen  Lehrmitteln  erreicht  werden.  Nach  beiden  Rich- 
tungen hin  find  in  letzterer  Zeit  entfprechende  Verfügungen  getroffen  worden  und 
darum  hat  fich  in  erfter  Linie  das  öfterreichische  Mufeum  verdient  gemacht. 
Durch  die  Errichtung  eines  Seminars  für  Zeichenlehrer  ift  es  den  Candidaten 
möglich  geworden,  fich  auch  in  allen  nothwendigen  Hilfswiffenfchaften  für  ihren 
Beruf  auszubilden,  und  die  Vervielfältigung  gediegener  Vorlagen  hat  den  Zei- 
chenfälen  eine  Fülle  guter  Lehrmittel  zugeführt. 

Die  bisherigen  Erfolge  des  Zeichenunterrichtes  in  Oefterreich  an  den  Real- 
fchulen  find,  wenn  man  bedenkt,  dafs  fich  der  Gegenftand  erft  in  den  Schulen 
einbürgern  mufste  und  mit  mannigfachen  Schwierigkeiten  zu  kämpfen  hatte,  im 
Grofsen  und  Ganzen  als  glänzend  zu  bezeichnen,  und  wenn  hie  und  da  noch 
Schwächen  zu  Tage  treten,  fo  find  fie  nur  in  einigen  Anftalten  in  den  Provinzen 
zu  fuchen ,  deren  Dotirung  mit  Lehrmitteln  noch  keine  gleichmäfsig  gute  ift. 
Obenan  ftehen  die  Anftalten  von  Wien. 

In  der  Lehrmethode  zeigen  fich  nur  geringe  Verfchiedenheiten,  die  aus  den 
individuellen  Anfchauungen  der  Lehrer  und  oft  auch  aus  örtlichen  Verhältniffen 
der  Schulen  hervorgehen.  In  den  böhmifchen  Realfchulen,  welche  noch  nach 
dem  alten  Syfteme  eingerichtet  find,  hat  das  technifche  Zeichnen  noch  die  Ober- 
hand; doch  findet  an  vielen  Anftalten,  zunächft  in  Prag,  auch  das  freie  Zeichnen 
feine  richtige  Pflege. 

Gröfsere   Verfchiedenheit  herrfcht  im  Zeichenunterricht   noch  an  den  Real- 


ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERRICHT.  481 


gymnafien.  Diefe  Anftalten  find  meift  noch  zu  jung  (die  alterten  datiren  vom  Jahre 
1864)  und  das  Zeichnen  bildet  bis  jetzt  nicht  einen  fo  integrirenden  Theil  des 
gefammten  Bildungsapparates,  wie  an  der  Realfchule.  Die  Refultate  der  Wiener 
Anftalten  kamen  denjenigen  der  Unterrealfchule  gleich;  in  denen  der  Provinz 
wird  zwar  der  Lehrgang  der  Realfchule  anfangs  feft  gehalten;  da  aber  der  Ge- 
genftand  in  den  höheren  Claflfen  facultativ  ift,  wird  das  Syftem  meift  fallen  ge- 
laflen  und  das  Angenehmere  dem  Nützlichen  vorgezogen. 

Eine  ganz  untergeordnete  Rolle  fpielt  noch  das  Zeichnen  an  den  eigentli- 
chen Gymnafien,  wo  es  nur  theilweife  als  freier  Lehrgegenftand  erfcheint;  dagegen 
erweitert  fich  fein  Gebiet  in  fehr  erfreulicher  Weife  in  der  Volksfchule.  Es  wird 
hier  mit  wenig  Ausnahmen  überall  nach  den  richtigen  Grundfätzen  vorgegangen. 
Aufser  den  Wiener  Schulen  lagen  befonders  von  den  Anftalten  der  gröfseren 
Provinzftädte  mitunter  muftergiltige  Arbeiten  vor.  Dafs  noch  hie  und  da  das 
«Bildchenmachen»  gepflegt  wird,  ift  dem  Umftande  zuzufchreiben,  dafs  noch 
nicht  allerorts  Lehrer  vorhanden  find,  die  für  einen  fyftematifchen  Zeichenunter- 
richt die  nöthige  Vorbildung  befitzen.  Das  Beftreben,  die  für  die  erfte  Unter- 
richtsftufe  einzig  richtige  Methode  durchzuführen,  nämlich  von  den  geradlinigen 
geometrifchen  Formen  zum  freien  Contourornamente  vorzugehen,  tritt  allent- 
halben in  erfolgreichfter  Weife  hervor,  und  die  Thätigkeit,  welche  die  öfterreichi- 
fche  Lehrerwelt  im  Schaffen  von  guten  Vorlagewerken  diefer  Art  entwickelt,  ift 
rühmlich  hervorzuheben.  Zahlreiche  Arbeiten ,  die  dem  guten  Principe  folgend, 
im  Wefentlichen  wenig  Verfchiedenheit  zeigten,  lagen  neben  den  bereits  publi- 
cirten  noch  in  Handzeichnungen  vor.  Die  ftigmographifche  Methode  wird  viel- 
fach mit  gutem  Erfolge  auf  der  erften  Stufe  des  Unterrichtes  angewendet.  Ge- 
theilter  wird  das  Zeichnen  an  den  Bürgerfchulen  betrieben ,  wo  befonders  in 
Böhmen  an  manchen  Anftalten  die  Wahl  der  Vorbilder  zu  tadeln  ift;  dagegen 
lagen  von  den  mährifchen,  fchlefifchen  und  öfterreichischen  Schulen  diefer  Kate- 
gorie gröfstentheils  gute  Arbeiten  vor.  An  den  Lehrerbildungsanftalten,  wo  in 
erfter  Linie  das  Contourornament  zur  Geltung  zu  kommen  hat  und  Uebungen 
darin  durch  Tafelzeichnen  anzuftellen  find,  wird  diefem  auch  meiftens  in  ent- 
fprechender  Weife  Rechnung  getragen;  nur  find  vielfach  noch  ältere  Ornament- 
fchulen  ohne  ausgefprochenen  Stil  in  Verwendung  und  nebenbei  werden  auch 
Köpfe  im  Schatten  nach  den  älteren  franzöfischen  Vorlagewerken  gezeichnet, 
was  dem  exacten  Formenftudium  mehr  Eintrag  thut,  als  Nutzen  fchafft.  Mufter- 
haft  hatte  die  deutfche  Lehrerbildungsanftalt  in  Prag  den  correcten  Lehrgang  in 
ihren  Schülerleiftungen  dargeftellt.  Im  Ganzen  zeigte  aber  die  Ausftellung,  dafs 
in  Oefterreich  in  den  für  allgemeine  Bildung  beftimmten  Schulen  der  Zeichen- 
unterricht eine  weitaus  beffere  Pflege  findet,  als  in  irgend  einem  Staate  Europa's 
und  dafs  derfelbe  gerade  in  der  Gegenwart  erft  im  voUften  Auffchwunge  begriffen 
ift.  Nicht  in  gleichem  Mafse  kann  dies  vorläufig  noch  von  den  gewerblichen 
Schulen  gefagt  werden.  Bis  zu  den  Fünfzigerjahren  wurde  nach  diefer  Richtung 
äufserft  wenig  gethan,  und  das  öfterreichifche  Kunftgewerbe  war  daher  faft  aus- 
fchliefslich  auf  ausländifche  Kräfte  angewiefen.  Die  Erfahrungen  auf  den  letzten 
Weltausftellungen  legten  die  Nothwendigkeit  einer  befferen  Pflege  des  Unter- 
richtes dar :  doch  nur  langfam  fanden  fich  die  Mittel,  um  den  einzelnen  Induftrie- 


61 


482-  ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERRICHT. 


zweigen  vorwärts  zu  helfen,  bis  im  Jahre  1872  das  Handelsminifterium  fich  der 
Sache  warm  annahm  und  im  Verlaufe  von  nur  einem  Jahre  fchon  23  neue  Kunft- 
fchulen  für  induftrielle  Zwecke  eröffnete  (bis  dahin  gab  es  im  ganzen  Reiche 
blos  10),  deren  Refultate  trotz  der  kurzen  Zeit  ihres  Beftehens  fehr  lobenswerth 
find.  Bedeutender  in  den  Leiftungen,  ja  mitunter  hervorragend  erfchienen  einige 
der  fchon  früher  gegründeten  Anflalten,  von  denen  die  Glasinduftriefchulen  von 
Steinfchönau,  Haida,  Gablonz  und  vor  allen  die  höhere  Webefchule  in  Brunn 
befonders  hervorzuheben  And. 

Von  den  gewerblichen  Fortbildungsfchulen  waren  vorzugsweife  die  Wiener 
mit  ganz  tüchtigen  Leiflungen  vertreten;  eine  Reform  derfelben  ift  foeben  im 
Vollzuge ;  in  der  Zukunft  werden  diefe  Anflalten  mit  weniger  Schwierigkeiten  zu 
kämpfen  haben,  als  es  bisher  der  Fall  war,  da  durch  die  Errichtung  von  vorbe- 
reitenden Claffen  eine  gleichmäfsigere  Vorbildung  der  Schüler  erzielt  werden 
dürfte. 

Von  den  höheren  Bau-  und  Mafchinen-Gewerkfchulen  hatten  die  Anflalten 
von  Wien  und  Frag  vorzügliche  Leiflungen  ausgeflellt;  auch  die  Baugewerkschule 
von  F.  Märten s  in  Wien  beflätigte  ihr  altes  Renomme. 

Die  Ausflellung  der  Kunflgewerbefchule  des  öflerr.  Mufeums  fand  wäh- 
rend der  Weltausftellung  in  den  Sälen  des  Mufeums  felbfl  flatt  und  bot  in 
ihren  brillanten  Erfolgen  ein  klares  Bild  der  modernen  Beflrebungen.  Der 
ßeflimmung  der  Anflalt  nach  werden  diejenigen  Zweige  der  Kunft,  welche 
mit  den  Gewerben  in  nächfler  Verbindung  flehen,  als  die  Hauptgegenflände 
betrachtet  und  gliedern  fich  die  Lehrcurfe  nach  folgenden  Specialgruppen: 
i)  die  Baukunfl  in  ihrer  Anwendung  auf  die  Ausfchmückung  der  Gebäude; 
2)  die  Bildhauerei;  3)  das  ornamentale  und  4)  das  figürUche  Zeichnen  und  Malen 
in  ihren  Beziehungen  auf  die  Kunflgewerbe.  Eine  Reihe  von  technifchen  und 
wiffenfchaftlichen  Nebenfächern  verfchaffen  den  Zöglingen  die  allfeitige  Ausbil- 
dung, welche  zu  einem  erfolgreichen  Wirken  im  Kunflgewerbe  nöthig  ifl.  Von 
Seite  der  gewiegteflen  Fachmänner,  die  während  des  internationalen  Fefles  diefe 
Arbeiten  in  Augenfchein  nahmen,  fanden  die  Erfolge  die  reichfle  Anerkennung 
und  das  Syftem,  nach  welchem  die  Schule  arbeitet,  wurde  allgemein  als  mufler- 
haft  für  den  kunflgewerblichen  Unterricht  bezeichnet.  Die  Entwickelung  der 
Anflalt  ifl  leider  noch  durch  die  gegebenen  Räumlichkeiten  befchränkt;  nament- 
lich der  praktifche  Theil  der  Schule  wird  erfl  im  vollen  Umfange  zur  Geltung 
gelangen,  fobald  das  neue  Gebäude,  welches  fpeciell  für  die  Kunflgewerbefchule 
errichtet  wird,  bezogen  werden  kann. 

Wenn  wir  hier  auch  einen  Blick  auf  die  Verhältniffe  des  Kunflunterrichtes 
in  den  Landen  jenfeits  der  Leitha  werfen,  fo  haben  wir  vorläufig  nur  die  für 
die  Pflege  deffelben  getroffenen  Verfügungen  zu  erwähnen.  Es  ifl  Thatfache, 
dafs  Ungarn  im  letzten  Jahrzehnt  mehr  für  die  Kunflpflege  überhaupt  gethan 
hat,  als  früher  in  Jahrhunderten  gefchehen  war.  Sammlungen  wurden  angelegt 
oder  reorganifirt,  Vereine  zur  Hebung  der  Kunfl  gegründet.  Schulen  errichtet, 
Stipendien  creirt  und  reiche  Aufträge  heimifchen  Künfllern  gegeben.  Die  Früchte 
diefer  Beflrebungen  hat  jedoch  erfl  die  Zukunft  zu  bringen. 

Als    Centralflelle    für    die  Pflege    des  Kunflunterrichtes    im    weiteren  Sinne 


ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERRICHT. 


483 


wurde  eine  Anftalt  in's  Leben  gerufen,  welche  in  ihrer  Organifation  den  gegen- 
wärtigen Verhältniffen  cntfprcchend,  für  die  Hebung  des  genannten  Bildungsge- 
genftandes  vom  wohlthätigen  Einfluffe  fein  wird.  Es  ifl  dies  die  königl.  ungari- 
fche  Landes-Zeichenfchule  und  das  damit  verbundene  Zeichen-Seminar  in  Pefl. 
(eröffnet  am  i.  Nov.  1871).  Ihr  Charakter  ifl  der  einer  höheren  Kunftgewerbe- 
Schule  mit  befonderer  Rückficht  auf  die  freien  Künfte  und  wurde  die  Leitung 
derfelben  in  dfe  Hände  des  Herrn  Guftav  Keleti  gelegt,  welcher  im  Auslände 
die  reichften  Studien  über  den  Kunflunterricht  gemacht  hat  und  nach  feinen 
Erfahrungen  auch  die  Schule  organifirte.  Die  ausgeftellten  Unterrichtsrefultate 
können  als  fehr  befriedigend  bezeichnet  werden;  fic  zeigten  durchweg  eine  ge- 
diegene Auffaffung  und  im  Vortrag  eine  freie  künfllerifche  Behandlung,  was  mit 
Rückficht  auf  die  kurze  Zeit  des  Beftehcns  der  Anftalt  befonders  anerkennens- 
werth  ift. 

An  den  ungarifchen  Realschulen,  fowie  an  den  Gymnafien,  wo  ebenfalls  der 
Zeichenunterricht  obligatorifch  ift,  mangelt  es  vor  Allem  noch  an  tüchtigen  Lehr- 
kräften ;  fo  lange  diefe  nicht  herangezogen  find,  mufs  es  mit  den  Erfolgen  ftets 
noch  problematifch  ausfehen.  Eine  Ausnahme  hievon  machen  jedoch  fchon 
gegenwärtig  die  Realfchulen  von  Peft  und  Ofen ,  fowie  die  von  Prefsburg  und 
Kafchau.  Auch  in  den  (nunmehr  fchon  gefetzlich  geregelten)  Volksschulen  ift 
hauptfächlich  der  Mangel  an  gehörig  gefchulten  Lehrkräften  die  Urfache,  dafs 
es  mit  dem  Zeichenunterricht  noch  äufserft  primitiv  ausfieht;  doch  wird  von  Seite 
der  Regierung  nichts  verfäumt,  um  auch  in  diefem  Punkte  die  Volksbildung  zu 
unterftützen  und  durch  zweckmäfsige  Publicationen  zu  fördern. 

Dafs  die  Ausftellung  des  deutfchen  Reiches  in  der  Induftrie  und  Kunft 
bei  der  Concurrenz  mit  den  anderen  Staaten  einen  hervorragenden  Platz  ein- 
nahm, wird  wohl  jedermann  ohne  Frage  zugeben.  Die  Maffe  fowohl  als  die 
Vielfeitigkeit  der  Production  zeigte,  dafs  es  der  Nation  nicht  an  Reichthum 
und  Talent  mangelt,  um  die  höchften  Ziele  anzuftreben  und  dafs  fie  alle  Mittel 
befitzt,  um  auch  auf  dem  Wahlplatze  der  Arbeit  die  Siegespalme  zu  erringen.  Dafs 
dies  aber  trotz  aller  Anftrengungen  noch  nicht  gefchehen  ift  und  dafs  der  Kampf 
befonders  im  Gebiete  der  Kunftinduftrie  wieder  zu  Ungunften  der  Deutfchen  aus- 
fallen mufste,  ift  hauptfächlich  den  Mängeln  des  Kunftunterrichtes  zuzufchreiben. 
Die  Erfahrungen,  die  auf  den  früheren  Ausftellungen  gemacht  wurden,  haben 
wohl  langfam  eine  Wandlung  des  Gefchmackes  veranlafst,  aber  eine  entfchie- 
dene  Reform  ift  bisher  noch  nicht  durchgedrungen.  Freilich  fehlte  bis  vor  Kur- 
zem hiezu  die  nothwendige  ftaatliche  Einheit  und  mit  ihr  ein  leitender  und  an- 
regender Impuls  von  Oben  herab;  dann  aber  ein  zweckmäfsiger  allgemeiner 
Volksunterricht  in  den  Dingen  des  Stils  und  Gefchmacks.  Das  Zeichnen,  welches 
aufser  den  eigentlichen  Kunftfchulen  bisher  blofs  in  den  gewerblichen  Fortbil- 
dungsanftalten, den  Sonntags-  und  Abendcurfen  etc.  gepflegt  wurde,  findet  neuer- 
dings auch  theilweife  in  den  allgemeinen  Unterrichtsanftalten  Eingang,  mit  der 
Miffion,  den  Sinn  für  das  Schöne  zu  wecken.  Vieles  bleibt  zwar  in  diefer  Hin- 
ficht noch  zu  wünfchen  übrig,  die  vollfte  Anerkennung  aber  verdient  fchon  jetzt 
das  energifche  Streben  der  deutfchen  Zeichenlehrer,  welche  fich  mit  dem  regften 
Eifer  ihres  Gegenftandes   annehmen  und  befonders  in  Bezug  auf  Methodik  und 


Ol' 


484  ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERRICHT. 


zweckmäfsigc  Vorlagewerkc  für  den  Elementarunterricht  zum  Tlieil  Treffliches 
geleiftet  haben.  Zu  bedauern  war  es,  dafs  auf  der  Ausftellung  wenig  Schüler- 
arbeiten aus  den  Volks-  und  Mittelfchulen  vorgelegt  waren;  das  Meifte  fandten 
die  Fach  und  Fortbildungsfchulen,  und  in  diefer  Hinficht  konnte  befonders  aus 
Süd-Deutfchland  ein  klares  Bild  der  gegenwärtigen  Bcflrebungen  gewonnen  werden. 

Umfaffend  hatte  Bayern  fein  Unterrichtswefen  repräfentirt.  Der  Zeichen- 
unterricht, fo  weit  er  in  den  verfchiedenen  Schulen  gepflegt  wird,  dient 
fafl  ausfchliefslich  gewerblichen  Zwecken;  der  Schwerpunkt  deffelben  liegt  in 
den  kunftgewerblichen  Schulen  von  München  und  Nürnberg.  Die  Arbeiten  aus 
den  beiden  Anftalten  bildeten  auch  den  Glanzpunkt  der  bayerifchen  Ausftellung 
und  es  war  vorzugsweife  die  Nürnberger  Schule,  welche  in  grafsartiger  Weife 
ihre  Leiftungen  vorführte.  Das  Inflitut  hat  in  den  letzten  zwei  Jahrzehnten  unter 
Kreling's  Leitung  einen  bedeutfamen  Auffchwung  genommen;  die  Organifation 
deffelben  läfst  nichts  zu  wünfchen  übrig.  Es  werden  neben  den  vorbereitenden 
Studien  im  Zeichnen  und  Modelliren  auch  die  verfchiedenen  für  das  Kunflge- 
werbe  wichtigen  Arbeiten  in  Holz,  Metall  etc.  geübt  und  für  diefe  Zwecke  von 
der  Anftalt  Beftellungen  übernommen,  die  dann  von  den  Schülern  unter  Leitung 
ihrer  Lehrer  ausgeführt  werden.  Es  handelt  fich  nur  darum,  zu  unterfuchen,  wie 
die  Richtung  der  Schule  fich  in  Bezug  auf  den  Stil  zu  der  allgemeinen  Strömung 
der  Zeit  verhält  und  welche  Rolle  fie  in  diefer  Beziehung  in  der  Gegenwart  fpielt. 
Wer  das  alte  Nürnberg  durchwandert,  wird  es  begreiflich  finden,  dafs  inmitten 
der  lebendigflen  Traditionen  des  Mittelalters,  unter  den  fchönften  Blüthen  der 
deutfchen  Kunft  aus  jener  Epoche  in  einer  dortigen  Kunftfchule  diefe  Elemente 
noch  fortleben  muffen,  felbft  wenn  anderwärts  die  Zeit  längft  der  Kunfl;  ein  neues 
Gewand  gefchaffen  hat.  Die  Nürnberger  Kunftfchule,  die  denn  ehedem  vorwie- 
gend die  Gothik  pflegte,  hat  nun  wolil,  von  der  Zeit  gedrängt,  nach  und  nach 
die  deutfche  und  auch  die  italienifche  Renaiffance  aufgenommen ,  aber  die  ver- 
fchiedenen Elemente  vereinigen  fich  in  ihrem  Berühren  nicht  zu  neuer  Fruchtbar- 
keit. So  achtenswerth  die  Leiftungen  der  Schule  nach  verfchiedenen  Rich- 
tungen hin  genannt  werden  muffen,  fo  war  daraus  doch  nur  zu  erkennen,  dafs 
in  dem  Nachahmen  des  Hergebrachten  auch  ihre  höchfte  Leiftung  liegt.  Es 
fehlen  die  pulftrenden  Elemente,  die  zu  neuen,  lebensvollen  Formen  anregen. 

Die  Stilrichtung,  welche  in  der  königlichen  Kunftgewerbe-Schule  in  München 
gepflegt  wird,  fchliefst  fich,  wie  die  Ausftellung  zeigte,  vorwiegend  an  die 
Renaissance  an;  jedoch  wird  auch  auf  ältere  claffifche  Motive  zurückgegriffen. 
Die  Zeichnungen  beftanden  meiftens  in  Decorationsmotiven.  Hier  belebt  ein 
eifriges  Studium  der  Pflanze  die  Motive  und  deffen  wohlthätiger  Einflufs  zeigte 
fich  insbefondere  bei  den  farbigen  Studien.  Die  Gypsornamente,  von  den  Schü- 
lern meift  nach  kleinen  Skizzen  von  dem  verftorbenen  Director  H.  Dyk  ge- 
fertigt, waren  mit  vollem  Verftändniffe  der  Formen  und  mit  viel  Delicateflfe 
ausgeführt;  dasfelbe  gilt  von  den  Holzarbeiten  und  Broncen;  fchwächer  war 
das  Figurenzeichnen  repräfentirt;  auch  hierin  war  jedoch  der  Lehrgang  fyftematifch 
dargeftellt,  und  konnten  die  Leiftungen  von  Stufe  zu  Stufe  verfolgt  werden.  Im 
Architecturzeichnen  fanden  sich  gut  gezeichnete  Studien  von  griechifchen  und 
römifchen  Denkmälern  und  Decoratives  aus  der  Renaiffance  vor. 


ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERRICHT. 


485 


Die  Münchener  Handwerker-Fortbildungsfchule  glänzte  vorzüglich  im  techni- 
fchen  Linearzeichnen ;  dem  Ornamente  fehlte  vielfach  die  Grazie.  In  den  Zeichnungen, 
welche  vom  polytechnifchen  Centralverein  in  Würzburg  ausgcftellt  waren,  konnte  kein 
befonderer  Gefchmack  entdeckt  werden.  Die  Erfolge  des  Zeichenunterrichts 
an  den  übrigen  Gewerbe fchulen  Bayerns  (vorzugsweife  den  fogenannten  Kreis- 
gewerbefchulen)  waren  im  Allgemeinen  befriedigend;  dagegen  liefsen  die  Leiftungen 
der  gewcrbhchen  Fortbildungsfchulen  Manches  zu  wünfchen  übrig.  Mit  guten 
Refultaten  waren  nur  die  Tagesfchulen  von  Rofenheim  und  Regensburg  ver- 
treten; letztere  Anftalt  (eine  Baugewerkfchule)  hatte  auch  den  Lehrgang  in 
allen  Sectionen  des  Zeichnens  klar  illuftrirt. 

Eine  ganz  untergeordnete  Rolle  fpielt  der  Zeichenunterricht  noch  in  den 
für  allgemeine  Bildung  beftimmten  Schulen  Bayerns ;  am  heften  wird  der  Gegen- 
ftand  in  den  (feit  1864  gegründeten)  Realgymnafien  gepflegt;  die  Anftalten 
von  München  und  Regensburg  hatten  wohl  die  heften  Leiftungen  aufzuweifen, 
nur  wird  im  Allgemeinen  das  Figuren-Zeichnen  mangelhaft  betrieben,  wie  über- 
haupt die  Lehrmittel  in  den  bayerifchen  Zeichenfchulen  noch  Vieles  zu  wünfchen 
übrig  laffen.  Ganz  darnieder  liegt  der  Zeichenunterricht  in  der  Volksfchule,  wo 
aufser  München  nur  noch  an  wenigen  Orten  diefem  Bildungselemente  Rechnung 
getragen  wird. 

In  Betreff  der  Pflege  des  Zeichenunterrichts  in  den  unteren  und  mittleren 
Schulen,  fowic  insbefondere  in  den  gewerblichen  Fortbildungsfchulen  fteht  unter 
den  deutfchen  Staaten  wohl  Württemberg  am  wciteften  voran.  Ueberrafchend 
war  es,  auf  der  Ausftellung  zu  fehen,  dafs  dort  allerorts  mit  nahezu  gleich  guten 
Erfolgen  gearbeitet  wird;  felbft  die  jüngeren  Schulen  waren  mit  den  lobenswer- 
theften Leiftungen  vertreten.  Das  Land  befitzt  gegenwärtig  an  155  Orten  (iio 
Städten  und  45  Dörfern)  gewerbliche  Fortbildungsfchulen  und  für  die  weitere 
Ausbildung  in  den  verfchiedenen  technifchen  und  Kunftfächern  die  polytechnifchc 
Schule,  die  Baugewerbfchule  und  die  Kunftfchule  in  Stuttgart.  Der  Zeichen- 
unterricht wird  allgemein  auf  der  unteren  Stufe  mit  den  Herdtle'fchen  Vorlage- 
blättern begonnen,  woran  fich  das  Studium  nach  geometrifchen  plaftifchen  Körpern 
reiht;  dann  wird  allmählig  zum  freien  (Gyps-)  Ornamente  vorgefchritten.  Für 
diefe  Zwecke  wurde  in  der  Modelliranftalt  der  königlich  württembergifchen  Cen- 
tralftelle  für  Gewerbe  und  Handel  eine  Serie  von  mehr  als  400  Gypsmodellen 
angefertigt,  die  in  ununterbrochener  Reihenfolge  gleichfam  den  Lehrplan  den 
Schulen  dictiren.  Die  Motive  bewegen  fichausfchliefslich  im  Geifte  derRenaiffance. 
Für  das  Naturblumen-Zeichnen  reihen  fich  auch  Abgüffe  von  Pflanzen  etc.  der 
Sammlung  an.  Das  figürliche  Zeichnen  wird  nach  antiken  und  modernen  Vor- 
bildern gepflegt.  Was  die  Technik  des  Zeichnens  in  den  württembergifchen 
Schulen  anbelangt,  fo  ift  zu  bemerken,  dafs  durchwegs  mit  Kreide  oder  Kohle 
auf  weifsem  Papier  gearbeitet  wird,  wobei  felbftverftändlich  der  Ton  bis  zum 
höchften  Licht  fortentwickelt  werden  mufs.  Es  ift  diefe  Manier  beinahe  in  ganz 
Deutfchland  üblich,  obfchon  fie  die  meifte  Zeit  fordert  und  das  getonte  Papier 
der  Franzofen  vorzuziehen  wäre.  Die  Ausführung  der  Arbeiten  war  mitunter 
meifterhaft;  es  konnte  nur  die  Geduld  der  Schüler  bewundert  werden,  — 
freilich    mit    dem    gleichzeitigen    Bedauern    über    die    darauf    verwendete  Zeit. 


486 


ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERRICHT. 


Der  fachliche  Unterricht  im  Zeichnen  richtet  fich  nach  den  örtHchen  BedürfniiTen 
und  an  den  nieiften  Anftalten  wird  auch  im  l.inear-Zeichnen  ganz  Vorzüg- 
liches geleiftet.  Es  ift  unmöglich,  die  Leiftungen  der  einzelnen  Schulen  hier 
zu  befprechen;  als  befonders  bemerkenswerth  feien  jedoch  angeführt  die  Anftalten 
von  Aalen,  Biberach,  Ehingen,  Ellwangen,  Efslingen,  Geislingen,  Gmünd,  Giengen, 
Hall,  Heilbronn,  Ludwigsburg,  Ravensburg,  Rottweil,  Rottenburg,  Schwenningen 
und  Sulzau. 

Stuttgart,  als  die  Centralflelle  des  kunflgewerblichcn  Unterrichtes,  nahm  mit 
feinen  höheren  Schulen  felbftvcrfländlich  auch  in  Betreff  der  Leiftungen  den  be- 
deutendflcn  Raum  ein,  und  zwar  ift  hier  die  königliche  Kunflgcwerbefchule  zu- 
nächft  zu  erwähnen.  Es  war  von  der  Commiffion  bei  der  Ausftellung  darauf 
Rückficht  genommen,  alle  Zweige  des  Zeichnens  und  Modellircns,  welche  an  der 
y\nftalt  gepflegt  werden,  zur  Anficht  zu  bringen.  Im  Stile  dominirte  die  Renaif- 
fance;  doch  fanden  fich  unter  den  Zeichnungen  auch  fchöne  Studien  nach  claf- 
fifchen  Denkmälern,  pompejanifchen  Wanddecorationen  etc.  Von  den  ausgeftellten 
])laflifchen  Gegenftänden  verdienen  befonders  ftilvolle  Metallarbeiten  hervorgehoben 
zu  werden ;  auch  die  Holzfchnitzereien  zeugten  von  bedeutender  tcchnifchcr  Ge- 
wandheit  der  Verfertiger. 

Die  königliche  Baugewerbfchule  hatte  Aufnahmen  von  Bauwerken  ver- 
fchiedener  Stile,  decorative  Architekturwerke  und  fclbftändigc  Entwürfe  von 
Schülern  in  dem  Gebiete  der  Architektur  und  des  Mafchinenbaues  zur  Anfchau- 
ung  gebracht.  —  Aus  der  Kunflfchulc  in  Stuttgart  waren  diverfe  Naturftudien  und 
auch  fclbftfländige  Compofitionen  von  den  Schülern  vorgelegt.  Von  letzteren 
fiel  uns  befonders  eine  reizend  gedachte  Sommerlandfchaft  mit  reicher  Staffage 
und  eine  im  Geifle  Schwind's  gehaltene  Zeichnung  zu  dem  Märchen  „Siebenschön" 
auf.  —  Der  Zeichenunterricht  in  den  Volksfchulen  ift  befonders  feit  1870  im 
rafchen  Auffchwunge  begriffen  und  die  ausgeftellten  Arbeiten  zeigten  bei  einem 
einheitlichen  Syflem  die  heften  Erfolge. 

Das  Grofsherzogthum  Baden  hatte  fich,  wie  in  Paris  1867,  fo  auch  auf  der 
Wiener  Weltausftellung  im  Unterrichtswefen  wenig  betheiligt.  Den  gewerblichen 
Fortbildungsfchulen  wird  in  diefem  Lande  die  forgfamfte  Pflege  gewidmet;  es 
beläuft  fich  deren  Zahl  gegenwärtig  auf  43 ;  in  denfelben  wird  jedoch  weniger 
rein  fachliche  als  vielmehr  allgemeine  Bildung  angeftrebt.  Es  lagen  nur  Schüler- 
arbeiten von  der  gewerblichen  Unterrichtsanftalt  in  Carlsruhe  vor,  die  befonders 
in  den  decorativen  Entwürfen  als  lobenswerth  zu  bezeichnen  find. 

Auch  Preufsen  hatte  im  Gebiete  des  Zeichen-  und  Kunftunterrichtes  die 
Ausftellung  äufserft  mangelhaft  befchickt.  Die  Haupturfache  des  Fernebleibens 
der  Schulen  mit  hiehergehörigen  Leiftungen  mag  wohl  gewefcn  fein,  dafs  im 
Grofsen  und  Ganzen  überhaupt  Norddeutfchland  weder  mit  den  Südftaaten  noch 
mit  dem  Auslande  fich  in  eine  Concurrenz  einlaffen  kann.  Die  Beftrebungen 
des  „Vereines  zur  Förderung  des  Zeichenunterrichtes"  verdienen  die  voUfte  An- 
erkennung ;  doch  dürften  die  Erfolge  der  thätigen  Mitglieder  deffelben  noch  kaum 
weiter  als  in  Berlin  zu  fuchen  fein.  In  den  Realfchulen  und  Gymnafien  fpielt 
der  Zeichenunterricht  eine  ganz  untergeordnete  Rolle;  dadurch  ift  von  vorne- 
weg dem  Gegenftande  jede  Lebensfähigkeit  genommen. 


* 


ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERRICIIT. 


487 


Die  Gewerbefchulen  Preufsens  find  in  ihrer  Organifation  (vom  21.  März  1870) 
mehr  auf  allgemeine  als  auf  fpeciell  gewerbliche  Bildung  angelegt,  nur  das  Linear- 
zeichnen findet  in  ihnen  eine  forgfamere  Pflege.  Gröfsere  Kunfl:-  und  Gewerbe- 
fchulen beftehen  bis  jetzt  nur  in  Berlin,  Danzig,  Breslau,  Erfurt  und  Magdeburg. 

Auch  die  Fachfchulen  find  in  Preufsen  noch  wenig  entwickelt;  eine  Aus- 
nahme bildet  nur  das  Manufacturfach,  in  welchem  ein  erfreulicher  Auffchwung 
zu  verzeichnen  ift. 

Von  den  königlich  preufsifchen  Provinzial-Gewerbefchulen  lagen  nur  Ar- 
beiten aus  der  Anftalt  in  Saarbrücken  vor,  und  diefes  Beifpiel  bezeugte,  dafs 
dort  im  Allgemeinen  das  Zeichnen  von  tüchtigeren  Kräften  gelehrt  wird,  als 
an  den  Communal-Anfbalten.  Ebenfo  entfprechend  waren  die  Zeichnungen  der 
Schule  des  Mufeums  Wallraf-Richartz  zu  Köln.  Der  Berliner  Handwerkerverein 
gab  nur  in  flatiflifchen  Tafeln,  Berichten  etc.  ein  Bild  feiner  Thätigkeit,  fowie 
auch  die  königliche  Bauakademie  und  Gewerbeakademie  nur  Lehrbehelfe  aus- 
geftellt  hatten,  die  allerdings  als  einzig  in  ihrer  Art  bezeichnet  werden  muffen. 

In  Sachfen  wird  im  gewerblichen  Unterricht  vorzugsweife  den  Bedürfniffen 
der  Arbeiter  Rechnung  getragen  und  find  gegenüber  Preufsen  die  Fachfchulen  in 
viel  bedeutenderer  Weife  entwickelt;  es  fpielt  demgemäfs  der  Zeichenunterricht 
in  den  gefammten  gewerblichen  Schulen  des  Landes  eine  gewichtigere  Rolle. 
Leider  hatte  Sachfen  wegen  Raummangel  nur  wenig  Schülerleiflungen  vorge- 
legt; es  befchränkte  fich  die  Ausflellung  mehr  auf  Vorlagewerke,  Modelle  und 
andere  Hilfsmittel;  umfaffend  hatten  nur  die  technifchen  Schulen  zu  Dresden 
und  Frankenberg  ausgeflellt. 

Das  Zeichnen  ift  in  den  unteren  Schulen  Sachfens  wohl  erfl:  feit  1873  obligat, 
fand  aber  fchon  früher  an  vielen  Orten  ausgezeichnete  Pflege.  Die  Vorlagewerke 
von  H. S c h m i d t  und W.  Zimmermann  (Lehrern an  den  Zwickauer  Mittelfchulen) 
find  in  ihrer  trefflichen  Methodik  allenthalben  anerkannt.  Nach  F.  W.  Trelau's 
„kleinem  Zeichner"  wird  gegenwärtig  allgemein  auch  in  den  öflerreichifchen 
Schulen  vorgegangen  und  es  waren  überhaupt  die  genannten  Lehrer,  welche  den 
Elementar-Zeichenunterricht  zuerfl  in  ein  feftes  Syftem  brachten.  Die  vorge- 
legten Schülerarbeiten  nach  genannter  Methode  zeigten  die  heften  Erfolge. 
Von  den  ausgeftellten  Zeichenlehrmitteln  verdienen  befonders  die  von  Kr u  m fa- 
ll olz  und  Hähnel  entworfenen  Modelle  hervorgehoben  zu  werden;  fie  haben 
die  Beftimmung,  fich  dem  elementaren  Zeichnen  anzufchliefsen  und  den  Unter- 
richt bis  zum  Rundmodell  fortzufetzen.  Die  aus  drei  Serien  beftehende  Samm- 
lung ift  jeder  Zeichenfchule  auf  das  wärmfte  zu  empfehlen. 

Das  Grofsherzogthum  Heffen  hatte  in  umfaffender  Weife  die  Leiftungen 
feiner  Handwerker-  und  Fortbildungsfchulen  ausgeftellt.  An  den  dortigen  An- 
ftalten  wird  vorwiegend  das  technifche  Zeichnen  gepflegt  und  die  Refultate  find 
im  Durchfchnitte  fehr  befriedigend  zu  nennen.  Die  ausgezeichneten  Modelle  von 
j.  Schröder  find  von  früheren  Ausftellungen  her  vortheilhaft  bekannt. 

Ungetheiltes  Lob  haben  fich  auf  der  Ausftellung  die  Hamburger  Schulen 
erworben.  Durch  das  rege  Zufammenwirken  intelligenter  tüchtiger  Lehrer  an 
der  dafelbft  befindlichen  allgemeinen  Gewerbefchule  hat  fich  an  diefer  Anftalt 
und  nunmehr  auch  in  den  Volksfchulen  eine  beftimmte  Lehrmethode  ausgebildet. 


4S8 


ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERRICHT. 


die  in  ihrem  wohlgeordneten  flufenmäfsigen  Fortfehreiten  mufterhaft  genannt 
werden  darf.  Es  waren  Proben  der  Leiftungcn  von  den  Elementarfchulen ,  der 
allgemeinen  und  (der  damit  verbundenen)  Baugewerkfchule,  fowie  der  Mädchen- 
gewerbefchule  ausgeftellt  und  darin  der  fyftematifche  Lehrgang  zur  Anfchauung 
gebracht.  Der  modernen  Gefchmacksreform  wird  vielleicht  in  keiner  Kunftfchulc 
Deutfchlands  in  umfaffendercr  Weife  Rechnung  getragen  als  an  dem  Hamburger 
Inftitute,  das  mithin  den  Beftrebungen  Englands  und  Oefterreichs  fich  anfchliefst. 
Welchen  Auffchwung  die  Anflalt  nimmt,  beweift  wohl  am  deutlichften  die  Fre- 
quenz; dem  letzten  Jahresberichte  (1874)  nach  ift  die  Zahl  der  Eleven  an  der 
allgemeinen  Gewerbefchule  fchon  auf  1306  geftiegen. 

Es  ift  eine  unabweisbare  Thatfache,  dafs  die  kiinftlerifchen  Beftrebungen  in 
unferer  Zeit  mehr  als  ehedem  bevormundet,  gepflegt  und  dirigirt  werden  können. 
Zunächft  ftehen  uns  durch  die  rege  Thätigkeit  der  kritifchen  Kunftwiffenfchaft 
die  Claffiker  der  Vergangenheit  zu  Gebote,  die  in  Sammlungen  dem  Volke  vor- 
geführt, auf  den  Gefchmack  desfelben  Einflufs  nehmen  können,  und  dann  find  es 
die  Zeichenfchulen,  oder  allgemeiner  der  Kunftunterricht,  durch  welchen  direct 
auf  das  Schaffen  der  Kunft  und  des  Kunfthandwerkes  eingewirkt  werden  kann. 
In  England  und  Oefterreich  ftehen  diefe  Mittel  zur  Reform  des  Gefchmacks  in 
erfolgreichfter  Anwendung.  Die  Oppofition  gegen  die  hergebrachten  franzöfifchen 
Kunftanfchauungen ,  von  diefer  Bafis  aus  betrieben,  hat  aber  auch  in  Frank- 
reich diefelben  fchon  längft  dagewefenen  Mittel  zum  Bewufstfein  gebracht,  und 
nicht  zu  verkennen  find  in  der  jüngften  Zeit  die  energifchen  B%ftrebungen  der 
Franzofen,  durch  den  Zeichenunterricht  läuternd  auf  die  Gefchmackserziehung 
zu  wirken.  Wurde  ehedem  weniger  auf  eine  beftimmte  Richtung  des  Stils  oder 
auf  Veredlung  der  Formen  in  den  Schulen  Werth  gelegt  und  allein  in  der  tech- 
nifchen  Fertigkeit  und  in  der  virtuofen  Nachahmung  des  Aeufserlichen  zu  bril- 
liren  gefucht,  fo  zeigte  es  fich  auf  der  Ausftellung,  dafs  in  der  Auswahl  der  Vor- 
lagewerke, der  Modelle  etc.  fchon  zu  fefteren  Principien  eingelenkt  wird,  und  dafs 
die  claffifchen  Vorbilder  des  Alterthums  und  der  Renaiffance  allmählig  die  willkür- 
lichen Motive  verdrängen.  Einen  regen  Antheil  nehmen  an  diefer  Bewegung  die 
Parifer  Verleger,  die  ja  fchon  zur  Zeit,  als  Julien  der  tonangebe.ide  Autor  für 
die  Zeichenfäle  war,  alle  Welt  mit  Vorlagen  verforgten;  was  in  den  letzten 
Jahren  in  diefer  Richtung  publicirt  wurde,  hält  fich  ausfchliefslich  an  gediegene 
Vorbilder  und  der  Einflufs  derfelben  ift  auch  grofsentheils  fchon  in  den  Schulen 
wahrnehmbar..  Von  den  neueften  Erfcheinungen,  die  auf  der  Ausftellung  vorlagen, 
ift  vor  allen  F.  Ravaiffon's  Werk:  „Claffiques  de  l'art"  zu  nennen,  eine  um- 
fangreiche Collection  von  Photographien  nach  den  claffifchen  plaftifchen  Werken 
des  Louvre  und  nach  Handzeichnungen  alter  Meifter,  in  folcher  Weife  aufge- 
nommen, dafs  fie  leicht  mit  Kreide  oder  einem  fonftigen  Material  copirt  werden 
können.  Das  Werk  foll,  einem  Wunfche  der  Regierung  nach,  an  fämmtUchen 
Zeichenfchulen,  Lyceen  etc.  in  Frankreich  eingeführt  werden,  um  den  Gefchmack 
zu  läutern  und  die  Kunftanfchauungen  in  ein  einheitliches  Geleife  zu  bringen.  In 
den  Tendenzen  zwar  allgemeiner,  aber  alle  früheren  Productionen  überragend 
ift  der  „Cours  de  deftin"  von  Ch.  Bargue;  der  erfte  Theil  enthält  in  ausgezeich- 
netem Vortrage  Studien  nach  der  Antike,  der  zweite  Theil  Facfimiles  nach  Hand- 


ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERRICHT. 


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Die  Grazien,  Aquarell  von  E.  Bitterlich. 

Zeichnungen  alter  Meifter.  Von  Ornament-Werken  find  die  Arbeiten  vonLievre, 
Chazal,  Victoris  und  Athanafe  ihrer  forgfältigen  Auswahl  und  delicaten 
Ausführung  wegen  zu  erwähnen.  Es  finden  fich  darin  Motive  nach  Denkmälern 
aller  Stile  mit  befonderer  Betonung  der  Renaiffance.  Vorlagewerke  für  die  erfle 
Stufe  des  Unterrichtes  find  in  den  letzten  Jahren  maffenhaft  in  Paris  producirt 
worden,  und  im  Ganzen  ifl:  zu  bemerken,  dafs  das  Hauptaugenmerk  fchon  im 
Beginn  des  Unterrichtes  auf  eine  künfHerifche,  freie  Darftellungsweife  gerichtet  ifl:. 
Es  handelt  fich  dabei  nicht  — ■  und  darin  unterfcheiden  fich  die  Franzofen 
wefentlich  von  den  Deutfchen  — •  um  die  Begründung  der  Form,  um  den  geome- 
trifchen  Aufbau  derfelben ;  das  Geradlinige  wird  rafch  abgethan,  und  fogleich  auf 
das  freie,  entwickelte  Ornament  hingearbeitet;  lange  Contourübungen  als  folche 
finden  nicht  ftatt.  Die  zahlreichen  Werke,  die  für  den  Unterricht  im  Linear- 
zeichnen vorlagen,  bewegten  fich  fo  ziemlich  alle  in  einem  Geleife;  nach  dem 
allgemeinen  Theil  wird  ftets  fogleich  die  praktifche  Anwendung  zum  Ziele  ge- 
nommen. So  fehr  aber  auch  der  Kunftunterricht  in  den  Specialfchulen  Frank- 
reichs in  Blüthe  fleht,  fo  Vieles  bleibt  doch  in  diefer  Hinficht  noch  in  den 
Schulen  für  allgemeine  Bildung  zu  wünfchen  übrig.  In  den  Parifer  Volksfchulen 
wird  wohl  allenthalben  gezeichnet  und  mitunter  (befonders  in  den  von  den  „Freres 
chretiens"  beftellten)  mit  namhaftem  Erfolge,  doch  fehlt  für  eine  allgemeine 
Durchführung  im  Lande  noch  die  Einheit  des  Unterrichtswefens  überhaupt.  In 
den    höheren  Curfen    der   ecoles    communales    von   Paris    wird    mehr   Werth    auf 


ea 


490 


ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERRICHT. 


das  Linear7.eichnen  gelegt;  in  den  Gymnafien  ift  dem  Gegenftande  zu  wenig  Zeit 
gewidmet,  als  dafs  er  erfolgreich  betrieben  werden  könnte.  In  den  Mädchen- 
fchulen  von  Paris  ift  das  Zeichnen  wohl  überall  eingeführt,  doch  wird,  bevor  die 
Contouren  hinreichend  geübt  find,  zu  rafch  zu  Hlumen,  Landfchaftcn  etc.  über- 
gegangen, was  felbflverftändlich  dann  in  Spielerei  und  Dilettantismus  ausartet. 
Ganz  vorzügliche  Leiftungen  waren  dagegen  aus  einigen  höheren  l'enfionats  der 
Provinz  ausgeftellt ,  unter  welchen  die  von  Tionville,  Toulouse,  Moulins,  Ronen, 
Clermont,  Reims  und  Besangon  befonders  hervorzuheben  find. 

Den  Glanzpunkt  der  Ausflellung  bildeten  die  Leitungen  der  Parifer  Special- 
Zeichen  fchulen,  ^\orunter  die  von  E.  Levasseur  und  Lequien  noch  immer 
den  erften  Rang  einnehmen.  Die  Schülerleiftungen  derfelben  fanden  fich  der 
„Kxpofition  de  la  ville  de  Paris"  einverleibt,  wo  auch  das  treffliche  Modell 
der  Lequien'fchen  Schule  ausgeflellt  war.  Es  werden  bei  Lequien,  fowie  in  den 
meiften  anderen  Municipal-Zeichenfchulen,  alle  Fächer  des  freien  und  linearen 
Zeichnens  gelehrt  und  die  Ausflellung  der  genannten  Schule  imponirte  fowohl 
durch  die  künftlerifche  Vollendung  als  auch  durch  die  Vielfeitigkeit  der  Arbeiten. 
In  der  Wahl  der  Motive  des  Ornaments  ifl  in  diefen  höheren  Schulen  zwar  noch 
nicht  ganz  mit  dem  Hergebrachten  gebrochen ;  das  Rococo  treibt  fein  heiteres 
Spiel  noch  in  ziemlich  ausgelaffenen  Variationen  und  hat  fich  befonders  in  der 
Schule  Levaffeur's  noch  erhalten.  Neben  diefem  tritt  aber  fchon  mit  ziemlicher 
Entfchiedenheit  die  Renaiffance  in  das  Feld  und  mit  den  Vorbildern  der  claffi- 
fchen  Architectur  kommen  auch  deren  ornamentale  Motive  zur  Anwendung. 
Weit  näher  der  Antike  hält  fich  das  figürliche  Zeichnen.  Der  Vortrag  ifl  zwar 
durchgehend  malerifch,  dabei  aber  die  Modellirung  keineswegs  vernachläffigt 
und  ftets  ifl:  das  Streben  nach  vollendeter  'laufchung  wahrnehmbar.  Das  Gefühl 
für  die  Wirkung  von  Licht  und  Schatten  wird  in  den  franzöfifchen  Schulen  in 
viel  höherem  Grade  gebildet,  als  in  den  deutfchen,  in  welchen  das  Hauptgewicht 
auf  die  Durchbildung  der  Form  gelegt  und  der  malerifche  Effect  hintan  gefetzt 
wird. 

Mit  vorzüglichen  Leiflungen  waren  aufser  den  genannten  noch  die  (5coles 
de  deffin  in  der  rue  St.  Bernard  20,  rue  d'Aligre  und  der  avenue  d'Italie  ver- 
treten. Die  ecole  de  deffin  der  manufacture  nationale  des  gobelins  hatte  fehr 
intereffante  Zeichnungen  und  Gobelinfludien  ausgeflellt.  Von  der  ecole  fpeciale 
d'architecture  waren  theils  Original-Arbeiten,  theils  Photographien  nach  folchen 
vorgelegt.     Die  ausgezeichneten  Publicationen  diefes  Inflituts  find  bekannt. 

Aus  den  Provinzflädten  lagen  ferner  treffliche  Arbeiten  vor  von  den  renommir- 
ten  ccoles  profcffionelles  zu  Rouen,  St.  Quentin,  Havre,  Lyon  und  der  ecole 
induflrielle  de  la  ville  de  Lille. 

Gelegenheit  ifl  in  Frankreich  überall  und  fpeciell  in  Paris  dem  Arbeiter  ge- 
geben, fich  künfllerifch  zu  bilden  und  tue  Regierung  hat  es  zu  keiner  Zeit 
verfäumt,  dahin  zu  wirken,  dafs  die  gegebenen  Vortheile  auch  fruchtbringend 
ausgenützt  werden.  Haufsmann  hat  unter  Napoleon  zwar  Vieles  nach  diefer 
Richtung  gethan,  aber  Vieles  galt  es  noch  durchzuführen,  als  die  verhängnifs- 
voUe  Kriegskalaflrophe  einen  gewaltigen  Einfchnitt  in  den  Lauf  aller  Dinge  in 
Frankreich  machte.     Energifcher  noch  als  früher  nahm  jedoch  das  jetzige  Mini- 


ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERRICHT. 


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fteriuni  die  Frage  wieder  in  die  Hand  und  ifl  befonders  für  die  Hebung  der 
Bildung  der  arbeitenden  Klaffe  fchr  thätig.  In  Paris  bcflehen  gegenwärtig  33  öffent- 
liche Zeichenfchulen  aufser  den  höheren  Kunftfchulen,  und  es  find  deren  mehr 
noch  im  Entflohen  begriffen.  Zur  Ueberwachung  des  Zeichenunterrichtes  find 
Infpectoren  ernannt,  welche  einer  eigens  hierfür  eingefetzten  Commiffion  über 
die  Thätigkcit  der  Lehrer  zu  berichten  und  für  die  Conservirung  der  Schulen  zu 
forgen  haben.  —  Es  mag  aus  dem  Gefagten  erhellen,  dafs  die  Pflege  des  Kunft- 
unterrichtes  in  Frankreich  faft  ausfchliefslich  der  Induflrie  gilt  und  eine  allgemeine 
P'rziehung  des  Volkes  zur  Kunfl  jenfeits  der  Mofel  noch  ebenfo  auf  fich  warten 
läfst   wie  bei  uns. 

Der  Induflrie  gelten  auch  ausfchliefslich  die  Kunflfchulen  Italiens,  die  in 
wahrer  Fluth  mit  ihren  Leiflungen  auf  der  Ausflellung  erfchienen  waren.  Der 
Zeichenunterricht  ift  in  den  Induflriebczirkcn  des  Landes  mehr  als  Bcdürfnifs 
und  findet  auch  überall  feine  Pflege.  Die  fcuola  tecnica  hat  zumeifl  auch  den 
Charakter  einer  Induflriefchule,  in  welcher  mehr  befondere  technifche  Zwecke 
verfolgt  werden,  als  dafs  den  Elementen  der  allgemeinen  Bildung  Rechnung  ge- 
tragen würde.  Ueberall  fprach  auch  aus  den  Zeichnungen  der  praktifche  Zweck 
des  Decorateurs,  fclbft  im  Linear-Zeichnen ,  wo  flets  das  gcomctrifche  Orna- 
ment (von  Mofaikböden  etc.)  eine  bedeutende  Rolle  fpielte.  Aus  allen  Provinzen 
des  Landes,  das  ferne  Sicilien  nicht  ausgenommen,  lagen  Portefeuilles  mit 
Schülerarbeiten  vor,  die  jedoch  weder  in  Betreff  des  Lehrganges  noch  in  Bezug 
auf  Stil  bedeutend  variirten.  Was  in  den  Schulen  ftudirt  wird,  was  die  Induflrie 
producirt,  wurzelt  alles  in  der  Renaiffance.  In  Bezug  auf  die  —  freilich  oft  unnütze 
—  Ausführung  flehen  die  Italiener  unerreicht  da ;  wie  in  Marmor,  find  fie  auch 
Virtuofen  mit  der  Kreide  und  der  Tufche.  Das  Studium  wird  jedoch  fafl  aus- 
fchliefslich dem  Ornamente  gewidmet;  das  Figürliche  fpielt  eine  ganz  unterge- 
ordnete Rolle. 

Zwei  Jahrzehnte  find  verfloffen,  feit  von  England  aus  der  Anftofs  zur 
Reform  des  Gefchmacks  gegeben  wurde  und  mit  vielem  Intereffe  wurde  auf  den 
bisherigen  Ausflellungen  die  Wandlung  in  der  englifchen  Induflrie  in  Bezug  auf 
die  Veredlung  des  Stiles  verfolgt.  Mit  grofser  Spannung  wartete  man  ihrer  auch 
auf  der  Wiener  Ausflellung  und  hoffte,  dafs  gerade  in  Hinficht  auf  den  kunfl- 
induflriellen  Unterricht  ein  intereffantes  Bild  fich  entrollen  werde.  Die  Hoff- 
nungen wurden  nach  diefer  Richtung  hin  getäufcht.  England  hatte  diesmal  das 
Hauptgewicht  auf  die  Repräfentation  feiner  Colonien  gelegt;  es  entfaltete  feine 
afiatifchen  Reichthümer;  die  heimifche  Induflrie  war  lückenhaft,  der  Unterricht 
äufserfl  flau  vertreten.  Aufser  einigen  Schülerarbeiten  aus  der  Schule  von  South- 
Kenfington  und  einigen  Publicationen  diefcs  Inflitutes  war  weiter  nichts  vorhanden. 
Es  mufste  befremden,  dafs  ein  Land,  von  welchem  doch  die  Idee  der  Weltaus- 
flellungen  zuerfl  ausgegangen  ifl,  gerade  das  hochwichtige  Feld  des  Kunftunter- 
richts,  dem  es  feine  heutige  Stellung  in  der  Induflrie  gegenüber  den  anderen 
Staaten  verdankt,  fo  mangelhaft  beflellt  hatte. 

Wenn  wir  einen  Blick  auf  die  Ausflellung  der  South-Kenfington-Schule 
werfen,  fo  finden  wir  für  alle  Zweige  der  Kunftinduflrie  nette,  flilvolle  Arbeiten, 
die  das  Streben  nach  einem  einheitlichen  Princip  im   Geifle  der  Reform   überall 


492 


ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERICHT. 


offenbaren.  Die  Leitung  des  Inftitutes  hatte  an  einer  Tafel  die  Claffeneintheilung 
der  Schule  dargeftcllt  und  gefucht,  wo  möglich  von  jeder  Branche  etwas  zu 
bieten.  Dadurch  wurde  denn  freilich  das  Bild  der  Thätigkeit  der  Schule  zcr- 
ftückelt;  denn  zwei  bis  drei  Blätter  aus  einer  Specialabtheilung  konnten  diefe 
wenig  charakterifiren.  Auch  war  es  verfäumt,  die  Programme  der  Anftalt  feit 
1867  aufzulegen,  wodurch  das  Fragmentarifche  der  Ausftellung  hätte  ergänzt 
werden  können.  Nur  mit  Mühe  konnte  der  Lehrgang  in  den  vorbereitenden 
Claffcn  verfolgt  werden.  Es  waren  davon  Contour-Ornamente  nach  plaftifchcn 
Werken,  dann  fchattirte  in  Sepia  und  gezeichnete  geometrifche  Modelle  in  Kreide 
vorhanden.  Von  den  höheren  (Special-)  Claffen  waren  Copien  nach  Original- 
modellen in  diverfen  Stilen,  Naturftudien  und  felbftftändige  Compofitionen  aus- 
geftellt ;  das  Befte  darunter  waren  Entwürfe  in  Flächenverzierungen  für  Tapeten, 
Stoffe  etc.  Die  Blume  wird  mit  Sorgfalt  fludirt  und  in  edler  Weife  zum  Orna- 
mente benützt;  die  Compofition  des  Ornamentes  bezieht  fich  ftets  auf  den  fertigen 
Gegenftand  und  der  Zweck  der  Verzierung  ift  immer  im  Auge  behalten.  Eine 
geringere  Rolle  fpiclte  unter  dem  Ausgeftellten  das  figürliche  Zeichnen.  Das 
Hervorragendfle ,  was  das  Inftitut  ausgeftellt  hatte,  bcftand  in  Radirungen, 
die  von  den  Schülern  nach  Gegenftänden  des  Mufeums  für  den  Zweck  der  Ver- 
breitung ausgeführt  wurden.  Die  Ausftellung  der  „School  of  Art"  zu  Bombay 
(in  der  Induftriehalle)  bot  wohl  manches  Intcrcffante,  doch  wenig  Wichtiges  in 
Bezug  auf  den  eigentlichen  Kunftunterricht. 

In  umfaffender  Weife  hatte  Rufsland  die  Beftrebungen  des  Kunftunterrichtes 
im  Lande  dargeftellt.  Schon  von  den  letzten  Weltausftellungen  her  ift  es  be- 
kannt, wie  fehr  es  fich  dicfcr  Staat  angelegen  fein  läfst,  das  Altnationalc  in  der 
Induftric  wieder  zur  Geltung  zu  bringen;  auf  der  Wiener  Ausftellung  wurde  die 
Thätigkeit  der  Petersburger  und  Moskauer  Kunftfchulen  in  diefer  Richtung  in 
klarer  Weife  illuftrirt.  Die  Kunftfchule  „Stroganoff"  zu  Moskau  (verbunden  mit 
dem  Mufeum)  bildet  die  eigentliche  Centralftelle  diefer  Bewegung  und  diefe  An- 
ftalt war  auch  in  befter  Weife  auf  der  Ausftellung  repräfentirt. 

Der  Zweck  der  Schule  ift  lediglich  der,  dem  Kunfthandwerke  gefchickte 
Arbeiter  zuzuführen,  die  Induftrie  von  der  fclavifchen  Nachahmung  zu  befreien 
und  fie  zu  Originalformen  heran  zu  ziehen.  Den  bedeutfamften  Einflufs  auf  diefe 
Beftrebungen  nimmt  das  Mufeum,  und  für  die  Ausftellung  desfelben  war  im  Nord- 
pavillon der  Kunfthalle  ein  ganzer  Saal  refervirt.  Es  befanden  fich  dafelbft  (in 
einer  Auswahl)  die  von  den  nationalen  Denkmälern  gefammelten  Modelle  von 
Ornamenten  in  Gypsabgüfsen,  in  Thon  und  Galvanoplaftik;  Nachbildungen  alter 
Kunftwerke,  Photographien,  Handzeichnungen  nach  Kunftwerken,  wodurch  fich 
das  Mufeum  und  die  Schule  gegenfeitig  untcrftützen,  und  die  von  dem  Inftitute 
veranlafsten  Publicationen.  Die  ausgeftellten  Schülerarbeiten  belebte  durchweg 
ein  frifcher  künftlerifcher  Geift  und  befonders  waren  aus  den  höheren  Curfen 
die  nach  altruffifchen  und  byzantinifchen  Modellen  gefertigten  Zeichnungen  von 
hoher  Vollendung.  Das  Studium  des  Ornamentes  wird  nach  dem  von  der  An- 
ftalt herausgegebenem  Werke  „Gefchichte  der  ruffifchen  Ornamentik"  (gefchöpft 
aus  Handfchriften  des  X.  bis  XVI.  Jahrhunderts)  gepflogen  und  zugleich  auf  die 
zweckmäfsige  Verwendung  in  Bezug  auf  das  Material  gefehen. 


ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERRICHT.  493 


In  ganz  ähnlichem  Sinne  arbeitet  in  Petersburg  die  „Societe  d'encouragc- 
nient  des  arts".  Sie  hatte  aus  ihrer  Induftriefchule  nur  Zeichnungen  der  „Claffe 
de  compofition"  ausgeftellt,  die  (meifl  Gefäfse  und  kirchliche  Geräthe  für  Gold 
und  Email)  ebenfalls  von  vorzüglicher  Ausführung  waren.  Die  von  der  Gefell- 
fchaft  herausgegebenen  „Nationalen  Ornamente"  beziehen  fich  vorzugsweife  auf 
textile  Kunfl  und  find  ebenfalls  im  Geifte  der  ruffifchen  Reform  gefchaffen. 

Die  technifchen  Schulen  zu  Petersburg  und  Moskau  hatten  fehr  intereffante 
Collectionen  von  Lehrmitteln  für  den  praktifch-technifchen  Unterricht  ausgeftellt. 

Wir  haben  nun  nur  noch  einen  Blick  auf  die  Induftrieftaaten  zweiten  Ranges 
zu  werfen  und  deren  Kunftunterrichts-Verhältniffe,  foweit  fie  auf  der  Ausftellung 
dargelegt  waren,  kurz  zu  Ikizziren. 

Am  nächften  liegt  uns  Schweden.  Wer  die  freundlichen  Räume  des  Schul- 
haufes diefes  Landes  auf  der  Ausftellung  befuchte,  konnte  wahrnehmen,  dafs 
des  Zeichenunterrichtes  fchon  in  der  Volksfchule  gedacht  wird,  und  die  ange- 
wendeten Methoden  ganz  die  richtigen  find.  An  den  Mittelfchulcn  findet  der 
Gegenftand  befonders  in  denen  der  realen  Linie  feine  gute  Pflege  und  es  waren 
mitunter  treffliche  Leiftungen  vorgelegt;  nur  fcheint  es  noch  in  den  Schulen  an 
guten  Originalen  zu  mangeln.  Das  Beftc  jedoch,  was  im  Zeichen-Fache  von 
Schweden  ausgeftellt  war,  kam  aus  der  Schule  des  Gewerbevereines  in  Gothen- 
burg.  Die  Anftalt  hat  befonders  in  den  letzten  Jahren  einen  nahmhaften  Auf- 
fchwung  genommen  und  fich  nach  allen  Zweigen  der  verfchiedencn  Kunftgcwerbe 
hin  erweitert.  —  Norwegen  war  im  Unterricht  nicht  vertreten. 

Dänemark  brachte  nur  einige  Schülerarbeiten  der  Volksfchulen  in  Kopen- 
hagen, die  in  fchönen  Contouren  fich  mcift  an  die  antiken  Formen  hielten.  —  Auch 
die  Niederlande  hatten  fich  fchwach  an  der  26.  Gruppe  betheiligt.  Schülerarbei- 
ten waren  von  der  Schule  der  Arbeiterclaffe  in  Amfterdam  ausgeftellt,  die  mit  viel 
Verftändnifs  (nach  deutfchen  und  franzöfifchen  Modellen)  gearbeitet  waren.  Der 
Zeichenunterricht  ift  im  Lande  (feit  1863)  in  den  Volks-  und  Mittelfchulcn  ein- 
geführt und  Holland  befitzt  gegenwärtig  an  30  Zeichenfchulcn,  an  welchen 
108  Lehrer  über  2500  Schülern  Unterricht  ertheilen. 

Die  Schweiz  hatte  blos  den  niederen  Unterricht  repräfentirt  und  diefen 
nur  in  den  angewandten  Lehrmitteln,  in  ftatiftifchen  Berichten  etc.  Das  Zeichnen 
wird  überall  fchon  in  den  Kleinkinderfchulen  begonnen  und  in  den  Secundär- 
fchulen  weiter  fortgeführt.  Die  Vorlagewerke  hierfür  liefsen  jedoch  Manches  zu 
wünfchen  übrig.  Für  die  Kunfterziehung  mangelt  es  überhaupt  der  Schweiz  noch 
an  einer  Centralfteile.  Sehr  intereffant  waren  die  Zeichnungen  aus  der  Induftrie- 
fchule  in  Genf,  die  fich  ganz  den  modernen  franzöfifchen  Beftrebungen  anfchloffen. 
—  Auch  Spanien  hatte,  trotz  feiner  traurigen  poHtifchen  Verhältnifse,  fein  Unter- 
richtswefen  auf  der  Ausftellung  dargcftellt,  wenn  auch  äufserft  lückenhaft  und 
nichts  weniger  als  fyftematifch.  Was  den  Kunftunterricht  im  Lande  betrifft,  fo 
fleht  es  damit  fehr  traurig  aus.  —  Nicht  fo  troftlos  ift  es  in  Portugal  mit  dem 
Unterrichte  beftellt,  wo  befonders  fich  franzöfifcher  Einflufs  Geltung  verfchafft. 
Nur  leidet  der  Zeichenunterricht  in  allen  Schulen  an  den  gefchmacklofeften  Vor- 
bildern. Die  Beftrebungen  Prof.  A.  J.  Picard's  in  Liffabon,  den  Unterricht  in 
ein  geregeltes  Syftem  zu  bringen,  verdienen  wohl  alle  Achtung ;  doch  reicht  fein 


494 


ZEICHEN-  UND  KUNSTUNTERRICHT. 


Einflufs  kaum  über  die  „Real  casa  pia"  hinaus  und  es  wird  am  „Lycee  national" 
ebenfo  dilettantifch  gezeichnet,  wie  an  den  meiden  andern  Schulen;  beffer  waren 
im  Allgemeinen  die  Linearzeichnungen.  Von  der  „Affociation  commercial",  die 
zu  Porto  ihren  Sitz  hat  und  fich  um  die  Hebung  der  Kunftinduftrie  im  Lande 
fchon  manche  Vcrdienfle  erworben  hat,  war  eine  Anzahl  decorativcr  polychromer 
Ornamente  (in  Gyps  und  Holz)  ausgeftellt,  in  welchen  maurifche  Eormen  ge- 
lungen nachgeahmt  waren. 

Was  an  Zeichnungen  aus  den  amerikanifchen  Schulen  (von  Bofton, 
Cincinnati,  Philadelphia  etc.)  vorlag,  zeigte  nur,  wie  wenig  jenfeits  des  Oceans 
noch  an  einen  geregelten  Kunftunterricht  gedacht  wird,  und  dafs  die  Schulen  in 
den  Vereinigten  Staaten  vorläufig  noch  um  die  realen  Grundlagen  des  Unter- 
richtes kämpfen  muffen,  bevor  ein  Anlauf  zu  den  idealen  Bildungselementen  ge- 
nommen werden  kann. 

7.  Langl. 


Taufkanne  in  vergoldetem  Silber,  im  Befit/.  des  Grafen  H.  Herberftein-Eggenberg. 

i6.  Jahrhundert. 


Die  Exposition  des  Amateurs. 

Im  Jahre  1867  hatte  mau  in  Paris  die  alten  Kunfl;- 
werke  zur  Weltausftelhmg  herangezogen,  um  aus 
ihnen  eine  „Hiftoire  du  travail",  eine  Illuftration  der 
Gcfchichte  der  Kunftarbeit  zu  bilden.  Das  war  ein 
Gefichtspunkt,  unter  welchem  fich  die  alte  Kunft  mit 
den  fo  durchaus  modern-praktifchen  Zwecken  einer 
Weltausftellung  noch  allenfalls  in  Zufammenhang 
bringen  liefs,  und  wenn  auch  die  Hifboire  du  travail 
nicht  völlig  das  geworden  ift,  was  ihr  Titel  verfprach, 
fo  hatte  doch  wenigflens  Frankreich  felbfl  grofsartige 
und  erfolgreiche  Anflrengungen  gemacht,  um  dem 
aufgeflellten  Programme  gerecht  zu  werden.  So  war 
die  franzöfifche  Emailarbeit  —  dort  eine  wahrhaft 
nationale  Kunftindufirie  — ■  in  allen  ihren  Phafen  in 
erfchöpfender  Weife  zur  Anfchauung  gebracht,  ebenfo 
die  Bücherausftattung  in  fortlaufender  Reihe  von  der 
Miniaturmalerei  bis  zur  Druckilluflration.  So  hatte 
beifpielsweife  Oeflerreich  feine  unter  Rudolf  II.  in 
Prag  blühende  Bergkryflallfchleiferfchule  und  feine 
Porzellanfabrication,  Portugal  feine  höchfl  originellen 
und  intereffanten  Goldfchmiedearbeiten,  England  eine 
Menge  alter,  heimifcher  Erzeugniffe  ausgeftellt,  und 
wenn  auch  viele  Länder  ganz  unvertreten  blieben, 
andere ,  wie  es  in  der  Natur  der  Sache  lag,  nur  un- 
vollftändig  ausftellen  konnten ,  fo  waltete  doch  über 
dem,  was  gefchehen  war,  ein  wohlthuender  Geifl  der 
Ordnung  und  Einficht. 


«  V'- 


Teppichborrlure,  roth  mit  grünem  Sammetornament,  Kremsmünfter. 


496 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS. 


Da  man  in  Wien  die  Franzofen  nicht  copiren  wollte,  .im  wenigften  dort,  wo 
es  wirklich  das  Richtige  gewefen  wäre,  fie  nachzuahmen,  fo  inaugurirte  man  eine 
„Expofition  des  Amateurs".  Logifch  könnte  man  fich  unter  diefem  Titel  unge- 
fähr vorftellen,  dafs  es  fich  darum  handeln  follte,  die  privaten  Kunflfammlungen 
als  folche  zum  Ausftellungsobject  zu  machen,  alfo  etwa  die  Tendenzen  der 
Sammler  in  den  verfchiedenen  Ländern  und  die  Qualitäten  ihrer  Collectionen 
uns  vorzuführen.  Obwohl  der  Zweck  einer  folchen  Darfteilung  ein  höchft  pro- 
blematifcher,  und  die  Durchführung  eine  enorm  fchwierige  gewefen  wäre,  fo  lag 
doch  dem  Ganzen  eine  Idee  zu  Grunde,  und,  wenn  fie  auch  gerade  keine  glück- 
liche war,  fo  war  dicfe  Idee  doch  das,  was  man  fo  fehnlich  fuchte,  etwas  Neues. 
Aber  fchon  das  gedruckte  Programm  wufste  von  feiner  Auffchrift  fo  wenig,  wie 
die  rechte  Hand  von  der  linken  in  der  Bibel.  Da  war  von  den  „Amateurs"  gar 
nicht  weiter  die  Rede,  fondern  nur  im  Allgemeinen  von  alten  Kunftfachen,  die 
man  fich  fein  fauberlich  in  2i  Claffen  eingetheilt  dachte.  Noch  viel  weniger 
aber,  als  der  Text  des  Programmes  dem  gewählten  Titel,  entfprach  wiederum  die 
Ausftellung  ihrem  Namen  oder  gar  dem  gedruckten  Programm,  und  wer  fich 
etwa  nach  der  Eröffnung  der  Lecture  eines  diefer  Schriftftücke  hingab,  der 
konnte  alsbald  zu  der  Ueberzeugung  gelangen,  dafs  fie  fchon  von  der  Druckpreffe 
weg  lediglich  Maculatur  waren. 

Hier,  wo  wir  es  lediglich  mit  den  factifchen  Refultaten  zu  thun  haben,  ift  es 
nicht  am  Platze,  von  den  mancherlei  Vorgängen  zu  fprechen,  denen  zufolge  die 
„Expofition  des  Amateurs"  dann  in  der  Weife  zu  Stande  kam,  welche  zu  fchil- 
dern  nun  unfere  Aufgabe  ift.  Gar  grofse  Projecte  und  Verheifsungen  wurden 
in  die  Welt  hinausgerufen.  Richard  Wallace,  die  Rothfchild,  Suermondt,  kurz 
die  gröfsten  Sammler  der  Welt,  hiefs  es,  würden  ihre  Schätze  nach  dem  Prater 
fenden.  Was  fchliefslich  zu  Stande  kam,  war  nichts  von  Alledem.  Der  für  die 
Expofition  des  Amateurs  urfprünglich  beftimmte  Raum  wurde  zum  gröfsten 
Theile  dem  fich  immer  mehr  ausdehnenden  Platzbedürfniffe  der  modernen  Kunft 
eingeräumt;  angefichts  der  allgemein  herrfchenden  Confufion  verzichteten  die 
meiften  Staaten  darauf,  überhaupt  Ausftellungen  von  alten  Kunftwerken  einzu- 
leiten, und  fo  wurde  die  E.xpofition  des  Amateurs  eine  fragmentarifche,  fyftem- 
und  ordnungslofe  Anhäufung  von  mitunter  guten,  vielfach  aber  ganz  mittel- 
mäfsigen  und  fchlechten  Dingen,  die  der  Zufall  wie  in  einem  Antiquitätenladen 
zufammengewürfelt  zu  haben  fehlen. 

Die  Oefterr  eichifche  Abt  hei  hing  hatten  in  letzter  Stunde  die  Herren 
Baron  von  Sacken,  Dr.  C.  Lind  und  A.  von  Camefina  zufammenzuftellen 
übernommen.  Ihren  Bemühungen  gelang  es  wenigftens,  eine  Anzahl  hervor- 
ragender Werke  herbeizufchaffen,  und  wenn  fie  auch  das  Grundgebrechen,  die 
Planlofigkeit,  aus  ihrem  Departement  nicht  zu  verbannen  vermochten,  fo  haben 
fie  doch  viele  bedeutende  und  fonft  wenig  zugängliche  Kunftwerke  den  Befuchern 
vor  Augen  geführt. 

Wollen  wir,  bevor  wir  zur  Befprechung  des  lünzelnen  übergehen,  die  Be- 
theiligung der  verfchiedenen  Länder  in  kurzer  üeberficht  zufammenfaffen,  fo  ftand 
in  erfter  Reihe  in  ijuantitativer  und  qualitativer  Beziehung  neben  der  cisleithanifch- 
öfterreichifchen   die   Expofition  Ungarns  da.     ICs  gab   da   eine   Menge   fehens- 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS. 


497 


Schreibkäftchen  in  Ebenholz,   mit  Ornamenten  aus  Silber  und  Gold ;  i6.  Jahrh. 
aus  der  Sammlung  des  Freiherrn  Anf.  v.  Rothfchild  in  Wien. 


«S 


498  DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS. 


und  bemerkenswerther  Dinge.  Aber  das  unmittelbare  Vermengen  von  Kunft- 
fachen  mit  folchen  Dingen,  die  blos  antiquarifche ,  archäologifche  oder  gar  nur 
ethnographiiche  Bedeutung  haben,  bewies,  in  welcher  Unklarheit  über  Zweck  und 
Tendenz  des  Ganzen  fich  hier  die  Leiter  und  Veranftalter  der  Ausftellung 
befunden  hatten.  Japanifche  Riiftungen  und  antike  Bronzen,  Handzeichnungen 
von  Rembrandt  und  Dürer,  prähiftorifche  Refte,  Alles  im  bunten  Durcheinander 
—  ein  Bild  der  Weltausftellung  im  Kleinen.  Merkwürdig  war  nur,  dafs  Ungarn, 
das  doch  im  Ausftellungspalaft  mit  dreifarbigen  Fahnen,  ausgeftopften  Honveds 
und  ähnlichen  Erzeugniffen  feines  heimifchen  Bodens  fo  ungeheuer  viel  oNationali- 
tät»  entfaltete,  im  Departement  der  alten  Kunfl  fich  ganz  und  gar  kosmopolitifch 
zeigte.  Wir  wären  z.  B.  für  eine  Repräfentation  der  älteren  nationalen  Kunfl- 
induftrie,  der  Goldfchmiedekunft  und  dergl.  dankbarer  gewefen,  als  für  Kupferftiche 
von  Marc-Anton  und  fremdländifche  Miniaturmalereien  von  zweifelhaftem  Werthe. 

Spanien  hatte  trotz  der  Ungunft  der  Verhältniffe  doch  einigen  Anlauf  ge- 
nommen, Proben  feiner  Kunflthätigkeit  früherer  Zeiten  zur  Schau  zu  bringen. 
Im  erften  Stockwerke  des  fpanifchen  Pavillons  fah  man,  allerdings  untermengt 
mit  gar  difparaten  Dingen,  Harnifche  und  Waffen  verfchiedener  Epochen,  Holz- 
fchnitzereien,  Möbel,  Metallarbeiten  und  Gobelins,  die  zumeifl:  durch  ihre  ausge- 
prägte iberifche  Charakteriflik  recht  anziehend  waren,  wenn  auch  ihre  Wirkung 
fehr  beeinträchtigt  wurde  durch  die  ungünftige  Nachbarfchaft  von  allen  mög- 
lichen Natur-  und  Induftrieproducten. 

Neben  denjenigen  Staaten,  die  überhaupt  keinerlei  Anftalten  zu  einer  Aus- 
ftellung  alter  Kunfl  getroffen  hatten,  wie  Frankreich,  Holland,  Belgien  etc.,  fchie- 
nen  andere  das  Princip  befolgt  zu  haben,  den  dafür  angewiefenen  Raum  aller- 
dings freizulaffen,  fich  im  Uebrigen  aber  nicht  weiter  mit  der  Sache  zu  befaffen, 
und  diefes  Gebiet  Antiquitätenhändlern  und  jener  bekannten  Sorte  von  Befitzern 
unfchätzbarer  Raritäten,  als  Gemälden  von  «Raffael»  u.  f.  w.  zu  überlaffen. 

Dies  war  der  Fall  bei  England,  ItaUen,  Rufsland,  theilweife  auch  bei  der 
Schweiz  u.  a.  Allerdings  bot  der  für  den  in  Rede  flehenden  Zweck  fchliefslich 
übrige  Raum  keine  Möglichkeit  zu  halbwegs  genügender  Entfaltung  — •  und  fo 
war  es  nur  dem  blofsen  Zufall  zu  danken,  wenn  der  Befucher  am  Ende  doch 
noch  hie  und  da  ein  bemerkenswertheres  Stück  notiren  konnte. 

Die  Schuld  dafür,  dafs  dies  fo  und  nicht  anders  gekommen  ift,  trifft  einzig 
und  allein  die  Generaldirection.  Die  Befitzer  von  alten  Kunflwerken,  die  ja  nicht 
wie  andere  Ausfteller  an  dem  ZurfchauRellen  ihres  Eigenthums  irgend  ein 
directes  und  materielles  Intereffe  haben  konnten,  zogen  fich  alsbald  verflimmt 
zurück,  als  fie  von  der  Art  der  «Organifation»  diefes  Theils  der  Ausftellung 
nähere  Kenntnifs  erhielten.  Als  documentarifches  Zeugnifs  der  Unfähigkeit 
der  Leitung  bleibt  der  Nachwelt  der  gedruckte  Kunflkatalog  erhalten.  Ihn  hat 
in  diefem  Berichte  fchon  ein  anderer  Mitarbeiter  in  fchlagender  Weife  gekenn- 
zeichnet ;  für  feine  Brauchbarkeit  fprechen  allein  fchon  zur  Genüge  Bezeichnungen, 
wie:  «Sogenannte  Objets  d'Art»  oder  «Kunftgegenflände  von  alten  berühmten 
Künfllern»  u.  dergl. 

Die  Schwierigkeit,  ja  Unmöglichkeit,  die  in  der  Weltausftellung  befindlichen 
alten  Kunftfachen  von  irgend  einem  Gefichtspunkte  aus  in  ftreng   fyftematifcher 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS.  .  499 


Ueberficht  zu  befchreiben,  zwingt  uns,  hier  diejenige  Betrachtungsweife  zu  wählen, 
die  das  Bemerkenswerthe  auffafst,  wie  es  fich  eben  bietet. 

In  der  öfterreichifchen  Abtheilung  der  Expofition  des  Amateurs,  wie  be- 
merkt, der  reichften  von  allen,  präfentirte  fich  gleich  beim  Eintritte  ein  Theil 
der  CoUection  des  inzwifchen  in  Wien  verdorbenen  Baron  Anfelm  von  Rothfchild, 
des  einzigen  Sammlers,  der  in  hervorragender  Weife  ausgeftellt  hatte.  Die 
Sammlung  Rothfchild  ift  ohne  Frage  die  reichfle  Privatfammlung  von  eigentlichen 
Antiquitäten  —  Gegenftänden  des  Kunftgewerbes  im  weitern  Siime,  —  die  Oefter- 
reich  und  Deutfchland  aufzuweifen  hat,  und  ihre  fonft  nur  von  Wenigen  gekann- 
ten Schätze  waren  da  zum  grofsen  Theile  zu  fehen,  freilich  leider  mit  Ausnahme 
der  überaus  herrlichen  Holz-  und  Elfenbeinfchnitzereien,  die  man  wohl  mit  gutem 
Grunde  den  feuchten  Niederfchlägen  der  Praterauen  in  den  frifch  aufgeführten 
Gebäuden  nicht  ausfetzen  wollte.  Vor  Allem  zogen  die  Blicke  zwei  herrliche 
Rüflflücke  auf  fich:  das  eine,  eine  prächtige  italienifche  getriebene  Rüflung,  aus 
Sturmhaube,  Bruflharnifch  und  rundem  Schilde  beftehend,  das  andere,  ein  runder 
Schild,  reich  getrieben,  mit  überaus  vollendeten  Goldtaufchierungen  vom  Meifter 
Giorgio  Ghisi  geziert,  von  dem  wir  eine  Abbildung  beigeben. 

Die  Kunfl,  das  Eifen  mit  einer  Art  Incruflation  von  edlem  Metall,  Gold  und 
Silber  zu  verzieren,  gelangte  wahrfcheinlich  vom  Orient  aus  nach  Italien,  oder 
kam  wenigflens  durch  Anregung  orientalifcher  Vorbilder  zu  neuer  Aufnahme, 
denn  fchon  aus  dem  Alterthume  her  —  aus  dem  wir  ja  viele  Beifpiele  von 
Silber-  und  Goldincruftation  auf  l^ronze  befitzen  — ■  mochte  eine  ähnliche  tcch- 
nilche  Tradition  flammen.  Die  Behandlung  der  Bronze  ift  übrigens  von  der  des 
Eifens  doch  theilweife  verfchieden.  Lavoro  della  taufia,  alla  damaschina  oder 
all'  azzemina  nannte  man  diefe  Arbeit,  die  im  Wefentlichen  darin  befteht,  dafs 
die  Oberfläche  des  zu  verzierenden  Metalles  (Eifens)  durch  ein  fpitziges  Inftrument 
in  engen  Strichlagen  feilenartig  rauh  gemacht,  hierauf  das  Gold  oder  Silber  in 
Fäden  und  Plättchen  auf  diefer  rauhen  Fläche  mittelft  des  Schlages  eines  leichten 
Hammers  befeftigt,  und  fchliefslich  mit  einem  Polierflahl  oder  ähnlichem  Inftru- 
mente  niedergedrückt  und  geglättet  wird.  So  einfach  diefe  Procedur  ihrem 
Wefen  nach  ift,  fo  erfordert  fie  doch  zur  vollendeten  Leiftung  eine  grofse  Uebung 
und  Gefchicklichkeit.  Unter  den  italienifchen  Künfllern  werden  uns  als  hervor- 
ragende Meifter  diefes  Faches  genannt:  Filippo  Negroli,  Antonio  Biancardi, 
Bernardo  Civo,  u.  a. ;  nur  von  einem  von  ihnen,  von  dem  Venetiancr  Paulus, 
dem  nach  feiner  grofsen  Gefchicklichkeit  in  diefer  Kunft  der  Beiname  Agemi- 
nius  beigelegt  wurde,  ift  bisher  ein  authentifches  Werk  nachweislich  (Gazette  des 
Beaux-Arts,  IX,  pag.  64)  eine  Caffette,  die  feine  Namensbezeichnung  trägt.  Das 
Gegenftück  hierzu  bildet  der  oben  erwähnte  Schild  des  Giorgio  Ghisi  von  Mantua. 
Unfer  Künftler  ift  identifch  mit  dem  berühmten  Kupferftecher ,  der  im  Vereine 
mit  den  übrigen  Genoffen  der  Familie,  der  er  angehört,  die  einfach-edle  und 
ftrenge  Weife  des  Kupferftiches  die  Marcanton  ausgebildet  hatte,  noch  beinahe 
bis  gegen  das  Ende  des  16.  Jahrhundertes  fortführte.  Er  wird  uns  auch  als  her- 
vorragend durch  feine  Arbeiten  in  der  Taufchierkunft  gepriefen.  Der  Maler  und 
Architekt  Giovanni  Batt.  Bert  an  o  gedenkt  in   feinem  Werke  über  die  dunklen 


6S* 


500 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS. 


Schild  von  G.  Ghifi,  aus  der  Sammlung  des  I''reiherrn  Anf.  v.  Rolhfchild. 


und  fchwierigen  Partien  des  Vitruv*)  des  Giorgio  Gliisi  als  eines  „heutzutage 
fehr  feltenen  Mannes  im  Kupferftechen  und  in  der  Kunft  des  Taufchierens  in 
den  verfchiedenften  Arten"**).  Unfer  Schild  nun  trägt  die  volle  Namensbezeich- 
nung: Georgius  de  Ghisys  Mantuanus  MDLIV.  Sie  befindet  fich  in  winzigen, 
aber  vollkommen  deutlichen  Buchftaben  auf  den  Pfeilern  einer  Brücke,  auf  der 
ein  Kampf  vor  fich  geht,  innerhalb  des  kleinen  Figurenfriefes,  der  fich  bandartig 
um  das  in  der  Mitte  befindliche  Mcdufcnhaupt  fchlingt.  Es  ift  wunderbar,  wel- 
chen Grad  technifcher  Vollendung  hier  Giorgio  erreicht  hat,  wenn  auch  der  Stil 
der  Ornamente,  und  namentlich  die  Zeichnung  und  Ausführung  der  getriebenen 
Figuren  und  Verzierungen  nicht  den  Reiz  der  feinen  Grazie  befitzt,  der  den 
Werken  aus  der  früheren  Blüthczeit  der  italicnifchcn  RenailTance  eigen  ift.  Er- 
ftaunlich  ift  auch  der  Reichthum  der  Compofition,  die  die  letzten  Details  belebt 
und  für  die  ein  kaum  zollbreiter  Raum  noch  immer  genügend  ift,    um    figuren- 

•)  Gli  oscuri  e  difllcili  paffi  dell'  opera  di  Vitruvio  da  Giov.  BatL  Bertano.     Mantova    1558.   Fol. 
*)  MelTer  Giorgio  Mantuano,  uomo  veramente  oggidi  raro  al  modo  per  intaliar  rami  c  lavorar  all' 
azamina  di  piu  varie  sorte. 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS.  501 


reiche  Darftellungen  darauf  anzubringen:  Alles  in  der  befchriebenen  Weife  der 
Taufchicrung  ausgeführt,  fo  exact  und  genau,  dafs  bei  den  kaum  6 — 8  Linien 
grofsen  Figürchen  die  Physiognomie  und  Modellirung  noch  völlig  klar  ange- 
deutet erfcheint.  Es  ift  eines  jener  Werke  der  alten  Zeit,  an  dem  die  Freude 
fo  recht  fichtbar  wird,  die  der  Künftler  bei  feinem  Schaffen  gehabt.  —  An  den 
Harnifchen  und  Waffen,  welche  Spanien  in  feinem  Pavillon  ausgeftcllt  hatte  — 
zum  Theil  waren  es  italienifche,  zum  Theil  deutfche  Arbeiten,  — •  konnte  man 
ebenfalls  ganz  vorzügliche  Taufchierungen  fehen,  wenn  diefelben  auch  nirgendwo 
die  Vollkommenheit  der  Arbeit  des  Mantuaners  aufwiefen.  Die  Taufchicrung 
war  überhaupt  das  edelfte  und  wohl  auch  koftfpieligflie  Verzierungsmittel  des 
Eifens.  Die  vielfach  im  Gebrauche  gewefene  Aetzung  und  Vergoldung  auf  ge- 
ätztem Grunde  erfcheint  dagegen  doch  nur  wie  ein  billiges  Surrogat. 

Das  Anbringen  von  Gold  und  Silber  in  Plättchen  und  Fäden  auf  Metall 
kann  noch  in  einer  andern  als  der  befchriebenen  Weife,  die  man  aber  ebenfalls 
Taufchieren  oder  Damasciniren  nennt ,  ausgeübt  werden.  Diefe  zweite  Manier 
befteht  darin,  dafs  die  Zeichnung  der  bcabfichtigten  Verzierung  vorcrft  in  dem 
Metalle  mit  leicht  untcrfchnittenen  Rändern  ausgravirt  und  hierauf  das  Gold  in 
diefe  fo  entftandenen  Canäle  eingedrückt,  und  das  Ganze  fchliefslich  polirt  wird. 
Ornament  und  Grundfläche  liegen  dann  hier  in  einer  Ebene,  während  bei  der 
erfteren  Manier  das  aufgelegte  Edelmetall  immer  ein  klein  wenig  erhöht  ift. 
Dies  ift  das  Princip,  nach  dem  z.  B.  die  antik-römifchen  Incruftationen  der 
Bronze  gefertigt  find,  und  fo  arbeiten  die  Chinefen  und  Japanefen  heute  noch, 
wie  ehemals,  ihre  Bronzevafen  und  Gcräthc. 

In  Vorderafien  war  das  Taufchieren  mittclft  Auflegen  auf  eiferne  Excipienten 
das  allein  gebräuchliche,  während  auf  weicheren  Metallen  die  zweitbefchriebcne 
Gattung  vielfach  angewendet  wurde.  Der  Helm  Boabdil's,  des  letzten  Mauren- 
königs, der  als  ftolze  Trophäe  in  der  erwähnten  fpanifchen  Waffenausftellung 
prangte,  ift  ebenfalls  fo  geziert.  Er  ift  von  gelbem  meffingartigem  Metall  und 
in  vielen  Partien  mit  einem  feinen  Ornamente  von  Bandverfchlingungen  bedeckt. 
Innerhalb  diefer  Bänder  befindet  fich  das  eingelegte  Metall,  ähnlich  wie  wir  es 
an  gewiffen  alten  klcinafiatifchen  und  infelgriechifchen  meffingenen  Schüffein  und 
Kannen  angebracht  finden.  Im  Schatze  des  Sultans,  der  im  türkifchen  Hofe  in 
einem  wohlverwahrten  eifernen  Gehäufe  gezeigt  wurde,  fah  man  auch  eine  An- 
zahl flafchen-  und  becherartiger  Gefäfse  von  fehr  einfacher,  fogar  plumper  Form, 
gefertigt  aus  Zinn  (oder  vielleicht  einer  Zinnlegirung)  und  mit  Gold  eingelegt. 
Es  ist  fchwer,  diefen  Arbeiten,  die  keinen  fcharf  ausgefprochenen  Stilcharakter 
befitzen,  Zeit  und  Art  der  Entftehung  anzuweifen.  Indeffen  dürfen  wir  fie  kaum 
für  Hervorbringungen  einer  fehr  entlegenen  Epoche  halten,  —  wie  denn  über- 
haupt die  Objecte  im  türkifchen  Schatz  niciftens  verhältnifsmäfsig  neuern  Datums 
find,  —  wenigftens  von  den  in  Wien  ausgeftellt  gewefenen  Stücken  fehlen  Nichts 
über  das   17.  Jahrh.  hinauszugehen. 

Die  reichfte  und,  wenn  man  fo  will,  die  vollftändigfte  Repräfentation  ihrer 
verfchiedenen  Epochen  hatte  auf  der  Expofition  des  Amateurs  jedenfalls  die 
Goldfchmiedekunft  gefunden,  eine  Repräfentation,  die  aber  keineswegs  durch  eine 
bequeme  oder  überfichtliche  Anordnung  unterftützt  ward.    Die  Plan-  und  Syftem- 


502 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS. 


lofigkcit  der  Leitung  hatte  hier  wie  anderwärts  ein  an  fich  vortreffliches  und 
Ichrrciciics  Material  zu  einer  blofsen  Augenweide  der  blöden  Schaulufl  herabge- 
würdigt. Das  gröfste  Contingent  an  kirchlichen  Geräthen  des  Mittelalters  lie- 
ferten in  der  öfterreichifchen  Abtheilung  die  Stifte  von  Klofterneuburg,  Melk, 
St.  Paul  in  Kärnthen,  Kremsmünfter,  St.  Peter  in  Salzburg  u.  A.  Die  Freunde 
mittelalterlicher  Kunft  vermochten  hier  fo  manches  berühmte  Werk  zu  finden, 
das  ihnen  durch  Publication  und  Befchreibung  längfl  bekannt  und  vertraut  war. 
Auch  für  das  Studium  namentlich  der  gothifchen  kirchlichen  Goldfchmiedekunft 
gab  CS  da  gar  lehrreiche  Beifpiele  an  Kelchen,  Monftranzen  und  Reliquiarien. 


Taffilo-Kelch  aus  Kremsmünfter. 


Speifekelch  aus  Stift  Wilten. 


Die  Reihe  eröffnete  eines  der  alterten  mit  Sicherheit  datirbaren  Werke  die- 
fer  Gattung,  jedenfalls  wohl  der  ältefl-bekannte  Kelch  in  Deutfchland,  nämlich 
der  kupferne  Taffilo-Kelch  aus  Kremsmünfter,  ein  Gefchenk  des  Herzogs  Taffilo 
an  das  Klofter,  das  er  JT]  gegründet  hatte ').  Roh,  ungegliedert,  wie  embryonal, 
find  die  Formen  diefes  Geräthes,  das  vielleicht  noch  direct  einen  antiken  Trink- 
becher zum  Vorbilde  hat.  Bruftbilder  Chrifti  und  der  Apoftel  befinden  fich 
darauf,  gleich  den  reichen  Ornamenten  tief  und  energifch  in  das  Metall  g^ 
fchnitten,  doch  von  kunftlofer  Hand,  welche  die  byzantinifchen  Vorbilder  der  Figu- 
ren nur  wie  aus  dunkler  Erinnerung  kannte.  Mit  der  Unbehilflichkeit  der  Figu- 
ren contraftirt  die  verhältnifsmäfsige  Leichtigkeit  der  Zeichnung  der  Ornamente. 
Es  find  Bandverfchlingungcn ,  Blattornamentc  und  Linfenfchnitte  von  ziemlich 
ausgeprägt  nordifchem  Charakter;  fie  mochten  daher  dem  Verfertiger  ungleich 
geläufiger  gewefen  fein,  als  die  fremdländifchen  byzantinifch-römifchen  Geftalten 
(f.  die  Abbildung). 

Dem  Taffilo-Kelch  fchliefst  fich  zunächft,  wenn  auch  nicht  unmittelbar  in 
•)  Der  Kelch  trägt  die  Infchrift:  „Tassilo  dux  fortis  Luitpirc  virga  rcgalis". 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS. 


503 


Bezug  auf  das  Alter,  fo  doch  in  Rücksicht  auf  hiftorifchen  Kunftwerth  eine 
Reihe  von  fogenannten  Speifekelchen  an,  d.  h.  grofsen  Kelchen,  wie  fie  im 
im  Gebrauche  waren,  als  auch  noch  die  Laien  den  Kelch  empfingen.  Die  vor- 
züglichften  darunter  find:  der  aus  St.  Peter  in  Salzburg  in  getriebener  Arbeit 
und  der  aus  Stift  Wüten  in  Tirol  mit  reichem  Schmuck  von  niellirten  Gra- 
virungen  (f.  die  Abbildung). 

Die  vortreffliche  Ausführung  der  eingeflochenen  Zeichnung  bei  letzterem 
mit  ihren  klaren,  fefl;  umfchriebnen  Contouren  fleigert  fich  namentlich  in  der 
Mitteldarflellung  der  Patene,  den  heiligen  Frauen,  die  zum  Grabe  Chrifti  kom- 
men, zu  wahrhafter  Grofsartigkeit,  und  nur  die  Beigabe  der  im  Körperverhältnifs 
zu  den  übrigen  handelnden  F'iguren  gar  zu  winzigen  fchlafenden  Kriegsknechte 
gemahnt  an  die  kindliche  Kunfl:  der  Frühzeit  des  I2.  Jahrhunderts.  Das  Niello 
mit  feinem  zarten  silbergrauen  Ton  bildet  einen  feinen  Gegenfatz  zu  dem  Schim- 
mer des  Metalles,  es  hebt  die  Darfteilung  genügend  hervor,  ohne  die  Form- 
wirkung des  verzierten  Gegenftandes  zu  alteriren,  wie  dies  etwa  das  bunte 
Email  thut. 

Die  fpätere  Zeit  der  Renaiffance  hat  das  Niello  aufser  Uebung  gebracht, 
nachdem  es  in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  namentlich  in  Italien  zu 
einer  hohen  Stufe  der  künftlerifchen  Ausbildung  gebracht  worden  war,  gepflegt 
von  Meiftern  wie  Maso  Finiguerra,  Antonio  PoUajuolo,  Giovanni  di  Matteo  Dei 
und  Marc  Anton  Raimondi.  Während  aber  die  mittelalterlichen  Niellowerke, 
wie  das  vorhin  befchriebene,  meiftens  blofs  Contourzeichnungen  find,  bei  denen 
mit  einfachen  Linien  nur  die  Umriffe  und  die  hauptfächlichften  Innenformen  ange- 
deutet wurden,  fehen  wir  fie  in  der  fpäteren  Zeit  als  getonte  Grifaillen  behandelt, 
bei  denen  den  Grund  bald  das  metallifche  Silber,  bald  die  fchwarze  Niellomaffe 
felbft  bildet,  auf  der  in  letzterem  Falle  die  Darftellung,  ausgefpart,  filberweis  fich 
hervorhebt. 

Unter  Nr.  29  und  31  hätte  Baron  Rothfchild  zwei  koftbare  Niellotafeln  von 
je  etwa  15  Zoll  Höhe  und  10  Zoll  Breite  ausgeftellt.  Diefe  Tafeln  bildeten 
urfprünglich  die  Decken  eines  Evangeliariums  und  zählen  in  Bezug  auf  den  Reich- 
thum  der  Ausführung,  auf  ihre  Gröfse,  wie  nicht  minder  in  Rücksicht  auf  ihren 
Kunftwerth  zu  den  allerbedeutendften  italienifchen  Niellowerken  des  15.  Jahr- 
hunderts, die  wir  kennen.  Jede  der  Tafeln  befteht  aus  einer  Anzahl  von  ein- 
zelnen ftreifenförmigen ,  dreieckigen  und  quadratifchen  Platten,  die  ehemals 
durch  ein  jetzt  verlorenes  metallenes  Rahmenwerk  zufammengehalten  waren.  Die 
mittelfelder  find  aus  über  tick  geftellten  Quadraten  gebildet,  auf  deren  einem 
die  Geburt,  auf  deren  anderm  die  Taufe  Chrifti  dargeftellt  ift,  darüber  in  läng- 
lichen Streifen  Verkündigung  und  Abendmahl,  darunter  die  Anbetung  der  Könige 
und  Auferweckung  des  Lazarus.  Die  Einfaffung  bilden  ürnamentfriefe  mit 
muficirenden  Engeln  zwifchen  Wappenfchildern  mit  dem  Cardinalshut.  Es 
ift  das  Wappen  des  Giovanni  Balbo,  Bifchofs  von  Albano,  der  1467  den  Purpur 
erhielt*).  Dem  allgemeinen  Kunftcharakter  nach  gehört  diefes  unvergleichliche 
Werk  entfchieden  der  Florentiner  Schule  an,  und  feine  Datirung  ift  durch  die 
eben  erwähnte  Jahreszahl  ungefähr  gegeben ;  aber  einen  Meifternamen  dafür  auch 
•)  Cicognara,  Memorie  fpettanti  alla  floria  ilella  calcogralia,  p.  60. 


504 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS. 


nur  mit  einiger  Wahrfcheinlichkcit  zu  nennen,  erfcheint  unmöglich.  Einige  Aehn- 
lichkeit  mit  dem  Stile  des  Sandro  Botticelli  ift  allerdings  vorhanden  und  be- 
fonders  in  der  Verkündigung  hervortretend;  aber  wir  wiffen  ja,  wie  fehr  gerade 
die  äufseren  Eigenthümlichkeiten  der  Spitzen  einer  Kunftfchule  alsbald  in  allen 
Leiftungen,  namentlich  der  Kleinkünfte  zum  Vorfchein  kommen.  Daher  wird 
der  gefchickte  Florentiner  Goldfchmied,  der  jene  Niellen  unter  dem  Kinfluffe  der 
Kunft  Sandro's  fertigte,  uns  vielleicht  immer  unbekannt  bleiben,  wie  die  Urheber 
fo  vieler  anderer  ähnlicher  Refte,    bei  denen   die   Individualität  des  Verfertigers 


Kelch  aus  Stift  St.  Paul  in  Kürnlhen,  14.  Jahrb. 


Kelch  aus  Stift  AdmonI,   15    Jahrb. 


doch  nicht  genug  fpecielle  Kennzeichen  hervorgebracht  hat,  um  fie  von  ihrer 
Umgebung  deutlich  zu  fondern.  Die  technifche  Vollendung  entfpricht  völlig  der 
Höhe,  welche  die  gröfsten  Meifter  des  Niello,  Finiguerra  oder  die  Pollajuoli, 
damals  erreicht  hatten.  Jedoch  nur  die  Sucht  nach  einer  bequemen  Taufe  könnte 
dazu  verleiten,  den  Rothfchild'fchen  Niellen  einen  diefer  Namen  beizulegen. 

Aufserhalb  Italiens  wurde  häufig  eine  einfache  Gravirung,  deren  Vertiefungen 
man  nachher  mit  fchwarzer  Farbe  auszufüllen  pflegte,  zur  Erzielung  eines  dem 
Niello  nahe  kommenden  Effectes  angewendet.  Die  geftochenen  Blätter  eines 
Martin  Schongauer,  Israel  van  Mekenen  und  anderer  Künfller,  die  am  Ende  des 
15.  Jahrhunderts  eine  fo  grofse  Verbreitung  erlangten,  dienten  hiebei  häufig  als 
Vorlagen,  die    mehr  oder  weniger   treu   copirt  wurden.     Ein   Hausaltärchen  aus 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS. 


505 


K  t    rm  .  iiiixi 


Silberner  Becher  aus  der  Sammlung  des  Freiherrn  Anf.  v.  Rothfchild. 


S4 


500  DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS. 


dem  Stifte  St.  Peter  in  Salzburg,  urkundlich  1494  von  einem  Goldfchmiede 
Berthold  in  Salzburg  gefertigt,  zeigt  auf  der  Mitteldarftellung  der  Rückfeite  die 
mit  geringen  Veränderungen  verkleinerte  Nachbildung  eines  Kupferflichs,  das 
Abendmahl  darfteilend,  von  dem  niederdeutfchen  Meifter,  der  gewöhnlich  der 
Meifter  mit  dem  Weberfchiffchen  oder  wohl  richtiger  der  Meifter  von 
ZwoUe  genannt  wird.     (Hartfeh,  Vol  VI.  pag.  90). 

Unter  den  Werken  der  kirchlichen  Goldfchmiedekunft  haben  wir  noch  in 
der  oefterreichifchen  und  böhmifch-mahrifchen  Abtheilung  eine  Anzahl  guter 
Beifpiele  des  gothifchen  Stiles  aus  der  fpätern  Zeit  des  14.  und  aus  dem  15.  Jahr- 
hundert zu  nennen,  Kelche,  Monftranzen  und  monftranz-ähnliche  Reliquiarien. 
Den  einfacheren  Aufbau  und  die  ftrengeren  Formen  der  früheren  Zeit  zeigt  ein 
in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  mit  eingeftochenen  Darftellungen  und 
Ornamenten  am  Fufs  und  Knauf  gezierter  Kelch  aus  dem  Klofterfchatze  von 
Admont  (f.  die  Abbildung).  Der  Kelch  aus  Sanct  Paul  in  Kärnthen,  den  wir 
den  Lefern  ebenfalls  in  der  Abbildung  bringen,  ganz  mit  reichem,  durchbrochen 
gearbeitetem  Blattwerk  und  Figuren  überdeckt,  ift  eines  jener  überaus  anmuthigen 
und  zierlichen  Werke,  wie  fie  das  endende  15.  Jahrhundert  noch  in  äufserlich 
gothifchen  Motiven,  jedoch  beinahe  ganz  in  der  Empfindungsweife  der  Renaiffance 
hervorgebracht  hat.  Ein  anderes  phantaftifch-reizvoUes  Werk  diefer  Uebergangs- 
epoche  ift  der  in  feiner  Art  berühmte  und  oft  abgebildete  grofse  ftolze  Pokal, 
den  der  Tradition  nach  Mathias  Corvinus  der  Stadt  Wiener-Neuftadt  gefchenkt 
haben  foll,  und  den  diefe  Gemeinde  noch  jetzt  bewahrt. 

Die  eigentliche  Renaiffance  und  die  fpäteren  Stilwandlungen  der  Gold- 
fchmiedekunft waren  durch  eine  Anzahl  hervorragender,  leider  durch  ihre  Aus- 
ftellung  zerftreuter  und  dadurch  in  ihrem  Effecte  beeinträchtigter  Werke  vertreten. 
Die  im  Uebrigen  nicht  allzu  glänzend  ausgeftattete  Schweizer  Abtheilung  der 
Expofition  des  Amateurs  enthielt  eine  fchöne  Sammlung  von  Pokalen  und  Zier- 
gefäfsen  aus  dem  Befitze  der  Bürgergemeinde  in  Bern  und  einiger  Zünfte  der- 
felben  Stadt,  die  offenbar  beffer  als  ähnliche  Corporationen  anderwärts  ihr  alt- 
überkommenes Erbe  zu  bewahren  und  zu  ehren  wiffen.  Die  meiften  diefer 
Stücke  gehören  der  zweiten  Hälfte  des  16.  und  dem  17.  Jahrhundert  an,  die 
heften  und  vorzüglichften  darunter  der  Zeit  um  etwa  1580,  und  nicht  leicht  läfst 
fich  ein  prächtigeres  Enfemble  denken  als  eine  Zufammenftellung  folcher  Geräthe 
mit  ihrem  reichen  Leben  von  aus-  und  einlaufenden  Formen,  mit  ihrem  üppigem 
Zierrath,  der  jedem  Punkt  der  Fläche  Bewegung  und  Bedeutung  verleiht.  Nicht 
blos  um  ihm  den  Schein  eines  gröfseren  Werthes  zu  geben,  fondern  aus  guten, 
Innern  künftlerifchen  Gründen  haben  die  alten  Goldfchmiede  das  Silber  in  bei- 
nahe allen  Fällen  im  Feuer  vergoldet.  In  den  glatten  Partien  von  heftigem, 
farblofem  und  rohem  Reflexe,  grau  und  matt,  wenn  cifelirt  oder  getrieben,  bot 
das  Silber  wenig  verwerthbare  Eigenfchaften  für  eine  künftlerifche  Sinnesrichtung, 
die  vor  Allem  eine  fatte  und  energifche  Farbenwirkung  im  Auge  hatte.  Es  ift 
ferner  merkwürdig,  zu  fehen,  wie  beifpielsweife  in  den  Niederlanden,  als  in  der 
Kunft,  und  fpeciell  der  Malerei,  die  direct  aus  der  Beobachtung  der  Natur  ge- 
nommenen, gebrochenen  Farben  und  grauen  Töne  Eingang  fanden,  diefe  auch 
alsbald  für  die  Stimmung  felbft  der  kunftgewerblichen  Erzeugniffe  beliebt  wurden, 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS.  507 


wie  dies  z.  B.  darin  feinen  Ausdruck  findet,  dafs  das  hoUändifche  Silbergefchirr 
im  17.  Jahrhundert  im  Gegenfatz  zu  früheren  Zeiten  beinahe  durchweg  in  feiner 
natürlichen  Farbe  belaffen  wird,  ähnlich  dem  Verhältnifs  der  Delfter  Faience 
zur  Majolika  und  zur  emaillirten  älteren  Poterie. 

Die  runde  Schlüfsel  mit  dem  dazu  gehörigen  Pocal,  (Nr.  827,1)  Eigenthum 
der  Bürgergemeinde  Bern  ift  ein  Schauftück  erften  Ranges,  in  der  Mitte  ganz 
bedeckt  mit  getriebenen  Darflellungen  aus  der  Gefchichtc  der  Stadt  in  drei  Seg- 
menten: INITIVM  BERNE,  PR^LIVM.  AD.  MORTENAV.,  PVGNA.  AD. 
LAMPEN.,  dazwifchen  reiches  Ornamentenwerk  im  Stile  des  Virgil  Solis  und 
ähnlicher  Kleinmeifter  der  fpätern  Zeit.  Bunte  Harzfarben  als  eine  Art  Surro- 
gat der  Emaillirung,  und  cabochon-artig  gefchliffene  Bergkryftallfteine,  die  an 
der  Innenfläche  mit  leuchtenden  Farben  gemalte  Wappen  tragen,  fteigern  noch 
den  üppigen  Effect  diefes  Kleinodes.  Der  Katalog,  genau  und  fachlich  wie  immer, 
nennt  diefc  Bemalung  des  Bergkryflalls  „mit  glühenden  Farben  auf  Metallgrund 
aufgetragen."  Es  ift  aber  jene  eigenthümliche,  dem  Belegen  der  Spiegel  ver- 
wandte Technik,  die  auf  Glas  und  Bergkryflall  angewendet  wurde,  der  Art,  dafs 
die  Belegung  mit  Gold  und  Farben,  von  vorne  gefehen,  als  Malerei  hinter  dem 
Glafe  erfcheint.  In  Frankreich  nennt  man  derartige  Gläfer  Verres  eglomises; 
eine  deutfche  Benennung  ift  mir  dafür  nicht  bekannt.  Die  Technik  ifl  übrigens 
fehr  einfach  und  wäre  der  künfllerifchen  Wiederaufnahme  in  hohem  Grade  werth. 
Heutzutage  pflegt  man  nur  noch  Auffchriften,  Schilder  u.  dgl.  auf  oder  vielmehr 
hinter  Glastafeln  in  diefer  Weife  zu  malen  —  alte  derartige  Arbeiten  finden  wir 
aber  oft  von  grofser  Feinheit,  von  den  antik-römifchen  vergoldeten  Giäfern  an- 
gefangen bis  tief  in  das   18.  Jahrhundert  hinein. 

Eine  weitere  glänzende  Folge  von  „Scheuren"  und  „Staufen,"  hohen  Pocalen 
und  Doppelbechern,  (die  aus  zwei  vollkommen  gleichen  Compartimenten  be- 
ftehen,  von  denen  je  einer  den  Fufs  oder  Deckel  bilden  kann)  reihte  fich  würdig 
an  die  Berner  Schüfsei.  Rothfchild  konnte  übrigens  mit  feiner  Collection  von 
Silbergefäfsen  die  harte  Concurrenz  des  Berner  Schatzes,  namentlich  in  Bezug  auf 
Objecte,  die  eine  zarte  Detaildurchführung  zeigen,  noch  immerhin  beliehen.  Wir 
geben  in  der  Abbildung  auf  Seite  505  einen  überaus  zierlichen  Becher  aus 
feiner  Sammlung  mit  fein  getriebenen  Jagdfcenen  in  parallelen  Streifen.  Wie 
die  Wappen  am  obern  Rande  darthun,  mag  auch  diefes  Stück  Schweizer  Ur- 
fprungs  fein. 

In  Bezug  auf  gediegene  Durchführung  fleht  die  Goldfchmiedekunfl  des 
16.  Jahrhunderts  noch  in  inniger  Beziehung  zur  Weife  des  fpätern  Mittelalters; 
neu  hinzugekommen  ifl  aber  die  Fülle  und  der  Ideenreichthum  der  deutfchen 
Renaiffance.  Mit  liebevoller  Sorgfalt  find  die  Reliefs  mit  ihren  Figürchen  und 
die  Friefe  mit  ihrem  Laub-  und  Zierwerk  .behandelt,  und  flets  ifl  der  Künfller 
bemüht,  durch  irgend  eine  „neue  Invention"  jedem  einzelnen  Stück  den  Reiz  der 
Individualität  zu  verleihen.  Allgemeiner  und  handwerksmäfsiger  werden  die  Ar- 
beiten der  Goldfchmiede  im  Verlaufe  des  17.  und  vollends  im  18.  Jahrhundert. 
Den  Mangel  an  künfllerifcher  Erfindung  muffen  Abfonderlichkeiten  erfetzen,  die 
nun  immer  mehr  aufkommen,  wie  die  Verwendung  von  allerlei  Thier-  und 
Menfchengeftalten    zu   Trinkgefäfsen    und   Bechern    und   ähnliche    Phantaftereien. 


M* 


508  DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS. 


Der  Freund  derartiger  Raritäten  konnte  in  der  Ausflellung  Rothfchild's  und  der 
Schweiz  daran  fein  Genüge  finden.  — 

Wir  gehen  nun  zur  Befprechung  einer  Kunftgattung  über,  deren  mannigfaltige 
Phafen  zu  fludiren,  die  Expofition  des  Amateurs  befonders  gutes  Material  bot, 
nämlich  des  Email,  und  wollen  verfuchen,  das  Vcrftreutgewefene  in  allge- 
meinen Zügen,  dem  kunflgefchichtlichen  Entwickelungsgangc  folgend,  zu  be- 
trachten. 

Feuerbeftändige  Körper,  wie  Thon  oder  Metall,  durch  Auffchmclzen  mit  einem 
glasartigen  Uebcrzuge  zu  verfehen,  war  bereits  das  frühcfle  orientalifche  Alter- 
thum  im  Stande ;  der  glafirte  Backflein,  den  wir  in  den  afsyrifchen  Bauten  ange- 
wendet finden,  ifl  fchon  ein  wirkliches  Emailwerk.  Wann  und  wo  aber  die  An- 
wendung des  glasartigen  Ueberzuges  auf  eine  Metallfläche  —  was  man  heut- 
zutage eigentlich  Email  nennt  —  zuerfl  flatthatte,  ift  derzeit  noch  nicht  völlig 
feftgeflellt.  Die  Egypter  fcheinen  diefe  Technik  nicht  gekannt  zu  haben.  An 
anderem  antikem  Schmuck,  römifchem  und  griechifchem,  finden  wir  hie  und  da  eine 
emailartige  Maffe,  jedoch  nur  vereinzelt  und  feiten;  ficher  ifl  aber,  dafs  die  halb- 
barbarifchen  Völker  des  mittleren  Europas  fchon  in  verhältnifsmäfsig  fehr  früher 
Zeit  die  Bronze  mit  oft  überaus  reichen  und  complicirten  Emailornamenten  zu 
verzieren  gewufst  haben.  Möglich  und  wahrfcheinlich  ifl  es,  dafs  fie  diese  Fer- 
tigkeit fchon  aus  ihrer  centralafiatifchen  Heimat  mitbrachten,  und  aus  Afien  hat 
auch  die  Kunfl  des  byzantinifchen  Reiches  die  Emailtechnik  überkommen.  Von 
dort,  von  Byzanz  aus,  läfst  fich  die  Gefchichte  des  Emails  in  ihrer  höchft  interef- 
fanten  Entwicklung  ununterbrochen  verfolgen. 

Das  „email  cloisonne"  oder  wie  man  es  in  neuerer  Zeit  deutfch  zu  nennen 
pflegt,  der  Zellenfchmelz,  charakterifirt  fich  bekanntlich  wefentlich  dadurch,  dafs 
die  Farbencompartimente,  aus  denen  das  Bild  mofaikartig  zufammengefetzt  ift, 
durch  aufgelöthete  dünne  Metall-Lammellen  oder  P'äden  getrennt  find.  Zu  der- 
artigen Werken  fcheint  das  Gold  beinahe  ausfchliefslich  verwendet  worden  zu 
fein,  und  die  Arbeiten  der  byzantinifchen  Ivmailleure  wanderten  als  koftbare  und 
hochgefchätztc  Prachtftücke  weit  in  das  Abendland  hinein,  als  Handelsartikel 
und  als  Gefchenke  der  P'ürften.  Die  Beftandtheile  der  1860  bei  Nyitra  Jvanka 
in  Ungarn  (Neutraer  Comitat)  aufgefundenen  Krone  des  byzantinifchen  Kaifers 
Conftantinos  Monomachos  (1042 — •1052)  hatte  das  Ungarifche  Nationalmufeum 
ausgeflellt.  Es  find  fieben  längliche,  oben  abgerundete  Goldplatten  mit  den 
Figuren  des  Kaifers,  der  Kaiferinnen  Zoe  und  Theodora,  Heiligengeftalten  und 
allegorifchen  Figuren  der  Demuth  und  Tugend*).  Wir  muffen  hier  die  fich  an 
diefe  Refle  knüpfenden  hiflorifchen  Fragen  übergehen,  und  erwähnen  nur,  dafs 
fich  für  fie  beinahe  mit  Sicherheit  die  Datirung  zwifchen  1042  bis  1050  ergiebt; 
die  Feinheit  und  Vollkommenheit  der  Ausführung  ftellt  fie  aber  unter  den  uns 
erhaltenen  byzantinifchen  P.mails  in  die  erfte  Reihe.  Dafs  die  byzantinifche  Email- 
kunft  ihren  Urfprung  im  Orient  hat  und  nicht  aus  einer  Tradition  der  europäifch- 
antiken  Technik  hervorgegangen  ift,  dafür  fpricht  fowohl  der  Charakter  der 
Werke,  und  der  des  Zellenfchmelzes  überhaupt,  der  mit  feinen  die  Farben- 
felder durchziehenden  Mctalllinien  ein  durchaus  orientalifches  Gepräge  trägt,  als 

•)  Bock,  Reichskleinodien,  und  Cliarlcs  de  Linas,  Notice  für  quelques  ^niaux  byzantins. 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS. 


509 


auch  der  Umftand,  dafs  wir  in  der  Goldfchmiedekunfl;  des  europäifchen  Orientes 
und  Vorderafiens  das  Ornamentationsprincip  der  mofaikartigen  Zufammenfetzung 
von  glasartigen-  oder  fteinartigen-Maffen  mittelfl:  netzförmiger  Metalleinfaffungen 
ftets  antreffen.  Derart  ifl;  die  berühmte  fog.  Schale  des  Chusroes  IL,  derart  find 
ferner  die  bekannten  Goldgefäfse  aus  der  Völkerwanderungszeit,  die  bei  Petroffa 


Ornament  vom  Functionsfcliwerl  der 
Stadt  Sleyr. 


Ornament  von  einem  Stadtrichterfchwert, 
datirt   1568.  Mufeuni  in  Linz. 


in  Rumänien  gefunden  wurden  und  auf  der  Parifer  wie  auf  der  Wiener  Aus- 
ftellung  figurirten;  in  gewiffcr  Beziehung  endlich  gehören  auch  jene  egyptifchen 
Schmuckgegenflände  hierher,  bei  denen  die  Zellen  ganz  wie  beim  wirklichen 
email  cloifonne  gebildet  find,  die  ausfüllende  Farbmaffe  jedoch  nicht  eingebrannt, 
fondern  nur  eine  Art  Harzteig  ift. 

Ueberaus  merkwiJrdige  und  namentlich  durch  ihren  Parallelismus  mit  der 
übrigen  Kunftentwicklung  lehrreiche  Wandelungen  vollziehen  fich  in  der  Email- 
kunft  von  der  byzantinifchen  Epoche  an  bis  in  das  17.  Jahrhundert.     Das  byzan- 


510 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS. 


tinifche  cmail  cloifonne  entfpricht  völlig  dem  Kunflfinne,  der  auch  in  den 
Mofaiken  des  Oflreiches  feinen  Ausdruck  fand;  wie  das  Mofaik,  ift  auch  die  ge- 
nannte Gattung  der  Emailmalcrci  ihrer  Technik  nach  nothwendig,  blos  eine  Dar- 
ftellung  in  fchematifchen  Flächencompartimenten;  die  weitere  Aehnlichkeit,  die 
das  Gefüge  des  Mofaiks  mit  den  Zellen  des  Emails  gemeinfam  hat,  ifl  wohl  mehr 
als  eine  äufserlich  zufällige,  und  fcheint  uns  begründet  in  der  gleichfam  desor- 
ganifirenden  Tendenz  der  byzantinifchen  Darftellungsweife. 

Vielleicht  unterftützt  durch  erhaltene  einheimifche  Traditionen,  jedenfalls 
aber  durch  die  Anregung,  die  von  den  byzantinifchen  Werken  ausgegangen  war, 
und  theilweife  vielleicht  auch  durch  griechifche  Künfller  nach  dem  Weflen  ver- 
pflanzt, entwickelt  fich  die  rheinifche  und  Limoufiner  Emailkunft  des  Mittel- 
alters. Neue  und  vereinfachte  technifche  Mittel  kommen  hinzu,  entfprechend 
den  veränderten  künfllerifchen  Zielen.  Das  cmail  champlevc,  das  nun  geübt 
wird,  erlaubt  fchon  einen,  wenn  auch  ftrengen,  doch  fiebern  und  klaren  Zug  des 
Contours,  wie  dies  dem  tiefen  Eingraben  in  das  Metall  entfpricht,  eines  Contours, 
der  aber  nichts  mehr  gemein  hat  mit  der  energielofen  Linie  der  gebogenen 
Goldlamelle  der  Byzantiner.  Auch  die  fonftige  Behandlung  des  Emails  verliert 
den  mofaikartigen  Charakter  und  ifl  fchon  eine  wirkliche  Malerei  mit  einfachen 
Localfarben,  oder  eine  colorirte  Zeichnung  in  farbigen  Strichen  mit  angedeuteter 
Schattirung.  Die  ftehcngelaffene  Metallfläche  bildet  den  fchinimernden  Hinter- 
grund gleich  dem  Goldgrund  der  Tafelbilder. 

Als  ihre  köftlichfte  Perle  enthielt  die  Expofition  des  Amateurs  das  vielleicht 
bedeutcndfte  Monument  der  Emailkunft  des  Mittelalters,  das  auf  uns  gekommen 
ift,  den  berühmter  Verduner  Altar,  den  das  Stift  Klofterneuburg  bei  Wien  in 
der  Kapelle  des  h.  Leopold  bewahrt,  und  den  man  auf  der  Ausftellung  zum 
erften  Male  im  vollen  Tageslicht  zu  fehcn  Gelegenheit  hatte.  Durch  den  fich 
infchriftlich  nennenden  Künftler  Nicolaus  von  Verdun  im  Jahre  1181  urfprüng- 
lich  als  Ambonenverkleidung  gefertigt,  erlangte  er  erft  bei  Gelegenheit  einer 
theilweifen  Renovirung  der  durch  einen  Brand  1322  entftandenen  Schäden  feine 
heutige  Beftimmung  als  Altarauffatz.  *)  Das  Ganze  ift  zufammengefctzt  aus  51 
etwa  zehn  Zoll  hohen  Tafeln,  von  denen  jede  eine  befonderc  Darftellung  ent- 
hält, parallele  Scenen  des  alten  und  des  neuen  Teftamentes,  dazwifchen  Infchrift- 
ftreifen  und  Ornamentenfriefe  in  reicher  Abwechfelung  höchft  reizender  geome- 
trifcher  Mufter.  Die  Zeichnung  der  Figurenbilder,  in  breiten  Strichen  in  das  Metall 
eingravirt,  und  lediglich  mit  blauer  und  rother  Farbe  ausgefüllt,  zeigt  trotz  des 
verhältnifsmäfsig  geringen  Mafsftabes  in  einzelnen  Compofitionen  eine  ernfte 
Grofsartigkeit,  fo  in  der  Darftellung  der  Königin  von  Saba,  in  andern  eine  wun- 
derbar lebendige  und  doch  fo  ftilvolle  Energie  und  Kraft  der  Zeichnung,  wie 
in  Samfon  mit  dem  Löwen  oder  im  Jüngften  Gericht.  Antike  Reminiscenzen 
verweben  fich  in    merkwürdiger  Weife   mit  der  hervortretenden  Unbehilflichkeit 


•y^abei  wurden  fcchs  neue  Emaillafeln  »ml  die  kuuftgefchiclitlich  höchft  inlerelTaiitcn  Malereien 
auf  der  RUckfeite  hinzugefügt,  rrobfl  Stephan  von  Syrendorf  veranlafsle  dicfe  Wiederherftellung:  „Er 
fchueff  dafs  man  die  fchon  lafTln  gehn  wien  füret  vnder  die  goldtfchmit  die  vcrneuertcn  fi  wider"  .  .  etc. 
Ilcider  und  Eitelberger,  Kunfldenknialc;  dann  die  Spccialpublicalionen  von  Arnclh,  Heider  und  Ca" 
mefnia. 


r 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS.  511 


und  der  mittelalterlichen  Aufifaffung,  die  Formen  mehr  conftruirend  aneinander- 
zureihen als  organifch  zu  verbinden.  Noch  verfchiedene  andere,  wenn  auchfelbfl- 
verfländlicli  weitaus  an  Bedeutung  gegen  den  Kloflerneuburger  Altar  zurück- 
llehende  Beifpiele  der  mittelalterlichen  Emailtechnik  hatte  die  Ausftellung  aufzu- 
weifen,  fowohl  an  Arbeiten  der  rheinifchen  als  auch  an  einzelnen  der  Limoufmer 
Schule.  Wir  nennen  von  den  erfleren  ein  befonders  zierliches  Ciborium  von 
Klofterneuburg  und  ein  Reliquiar  aus  dem  Schatze  deffelben  Stiftes,  von  den  in 
Metallarbeit,  P'arbenwahl  und  Ausführung  des  Emails  gewöhnlich  gegen  die 
rheinifchen  zurückftehenden  Limoufmer  Werken  ein  Reliquiar  des  Stiftes  Krems- 
münfler. 

Der  Kunflentwickelung  des  fpäteren  14.  und  des  15.  Jahrhunderts  konnte 
das  Email  mit  den  technifchen  Mitteln,  die  das  ^mail  champleve  bot,  direct  nicht 
folgen;  wir  fehen  es  eine  Zeitlang  vom  Schauplatze  der  Uebung  verfchwinden, 
bis  neue  technifche  Behelfe  herangezogen  waren,  um  die  Anforderungen  nach 
einer  mehr  realiftifchen  und  malerifchen  Darftellungsweife  zu  erfüllen.  Diefe  bot 
zunächfl  das  nun  aufkommende  „durchfcheinende  Reliefemail"  (email  trans- 
lucide  sur  relief).  Die  Modellirung  und  Rundung  der  Körperformen  ift  bei  diefer 
Emailgattung  fchon  in  bedeutenderem  Grade  möglich.  Sie  wird  dadurch  erzielt, 
dafs  die  Oberfläche  des  zu  emaillirenden  Metalles  in  einer  Art  feichtem  Relief 
gearbeitet  ift,  welches  durch  die  darüber  gebreitete  Schichte  des  (nicht  mit  Zinn- 
afche  verfetzten)  durchfcheinend  gelaffenen  Emailfluffes  mit  der  Abvyechfelung 
von  Höhe  und  Tiefe  wie  Licht  und  Schatten  wirkt.  Manche  italienifchen  Gold- 
fchmiede  des  15.  Jahrhunderts  excellirten  in  diefer  Kunftgattung,  an  ihrer  Spitze 
Meifter  wie  die  Pollajuoli  und  Finiguerra;  aber  auch  Deutfchland  lieferte  in  die- 
fer Art  vortreffliche  Werke.  Auf  der  Ausftellung  war  das  translucide  Email 
vertreten  durch  ein  kleines  Altärchen  mit  Scenen  aus  der  Paffionsgefchichte 
(Nr.  35  der  oefterr.  Abth.),  eine  deutfche  Arbeit  aus  dem  Anfange  des 
15.  Jahrh.  und  ein  in  der  ungarifchen  Abtheilung  befindliches  Crucifix,  welches 
in  eckigen  Feldern  Bilder  Chrifli  und  der  Evangeliften  enthält. 

Der  Umftand,  dafs  das  durchfcheinende  Reliefemail  nur  auf  einer  Unterlage 
von  edlem  Metalle  und  felbft  da  nur  mit  einer  befchränkten  Farbenfcala  an- 
wendbar ift  — ■  fo  können  z.  B.  Fleifchtöne  blos  mittelft  einer  blafsvioletten 
Färbung  ausgedrückt  werden  — •  andererfeits  die  verhältnifsmäfsig  geringe  Solidität 
derartiger  Werke,  kurz  das  Streben  nach  einer  gröfsern  malerifchen  und  der 
eine  folche  ermöglichenden  technifchen  Vollkommenheit  führte  bald  zu  weiterer 
Ausbildung.  Wiederum  kehrte  man  zur  Anwendung  opaker  Farben  zurück,  aber 
man  hatte  inzwifchen  gelernt,  fie  mit  Sicherheit  neben  einander  zu  fetzen,  ohne 
trennende  Metallftege  nöthig  zu  haben;  die  Palette  wurde  reicher  an  Nuancen, 
und  die  Emaillirkunft  entwickelte  fich  nun  zur  wirklichen  Email  maierei.  Mit 
vielen  Zwifchenftufen  und  Uebergängen  vom  Relief-  zum  Maleremail  vollzieht 
fich  diefe  Wandlung,  zunächft  in  den  Werkftätten  der  Florentiner  Goldfchmiede,  bis 
weiterhin  für  das  Maleremail  die  Stadt  Limoges  der  nahezu  ausfchliefsliche  Sitz 
diefer  Uebung  wird.  So  laffen  die  italienifchen  Emailleure  dem  Hintergrunde  und 
den  Gewändern  noch  den  edelfteinartigen  Effect  des  durchfcheinenden  Schmelzes 
und  beginnen  nur  Fleifchtöne  und  Nebendinge   naturwahr  zu   färben,  bis  diefer 


512 


DIE  EXl'OSITION  DES  AMATEURS. 


Trium])li  der  Liebe,  Relief  vom   Grazcr  Elfeiibcinfchrcin. 

Realismus  immer  weiter  ausgedehnt  wird,  während  die  Schule  von  Limoges  damit 
beginnt,  ein  vollflimdiges  Gemälde  in  opaken  Schmelzfarben  herzuftellen  und 
nur  für  einzelne  Partien  die  leuchtenden  filberunterlegten  Farben  beibehält. 

Vom  letzten  Drittel  des  15.  Jahrhunderts  an  nimmt  Limoges  die  vornehmfte 
Stelle  ein  in  der  Verfertigung  aller  Arten  emaillirter  Tafeln  und  Geräthe, 
fo  däfs  fpäterhin  für  alle  derartigen  Arbeiten  der  Name  diefes  Verfertigungs- 
platzes die  geläufigfte  Bezeichnung  ward.  Eine  Anzahl  Künfllerfamilien  wirken 
hier  neben  und  nacheinander,  oft  in  vielen  Generationen,  und  werden  je  zu  Re- 
präfentanten  gewiffer  Stileigenthümlichkeiten  und  Unterarten  der  Emailmalerei, 
fo  die  P^nicaud,  die  Limoufin,  die  Raymond,  die  Cour  oder  De  Court.  Die 
Sammlung  des  Barons  Anfelm  von  Rothfchild  hatte  zur  Ausftellung  das  Haupt- 
contingent  an  Limoufuier  Emails  geliefert.  Den  ganzen  Reichthum,  deffen  die 
Palette  der  Schmelzfarbenmaler  fähig  war,  fehen  wir  auf  einer  grofsen  ovalen 
Platte  vereinigt,  die  den  Durchzug  durch  das  rothe  Meer  darflellt  (Oefterr.  Abth.  7a.) 
Der  Katalog  fchreibt  fie  einem  „Jan  Courtois"  zu,  der  richtig  gefchrieben  Jehan 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS. 


513 


Triumph   Chridi,   Relief  vom   Grazer  Klfenbeinrclircin. 

Courteys  heifsen  müfste,  wenn  überhaupt  ein  LimoufinerEmailleur  diefes Namens 
je  exiftirt  hat,  und  wenn  nicht  vielmehr  das  Monogramm  I.  C.  richtiger  auf  den 
hiflorifch  feftgeftellten  Jehan  de  Court  zu  deuten  ift.  Der  farbenprächtige  Effect 
und  die  bis  in's  Einzelne  wirklich  höchfl  gediegene  technifche  Ausführung  läfst 
das  Ungefchick  der  Compofition  und  die  mangelhafte  Zeichnung  der  Figuren  bei 
diefen  Werken  leicht  überfehen.  In  den  anfpruchsloferen  und  mehr  auf  eine 
rein  decorative  Wirkung  berechneten  Grifaillen  offenbart  fich  indeffen  zuweilen 
eine  ganz  refpectabele  wirkliche  Künftlerfchaft  mancher  Glieder  der  Limoufmer 
Schule.  So  zeigt  ein  Käftchui*  mit  kleinen  Darflellungen  aus  dem  alten  Tefla- 
mente,  wohl  ohne  Zweifel  ein  Werk  des  Pierre  Reymond,  eine  wunderbare  Fein- 
heit der  Vollendung  und  eine  Sicherheit  und  Freiheit  der  Verwendung  des 
fchwierigen  Materials,  wie  bei  einer  zarten  getufchten  Handzeichnung  eines  Klein- 
meifters.  Das  Ornament  jedoch  bildet  immer,  felbfl  bei  den  fchwächern  Künfl- 
lern,  den  Hauptrei/.  der  Emails,  und  wo  diefe,  wie  bei  den  Geräthen,  Leuch- 
tern, Kärtchen  und  dcrgl.,  innerhalb  der  Grenzen  der  blos  kunftgewerblichen  Her- 


«5 


514 


DIP:  EXPOSITION  DES  AMATEURS. 


vorbringung  bleiben,  find  fic  beinahe  immer  ausgezeichnete  Leiflungen  ihrer 
Gattung.  Die  Leuchter  und  ein  Käflchen  des  Baron  Rothfchild,  die  der  Katalog 
der  Sufanne  Court  zufchreibt,  find  gute  Beifpiele  diefer  Art.  Das  fchr  einfache 
I'ormfchema  crfcheint  da  im  höchftcn  Grade  belebt  und  abwechfelungsreich 
durch  eine  endlofe  Mannigfaltigkeit  der  Zierrathen  und  Medaillons,  die  alle  mit 
gleicher  Sorgfalt  durchgebildet,  den  juvelenartigen  Reiz  hervorbringen,  der  dem 
Stile  der  Emailkunft  fo  recht  eigentlich  angcmeffen  ifl:  — ■  ein  Ziel,  das  aber  die 
modernen  wie  auch  die  alten  Kiinfller  diefes  Faches  gar  häufig  verfehlen,  indem 
fie  das  Email  für  mehr  als  ein  blofses  Decorationsmittel  und  für  eine  wirkliche 
Gattung  der  Malerei  anfehen. 

Die  weiteren  Schickfale  diefer  Technik  im  17.  und  18.  Jahrhundert  zu  ver- 
folgen, gab  die  Ausftcllung  nur  wenig  directe  Gelegenheit.  Das  P'mail  wird  in 
diefer  Epoche  zu  einem  von  allen  früheren  Leiflungen  wefentlich  verfchiedcnen 
Dinge.  Die  Vereinfachung  des  bisher  von  der  Limoufiner  Schule  beobachteten 
Verfahrens,  die  derParifer  Goldfchmied  Jean  Toutin  in  Aufnahme  brachte,  indem 
er  das  P>inbrcnnen  von  Mctallfarben  auf  einer  P^mailunterlage  weiter  ausbildete 
und  vervollkommnete,  hatte  zur  Folge,  dafs  durch  diefe  leichtere,  im  Gelingen 
ficherere  Weife  bald  alle  anderen  Gattungen  des  Emaillirens  völlig  verdrängt 
wurden.  Das  Toutin'fche  Email  geflattet  zwar  eine  fehr  miniaturartige  Aus- 
führung, in  der  es  auch  manche  Meifter  fehr  weit  brachten,  wie  Petitot  u.  A., 
es  hat  aber  nichts  mehr  von  dem  tiefen  und  fatten  Colorit  und  der  Leuchtkraft 
der  alten  Limoufiner  Werke.  Die  Malerei  auf  Porzellan,  die  im  fpäteren  Verlaufe 
des  18.  Jahrhunderts  aufkam  und  die  den  beinahe  völlig  gleichen  Effect  auf 
dem  fo  hoch  in  Anfehen  flehenden  Materiale  zu  erzielen  vermochte,  hat  bewirkt, 
dafs  auch  die  letzte  Abart  der  Schmelzmalerei  bald  zu  den  verlorenen  Künften 
gehörte.  — 

An  Metallarbeiten,  die  nicht  der  Goldfchmiedekunfl  im  weiteren  Sinne  ange- 
hören, hatte  die  Ausftellung  nur  Vereinzeltes  aufzuwcifen.  Gothifche  Eifenarbeiten 
waren  in  wenigen,  aber  fehr  vortrefflichen  Stücken  vorhanden,  fo  aus  dem  Mu- 
feum  zu  Klagenfurt  ein  Thürfchlofs  mit  höchfl  feinen  frcigefchmiedeten  Ornamen- 
ten, ein  anderes  aus  der  Stadt  Gurkfeld  in  Krain  (lammend.  Den  beflen  folcher 
Werke  wohnt  eine  derartige  bewufste  Sicherheit  und  Eleganz,  ja  NoblefTe  der 
Ausführung  inne,  dafs  man  wohl  fagen  kann:  auch  die  gefchickten  Schmiede 
jener  Zeit  haben  mit  wahrhaft  künfllerifcher  Empfindung  den  Hammer  ge- 
führt. Aus  dem  nahe  verwandten  Gebiete  der  Waffen  erwähnen  wir  eine 
Dolchfeheide,  die  das  Monogramm  des  Solothurner  Zeichners,  Holzfehneiders 
und  Medailleurs  Urfe  Graf  trägt.  (Kat.  Nr.  84;  hier  in's  17.  Jahrhundert  ver- 
fetzt). P^in  ähnlicher  Dolch  mit  geätzten  Darllellungen  auf  der  Klinge  und 
ebenfalls  mit  dem  Monogramme  Urfe  Grafs  befindet  fich  im  Befitze  des  Malers 
Makart  in  Wien.  — 

Noch  weit  weniger  als  irgend  eine  andere  Gruppe  von  Kunftobjecten  bildete 
das  von  alten  Möbelftücken  Vorhandene  ein  unter  einem  gemeinfamen  Gcfichts- 
punkte  zufammenzufaffendes  Ganze ;  doch  befand  fich  darunter  Einiges  von  her- 
vorragender Bedeutung,  fo  dafs  wir  als  getreue  Chroniften  deffen  hier  in  Kürze 
Erwähnung  thun  wollen.     Rechts  und  links  vom  Eingange  in   die  öfterreichifchc 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS.  515 


Abtheilung  befanden  fich  zwei  Objecto,  die  unbedingt  zu  dem  Anziehendflen  in 
der  gefamnitcn  ICxpofition  des  Amateurs  zu  rechnen  waren.  Es  find  dies  zwei 
etwa  fechs  Schuh  hinge  Schranl<e,  oder  richtiger  Truiien,  mit  offenbarem  Decl<e!, 
aus  der  Domkirchc  zu  Graz  (lammend,  wo  fie  —  ihrer  urfprünglichen  Beflimmung 
wohl  fehr  wenig  entfprcchend  —  lange  Zeit  als  Reliquienfchreine  dienten.  Diefe 
Möbel,  oberitalienifche  Arbeiten  aus  dem  15.  Jahrhundert,  zeigen  an  den  vordem 
Langfeiten  figurenreiche  Reliefs  (f.  die  Abbildungen)  mit  den  Darflellungen  der 
fechs  „Triumphe"  nach  der  Dichtung  des  Petrarca.  Der  Stil  diefer  Reliefs  trägt 
die  deutlich  ausgefprochcnen  Merkmale  der  Mantegnesken  Kunflrichtung  etwa 
aus  den  80er  Jahren  des  15.  Jahrhunderts,  und  wir  diirfen  uns  den  unbekannten 
Verfertiger  in  naher  Beziehung  zur  Paduaner  Schule  denken.  Ornamentirte  Pi- 
lafter  theilen  die  vorderen  Langfeiten  der  Truhen  in  je  drei  grofse  Felder  ein, 
in  denen  fich  die  von  einer  einfachen  Palmettcnumrahmung  eingefafstcn  Compo- 
fitionen  befinden.  Die  Anordnung  folgt  genau  der  Dichtung  des  Petrarca.  Dem- 
gemäfs  ift  auf  der  erften  Truhe  der  Triumph  der  finnlichen  Leidenfchaft  über  die 
Seele  des  Menfchen  dargeftellt  unter  dem  Bilde  des  Cupido;  fein  Wagen  wird 
von  feurigen  Roffen  gezogen  und  Menfchen  aller  Claffen  und  Stände  begleiten 
ihn.  Auf  dem  zweiten  Felde  triumphirt  die  Keufchheit  (oder  die  Vernunft)  über 
die  Liebe,  auf  dem  dritten  der  Tod  über  die  Vernunft.  Die  Reihenfolge  fetzt 
fich  auf  dem  andern  Schreine  fort:  da  folgt  der  Triumph  des  Ruhmes  über  den 
Tod,  der  Triumph  der  Zeit  über  den  Ruhm,  und  endlich  als  Letztes  der 
Triumph  der  Ewigkeit,  dargeflcllt  unter  dem  Bilde  Chrifli  über  Zeit  und  alle 
Dinge. 

Die  weit  ausgefponnene  Allegorie  des  Gedichtes  war  für  die  Kunft  der  Rc- 
naiffance  ein  fruchtbarer  Vorwurf  der  bildlichen  Darflellung,  dem  wir  in  der 
Malerei  und  Sculptur,  in  Kupferflich  und  Holzfchnitt  in  endlofen  Variationen  be- 
gegnen, und  auch  in  unfern  Reliefs  hat  der  Künfller  die  Compofition  ziemlich 
originell  und  in  feiner  Art  gefafst.  Bemerkenswerth  ift  der  vortreffliche  Relief- 
ftil  in  der  Anordnung  der  Züge,  der  ja  fo  recht  die  Sache  des  Mantegna  und 
der  Künftler  war,  die  von  ihm  ihre  Anregung  empfingen.  Die  Durchführung 
namentlich  der  Köpfe  hat  etwas  von  der  Sorgfalt  und  Detailarbeit  eines  Cameo. 
Es  fcheint,  dafs  diefe  beiden  Stücke  für  einen  deutfchen  Befteller  in  Italien  ge- 
arbeitet wurden.  Die  Schmalfeiten  tragen  verfchiedenartige  Embleme,  darunter 
eine  Hirfchkuh  mit  einem  Spruchbande,  auf  dem  die  Worte  „bider  rakt" 
(bieder  recht) ;  wobei  die  abfonderliche  Schreibweife  und  ungefchickte  Bildung 
des  K  darauf  deuten,  dafs  dem  Künftler  die  Sprache  der  Infchrift  wie  auch  das 
Schreiben  diefes  Buchftaben  nicht  geläufig  war. 

Im  Anfchluffe  hieran  wollen  wir  noch  eines  merkwürdigen  mittelalterlichen 
Möbels  Erwähnung  thun,  das  aus  dem  Frauenftift  auf  dem  Nonnberge  bei  Salzburg 
in  der  öfterreich.  Abtheilung  ausgeftellt  war.  Es  ift  diefs  das  Original  eines  fogen. 
Faldiftolium  oder  Faltistorium,  eines  Faltftuhles,  wie  er  zuweilen  auf  Münzen  und 
Siegeln  als  Abzeichen  der  bifchöflichen  Würde  bei  den  Bildern  der  Betreffenden 
vorkommt.  (S.  die  Abbildung).  Es  ift  ein  feldfeffelartiger  Stuhl  mit  Bronzefüfsen 
und  Bronzebefchlägen  und  elfenbeingefchnitzten  Löwenköpfen  an  den  Enden  der 
rothbemalten  Stützbalken,  und  als  Möbel  des  Mittelalters  von  feltener  l'>haltung 


eö« 


516 


DIE  EXPOSITION  DES  AMATEURS. 


des  Intercfft:s  im  holicn  Grade  werth.  In  feiner  {Gegenwärtigen  Gcflalt  etwa  aus 
dem  14.  Jaliriiundert  ftammend,  deuten  namentlich  die  ftreng  ftilifirten  I.öwen- 
köpfe  auf  ein  weit  früheres  Datum,  fo  dafs  wir  annehmen  muffen,  hier  eine  mit 
Benüt/ung  älterer  Theile  flattgehabte  Umarbeitung  aus  der  erwähnten  Zeit  vor 
uns  zu  haben. 

Von  ihrem  Rcichthum  an  prächtigen  Möbeln  aus  dem  16.  und  17.  Jahrhun- 
dert hatte  die  Schweiz  nur  verhältnifsmäfsig  Unbedeutendes  ausgtftellt.  Das 
Befle  darunter  war  ein  Schrank  von  1686,  der  von  dem  Oefterreichifchen  Mufeum 
angekauft  wurde.  Hin  und  wieder  konnte  der  Liebhaber  noch  ein  in  irgend  einer 
Ecke  verftecktes  altes  Möbelftück  entdecken,  zuweilen  an  Plätzen,  wo  man  es  am 
wenigften  vermuthet  hätte,  fo  in  dem  Pavillon  der  Frauenausftellung  eine  präch- 
tige eingelegte  Thür  und  dergleichen  mehr. 

Im  fpanifchen  Pavillon  begegneten  wir  einem  tragbaren  Predigtftuhl  aus 
der  Kathedrale  von  Leon,  im  fpätgothifchen  Stile  aus  dem  16.  Jahrhundert,  wie  er 
fich  auf  der  iberifchen  Halbinfel  neben  der  Renaiffance  und  beeinflufst  von  ihr 
noch  lange  erhalten  hat.  Andere  Werke  zeigten  ein  ähnliches  Gepräge.  Meift 
ifl  nur  die  Ornamentation  der  Füllungen  flachgehaltenes  gothifches  Mafswerk, 
während  der  Aufbau  fchon  ganz  im  Sinne  des  neuen  Stiles  fich  entwickelt.  Die 
fpanifche  Renaiffance,  die  noch  ihres  Gefchichtfchreibers  harrt,  weift  manche 
Erfcheinungen  auf,  die  durch  ähnliche  Verhältniffe  hervorgerufen,  anziehende 
Analogien  zur  Geflaltung  der  deutfchen  Renaiffance  darbieten;  fchon  das  Wenige, 
das  hier  zu  fehen  war,  liefs  derartiges  ahnen. 

Wie  lehrreich  wäre  aber  überhaupt  eine  Zufammenftellung  der  Möbel  frühe- 
rer Epochen  aus  den  verfchiedenen  Ländern,  wie  wichtig  für  die  Kenntnifs  diefes 
Theiles  der  architektonifchen  Formenbildung!  Der  Verkehr,  der  Alles  von  Oft 
nach  Wefl  und  von  Süd  nach  Nord  fchleppt,  wird  es  ohnedies  bald  unmöglich 
machen,  folche  Dinge  noch  an  Ort  und  Stelle  zu  ftudiren. 

Fr.  Lippmann. 


Faltllulil  von  Holz  mit  Bronzebefchlägen  und  Elfcnljcinfchnilzwcrk,  14.  Jahrb.; 
Frauenftift  auf  dem  Nonnberge  bei  Salzburg 


Alphabetisches  Namens-  und  Ortsregister. 


Aargau,  Volksfchule,  203. 
Achenbach,  Andr.,  355,  435. 
Achenbach,   O.,  355,  394. 
Actiengefellfeh.    f.  WafTer-    u.  Gasanl., 

Berliner,   77,    137. 
Adamo,   339. 
Adele,  460. 

Admont,  Stift,  504,  506. 
Aegidi,  f.  Kobek. 
Aegypten,  Bauten,  65,68,  91 — 98,  lOi ; 

Kiinftarbeiten,    (f.  Orient)  273,    313; 

Frauenarbeiten,    247 ;    l'hotographie, 

466. 
Aeppel,  454. 

Afinger,  Bernh.,   296,  375. 
Ahlborn,  Lca,  219. 
Aizclin,  Eug.,   327. 
Albergo  dei  poveri,  Genua,  206. 
Albert,  463. 
Alker,  465. 

Almeida,  Aug.,  Ruflnto  d',  185. 
Alt,  Franz,  442. 

—  Rudolph,  367. 
Amand-Durand,  465. 
Andrei,  l'Vancesco,  293. 
Andreini,  Francesco,  293. 
Angeli,   Heinrich  v.,  359,  365. 
Angerer,  Ludw.  u.  Victor,  460. 
Anker,   Albert,  382. 
Anthony,  466. 
Antigna,  Alex.,  331. 
Arendfen,  J.  P.,  438. 
Affer,  C.  J.,  466. 

Affociation  commercial    in   Porto,   494. 
Athanafe,  489. 

Bache,  Otto,  211. 

Bach'fche  Kunflanftalt,  446. 

Baden,  Grofsherzogthum,  Zeichen-  und 

Kunfluntericht,    486. 
Bader,  Fr.,  436. 
Bäumer,   W.,  477. 
Bagues,  Eugenie,  146. 
Bailly,  Ant.   Nie,  269,  470. 


Baifch,  358. 

Bakhuyfen,  J.,  390. 
-  T.,  390. 

Baldi,  460. 

Baldus,  465. 

Baiin,  P.,  235,  304,  307,  335. 

Ballu,  Theodore,  269,  470. 

Baltard,  Victor,  26g. 

Bankel,  J.,  431. 

Baranzewitfch,  Moriz,  437,  478. 

Barb^dienne,  F.,  147,  261,327,  349,441. 

Barbizet,  A.,   151. 

Barfufs,  Paul,  431. 

Bargue,  Gh.,  488. 

Barnard,  Bishops  &  Barnards  100,  158. 

Barni,  Salv.,  225. 

Barret,  George,  414. 

Barrias,  Fei.  Jos.,  270,  326,  331. 

Barzaghi-Cattaneo,  A.,  382. 
. —  Francesco,  402. 

Batsche,  A.  J.,  397. 

Bau- und  Creditbank,  Magdeburger,  259. 

Bau-Akademie  in  Berlin,  487. 

Baudissin,  Pauline,  Gräfin,  227. 

Baudrit,  A.,    149. 

Baudry,  Paul,  470. 

Bauer,  442. 

Baugefellfchaft,  Wiener,  478. 

Baugewerbefchule  in  Stuttgart,  484,  486. 

Bayern,  Zeichen-  u.  Kunftunterricht, 
483,  484. 

Becker,  Aug.,  446. 

Becker,  C,  339. 

Begas,  Reinhold,  375,   378,  456. 

Belgien,  Wohnungsausftattung,  66; 
Kunftarbeitcn,  118 — 119;  Frauen- 
arbeiten, 198 — I99;bild.  Kunft,  286, 
293. 383  -  387,438 ;  Photographie,466 ; 
architektonifche  Zeichnungen  und 
Modelle,  470. 

Belezza,  Alex.,  82,  83,   130. 

Benda,  473. 

Bendemann,  Eduard,  335,  339. 

Bengue  &  Kindermann,  463. 

Benk,  Joh.,  38,  41. 


Berg,  C.,  454. 

Berganiasco,   C.,  460. 

Berlin,  die  Stadt,  283. 

Bern,  die  Stadt,  507. 

Bernard,  A.,   149. 

Bernoud,  A.,  465. 

Berne-Bellecour,   Elienne,  295,  321. 

Bertano,  Giov.  Batt.,  499. 

Bertini,  396. 

Berthold,  506. 

Bcrtoja,  466. 

Bertinot,  G.  Nie,   423. 

Beyfchlag,  Rob.,  339. 

Bianchi,  397. 

Biancardi,  Ant.,  499. 

Bieber,  463. 

Biedermann,  Emil,   164. 

Biefve,  Edouard  de,  383. 

Bierstadt,  Ch.,  466. 

Bigainonti,  293. 

Bigot,  Marie,   196. 

Bilders,  Jan   W.,  390. 

Bing  &  Gröndahl,   in,   112. 

Binger  &  Chits,  466. 

Biot,  Gustave,  438. 

Biro,  Anton,   166. 

Bisfchop,  Chriftoph,  388. 

Bitterlich,  489. 

Blaas,  Eugen,  365. 

Blanchard,  Jules,  330. 

Blafchke,  350. 

Blau,  358. 

Bleibtreu,  Georg,  354. 

Blindenanftalt,  königl.zu  Dresden,  208. 

Blindenanflalt,    provinzialftändifche  za 

Hannover,  208. 
Blindeninftitut,  königl.  zu  Kopenhagen, 

210. 
Blindeninftitut,  Stuttgarter,  208. 
Bloch,  Carl,  391. 
Böcklin,  Arnold,  342. 
Boehm,  J.  E.,  414. 
Börjessen,  Agnes,  391. 
Böfendörfer,  Ludwig,  357. 
Bognard,  J.,  454. 


518 


ALPHABETISCHES  NAMENS-  UND  ORTSREGISTER. 


Bogoljuboff,  Alcxius,  394. 

Bohnftedt,  Ludwig,  294,  471. 

Boisseau,  Emile  Andre,  327. 

Boks,  390. 

Bonnal,  Leon,  319,  360,  394. 

Boonebakker,  &  Sohn  121. 

Borneo,  f.  Holland. 

Borseleu,  390. 

Borzino,  Ulissc,  455. 

Bos,  W.,  Sohn,  455. 

Bosboom,  Johannes,  390. 

Bouguereau,  W.  Ad.,  423. 

Boulanger,   G.  Rod.,  295,  321. 

Boulant  aine,  454. 

Bourdon  de  Bruyne,  118. 

Bourgeois,  Ch.  A.,  Baron,  326,  330. 

Boutibonne,  Ed.,  23. 

Bouvier,  Laurent,  325. 

Braeckeleer,  J.  de,  386. 

Braga,  401. 

Braida,  Anna,  Gräfin,  227. 

Braith,  Anton,  358. 

Brandes   &  Wolff,  446. 

Brandt,  Jofeph,  354. 

Brafch,  463. 

Braun,  Ludwig,  354. 

Braun,  (Dornach),  457,  463. 

Bragueni^  frires,  44,  46, 

Brafilien,  Frauenarbeiten,  184     186. 

Brendel,  Albert,  358. 

Brentani-Viglezio,  Marianna,  202. 

Breton,  Emile  Ad^lard,  326. 

Breton,  J.  Ad.,  316,  317,  331. 

Breymann,  376. 

Brington,  John,  &  Co.,   139. 

Brion,  Gustave,  319. 

Brix  &  Anders,   166. 

Brockhaus,  F.  A.,  446. 

Bruckmann,  Fr.,  463. 

Brunet-Debaincs,   Alfred,  422. 

BuchhoUz  &  Comp.,  198. 

Bühlmayer,  Konrad,  23,  367. 

Bülow,  Paula,  Baronin  v.,  226. 

Bültemeyer,  Heinrich,  434. 

Bukowina,   weibl.  Ilausinduftrie,  231  - 

233- 
Burger,  Johann,  43 1. 

—  W.,  460. 
Burnitz,  K.  P.,  355. 
Busi,  Lodovico,  398. 

Cabanel,  Alex.,  291,  295,  301,  302,  307, 

331- 
Cabat,  Louis,  326. 
Gabel,  Paul,  326. 
Cailld,  Jos.  M.,  330. 
Cain,  Aug.,  330. 
Caldcron,  Ph.  IL,  412. 
Cameron,  J.  M.,  461. 
Camesina,  A.  von,  496. 
Cammarano,  398. 
Camphaufen,  W.,    313. 
Canon,  (Johann  v.  Straschiripka),   361, 

362,  434- 
CargnicUi,  Frl.,  226. 
Carnaghi,  Paolina,  206. 
Carpcaux,  J.  Bapt.,  330. 
Carpenticr,  470. 

Carrier-BcUeuse,  A.  E.,  270,  326. 
Carrington,  Lady,  186. 


CastcUani,  .\lex.  A.,  130,  233,  324. 
—  Pio,  130. 
Caudron,  Jacques  Eugene,  327. 
Centralafrika,  Frauenarbeiten,  250. 
Centralverein,  polytechn.  in  VVürzburg, 

485. 
Charit^  de  Bellem,   I98. 
Charle-Alberl,  66. 
Charlemont,  Eduard,  362. 
Charlcmont,  Hugo,  367. 
Charmaux,  466. 

Charmois,  Chr.  &  E.  Lemarinier,  44. 
Charzal,  489. 
Chatrousse,  Emile,  327. 
Chavet,  Joseph  Victor,  321. 
CheriU,  460. 
China,  KunflnrbcUen,  178— l8o;Frauen- 

arbeittn,  254 — 256. 
Chirico,  Jnc.  di,  293. 
Christesen,  V.,  84,  98,  99,  in. 
Christofle  &  Co.,  72,  80,  116,  117,  147, 

150,  159,   168. 
Ciseri,  398. 
CipoUa,  Ant.,  471. 
Cipriani,  395. 
Civo,  Bern.,  499. 
Claus,  H.,  45,  76,  136,   148,  164,  213, 

323,  345-  477- 
Clays,  P.  J.,  387. 
Cl&inger,  J.  Bapt.,  330. 
Coalbrookdalc  Company,   152. 
Cogniet,  L^on,  307,  432. 
Cole,  Vicat,  413. 
CoUette,  Alexandre,  422. 
ColUnot,  E.,  75,   151. 
Collinson  &  Lock,  54. 
Compagnie  des  Indes  (Belgien)   Ig8. 
Conny,  Ed.,  Baron,  327. 
Consani,  402. 
Cooke,  Edw.  W.,  414. 
Cooper  &  Holt,   54,  389. 
Copcland,  W.  T.,  S:  Sons,  67,  73,   155. 
Corfu,  Comnumalfchule,  242. 
Corot,  J.  Bai)t.  Cam.,  326,  422. 
Couder,  Alex.,  326. 
Courteys,  Jehan,  (J.  de  Court),  513. 
Crauk,  Gust.,  327. 
Croaticn,   Wohnhaus,  82;  weibl.  Haus- 

induftrie,  238  ff. 
Cuccioni,  466. 

Czaykowska,  Severine,  Gräfin  v.,   225. 
Czeiger,  S.,  442. 

Dänemark,  Wohnungsausftaltung  ,  66; 
Kunftarbeiten,  107,1 10— ll4;Fraucn- 
arbeiten,  210—215;  '''•'!•  l^unft,  286, 
391 ;  Photographie  466;  Zeichen-  und 
Kundunterricht,  493. 

Dalmatien,  weibl.  Hausinduflrie,  228. 

Daniell,  A.  B.,  &  Son,   154,  155. 

Danse,  H.,  438. 

Danuelle,  470. 

Daubigny,  Ch.  P.,  326. 

Daubigny,  Ch.  Fr.,  326,  331. 

David  d'Angers,  326. 

Davioud,  G.  Fr.  Ant.,  269,  471. 

Davis,  H.  W.  B.,  413. 

Day,  John  B.,  454. 

Deck,  Th.,   143,  151,  170. 

Defregger,  Franz,  348,   349,  434,  442. 


Dehn,  472. 

Delacroix,  Eug.,  270,  281 ,  298,  314, 
364,  417,  418. 

Delaplanche,  Eug.,  330. 

Delauncy,  Alfred  Alex.,  422. 

Delboete,  J.,  438. 

Delisi,  Benedict,  293. 

Deloye,  Gust.,  38. 

Deniere,  Guil.,  146,  237,  289,  291. 

Deperthes,  269,  470. 

Desgoffe,  Alexandre,  326. 

Deutfchland,  Wohnungsausftattung, 
55 — 59;  Kunftarbeiten,  166 — 174; 
Frauenarbeiten,  206-2 10  ;Kunftpflegc, 
271— 275;  bild.Kunfl,  286,331—358, 
374—378,  426 — 432;  Farbendruck, 
444 — 446;  Photographie,  47 1  ff.; 
Zeichen-  und  Kunflunterricht,  483  ff. 

Deventer,  J.  J.  van,  390. 

Diaz,  Narcisse,  326. 

Diehl,  147. 

Dietz,  Wilhelm,  352,  354. 

Dittmarsch,  C,  442. 

Domingucz,  394. 

Donath,  Julius,  38. 

Donndorf,  Adolph,  376. 

Dor^,  Gustav,  422. 

Dorer,  Robert,  376. 

Doulton,  H.  &  Co.,  267,  281. 

Draechsler,  C,  34,  42,  64,  363. 

Drake,  Fr.,  228,  375. 

Drossis,  L.,  224. 

Dubois-Pigalle,  Paul,  330. 

Duc,  Joseph  Louis,  269,  470. 

Dübell,  Heinrich,  64. 

Dücker,  Eugen,  394. 

Duplan,  ¥.,  &  Co.,  44. 

Dupr£,  Victor,  326. 

Dupuy,  Jean  Theodore,  454. 

Duran,  Carolus,  295,  308. 

Durcnne,  Ant.,  330. 

Durct,  Frang.  Jos.,  270,  306. 

Dutkowicz,  460. 

Duval  &  Huntcr,  455. 

Dziedzinski  &  Hanusch,  57,  91,  165, 
312,  336,  365. 

Dyk,  H.,  484. 

Eastlake,  Charles,  54. 

Ebe,  473. 

Eberle,  Ad.,  350,  442. 

Ebert,  Karl,  358,  432. 

Educandato  della  miferia  in  Mailand,  203. 

Eckert  &  Richard,  463. 

Eich,  R.,  463. 

Elkington  &  Co.,  157,  158,   163,    241, 

278.   396,  403,  417,  429- 

Elmore,  Alfred,  413. 

Elfafs,  Hauernhaus,  448 — 451. 

Emele,  W.,  365. 

F;ngelhardt,  H.,  377. 

England,  Wohnungsausftattung,  50 — 55 ; 
Kunftarbeiten,  153 — 158;  Frauenar- 
beit, 186;  bild.  Kunft,  286,  289,  403 — 
414,  438;  Farbendruck,  454 — 455; 
Photographie,  460 — 465 ;  architekt. 
Zeichnungen,  470;  Zeichen-  u.  Kunft- 
unterricht  479. 

Enke,  375. 

Epp,  Rudolf,  350. 


ALPHABETISCHES  NAMENS-  UND  ORTSREGISTER. 


519 


Erbkam,  472. 
Erhard  &  Söline,  49,   106. 
Eriidt,  Bernhard,   196,  208,  288. 
Escallier,  Mmc.  Eleonore,  326. 


Faber,  M.  &  Co.  (Ludw.  Damboeck)  23, 

30,  31,  182,   183,  201. 
Faed,  Thomas,  412. 
Fagerlin,  Ferd.  Jnl.,  391. 
Fajans,  460. 
Feddersen,  355. 

Feldscharek,  Rud.,  18,  23,  91,  312,  320. 
Felix,  Eugen,  362. 
Fernkorn,  A.  Ritter  v.,   378. 
Ferri  &  IJartolozzi,  66. 
F'errier  &  Lecadre,  465. 
Ferstel,  11.  Ritter  v.,  26,  69,  163,   166, 

475-  478. 

Feuerbach,  Anselm,  192,  342,  343,  431. 

F'eyen,  Eugene,  319. 

Eichel,  Eug.,  321. 

Fiedler,  Bernhard,  367. 

Fields,  412. 

Fierlants,  J.  466. 

Finnland,  weibl.  llausinduflrie,  245. 

Fifchbach,  Friedrich,  58,  81,  377. 

F'ifcher,  Moriz  v.  Farkasbäzi,   142. 

Fix,   A.,   174,   179,  216. 

Flanicng,  Leopold,  418. 

Flandrin,  Ilipp.,  270,  291,  298. 

—  Jean  l'aul,  270. 

Flattich,  477. 

Fleifchmann,   C.  W.,  70. 

Fleury-Mermagis,  465. 

Flickel,  355. 

Flodins,   Louise,  219. 

Fontana,  Roberto,  395. 

Forberg,  C.  E.,  434. 

Forndran,  446. 

F"ortier,  G.,  465. 

Fourdinois,  Henri,  44,  47. 

Fourmois,  Theodore,  387. 

Fraikin,  Ch.  Aug.,  387. 

Frangais,  Frangois  Louis,  326. 

F"ranceschini,  402. 

F"ranci,  Angelo,    131. 

Francini,  Andrea,  23. 

F'rangois,  Alph.,  418. 
—  Jules,  418. 

Frank,  Magdalena,  222. 

Frankenftein,  460,  467. 

Frankreich,  Wohnungsausflatlung,  42 — 
50;  Kunftarbeiten  142  —  153;  Frauen- 
arb., 194—198;  Kunflpflege,  263 — 
277;  bild.  Kunfl,  286,  294—295; 
298 — 330;  415 — 423;  Farbendruck, 
446 — 455;  Photographie463  ff.;archi- 
tekt.  Zeichnungen,  469  ff.;  Zeichcn- 
und  Kunftunterricht,  488  ff. 

Frauenbildungs-Verein  in   Ted,  238. 

Frauen-Frwerli-Verein  in  l'rag,  223. 

Frauen-Erwerb- Verein  inWien,  223, 226. 

Frauen-Verein  f.  Arbeitsfchulen  in  Wien, 
223. 

Krauenverein,  badifcher,  207. 

Frauenverein  im   Haag,   199. 

Frauenwohlthätigkeitsvercin  in  Wien, 
223. 

Fremiet,  Emm.,  270,  330. 

Freudcnthal,  Volksfchulc,   222. 


Friedländer,  Fr.,  366. 
Friedrich,  O.  I!.,  425. 
FViedriehsen,  Erneftine,  347. 
Fries,  A.,  471. 
»ische,  Ludw.,  355. 
Frith,  W.   Powell,  413. 
Frost,   William  Edwin,  410. 
F'rullini,  Ludwig,  66,  221. 
Führich,  Jos.  Ritter  v.,  359. 
F'ux,  Jos.,  362. 


Gabi,  350. 

Gällftedt,  Frau,  219. 

Gaillard,  Gl.  Ferd.,  308,  331,  418,419. 

(ializien,  weibl. Hausinduftric,  230 — 23 1. 

Gallait,  Louis,  336,  383. 

Gallori,  402. 

Gamba,  398. 

Gaffer,  llans,  37S. 

Gaflell,  Franz,  38. 

Gatti,  Hattifta,  123. 

Gaucherei,  Leon,  422. 

Gauthier,  Charles,  327. 

(iebhardt,  F2duard  v.,  262,  337. 

Gebier,  Otto,  358. 

Geertz,  JuL,  88,  347. 

Geisbe,  L.,  437. 

Geifsel  &  Härtung,    129. 

Genf,  Induftriefchulen,  490. 

Gentz,  Wilhelm,   347. 

Geoffroy  &  Co.,   106,   163. 

Gerhardt,  Heinrich,  443. 

Gerold,  C.  H.,  446. 

Gerold's,  Karl,  Sohn,  443. 

G^röme,  Jean    Leon,    295,    322,     323, 

324,    338. 
Gertinger,  Jul.,  460. 
Geruzet  frcres,  466. 
tiefellfchaft    zur  Anregung  der  Künft- 

1er  in  Petersburg,  243. 
Gefellfchait  für  vervielfältigende  Kunft 

in  Wien,  437,  443. 
Gewerbeverein  in   Graz,  223. 
(jewerbe- Akademie  in  Berlin,  487. 
(ieyling,  Karl,   11. 
Geymet,  465. 
GeymüUer,  471. 
Ghiberti,  Lorenzo,   147. 
Ghisi,  Giorgio,  499,  500. 
Giani,  Karl,  23,  63,  166,  187,  204,  275, 

300,   304,    399. 
Gianetti,  Raffaelo,  398. 
Gierymski,  Max,  354. 
Giese,  472. 

Gilbert,  Sir  John,  414. 
Ginori,  Lorenzo   Marg.,   170,  312,  385. 
Ginotti,  402. 
Giraud,  Victor,  324. 
Gironde,  Bernard  de,  325. 
Giiinta  municipale  in   .Mailand,  203. 
Glaize,  Augufle  Barthelemy,  270. 
Glasfabrik,  k.  niffifche,    137. 
Glasinduflrie-Schulen,   böhmifche,  482. 
Gleichen-Rufswurm,  355- 
Gleyre,  Charles,  290,  382. 
Gobelinsfabriken  in  Beauvais,  274. 
Gobelinsfabrik  in  Paris,  274. 
Goldhaim,  Privatinftitut   in   Wien,  222. 
Goldfchmidt,  Louis  A.,   141. 
Goldfchmidt,   Michael,  Söhne,  384. 


Grack  &  Aron,  446. 

Graeb,  Carl,  355,  390. 

Graef,  Guftav,  343. 

Graf,   Urse,  509,  5:4. 

Graff,  Carl,   18,  30,   165,312,341,363. 

Granichaädten,  H.  A.,   163,   164. 

Grant,  Sir  F'rancis,  410. 

Graves,  Robert  A.  E.,  438. 

Graz,  Schule  zu  St.   Urfula,  222. 

—  Domkirche,   512,   513,',  515. 
Green,  James,  154,  416. 
Grefe,  Conrad,  442. 
Griechenland,  Kunftarbeiten,  138 — 141 ; 

Frauenarbeit,  240 — 242 ;  bild.  Kunft, 
286,   294;  Photographie,  466. 

Griepenkerl,  Chr.,  359. 

Grisenko,  Leinwandfabrik  in  St.  Peters- 

Groner,  Leopold,   166. 

Gross,  475. 

Grüllemeyer,  Jofeph,  165,  420,  433,436. 

Grützner,  Ed.,  350. 

Guarnerio,  Pietro,  402. 

Gude,  Hans,  355,  390. 

Gurret  frcres,  47. 

Guggenheim,  Michelangelo,  66. 

Gugitz,  14,  18,  22,  63. 

Gugnon  lils,  151. 

Guillaume,  Eng.,  270,  330. 

Günther,   A.,  437. 

Gumery,  Ch.  Alph.,  72. 

Gurkfeld,  Stadt,  514. 

Guftavsberg,  Porzellanfabrik,   133. 

Haak,  460. 

Haanen,  .\driana  van,  390. 

Haas  &  Czizek,   115,   162,  260. 

Haas,  Edu.ird  v.,  59. 

Haas,  J.  H.  L.  de,  386. 

Haas,  Philipp,   &  Söhne,    11,  23,  26, 

27.  30,  59,  62,  63,  144,  145,  157,  169, 

194,  284,  285,    352,   353. 
Hähnel,  487. 
Haes,  Frank,  463. 
Halbreiter,  Adolf,   108. 
Hamburg,   Elementar-Schulen,  488. 

—  Gewerbefchule,  487. 
Hancocks  &  Co.,  157,   158,  319. 
Hanfstaengl,   F'ranz,  444,  463. 
Hangard-Mauge,  454. 
Hanfeh,  Anton,  442. 

Hänfen,  Theophil  Ritter  v.,   17,  52,  53, 
79,107,162,   164,   166,  373,421,473, 

477,  478- 
Harkort,  Caspar,   14. 
Harrach,  Kerd.  Graf,  354. 
Harrifon,  465. 
Harvcy,  William,  410. 
Hafenauer,  Carl,  Baron,  14,  18,26,475. 
Haffa,  Jofeph  &  Sohn,   55,  85,   145. 
Hauberriffer,  473. 
Haufer,   Alois,   115,   162,  260,  436. 
Hausfrauenverein  in  Petl,   238. 
Hausmann,  473. 
Hubert,  Erneft  Ant.  Aug.,  32 1. 
Hecht,  van  der,  387. 
Heckert,  Fritz,  427. 
Heemskerk  van  Beoft,  390. 
Heid,  Dr.,  460. 
Heiander,  391. 


520 


ALPHABETISCHES  NAMENS-  UND  ORTSREGISTER. 


Hellmer,  Edm.,  32,  38. 
Ilenneber;;,  Kud.,  338. 
Henriquel-Ouijont,    Louis   Pierre,  418, 

423,  429,  430. 
Henry,  J.  A.,  146,   195. 
Herberfteiii-Eggenberg,   II.  Graf,   494. 
Hermann  &  liagantz,  446. 
Hertel,  Albert,  355. 
Hcfs,  Anton,  108. 
Heffe,  Alex.,  270,  299. 
HelTen,  Grofshzogth.,  Zeichen-  u.Kunft- 

unterricht,  487. 
Heyden,  Auguft  v.,  338. 
Heyden,  Architekt,  22,  63,  405. 
Hiddemann,  Friedrich,  347. 
Hildebrand,  Adolph,  132,  282,  378,  380, 

381. 
Hildebrandt,  Eduard,  281. 
Hildebrandt,  Ernft,  343,  446. 
Hinträger,  Moriz,  14. 
Hirth,  Rudolph,  343,  350. 
Hitzig,  Fr.,  472. 
Illawka,  Jos.,  477. 
Hochdan?.,  Eduard,  446. 
Ilochftättcr,  C,  &  Söhne,  58,  81,  400. 
Ilodgson,  J.  E.,  413. 
llölzel,  Eduard,  442. 
Hoff,  Karl,   347,  391. 
Hoguet,  Charles,  281. 
Holland,      Kunftinduftrie,     119^121; 

Colonien,  121  — 122;    Frauenarbeiten, 

199;    bild.   Kund,    286,    387 — 390; 

438; Farbendruck, 455 ;  Photographie, 

466;    Zeichen-    und    Kunftunterricht, 

493- 
Hollenbach,  David,  45,  52,  53,  76,  79, 
136,    148,    164,   165,    213,  321,  323, 

344-  345.  364,  4'5- 
Holmberg,  Aug.,  354. 
Hörn,  A.,  437. 
Horsley,  John,  Calcott,  412. 
Ilouseworth,  Th.,  466. 
Howell,  W.  R.,  466. 
Huber,  Rudolph,  362. 
Huet,  Paul,  326. 
Hügel,  Heinrich,  377. 
Hunten,  Joh.  Emil,  354. 
Huhn,  Andr.,  471. 
Humphries,  James,  &  Sons,   105. 


Ibach  &  Sohn,  R.,  469. 

Indianerzelf,  87. 

Indien,  Kunftarbeiten,  166 — 178,  413; 
Frauenarbeiten,  254 — 255;  Photo- 
graphie, 463. 

Induno,  Dom.,   398. 

—  C'ir-,  395- 

Ingres,  Jean.  Aug.  Dom.,  298,  325,  418. 

Irmler,  H.,   165. 

Isabey,  L.  G.  Eug.,  321. 

Isella,  Pietro,  23. 

Israels,  Jos.  388. 

Italien,  Wohnungsausftattung,  64 — 66; 
Kunftarbeiten,  1 26 — 132, 283 ;  Frauen- 
arbeiten 203—206;  Kunftpflege,  273; 
bild.  Kunft,  286,  287,  293,  394—403, 
438;  Farbendruck,455;  Photographie, 
466;  architektonifche  Zeichnungen, 
471 ;  Zeichen-  u.  Kunftunterricht,  491. 


Jackson  &  CJraham,  54. 
Jacobson,  J.  390. 
Jacoby,  Louis,  433,  434. 
— ,   Moriz,  &  Co.,   HO. 
Jacquemart,  Jules  Ferdinand,  418,  420, 
421. 

—  Bildhauer,  327. 

—  Nelie,  295,  307,  331,  420. 
Janson,  Carl,  394. 

Japan,  Kunftarbeiten,  178 — 1 80;  Frauen- 
arbeiten, 254 — 256,  401. 
Java,  306,  (f.  Ilolland). 
Jerichau,  Jens  Adolph,  391. 
Jernberg,  A.,  391. 
Jettel,  Eugen,  367. 
Jobbe-Duval,  Felix,  270. 
jobft,  475. 

Johannes,  Beruh.,  463. 
Jordan,  Rudolph,  347. 
Juvara,  Thonimaso  Aloysio,  438. 

Kafka,  472. 

Kaikreuth,  Stan.,  Graf  v.,  355. 

Karholm,  Iledda,  219. 

Kate,  Herrn.  Ten.,  390. 

Kauffmann,   Herrn.,  350. 

Kaufmann,  Steindruckerei  (Berlin),  446. 

Kaukafus,    Frauenarbeit,  246,  382. 

Kaulbach,  Fr.,  343. 

Kaulbach,  Herm.,  350. 

Keil,  K.  P.  Franz,  375. 

Keleti,  Guftav,  372,  483. 

Keller,  Albert,  351. 

Keller,  Ferd.,  334. 

Keller,  Jos.,  427,  428,  429,  430. 

Kempen,  J.  M.  van,  39,   121. 

Kerchove,  Frau   v.,   199, 

Keyser,  Nicaise  de,  383. 

Kiebacher,  M.,  472. 

Kiefsling,  Paul,  343. 

Kiewning,  E.,  465. 

Kirchmayer,  Andr.,   166. 

Klagmann,  J.  Bapl.  Jules,  330. 

Klaus,  Joh.,  434. 

Klein,  Aug.,   166,    185. 

Klinkofch,  J.  C,   163. 

Klotz,  467. 

Klofterneuburg,  .Stift,  502,   510,  511. 

Knabl,  J.,    172. 

Knaus,   Lu<lwig,   286,   319,   345,   346, 

432,  434- 
Knight,  John  Prescott,  410. 
Kobek  &  Aegidi,   164. 
Koch,  Franz,  36. 
Köchert,  A.  E.,  17,  164. 
König,  Friedrich,  91,  163,  312,  320,  477. 

—  Otto,   156,   157,   378,  433,  436. 
Kohnberger,  Clementine,  226. 
Kolbenheier,  473. 

Koller,  Rud.,  382. 

—  Wilhelm,  365. 

—  in  Bistriz,  460. 
Kopf,  Jüfeph,  376. 
Koppmann,  465. 
Korompay,   14,   18. 
Kofch,  Franz,  163. 
Koffos,  294. 
Koffow,  471. 
Kotfeh,  Theodor,  358. 
Kotzebue,  Alexander,  391. 


Kracker,  Johann,  431. 
Krakau,  Alex,,  471. 
Kralik,  f.  Meyer's  Neffe. 
Kramer,  Oscar,  467. 
Kraus,  Fritz,  347. 
Kraus,  Jos.,  &  Sohn,   I13. 
Kreling,  Auguft  von,  167,  484. 
Kremsmünfter,  Stift,  494,   502,   51 1. 
Kritz,  Franz,  166. 
Krumbiigel,  Otto,  408,  409. 
Krumbhülz,  487. 
Kuhn,  Karl,  391. 
Küfferle,  Aug.,  &  Co.,   119. 
Kundmann,  Carl,  92,  93,  292,  376,  378. 
Kunftinftitut,  Hamburger,  488. 
Kupka,  Anna,  227. 

—  Franz,  340. 
Kurtz,  Wilhelm,  466. 
Kurzbauer,  350,  366,  434. 
Kyllmann,  22,  63. 

Labrouste,  Franz  M.  Th.,  470. 

Laisn<5,  J.  Ch.,  470. 

Laianne,  Maxime,  422. 

L'Allemand,  Signi.,  365,  432. 

Lameire,  Ch.  J.,  470. 

Lamorinifere,  J.  P.  Fr.,  387. 

Lamy,  E.,  465,  467. 

Landelle,   Charles,  307. 

Landsecr,  Edwin,  410. 

Landy,  James,  466. 

Lang,  Heinrich,  354. 

Lafch,  Karl,  347. 

Lauflierger,  P'erd.,   II,  60,   163,  441. 

Leföbvrc,  E.  P.,  43. 

—  Jules  Jos.,   324. 
Lehmann,  Henri,  270,  300. 
Lehrcr-Bildungsanftalt  in   Prag,  481. 
Lehrerinnenbildungsanftalt  in  Graz,  223. 
Lehrerinnenbildungsanftalt  in  Wien,  223. 
Lehrcrinnenlnldungsanftalten,    öfterrei- 

chifche,  222. 
Leibl,  Wilhelm,  343. 
Leighton,   Frederick,  410. 
Leloir,  J.  Bapl.  .\ug.,  321. 
Lcnbach,  Franz,  360,  361. 
Lenepveu,  Jul.  Eug.,  270,  306. 
Lcntvür,  A.,  207. 
Lerche,  390. 

Lerl,  Guftav,  &  .Söhne,    166. 
Leroux,  Eugene,  319. 

—  FrM.  Elienne,  327. 
Leffmg,  C.  F.,  355. 
Lette- Verein,  207. 
Lcguesne,  Eug.   Louis,  330. 
Lequien's  Zeichenfchule,  490. 
Levasseur's  Zeichenfchule,  490. 
Levy  &  Worms,  43,  252. 
Lewis,  John  Frederick,  413. 
Lewy,  J.,  465. 

Leys,  Henry,  293,  365,  384,  385,  386. 

Lieb,  Ferdinand,  187. 

Lichlenfels,  Ed.  Kitler  v.,  367. 

Lier,  Aug.,  358. 

Lievre,  489. 

Liezenmeyer,  Alex.,  372. 

Lind,  Carl,  496. 

Lindenfchmit,  Wilh.,  339,  342,  432. 

Lindner,  Joh.,  431. 


ALPHABETISCHES  NAMENS-  UND  ORTSREGISTER. 


521 


I.imltholm,  Berndt,  394. 

Limiel,  John,  413. 

hiiizbauer,  473. 

Lippert,  Jofeph,    166. 

LifTabon,  Casa  pia,  494. 
—  Lyceuni,  494. 

Lipsius,  472. 

Lobmeyr,  J.  &  L.,  20,  21,  23,  24,  25, 
52.  53.  56,  57.  91-  149.  '53.  161,162, 
368.  372.  373.  395.  4>i.  43>.  467. 

I.oefftz,  Ludwig,  352. 

Loefcber  &  Tetfch,  463. 

Loewel,  Julius,  404. 

Loevvy,  f.,  460,  467. 

Loniliardi,  Giovita,  401. 

I-oo,  Fl.  van,  438. 

I.olz,  Karl,  371. 

Luckhardl,  Fr.,  460. 

Lucius,  C.   IL,  &  Co.,  58. 

Luccardi,  Cavaliere  Vinccnzo,  402. 

Ludwig,  Bernhard,  64,  308. 

Luniiere,  A.,  465. 

Lundquist,  R.,  219. 

Lusson,  A.,  269. 

Lytras,  Nikophoros,  294. 


Maaten,  van  der,  390. 

Macht,  Hans,  457,  468,  478. 

Madou,  J.  Bapl.,  386. 

Mähren,  weibl.  liausinduftrie,  230. 

MSrtens,  F.,  482. 

Maefs,  Julius,  375. 

Magne,  Aug.  Jos.,  26g. 

Magni,   l'ietro,  403. 

Mailand,   Stabilimento    delle    figlie  -di 

Gesu,  203. 
Maillet,  Jacques  Leonard,  270,  330. 
Makart,  Hans,:282,  334,  362,363,  364, 

365,  378.   5'4- 

Makovski,  Conftantiu,  391. 
—  Wladimir,  391. 

Mali,  Chr.,  358. 

Mandel,  Ed.,  426,  430,  433. 

Mardk,  Julius,  432,  441. 

Marastoiii,  J.,  441,  442,  443. 

Marcello(Castiglione-Colonna),Herzogin 
von,  327. 

Marchai,  Ch.  F.,  319. 

Marks,  H.  S.,  412. 

Marokko,Wohnhaus,lcX5 — 103  ;  Frauen- 
arbeiten, 246 — 250. 

Marshall,  William,  414. 

Martinet,  Achille,  418. 

Martini,  M.  A.,  438. 

Massard,  Leopold,  422. 

Masson,  Alphonse,  422. 

Matejko,  Jan,  370,  371. 

Mateucci,  Santi,  293. 

Mauve,  A.,  390. 

Max,  Gabriel,  341. 

Mayer,  V.  Söhne,   120,   163,   320. 

Meier,  Guflav,  350. 

Meissonier,    L.  Ernest,  295,    316,    318, 

331,  353- 
Melk,  Stiit,   502. 
Mellerio  freres,   150. 
Melnitzky,  Franz,  38. 
Mende,  O.,  437. 
Mäne,  Pierre  Jules,  330. 
Mengoni,  Giuseppe,  293,  471. 


Mentzel,  Adolph,  335,  336, 337.339.434- 

Mercade,  D.  Benito,  394. 

Mercie,  Antonin,  327. 

Merkelb.ich,  F.  W.,   54,  55. 

Mesmacher,  471. 

M^szöly,  Victor,  372. 

Metzmacher,  Pierre,  423. 

Meunier  &  Co.,   194. 

Meyen,  H.  &  Co.,  44. 

Meyer's  Anftalt  für  kirchl.  Kunfl,   171. 

Meyer's  NelTe,   161. 

Meyerheim,  Franz,  347. 

Meyerheim,  Fr.  Ed.,  347. 

Meyerheim,  Paul,  347. 

Micale,  G.,  438. 

Michel,  Franz,  312. 

Michicli,  Joseph,   131. 

Mieczkowski,  460. 

Milde,  A.,   166. 

Militär-geogr.-Inflitut  in  Wien,  460. 

Millais,  John  EveretI,  410. 

Miller,  Fritz,  297. 

Mion,  398. 

Minton  &  Co.,   155,  176,  243,  265,  277, 

293.  3' 7.  348.  4>9- 
Mitterlechner,  Franz,  38. 
Modena,  scuola  superiore,  203. 
ModcUir-Anftalt,   k.  Württemberg.,  485. 
Monteverde,  G.,  96,  402. 
Montiroli,  471. 
Moraitis,  P.,  466. 
Morant,  Boyd  &  Blanford,  55. 
Moreau,  Frangois,  330. 
Moreau-Vauthier,  Aug.,  330. 
Morel-Ladeuil,   158,  337. 
Morel  Ve.,  A.   &  Co.,  454. 
Morin,  Edmond,  422. 
Morini,  Franz,  66. 
Mortlock,  John,   155. 
Moulin,  Hipp.,  330. 
Müller,  Morten,  390. 
Müller,  Victor,  341,  358. 
Munkacsy,  Michael,  347,  350,  372,  374. 
Munthe,  L.,   390. 
Mufeum,  öilerr.  f.  Kunft  u.  Induririe,482. 

—  in  Klagenfurt,   514. 

—  in  Linz,  509. 
Muybridge,  466. 

Naumann,  F'ranz,  387. 

Natte,  H.  &  E.,   184,  214. 

Navarrete,  394. 

Nave,  Uella,  243. 

Naya,  466. 

Negro,  Peter  dal,  293. 

Negroli,  Ph.,  499. 

Nencini,  Clorinda,  205. 

Neumann,  Johann  Carl,  391. 

Neyt,  466. 

Niederlande,  f.  Holland. 

Nöhring,  465. 

Nogaro,  Carlo,  395. 

Nonnenberg,  Klofter,  515,   516. 

Nordenberg,  Bengt,  391. 

Normalfchule  in   Liffabon,   192. 

Norsini,  Lodovico,  398. 

Novopacky,  Jan,  441. 

Nicol,  E.,  410. 

Nielsen,  Johann,  390. 

Null,  Eduard  van  der,   18,  267. 


Obemetter,  463. 

ObermüUner,  Adolph,  367. 

Ockel,  Eduard,  358. 

Oeder,  355. 

Oefterreich,  Weltausflellungsplalz,  4 — 
14,  132,  133,  161,  369;  Architek- 
tur, 15 — 32  ;decorativeKunft,34 — 40; 
Wohnungsausftattung,  59 — 64 ;  Kunft- 
arbeiten,  158—166;  Frauenarbeit, 
221—233;  die  einzelnen  Provinzen, 
443';  Kunflpflege,  270—275;  bild. 
Kunft,  2S6;  359—371;  378—382; 
432—437;  Farbendruck,  440 — 444; 
Photographie,  458  ff;  architecton. 
Zeichnungen  und  Modelle,  475  (T; 
Zeichen-  und  Kunftuuterricht,  480  fl'. 

Oldofredi,  403. 

Opuich-F'ontana,  Adele,  226. 

Orchardson,  W.  (^uiller,  413. 

Orfanotrolio  di  Sinigallia,  203. 

Orientalifche  Bauten,  86-91;  Kunft- 
arbeiten,  174—176  (f.  die  einzelnen 
Länder.) 

Ortlieb,   350. 

Otlerbourg,   150. 

Otto,  M.  P.,  375. 

Paal,  L.  372. 

Paar,  Hermann,  437. 

Pagliano,  Eleuterio,   398. 

Panciera,  Gebrüder,  66. 

Paris,  Ausftellung  der  Stadt,  268,  284, 

298,  465- 
Paris,  kath.  Gewerbefchulen,   I94. 
—  Communalfchulen,  489. 
— •  Zeichenfchulen,  490. 
Parvillee,  L.,  71,  151,  219. 
Pasini,  Cav.  Alberto,  395. 
Passini,  Ludwig,   367,  368,  370,  394. 
Paterno,  J.,  442. 
Patini,  398. 
Paulik,  FViedrich,  23. 
l'aulsen,  F'ritz,  347. 
Pausinger,  435, 
Peiffer,  Aug.,  327. 
Pellicer,  394. 
Penon,  Henri,  47,  50. 
Peroff,  Wassili,  391. 
Perraud,  Jean  Jos.,  327. 
Perrot,  Henri,  428. 
Perfien,  Wohnhaus,  99;  Kunftinduflrie, 

176 — 178,440;  F'rauenarbeiten,246^ 

250. 
Peter,  P.,  463. 
Pettenkofen,  C.  A.,  366. 
Pettie,  John,  413. 

Philippe,  Emile,   150,  426,  432,  437. 
Philippotis,  294. 
Photographical  Company,  463. 
Piatti,  A.,   264. 
Picard,  A.  J.,  493. 
Pickman,   124. 
Piloty,  Carl,   263,  332,  334,   335,    339, 

350,  353.  372. 
Pilz,  Vincenz,   n,  36,  378. 
Pitner,  441,  442. 
Pitlara,  Carlo,  395. 
Plathner,  Hermann  A.,  347. 
Pönninger,  F'ranz,  38. 
Pollack,  Alexander,  64. 


522 


ALPHABETISCHES  NAMENS-  UND  ORTSREGISTER. 


Poole,  I'aul  Falkoner,  413. 
Portugal,  Kunftarl).,  125  —  126;  Trauen- 
arbeiten,  190 — 194;  Kunftunterricht, 

493- 
l'orzellanfabrik,  k.  in  Herlin,   170. 

—  k.  in  Meifsen,   170. 

—  k.  ruffifche,   138. 
Pofchinger,  358. 
Port,  Carl  B.,  435. 
l'otter,  A.,  382. 
Pottier,  Alfred,  305,  343. 
Pousielguc-Rusand,   146. 
Pradicr,  James,   189. 
Prang,  L.  &  Co.,  455. 
Preisel,  Chriftoph,  431. 
I'releuthner,  Job.,  38. 
X'reller,  Friedrich,  355. 
Pretifsen,  Kunftunterricht,  486   ff. 
Prior,   Maria,  212. 

Prolfs  sen.  sei.  Söhne,   140,  205. 
Protais,  P.  Alex.,  295,  321. 
Protheau,  Frangois,  327. 
Prüm,  Th.,  463. 


Queensland,  Photographie,  463. 
Questel,  470. 
Quillet,  E.  P.  N.,  43. 


Raab,  Joh.   I.eonhard,  43 1. 

RaV)ending,  Emil,  460. 

Rahl,  Carl,  275,  359,  371. 

Kaimondi,  C,  438. 

RajoM,  Paul  Ad.,  422. 

Ramberg,  A.  Freiherr  v.,  351. 

Ransonnet,  Baron  v.,  441. 

Rafch,  358. 

Ratzersdorfer,  Hermann,  163,  220,  248, 

268,   269,  299,  316,  356. 
Ravaisson,  F.,  488. 
Ravene  &  .Sufsmann,  169,  393,412,439. 
Read,  414. 

Redgrave,  Richard,  407,  413. 
Regnault,  Henri,    229,  311,    314,    315. 
Reiber,  E.,  80. 

ReifTenftein  &  Röfch,  440,  441. 
Reinecke,  465. 
Renaiffance,  Actiengef.  für  Holz-Archi- 

tectur  &  Möbelfabrication,   155. 
Rennefeld,  J.  H.,  438. 
ResanofT,  Alex.,  471. 
Resasco,  471. 
Reutlinger,  465. 
Reymond,   P.,  513. 
Richter,  C.uftav,  334,  343. 

-  J-,  '432. 
Riefstahl,  Wilhelm,  347. 
Rie])in,  39 1. 
Riefer,  Michael,  442. 
Riewel,  Ileinr.,   321. 
Ritter,  A.  &  Co.,   125,  375,  376. 
Robbe,  L.   M.  D.,  386. 
Robert-Fleury,   Tony,    277,   299,   321, 

33'- 
Robinfon,  460. 
Rochebrune,  Guill.  de,  422. 
Rodeck,  Gebrüder,   166. 
Rodriguez,  394. 
Roelofs,  Willem,  390. 


Rörftrand,  Actiengef.  derPorzellanfabrik, 

"33,  301.  329- 
Roeskilde,  Frauenarbeit,  214. 
Roth,  Philipp,  358 
Romanelli,  Ferd.,  341. 
Ronner,  Henriette,   390. 
Rosen,  Georg  Graf  v.,  390. 
Rosenberg,  Jos.,   166. 
Rosmanit,   166. 
Rossano,  395. 
Rossetti,  466. 
Rothfchild,  Freiherr  Anfclra  von,  497, 

499  u.  flf. 
Roudillon,  Etienne  .Sim.  F'ug.,  47,  253, 

256,  287,  303,  325,  473- 
Rousellon,  465. 
Rousseau,  Philippe,  326. 

—  Th.,  326,  417. 
Rouvenat,  L.  P'r.  P.,   150. 
Roveredo,    Engl.    Dameninftitut    Sta. 

Croce,  222. 

Roveredo,  Volksfchule,  222. 

Rüben,   Franz,  365. 

Rudrich,  Karl,  53. 

Rumänien,  Kunftinduftrie,  138 — 141; 
Frauenarbeiten,  238 — 240. 

Rupprecht,  460. 

Rufs,  Robert,  367. 

Rufsland,  Wohnungsausftattung,  67 — 
69;  Holzbauten,  73 — 75,  97;  462, 
464;  Kunftindul^rie,  112,  134 — 138, 
239,  280;  Frauenarbeiten,  242 — 246; 
bild.  Künfte,  294,  391 — 394;  archi- 
tekt.  Zeichnungen,  471 ;  Kunftunter- 
richt, 492. 

Sacken,  Ed.,  Freih.  v.,  496. 
Sachsen,     Königreich,     Zeichen-      und 

Kunftunterricht,  487. 
Sadec,  390. 

Salviati,  Dr.,  23,  128,   130. 
Sältzer,  Aug.,  28,  29,  102,  103,   147. 
Salentin,  Hubert,  347. 
Salmson,  Jean  Jules,  330. 
Sanson,  Justin  Chrys.,  330. 
Saposchnikoff,  A.  &   W.,   136. 
.Sasse,  Mathilde,  211. 
Scharwächter,  463. 
SchäfTer,  Auguft,  367,  441. 
Schaffgotfchc,  Ludwig  Graf,   171. 
Schampheler,  Edmond  de,    387. 
Schams,  Franz,  441,  442. 
Schaufs,  Ferdinand,  338. 
Schepp,  Auguftc,  358. 
Schindler,  Emil,  367. 
Schleich,  Eduard,  358. 

—  Robert,  358. 

Schlefien,  weibl.  Hausinduftrie,  230. 

SchlölTer,  Karl,  348. 

Schlöth,  Ferd.,  376. 

Schmidgruber,  Anton,  38,  424. 

Schmid,  Max.,   Dr.,   loi. 

Schmidt,  Friedrich,  149,  166,  392,  447, 

475,  478i 

—  Friedrich  Otto,  63. 

—  Heinrich,   14,  487. 

—  I-eopold,  433. 

—  Mathias,  350. 
Schmidt  &  Sugg,  309. 
Schmitson,  Theodor,  358,  434. 


Schmoranz,  91. 

.Schodifch,  L.,  460. 

Schödl,  Max,  367. 

Schöflft,  J.,  466. 

Schönbrunner,  Karl,  23. 

Schönn,  Alois,   366,  442. 

Schönthaler,  Franz,   15,   16,  18,48,50, 

63.  447- 

Scholtz,  Julius,  431. 

Schrjider,  Julius,  336,  339,  343. 

Schraudolph,  Cl.,  350. 

Schreiner,  Ed.,  446. 

Schreyer,  Adolph,  358. 

Schröder,  J.,  487. 

Schrüffel,  Anton,   23. 

Schröfl,  G.,  415. 

Schröter,  47 1. 

Schutt,  G.,  444. 

Schütz  &  Juel,  217. 

Schulthcifs,  Albr.,  222. 

Schulze,   Architekt  (Wien)  472. 

Schwarz-Senborn,  Freihr.  v.,  2. 

Schweden,  Wohnungsausftattung  67 ; 
Holzbauten,  71 — 73;  Kunftinduftrie, 
132 — 134;  Frauenarbeiten  215 — 220; 
bild.  Kunft,  286,  287,  39»— 39'- 

Schweiz,  nationales  Wohnhaus,  75 — 78; 
Kunftarbeitcn,  114 — 118;  Frauenar- 
beiten, 199 — 203;  bild.  Kunft,  293, 
382,  437—438;  Photographie,  466; 
architekt.  Zeichnungen,  470  IT;  Zei- 
chen- und  Kunftunterricht,  493. 

Scott-Russcl,   14,  19. 

Sebaftianutti,  460. 

Seebach,  P.,  466. 

Seelos.  Gottfried,  367,  441. 

Seidel  &  Sohn,  89,    109. 

Seitz,  Anton,  350. 

—  Guftav  W.,  446. 
•Selleny,  Jofeph,  441. 
Semiradski,  Heinrich,  391. 
Semper,  Gottfr.,  475,  479. 

—  Manfred,  379,  380,  381. 
jSerpentin-Gefellfchaft,  (achfifche  inZob- 

litz,   244,  245. 
Siebenbürgen,  fächs.  Wohnhaus,  82—86, 

458,459,  461. 
Sicgert,  Karl  Auguft,  347. 
Sievert  de  Boto,  Marie  C.,  189. 
.Signol,  Emile,   270,  299. 
Silber,  Auguft,  446. 
Silbernagel,  Johann,  38. 
Simon,  Guft.,  421. 
Sirouy,  Achille,  331,  338,  422. 
Sivalli,  Luigi,  438. 
Sjöberg,  H.,  219. 
Skalnitzky,  474. 
Slavonien,  weibl.  Hausinduftrie,  236  — 

238. 
Slocombe,  438. 
Smith,  Frithjof,  390. 

—  George,   186. 
.Sohn,  Wilhelm,  391. 
Sonnenlciter,  Johannes,  434. 
South-Kensington,  Kunftfchule,  491. 
.Spandiiri,  Angela,  206. 
Spangenberg,  Guftav,   339. 
Spanien,      Kunftarbeitcn,       122— 1 25; 

Frauenarbeiten,  186— 190;  bild.  Kunft, 
286,  289-290,  394;  Zeichen-  und 
Kunftunterricht,  493. 


ALPHABETISCHES  NAMENS-  UND  ORTSREGISTER. 


523 


Sparrman,  Carin,  216. 

Spiefs,  M.,  29 

Spitzenklöppelfchule,  k.  fächfifclie,  209. 

Splittgerber,  358. 

Spring,  350. 

Siiringer,  Cornelius,   390. 

Staatsdruckerei,   k.  k.  in  Wien,  443. 

Stademann,  Adolph,  358. 

Stakenfchneidcr,  471. 

Stang,  Rudolph,  430. 

Stcffan,  Joli.  Güttfr.,  358,  442. 

StelTeck,"  Karl,  358. 

Steindl,  474. 

Steiermark,  weibl.   Hausindullrie,    228. 

Steiffcnsand,  H.,  432. 

Steigerwald's,  Kranz,  NefTen,   171. 

Steinhäufer,  Carl,  366. 

Stevens,  Alfred,  386. 

—  Jofeph,  386 
Steyr,  die  Stadt,  509. 
Stobvvaffer  &  Co.,  405. 
StoUberg-Wernigeroder  Factorei  Illen- 

burg,   131,   135. 
Storch  cS;  Kramer,  444. 
Storck,  Jofeph,   14,   18,  23,  40,  56,  57, 

59,  60,  63,    119,   144,   145,  162,  169, 

185,  201,  227,  284,  285,  357- 
Storey,  Georg  Ad,,  413. 
Stowe,  412. 

St.  Paul    Stift,   502,  504,   506. 
St.  l'eter,  Stift,  (Salzburg),  502,503,  506. 
Strack,  J-  H.,  472. 
Street,  G.  Edni.,  470. 
Strafanftalten,  weibl.  öftcrr.,  222,  223. 
Stroebel,  390. 

Stroganoflf,  Kunflfchule,  492. 
Stüber,  F.  Aug.,  471. 
Stückcll)erg,  Erufl,  382. 
Sturm,  Friedr.,  23,  63. 
Stuttgart,  Kunftfchulc,  485,  486. 
Suck,  F.,  463. 
Sumatra,  367. 

Surmelis,  Müdcheninflilut  zu  Athen,  242. 
Sufse  freres,    170,   171,   172,   173,    184, 

189,  212. 
Suy,  Leon,   470. 
Sy  &  Wagner,    169. 
Szeckler  Wohnhaus,  79  -  81,  453. 
Szekcly,  460. 
Szuchodolsky,  394. 


Tabacchi,  Odoardo,  402. 
Tantardini,  Cav.  Antonio,    328,  402. 
Tassinari  &  Chatel,  47,    195. 
Taubftummen-  u.Blindenaiift.alt  Madrid, 

190. 
Taylor,  Robert  Minton,   156,  211. 
Tein,  Leo,  443. 
Teirich,  Valentin,  37,   120,   163. 
Testu  &  Massin,  454. 
Than,  Moriz,  371. 

Therefien-Kreuzer- Verein,    Israel.,   223. 
Thidbaut  &  fds,  327. 
Thomas,  W.  J.,  240. 
Thon,  Casp.,  471. 
Thoren,  f)lto  Ritter  v.,  367. 
Thun,     Graf,      (Thonwaarenfabrik     in 

Klöfterle)    29. 
Tidemand,  Adolph,  390. 


Tilgner,  Victor,  64. 

Timbuctu,  Goldwaaren,  372. 

Tirol,  wei1)l    Hausinduftrie,  228. 

Tifchler,  473  fl".,  478. 

Toschi,  l'aolo,  438. 

Tostrup,  J.,   134. 

Tournois,  Joseph,  330. 

Trcsling  &  Co.,  455. 

Trigt,  II.  A.  van,   390. 

Troitfch,   Otto,  446. 

Troyon,   Constant,  326,  395,  5I7- 

Truphemc.  Franjois,  327. 

Türkei,  Wohnhaus,  88 — 99;  Kunft- 
arbeiten  (f.  „Orient"),  251,  255; 
Frauenarbeit,  250 — 254,  371  ;  Photo- 
graphie, 466;  Schatz  des  Sultans,  501. 

Türpe,  A.,  379. 

Tunis,  Wohnungsausftattung,  103 — 106; 
Frauenarbeiten,  246 — 250. 

Turner,  Jos.  M.  W.,  413. 

Twerembold  &  Söhne,   130. 


Uffenheimer's  Klöppelfchule,  Rietz,  Ti- 
rol,  166,   226. 

Ullrich,  Heinrich,   162. 

Ulimann,  Benjamin,  331. 

Ulrich,  Chr.  jun.  &  Co.,  276. 

Ungarn ,  Wohnungsausflattung,  64 ; 
Kunflarbeiten,  138 — 142;  Frauenar- 
beit, 233 — 238;  Kunflpflege,  273; 
bild.  Kunfl,  286,  371—374;  Photo- 
graphie, 460;  architekton.  Zeich- 
nungen, 473;  Zeichen-  &  Kunflunter- 
richt,  482. 

Ungcr,  William,  435. 

Ussi,  Stefano,  398. 


Vanni,  Carlo,   23. 

Varrone,  Johann,  441. 

Vaiidoyer.  Ant.  L.,  470. 

Vautier,  lienj.,  319,  346,  382. 

Vela,  Vinc,  403. 

Verboeckhoven,  Eug.  Jos.,  386. 

Verdun,  Nicolaiis  von,   510. 

Verein  zur  F'örderung  des  Zeichenunter- 
richts in  Preufsen,  486. 

Vereinigte  Staaten  von  N.-A.,  Frauen- 
arbeiten, 183  -  184;  bild.  Kunfl,  286; 
Farbendruck, 45 5;  Photographie,466; 
Zeichen-  und  Kunflunterricht,  494. 

Verein  zur  Förderung  weibl.  Erwerbs- 
thätigkeit,  Hamburg,  207. 

Verlat,  Charles,  386,  411. 

Vernier,  F'mile  Louis,  422. 

Verveer,  E.,  390. 

—  N.  B.,  466. 

—  Sal.  Leon.,  390. 
Vertunni,  Achille,  394. 
Vianello,  Polycarpo,  84. 
Vibert,   Georges  J.,  321. 
Victoris,  489. 
Villebois,  40. 

Villeroy  &  Boch,    121,   127,   141,    169, 

177,   180,    181,  209,  211. 
Vinck,   Franz,  386. 
Violett-le-Duc,  470. 
Vitalis,  G.,  128. 


Völkerling,  463. 
Vogel,  Albert,  432. 

—  Friedrich,  432. 

—  H.,  465. 
Vollen,  Antoine,  326. 

Vollz,   Friedrich,  358,  435,  442. 

Vos,  M.,  390. 

Vriendt,  Albrecht  de,  386. 

—  Julian  de,   124,  386. 


Wagmüller,  Mich.,  378. 
Wagner,  Alex.,  372. 

—  Rud.,  446. 
Waifenhaus  zu  Görz,  222. 
Walery,  465. 
Walker,  W.,  54. 
Wanderer,   167. 
Ward,  J.  Q.  A.,  289. 

—  Ed.  Matth.,  410. 
Wafferburger,  A.,  392. 
Waterhouse,  Alfred,  54,  470. 
Watkins,  E.,  466. 
Watson,  J.  I).,  412. 

Watts,  George  Fred.,  410. 
Wauters,  Emile,  386. 
Wawra,  460. 
Weber,   14,   18. 

—  Aug.,  355. 

—  Friedrich,  437. 

—  l'aul,  358. 

Wedgwood,  Josiah  &  Sons,    155,    156. 
Weeber,  Ed.   v.,  442. 
Weise,   Gull.,  446. 
Wengftröm,  J.  O.,  71. 
Wentzel,  M.,"  232,  333. 
Wereschtschagin,   Wassili,   38 1. 
Werner,  Ant.  v.,   igi,   355. 

—  Carl,  367,  446. 

—  Fritz,  348. 
Westmacott,  Richard,  414. 
Whistler,  J.  II.  M.,  438. 
Widnniann,  Max,  29. 
Wielemans,  477. 

Wien,     Ausflcllung    der    Stadt,    270, 
284. 

—  Schule  St.  Urfula,  222. 
Wiertz,  Antoine,  383,  384,  386,  466. 
Wilczek,  Hans,  Graf,  460. 

—  Wilhelm,  477. 
Wilkie,   Sir  David,  410. 
Willems,  Florent,  386. 
Willewalde,  Gottfried,  391. 
Willmann,  Eduard,  432. 
Willroider,  Ludwig,  358. 
Wilmotte,  J.,   u8. 
Wüten,  Stift,  502,   503. 
Winter,   Ch.,   167. 
Winterhalter,  Fr.  X.,  434. 
Wittig,  Augufl,   376. 
Wohlthätigkeilsverein,  Stuttgarter,  208. 
Wolff,  Albert,  375. 

—  Emil,  376. 
Worcester  Works,   155,   156. 
Wortley   Stuart,  461. 
Württemberg,  Zeichen-  undKiinftuntcr- 

richt,  485  ff. 
Wunder,  F.,  200. 
Wunder  &  Kölbl,   166,   188,  200. 
Wurm,  477,  478. 


Xylographen-Verein,   Wiener,  436. 

Ybarzabal,  406,  407. 

Ybl,  364,  473- 

Ycames,  William  Krcderick,  412. 

Yvoii,  Adolphe,  270. 

Zafouk,  Rudolph,  36. 


Zamacois,  D.  Eduardo,  290. 
Zannoni,  401. 
Zennoro,  Domcnica,  206. 
Zeltler,  Franz  Xaver,  388. 
Zezzos,  Alessandro,  3(_)8. 
Zichy-Melternich,  (Jräfin,  226. 
Ziegelfabrik- &  Baugefellfchaft,  Wiener- 
berger,  37,  69,   163. 


Zimmermann,  Albert,  366. 
I     -    E.  G.,   196,   257,  270,  271. 

—  Reinh.  Seb.,  350. 

-  W.,  487 
Zocchi,  Emilio,  402. 

j  Ziiloaga,   123,  249,  361. 
Zumbufch,   Casp.,  35,    160,   232,  377, 
i      378- 


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Druck  von  Hundertftund  &  l'ries  in  Leipzig. 


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UNIVERSITY  OF  TORONTO  LIBRARY 


N  LUtzow,  Karl  Friedrich  Arnold 

6810  von 

V5L8       Kunst  und  Kunstgewerbe 

auf  der  Wiener  Weltausstellung 

1873 


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