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Full text of "Leben des Erzbischofs Bruno von Köln"

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LEBEN DES ERZBISCHOF BRUNO VON KOLN 


Ruotger. 


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U.B.C. LIBRARY 


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Die Geſchichtſchreiber 


der 
deutſchen Vorzeit 
in deutſcher Bearbeitung 


unter dem Schutze 


Sr. Majeſtät des Königs Friedrich Wilhelm IV. 
von Preußen * 


herausgegeben von 


G. H. Pertz, J. Grimm, K. Lachmann, L. Ranke, 
K. Ritter. 4 
Mitgliedern der Königlichen Akademie der Wiſſenſchaften. 


7 
X. Jahrhundert. 3. Band. 


Auotgers Leben des Erzbiſchofks Bruno von Köln. 


Wilhelm Geſſer's verlagsbuchhandlung. 
(Franz Duncker.) 


1851. 


Ruotgers 


Leben des Erzbiſchofs Bruno 


von Köln. 


Nach der Ausgabe der Monumenta Germaniae 


überſetzt von 


Dr. Julius von Jasmund. 


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Berlin. 


Wilhelm Beffer’s Verlagsbuchhandlung. 
(Franz Duncker.) 


1851. 


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Einleitung. 


Neben Widukind, Thietmar und Liudprand iſt Ruotgers Leben 
des Erzbiſchofs Bruno von Köln immer als wichtige Quelle zur 
Geſchichte Deutſchlands unter Kaiſer Otto dem erſten betrachtet 
worden. Brunos Stellung ſelbſt war zu bedeutend, ſeine Perſön— 
lichkeit zu hervorragend als daß nicht Notizen über ſein Leben zur 
Aufhellung der allgemeinen Verhältniſſe beitragen müßten; überdieß 
aber war Ruotger, der des Biſchofs Leben, ſchrieb, fein Zeitgenoſſe 
und aus eigener Anſchauung mit dem Leben!, Character und den 
Thaten ſeines Herrn bekannt geworden. Dem Nachfolger Brunos, 
Erzbiſchof Folkmar, befreundet erhielt Ruotger von dieſem den Auf— 
trag jene Lebensbeſchreibung abzufaſſen, zu welchem ihn ebenſoſehr 
ſeine Verehrung für den Verſtorbenen wie ſeine allgemeine Bildung, 
ſeine Kenntniſſe und vor allem auch ſein Studium der griechiſchen 
und römiſchen Literatur als geeignet empfohlen haben mochten. 
Und wir können keinen Zweifel hegen?, daß die Arbeit, welche Ruot— 
ger zu Stande brachte den an dieſelbe gemachten Anſprüchen und 


1) Erzbiſchof Bruno ſtirbt den 11. Octb. 965; Folkmar regiert bis 18. Juli 967. — 
2) Thietmar ſagt er brauche nicht ein Weiteres über Bruno mitzutheilen, da über ihn un- 
ſeres Ruotgers Werk erſchöpfend ſei; Abt Foleuin folgte in feiner Geſchichte der Lobienſer 
Aebte wörtlich Ruotgern; ebenſo benutzte ih 0 des Lebens der Königin Mathilde 
und ſpäter Sigebert; Hermannus Contractu andere kennen ihn. 


VI Einleitung. 


dem Geſchmack der Zeit vollkommen genügt habe, wie wir aus 
dem ausgeſprochenen Lobe einiger Autoren, aus dem verhüllten 
aber nicht minder bezeichnenden anderer, welche ihn wörtlich aus— 
ſchrieben, deutlich erſehen. Wir haben oben ſchon die Punkte an— 
gedeutet, welche auch für unſere Zeiten, welche für die Geſchichte 
überhaupt dem Werke ſeinen Werth verleihen; Sprache und Dar— 
ſtellung können uns nicht anziehen, denn jene iſt geſucht, überla— 
den und ohne eigenthümliches Gepräge, dieſe phraſenhaft, verwor— 
ren und reich an unpaſſenden Vergleichen ſowie anderen Zierrathen 
eines wenig reinen und durchgebildeten Geſchmacks, ſo daß in die— 
ſer Hinſicht Bruno kaum den beſſeren Geſchichtsſchreibern des Mit— 
telalters an die Seite geſetzt werden dürfte; auch wollen wir nicht 
leugnen, daß erwogen wie günſtig das Schickſal Ruotgern den äußern 
Verhältniſſen nach geſtellt hatte, indem es ihm mehr als flüchtige 
Begegnung mit jenem großen Manne vergönnte, uns bei den 
langen, nichtsſagenden Ergüſſen des Lobes und der Bewunderung, 
bei der oberflächlichen Behandlung des Wichtigen und der genauen 
Ausführung der Nebendinge ein Gefühl des Unmuths darüber er: 
greift zu ſehen, wie wenig die Einſicht und das Talent des Schrei— 
bers dem Gegenſtande gewachſen waren, welchen er ſich zum Vor⸗ 
wurf erwählt hatte und wie viel Spreu uns geboten iſt, wo ein 
begabterer Geiſt ſo reiche Leſe edelſter Frucht hätte halten können. 
Bei alle dem iſt das Werk ſtofflich von der größten Bedeutung. 
Gleichzeitige Nachrichten find immer die wichtigſten und unſchätz⸗ 
bar wenn ſie den Stempel der Wahrheit jo deutlich wie die unſri⸗ 
gen an ſich tragen und in der Vergleichung mit andern Quellen 
ſich als völlig zuverläfftg und ſicher bewähren; den mit der Wahr- 
heit durch ſeine Stellung vertraut gewordenen Geſchichtsſchreiber 
leiteten Liebe und Verehrung bei der Abfaſſung ſeines Werks, die 
gern in der Verherrlichung der Verdienſte jenes Mannes, der ja 
in der That ſo groß und einzig daſtand, ſich ergiengen; aber Ueber— 
treibung und Fälſchung der Wahrheit blieben vermieden, da Schmei— 
chelei dem Verſtorbenen gegenüber fernab lag und ein rechtes Maß 
des Lobes über dem kaum geſchloſſenen Grabe des Erzbiſchofs durch 


* 


Einleitung. VII 


das allgemeine Urtheil der kundigen Zeitgenoſſen von ſelbſt gege— 
ben und geboten war. Wenn wir aber in anderen Quellen ganz 
ſo wie bei Ruotger viele wichtige Nachrichten über Bruno finden, 
ſo danken wir es dem lebendigen Intereſſe welches Ruotger für 
ſeinen Herrn hegte, dem bewundernden Andenken, welches er dem 
Verſtorbenen zollte, daß ſte wenn dort in der Maſſe des geſchicht— 
lichen Stoffs ſich verlierend hier in Ruotgers Werke, allein dazu 
beſtimmt, des Erzbiſchofs Leben darzuſtellen, durch ihre Verbin— 
dung zu einem Ganzen den wahren Werth erhalten, indem uns 
aus ihnen über Brunos Stellung und Perſönlichkeit ein volles 
und klares Verſtändniß entgegenſtrahlt. Immer iſt es Gewinn die 


großen Geſtalten der Vorzeit ſich in beſtimmten Umriſſen vergegen⸗ 
wärtigen zu können; in unſerm Fall iſt damit zugleich die Mög⸗ 


lichkeit gewährt, eine richtige Auffaſſung und umfaſſende Kenntniß 
der deutſchen Geſchichte unter Kaiſer Otto dem erſten ſich anzueig 
nen und die Bedeutung der Regierung jenes Kaiſers gerecht un 
allſeitig zu würdigen. Es würde ohne Ruotgers Werk trotz de 
im Eingange aufgeführten Quellen die Lücke, welche es ausfüllt, 
ſchmerzlich empfunden werden. Denn ſo viele ihrer über die Tha— 
ten und das Leben Ottos geſchrieben haben, bei allen beherrſcht — 
und das wird nicht Wunder nehmen — die Größe des Kaiſers voll— 
ſtändig und ausſchließlich den geſammten Stoff der ſich in unge— 


meſſenem Reichthum drängenden Ereigniſſe; des Kaiſers Weisheit, 


Kraft, Gerechtigkeit und Tapferkeit geben allen Dingen Fortgang 
und Gedeihen, alles was erzählt wird, läuft mittelbar oder unmit⸗ 
telbar darauf hinaus des Kaiſers Ruhm zu verkünden, überall 
glänzt Otto, der Bewahrer und immer Mehrer des Reichs. Die 
Idee des allmächtigen allgemeinen Kaiſerthums hatte wie zu keiner 
anderen Zeit die Gemüther ſich unterworfen; Leben und Litteratur 
ſind von ihr gleichmäßig durchdrungen, indem wie immer ſo auch 
hier die Völker an der in der vollen Lebensfülle göttlicher Kraft 


einherſchreitenden Perſönlichkeit ſich zur begeiſterten Verehrung der 


— 


Ideen erhoben. Dieſe Verherrlichung Ottos, welche als das letzte 


Ziel aller Geſchichtsſchreibung jener Zeit gelten kann, ſchließt nun 


VIII Einleitung. 


nicht aus, daß der Thaten und Verdienſte anderer Männer mit ges 
bührendem Lobe Erwähnung geſchähe; vielmehr finden wir bei den 
verſchiedenen Schriftſtellern, je nachdem ſie durch heimatliche und 
nationale Vorliebe oder ihre perſönliche Stellung geleitet dieſen 
oder jenen Abſchnitt der Geſchichte Ottos beſonders genau und ins 
Einzelne gehend behandelten, auf dem Schauplatz der Kämpfe bald 
wider Slaven oder Ungarn oder Italiener, die hervorragenden 
Figuren, die Führer und Vorkämpfer der deutſchen Völker mit 
Liebe geſchildert und ihre Thaten durch ſorgſame Aufzeichnung ge— 
ehrt. Aber es iſt überall dies eine Verhältniß zu beobachten: ſo 
bedeutend auch die Perſönlichkeiten ſein mögen, ſie erſcheinen nur 
als die geſchickten Ausführer der Gedanken und Pläne Ottos, die 
geeigneten Werkzeuge, welche in ſeiner Hand, durch ſeine Leitung 
und nach ſeinem Willen Erfolge erzielen. Alle vom Kaiſer mit 
weltlicher Macht bekleidet gleichen fte den Gliedern, welche nach 
verſchiedenen Seiten und in verſchiedenem Sinn wirkend den Im⸗ 
puls der Handlung gleichmäßig von dem bewegenden Seelenvermö— 
gen empfangen, das hier in der höchſten Spitze weltlicher Macht, 
dem Kaiſerthum, ſich darſtellt. Dies hält zuſammen, ruft Anſtren⸗ 
gung und rege Thätigkeit hervor und iſt der Quell der immer fri— 
ſchen Lebensſtrömungen, welche, hinüber und herüberwogend, von 
einem zum andern enteilend und wiederkehrend das Einzelne in 
naturgemäßer Kraft und die Geſammtheit des Organismus in har— 
moniſchem Zuſammenwirken erhalten. Nun iſt aber die Idee des 
Kaiſerthums nur eine jener Gewalten, welche die Geſchichte des 
Mittelalters beherrſchen; wenn es Otto gelang feinem Reiche Fes 
ſtigkeit, Kraft und Anſehen zu geben, wie daſſelbe ſeit den Tagen 
des großen Karl nicht beſeſſen hatte, wenn er ſeiner Macht eine 
Einheit und Ausdehnung zu verleihen wußte, wie ſie keiner der 
ſpäteren Kaiſer in gleicher Weiſe erlangt hat, fo war dies nur da- 
durch möglich, daß das Schwert der geiſtlichen Gewalt ſein volles 
Gewicht in die Schale der weltlichen Herrſchaft warf. Der Schwer— 
punkt der Kirche lag aber damals in Deutſchland, wenn auch in 
Italien das ſichtbare Oberhaupt derſelben ſeinen beſtändigen Sitz 


Einleitung. IX 


hatte. Daß nun hier in Deutfchland ein Mann an die Spitze des 
kirchlichen Gemeinweſens trat, ausgerüſtet mit hoher Kraft des 
Geiſtes, durchdrungen von der erhabenen Aufgabe des prieſterlichen 


Berufs, ganz kirchlich geſinnt, einfach und ſtreng in Sitten, gelehrt 


und raſtlos thätig, vor allem ſelbſtſtändig in Character und Ideen, 
und daß eine ſolche Perſönlichkeit Otto ſich ganz anſchloß, ihm mit 
Rath und That bei der Ausführung ſeines großen Werkes aufs 
Treuſte zur Seite ſtand, war von der entſcheidendſten Bedeutung. 

Dieſer Mann war Bruno. Man kann ſagen daß es die Gabe 
höherer Naturen iſt, in den Verhältniſſen, welche ihnen als Lebens 
und Wirkungskreis beſtimmt ſind, deutlich die Momente zu erken- 
nen, welche als Grundbedingungen einer gedeihlichen und eingrei— 
fenden Thätigkeit beobachtet und gepflegt werden müſſen; und nicht 
nur dieß; es gilt ferner die Schranken zu finden, welche die Lebens- 
aufgabe eignem Willen und Neigungen ſetzt und zugleich in dem 
Wechſel der Ereigniſſe, über der Anfechtung innerer und äußerer 
Feinde und in der Verſuchung ſcheinbaren Erfolgs, trügeriſchen und 
zeitlichen Ruhms den lichten Punkt feſtzuhalten, der allein zu wah— 
rer Größe führen kann, nämlich jene Uebereinſtimmung und Ver— 
ſchmelzung der vollen, klaren Erkenntniß mit der Kraft und Ste— 
tigkeit des Willens. 

Bruno beſaß dieſe Weihe wahrer Größe in reichem Maße. In- 
mitten des Gepränges irdiſcher Macht, in Reichthum, Glanz und 
Fülle war er auferzogen; ſein Gemüth war tief aber heftig und 
von ſtarken Leidenſchaften durchſtürmt, ſein Wille energiſch und 
ausdauernd; ein unabläſſiges Streben, ein heißer Thatendrang 


ſpornte den Geiſt zu einer regen Thätigkeit, dazu kam ein klarer 
und ſcharfer Verſtand, der die Dinge in ihrem wahren und rechten 


Lichte zu erkennen und für alle Verhältniſſe Mittel und Wege zu 


finden wußte. Einer ſolchen Natur konnte der Ehrgeiz nicht fehlen: 


— 


ein ächter Sohn des Vaters erglühte feine Seele in der alles ber 
herrſchenden Sehnſucht Großes zu ſchaffen und groß zu werden, 


um, wie Ruotger von Ludolf ſagt, den Weg zum Olymp zu erklimmen. 
Bei ſolchen Eigenſchaften und ſolchem Charakter ſchien er nicht 


X Einleitung. 


auserleſen unter dem Bruder als Feldherr zu glänzen oder in ne⸗ 
benbuhleriſcher Eiferſucht als Führer der Gegner dem Kaiſer einen 
Kampf auf Leben und Tod zu bereiten? Es wäre eitle Mühe zu 
fragen, wie er ſolcher Aufgabe genügt, wie dann die Entwicklung 
der Begebenheiten, was ihr wahrſcheinlicher Erfolg hatte ſein kön⸗ 
nen; genug er war ein Mann fähig’ und begierig zu herrſchen und 
mit gewaltiger Hand in dem Lauf der Weltereigniſſe einzugreifen. 
Das Geſchick in wunderſamer Fügung beſtimmte ihn zum Dienſt 
der Kirche: und nun warf er ſich, kaum zum Bewußtſein ſeiner 
ſelbſt gelangt, alsbald mit der ganzen Energie ſeines Weſens in 
die ihm vorgezeichnete Bahn. Alles weltliche wies er von ſich, er 
erniedrigte ſich ganz vor Gott und Menſchen, nur auf die Kirche 
richtete er ſeinen Sinn, ihres Dienſtes würdig zu werden war der 
Zweck und das Ziel ſeines Lebens. Indem Bruno ſo ganz die 
Pflichten ſeines heiligen Standes erfüllte und ein Muſter reiner 
Sitten und edler Bildung allen in dem Gehorſam des göttlichen 
Gebots, das da fordert, das Fleiſch zu tödten und ſich ſelbſt zu über⸗ 
winden, vorangieng ward er bald, zugleich durch ſeine äußere Würde 
als Erzbiſchof von Köln getragen, in Wahrheit der geſammten deut⸗ 
ſchen Kirche Haupt und Hort. Aber dieſe Höhe ließ Bruno nicht 
ſchwindeln: unabhängig wie er daftand, wollte er feine Unabhän— 
gigkeit nicht zum Widerſtand, in Beſitz der geiſtlichen Macht wollte 
er dieſe nicht zur Schwächung und Vernichtung weltlicher Herrſchaft 
benutzen. Ihn hatte vielmehr ganz der Gedanke erfüllt, geiſtliche 
und weltliche Gewalt in dem Streben vereint zu ſehen, des deut- 
ſchen Reiches Herrlichkeit weit über ſeine alten Grenzen auszudeh⸗ 
nen. Die Vaterlandsliebe und der kirchliche Sinn waren bei ihm 
innig verwachſen; in dem Kaiſerthum deutſcher Nation ſah er des 
Volkes Ruhm und Stolz, aber nicht minder der Kirche Schild 
und Schwert. Und während Bruno, wie wir ſchon ſagten, mit 
unabläſſigem Eifer beſtrebt war, dem Dienſte des Herrn ſich zu er— 
geben und die Kirche durch Beiſpiel und ſtrenge Zucht zum wahren 
Tempel Gottes und zur Wohnſtätte der Tugend zu machen, ſo ganz 
Prieſter und Diener der Kirche, übte er andrerſeits ſeine volle Macht, 


Einleitung. XI 


welche die kirchliche Stellung verlieh, um überall wohin ſein Arm 
reichen konnte, deutſchen Einfluß zu gründen und die Grenzen der 
Kaiſergewalt zu erweitern. Wenn daher Otto ein Reich ſchaffen 
konnte, groß und gewaltig, wie es des deutſchen Namens würdig 
war, und ſeine kaiſerliche Majeſtät ſo hoch aufrichtete, daß Frank— 
reich und Italien, die Länder des Nordens und Oſtens ſich unter— 
thänig vor ihm beugten, fo war es vor allen Bruno, der ihm ſol— 
ches Werk bereiten half. Gerecht aber ift es, daß, da Bruno wollte, 
„ſein Ruhm ſolle des Bruders Ruhm ſein“, die Geſchichte zur 
Vergeltung mit des Bruders Ruhm auch den ſeinigen unzertrenn— 
lich in lebendigem Andenken erhält. 


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Leben des Erzbiſchofs Bruno von Köln. 


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Die Vorrede zum Leben des Erzbiſchofs Bruno 
von Köln beginnt. 


Dem in der Gnade Chriſti ſeligen und in allem Glanze der 
Weisheit ſtrahlenden Erzbiſchof Folkmar, ſeinem Herrn, wünſcht 
der niedrigſte ſeiner Diener, Ruotger, den dauernden Preis wahren 
Ruhms. Ihr legtet, ehrwürdiger und heiliger Herr auf meine 
Schultern die ſchwere aber mir trotzdem fo ſüße Laſt, daß ich das 
Leben des bewunderungswürdigen und hochherzigen Erzbiſchofs 
Bruno, ſo gut ich vermöchte, ſchreiben ſollte. Und wenn dieſem 
ſeine Tugenden einen Ruhm erwerben, wie meine ſchwache Feder 
ihn nie nach Gebühr wird würdigen können, ſo war es mir doch 
hoher Genuß, da ihr es mir befahlt, von ihm dem hohen Manne 
reden zu dürfen. Zeigte er ſich doch von Anbeginn an ſolchen 
Geiſtes, daß es nicht ſchien als ſei er geboren für ſich zu leben, 
ſondern allein zum Segen und Heil der Menſchen geſchaffen. Wie 
viele ja unzählige Thaten kennen wir von ihm würdig immer in 
der Erinnerung bewahrt zu werden! aber kein Leſer möge erwar⸗ 
ten, daß ich oder ein anderer dieſe Maſſe von Stoff zu bewälti⸗ 
gen im Stande ſein könnte; denn wenn jemand wirklich verſpräche 
dies treu und der Wahrheit gemäß ſowie vollſtändig thun zu wol— 
len, der müßte über jedes einzelne Jahr feines Lebens große Werke 
ſchreiben. Und ich meine daß weit und breit viele beſchäftigt ſein 
werden, das Andenken ſeines Wirkens den künftigen Geſchlechtern 
theils durch mündliche theils durch ſchriftliche Ueberlieferung zu 

Geſchichtſchr. d. deutſchen Vorz. X. Jahrh. Dr Bd. 1 


2 Vorrede. 


erhalten. Denn nicht auf eine Provinz oder ein Reich beſchränkte 
er ſeine Wirkſamkeit; überall wohin er kam war ſeine Mildthätig— 
keit, ſein Fleiß und Eifer auf das Wohlergehen und Fortſchreiten 
der Menſchheit gerichtet. Und es giebt noch manche die hiervon 
lauteres und beredtes Zeugniß ablegen können, da wenn andere 
hierzu nicht die Fähigkeit beſitzen, an vielen Orten Wiſſenſchaſten 
und Künſte von den Schülern Brunos in der lebendigen Erinne— 
rung an ihn ſo ſorgſamer Pflege genießen und zu ſolcher Blüthe 
gebracht find, daß dieſe Männer die größten und berühmteſten Tha- 
ten nicht nur zu erzählen ſondern auch auszuſchmücken verſtehen wür— 
den. Wie viele Schüler jenes großen Mannes kennen wir, welche 
Biſchöfe find, wie viele ausgezeichnet durch die mufterhafte Erfül— 
lung aller Pflichten ihres geiſtlichen Berufs, ſie die ihm alle ver— 
traut waren und durch erhabene Denkmale der Geſchichtsſchreibung 
weit vollkommener das Leben ihres Meiſters verherrlichen könnten! 
Und wer bin ich dagegen, der ich gewagt habe, mein hoher Herr, 
Eurem Wunſche nachzukommen. Ich habe wenigſtens gethan ſo— 
viel ich vermocht habe, ohne Vertrauen und Zuverſicht auf meine 
Fähigkeiten, aber unverzagt im Gefühl des Gehorſams. Und wenn 
es mir daher wohl unmöglich erſchienen iſt, das angeſtrebte Ziel 
zu erreichen, fo babe ich wenigſtens geſucht Eure Befehle in ihrer 
ganzen Wichtigkeit ſo zu ehren und zu erfaſſen, daß ich, meine un⸗ 
zureichende Kraft vergeſſend, ganz in Euch mit Geiſt und Auge 
mich verſenkte. Eure ſo reiche Gnade flehe ich daher an, daß das 
was dieſem Werk an Glanz und Schmuck der Rede abgeht, bei 
Euch durch den Gedanken erſetzt werden mag, daß es das Leben 
eines Mannes iſt, welchen Ihr um feiner Tugenden willen fo uns 
ausſprechlich geliebt habt. Der allmächtige Gott aber wolle Euch 
zu unſerem Heil lange unverſehrt und in Wohlergehen erhalten. 


Das Leben des Erzbiſchofs Bruno beginnt. 


Weiſe ohne Zweifel iſt es zu wiſſen woher die Gabe kömmt, 
welche uns verliehen iſt: niemand aber meine, ſie komme von ihm 
ſelbſt, oder ſei von Gott nach Recht und Verdienſt ausgetheilt. 
Denn wenn wir fragen was uns von Rechtswegen zukömmt, ſo 
müſſen wir antworten nichts als Strafe; Gottes Barmherzigkeit 
übte aber im Voraus Gnade, damit er den Menſchen Gnade für 
Gnade verleihen könnte; und dies fällt dem Menſchen zu, weil 
Gott es ſo will nicht weil der Menſch es verdient; denn was haſt 
du, ſagt der Apoſtel, das du nicht empfangen hätteſt? wenn du 
es aber empfangen haſt, was rühmeſt du dich als hätteſt du es 
nicht erhalten?! Durch unergründliche Vorherbeſtimmung der 
göttlichen Güte iſt daher den Auserwählten Gottes verliehen, daß 
ſie mit köſtlichen und reichen Gaben der Gnade beſchenkt werden 
und dennoch eben das was ihnen ertheilt wird, gewiſſermaßen durch 
Gnade ſich wiederum verdienen; bei dem einen ſo, bei dem andern 
anders, iſt es doch überall der nämliche Geiſt, welcher in allen 
wirkt, den einzelnen zutheilend nach ſeinem Ermeſſen. Nur ſeinem 
eingeborenen Sohne verleiht Gott nicht nach dem Maße ſeines 
Willens den Geiſt, denn in ihm wohnt vielmehr, wie der Apoſtel 
ſagt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig ?; feinen Gliedern theilt 
er nach ſeinem Ermeſſen mit; alles giebt er ihnen zum Genießen, 
alles das iſt ſich ſelbſt, auf daß Gott ſei Alles in Allem 3. Dieſe 
verſchiedene Größe und verſchiedene Vertheilung der Gaben iſt eine 
höchſt merkwürdige Frage wie auch wenn jenes Haus Gottes, ſchoͤn 
in ſeiner Ehre und herrlich geſchmückt, ſich zeigen wird, von dem 


1) 1 Korinther, 4. 7. — 2) Koloſſer, 2. 9. — 3) 1 Korinther, 15. 28. 
1 * 


4 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


beſagt iſt: es iſt dein heiliger Tempel, wunderbar in ſeinem 
Ebenmaß !, 

2. Erſt kurzlich haben viele an dem ehrwürdigen Biſchof der 
Kölner Kirche, Bruno, ſeligen Andenkens, geſehen und die Weiſen 
erkannt, was den Menſchen vor ſeinen Brüdern auszeichnet und 
berühmt macht. Seine Reden und Thaten konnten diejenigen, 
welche ſeine Freundſchaft und ſeinen Umgang genoſſen nicht genug 
bewundern. Denn in ihm waren zwei ſehr verſchiedene Eigenſchaf— 
ten vereint: edle Geburt, hohe Würde, eine bewunderungswürdige 
Menge von Kenntniſſen, welche meiſt hochmüthig zu machen pflegt, 
mit einer Demuth des Herzens und der ganzen Erſcheinung, daß 
man glauben konnte, es gäbe nichts niedrigeres denn ihn. Alles 
was zu verſchwenderiſchem und üppigem Leben gehörte ſtand ihm 
zu Gebote, aber mit ſcharfer, unabläſſiger Wachſamkeit wußte er 
alles von ſich fern zu halten. Anders erſchien er den Augen der 
Menſchen anders dem prüfenden Herzen. Wir glauben aber es 
werde vielen zur Erbauung gereichen, wenn wir bei der Darftel- 
lung von Brunos Leben gleich mit ſeinen Kinderjahren beginnen, 
denn in ihnen werden die Niedrigen und Armen Troſt und Linde— 
rung, die Hohen und Reichen ernſte Mahnung und Warnung finden. 
Seine Ahnen gehörten ſeit Menſchengedenken zu den Edelſten des 
Volkes 2; keiner in dem Geſchlecht, der unberühmt, keiner ** ent⸗ 


1) Pſalm, 64. 5. 6. — 2) Ruotger ſagt nicht zu viel, da . ben Lubelfniſchen 
Geſchlecht angehörte, welches einerſeits mit Karl dem Großen verwandt andererſeits feine 
Urſprünge bis zu jenen großer Sachſenherzogen Widukind und Bruno verfolgte. Es iſt in⸗ 
tereſſaut, die wenn auch nicht in allen Punkten ſichere Geſchlechtstafel biefes Saufes ; zu 


verfolgen : 
Karl Martell 
1 U Bruno Bernard Pippin 
| | 13 
Nie Egbert Ida Karl d. Große 
Walbert Ludolf Ludwig d. Fromme 
— — | 1} i 
: | Eberhard Giſela 
dunn, a en Thiedrich * 1 a N. Aon 
114 
Thanemar. Ludolf - ] 
Mahtilde Heinrich Hatheburg. 4 
— — urn ne 


Otto J. Gerbirg. Heinrich, Bruns, ar | 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 5 


artet geweſen wäre; alle aber, die hochberühmten Kaiſer und Koͤ⸗ 
nige ausgenommen, übertraf dieſer in Anmuth des Weſens, in 
Ruhm der Wiſſenſchaften und Künſte und jeder Art geiſtiger Aus⸗ 
zeichnung. Er wurde geboren zur Zeit als ſein Vater, der ruhm⸗ 
reiche König Heinrich, nachdem die wilden Barbaren gebändigt und 
auch die Gefahr innern Krieges beſeitigt war, mit großem Eifer 
das Werk der Wiederherſtellung des Reiches aus ſeinen Trümmern 
begann und das ihm ergebene Volk unter dem Schwert der Ge⸗ 
rechtigkeit in ſicherem und erfreulichem Frieden regierte. So war 
die Zeit ſeiner Geburt ſchon gewiſſermaßen ein Anzeichen ſeiner 
Güte und Friedfertigkeit und des Segens welchen er ſtiften würde.! 
Denn wie er alles was gut war, mit reger Seele erſtrebte, ſo 
wünſchte er vor Allem den Frieden gleichſam als die Grundlage 
und Stütze der Tugend, den Frieden, von welchem er wußte daß er 
allem Guten zur Förderung und zum Gedeihen gereichen werden. 
Denn die Zeit der Ruhe iſt nöthig um den Menſchen in der Tu— 
gend zu üben und zu befeſtigen, damit er wenn Unruhen und 
Kämpfe hereinbrechen, in der Verſuchung ſich ſtark und beſtändig 
erweiſe. . | * 


3. Es würde zu weit führen, wollte ich darlegen, wie der ge⸗ 
nannte König Heinrich, der Vater des großen Mannes, von dem 
wir handeln, zum erwünſchten Genuß des Friedens gelangte, wäh⸗ 
rend er beim Antritt ſeiner Regierung das ganze Reich durch die 
fortwährenden Einfälle der Nachbarvölker und die heftigſten innern 
Zwiſtigkeiten zerriſſen und geſchwächt fand: von der einen Seite 
drohte das wilde Dänenvolk, zu Waſſer und zu Lande müchtig, 
von der andern die treuloſen Horden barbariſcher Slaven, Rache 
für erlittene Knechtſchaft ſuchend; die grauſamen Ungarn verwüſte⸗ 
ten nachdem ſie Mährens Grenzen überſchritten hatten mit Feuer 
und Schwert weit und breit die Provinzen des Reichs. Der Tag 


f 1) Das was Ruotger von der Zeit der Geburt Brunos ſagt, paßt im Allgemeinen auf 
die damalige Regierungsperiode Heinrichs eher als ſpeciell auf das Jahr 928, in welchem 
Bruno geboren wurde. 


930 — 
31. 


6 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


würde nicht hinreichen nm all das Elend zu berichten. Jenſeits 
des Rheins, im Oſten des Reichs war offener Aufruhr, die Für⸗ 
ſten des damals noch engen Reichs wütheten ſelbſt gegen ihr eige— 
nes Fleiſch; und all dieſe Noth zu heben, dieſe Wunden zu heilen 
bevurfte es eines Mannes ausgerüſtet mit vorzüglicher Kraft und 
raſtloſem Eifer. Nach einiger Zeit aber hatte ſich ſolcher Schrecken 
durch Gottes Gnade der auswärtigen Völker bemächtigt, daß nichts 
für ſie furchtbarer war, als König Heinrich; und ſolche Liebe ver⸗ 
einigte die Bewohner des Reichs, daß wohl in keinem mächtigen 
Reiche ähnliche Eintracht gefunden werden konnte. 


4. Um dieſe Zeit wurde der edle königliche Sprößling im Als 
ter von ungefähr vier Jahren zum erſten Unterricht dem ehrwür⸗ 
digen Biſchof Baldricus von Utrecht, welcher noch jetzt! am Le— 
ben iſt, übergeben. Während er hier bei guten Anlagen die er⸗ 
freulichſten Fortſchritte machte, legte ſich wie durch dieſen Zauber 
gebannt die Raubſucht der Normannen etwas und die Kirchen und 
übrigen Gebäude, von denen kaum noch traurige Ueberreſte zu ſe⸗ 
hen waren, konnten wieder aufgebaut werden. So vergieng keine 
Epoche ſeines Lebens ohne Segen und Nutzen für die heilige Kirche. 
Denn wenn auch ohne ſein Wiſſen und Zuthun war doch durch 
ihn und ſeinetwillen das chriſtliche Volk von den Feinden befreit 
worden und brachte jetzt Gott dafür ſeine Lobgeſänge dar. Darauf, 
als er die erſten Anfänge der Grammatik erlernt hatte, begann er, 
wie wir von ihm ſelbſt gehört haben, indem er öfters zum Lobe 
Gottes davon zu erzählen pflegte, den Dichter Prudentius unte; 
Anleitung ſeines Lehrers zu leſen. Dieſer Dichter, in Glauber 
und Streben katholiſch, ausgezeichnet durch Wahrheit und Kraf 
der Sprache, gefällig in der Form und reich an Inhalt, erfüllt, 
das Herz des Knaben mit ſolchem Vergnügen, daß er nicht nu 
die Kenntniß der Worte ſich zu eigen machte, ſondern den tiefſten 
Sinn, wenn ich ſo ſagen darf den reinſten Nectar des Geiſtes, vor 


1) Das iſt entweder 966 oder 967, wo Ruotger ſein Werke ſchrieb. Baldricus ſtar 
erſt 976. 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 7 


dem das Werk getragen wurde, zu erfaſſen wußte. Später gab 
es nicht leicht ein von Römern oder Griechen behandeltes wiſſen⸗ 
ſchaftliches Gebiet, welcher Art es auch war, das er nicht bei der 
Lebhaftigkeit feines Geiſtes und der Unermüblichkeit ſeines Stre— 
bens kennen gelernt hätte. Und weder die Größe ſeiner Reichthü— 
mer noch das laute und unruhige Treiben des öffentlichen Lebens 
oder ſonſt welche Hinderniſſe vermochten ihn von dieſer edlen Be— 
ſchäftigung abzuziehen. So war ſein eifriges Nachdenken und ſeine 
fortwährende Beſchäftigung mit den Wiſſenſchaften ein Zeugniß 
für die Lauterkeit ſeiner Seele; und ihm war wirklich geiſtige Thä— 
tigkeit und ernſtes Studium zur andern Gewohnheit geworden, wie 
denn geſchrieben ſteht: auch kennet man einen Knaben an ſeiner 
Beſchäftigung, ob er fromm und redlich werden will 1. Dazu kam 
daß wie er ſeinen Eifer nicht durch die Trägheit und den Leichtſinn 
anderer ſchwächen oder überflüſſige und eitle Unterhaltung zum 
ſchlechten wenden ließ, er auch nicht leiden konnte daß die Bücher 
in welchen er ſtudierte ohne Sinn und Vernunft geändert, nach 
Willkühr verbeſſert oder ſonſt wie leichthin behandelt wurden; und 
nichts was ihn darin angieng glaubte er vernachläſſigen zu dürfen, 
denn wie Salomon ſagt: Wer das Kleine vernachläſſigt, kommt 
nach und nach herunter. 


5. Als nun ſein Vater, nachdem er das Reich feſtbegründet 
und vollen Frieden geſtiftet hatte, geſtorben war?, überkam Otto, 
fein älteſter Sohn“ geſtärkt mit dem Segen des Herrn und geſalbt 
mit dem Oel der Freude, nach dem Willen und mit Zuſtimmung 
der Fürſten! die Regierung im hundertachtundachtzigſten Luſtrum 


1) Sprichworter Salomonis, 20. 11. — 2) König Heinrich ſtirbt am 2. Juli des Jah- 
res 936, an einem Sonntag, zu Memleben; Hathui hatte ihn wahrſcheinlich um das Jabr 
876 ihrem Gatten Graf Otto geboren; ſo erreichte ihn der Tod im ſechzigſten Jahre. — 
3) Otto war nicht der älteſte Sohn, aber Tankmar, der Erſtgeborene, hatte, indem feine 
Mutter Hatheburg als Concubine verſtoßen worden war, alle Anſprüche auf Erbfolge ver- 
loren. — 4) Nächſt Tankmar war Otto der älteſte Sohn, aber Heinrich dem Vater geboren, 
da er ſchon König war. Während Heinrich feinen Sohn Otto vorzog, begünſtigte die Mutter 
Mahtilde den ſanftern Heinrich. Und es fehlte nicht an einer Partei unter den Großen, 
welche den Wünſchen der Mutter entſprechend daran dachte, Heinrich anſtatt Otto zum Kö 
nig nach des Vaters Tode zu erheben. Zur endlichen Feſtſtellung der Erbfolge berief König 


8 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


und der dreiundſechzigſten Indiction! ſeit der Geburt unſeres Herrn 
Jeſus Chriſtus; er war aber ein Mann welchem der Geiſt Gottes 
die Gabe der Wahrheit und des Glaubens verliehen hatte. Es 
wäre eine zu große Aufgabe, welcher ich unterliegen würde, die 
großen Eigenſchaften dieſes Kaiſers zu beſchreiben. Denn ſein Ruhm 
und ſein Lob ſind größer, als daß ſelbſt Ciceros Beredſamkeit hin⸗ 
reichen würde, ſie würdig zu feiern. Dieſer berief ſeinen Bruder 
Bruno, der ſich Gott gewidmet hatte, jetzt noch im Jugendalter 
ſtehend, zu ehrenvoller Stellung, wie es ſich geziemte, aus der Ein⸗ 
ſamkeit der Schule nach dem Pallaſt, einen geeigneten Ort für 
einen ſo glänzenden Spiegel, wo alles was in der Welt verachtet 
war, im Licht der Studien heller und beſſer erſchien. Denn hier⸗ 
her ſtrömte von den verſchiedenſten Seiten Alles zuſammen, was 
ſich nur irgend etwas dünkte, hier allein fanden alle, die von Ver⸗ 
läumdung und Haß verfolgt wurden, eine Zufluchtsſtätte. Hier 
ſtrahlte dies Muſter von Weisheit, Frömmigkeit und Gerechtigkeit, 
wie man es feit Menſchengedenken nicht geſehen hatte. Von hier 
zurückgekehrt fiengen die, welche früher zu Haus ſich übergelehrt 
erſchienen waren, von Schaam ergriffen wieder an die erſten An⸗ 
fangsgründe zu treiben, gleich als ob ſie ſagen wollten, nun erſt 
haben wir in Wahrheit begonnen. Wem in der Bruſt das Herz 
nicht wacker ſchlug, der hielt ſich von dieſem hohen Richterſtuhle 
in Scheu und Ehrfurcht fern. Jenes ſein Gefäß erfüllte der Herr 
mit dem Geiſte der Weisheit und Verſtand. Und nicht etwa be⸗ 
gnügte er ſich, in der Schatzkammer ſeines Herzens bloß das zu 
ſammeln, was ſich leicht erwerben ließ; nein aus weiter Ferne 
ſchaffte er Räthſelhaftes und Wunderbares herbei und alles Phi⸗ 
loſophiſche und irdiſchen Weſen Abgewandte und Fremde mußte 
hier ſeine Stelle finden. Was Geſchichtsſchreiber, Redner Dichter 
und Philoſophen Neues und Großes verkündeten, unterſuchte er 


Heinrich eine Berſammlung der Großen nach Erfurdt und hier wußte er die Fürſten des 
Reichs, bei welchen die Entſcheidung ſtand, zu beſtimmen, daß fie Otto einmüthig als Nach⸗ 
folger des Vaters anerkannten. — 1) Diefe Beſtimmungen umfaſſen die Jahre 935 — 940 
und 930-934, * 0 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 9 


mit Lehrern der betreffenden Sprache aufs Genauſte; und wo ſich 
jemand durch ſchnellen gewandten und umfaſſenden Geiſt als Mei— 
ſter bewährte, da wurde er in Demuth ſein Schüler. 


6. Oft ſaß er unter den gelehrteſten Kennern des e er 
und römiſchen Alterthums, wenn fle über die Erhabenheit der Phi⸗ 
loſophie und die vollendete Ausbildung der einzelnen Discipfinen 
welche ſie umfaßt, Unterhaltung pflogen, als gelehrter Vermittler 
und gab den Streitenden unter dem Beifall aller Anweſenden, den 
er nichts weniger als wünſchte, befriedigenden Aufſchluß. Ruhm 
war ihm das Zeugniß ſeines Gewiſſens und er ertrug ohne es übel 
zu nehmen Widerſpruch und mißbilligendes Urtheil. Dies ſah oft 
der Richter welcher in dieſen Dingen nicht irrt, der größte König 
der Erde und während er ſein äußeres Reich durch Kraft und 
Weisheit befeſtigte, bekleidete er das innere mit ſolcher Pracht und 
ſolchem Glanze. Und auch Gott ſelbſt wird es geſehen haben, er 
der in ſeiner Barmherzigkeit über jeder Gabe, die er verliehen hat, 
wacht. Denn wie ſollte von ſo erhabener Stellung Hochmuth fern— 
bleiben, wenn nicht der Fromme ſelbſt Gottes Schutz genöſſe. 


7. Biſchof Iſrael Scotigena, von welchem Lehrer der bewun⸗ 
derungswürdige Mann, über welchen wir ſchreiben, ſelbſt ſagte das 
Meiſte gelernt zu haben, über den Character Brunos von einigen 
befragt, welche wir dieſe Sache ſelbſt haben erzählen und wie ein 
a Orakel verehren hören, erklärte, daß es ein wahrhaft heiliger Mann 
wäre. Ein lobenswerthes und richtiges Zeugniß des Lehrers über 
den Schüler. Die Griechen, deren er auch als Lehrer ſich bediente, 
ſtaunten über feine Herrlichkeit; und ſtcher berichteten. ſie von ihm 
ſeines Geiſtes würdige Wunder ihren Mitbürgern, deren Sinn einſt 
auf nichts anderes gerichtet war, denn Neues zu ſagen und zu 
hören 7, 1, 

9 N 0 9 6 
8. Bl oft des Tages ergieng an ihn die nie zurückgewieſene 


1) Apoſtelgeſchichte 17. 21. 


10 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


Aufforderung, ſich der Bedrängten anzunehmen, die Betrübten zu 
tröſten, die Armen zu unterſtützen; und in allem Stücken handelte 
er ſo, daß er den Unglücklichen wie ein Zufluchtsort erſchien. So 
kam daß wenn er Muße hatte, niemand mehr in Geſchäften war 
als er, aber wenn er in Geſchäften war, entbehrte er trotzdem nie 
ganz der Muße. Er lag den Studien bis tief in die Nacht hinein 
ob und alles was von Werth war ließ er genau aufzeichnen. Den 
lateiniſchen Styl wußte er nicht nur ſelbſt in großer Vollkommen⸗ 
heit ſich anzueignen ſondern auch bei anderen zu Rundung und 
Glätte zu bringen. Seine Unterweiſungen aber gab er nie in 
grämlicher und mürriſcher Weiſe ſondern in heiterem Scherz und 
mit anmuthiger Würde. Nach der Mahlzeit während die Anderen 
ein wenig der Ruhe pflegten beſchäftigte er ſich eifrig mit Leſen 
und Philoſophieren. Die Morgenſtunden ließ er ſich durch nichts 
rauben noch opferte er ſie je dem Schlafe. Poſſen und Mienen⸗ 
ſpiele, über die wenn in Komödien oder Tragödien von verſchiede⸗ 
nen Perſonen vorgebracht, alles ſich vor Lachen ſchütten will, 
durchlas er immer ernſt und ruhig: ihren Inhalt hielt er für 
werthlos, ſchätzte aber an ihnen die kunſtvolle und gewandte Sprache. 
Sein Studierzimmer war, wenn ich ſo ſagen darf, zur Wanderung 
eingerichtet, denn wenn auch ſein Geiſt ſtets in Ruhe und unge⸗ 
ſtörtem Frieden war, fo war doch fein Körper öfter zur Bewegung 
genöthigt. Ueberall nämlich, im Lager und Zelte führte er ſeine 


Bibliothek mit ſich, wie die Bundeslade, ſo mit der Quelle und 


den Mitteln ſeiner Studien immer verſehen, der Quelle in den 
heiligen, den Mitteln in den heidniſchen Schriften: dem Hausvater 
aber war er zu vergleichen, der aus ſeinem Schatz Altes und Neues 


hervorträgt.! Selbſt auf der Reiſe war er nicht unthätig; im 


Gewirre der Geſchäfte und der Menſchen war er allein. 


9. Beim Gottes dienſt war er ernſt und eifrig, fein Gebet war 


kurz aber rein. Die mit welchen er zuſammen lebte, befriedigte er 


1) Matthäus, 13, 52. 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 11 


durch Mienen und Gebärden, während ſein Geiſt anders beſchäftigt 
war. Auf keine andere Weiſe hätte er ſo wahrhaft volksthümlich 
werden und ſo viele zum Guten bewegen können. Was irgend 
ein Prieſter des Herrn oder ſonſt ausgezeichneter Mann zu jener 
Zeit Großes in der Theologie hervorbrachte, das empfahl man ihm 
als dem einzigen der es vermöchte, zur Förderung und zur Unter- 
ſtützung; und niemand hielt ſein eigenes Anſehen und die eigne 
Kraft für hinreichend, wenn er nicht wußte, daß ihm dieſer als 
Mitſtreiter im Kampfe für die göttliche Wahrheit zur Seite ſtände. 
Der Diener Gottes aber hatte Gedeihen bei allem Werk, das er 
begann; die Rede des Volks achtete er für nichts; nicht allein 
aber das was gerade gegenwärtig ſich zutrug, ſondern vieles andere 
erkannte er in die Zukunft hinaus. So ſoll er, als er ſeinen 
Bruder, der des Vaters Namen trug und den Cuono “, der in die 
königliche Verwandtſchaft aufgenommen war, geheime und vertraute 
Unterredung beſonders zur Zeit der Meſſe pflegen ſah, in ahnen— 
dem Geiſt geſagt haben: in welche bittere Feindſchaft wird ſich 
dieſe zum Verderb geſchloſſene Freundſchaft auflöſen. Und die 
Ereigniſſe gaben bald darauf ſeinen Worten volle Beſtätigung. 


10. Als erſte geiſtliche Function wurde ihm noch als Jüng— 
ling? die Leitung in einigen Klöſtern übertragen, deren Bewohner 
er mit dem nöthigen Zeugniß der Kirche theils von freien Stücken 
theils durch Gewalt zum Leben nach den Ordensregeln zu bringen 
wußte. Den Gott geweihten Orten gab er mit Bewilligung des 
Kaiſers ihre alten Freiheiten und Vorrechte wieder, für ſich und 
die Seinigen keinen Vortheil daraus ziehend, wenn nicht die Väter 
der Klöſter in Liebe vielleicht ihm etwas ſchenkten. So ſteht Lorſch⸗ 
da, ausgezeichnet durch königliche Gunſt, welches als Andenken an 
den großen Mann das Vorrecht der freien Wahl und viele Denk— 


9 Konrad der Rothe, Graf in den Gauen von Speier, Worms und der Nahe, ſowie 
im Ladengau und oberen Rheingau am Neckar wurde nach dem Tode Herzogs Otto von 
Lothringen, Anfang 944, vom Kaiſer Otto I zum Nachfolger des Verſtorbenen ernannt. 
2) Schon ſeit dem Jahre 940 find die Urkunden von ihm als Erzcappellan l. 
— 3) Nordöſtlich von Worms, auf dem rechten Rheinufer. 


> 
I: 
— 


9. Juli 
953. 


12 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


male der Frömmigkeit beſitzt. Darauf nun als er von Tugend zu 
Tugend mit Rieſenſchritten wenn ich ſo ſagen darf, vorwärts ſ 
und wohin er den Fuß wandte, immer mehr den Willen des Herrn 


53. erfüllte, erhob ſich plötzlich ein Sturm der Zwietracht in der Kirche 


Chriſti, der, meine ich, in den Herzen einzelner Wächter vor den 
Thüren des göttlichen Hauſes ſchlafen mußte. Und es geſchah 
daß einige Genoſſen des Teufels, von dem Geiſt des Neides ges 
trieben, den Entſchluß faßten, den Kaiſer durch den alles Heil im 
Volke iſt, ihn das Licht der Erde, zu ermorden. Warum dies an- 
ders, als daß ſie ihrer böſen Thaten nicht bezüchtigt wurden denn 
der Evangeliſt ſagt: jeder der Böſes treibt fürchtet das Licht. 
Als aber durch Gottes Gnade der Plan der hölliſchen Schlange 
vereitelt war, verbreiteten fie das Gift ihrer Nichtswürdigkeit durch 
alle Theile des Reichs. Und wenn dies den Untergang der Geſetze 
und das Verderben des Volkes durch Mord und Raub überall 
herbeizuführen drohte, fo wüthete dieſe Peſt doch nirgends entſetz⸗ 
licher als in den öſtlichen Gegenden. Hier wünſchten an Willkühr 
an Raubherrſchaft gewöhnte Fürſten, hier ein Volk nach Empö- 
rung begierig, alle nur auf den Ausbruch der innern Zwiſtigkeiten 
wartend, durch das Elend der Anderen Schätze zu ſammeln.“ 


11. Damals war der Hirt der heiligen Kölner Kirche Winfried 
ſchon lange körperlich ſchwach, aber dem Kaiſer und Vater⸗ 
lande immer treu ergeben, von der Erde abberufen und den hö⸗ 
hern Geiſtern zugeſellt worden. Das Volk aber ſeines Führers 
beraubt, nahm trotz dieſer Verwirrung keinen Antheil an der Em: 
pörung, ſondern wählte den einzig bewährten und wahren Troſt 
in Bruno, dem geprüften, edlen und hochherzigen Mann, dem 
Rathe der Edeln und der geſammten Geiſtlichkeit folgend. Dieſer 
obwohl ein Jüngling doch von gerechtem Character war im hoͤch⸗ 
ſtem Glanz ſeiner erhabenen Stellung demüthig und freundlich. 
In der Fülle ſeiner Weisheit die ihm verliehen war, trachtete er nicht 
darnach mehr zu wiſſen, denn zu wiſſen noth thut, ſondern zu wiſ⸗ 
ſen in demüthigem Glauben; bei königlichem Reichthum war er 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 13 


karg gegen ſich ſelbſt, reich für die Freunde. Vor allen zeichnete 

ſich Biſchof Gotfried durch ſeine Thätigkeit bei der Wahl aus; 

wer aber dem andern mit Abgebung ſeiner Stimme vorangegangen 
ſei, dürfte ſchwer zu beſtimmen ſein. Nur das ließ ſie zwiſchen 

Furcht und Hoffnung ſchweben, daß ſie die Würde des Amtes und 

den Ruhm des Mannes abwägend, fürchteten, es möge feiner er— 

habenen Stellung unwürdig fer, was fie für ihn mit ſo großer 

Bemühung ins Werk ſetzten. Und in der That gäbe es im gan⸗ 

zen Reich einen Biſchofsſitz mächtiger und ausgezeichneter durch 

Geiſtlichkeit, Volk, Kirchen und andere Eigenſchaften, ſo würde 

dieſer wohl allein der geeignete für ſolchen Hirten ſein. 

12. Indem nun alle, als ſie den noch unbeerdigten und der 
allgemeinen Sitte gemäß zur Beſichtigung ausgeſtellten Leichnam 
des verſtorbenen Erzbiſchofs, ſeligen Andenkens betrachteten, über— 
einſtimmten und in Chriſto gleichen Sinnes waren, wurden vom 
heilgen Colleg vier der vorzüglichſten Mitglieder und vier Laien, 
alle durch Geiſt und Bildung ausgezeichnet, erwählt, die all das 
Geſchehene in der Pfalz berichten und nachdem ſie von der ein— 
ſtimmigen Wahl nach dem traurigen Verluſt Mittheilung gemacht 
für die Verwaiſten den ſchon angegebenen Troſt erflehen ſollten. 
Wozu noch viele Worte. Es gefiel, Gott ſei gedankt, der kaiſer— 
lichen Majeſtät, ſo der Zeit und dem Ort gemäß Vorſorge zu 
treffen, daß er alsbald den mit ſolcher Dringlichkeit erbetenen Gaſt 
zur Obhut der verlaſſenen Heerde mitſandte. So trat er endlich 
aus dem Lager irdiſcher Herrſchaft in das Zelt des himmliſchen 
Königs, um gegen die Feinde des Geiſtes zu kämpfen, gewaffnet 
mit Wiſſenſchaft und viel erprobter Tugend, dieſen Waffen des 

Glaubens. An ihm erkannten bald feine neuen Begleiter das was 

einnahm und das was ſchreckte. Ueberall zeigte er ſich leutſelig 
und mild und obgleich ſeinem thätigen Sinn nichts entgieng fragte 
er dennoch auf das Genauſte was ihm zu thun obliege und welche 
Lebensgewohnheiten er annehmen müſſe. Er beſaß mit Freundlich⸗ 
keit verbundene Würde; ſo zeigte er ſich der von allen Seiten zu⸗ 


* 


14 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


ſammenſtrömenden Menge in heiterem Ernſt, bei allen einen wun⸗ 
derbaren Eindruck zurücklaſſend. 9 


13. Endlich kam man zu dem heiligen Sitze, welchen Gott 
dieſem frommen Verwalter ſchon vor der Zeit bereitet, zur rechten 
Zeit übertragen hatte. Und es entſtand ein großes Drängen des 
Volkes und eine gewaltige Bewegung unter allen Leuten; die Stadt 
aber ertönete von neuem Jauchzen. Die Geiſtlichkeit kam aus den 
Klöſtern zuſammen, die Nonnen ſtrömten in Menge herbei, jeder 
Stand, jedes Geſchlecht hatte ſich eingefunden, um an dieſer großen 
Freude Theil zu nehmen. Die fröhliche Kirche entwöhnte an die⸗ 
ſem feſtlichen Tage ihren Sprößling, bis dahin an der Mutterbruſt 
geſäugt, nun aber in der Gnade groß geworden und hieß ihn ſelbſt 
geiſtige Mutter fein, um ſpäter Söhne in heißer Liebe herrorzu— 
bringen, in welchen Chriſtus gepflanzt und gepflegt würde. Die 
in großer Anzahl anweſenden Biſchöfe aber und der Senat dieſer 
heiligen Geiſtlichkeit hießen unter dem Beifallruf und dem Jauchzen 
der verſammelten Menge den von Gott und Menſchen erwählten 
Mann den biſchöflichen Stuhl beſteigen und alle ſtimmten Gottes 
Lob an zugleich mit Geſang, Orgeln und Cymbeln und wie jeder 
ſeine Freude darlegen wollte. 

14. Von nun an war all ſein Dichten und Trachten darauf 
gerichtet der heiligen Mutter Kirche Schutz und Ehre zu bereiten; 
nach außen Schutz, im inneren Ehre; Schutz in weltlichen, Ehre 
in geiſtlichen Dingen. Er liebte vor allem das Haus Gottes und 
den Ort da ſein Ruhm Wohnung hat; vielfach und offenkundig 
zeigte er ſich von dieſem Verlangen beſeelt, was aber hier weiter 


auszuführen nicht nöthig iſt, da das Andenken an ſeine erhabenen 


Thaten noch friſch iſt noch je in ſeinem Volke die welche Glau⸗ 
ben und Wahrheit lieben, aufhören werden von ihm zu reden. 


Einzelnes indeß wollen wir, wie wir uns vorgenommen haben, 
des Beiſpiels wegen und zur Belehrung anderer Geſchichtsſchreiber, 


doch nicht mit Stillſchweigen übergehen. Denn unmöglich iſt es 


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Leben des Erzbiſchofs Bruno. 15 


die Thaten eines ſolchen Mannes bei dem täglichen Wachsthum 
ſeiner Tugenden einzeln zu verfolgen mit würdigem Lobe und ſeine 
großen Verdienſte zu preiſen die er ſich überall nach Art der klu— 
gen Bienen, damit der Geruch Chriſti köſtlich wäre, durch Wohl— 
thaten und Unterſtützungen der Armen und Bedrängten geſammelt 
hatte. Die welche von Bitterkeit gereizt, unkundig der ſchönen 
Künſte und Wiſſenſchaften, die ihren Thaten ſo unähnlichen Be— 
ſtrebungen, welche ſie weder zu hindern vermochten noch zu würdi— 
gen verſtanden, durch Verläumdung und Verkleinerung herabzu— 
ziehen ſuchten, bereiteten ſich ſelbſt damit den Tod und das 
ewige Verderben nach dem Drohwort des Propheten, der da ſagt: 
Wehe denen die Böſes gut und Gutes böſe heißen, die aus Fin— 
ſterniß Licht und aus Licht Finſterniß machen, die aus ſauer ſüß 
und aus ſüß ſauer machen 1. Wer aber mir folgt ſagt der Herr, 
der wandelt nicht in Finſterniß 2. Dieſer aber that gewiß nicht 
voreilig ſeinen Spruch und verurtheilte ſchwerlich irgend jemand 
bloß auf Grund ſeiner eigenen Meinung. Den Guten iſt es aber 
beſchieden den Böſen zu mißfallen und daher richten ſie ihr Leben 
nicht nach der übeln Rede der Menge ein ſondern nach der Wahr— 
heit und ihrem Gewiſſen. 


15. Bevor dieſer im Geſetz Gottes erzogene Mann den Bi— 
ſchofsſitz einnahm, hegten die aufrühreriſchen Bewohner unſeres 
Reichs, welche der Geiſt des Teufels antrieb gegen den Herrn Je— 
ſus Chriſtus aufzuſtehen, die Hoffnung ſich Kölns bemächtigen zu 
können, indem ſie meinten entweder das hochherzige Volk des Kö— 
nigreichs Lothringen durch Friede und Bündniß gewinnen oder 
durch öftere feindliche Angriffe wegen der paſſenden Lage des Or— 
tes in Furcht ſetzen zu können. Aber nachdem dieſer Sohn des 
Friedens, der aufmerkſame Wächter der Kirchen Gottes in die 
Stadt gekommen war, wurden jene Feinde des Friedens von unbe- 
ſchreiblicher Trauer ergriffen und verzweifelten gänzlich ihre Pläne 


1) Jeſaias, 5. 20. — 2) Evang, Johannis 8, 12, 


Auguſt 
953, 


16 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


ausführen zu können. Daher die Beſchimpfungen, Verlaͤumdun⸗ 
gen, Vorwürfe und vielfältigen niederträchtigen Lügen. Ja ſicher 
wurden alle jene Unwahrheiten vorgebracht um da man den Hir⸗ 
ten weder beſtechen noch auf irgend eine Weiſe verführen konnte, 
wenigſtens die Heerde von der Liebe zu ihrem Hirten durch die 
Wirkung dieſer Lügen abzuziehen. Denn große und gelehrte Män⸗ 
ner können wohl Neid und Haß ſich zuziehen, ſie ſelbſt aber 5 
keine ſolchen Gefühle. 


16. Um dieſe Zeit wurde vom Kaiſer und ſeinem Heer die 
angeſehene und reiche Stadt Mainz belagert; denn ſie war 
angefüllt mit Feinden des Reichs und wo ſonſt die Religion in 
ihrer Reinheit zu herrſchen pflegte, dahin war jetzt aller Abſchaum 
der Zwietracht und des Haders zuſammengeſtrömt. Ueber den 
Erzbiſchof! war das Urtheil der Fürſten und des Volkes getheilt: 
einige erhoben ſeine Unſchuld bis in den Himmel, rühmten ſeine 
Tugenden und erklärten daß alle Unruhen, die an verſchiedenen 
Orten und beſonders in dieſen Gegenden ausgebrochen, ihm vor 
allem verhaßt wären; er verwünſche die Parteiungen und habe ſich 
deßhalb vom Schauplatz ihrer Kämpfe entfernt; er kümmere ſich 
nicht mehr darum wem die Stadt offen ſtehe, wem die Soldaten 
gehorchten. Dies ungefähr war das Urtheil derer, welche in jene 
ſcheußliche Empörung ſelbſt verwickelt ſich rühmten auf ſeinen Bei⸗ 
ſtand und ſeinen Rath in allen Dingen volles Vertrauen zu haben 
und damit ihre Sache vertheidigten, daß ſie ſagten dieſelbe könne 
nicht ſchlecht ſein, da ein ſolcher Mann ihr anhänge. Andere aber 
und beinahe alle, welche von der göttlichen Gnade beſeelt waren, 
meinten man müſſe die von Gott geordnete Obrigkeit ehren, und 
mit aller Ergebenheit dem Kaiſer folgend, dem Vertheidiger des 
Eigenthums, dem Rächer der Verbrechen, dem Spender der Ehren. 
Auch die welchen zu Haus ihr Eigenthum, ihre Frauen und Kin⸗ 
der am Herzen lagen oder dem Frieden von Herzem ergeben waren, 


1) Erzbiſchof Friedrich war von Mainz ins Caſtell Breiſach entfloben nnd batte die 
Stadt den Feinden übergeben. 


‘ 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 17 


urtheilen ganz anders über den Werth jenes Mannes. Wir über- 
laffen dies der Entſcheidung Gottes und kehren von dieſer Ab— 
ſchweifung zu unſerem Vorwurf zurück. 


17. Den neuen Wächter und ernannten Biſchof der Stadt 
Köln lud der Kaiſer von neuem ein, ihm mit ſeinem Rathe zu 
dienen, von früher her, noch ehe jenem dieſe Würde übertragen 
war, wiſſend, was er in Rath und Rede vermöge. Hier im Rathe 
giengen die Stimmen bald auseinander, die einen dieſer Anſicht, 
die andern jener ſich zuneigend und es ſchien ungewiß welche ob— 
ſtegen würde. Oefter konnte man ſelbſt von denen welche im kai— 
ſerlichen Lager waren, der Gegenpartei Tapferkeit loben und die Rein— 
heit jener Sache dem Dienſt vorziehen hören, welchen ſie hier ge— 
zwungen und mit größtem Widerwillen thäten. Und da keiner 
bei den Feinden ſelbſt ſo thöricht war, die kaiſerliche Majeſtät zu 
verhöhnen oder herabzuſetzen, ſo warfen ſie den Anfang alles Un— 
friedens und alle Schlechtigkeit auf des Kaiſers Bruder Heinrich, 
den berühmten Herzog und Markgraf der Baiern, den Schrecken 
aller Barbaren und der Völker jener Gegenden, ſelbſt der Griechen. 
Die Wahrheit aber war, daß je beſſer ſich jemand bewährte und 
je treuer ſeinen Eid gegen Kaiſer und Reich bewahrte, deſto mehr 
war er bei jenen verhaßt. In dieſen Haß ſtürzte ſich Bruno, der 
ruhmreiche und dem Volke Gottes angenehme Lenker der Kirche 
gern und ohne Zaudern, indem er weder getheilten Herzens noch 
doppelzüngiger Rede irgend jemand Gelegenheit bot das zu ver— 
bergen was man wollte oder das zu heucheln was man nicht wollte. 
Er dachte nicht daran andere zu täuſchen noch ließ er ſich aber 
auch von andern täuſchen. Zuerſt prüfte er indeß die harten Her— 
zen der Rebellen, ob nicht einige von ihnen noch für die Mittel 
ſegenbringender Ueberredung und Belehrung zugänglich wären; 
die letzte Arzenei aufſparend, bis er durch ſorgfältige Prüfung er— 
forſcht hatte, wohin dieſe ungemeſſene Kühnheit in ihren Wünſchen 
und Entwürfen ziele. 


18. Das Haupt dieſer Verſchwörung war aber der Sohn des 
Gleſchichtſchr. d. deutſchen Vorz. IX. Jahrh. Zr Bd. 2 


18 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


Kaiſers ſelbſt, Ludolf, ein Jüngliug ſchön und herrlich anzuſchaun; 
geſchaffen nicht allein das Reich wie es war zu erhalten ſondern 
glänzender und mächtiger zu machen, wenn er nicht den Verfüh— 
rern vertraut und nicht Verräther ſondern Erbe hätte ſein wollen. 
Aber da er begierig nach Reichthum und Herrſchaft den väterlichen 
Rathe nicht folgte, geſchah ihm nach dem nur zutreffenden Spruche 
Salomons, daß das Erbe nach dem er zuerſt ſehr eilte zuletzt nicht 
geſegnet war.! Der ausgezeichnete, zukünftige und ſchon erwählte, 
Biſchof betrübt um das geſchwundene Anſehen des Bruders und 
den Untergang des Neffen ſoll dieſen als er, ſicher geſtellt durch 
geforderte Geiſeln, in das Lager kam, aus der Menge fortgeführt 
und darauf fo zu ihm geſprochen haben: „Du weißt nicht o Jüng— 
ling, du deſſen Ruhm die Erde erfüllt, wie viel du dir und den 
deinigen nützen würdeſt, wenn du die Worte meiner Ermahnung 
wahrhaft und ernſtlich beherzigteſt. Du deines glorreichen Vaters 
größte Sorge und unſer Ruhm, was bleibt uns für Hoffnung 
übrig wenn du dich ſelbſt unſeren Wünſchen und Plänen entziehſt. 
Du achteſt nicht das Ehrfurcht gebietende Alter deines Vaters, den 
zu betrüben, dem Leides zu thun dir wahrlich keinen Segen brin— 
gen kann. Erinnerſt du dich nicht der dir von deiner Kindheit an 
unabläſſig bewieſenen väterlichen Liebe? Glaube du beleidigſt Gott 
wenn du den Vater nicht ehrſt. Du haft keinen Grund der Ent- 
ſchuldigung. Ihn zu kränken bezweckt es, was du gegen dies Reich 


wider feinen Willen vornimmſt. Du betreibſt deine Angelegenhei- 
ten mit deinen Feinden anftatt wie es ſich ziemte mit deinen Freun 
den. Denn jene ſuchen in dir nicht dich ſondern ihren Vortheil; 
dein Nutzen kümmert ſie wenig; nach Worten meſſen ſie alles nicht 
nach der Wahrbeit der Dinge. Merke doch auf, wohin ſie dich 
führen, daß ſie dich nicht verführen. Wie biſt du, die Freude und 


der Stolz deines Vaters, die Hoffnung und Wonne des ganzen 


Reichs, fo allen zum Aergerniß geworden? O höre endlich auf 
Abſalon zu ſein, um Salomon zu werden. Denke daran, wer dich 


1) Sprüche Salomonis 20. 21, 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 19 


ſo erhöhet hat, wer alle Fürſten des Reichs mit Eidestreue dir 
verpflichtet hat? Warum that er dies? deswegen, daß du es ihm 
mit Undank lohnteſt? daß du ein Verräther würdeſt? die find wahr⸗ 
lich wahnſinnig welche dich ſo täuſchen wollen. Scheue die täg- 
lichen Klagen, fürchte die immer wiederkehrenden Seufzer, zittere 
vor den Thränen deines Vaters. Minderen Kummer wird es ihm 
bereiten, das ganze Reich von Feinden ſich entriſſen zu ſehen, als 
dich für den er das Reich bewahrt. Dein unſchuldiges Herz iſt 
durch giftige Schmeicheleien verführt, das Herz des Vaters liegt 
offen vor dir, in dem kein Falſch iſt. Der Vater beklagt den 
Sohn welchen ihm verdorbener Menſchen Bosheit abwendig ge— 
macht hat; er wird über ſeine Rückkehr ſich unendlich freuen. 
Wenn er jetzt gegen deine Verführer ſehr aufgebracht iſt, ſo wird 
ſein Zorn ſich legen, wenn er erſt dich ſeinen Liebling wiederge— 
wonnen hat; er wird all das Geſchehene nicht als Verbrechen ſon— 
dern als verzeihlichen Irrthum betrachten, wenn er erſt dich dem 
Vater wiedergegeben ſieht, dich den er mehr wie ſich ſelbſt liebt.“ 


19. Solches und ähnliches mehr redete Bruno, der edle Mann, 
um das Heil des ſchönen Jünglings beſorgt; dieſer aber, gleich als 
ob die Erinnys ſeinen Sinn zur böſen That getrieben, wollte ſein 
Herz nicht für ſolche Ermahnungen erſchließen, kaum daß er um 
nicht zu anmaßend zu erſcheinen ruhig Brunos Worte anhörte. 
Denn er hielt es für ſchöner, unſchuldig an dem Elend dieſes Ha— 
ders zu erſcheinen als zu ſein. Seinen jugendlichen Geiſt machte 
die Sorge und Bangigkeit ſo vieler ſeiner Begleiter befangen, die 
wenn ſie nicht von dem Gift der frevelhaften Empörung ergriffen 
geweſen wären, dem Kaiſerreich zum Schmuck und zur Freude hät⸗ 
ten gereichen können. Wohl ziemte es ſich für dieſen tapfern und 
ausgezeichneten Jüngling von ſolchen Begleitern umgeben zu ſein, 
ſolch herrlicher Auswahl von Genoſſen ſich zu rühmen. Vor allen 
andern aber reizte ihn wie ein Stachel der eben noch ſo tapfere 
Herzog, jetzt aber frechſte Räuber Kuono !; ſchon hatten ſie ſich 


1) Der oben erwähnte Herzog Konrad von Lothringen. 


2* 


20 Leben des Erzbiſchofs Bruno, 


wie ſie hochfahrend erzählten, Schätze und Reich getheilt, aber in 
der That war doch ihr Treiben nichts denn unfruchtbare Arbeit, 
denn immer quälte ſie die Sorge um ihre Sicherheit und Ruhe. 
So bewirkten ſie, daß der welcher ſo zu ſagen alles in Händen 
hatte, dadurch daß er ſtrebte noch mehr zu haben, gar nichts hatte. 
Inzwiſchen kämpften ſie auf jegliche Weiſe durch Liſt und mit dem 
Schwerte, ruhten weder Tag noch Nacht, machten die Gegner un⸗ 
tereinander mißtrauiſch und verdächtig, ließen nichts unverſucht, 
entzogen ſich keiner Mühe, um nur zu bewirken, daß fie die größ⸗ 
ten und mächtigſten Städte des Reichs auf irgend eine Art in 
ihre Gewalt bekämen, da ſie glaubten daß dann das übrige Reich 
ihnen leicht zufallen würde. Und damit nichts ohne Trug und 
Lift vor ſich gienge, unterhandelten fie ins Geheim mit Arnold, 
einem ſehr bedeutenden Manne, dem damals die höͤchſte Gewalt in 
Baiern übertragen war, indem ſie ihm ungeheure Verſprechungen 
machten, auch ſeinen alten Haß anfachten und brachten ihn dazu 
daß er zuerſt von dem Herzog Heinrich abſiel und dann die hoch— 
berühmte Stadt Regensburg ſowie das ganze Baiern zum Abfall 
zu verleiten wußte. So große Kraft vermochte Neid und Haß zu 
gewinnen. Zugleich auch lockten die Verſchworenen die Ungarn, 
jene alte Peſt des Vaterlandes, herbei, um in das ſchon durch in— 
nern Sturme zerriſſene Reich einzubrechen, denn ſo glaubten ſie 
würde ihnen die Sorge welche ſie fortwährend hegten, ganz ge— 
nommen oder wenigſtens vermindert werden. Durch dieſes ploͤtz— 
liche und unvorhergeſehene Ereigniß bewogen gab der Kaiſer mehr 
ihre Schmach als ſeinen Schaden beklagend, nachdem ein beſtimm⸗ 
ter Vertrag abgeſchloſſen war, die Belagerung? auf; von dem La— 
ger aus brach er ſchnell nach Oſten mit denen auf, welche er treu 
wußte, um jenen Gegenden Hülfe zu bringen; ſeinen Bruder Bruno 
ließ er als Hüter und Regierer, wenn ich fo ſagen ſoll als Erz— 
herzog, in dieſer gefahrvollen Zeit im Weſten und gab ihm dieſe 
Aufträge: Ich kann nicht ſagen lieber Bruder wie ſehr es mich 
freut daß wir immer ein und dieſelbe Meinung gehabt haben und 
1) D. i. die Belagerung von Mainz. 


Leben des Erzbiſchofs Bruns, 21 


unſere Stimmen in keiner Sache auseinandergegangen ſind: und 
das iſt es, was mich in meiner Trübſal am meiſten tröſtet, daß 
ich ſehe wie ſich durch des Allmächtigen Gottes Gnade das könig— 
liche Prieſterthum dem Kaiſerthum angeſchloſſen hat. Denn in 
dir iſt ja prieſterliche Würde und königlicher Name vereinigt, ſo 
daß du einem Jeden das Seinige zu geben weißt wie es die Ge— 
rechtigkeit verlangt und der Gewalt ſowie der Liſt der Feinde zu 
widerſtehen vermagſt, ſtark und gerecht zugleich. Auch habe ich 
wohl erkannt, daß dir wenn ich ſo ſagen ſoll, die Mutter der freien 
Künſte und Wiſſenſchaften und die wahre Tugend der Philoſophie 
nicht fehlt, welche dir dieſe Beſcheidenheit und Erhabenheit des 
Geiſtes verliehen haben. Ich weiß daher mein Bruder, ich weiß 
daß niemand bei deiner Klugheit dich wird überzeugen können, es 
ſei für dich ohne Bedeutung, ob DW Verderbten über den Unter— 
gang der Guten ſich rühmen, mit wie viel ehrbaren Worten ſie 
auch das einkleiden was ſie eigentlich bezwecken. Sie werden viel— 
leicht ſagen, der Krieg betreffe Angelegenheiten die außerhalb dei— 
nes Gebietes liegen, welche die Würde deines göttlichen Amtes 
nicht berühren. Sieh' wieviele durch ſolche trügeriſche Worte der 
Vorſteher jenes Erzbisthums verführt“, wieviele er in den Strudel 
des bürgerlichen Krieges hineingezogen hat. Wenn er ſich aber 
wirklich wie er vorgiebt dem Streit und den Gefahren des Krieges 
hätte entziehen wollen, um in geiſtiger Muße leben zu können, 
dann würde er in der That beſſer gehandelt haben, für uns und 
das Reich, wenn er das was wir ihm in kaiſerlicher Gnade und 
Mildthätigkeit gegeben haben, uns und nicht den Feinden wieder 
zurückgegeben hätte; dieſen Feinden ſage ich, welche wie alle füh⸗ 
len, ſchreckliche Räuber, Vaterlandsverräther, Verwüſter des Reichs, 
Verräther ihrer Feldzeichen find, fie die wünſchten in gottesfchände- 
riſcher Wuth mich mit eigner Hand tödten zu können oder des 
grauſamſten Todes ſterben zu ſehen; ſie nahmen mir dem Vater 
den Sohn; ſie entriſſen ihn dem Reich, ſeinen Kindern, der ſüßen 
Gattin; nun wollen ſie auch mein Leben. So biſt du denn mein 
1) Das iſt Friedrich von Mainz. 


22 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


feſter, wahrer, ſicherer Troſt, du der du von Kindheit an ſo zuge— 
nommen haft an Tugend und Weisheit, daß es dir ſchon zur an— 
dern Natur geworden iſt wohlzuthun und auf alles mit Umſicht 
und Geiſt zu denken. Wenn ich dich erſt glücklich und unverſehrt 
wieder ſehe, wie mein Geiſt immer verlangt, meine Sehnſucht er⸗ 
wartet, mein Herz erfleht: dann wird die Zeit der Ehre, des Ruhms 
und Glanzes gekommen ſein. Kraft haben wir noch genug uns 
zu ſchützen; aber wir dürfen an uns ſelbſt nicht irre werden. Dies 
ſei unſere größte Sorge. Du biſt Zeuge mit welcher Güte und 
Theilnahme ich die pflegen, ſchützen, umſchlingen würde, die ſo 
grauſam gegen mich ſich erweiſen, die ich ja jetzt noch ſo gern 
ſchonen und erhalten möchte, wenn ſte ihrer ſelbſt ſchonten. Aber 
mit welchem Ungeſtüm ſtürzen ſie ſich in den Abgrund des Ver— 
derbens und reißen mein in chuld auferzogenes Kind zu allen 
Verbrechen mit ſich fort. So ſchwer wird es ihnen in der Ge— 
walt Maaß zu halten, welche aus Ehrgeiz nicht gut zu ſein wün— 
ſchen ſondern fo zu ſcheinen. Du weißt, liebſter Bruder, ſchmerz— 
lich iſt es mir daran wieder zu denken, daß die häufig gegen mich 
ſich am härteſten und treuloſeſten benommen haben, welche ich 
mehr denn andere gehegt und gepflegt, die ich als Genoſſen in ſo 
vielen Lebensverhältniſſen geliebt, von denen ich geglaubt habe, 
ſte hiengen mir am feſteſten an. Was mich aber am meiſten nie⸗ 
derdrückt, alle andern Uebel übertrifft, iſt, daß mein Sohn gelernt 
bat, feinen Vater zu verfolgen und zu bekämpfen. Bemühe dich 
daher, nicht ſo ſchnell ſondern fo gut als möglich durch deine. 
Klugheit, durch welche du dich fo auszeichneſt, je nach Verhältniſ⸗ 
ſen von Ort und Zeit vom Kampfe abzurathen oder auf jedwede 
Weiſe den Frieden herzuſtellen. Von dir körperlich entfernt werde 
ich wo ich auch bin deiner Weisheit und Beſonnenheit mich freuen 
und mir dazu Glück wünſchen; dein Ruhm ſei der meinige und 
der meinige dein. Ich verlange ſehnlichſt und dies ſei unſerer 
Wünſche und Freuden Krone, nicht allein vor Gott ſondern auch 
vor Menſchen zu zeigen, daß ich überall Segen ſtiften und wenn 
es geht mit allen Menſchen in Frieden leben will. 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 23 


Hierauf nachdem ſie ſich umarmt und geküßt hatten, ſchieden 
ſie nicht ohne Thränen von einander; der Kaiſer gieng nach Oſten, 
Bruno nach Weſten. 


21. Bald gelangte er nach der Pfalz Achen; hierhin berief er 21Sep. 
die Fürſten des Reichs, gab ihnen verſchiedene auf alle Fälle be- s. 
zugliche Unterweiſungen und ermahnte fie vor allem, nicht den 
Verführern und ihren eiteln Verſprechungen Glauben zu ſchen— 
ken, nicht ihre Drohungen zu fürchten, keine Verſprechungen höher 
denn die kaiſerliche Majeſtät und ihre gelobte Treue zu achten. 
Zugleich verſprach er ihnen aber, vor der Zeit und zur rechten 
Zeit immer bereit zu ſein, um den verletzten Frieden der Kirche, 
wenn es nöthig wäre, ſelbſt mit Gefahr des Lebens wiederherzu— 
ſtellen. Hierauf kehrte er guten Muthes nach Köln zurück: denn 
dort wartete ſeiner die Einführung in die neue Würde und die 
erzbiſchöfliche Weihe. Und es erhob ſich von neuem großer Jubel 
und Freude unter allem Volk, als der Prieſter des Herrn geſchmückt 
mit der Stola, der verſammelten Menge ſich zeigte. Und die köſt— 
liche Narde verbreitete ihren lieblichen Duft; in der Kirche öffnete 
er den Mund und redete. Und nach dem Geſetz hörte man ſeinen 
Klang, da er eingieng in das Heilige vor dem Herrn; allen aber 
die ihm gehorſam waren und ihm folgten iſt er ein Beiſpiel und Weg⸗ 
weiſer zum Heil geweſen. Was er aber gethan hat, wie er gelehrt hat, 
wie er ſich für den Frieden der Kirche Gottes hingegeben hat, war eben 
ſo wunderbar zu ſchauen als es ſchwer iſt davon eine Beſchreibung 
zu geben. Denn ſo weit überragten ſeine täglichen Werke die der 
Vorgänger daß alles das was er zur Erweiterung und Widerher— 
ſtellung von Kirchen in Uebertragung von Reliquien oder Gebei— 
nen von Heiligen in ſeinen Sprengel, in Errichtung von öffent— 
lichen und Privatgebäuden, in Regelung der Häuſer und der An— 
gelegenheiten der Familie Gottes geleiſtet hat, im Vergleich zu an— 
derer Männer Thätigkeit faſt unglaublich erſcheint. Denn wie er 
mehr als alle Lehrer ſich ſelbſt kannte, ſo wußte er die Schneide 
ſeines Herzens, die Schärfe ſeines Verſtandes, die Kraft ſeines 


24 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


Geiſtes auf höhere Werke der Weisheit und Tugend zu richten. 
Zuerſt in Betreff der Theologie und Gottesverehrung im engeren 
Sinne beſtimmte er nach der ihm gegebenen Weisheit, den kano— 
niſchen und apoſtoliſchen Vorſchriften folgend, daß die Menge, 
welche in den verſchiedenen zu ſeinem Sprengel gehörigen Congre— 
gationen ſich aufhielt, ein Herz und eine Seele haben ſolle, daß 
alle jene Schäden, wie Aufwand an Kleidern, Ungleichheit der 
Lebenseinrichtungen und was ſonſt ſich Weichliches und Ungehöri— 
ges fand mit dem wahren Meſſer des Geiſtes, dem wahren An— 
fang aller Weisheit ausgemerzt werden ſollten; daß alle, die dazu 
verpflichtet wären auf das genauſte nach den feſtgeſetzten Regeln 
dem göttlichen Dienſt oblägen und nicht in irgend anderen Dingen 
ihr Heil ſuchen möchten. 


22. Solches und Aehnliches verhandelte er öfter mit den ehr— 
würdigen Vätern und älteren Mitgliedern ſeiner Geiſtlichkeit und | 
ermahnte ſie dringend mit ihm über das Wohl der göttlichen Heerde 
zu wachen; und wenn auch die Zeitumſtände verhinderten dies ſo 
oft zu thun als er gewünſcht hätte, jo war er doch von dem heili⸗ 
gen Geiſte getrieben abweſend nicht minder auf den Dienſt des 
Herrn bedacht. Nach außen hin hatte er Kämpfe, das innere 
Leben der Kirche machte ihm manche Sorge und Befürchtung. Er 
kämpfte gegen die Wuth der Wölfe welche die Kirche Gottes ver⸗ 
wüſten wollten; er fürchtete für die Einfachheit der Schafe, wie 
der Apoſtel, da er ſagt: „ich fürchte aber daß nicht, wie die Schlange 
Eva verführte mit ihrer Schalkheit, alſo auch Eure Sinne ver⸗ 
rücket werden von der Einfältigkeit in Chriſto.“ So geängfteten | 
Herzens ſtand er ein tapferer Kämpfer gegen alles Ungemach; und | 
auch im Glück bewahrte dieſer Charakter gleiche Stärke, indem er 
durch ſeine Handlungen und ſeine Ermahnungen ſeine Pflegebe⸗ 
fohlenen lehrte, daß ſie bedacht ſein ſollten in dem Frieden die 
Einheit und Einfachheit des Geiſtes zu bewahren. Und die immer 
rege, nach allen Seiten hin gewandte, ganz einzige Thätigkeit ſei⸗ 

1) 2. Korinther, 11. 3. 


Leben des Erzbiſchofs Vruno. 25 


nes Geiſtes ſchien jener allgemeinen Regel zu widerſprechen, nach 
welcher derjenige welcher ſich nach vielen Seiten hin zerſplittert, 
für das Einzelne nicht kräftig genug bleibt. Durch kaiſerlichen 
Befehl genöthigt übernahm er alſo wie wir geſagt haben die Lei— 
tung der öffentlichen Angelegenheiten in Lothringen. Und wenn 
er alle Fürſten und Beamte an der gemeinſchaftlichen Laſt mit- 
tragen ließ und einem jeden die für ihn geeignete Thätigkeit an— 
wies, ſo war doch keine Arbeit, der er nicht ſich ſelbſt unterzogen 
hätte: ſein Geiſt immer lebendig und die allgemeinen Verhältniſſe 
überſchauend, wußte für alles Mittel und Wege zu finden. 


23. Einige unkundig der göttlichen Dispenſation werden viel— 
leicht fragen, warum der Biſchof die Angelegenheiten des Volks 
betrieben und in die Gefahren des Kriegs ſich geſtürzt habe, da 
ihm nur die Sorge für die Seelen übertragen war. Denen wird, 
wenn ſie geſunde Vernunft beſitzen, die Sache ſelbſt Aufſchluß ge— 
ben, wenn ſte den fo großen und beſonders in jenen Gegenden fo 
ſeltnen Segen des Friedens durch dieſen Hüter und Lehrer des 
treuen Volks überallhin verbreitet ſehen, und ſie werden daher um 
deswillen ferner nicht gleichſam in dunkeln Ort, wohin kein Licht 
fällt, umherirren. Und übrigens war es nicht neu noch ungewöhn— 
lich, dieſe Leitung der weltlichen Angelegenheiten den Lenkern der 
heiligen Kirche Gottes anzuvertrauen; wenn jemand hierfür Bei- 
ſpiele wünſcht, ſo können wir deren leicht anführen. Wir indeß 
zu andern Dingen eilend überlaſſen einem jeden, was er über die— 
ſen frommen Mann denken will, indem wir wohl wiſſen, daß nie— 
mand bei vernünftigen Sinnen fein kann, der verſuchen möchte, 
das jo offenbare Gute, welches jener geſtiftet hat, durch Verläum— 
dung oder böſe Nachrede herabzuwürdigen. Gut aber und dem 
Staat zuträglich war alles was jener Mann gethan hat. Seine 
Handlungen hatten aber nicht den Zweck, im Munde des Volks ge— 
prieſen zu werden und ihm der Menge Gunſt zu verſchaffen, ſondern 
er lebte und handelte ſo vor den Augen der Menſchen daß er den 
Böſen zum Abſcheu, den Guten zum Stolz und zur Freude ge— 


953. 


Gefolge, ſei es um feinen Haß gegen den fo edlen Mann Gottes, 


26 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


reichte. Allen aber wurde offenbar, wie er in ſeinem Weitem 
nur Gutes zu pflanzen beſtrebt war, ſo daß ſelbſt von Neidern und 
Nebenbuhlern ſeine Handlungsweiſe nicht leicht angegriffen werden 
konnte, nur gereichte ihnen zum Aerger, daß damit ſein Ruhm 
täglich zunahm. Von ſolcher bewunderungswürdigen Thätigkeit in 
Anſpruch genommen zog der immer wachſame Verwalter des hoch— 
ſten Hausherrn, die ſtrahlende Leuchte des eignen Beiſpiels vor ig 
her tragend, dieſe mit, jene wider Willen zu Gott hin. 


23. Inzwiſchen hörte die alte Peſt des menſchlichen Geſchlechts 
nicht auf, das Gift des Neides unter die ſchon zu fröhlichem Ge— 
deihen aufſprießende Saat der frommen Werke des Erzbiſchofs 
überallhin auszuſtreuen. Denn da kaum das Volk der Lothringer, 
endlich durch vielfältige Ermahnungen dieſes großen Mannes das 
hin gebracht, angefangen hatte, die ungewohnten Freuden des Frie⸗ 
dens zu genießen und denen welche allein im Bürgerkrieg für ſich 
Vortheil ſahen, die Mitwirkung zum eigenen Verderben größten 
theils verweigerte, brach das wilde Volk der Ungarn in ſo furcht— 
barem Sturme, wie unſer Land es nie bisher geſehen hatte, her— 
beigelockt von nichtswürdigen Bürgern, nachdem es die meiſten 
Provinzen Germaniens durchzogen hatte, in Gallien ein, alles mit 
Feuer und Schwert verwüſtend. In dieſem wilden Heere befand 
ſich auch Kuono t, früher ein ausgezeichneter Herzog, mit ſeinem 


Bruno, durch dieſes ſchmachvolle Bündniß zu befriedigen ſei es 
um einigen ſeiner Freunde, die ſich in großer Bedrängniß befan⸗ 
den, ſoviel er konnte, Hülfe zu leiſten: aber jene erſtere war die | 
allgemeinere Anſicht. Denn ſchon vorher hatte er gegen Bruno 
durch alle möglichen Künſte, da ihm die Macht zu Gewaltthaten 
fehlte, zu arbeiten geſucht, ſich durch Hinterliſt in Beſitz der reichen 
Stadt Metz geſetzt, den Verdacht gleicher Abſicht auf Köln und 
andere befeſtigte Städte des Reichs erregt, immer in Schmähun⸗ 
gen ſich ergangen und Drohungen ausgeſtoßen. Und auch ſpäter 


1) Eben jener ſchon öfter erwähnte Konrad, Herzog von Lothringen. & 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 27 


beharrte er noch längere Zeit bei dieſer verderbten Handlungsweiſe. 
85 ließ er unverſucht wodurch er glaubte den in unſerem Volk 
durch die Weisheit ſeines Lehrers geſtifteten Frieden ſtören zu 
können. Eben war er noch ein Mann geweſen von bedeutender 
Macht und großen Reichthümern aber unfähig, würdig das Glück 
zu genießen. Und durch Mißbrauch verſcherzte er es; er wüthete 
über die Maßen unbändig gegen die Guten; immer aber wurden 
ſeine abſcheulichen Anſchläge durch Gottes Fügung vereitelt, ſo 
daß es ihn ſpater nicht wenig gereute, jo ungeheuerliche That fo 
leichtſinnig begangen zu haben. | 


25. Der Herr aber hatte Erbarmen mit feinem Volk und bes 
wahrte in Allem ſeinen Prieſter und frommen Haushälter und 
leitete alles ſo, daß ohne Kampf und Menſchenverluſt die größten 
Gefahren abgewandt wurden. Trotz dieſer drohenden Umſtände 
ſtudirte Bruno oft ohne Sorge oder in ſich ſtark und pflog der 
Unterhaltung über die erhabenſten Dinge, ob er die ſich aufdrängen— 
den Sorgen des Augenblickes ganz vergeſſen hätte. Das aber er— 
kannte zu Trier und im Elſaß das Volk, mit welcher Feſtigkeit 
und Sicherheit er die immer erneuerten kühnen Verſuche der Geg— 
ner niederhielt, indem er zeigte, daß die welche ſich in fremden 
Dingen ſo ſtark rühmten, in den eigenen ſo ſchwach wären. Und 
in der That dieſe welche kein Kampf, keine Härte zu beugen ge⸗ 
wußt hatte, machte die Frömmigkeit jenes Mannes ſchwach und 
furchtſam. Denn durch ſeinen Geiſt und durch ſeine Gemeinſchaft 
mit allen Guten, nicht durch Grauſamkeit war er ſtark und Furcht 
gebietend; und keiner von den Feinden dachte ſo emſig auf Ver⸗ 
derben als er auf Heil und Segen. Ruhmſucht aber und das 
Urtheil der Menge bewogen ihn zu nichts; ſein Gewiſſen allein 
war ihm Richtſchnur und wo er das Rechte erprobt hatte, da ſah 
er nicht nach dem was ihm ſondern was Gott gefiel. 

So war er, daß ich mit Uebergehung vieles Wichtigen mich 
kurz faſſe, nach innen und außen, zu Haus und im Felde ein un— 
ermüdlicher Streiter Gottes und kämpfte mehr mit der Kraft des 


28 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


Geiſtes als irdiſcher Mittel ſolange und oft mit Gefahr des % 
bens gegen die Unruheſtifter und Zerſtörer, daß ſelbſt der 110 
ſeines Namens, wohin er drang, Kriege beilegte, Frieden ſtiftete, 
die Pflege der Wiſſenſchaft förderte und die gnadenreiche Wirkung 
der heiligen Religion und des Friedens vermehrte. 


26. Da nun der demüthige Verehrer Chriſti und glühende 
Nacheiferer beſſerer Gnadengaben, Bruno, der Diener Gottes, nach 
der Würde feines Biſchofsſitzes mit dem päpftlichen und apoftoli- 
ſchen Segen geſchmückt und mit denen, welche die von dem Apoſtel 
Petrus überlieferte Lehre ungetrübt zu erhalten haben, in der Rein- 
heit des katholiſchen Glaubens, in dem wahren Bekenntniß und 
der unveränderlichen Wahrheit der Lehre vereint werden ſollte, 
ſchickte er ſeinen ſynodaliſchen Brief durch Hadamar, den ehrwür⸗ 
digen Abt des Kloſters Fulda an den heiligen Pabſt Agapitus: 
einen Brief, aus dem klar wurde, welchen Geiſtes Bruno war und 
warum der von den Schafen gewählte Hirt von Gott geſendet 
ward. Und er wurde zum Genoſſen und Mitbruder der Apoſtel, 
zum Lehrer und Verbreiter der Befehle Gottes berufen. Darauf 
kehrte der Geſandte fröhlichen Geiſtes zurück und brachte dem 
frommen Hirten, welchem durch die Gnade Gottes nach dem Wort 
der Schrift das Oel der Freude für Trauer geſpendet iſt, das 
Pallium des Ruhmes für den Geiſt der Traurigkeit. Denn der 
Geiſt Gottes erfüllte den trefflichen und mehr auf die Wunderkraft 
der Gnadengabe als auf das was ſichtbarlich geſchah, hingerichte— 
ten Mann, daß er ſeine Seele erhob zur Hoffnung durch die gei— 
ſtige Freude, damit er nicht traurig würde über die Arbeit und 
Sorge die ihm bevorſtand. Denn das Herz welches traurig iſt, 
dem hilft keine äußerliche Freude 1. Das ſind Worte der Weisheit. 


27. Der Geſandte alſo, wie wir ſchon zu erzählen begonnen 
haben, von Rom zurückkehrend eilte die frohe Botſchaft nach Köln 
zu bringen; er führte aber das vom Pabſt überſandte heilige Ge: 
wand mit ſich, welches das ſuͤße Joch Gottes und aun. leichte 

1) Sprüche Salomonis 14. 10. 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 29 


Laſt anzeigt und zugleich den niedrigen Dienſt, welcher in ihm ver— 
et wird, was Gottes eigene Worte bezeugen, da er ſagt: wel— 
cher will groß werden unter euch, der muß euer Diener fein. Aus 
ßerdem brachte der Geſandte auch die Reliquien vom eignen Kör— 
per des heiligen Märtyrers Pantaleon und das in apoſtoliſcher 
Machtvollkommenheit zuerkannte Recht wonach der Prieſter Got— 
tes wider Gewohnheit die Erlaubniß erhielt, das Pallium, wann 
er immer wollte, zu tragen. So waren alle ſeine Wünſche erfüllt und 
ſeiner Tugend und Weisheit wegen ſchien er zur Theilnahme am 
Werke des höchften Biſchofs und faſt zum Mitgenuß feiner Würde 
erhoben zu ſein. Das Volk der Stadt aber eilte dem Geſandten 
entgegen; von überall her ſtrömte die Maſſe jubelnd zuſammen; 
alles ſammelte ſich dann in der Vorſtadt an dem altheiligen Ort, 
wo die Kirche jenes ehrwürdigen Heiligen ſtand, bisher unbenutzt 
und dem Einſturz nahe. Hier wurden zuerſt die werthen Geſchenke 
niedergelegt, dann aber alle an paſſenden Orten aufbewahrt. — 


28. Hier einen Augenblick zu verweilen mahnt mich die Erwäh— 
nung jenes heiligen und feſtlichen und bald durch Schmerz ſo trau— 
rigen Orts. Hier wurde jenes ehrwürdige Gewand zuerſt, hier 
zuletzt, einmal unter Jubel, das andere Mal unter Trauergeſang 
angelegt. Dem Leichnam nämlich des frommen und Gottes wür— 
digen Prieſters, welcher dort begraben wurde, fehlten nicht die 
Abzeichen der biſchöflichen Würde, welche wie wir glauben die 
Seele vergeiſtigt zum ſeligen Leben mit ſich entführte. So war 
es im geheimen Rathſchluß Gottes beſtimmt daß derſelbe Ort zur 
Verkündigung der Verdienſte feines heiligen Märtyrers bei dieſer 
Gelegenheit zuerſt gefeiert und von jenem friedliebenden und wun— 
derbar demüthigen Mann Gottes vor allen andern erwählt wurde, 
um unter dem Schutz jenes frommen Märtyrers den Tag des 
jüngften Gerichts und den Ruhm der künftigen Auferſtehung nach 
ſeinem Tode dort zu erwarten. Nicht lange nachher verſetzte Bruno 
dorthin, an einen ſtillen und von dem Getümmel des öffentlichen 
Treibens abgelegenen Ort, Kloſterbrüder, um daſelbſt fleißig und 


30 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


eifrig im Lobe des Herrn dieſem unter dem Geſetz der kloͤſterlichen 
Zucht zu dienen; zum Abt gab er ihnen einen gewiſſen Chriſtian, 
ausgezeichnet in Werken der Liebe und in dem Geſetz des Herrn, 
wie es für dieſen Orden paßte, wohl bewandert. Dieſem gab er 
bei der Weihe dieſe kurzen Verhaltungsregeln für die weſtlichen Ge— 
genden: „Bemühe dich das zu ſein was dein Name bedeutet damit 
du nicht zum Heiden herabſinkeſt. Stillſtand führt zum Ruͤckſchritt, 
von Tugend zu Tugend ſchreite der Menſch vorwärts.“ 


29. Niemal aber ergab er ſich ſo ganz der Beſchäftigung mit 
öffentlichen Angelegenheiten, zu denen ihn nicht ſowohl Neigung 
als dringende Nothwendigkeit führte daß er nicht bei ſeinem für 
alles lebendig empfänglichen Geiſte noch Zeit gefunden hätte, ſich 
mit der Theologie und andern Studien abzugeben, in denen er 
förmlich aufzugehen ſchien. Ueber die aber, welche dies nicht tha— 
ten, betrübte er ſich ſehr und hielt ſie, wenn auch ſonſt mit ihm 
vertraut, von dem ſtillen und heimlichen Ort ſeiner Meditationen 
fern, wo er ſich freier und vollſtändiger auszuſprechen pflegte. Das 
Herz des edlen Mannes war überdrüſſig des königlichen Aufwands 
und der zu jener Zeit bei Mächtigen üblichen Luſtbarkeiten und 
Vergnügungen; wenn er daher den Seinigen zu Gefallen hin und 
wieder ſich mehr gehen ließ als er für recht hielt, ſo betrauerte er 
dieſe ſo mäßige Ansſchweifung meiſt mit vielen bittern Thränen. 
Er fürchtete ein Leben der Freude und kannte das der Prüfungen. 
Ueber ein Leben aber frei von aller Sorge und Trauer dürfte 
wohl keiner mehr nachgedacht haben als der welcher über daſſelbe 
ſo oft vor ſeinen Freunden und vor dem ihm anvertrauten Volke 
auf das deutlichſte ſich ausgeſprochen hat. 


30. Als ein Jüngling von Glanz und Pracht umfloſſen wollte 
er, wage ich zu ſagen, ſich ſo weit vom Irdiſchen losreißen daß 
er ganz mit Chriſtus eins wäre. Daher ſeine häufigen Thränen, 
ſowie fortwährendes Seufzen ſeine heimlichen Selbſtgeſpräche, ſeine 
Klagen, die man ihn ſelbſt auf ſeinem Lager Nachts ausſtoßen 
hörte und ſo viele andere Zeichen, welche er nicht verbergen konnte, 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 31 


auch wenn er ſie verheimlichen wollte. Wie oft vergegenwärtigte 
er ſich die Stunde des Todes! wie oft ftrömten feine Lippen von 
dem über, des das Herz übervoll war! Wie oft haben wir ihn in 
heftiger Klage das herbeiwünſchen hören, was er doch nicht ohne 
banges Zittern kommen ſah, daß das brennende Wrack dieſer Welt 
glücklich in Gottes Gnade feine Zuflucht gefunden und an dem 
Geſtade der wahren Rettung gelandet wäre. Er glaubte dann 
allem zu entrinnen, fo daß wie den Tod er alles hinter ſich ließe, 
was von Reizen dieſer Welt verlockend wäre. 


Noch leben viele Zeugen ſeiner Geſpräche; wie oft hatten ſie 
ihn im Geheimen, zerknirſchten Herzens und demüthig gebeugten 
Geiſtes geſehen! da wurde es klar daß es leichter war dieſen Mann 
zu bewundern als ihm nachzueifern. Auf das Einfachſte wie ein 
Einſiedler lebte er für gewöhnlich; und wunderbar zu berichten 
unter fröhlichen Tiſchgenoſſen wußte er, nicht minder fröhlich, Ent- 
haltſamkeit zu üben. Weiche und feine Kleider in denen er auf— 
erzogen war und die er bis zum Mannesalter getragen hatte, wies 
er ſelbſt in den Paläſten der Könige von ſich; unter den purpur— 
bekleideten Dienern und den von Gold ſtrahlenden Kriegern gieng 
er einher in niedrigem Gewand und bäuerlichen Schaaffellen. Von 
ſeinem Lager war jede Bequemlichkeit, jede Ueppigkeit verbannt. 
Faſt nie beſuchte er das Bad, wie fo viele die es benutzten um 
ihre Haut weiß zu erhalten: was um ſo mehr zu bewundern iſt, 
da er man kann ſagen von den Windeln her an größte Sauber— 
keit und königlichen Glanz gewöhnt war. So aber handelte er 
den Verhältniſſen der Zeit und des Orts angemeſſen bald öffent— 
lich bald verborgen um dem Ruhm bei den Menſchen zu entgehen 
und dennoch den Untergebenen durch ſein Leben zum Vorbild zu 
dienen. Denn viele werden durch Ermahnungen, weit mehr aber 
noch durch Beiſpiel gefördert. Sanften und Demüthigen gegen- 
über war niemand demüthiger als er, gegen Böſe und Hochmüthige 
aber konnte niemand heftiger fein. Dieſe Heftigkeit ſcheuten Ein— 
heimiſche und Fremde gleich ſehr; und es pflegte in richtiger und 


32 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


gehöriger Ordnung jeder zu dem der Ruf ſeiner Größe gedrungen 
war, ihn zuerſt zu fürchten und dann lieb zu gewinnen. 


31. Leichname der Heiligen, Reliquien und andere Denkmale 
ſammelte er von überall her um für die Seinigen mehr und mehr 
Gönner und Fürſprecher zu gewinnen und durch dieſen Ruf bei 
vielen Völkern diesſeits und jenſeits den Ruhm Gottes zu ver— 
breiten. Für dieſe heiligen Gegenſtände bereitete er mit vielem 
Aufwand und Glanz Orte der Verehrung und den nöthigen Die— 
nerſtand. Das ſind Anzeichen unerſchütterlichen Glaubens, der 
nicht ſeinen Vortheil, ſondern den Ruhm ſeines Herrn, Jeſus Chri— 
ſtus, ſucht. Mit welchem Fleiß mit welchem Eifer mit welcher 
Freude er den Rock und die Kette des h. Petrus den einen von 
Metz die andere von Rom nach Köln brachte, wiſſen alle; zu ſei— 
ner Ehre erweiterte er das ihm gewidmete Gotteshaus auf herrliche 
Weiſe, daß es unter den ſchönſten das ſchönſte erſchien. Die be— 
rühmten weltbekannten Märtyrer Patroclus, Eliſius, Privatus und 
Gregor, deren Thaten wunderſam und erhebend ſind, deren Ver— 
dienſte ruhmwürdig, deren Schutz ſicher und gewiß iſt, außerdem 
wie ſchon geſagt iſt, die werthvollen Reliquien des Chriſtophorus 
und heiligen Pantaleon, die er ſich beſonders als Patrone auser— 
kor, brachte er wie die koſtbarſten Edelſteine und theuerſten Pfaͤn⸗ 
der von vielen Orten mit großem Glanz nach dem heiligen Sitz 
ſeiner Kirche. Was der fromme Verwalter in Bezug auf die 
Ueberſiedelung des ſeligen Evergiſil, dritten Erzbiſchofs von Köln, 
gethan hat, iſt allen bekannt: dieſen der in der Kirche der heiligen 
Jungfrau Cäcilia unter Hymnen und Lobgeſang zur Ehre Gottes 
beigeſetzt wurde, verehrt das fromme Volk ſo, daß man glauben 
könnte ein Lebender verſchaffe ſich durch große Spenden dieſe taͤg— 
liche Feier. 


32. Was er in ſo kurzer Zeit den Söhnen ſeiner Kirche ſonſt 
für Genüſſe bereitet und für Heilsgeſchenke verliehen hat, kann 
nicht gezählt und geſchätzt werden. Aus allen Theilen und Ge— 
genden der Erde ſammelte er in heiligem Eifer und heiliger Liebe, 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 33 


gleichſam mit für die Zukunft ſorgend um bei der kurzen Dauer 
ſeines Lebens der ihm anvertrauten Heerde ewige Güter zu hin— 
terlaſſen. Mit dieſem Streben bezweckte er aber vor allen, daß 
denen welchen jene Güter entführt wurden, das Verlangen dar— 
nach, denen welchen ſie zugeführt wurden die Freude daran geſtei— 
gert wurde. So wurden beider Gefühle durch den Geruch Chriſti, 
welcher in den Märtyrern liegt, wenn auch auf verſchiedene Weiſe 
erweckt, indem jene nun ſehnlicher verlangten was ſie bisher ver— 
achtet hatten, dieſe dem hohe Verehrung zollten, was zu ihrer 
Freude ihr Eigenthum geworden war. Denn wer das Gute was 
er beſitzt nicht zu lieben weiß, lernt oft das Gute nachdem es ihn 
genommen iſt, dadurch daß es ihm fehlt, ſchätzen; und die Er— 
innerung an das Gute, wenn es fehlt, wird mehr fruchten als da 
es beſeſſen unbeachtet blieb. Auf dieſe Weiſe erfüllte ſich das 
evangeliſche Wort: denn wer da hat, dem wird gegeben werden 
und wird die Fülle haben, wer aber nicht hat, dem wird auch das 
was er hat genommen werden. 


33. Inzwiſchen baute an vielen Orten in ſeinem Sprengel 
dieſer treue und kluge Diener Gottes Kirchen, Klöſter und andere 
Gebäude für den Dienſt ſeines Herrn und die Ehre ſeiner Heili— 
gen, theils von Grund aus, theils erweiterte er ſie, wenn ſchon 
früher gegründet oder ſtellte ſie, wenn im Verfall gerathen wieder 
her. Dann beſtimmte er Kloſterbrüder, mit der ihm eigenen Ein— 
ſicht und Vorſorge, welche in dieſen Wohnungen Gott nach den 
Geſetzen des Kloſterlebens dienen ſollten und ſorgte auf das Freige— 
bigſte, daß nichts was zu ihrem Unterhalt nöthig war, fehlte. Die 
Denkmale ſolches Strebens und ſo heilſamen Wirkens ſtehen für 
alle Zeiten an den Orten wo ſie gegründet ſind, ſo daß zum Lob 
und Ruhm Jeſu Chriſti das Andenken des ſo großen Mannes, 
durch den Lauf der Zeiten ungetrübt, bis in Ewigkeit ſich erhalten 
wird. Gleiche Geſinnung verbreitete er auch bei fremden Völkern 
und gründete ſie in dem ſeiner Sorge anvertrauten Reiche theils 
durch Beiſpiel und eignes Wirken oder durch Perſonen, deren 

Geſchichtſchr. d. deutſchen Vorz. X. Jahrh. Zr Bd. 3 


U 


34 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


Charakter und Eigenſchaften er dazu für geeignet hielt, ſowie durch 
häufige Ermahnungen. Er wollte aber nicht, daß einer der Seini⸗ 
gen übermäßig von Arbeit in Anſpruch genommen wurde noch 
auch daß einer ſich der Trägheit zu ergeben verſuchte indem er 
meinte, um ſeine Worte anzuführen, daß die ſcheue Heerde vom 
Abgrunde ſorgſam fern zu halten ſei; und wie das Wort des 
Apoſtels lautet: ſo jemand nicht will arbeiten der ſoll auch nicht 
eſſen. Es kann nicht im Einzelnen all das Gute was er gethan 
hat, was er ſo innig liebte, aufgeführt werden. Immer wird die 
Maſſe des Stoffs diejenigen welche es unternehmen ſollten, über⸗ 
wältigen, daß ſie ermattet von ihrem Weſen eher werden abſtehen 
müſſen, als ſie ihren Vorſatz ausgeführt haben. Wie groß, wie 
einzig er in der Predigt des Wortes Gottes, in der Kunſt des 
Disputirens, in ſeiner Glaubensfeſtigkeit daſtand, das bewundern 
wir, aber wir können es nicht darſtellen; mit welcher Fülle der 
Rede und welcher wahrhaft chriſtlichen Gelehrſamkeit ergieng er 
ſich uber den Herrn und Heiland, ſo daß man ſagen mußte er war 
voll der Weisheit Gottes, durch die alles gemacht iſt und Nie— 
mand der ihn hörte und recht verſtand behielt Zweifel im Herzen. 
Und um nichts was ſich auf Verehrung und Anbetung Gottes 
bezog, unberückſichtigt zu laſſen, forſchte der ſcharfſinnige Beobach⸗ 
ter aller der Dinge, die auf Chriſtum zeigen, ob innerhalb oder 
außerhalb der Schranken ſeiner Heerde Menſchen wären, die um 
im Einzelkampf gegen den Teufel zu ſtreiten ein einſames Leben 
zu führen ſtrebten. Dieſe behandelte er mit aller Ehrfurcht, ſtärkte 
ſie durch Ermahnungen und chriſtlichen Troſt und wies ihnen bald 
einem bald zwei zuſammen, in den verſchiedenen Klöſtern und Kir⸗ 
chen Zellen an; außer Rede und Anblick gewährte er ihnen aber 
keine andere Gemeinſchaft. Alles was zu ihrer Kleidung und den 
durch unſere Schwachheit geforderten Unterhalt gehörte ließ er für 
ſie durch die treueſten Beamten ſeiner Verwaltung beſorgen und 
verlieh ihnen ſoviel ihrer waren, beſonders an den Feſttagen der 
Apoſtel paſſende Geſchenke. So verwaltete er nach der Vorſchrift 0 
des Apoſtels mit Sorgfalt die Gabe der Weisheit nicht allein vor 


Leben des Erzbiſchofs Bruns. 35 


Gott ſondern auch vor Menſchen, ſo daß Menſchen jedes Standes 
und. jedes Geſchlechts, wenn ſie Gott ſuchten, als ſeine Schüler 
Stärkung und W 50 konnten. 


34. In Bezug. auf die Mägde Gottes, welche im Kloſter der 
heiligen Maria ſich dem Dienſte des Herrn widmeten und die Geiſt— 
lichen, welche er nach der Kirche des heiligen Apoſtels Andreas 
überſiedelte ſowie einzelne andere mehr hatten wohl manche ſtarke 
Bedenken, aber nur ſolche die nicht genug Geiſt beſaßen um ſeine 
reine Abſicht bei allen ſeinen Handlungen hinreichend zu erkennen. 
Wenn dieſe bedächten daß nicht die Menſchen des Orts wegen ſon— 
dern der Ort der Menſchen wegen von Gott erwählt iſt, und daß 
Gott Gehorſam gefälliger iſt denn Opfer, ſo müßte ihnen klar 
werden, daß die Schafe der Stimme ihres Herrn gehorchen ſollen 
und daß das Gott angenehmer iſt, was in Gehorſam, als was aus 
freiem Willen geſchieht. Denn wo Neid und Hader iſt ſagt der 
Apoſtel Jacobus! da iſt Unordnung und eitel böſes Ding. So 
handelt er auch nur zum Beſten ſelbſt derer, die das nicht erkennen 
wollten. Und wenn er einige nichtswürdige Verderber des Vater— 
landes aus dem Reich, in welchem ſie nicht ruhig und friedlich 
leben wollten, gleichſam als die Peſt der Guten vertrieb, ſo han— 
delte er damit auch nur zu ihrem Beſten. Denn je länger der 
Böfe ſündigt, um ſo ſchwerere und härtere Strafe wird er dann 


erd | 

1 2 aber würden die Guten Ruhe haben, wenn niemand 
der Wuth i des Böſen widerſtände? Sicher ſchonte Gott ihrer, um 
in ſeiner großen Gnade und Geduld ihnen zu gewähren, daß ſie 
abweſend von dem Frieden und dem geſegneten Zuſtand des Va— 
terlandes hoͤrten, den ſie als ſie ſelbſt noch im Vaterlande waren, 
nicht ſehen wollten; glücklich für ſie, wenn ſie ihr Heil wenigſtens 
in der Fremde erkannt und nach dem Reich geſtrebt haben aus 
dem ſie nicht vertrieben werden konnten, wo alle Friedfertige in 
Freude leben, weil ſie Kinder Gottes find. So war dieſer Mann 
1) Jacob. 3. 16. Nen 
3 * 


955. 


Dezem. 
954. 


36 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


durch die Gnade Gottes, daß er weder von Haß oder Neid getrie- 
ben wurde, jene oben Genannten zu verfolgen, noch durch Härte 
oder Grauſamkeit abgehalten wurde, Mitleid und Schonung mit 
den Elenden zu haben, ſondern wie ein beherzter Hirt und wahrer 
Führer des Volkes Gottes in allen Dingen auf das Heil und den 
Nutzen der Geſammtheit ſah; und mit allem Eifer wachte er dar⸗ 
über, daß nicht Diejenigen welche er ſelbſt den Weg Gottes ge— 
führt und gelehrt hatte, von ſchlechten Menſchen wiederum verführt 
und zum Irrthum fortgeriſſen wurden. So fern aber lag ihm 
Grauſamkeit, daß er um diejenigen, welche er für ihre Thaten 
hart ſtrafen mußte, ſelbſt oft bitterlich weinte; mit den Fröhlichen 
war er fröhlich mit den Traurigen traurig; und wenn er ſtrafte 
wollte er Jemand dem Sathanas nur zum Verderben des Fleiſches 
übergeben, damit die Seele einſt am Tag Gottes gerettet würde. 


35. Da aber der Tag und die Stunde ſchon nahe war, wo 
der allmächtige Gott in gnädigem Erbarmen mit der Menſchheit, 
das Blut ſeines Volkes zu rächen den Jammer ſeiner Diener wider 
ihre Feinde wandte, erhob ſich noch einmal unerträglich und un— 
glaublich der Hochmuth des wilden Ungarnvolkes, welches des 
vorigen Jahres Erfolge wieder herbeilockten. Aber wie wahr ge— 
ſagt iſt vor dem Untergang jauchzt das Herz, ſo fielen ſie alle dem 
Verderben anheim, welche auf Ungerechtigkeit dachten. Denn ehe 
dieſe entſetzliche Plage hereinbrach, war der Frieden der Kirche auf 
dem königlichen Placitum, das zu Arnſtatt gehalten wurde, neu 
gegründet und durch unſeres Kaiſers und ſeiner Brüder Weisheit 
befeftigt worden. Und in der That alle Stämme und Völker 
mußten erkennen, daß der Herr kein Gott des Streites ſondern 
des Friedens iſt: denn ſolches Heil hat er ſeinem Volk, da in ihm 
Friede wurde, bereitet. Der Kaiſer aber war nur in Sorgen, daß 
er nicht Zeit genug hatte, ein großes Heer zu ſammeln. Aber er 
hatte Vertrauen auf Chriſtus und Gott, der zu retten vermag mit 
wenigen wie mit vielen. Auch Kuono war anweſend nicht als 
Herzog ſondern als einfacher Kriegsmann, ganz wie man glaubte 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 37 


für den Frieden gewonnen, den er früher ſo trotzig bekämpft hatte, 
ſeinen Leib mit härenem Gewand kaſteiend und er flehte Gott un— 
ter Seufzern und Schluchzen an, daß ſein heiliger Wille es ſo 
fügen möge, daß nachdem unſer König und ſein Heer den Sieg 
davongetragen hatten, er durch dieſelben mit denen er früher ſich 
zum Verderben verbündet hatte, ſeinen Tod fände, um dadurch auf 
ewig von dieſer furchtbaren Gemeinſchaft befreit zu ſein. Der 
Kaiſer aber ließ zum Feſt des heiligen Märtyrers Laurentius ein 
Faſten gebieten, damit durch ſeine Fürſprache angegangen Gott 
ihm dem Kaiſer und ſeinem Volke Schutz und Hülfe angedeihen 
laſſen möchte. Der Plan meines Werkes verbietet, den Kampf ins 
Einzelne zu verfolgen; zu erzählen wie er mit der erſten Dämmerung 
des heiligen Tages begann und wie noch vor Abend durch Gottes 
Gnade der für die Seinen ſtritt, der Sieg gewonnen ward; dann 
weiter zu berichten von dem beklagenswerthen Tod Kuonos nach 
dem Sieg dem ruhmreichen Triumph des Kaiſers, die Gefangen— 
ſchaft des Königs, der Herzöge und Fürſten der Ungarn und alle 
die Siegeszeichen, über das ganze Reich bis zu den Grenzen jenes 
Volks verbreitet, dies alles erwartet zum Lob und Ruhm des all— 
mächtigen Gottes ſeine eigene Darſtellung. 


36. Wir aber kehren nach dieſer Abſchweifung zu unſerem 
Vorwurf zurück und wollen berichten was unterdeß der fromme 
Erzbiſchof Bruno, der Feind aller Bosheit und der unermübliche 
Vollſtrecker der Gerechtigkeit, gethan hatte. Da er ſah, daß er 


zum beſtimmten Tag ſeinen Herrn und Bruder dem großen Kaiſer 


mit Hülfstruppen nicht mehr erreichen könnte und zugleich in Sorge 
war, daß nicht etwa die Barbaren die Schlacht vermeidend ſich 
nach Gallien, der ſeiner Leitung anvertrauten Provinz würfen, ſo 
begab er ſich — indem er meinte auf dieſe Weiſe dem Reiche den 
größten Nutzen zu verſchaffen und die Wünſche des Kaiſers zu 


erfüllen — zu einer Zuſammenkunft mit dem Sohne des Kaiſers, 


Ludolf, ſeinem Neffen, beſänftigte die Bitterkeit ſeines Herzens 
durch freundliche und liebe Worte, ſüßer denn Honig, nnd verſprach 


9. Aug. 
955. 


957, 


956. 
April 


38 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


die Wiederherſtellung der alten Verhältniſſe, wenn er (Ludolf) ſei⸗ 
nen Pflichten beſſer wiederum nachkommen wollte. Als Bruno 
ſah daß die Heilmittel der Rede und Ermahnung nicht wie früher 
unter allen möglichen Vorwänden zurückgewieſen, ſondern begieri⸗ 
ger denn gewöhnlich angenommen und wohl beherzigt wurden, lud 
er ihn bald nach dem ehrwürdigen Ort feines Bisthums, Bonn 
ein, hieß ihn mit Freuden daſelbſt willkommen, bereitete alle ſeiner 
wie Ludolf würdige Freuden und Genüſſe und wußte allen welche 
zugegen waren, eingedenk ſeiner königlichen Würde, ein äußerſt 
angenehmes Leben zu verſchaffen. Als fie hier noch beiſammen, 
waren, erhielten ſie Nachricht von dem was im Kriege wider die 
Ungarn durch kriegeriſche, ja göttliche Kraft ausgerichtet worden 
war. Erzbiſchof Bruno aber ſorgte dafür, daß fein Neffe noch; 
mehr getröſtet wurde. Denn auf Anrathen Brunos geſchah es daß 
der Kaiſer ſeinem Sohne der verloren war und den er nun wie⸗ 
dergewonnnn hatte ganz Italien übergab und ihm im vollſten 
Maße ſeine väterliche Liebe wieder zuwandte. Als er aber die 
Freude und der Stolz des Volks geworden war und den Weg, 
zum Olympus hinaufſchritt, da ſank plötzlich jene ſuße Blume und 
jener feſte Hort des Reichs. Sein Vater aber der Kaiſer und 
immer hochherzige Sieger Otto knüpfen nachdem er für Trauer 
Droſt und Freude erhalten hatte, das alte einige Verhältniß mit 
dem Bruder durch neues Zuſammenleben wieder an; er gieng nach 
Köln und erfreute ſich hier ebenſo der zärtlichen Liebe ſeines Bru⸗ 
ders wie des häufigen Anblicks, der vielen Unterredung und des 
ganzen wohlthuenden Verkehrs mit im. A 

Auch ergieng jetzt gegen einige böſe und ſchädliche Bürger des 
Reiches ſchweres Gericht, ſowie die Guten und Friedfertigen ſich 
der reichlichen Gnade des kaiſerlichen Herrſchers zu erfreuen hat⸗ 
ten. Ueber den Zuſtand des Reichs, ſeine Sicherung und Erwei⸗ 
terung wurde viel und ſorgfältig Rath gepflogen, auch dafür ge⸗ 
ſorgt die vielen Wunden und Schäden aus vergangener Zeit zu 
heilen oder zu tilgen. * 

37. Inzwiſchen forſchte der fromme Hirt Bruno, der Verkün⸗ 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 39 


diger der Wahrheit und Verbreiter des Evangeliums mit immer 
gleichem Eifer nach ſtrebſamen und thätigen Männern, welche das 
Reich jeder an ſeiner Stelle durch Treue, Kraft und Verſtand 
ſchützen und bewahren ſollten. Dann ſorgte er auch dafür daß es 
ihnen nicht an Macht und Mitteln fehlte. Alle Fürſten und Edel⸗ 
ſten feines Gebiets ſowie der anderen, deren Stimmung für das 
Reich von Wichtigkeit war, und die ſich auf ſeine heilſamen Er⸗ 
mahnungen hin in vollem Glauben zum Bündniß für das allge- 
meine Beſte der Guten vereinigt hatten, ehrte er aufs höchſte, 
machte ſie zu ſeinen Vertrauten und gewann vor allen für ſie den 
Kaiſer ſeinen Bruder; indem er das Wort des Weiſen nicht un— 
berückſichtigt ließ, der da jagt: der Gute wenn du ihn vernachläf- 
ſigſt wird träger, der Schlechte verderbter werden. Den Erzbiſchof 
von Trier Heinrich, einen Mann von großem Verdienſt und großer 
Rechtſchaffenheit, welcher dem Erzbiſchof Rutbert, da dieſer zu 
Köln, als auch der Kaiſer daſelbſt ſich aufhielt, an der verheeren— 
den Peſt geſtorben war, im Amte folgte, den Archimandriten Wil- 
helm, einen berühmten und ausgezeichneten Mann, ſeinen Neffen, 
den Nachfolger des Biſchofs Friedrich von Mainz, beide vorzüg⸗ 
liche Männer, der eine dem Kaiſer durch Verwandtſchaft, der an⸗ 
dere durch Tugend, beide durch Freundſchaft eng verbunden, ſchätzte 
und ehrte er, wie es nur möglich war. Dieſe hervorragenden, 
weiſen, frommen, in allen Wiſſenſchaften hochgelehrten Männer zog 
er oft zu Rathe, damit er nicht ſeinem Urtheil allein folgend in 
menſchlicher Schwäche von dem Pfad der Wahrheit abwiche. Und 
dieſe haben wir nicht nur im Leſezimmer, beim Rathe und in ge⸗ 
lehrten Unterhaltungen ſondern auch im Kampfe mit ihm verbun⸗ 
den geſehen, indem ſie das Gute nicht nur vor Gott ſondern auch 
vor den Menſchen übten, denn es war in den öſtlichen Gegenden 
des lothringiſchen Reiches eine gleichſam ungebändigte thörichte 
Wuth, die von der Kirche wohl ſelbſt ausgieng) anderer Glück be⸗ 
neidend und eigenem Heil entgegenarbeitend, voll Verachtung für 
die ſanften Mittel väterlicher Ermahnung nnd ohne Furcht vor der 
höchſten Gewalt. Wenn dieſe ihrer eignen Leitung und Regierung 


40 Leben des Erzbifchofs Bruno. 


überlaſſen worden wären, würden ihnen an ſich ſelbſt ihre Ver⸗ 
derbtheit und Bosheit klar geworden ſein. Er aber machte auf 
höchſt kluge Weiſe von ſeinem Vorrechte Gebrauch, daß er nach 
Maßgabe der Zeit und des Orts bei Beſetzung der Prieſterſtellen 
für den Frieden und die Ruhe der Heerde Sorge tragend diejenigen 
beförderte welche wohl wußten, welche Pflichten und Dienſte das 
empfangene Amt auferlegte, andere wiederum begünftigte um gleich— 
wie die Vorhänge des Allerheiligſten dem Hauſe Gottes zum 
Schmuck zu gereichen und noch andere um als dichte Decken das 
Zelt gegen die Gewalt der Stürme zu ſchützen. u 


38. Es wird hier der rechte Ort fein eine fromme und lobens⸗ 
werthe Handlung dieſes edlen Hirten zu erwähnen, die er übte um 
für Trauer und für den Geiſt der Trübſal in den Gemüthern der 
Bedrängten die Hoffnung auf Beſſeres zu erwecken; mag auch dieſe 
That, weil nur wenige die wahren Gründe erkannten, der Ver- 
läumdung reiche Ausbeute geboten haben. Denn was entſtellt 
nicht der Neid, des Wahnſinns ſcheußlichſte Form. Als nämlich 
Rather, Biſchof von Verona, einer Stadt in Italien, eines unbe— 
deutenden Verdachts wegen, wie das zu geſchehen pflegt vom Volke 
ſeiner Würde beraubt worden war, bewirkte Bruno, daß er den 
leeren Stuhl der Lütticher Kirche nach den Kanoniſchen Geſetzen 
erhielt. Und dies gereichte wegen der ausnehmenden Gelehrſamkeit 
und bewunderungswerthen Beredtſamkeit durch welche ſich dieſer 
Mann vor ſo vielen anderen Gelehrten auszeichnete, nicht allein 
der eignen Kirche ſondern auch vielen andern im ganzen Reiche 
zum Vortheil. Weil nämlich in jenen Gegenden durch Eifer und 
Streit aus denen jede Treuloſigkeit und jedes ſchlechte Werk ber- 
vorzugehen pflegen, einige Prieſter des Herrn, mehr auf die welt- 
liche Macht als recht war ſich ſtützend, das unerfahrene Volk zum Bö- 
ſen verleiteten, ſo glaubte Bruno, welchem die Regierung über das 
ganze Reich übertragen war, daß jener vertriebene und mißachtete 
Mann durch eine ſolche Wohlthat für ein ſo enges Bündniß mit 
Glauben und Wahrheit gewonnen werden würde, daß er von nie⸗ 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 41 


mand dieſem abgewandt werden könnte, andrerſeits die böfe Rede 
der Redner nicht beſſer zum Schweigen zu bringen wäre, als wenn 
an ihrem Biſchof kein Fehl und Makel gefunden werde. Aber zu 
ihrem eignen Verderben ſiegte die Partei der Schlechten; was zu 
ihrem Heil und zu ihrer Rettung das meinten ſie würde ihr Ver— 
derben ſein. Doch machen wir die Sache kurz: man fehlte, übte 
Gewaltthat, ließ nicht ab, bis der Biſchof als Opfer ihrer Grau— 
ſamkeit und Bosheit weichen mußte. Alle Hoffnung ihn wieder 
einzuſetzen ſchwand, denn es bildete ſich eine große Verſchwörung, 
die nicht anders beigelegt werden zu können ſchien, als daß jener 
gänzlich entfernt und an ſeine Stelle Baldricus, der Sprößling 
eines edlen Geſchlechts jener Gegend geſetzt wurde. Zahlloſe Stürme 
wühlten von allen Seiten in dieſem Auswurf; das Schiff der 
Kirche ſchwankte da das Steuerruder fehlte; der Steuermann ſelbſt 
konnte der Heftigkeit des furchtbaren Ungewitters nicht widerſtehen. 
Er wich daher; er gab nach nicht als ob vom Böſen beſiegt wor— 
den, ſondern um im Guten das Böſe zu beſiegen, er wich dem 
Willen der Gegner, um mit ihrem eignen Schwerte ſie zu treffen. 
Freiwillig leiſteten ſie jetzt den Eid, daß wenn ſie jetzt den Bi— 
ſchof, welchen ſie forderten erhielten, ſie fernerhin in unerſchütter⸗ 
licher Treue das Anſehen und Recht des Kaiſers wahren und auf- 
recht erhalten würden damit aber in dieſer Angelegenheit nicht ir⸗ 
gend wie Grund läge, Unzufriedenheit oder Tadel zu erregen, ſo 
bewirkte er in Gemeinſchaft mit ſeinem Bruder daß dem ſchon 
zweimal entſetzten Biſchof Rather feine alte Würde in der Vero— 
neſer Kirche zurückgegeben wurde. 


39. Viele andere, ja unzählige ausgezeichnete Thaten verrich- 
tete er in kurzer Zeit unter dem Volk der Lothringer, das er auf 
ganz neue Weiſe zu regieren unternommen und wie man noch jetzt 


55. 


961. 


ſehen kann aus einem wilden und rohen Volke zu einen friedferti- 


gen und ſanftmüthigen gemacht hatte; nnd nicht minder im gan— 
zen Umfang des Reiches zur Ehre Gottes und zum Heil des gan⸗ 
zen Volkes. Darinn in allen Dingen theilte er die Sorge mit 


96 


— 


42 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


ſeinem Herrn und Bruder und Beide rühmten ſich einer des an— 
dern Verdienſt in dem Herrn. Außerdem beſchützte und erhob er 
Lothar den Sohn ſeiner Schweſter, aus altköniglichem Geſchlecht 
welcher von ſeinen Verwandten! bedrängt wurde und er ließ nicht 
nach bis er ihn an Stelle ſeines Vaters zum König geſetzt und 
die älteren und mächtigeren Söhne Hugos und alle Fürſten feiner: 
Herrſchaft unterworfen hatte; ſo für alles ſorgend, damit! unter 
der Regierung eines Kaiſers alle gleich ſicher vor Feinden und 
untereinander in Frieden leben könnten. 


40. Eine ſchwere Plage aber für das Reich, von der ich nicht 
ſchweigen will, war das Volk der Normannen, denen an Geſchicklich— 
keit in Seeräuberei niemand gleichkam. Dieſen war ſchon zum großen 
Theil das an Zwietracht und häusliches Elend gewohnte Volk als 
Beute anheimgefallen. Was noch übrig geblieben war, gieng un⸗ 
ter in heimiſchen Kämpfen. Der reife und umſichtige Leiter aber, 
der weil er wußte, daß er ein Menſch war, nicht menſchliches von 
ſich fern glaubte, traf ſolche Einrichtung daß alle welche Ruhe 
und Friede liebten, zu ihm wie zu einem ſichern Hafen flüchten 
konnten. Auch bändigte er die Unmenſchlichkeit und kaum mehr 
erträgliche Grauſamkeit der Barbaren. Denn um dieſe Zeit un⸗ 
terwarf fich, König Harald mit einer großen Menge ſeines Volkes 
dem König der Könige Chriſtus und verließ den Götzendienſt. u 


41. Der Kaiſer beſaß einen ganz jungen Sohn, von zartem 
Weſen und herrlichen Gaben, der Bürge des Friedens und der 
Ruhm des Volkes. Dieſen hatte der Kaiſer unter der Leitung des 
Obeims und Bruders zur Regierung des Reichs dieſſeits der Al- 
pen zurückgelaſſen als er nach Rom gieng die Angelegenheiten Ita⸗ 


liens zu ordnen. Ihn der künftig Kaiſer werden ſollte, ſetzte er 


nachdem alles Volk den jungen Helden erwählt hatte, zum König 


nr 7 


1) Dem Sohne Hugos des Großen. — 2) Harald Blataand (Blauzahn) wurde von 
Otto J. deutſcher . e. unterworfen; er verſprach das Christ hun ‚einzuführen; ließ 
ſich ſelbſt mit ſeiner ahlin Gunhild und feinem kleinen Sohne Stein taufen. Der 
Kaiſer hob dieſen aus der Taufe und nannte ihn Spein-Otto. Dies geſchah im Herbſt 965: 


Leben des Erzbiſchofs Bruns. 43 


ein und den jüngeren Otto, den Sohn, der des Vaters Namen 
trug, ſalbten Erzbiſchof Bruno, Wilhelm und Heinrich und die 
übrigen Prieſter des Herrn im Pallaſt zu Achen und das Volk 
jauchzte und rief: Es lebe der König in Ewigkeit. Dann aber 
ſchieden die beiden Brüder von einander, das unüberwindliche 
Paar; und während der Kaiſer die Penniniſchen Alpen überſchritt, 
blieb dieſſeits, hochgeachtet und verehrt, der fromme Hirt und Erz⸗ 
biſchof Bruno. Nicht lange darauf ſchickte er ſeinem Herrn und 
Bruder, da er ſelbſt nicht kommen konnte, ſchwere Reiterei von den 
Lothringern als Hülfstruppen zu. Ihr Führer war Herzog Got⸗ 
fried, den er ſelbſt erzogen hatte, ein weiſer und frommer Mann, 
der den Frieden liebte, Gerechtigkeit übte, den Kaiſer treuen Ge⸗ 
horſam leiſtete und bei allen beliebt war. Aber vom Fieber er⸗ 
griffen, gieng er bald darauf zur großen Hoffnung künftiger Ruhe 
ein. Ueber die Unſchuld dieſes Mannes ſicher, als Zeuge und 964, 
Kenner ſeines Lebens ſagte Bruno, als von dem Gelde die Rede 
war, das zum Erlös ſeiner Seele gegeben werden ſolle; dieſer be⸗ 
dürfe deſſelben nur wenig. Tag und Nacht aber ſah er der Rück⸗ 
kehr des Bruders mit Sehnſucht entgegen; und als er nun ſtrah⸗ 
lend in Glanz und Ruhm wiederkehrte, eilte er ihn zu treffen. 
Denn ausgezeichnet war ſeine Tugend, Würde, Treue und Ent⸗ 
haltſamkeit bei der Aufgabe, welche er gelöſt hatte, und zugleich 
glaubte er daß mit Otto die Hoffnung des Friedens mit der Ruhe 
der Gemüther Recht und Geſetz, mit der Eintracht des Volks das 
Anſehen des Königs und der Fürſten wiedergekehrt fein; würde. 
An allen ſeinen Berathungen, da er Tag und Nacht auf nichts 
anderes als das Wohl des Volkes dachte, nahm Bruno Theil und 
glänzte unter den Vorzüglichſten. Er war des Kaiſers weiſer Rath, 
ſein treuſter Genoſſe ſein ſtarker Helfer bei dem großen Werke der 
Begründung, Erhaltung und Vollendung des Reichs. 


26. Mai 


2 


65. 


* 42. Als der Kaiſer im dreißigſten Jahr ſeiner Regierung, ſein 

Bruder, kaum vierzigjährig, im zwölften ſeiner Biſchofswürde ſtand, 

feierten ſie das heilige Pfingſtfeſt zuſammen in Köln; und es war 14. Mat 
* 


44 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


ren außerdem anweſend zu dieſer Feier ſeine Mutter, die Schweſter 
Königin, die Neffen und Söhne, jene ganze Gott theure Familie 
und alle Großen des Reichs. Es ſteht feſt daß kein Ort jemals 
durch ſolchen Glanz, durch ſolchen Ruhm der ihn verſammelten 
Menſchen jeglichen Geſchlechts, Alters und Ranges verherrlicht 
wurde. Dieſe Verbindung des ruhmreichen Kaiſers und ſeines 
Bruders, des ſanften und unvergleichlichen Erzbiſchof Bruno, Gott 
in allem Willen und Werken treu und werth, dieſes verbundene 
Streben alles zu Nutzen und in Ehren zu regieren und auszufüh— 
ren, dieſe heitere Gemeinſchaft des Lebens und aller Geſchafte 
trennte allein der grauſame Tod, der furchtbare Tod, der nichts— 
würdige Tod. Und obgleich es nichts ſchrecklicheres geben konnte 
als dieſe Trennung, ſo gab es doch wieder nichts Unſchuldigeres 
als den Tod, was ſte hatte von einander ſcheiden ſollen. 


43. Als nun der hohe Prieſter Bruno den nach Oſten zu ſich 
wendenden Herrn und Bruder verlaſſen und alles innerhalb der 
ihm anvertrauten Marken des Reichs, Gott dankend, ruhig und in 
Frieden gefunden hatte: ermahnte er wieder und immer wieder alle 
die Seinigen, Geiſtlichkeit und Volk über das, was ſie zu thun 
hatten; dann begab er ſich weſtlich nach Compiegne, um ſeine in 
Zwieſpalt gerathenen Neffen zu verſöhnen, in Treue und Liebe zu 
befeſtigen der Kirche ihren Dienſt, dem König ſeine Ehre und jedem 
einzelnen was nach Pur! und Geſetz ihm zu * und 
feftzuftellen. | 

Noch mit dieſem Werk beſchäftigt fing er an zu kränkeln; in 
der Stadt von heftigen Schmerzen überfallen, erlag er endlich am 
fünften Tage nachdem er von ihr ergriffen worden war, der Krank- 
heit. Während dieſer auf der Reiſe wie am Ruheort zugebrachten 
Tage ſtärkte er ſich durch angeſtrengtes Leſen, nahm aber faſt gar 
keine Speiſe zu ſich, Von dem Bifchof Winfried aber im Ver— 
trauen befragt, an welcher Krankheit er leide, erwiederte er es wäre 
keine Krankheit ſondern eine völlige Auflöfung des ganzen Orga— 
nismus. Der Biſchof jener genannten Stadt nahm ihn auf das 

1 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 45 


Würdigſte bei ſich auf und pflegte ihn auf das Sorgſamſte; und 1. Oct. 
am Feſte des heiligen Remigius, welches damals fiel, beſſerte er 
ſich ein wenig ſo daß ſeine Pflegebefohlenen und Genoſſen Hoff— 
nung für ſeine Erhaltung ſchöpften. Er aber ließ die mit ihm 
gekommenen Biſchoͤfe Theoderich und Friedrich zu ſich rufen und 
bat ſie ihm die Mittel zu verſchaffen daß er ſein Teſtament machen 
konne und dabei ihm hülfreich zu fein. Als fie ſchmerzlich bewegt 
und unter Thränen ſolche Gedanken zurückwieſen, indem ja ſein 
Geſundheitszuſtand ohne Zweifel ſich in kurzem beſſern würde, er— 
wiederte er mit jener Kraft des Geiſtes, die ihn immer auszeichnete: 
So lange es Zeit iſt, ſoll es geſchehen; nach dieſem wird uns 
noch manches Andere zu thun übrig bleiben. Seine Krankheit 
aber nahm an Gefahr zu und ſchon zeigte der Athem bei erſchöpf— 
ter Lunge die geringe Lebensfähigkeit des Körpers. Darauf wurde 
ein Notar gerufen und dieſem dictierte er vor den genannten Zeu— 
gen ſelbſt ſein Teſtament; alles deſſen, was er beſaß entäußerte er 
ſich, während er noch immer Hoffnung auf Erhaltung hegen konnte, 
vertheilte es, ſchenkte es den Armen; und was er zur Aufführung 
der verſchiedenen Gebäude zum Dienſt Gottes gehörig geſammelt 
hatte, vertheilte er nach der ihm verliehenen Weisheit durch be— 
ſtimmte und beſonders geſicherte Clauſeln paſſend und würdig. Wer 
es aber leſen will, kann es unten aufgezeichnet finden. Sein Geiſt, 
den er durch Reinheit des Herzens und fromme Uebung geläutert 
und verklärt Gott wieder übergab, hatte ihn wie aus ſeinen Wor— 
ten erſichtlich iſt, auch nicht in den letzten Augenblicken verlaſſen. 


44. Hierauf berief der Arme Chriſti, noch einmal die ganze 
Kraft ſeines Geiſtes ſammelnd, die Biſchöfe zu beſonderer Un— 
terredung. 

Als dieſe Platz genommen hatten redete er unter häufigem 
Schluchzen und heißen Thränen dieſe Worte zu ihnen: drei Arten 
von Bekenntniß giebt es, in denen ſich das Herz des Menſchen 
ſeinem Herrn und Gott, dem Kenner der Nieren und Ergründer 
der Herzen, erſchließt, nicht um ihm, der alles weiß, offenbarer zu 

; * 


46 Leben des Erzbiſchofs Bruns, 


werden ſondern damit derjenige welcher ſich wenig kennt; beſſere 
Erkenntniß von ſich erhalte und entweder Gott für gethanes Gute 
lobe oder ſich wegen Sünde und Miſſethat anklage. Wenn dies 
aber immer geſchehen ſoll — denn es iſt uns geboten zu wachen, 
damit nicht der Dieb komme und uns da wir ſchlafen, überraſche! 
— ſo beſonders wenn der Herr an die Thür klopft durch Krank⸗ 
heit und körperliches Leid, wird es nöthig, daß der Geiſt mit aller 
Kraft, die er beſitzt, ſich aufrafft, zu dem nahenden Richter empor⸗ 
ſtrebe, mit Erſtickung irdiſcher Begierden ſeine Hoffnung auf das 
Ewige richte, an der ewigen Gnade wenn ſie auch unverdient iſt, 
nicht verzweifle, ohne Vertrauen auf ſich ſelbſt, aber voll Vertrauen 
auf Gott. Wie ihr nun ſeht, geliebte Brüder, wird jetzt an der 
Thür meines Herzens geklopft; ich werde gerufen Rechenſchaft ab⸗ 
zulegen für meine Handlungen. Wenn ihr es vermögt, ſo bitte 
ich euch, leiht mir euren Beiſtand, erhebt für mich euer Gebet. 
Ungewiß ſchwanke ich zwiſchen Furcht und Hoffnung, das aber iſt 
die Aufgabe mich nach keiner Seite hin fortreißen zu laſſen; aber 
welcher Art ſind meine Kräfte; ich warte auf das Mittel der 
Gnade, ich bin in den Händen meines Schöpfers: ich erwarte in 
Ruhe daß er mit mir mache was ihm gefällt. Es iſt gut, 
Gott zu beichten. Bekenntniß und Abſolution ſind ſein Werk. 
Denn nichts gutes kann geſchehen ohne ſein Zuthun. Es giebt 
aber eine gewiſſe Art des Bekenntniſſes, die das Verſchuldete nicht 
beklagt aber dennoch Gottes Erbarmen anruft; von ihr ſagt Gott 
durch den Mund des Pſalmiſten: Wer Dank opfert der preiſet mich 
und das iſt der Weg daß ich ihm zeige das Heil Gottes 2. Dieſes 
Heil, das iſt Jeſus Chriſtus, bekenne ich laut mit dem Munde 
Und mein Herz iſt voll von Glauben daran, weil Gott ihn von 
den Todten auferwecket hat. Hier glaube ich find alle Schaͤtze der 
Weisheit und des Verſtandes verborgen. Dieſen unſern Herrn 
Jeſus Chriſtus kann niemand nennen, es ſei denn im heiligen 


Geiſte; nach ihm iſt all' mein Begehren und meine 1 iſt ihm 
€) ö an 1 


1) Mathaͤus, 24. 42-43. — 2) Pfatm, 50. 23. ene 78 
* 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 47 


nicht verborgen. Ich habe geſagt ich werde meine Ungerechtigkei— 
ten wider Gott vor mir ſelbſt bekennen, das iſt die zweite Art des 
reuigen Bekenntniſſes unſerer Sünden. Die dritte Art welche der 
Apoſtel Jacobus empfiehlt, da er ſagt: bekenne einer dem andern 
ſeine Sünden und betet für einander daß ihr geſund werdet, dieſes 
dritte Bekenntniß, will ich euch, ihr meine Herren und Brüder ab⸗ 
legen und meine Seele verlanget ernſtlich darnach. Ich hoffe aber 
daß wir beim Vater Jeſus Chriſtus zum Fürſprecher haben werden 
und er ſelbſt die Verſöhnung für unſere Sünden fein wird. Nach- 
dem er ſo ſein Herz ganz vor Gott ausgeſchüttet hatte, bat er um 
das heilige Sakrament des Leibes und Blutes, deſſen herrliche 
Kraft er wohl kannte. Als es ihm gebracht wurde zeigte der Mann 
Gottes indem er mit dem ganzen Körper vor dem Heiligthum ſich 
niederwarf, von welchen Gefühlen ſeine Seele bewegt war. Mit 
dieſer Speiſe des Lebens erquickt legte er, ſtark in der Hoffnung, 
ſich wieder zu Bett und brachte darauf 755 fünf Tage in demſel⸗ 
ben leidenden Zuſtande des Körpers und gleichem geiſtigen Erho⸗ 
REN in 


45. Als aber der feſtliche Tag der ſeligen Märtyrer Gereon 
und ſeiner Genoſſen ſich ſchon neigte, trat plötzlich ein ſtarker 
Krampf ein und die anweſenden Biſchöfe, Herzöge, Grafen und 
anderen alle wurden von heftigem Schmerz ergriffen, da ſie ſahen, 
daß die Auflöſung dieſes geliebten Mannes nahe bevorſtehe. Nach 
Hund nach zu ſich kommend beſchwichtigte der Kranke mit der Hand 
wie er zu thun pflegte, die Aufregung, ſuchte Seufzer und Thrä— 
nen der Anweſenden zu ſtillen und ſprach, indem er die Aelteren 
und ſolcher Worte würdigſten bei Namen zu ſich heranrief: laßt 
euch nicht liebe Kinder durch meine Krankheit und meine nahe 
Auflöſung betrüben; dieſe Prüfung iſt nach Gottes Gericht jedem 
Sterblichen auferlegt; und es iſt nicht erlaubt gegen das zu mur⸗ 
ren, was Gott als unvermeidlich feſtgeſetzt hat. Der Trauer folgt 
in Bälde Freude. Ich gehe, nicht in neuem, aber in herrlich ver⸗ 
klärtem Weſen, dahin, wo ich weit mehr und weit beſſere Männer 


48 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


ſehen werde, als ich hier je geſehen habe. Hierauf ſprach er nichts 
mehr, ſondern lag ſtill auf dem Bett. Bald nachher aber als es 
noch Tag war, verrichtete er mit den Brüdern die Veſperandacht 
und in tiefer Nacht das Schlußgebet; ſeinem Herrn und Gott und 
den Fürbitten der Heiligen empfahl er ſich wie zur Reiſe noch 
angelegentlicher denn gewöhnlich; und für den Weg rüftete er 
ſich mit dem Reiſebedarf aus, der nie ausgeht, dem heiligen und 
einzigen Pfande unſerer Erlöſung; dann ſegnete er die Biſchöfe, 
ſich ſelbſt und alle die zugegen waren. Nun erwartete er die 
Stunde ſeines Todes ruhigen Herzens, den Geiſt auf Chriſtus ge— 
richtet. Und nach Mitternacht rief er mit aller Anſtrengung feis 
nem Neffen dem Biſchof Theoderich zu: bete o Herr! und unter 
den Lobgeſängen zur Ehre Gottes, den Gebeten und dem Schluch— 
a zen der Anweſenden hauchte ev feinen Geift aus. Was im ihm 
nicht ſterben konnte, kehrte zum Schöpfer zurück; den lebloſen Kör⸗ 
per aber legten, wie er verordnet hatte, ſeine Begleiter noch an 
demſelben Tage auf eine Bahre und trugen ihn nach der hohen 
Metropole feines Sprengels, Köln, wo fie nach acht Tagen anka⸗ 
men. Und einige von den Trägern verſicherten eidlich, daß ſie auf 
dieſer langen Reiſe faſt gar keine Müdigkeit oder Beſchwerden un⸗ 
ter fo großer Laſt empfunden hätten. Woher fie aber kamen, wo⸗ 
hin ſie giengen, welche Länder und Völker ſie berührten, überall 
prieſen ſie jeder nach feinem Vermögen dieſes Gott würdigen Man— 
nes ausgezeichnete Verdienſte um den Staat, um den Kaiſer, um 
die Koͤnige, um die Fürſten und das ganze Volk. 


46. Als aber dieſer Leichenzug ſich Köln näherte und das trau— 
rige Gerücht hiervon ſich durch ganz Lothringen verbreitete, da 
wurden alle von ſolchem Schmerz ergriffen, beſonders aber die Zög⸗ 
linge jener heiligen Kirche, gleich als wäre der Tod dieſes Hirten 
zugleich der Untergang für ſeine Kirche, denn ſo groß und reich 
der Troſt geweſen war, welchen er früher geſchenket, ſo groß und 
gewaltig war jetzt der Schmerz. Alle weinten in bitterem Schmerz, 
bis die Thränen ſelbſt endlich verſiegten. Viele erſtarrten wie vom 


4 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 49 


Schlage gerührt und vergaßen bei dieſem Verluſt das eigne Leben. 
* allem aber ergab ſich der Klage und den Thränen, noch mehr 
iber dem innern Schmerz, der welchen dieſer Vater des Vater— 
andes vor allen liebte, der Diacon Folkmar, ein Mann von be— 
wunderungswerther Tugend und Beredtſamkeit, von dem Vater, der 
hn als ſeinen Stellvertreter und Genoſſen bei allen Geſchäften be— 
nutzte, mit dem Namen des Vorſtehers und Verwalters ſeiner heil— 
zen Kirchen beehrt: und auf ihn allein waren damals aller der 
Verwaiſten Augen und Herzen gerichtet, durch deren Willen und 
Wunſch er ſchon zum Biſchof erwählt, wenn auch noch nicht ein— 
jefeßt war. Dieſem, obgleich abweſend, hatte der fromme Vater, 
a er ihn kannte und die künftige Nachfolge wohl ſchon ahnend 
m' ſein Eigenthum überwieſen, damit es von ihm an die Armen 
ind an die Kirchen des Bisthums vertheilt würde. | 


47. Es liegt vor den Mauern der Stadt eine Kirche, klein 
ind gering von Anſehen, aber groß durch den Namen der Apoſtel, 
deren Verehrung fie gewidmet iſt; hier wurde der Leichnam des 
Erzbiſchofs, geſchmückt mit den Zeichen feiner Würde beigeſetzt; 
zur wenigen aber außer den Biſchöfen und den Geiſtlichen zweiten 
Ranges war der Zutritt verſtattet. Bald indeß wurde der Leich⸗ 
jam von hier entfernt und Geiſtlichkeit und Volk trugen ihn un- 
er Geſang und Klage nach der Kirche des Fürſten der Apoſtel, 
es heiligen Petrus, wo der ehrwürdige Sitz war. Die Nacht 
ber brachten ſie alle noch unter Gebeten und Pſalmenſingen zu, 
zum ihren Körper durch eine Erfriſchung ſtärkend. Mit den Mor⸗ 
ein aber ſtrömte die ganze Stadt zuſammen und eine große Menge 
In Fremden, die aus allen Theilen des Reichs durch die plötzliche 
unde erſchreckt nach Köln gekommen waren; unter ihnen war 
ich der Erzbiſchof von Trier und der Biſchof von Lüttich. Die 
iſchöfe Theoderich und Winfried aber, die Zeugen ſeines letzten 
Aegens und feiner letzten Botſchaft, die er feinen hier Gott die— 
nden Söhnen ſandte, traten vor das Volk und fein Teſtament 
de vor dem Altar des heilgen Petrus verleſen, und alles das 
beſchichtſchr. d. deutſchen Vorz. X. Jahrh. Zr Bd. 4 


0 


50 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


vorgetragen, was er in frommen und für die Angelegenheiten des 
Herrn beſorgten Gemüthe gebeten und geboten, aber nicht hatte 
niederſchreiben laſſen, wie z. B., daß in jenem ganzen Jahr Tag 
für Tag nicht weniger als ein volles Pfund Denare zum Beſten 
der Armen verwandt werden ſollte. Dann ergieng nach dem 
Wunſch und Verlangen welches er noch in den letzten Stunden 
ſeines Lebens ausgeſprochen hatte, die Bitte an die heilige Geiſt— 
lichkeit, zu erlauben, daß ſein Leichnam nach dem Mönchskloſter 
gebracht würde, welches er zur Ehre der heiligen Märtyrer Pan⸗ 
taleon, Cosmar, Domianus und Quirinus außerhalb der Stadt 
erbaut hatte und das er noch jetzt wenn auch unſichtbar mit ſeinem 
Rath und ſeiner Fürſorge leitet, indem Gott dies Zeichen ſeines 
frommen Willens durch die Verdienſte der Heiligen verkündigt, de⸗ 
ren Reliquien er nach dem Kloſter brachte und deren Gönnerſchaft 
er ſich durch eifriges Gebet erwarb. Alle aber gaben ſie dem was 
er angeordnet hatte alsbald ihre Zuſtimmung; nur das allein 
machte Schwierigkeit daß ſein Leichnam von dem erhabenſten Ort 
ſeines heiligen Sitzes fortgeführt werden ſollte. Sie trauerten, als 
ob ſtie dadurch noch einmal verwaiſt würden, aber wagten doch 
auch in dieſem Punkt nicht, nachdem ſie lange Ueberlegung ge⸗ 
pflogen, ſeinem frommen Wunſch zu widerſtreben. Man kann 
nicht beſchreiben unter welchen Klagen, unter welchen Thränen der 
Hirt feiner Heerde entriſſen wurde. Er ward aber begraben in 
der Kirche der ſeligen Märtyrer den neunzehnten Oetober, wo man 
noch heute ſehen kann wie hoch er in Anſehen bei allen guten 
Menſchen ſtand. Nach ſeinem Tode erkannten Gute und Schlechte 
erſt recht, was für ein Mann der geweſen ſei, den ſie nun verlo⸗ 
ren hatten. Sie beſuchen ſeine Grabſtätte, in aller Munde lebt 
was er gethan, was er gelehrt, wie er gelebt, wie er geendet hat. i 
Bald beten fie für ihn, bald bitten ſie ihn, er möge für fie beten 
Der Zeichen bedürfen ſie nicht, ſie blicken auf fein Leben, ſie ruf 5 
ich feine Lehre ins Gedaͤchtniß. Durch alle Erinnerungs-Zeiche 
werden: fie jetzt nun er todt iſt, wie früher von ihm ſelbſt, da 
lebte, zum Lobe und Ruhme Gottes angetrieben. 


Leben des Erzbiſchofs Bruno. 51 


49. Dies iſt das Teſtament des in Chriſto ehrwürdigen Herrn 
und Erzbiſchof Bruno: ſei es geſegnet. 

Bruno der Diener Chriſti an ſeine zu Köln Gott dienenden 
Söhne. Damit meine Gedanken und Wünſche über die Verthei— 
lung der Güter, welche mir die göttliche Mildthätigkeit verliehen 
hat, durch euer Urtheil Kraft erhielten und auf euer Zeugniß ſich 
ſtützen könnten, habe ich für den Fall, Gott wollte nicht, daß ich 
mit euch mündliche Verabredung treffen könnte, fürs Beſte gehal- 
ten ſchriftlich dieſelben niederzulegen. Deshalb macht euch unter 
Anleitung unſerer Brüder Theoderich und Winfried, die auch eure 
Schüler ſind, mit allem bekannt und beſorgt alles mit Gottes 
Gnade recht und gut. Alles was von Schätzen der Kirche aus 
unſerem Vermögen zugebracht iſt — dies wird von Evigo, dem 
Schatzmeiſter des heiligen Petrus, in Gewahrſam gehalten, außer 
was etwa von den Dienern noch nicht wieder zurückerſtattet iſt — 
mögt ihr damit es nicht ſcheine als ſei der Kirche das Geringſte 
entzogen worden unter dem Zeugniß Chriſti und der Kirche vor 
dem Altar des heiligen Petrus in Gegenwart des Popo, Vorſte— 
hers und Hausverwalters unſerer Kirche, nachdem genaue Unter— 
ſuchung darüber gehalten iſt, niederlegen, die goldenen Gefäße aber 
und was ſonſt von bedeutenderem Werth iſt, der heiligen Mutter 
Gottes Maria und dem heiligen Petrus ſelbſt in der Kirche zu 
ewigen Gebrauche weihen. Einen goldenen Becher, ein Petſchaft 
und eine griechiſche Schale, welche ich bei mir habe, beſtimme ich 
für den heilgen Pantaleon; außerdem die Leuchter welche ich in 
täglichem Gebrauch habe, einen ſilbernen Reiter, ein Geſchenk des 
Erzbiſchofs von Mainz, die zehn beſten Pallien, zehn ſilberne Ge— 
fäße von den beſſeren, hundert Pfund um das Klofter zu vollen— 
den, dreihundert zur Erweiterung der Kirche, einen größeren 
Vorhang, drei Tafeldecken, drei Teppiche, ebenſoviele Bol- 
ſterdecken, außerdem alle unſere Stuten, mit Ausnahme derer 
welche in der Kirche ſelbſt ſchon vor mir waren, von Dörfern 
aber, die ich für unſere Kirche erworben habe, Langalon! am 

1) Langel unterhalb Bonn. 

4 * 


52 Leben des Erzbiſchofs Bruno. 


Rhein, Werebetti, Heingelon, Lidron, Wiſchem!, welches von der 
Maas beſpült wird; außerdem das Haus unſeres Vetters des 
Biſchofs von Metz und das Dorf Havinga. Auch ſoll zum Un- 
terhalt der Mönche der dritte Theil der diesjährigen Früchte, welche 
für unſern Gebrauch beſtimmt waren, gegeben werden. Ein Hos— 
pital für alte Männer fol am geeigneten Orte nach dem Gutdün— 
ken des Abts nicht weit vom Kloſter errichtet werden; für dieſes 
gebe ich mein Eigenthum in Tuitium?, Leresfeld in Sachſen, und 
die frühere Beſitzung des Bonnenſer Grafen Gevehard an der 
Moſel. Und damit ſolches unſer Herr und Nachfolger geſtatte, 
möge er Ruothing, welches wir der Kirche erworben haben, nach 
Belieben benutzen. Ein Oratorium, wie wir es dem ſeligen Pri— 
vatus am Altar des heiligen Martinus im Oſten der Kirche er— 
richtet haben, ſoll der ſeligen Märtyrer Gregor der Große, wel— 
cher erſt kurzlich nach Köln gebracht iſt, erhalten, da wo ſein heili— 
ger Leib begraben liegt. Zur Gründung ſeien hundert Pfund be— 


ſtimmt. Goldene Becher, zwanzig Pfund, einen Vorhang, zwei i 


Tafeldecken und zwei Polſterdecken geben wir unſern Brüdern zu 
St. Petrus; an den Altar des h. Gereon große Krüge, zwei Pal— 
lien und einen großen Teppich, den Brüdern Schiffe und zwölf 
Pfund, eine Tiſchdecke und zwei Polſterdecken. Zur Vollendung 
des Altars vom h. Severin vier Pfund; den Brüdern acht Pfund, 
eine Tiſchdecke, zwei Polſterdecken. Dem h. Kunibert zwei Scha— 
len, den beiden Ewalds drei Pallien; den Brüdern zwei Gefäße, 
acht Pfund, eine Tafeldecke, zwei Polſterdecken, einen Teppich. Den 
h. Andreas dreißig Pfund, vier Pallien, ebenſoviel Gefäße, zwei 
Leuchter; den Brüdern ſechs Pfund. Dem heiligen Märtyrer Eli— 
fius und dem heiligen Bekenner Martinus ebenſoviel, außerdem das 
Gut Solagre, von uns aus freien Stücken der Kirche gegeben. 
Dem Altar der heiligen Maria zwei von den beſſeren Gefäßen; 
zur Vollendung des Kloſters zehn Pfund, einen Vorhang, zwei 
Polſterdecken, dem Altar der heiligen Cäcilia drei Pfund, 


1) Weſſen oberhalb Roermonde. — 2) Deuz. 


1 
N 


5 


3 


8 Leben 5 Erzbiſchofs Bruno. 53 


einen Vorhang, zwei Lehen zwei Gefäße, einen Teppich, zwei 
Polſterdecken; zur Vollendung des Kloſters funfzig Pfund, dem 

Collegium jenes Kloſters zehn Pfund und eine Tafeldecke. Den 
gen Jungfrauen zwei Gefäße, zwei Leuchter, zwei Pallien, einen 
hang, einen Teppich, zwei Polſterdecken; den Nonnen zehn 
fund; dem heiligen Victor und dem Colleg ebenſoviel; zur Er— 
guung des Kloſters in Soſacium! hundert Pfund, für den Altar 
chs Gefäße, ebenſoviel Gewänder, einen größeren Teppich, zwei 
olſterdecken, eins von unſeren Ober- und Untergewändern; ein 
t außerdem was Wodilo geſchenkt hat, ebenſo das was der 
dert Popo zu Richeldinchuſen und Arvite für uns erworben hat. 


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Druck von Gebr. Unger in Berlin. 


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