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Full text of "Lebens-Erinnerungen"

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UNIVERSITY  OF  ILLINOIS 
LIBRARY 

Book  Volume 

Heyne  Library  1909 


Class 

3 


My  09-10M 


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Digitized  by  the  Internet  Archive 
in  2016 


https://archive.org/details/lebenserinnerungOOhefn 


Lebens 

Dr.  J.  H. 


-Erinnerungen 

von 


ß 

von  Hefner-Alteneck. 


Unser  Leben 
Sei  ein  Streben 
Nach  Klarheit 
Und  nach  Wahrheit. 


München. 

Kgl.  Hofbuchdruckerci  Kästner  & Lossen. 

1899. 


in  eincp  Jpamilie, 

meinen  freunden  und  Jpachgenossen 
gewidmet. 


177831 


Vorwort. 


Schon  in  meinen  jüngeren  Jahren  und  noch  viel- 
mehr jetzt  in  meinem  hohen  Alter  wurde  ich  oft  und 
dringend  von  Freunden  und  Bekannten  aufgefordert, 
meine  Erlebnisse  niederzuschreiben.  Ich  konnte  mich 
lange  nicht  dazu  verstehen,  da  ich  annehmen  musste, 
dass  die  Sache  für  Fernerstehende  zu  wenig  Interesse 
habe  ; allein,  durch  mein  eigenes  Schaffen  im  Gebiete 
der  Kunst-  und  Kulturgeschichte  sah  ich  immer  mehr 
ein,  wie  oft  selbst  unscheinbare  Ereignisse  im  öffent- 
lichen, wie  im  häuslichen  Leben  von  Werth  sind,  um 
von  Zeit  und  Volksleben  ein  klares  Bild  zu  geben. 
Auch  glaubte  ich  dabei  doch  Manches  von  Interesse 
bieten  zu  können,  weil  ich  in  meinem  Leben  mit 
Menschen  aller  Klassen,  darunter  auch  mit  solchen, 
welche  jetzt  der  Geschichte  angehören , in  Berühr- 
ung kam. 

Der  erste  Theil  dieser  Erinnerungen  mag  wohl 
einigen  Werth  für  diejenigen  besitzen , welche  für 
Familienleben  und  den  Zeitgeist  am  Schlüsse  des 
achtzehnten  und  am  Beginne  des  neunzehnten  Jahr- 
hunderts sich  interessiren. 


Das  Wesentliche  aber  dieser  Aufzeichnungen  ist 
für  jene  berechnet , welche  sich  mit  Studien  der 
Kunst  und  ihrer  Geschichte  befassen  und  die  aus  Be- 
ruf oder  Neigung  Sammler  von  Kunstwerken  sind. 

Mögen  diese  Erinnerungen , die  uns  leider  nicht 
immer  die  Menschen  im  schönsten  Lichte  zeigen, 
eine  wohlwollende  Aufnahme  finden  ! 

München,  im  Juli  1 899. 


Dr.  J.  H.  von  Hefner- Alteneck. 


Inhalts  -V  erzeichniss, 


Seite 

I.  Meine  Familie  und  deren  Umgebung 1 

II.  Künstler  in  Mainz 12 

III.  Meine  Kindheit 19 

IV.  Der  Fürst  Primas  und  seine  Zeit 32 

V.  Das  Schloss  zu  Aschaffenburg  und  die  Geschmacks- 
richtung am  Ende  des  18.  und  im  Anfang  unseres 
Jahrhunderts  43 

VI.  Lehre  und  Selbstunterricht 48 

VII.  Reisen  mit  meinem  Vater  an  den  Rhein,  nach 

Wien,  nach  Offenburg.  Freiburg  und  Strassburg  . 69 

VIII.  Beginn  und  Fortsetzung  meiner  Berufsthätigkeit  84 

IX.  Meine  Frau  und  deren  Familie 91 

X.  Beginn  meiner  Werke 94 

XI.  Das  Jahr  1848  108 

XII.  Die  Burg  Tannenberg 112 

XIII.  Die  königliche  Familie 116 

XIV.  Reise  nach  Berlin  und  Aufenthalt  daselbst  . . . 122 

XV.  Reise  nach  München  und  Niederlassung  daselbst  139 

XVI.  Beginn  des  Nationalmuseums 151 

XVII.  Die  königlichen  vereinigten  Sammlungen  . . . 154 

XVIII.  Kunstbarbarei 156 

XIX.  Fürst  Karl  Anton  von  Hohenzollern 162 

XX.  Die  Münsterkirche  zu  Kloster  Heilsbronn  . . . 167 

XXI.  Arbeit  für  das  bayerische  Nationalmuseum  . . 179 

XXII.  Die  Cholera 188 

XXIII.  Ostende  und  Brügge 193 

XXIV.  Fortschritt  in  der  Museumsangelegenheit  . . . 198 

XXV.  Brand  des  königlichen  Hofbaustadels 200 

XXVI.  Reise  mit  glücklichem  Erfolg 201 


Seite 

XXVII.  Zeichnungen  von  Diirer  in  Bamberg 218 

XXVIII.  Die  Frauenkirche  in  München 219 

XXIX.  Hohenaschau  und  Erwerbungen  für  das  National- 
museum   225 

XXX.  Drohende  Gefahr 228 

XXXI.  Der  Undank  230 

XXXII.  Aufenthalt  in  Köln,  Antwerpen,  Gent  und  Paris  231 
XXXIII.  Kupferstich-  und  Handzeichnungskabinet  . . . 245 

XXXIV.  Künstlerfest  in  Weimar  258 

XXXV.  Tod  des  Königs  Max  II.  und  sein  Nachfolger 

Ludwig  II 263 

XXXVI.  General-Conservator  der  Kunstdenkmale  und  Alter- 

thümer  Bayerns 267 

XXXVII.  Die  Kunstgewerbemuseen  zu  Wien  und  Berlin  . 2/7 

XXXVIII.  Ernennung  zum  Direktor  des  bayerischen  National- 
museums   281 

XXXIX.  Bauliche  und  menschliche  Erbärmlichkeit  . . . 284 

XL.  Zweck  und  Einrichtung  des  Nationalmuseums  . 317 

XLI.  Das  Jahr  1870  und  die  folgenden  Jahre  . . . 353 

XLI1.  Die  Wiener  Weltausstellung  1873  358 

XL11I.  Kaiser  Friedrich  und  seine  Gemahlin 361 

XLIV.  König  Ludwig  II 369 

XLV.  Ende,  Schluss  und  Rückblick 372 

Namen-  und  Ortsregister 381 

Zusätze 404 


I.  Meine  Familie  und  deren  Umgebung. 


Meine  Voreltern  gehörten  einer  alten  bürgerlichen 
Familie  an , sie  war  in  Mainz  wie  im  Rheingau  be- 
gütert und  leistete  dem  kurmainzischen  Staate  manche 
Dienste,  weshalb  mehrere  Mitglieder  derselben  in  den 
erblichen  Adelstand  erhoben  wurden.  — Mein  Ur- 
grossvater  Johann,  geboren  1674,  erreichte  das  Alter 
von  100  fahren,  mein  Grossvater  Ludwig,  geboren  1/25, 
das  Alter  von  90  Jahren  ; beide  waren  Rechtsgelehrte 
und  Hofräthe.  Mein  Vater  Franz  Ignaz  Heinrich  von 
Hefner,  früher  grossherzoglich-Frankfurtischer,  später 
königlich-bayerischer  Staatsrath,  geboren  zu  Mainz 
1756,  in  den  erblichen  bayerischen  Adelstand  er- 
hoben 22.  November  1814,  starb  zu  Aschaffenburg 
1846  im  90.  Jahre  als  der  letzte  Kommandeur  des 
grossherzoglich  Frankfurtischen  Concordienordens.*) 
Bei  Auflösung  des  Kurfürstenthums  zog  er  mit  dem 
letzten  Kurfürsten  Friedrich  Karl  Joseph,  aus  der 
Familie  der  Freiherren  von  Erthal,  von  Mainz  nach 
Aschaffenburg , der  kurfürstlichen  Sommerresidenz 
und  verblieb  daselbst  unter  dem  Fürstprimas  Karl  von 
Dalberg,  dem  späteren  Grossherzog  von  Frankfurt. 
Meine  Mutter  Margarethe,  geborene  Göbhardt,  war 
die  letzte  Erbin  der  alten  Göbhardt’schen  Buchhand- 

*)  Vergl, : Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst. 
Dritte  Folge.  Bd.  1.  Frankfurt  1891.  8°.  Seite  12. 


1 


2 


lung  zu  Bamberg  und  jener  zu  Würzburg,  sie  starb 
1825.  Ich  bin  geboren  den  20.  Mai  1811  zu  Aschaffen- 
burg; aus  der  Taufe  hob  mich  mein  Grossonkel.  Heinrich 
Göbhardt,  geboren  zu  Bamberg  1742,  der  letzte  Abt 
von  Bronnbach  in  Baden  bei  Wertheim,*)  der  nach 
Aufhebung  des  Klosters  in  Bamberg  1816  gestorben  ist. 
Bei  meiner  Taufe  vertrat  ihn  mein  Onkel  Jakob  Hefner, 
welcher  nach  einem  Schreiben  des  letzten  Kurfürsten 
Friedrich  Karl,  das  ich  noch  besitze,  i.  J.  1800  zum 
„Stabskapitän  wegen  seiner  geleisteten  Dienste“  ernannt 
wurde.  Alan  rief  mich,  nach  damaliger  Sitte,  Jacques 
Henri,  was  mir  in  der  Jugend  öfter  Verdruss  bereitete, 
denn  die  Dienst-  und  andere  Leute  nannten  mich 
„Schackeri“;  jetzt  heisse  ich  Jakob  Heinrich.  Den 
Beinamen  „Alteneck“  erhielt  ich  erst  1856  für  mich 
und  meine  Nachkommen  durch  König  Maximilian  II. 
zur  Verhütung  störender  Namensverwechslung. 

Es  waren  mir  schon  vier  Geschwister  voraus- 
gegangen, welche  ich  überlebte,  mein  ältester  Bruder 
Ludwig,  königlich  bayerischer  Ulanenlieutenant,  meine 
ältere  Schwester  Philippine  starb  in  jungen  Jahren, 
die  zweite  Margaretha  war  mit  Freiherrn  von  Sensburg, 
die  jüngere  Therese  mit  Forstmeister  Dr.  Daniel  Ernst 
Alüller  vermählt;  alle  übten,  so  weit  es  Alter  und  Ver- 
hältnisse zuliessen,  Zeichnen  und  Malen,  besonders 
Therese  wurde  eine  geschickte  Landschaftsmalerin. 

*)  „Am  30.  April  1803  verliess  Göbhardt.  der  52.  und  letzte 
Abt  von  Bronnbach  die  altehrwürdige  Stätte  im  Taubergrund. ‘‘ 
Siehe:  Die  Kunstdenkmäler  des  Grossherzogthums  Baden.  IV,  1. Kreis 
Mosbach,  Amtsbezirk  Wertheim,  bearbeitet  von  Adolf  von  Oechel- 
häuser.  Freiburg  1896.  8°.  Seite  22. 


3 


Auf  einen  älteren  Bruder  meines  Vaters , den 
kaiserlichen  Rath  Peter  Joseph  von  Hefner,  und  auf 
den  jüngeren  Jakob,  kurmainzischen  Ingenieur-PIaupt- 
mann,  komme  ich  später  noch  zu  sprechen. 

Was  ich  von  meinen  Gross-  und  Urgrosseltern 
sagen  kann,  beruht  auf  Notizen  von  der  Hand  meines 
Grossvaters,  und  besonders  auf  dem,  was  ich  von 
meinem  Vater  und  älteren  Verwandten  vernommen  habe. 

Meine  Grosseltern,  wie  schon  deren  Eltern,  zogen 
gewöhnlich  mit  Familie  im  Herbst  zur  Weinlese  von 
Mainz  nach  Geisenheim  am  Rhein,  wo  sie  ein  Haus 
mit  grossem  Weingarten  und  einen  Theil  des  berühmten 
Rothenberg  besassen.  — Das  Familienleben  daselbst 
war,  ungeachtet  der  Nachwehen  des  dreissigjährigen 
und  des  noch  wüthenden  siebenjährigen  Krieges,  ein 
patriarchalisches,  gemüthliches  und  heiteres,  dabei 
ging  auch  ein  gewisser  poetischer  Zug  durch  das 
Ganze,  wohl  veranlasst  durch  den  herrlichen  Rhein- 
strom, die  vielen  Burgen  und  Klöster,  die  rheinischen 
Sagen  etc.  Auch  erhielt  damals  der  Rheingau 
eine  besondere  Belebung  dadurch,  dass  sich  daselbst 
ein  grosser  Theil  des  rheinischen  Adels  aufhielt , aus 
welchem  manche  Kurfürsten  hervorgingen,  es  waren 
die  Grafen  Ingelheim,  Ostein,  Elz,  Bassenheim  u.  A., 
welche  besonders  in  Geisenheim,  Rüdesheim,  auf  dem 
Niederwald,  in  Eifeld  etc.  Besitzungen  hatten. 

Erst  in  späten  Jahren,  als  das  Gut  längst  an  andere 
Verwandte  übergegangen  war,  fand  ich  in  Geisenheim 
unter  dem  Dachgebälk  die  Bildnisse  meines  Urgross- 
vaters  und  meines  Grossvaters  lebensgross  in  Halbfigur; 
ersterer  erscheint  darauf  im  Rock  von  blauem. Seiden- 

1* 


4 


damast,  herabhängendem  Spitzenhalstuch,  rothemMantel, 
das  Haupt  geziert  durch  eine  auf  beiden  Seiten  lang 
herabhängende  Allongeperücke.  Dieselbe  wurde  alle 
Samstag  durch  den  Perückenmacherjungen  abgeholt, 
und  dagegen  die  neuhergerichtete  gebracht.  Das 
Herrichten  bestand  u.  A.  darin,  dass  die  Perücke  in 
Brodteig  gebacken  wurde.  Einmal  kam  der  arme 
Perückenmacherjunge  weinend  in  das  Haus,  weil  ihn 
die  Schusterjungen  „Perückenkrustenfresser“  geschimpft 
hatten.  Auf  dem  zweiten  Bilde  erscheint  mein  Gross- 
vater in  seinem  12.  Jahre  in  einem  violetten,  reich 
geblümten  Seidendamastrock,  dem  langen  ärmellosen 
rothen  Unterkleid,  der  späteren  Weste,  und  Spitzen- 
tuch; er  trägt  ebenfalls  schon  eine  Perücke,  jedoch 
nur  von  weisser  Wolle,  gelockt  und  nicht  auf  beiden 
Seiten  herabhängend.  Kamen  die  Jungen  aus  der 
Schule,  so  warfen  sie  sich  oft  mit  den  Perücken  und 
liefen  mit  dem  kahlgeschorenen  Haupte,  das  durch 
den  Modewahn  so  verunstaltet  wurde. 

Zu  den  Begebenheiten  in  meinem  urgrossväter- 
lichen  und  grossväterlichen  Hause  in  Mainz  und  im 
Rheingau,  welche  durch  Erzählungen  in  der  Familie 
erhalten  blieben,  gehört  u.  A.  Folgendes. 

Auf  dem  Gute  zu  Geisenheim  kam  öfter  ein 
älterer  Herr,  Vetter  Junker  von  Wolfaden,  Schloss- 
hauptmann auf  dem  Schlosse  Schönstein  am  Rhein,  zu  Be- 
such, ein  Charakterbild  aus  den  letzten  Jahren  des 
dreissigjährigen  Krieges.  Wie  ihn  mein  Vater  noch  im 
Bilde  gesehen,  trug  er  einen  zugespitzten  1 lut  mit  rother 
Feder,  hohe  Halskrause,  Lederkoller,  braune  Schlapp- 
stiefel mit  rothen  Absätzen,  ein  breites  mit  Silber  ge- 


5 


sticktes  Bandelier  um  die  Schultern  als  Träger  des  Degens. 
Er  hatte  in  einem  Kampfe  gegen  eine  Räuberbande 
eine  Kopfwunde  erhalten,  die  ihm  oft  Schmerzen  ver- 
ursachte, welche  nur  durch  starke  Getränke  gelindert 
wurden.  Ein  anderer  Ueberrest  aus  alten  Zeiten  war 
eine  Base  Jungfrau  von  Sahn,  sie  erzählte  gerne  von 
ihren  Jugenderlebnissen  und  von  den  Festen,  die  sie 
bei  Verwandten  und  Bekannten  auf  deren  Schlössern 
mitgefeiert  hatte.  Die  Jagd  ging  gewöhnlich  voraus, 
dann  folgte  der  Schmaus.  Wenn  die  Tafel  zu  Ende 
ging,  entfernten  sich  die  Damen , und  es  begann  das 
eigentliche  Saufgelage ; es  verlangte  die  Ehre  des 
Hauses,  dass  ein  jeder  Gast  unter  dem  Tische  lag, 
blieb  noch  einer  sitzen , so  bliesen  die  Jäger  mit  den 
Jagdhörnern,  bis  er  als  der  Letzte  vom  Wein  und 
Schall  betäubt,  vom  Stuhle  sank;  dann  war  das  Fest 
vollständig.  Das  waren  die  guten  alten  Zeiten. 

Eine  tragische  Geschichte  kam  im  Hause  meiner 
Urgrosseltern  zu  Mainz  vor.  Mein  Vater  erinnerte 
sich,  noch  als  Kind,  eine  alte  verkrüppelte  Frauens- 
person gesehen  zu  haben,  welche  öfter  in  sein  väter- 
liches Haus  kam;  wann  sie  erschien,  stellte  man  ihr 
Wein  vor  und  suchte  ihr  nur  Angenehmes  zu  erzeigen. 
Die  Geschichte  derselben  ist  folgende : 

Sie  war  in  dem  Hause  meiner  Urgrosseltern  eine 
junge  schöne,  brave  Hausmagd;  ein  Soldat  verfolgte 
sie  mit  Liebesanträgen,  wurde  jedoch  nicht  erhört. 
Eines  Abends  stand  sie  mit  anderen  Mägden  am 
Brunnen  und  hielt  in  der  Hand  einen  Apfel  auf  dem 
Rücken,  da  kam  jener  Soldat  hinterher,  nahm  ihr  den 
Apfel  aus  der  Hand,  biss  hinein,  Hess  ihn  fallen  und 


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zeigte  durch  Pantomime,  er  sei  stumm.  Zeugen  waren 
gegenwärtig,  der  Apfel  kam  von  ihr,  der  Soldat  war 
stumm  — also  kein  Zweifel,  sie  war  eine  Hexe!  Sie 
wurde  elend  gefoltert,  in  den  Schmerzen  gestand  sie, 
nahm  wieder  zurück  und  wurde  durch  fortgesetztes 
Foltern  zum  Krüppel  gemacht.  Endlich  zum  Tode  ver- 
urtheilt,  war  schon  der  Scheiterhaufen  errichtet,  da  kam 
in  der  elften  Stunde  ein  anderer  Soldat  und  gab  an,  er 
habe  im  Spital  des  Nachts  jenen  Stummen  im  Traume 
sprechen  gehört.  Man  ergriff  den  Stummen,  legte  ihn  über 
und  zählte  ihm  von  hinten  so  lange  auf,  bis  ihm  von  vorne 
die  Sprache  wieder  kam.  Er  gestand,  dass  er  sich  wegen 
der  verschmähten  Liebe  rächen  und  zugleich  vom 
Militär  frei  machen  wollte. 

Meine  Urgrosseltern  waren  fromm,  und  soweit  es 
die  Zeitverhältnisse  zuliessen,  auch  sehr  gescheit;  jene 
Geschichte  ging  ihnen  auch  sehr  zu  Herzen,  allein  wo 
der  Teufel  im  Spiele  war,  da  konnte  man  nichts 
machen ! ! 

Meine  Grossmutter  war,  im  Geiste  jener  Zeit,  eine 
tüchtige  Hausfrau  mit  vielen  Kindern,  sie  betete  viel 
und  hielt  auch  die  Kinder  dazu  an,  doch  ging  ihr 
Pflichterfüllung  über  Alles.  Das  oft  nicht  geistliche 
Leben  am  geistlichen  Hofe  zu  Mainz  hatte  auf  das 
Familienleben,  zum  Glück,  keinen  Einfluss. 

Jeden  Abend  musste  der  älteste  Sohn  Peter  in 
Gegenwart  der  Mutter,  aller  Geschwister  und  der 
Dienstleute  ein  Gesetz  des  Rosenkranzes  vorbeten. 
Hatten  sich  die  Geschwister  zufällig  des  Tages  mit 
dem  älteren  Bruder  entzweit,  so  dauerte  der  Rosen- 
kranz lange.  standen  sie  aber  gut  mit  ihm,  so  flüsterten 

O O 


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sie  ihm  öfter  zu:  „Peter  schlag  ab.“  Da  liess  er  einige 
Rosenkranzperlen  fallen  und  das  Beten  hatte  früher 
ein  Ende,  so  dass  die  Mama  öfter  in  Verwunderung 
sagte:  „Aber  heute  war  das  Beten  schnell  fertig“. 

In  allen  Familien,  in  welchen  Wohlstand  herrschte, 
war  es  Sitte,  dass  zur  Winterzeit  im  Hause,  d.  h.  im 
Hofe,  wenigstens  zwei  Schweine  geschlachtet,  Schinken, 
Würste  etc.  hergerichtet  wurden;  eine  Veranlassung, 
bei  welcher  Verwandte  und  Hausfreunde  kamen,  um 
die  Hausfrau  bei  den  vielen  Geschäften  zu  unter- 
stützen. Dabei  spielte  die  sogenannte  Metzelsuppe  eine 
Rolle.*) 

Es  hatte  meine  Grossmutter  eines  Tages  die  alte 
Lisbeth  mit  der  Metzelsuppe  zu  Verwandten  geschickt, 
sie  trug  dieselbe  in  einem  Topf,  welcher  in  dem 
Henkelkorb  stand,  an  ihrer  Seite  ging  der  älteste  Sohn 
Peter,  damals  7 Jahre  alt.  Nun  war  in  Mainz  ein 
verkommenes  Subjekt,  in  der  ganzen  Stadt  unter  dem 
Namen  „Vetter  Hungrig“  bekannt,  der  wollte  immer 
„fressen“;  wenn  er  nichts  bekam,  wurde  er  furchtbar 
zornig;  dieser  kam  von  hinten  her,  roch  die  gute  Suppe, 
und  da  er  nichts  davon  haben  konnte,  versetzte  er, 
aus  Zorn,  dem  unschuldigen  kleinen  Peter  eine  tüchtige 
Ohrfeige. 

So  unbedeutend  diese  Geschichte  an  und  für  sich 
ist,  so  musste  ich  doch  in  meinem  Leben  oft  daran 
denken , denn  auch  ich  lernte  noch  viele  „Vetter 
Hungrig“  kennen,  besonders  in  der  Klasse  der  soge- 
nannten „Streber“,  welche  mir,  wenn  auch  in  anderer 


:)  Siehe  Uhlands  Gedicht  „Metzelsuppenlied.“ 


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Form,  manche  Ohrfeige  zudachten,  und  zwar  nur,  weil 
mir  Frau  Fortuna  öfter  huldvoll  war. 

Es  war  auch  die  alte  Lisbeth,  welche  alle  nöthigen 
Vorkehrungen  traf,  wenn  ein  Gewitter  heranzog,  sie 
hing  einen  geweihten  Rosenkranz  an  das  Fenster, 
zündete  geweihte  Kerzen  an  und  läutete  mit  dem 
„Lorettoglöckchen“,  das  sich  damals  fast  in  allen  christ- 
katholischen Haushaltungen  befand,  es  war  in  St.  Loretto 
geweiht  und  trug  das  Bildniss  der  Jungfrau  Maria, 
auch  warf  sie  „Palmenkätzchen“  in  das  Feuer,  welche 
auf  Palmsonntag  geweiht  waren.  Das  hatte  auch  sicher 
geholfen,  ein  Beweis  dafür  ist,  dass,  als  der  Blitz  doch 
einmal  einschlagen  musste,  er  nicht  das  bewohnte  Haupt- 
gebäude, sondern  den  unbewohnten  Hinterbau  traf; 
unter  dem  Dach  war  ein  Taubenschlag,  von  diesem 
Augenblick  an  waren  alle  Tauben  für  immer  ver- 
schwunden, man  fand  auch  keine  todte.  Darunter  war 
eine  Kammer,  in  derselben  stand  ein  Bündel  eiserner 
Vorhangstangen , diese  wurden  durch  den  Blitz 
schraubenartig  zusammengedreht. 

In  Mainz  war  Kapuziner-Pater  Kasimir,  eine  ehr- 
würdige Erscheinung,  gesucht  als  Vertrauensmann  und 
Rathgeber  in  vielen  Familien;  er  war  vernünftig  und 
menschenfreundlich,  aber  auch  nach  damaliger  Art  sehr 
derb  und  witzig,  wie  es  in  unsern  'Pagen  kaum  denkbar 
ist,  er  war  auch  Freund  in  meinem  grossväterlichen 
Hause.  Einst  begegnete  ihm  meine  Grossmutter  auf 
der  Strasse  und  sagte:  „Wollen  uns  Euer  Ilochwiirden 
morgen  zu  Mittag  die  Ehre  schenken?“  „O  ja,  ich 
werde  schon  kommen.“  — „Aber  Hochtvürden  wissen, 
dass  morgen  Fasttag  ist,  da  bedaure  ich,  nicht  mit 


9 


Fleisch  aufwarten  zu  können.“  „Ja,  das  ist  schon 
„recht,  gute  katholische  Christen  müssen  schön  die 
„Kirchengebote  halten,  aber  wissen  Sie,  da  gibt  es 
„so  böse  Leute,  die  lassen  unter  dem  Kraut  eine 
„Wurst  platzen,  das  nimmt  der  liebe  Gott  nicht  so 
„genau.“  Da  platzte  natürlich  eine  Wurst  unter  dem 
Kraut. 

Nach  damaliger  Sitte  hat  dieser  Pater  bei  seinen 
Reden  lateinische  oder  französische  Worte  angebracht. 
Mein  Vater  hörte  in  seiner  Jugend  eine  Predigt  von 
ihm,  er  sprach  darin  über  die  Verdorbenheit  der 
Menschen,  dass  alle  Bemühungen  der  Seelsorger  ver- 
gebens seien  etc.  und  schloss  mit  den  Worten:  „Wenn 

„ihr  aber  doch  dem  Teufel  in  den hinein  fahren 

„wollt,  ä la  bonne  heure!  im  Namen  des  Vaters,  des 
„Sohnes  und  des  heiligen  Geistes.  Amen“. 

Kaum  glaublich,  aber  doch  wahr;  man  denke  nur 
an  Pater  Abraham  a Santa  Clara,  Pater  Martin  von 
Cochem  u.  A. 

In  seinen  hinterlassenen  Aufzeichnungen  spricht 
mein  Grossvater  auch  noch  von  einem  andern  geist- 
lichen Hausfreund  in  Anerkennung  und  Dankbarkeit, 
es  war  Domprobst  Dumetz,  er  war  fein  gebildet,  klug 
und  menschenfreundlich,  was  sich  auch  deutlich  in 
seinem  Bildniss  ausspricht,  welches  ich  noch  besitze. 

Es  war  im  Jahre  1/23,  da  lag  meine  Grossmutter, 
welche  schon  viele  Kinder  hatte,  in  schweren  Kindes- 
nöthen, man  hielt  sie  für  verloren,  selbst  der  sehr  be- 
rühmte kurfürstliche  Leibarzt  Dr.  Strack  war  rathlos. 
Da  sagte  eine  Tante  meinem  Grossvater,  „die  Herren 
Franziskaner  besässen  ein  eigenhändiges  Schreiben  des 


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heiligen  Ignatius,  welches  in  ähnlichen  Fällen  schon 
Wunder  gethan  habe“.  Mein  Grossvater  eilte  zi  i 
diesen  Herren  und  bat  um  Hülfe,  sie  erschienen  mit 
Crucifix,  Kerzen,  Weihwasser,  legten  den  Brief  auf, 
beteten,  segneten,  die  ganze  Umgebung  kniete  betend 
nieder,  und  alles  ging  glücklich  vorüber. 

Manche  Aerzte  sagten  mir:  ,, Hätten  wir  ähnliches 
Mittel,  um  in  solchen  Fällen  Muth,  Vertrauen  und 
Hoffnung  zu  erwecken,  so  würden  wir  auch  oft  als 
Wundermänner  angesehen.“ 

Eine  Begebenheit  machte  auf  meinen  Vater  tiefen 
Eindruck.  Als  derselbe  in  seinen  jungen  Jahren  als 
Assessor  in  Mainz  beauftragt  war,  mit  einem  Collegen 
Gefängnisse  zu  besichtigen , trafen  sie  in  einem  der- 
selben zwei  Strassenräuber  und  Mörder  in  Ketten, 
diese  glaubten,  dass  die  Herrn  in  schwarzer  Kleidung 
mit  Degen  etc.  das  Todesurtheil  verkünden  sollten, 
sie  krochen  auf  dem  Bauch,  wollten  die  Schuhe  ab- 
lecken und  schrieen : „Lassen  Sie  uns  in  Eisen  schmieden, 
Zeit  Lebens  in  den  tiefsten  Kerker  werfen,  hauen  alle 
Tage,  nur  lassen  Sie  uns  das  Leben!  Das  Leben!  !“ 
Von  da  an  war  mein  Vater,  noch  mehr  als  vorher, 
empört,  und  zwar  bis  in  sein  hohes  Alter,  wenn  er 
von  Abschaffung  der  Todesstrafe  hörte.  Oft  sagte 
er:  „Welche  Strafe  gibt  es  noch  für  solche  Kanaillen, 
welche  andere  Menschen  kaltblütig  morden,  und  dann 
um  ihr  eigenes  elendes  Leben  so  jammern!“ 

Im  fahre  1793  wurde  Mainz  belagert  und  be- 
schossen, die  näheren  Umstände  sind  durch  die  Ge- 
schichte bekannt.*) 

*)  Klein,  Carl.  Geschichte  von  Mainz  1/92 — 93.  Mainz 
1861.  8°.  Seite  493  u.  ff. 


11 


Nur  anführen  will  ich,  dass  mein  Grossvater 
während  der  Beschiessung  bei  Tag  und  Nacht  Männer 
anstellte,  welche  auf  dem  Dache,  in  dem  Hause  und 
im  I lotraum  mit  Wasserkübeln  und  nassen  Tüchern 
bereit  standen,  die  Zünder  der  einfallenden  Bomben 
zu  löschen. 

Von  jenen , welche  als  Zeit-  und  Amtsgenossen 
mit  meinem  Vater  in  Berührung  kamen,  erwähne  ich 
nur  Folgende:  Christian  Ernst  Graf  von  Bentzel-Sternau, 
geb.  zu  Mainz  1767,  er  bekleidete  hohe  Aemter  und 
wurde  fürstlich  primatischer  Staatsminister,  er  war 
vielseitig  gebildet  und  als  Schriftsteller  thätig ; ich  er- 
innere mich  noch,  in  meiner  Jugend  den  Grafen  im 
elterlichen  Hause  bei  Tische  gesehen  zu  haben,  wo 
ich  seinen  Worten  mit  Aufmerksamkeit  folgte  und 
wenig  davon  verstand. 

Ein  besonderer  Freund  meines  Vaters  war  Nikolaus 
Vogt,  geboren  zu  Mainz  1756,  Lehrer  des  Fürsten 
Metternich,  Archivar  und  Bibliothekar  des  Fürstprimas, 
1816  Senator  in  Frankfurt  a/M.,  1831  Schöff  daselbst; 
er  gab  verschiedene  Werke,  meistens  politischen  Inhalts, 
heraus,  auch  schrieb  er  die  rheinischen  Sagen  nieder. 
Metternich,  dessen  Gesinnungsgenosse  er  zwar  nicht 
war,  liess  ihn  nach  seinem  am  19.  Mai  1836  zu 
Frankfurt  erfolgten  Tode  auf  dem  Johannisberg  be- 
graben. Sein  Flerz  wurde  auf  seinen  Wunsch  in  den 
Fluthen  des  Rheins  versenkt.*) 


*)  Schrotzenberger,  Robert.  Francofurtensia,  Aufzeich- 
nungen zur  Geschichte  von  Frankfurt  a.  M.  2.  Aufl.  Frankfurt 
1884.  8°.  Seite  262. 


<r 


12 


Heinrich  Freiherr  von  der  Tann,  Vater  des  be- 
kannten bayerischen  Feldherrn,  war  dem  König  Ludwig  I. 
sehr  befreundet,  er  war  auch  unter  verschiedenen 
Verhältnissen  Amtsgenosse  meines  Vaters,  auch  mir 
war  er  noch  in  späten  Jahren  Freund  und  Rathgeber. 

Ebenso  kam  mein  Vater  mit  dem  fürstlich  primati- 
schen Minister  Franz  Joseph  Freiherrn  von  Albini, 
geboren  1 7 4<S  zu  St.  Goar,  dienstlich  vielfach  in  Be- 
rührung. Albini  spielte  in  der  Politik  jener  Periode  eine 
wichtige  Rolle,  u.  A.  bei  dem  Rastatter  Kongress,  wie 
bei  der  Organisirung  des  bekannten  Mainzer  Land- 
sturmes i.  J.  1799.*)  Ich  besitze  noch  Schreiben  von 
seiner  Hand  an  meinen  Vater. 


II.  Künstler  in  Mainz. 


Trotz  der  politischen  Wirren  war  Mainz  nicht 
ohne  Künstler  und  Kunstfreunde.  Auch  mein  Vater 
übte  das  Zeichnen  schon  in  jungen  Jahren,  so  weit  es 
sich  mit  seinen  sonstigen  Studien  vertrug,  und  kam 
fast  mit  allen  in  Mainz  lebenden  Künstlern  mehr  oder 
weniger  in  Berührung.  Er  nahm  Unterricht  bei  dem 
Italiener  Joseph  Appiani,  welcher  in  der  Mitte  des 
achtzehnten  Jahrhunderts  aus  Mailand  nach  Deutsch- 

*)  Rothenbücher,  Karl.  Der  Kurmainzer  Landsturm  in  den 
Jahren  1/99  und  1800.  Augsburg  1878.  8°.  Seite  18  u.  ff, 

Mainzer  Landsturm- Almanach  auf  das  Jahr  1800. 


13 


land  zog,  von  mehreren  deutschen  Fürsten  Aufträge 
erhielt  und  besonders  mit  Geschick  viele  Decken- 
gemälde in  Kirchen  fertigte. 

Er  liess  sich  in  Mainz  nieder,  wo  er  den  Titel 
eines  Kurfürstlichen  Hofmalers  erhielt.  In  Nagler’s 
Künstlerlexikon  sind  seine  Werke  sehr  heruntergesetzt, 
und  zwar  mit  Unrecht.  Nagler  hat  nie  eine  Arbeit 
von  ihm  gesehen  und  wohl  die  Notizen  durch  einen 
Feind  Appiani’s  erhalten,  und  dass  er  deren  viele  hatte, 
ist  natürlich,  denn  er  war  sehr  hochmüthig  und  ver- 
achtete dabei  stets  die  Werke  deutscher  Künstler. 

Es  lebte  auch  in  Mainz  Gottlieb  Welte*),  Sohn 
und  Schüler  des  Malers  Anton  Welte,  seine  Gemälde 
und  Radirungen,  besonders  Gesellschaftsstücke,  sind 
geistreiche  Charakterbilder  des  Lebens  im  achtzehnten 
Jahrhundert. 

Ein  anderer  Maler  in  Mainz  war  Birgi , dessen 
Name  ich  noch  in  keinem  Lexikon  gefunden;  derselbe 
fertigte  besonders  in  Deckfarben,  sehr  naturgetreue  und 
fleissig  ausgeführte  Landschäftchen , deren  ich  viele 
gesehen  und  einige  besessen  habe. 

Zu  den  Künstlern  ersten  Ranges  zählt  Johann 
Peter  Melchior**),  Bildhauer,  Modelleur,  Zeichner  und 
Maler,  geboren  1742  zu  Lintorf  im  Herzogthum 

*)  „Gottlieb  Welte  ist  einer  der  genialsten  deutschen  Künstler 
des  vorigen  Jahrhunderts."  Siehe:  Gwinner,  Ph.  Friedrich.  Zusätze 
und  Berichtigungen  zu  Kunst  und  Künstler  in  Frankfurt  a.  M. 
1867.  Seite  94. 

**)  Vergl.  Zais,  Ernst.  Die  kurmainzische  Porzellan-Manu- 
faktur zu  Höchst.  Mainz  1887.  4°.  Seite  109 — 114.  — Collection 
Georg  Hirth.  I.  Abtheilung.  München  1898.  4°.  Seite  XXXVIII 
bis  LVI. 


14 


Berg.  Dieses  Meisters  muss  ich  hier,  wenn  auch  nur 
in  kurzen  Zügen  gedenken,  da  er  lange  nicht  genug 
gekannt  und  geschätzt  war.  Seine  Jugend  verlebte 
er  in  Armut  und  traurigen  Verhältnissen.  Er  musste 
sogar  eine  Zeit  lang  das  Vieh  hüten  ; er  arbeitete  sich 
nur  durch  die  Kraft  seines  eigenen  ' Genies  empor. 
Bessere  Tage  und  ein  grosses  Feld  für  seine  Thätigkeit 
wurde  ihm  geboten,  als  er  1770  kurfürstlich  main- 
zischer  Hofbildhauer  und  Modelleur  an  der  kurfürst- 
lichen Porzellanmanufaktur  zu  Höchst  bei  Frankfurt 
wurde.  Im  Jahre  1 770  siedelte  Melchior  nach  Franken- 
thal über  als  Modellmeister  der  dortigen  Fabrik  und 
1795  wurde  er  Inspektor  der  Porzellanfabrik  zu 
Nymphen  bürg.  Die  plastischen  Werke  dieses  Meisters 
bestehen  in  grossen  und  kleinen  Figuren,  ganzen  Gruppen, 
Bildnissen,  in  Büsten,  Basreliefs  und  zwar  in  Marmor, 
xMabaster  und  vorzüglich  in  weissem  und  bemaltem 
Porzellan,  in  Biscuit  etc. 

Obwohl  viele  seiner  Werke  im  Laufe  der  Zeit 
zu  Grunde  gegangen  sind,  erwarb  ich  doch  noch  in 
späterer  Zeit  eine  grosse  Anzahl  derselben  für  das 
bayerische  Nationalmuseum.  Nach  damaliger  Kunst- 
richtung erschienen  die  früheren  Werke  im  Rokoko-, 
die  späteren  im  Fmpire-Stil,  bei  ersterem  herrscht  noch 
Ueppigkeit  und  Pracht,  bei  letzterem  Nüchternheit 
vor,  wenn  auch  die  technische  Geschicklichkeit  dabei 
zu  bewundern  ist.  Da  es  auch  in  jener  Zeit  sogenannte 
Kenner  und  Kritiker  gab,  welche  ohne  selbst  etwas 
zu  leisten,  nicht  im  Stande  waren,  das  wirklich  Schöne 
einer  jeden  Stilart  zu  erkennen,  so  musste  Melchior, 
der  niemand  kränkte , manche  Kränkung  erfahren. 


15 


Wenn  er  während  seines  Wirkens  in  Nymphenburg 
nicht  mehr  auf  der  ersten  Höhe  seiner  Kunst  stand, 
so  ist  doch  mit  seinem  Ableben  1825  die  dortige 
Manufaktur  in  auffallender  Weise  gesunken;  während 
in  Nagler’s  Künstlerlexikon  gerade  das  Gegentheil  zu 
lesen  ist. 

In  der  Regel  werden  die  Porzellanfiguren  und 
Gruppen  von  Sevres,  Meissen  und  Wien,  besonders 
im  Kunsthandel,  den  Werken  Melchior’s  vorgezogen, 
indess  ein  unbefangener  Vergleich  zeigt  klar,  dass 
letztere  selten  erreicht  und  noch  seltener  übertroffen 
sind. 

Im  Jahre  1828  besuchte  ich  mit  meinem  Vater 
Landolin  Ohmacht,  den  berühmten  Bildhauer  und 
Schüler  des  Melchior,  von  dem  sich  auch  im  Nym- 
phenburger Park  einige  Statuen  befinden,  in  seinem 
Atelier  zu  Strassburg. 

Ausser  so  manchen  anderen  mehr  oder  weniger 
geschickten  Künstlern  in  Mainz,  muss  ich  der  Ge- 
brüder Schneider  gedenken;  sie  waren  Söhne  eines 
armen  Kurmainzischen  Leibgardisten.  Der  ältere  war 
Wächter  auf  dem  Stephansthurm,  fast  alle  Fremden 
bestiegen  diesen  höchsten  Punkt  der  Stadt,  um  die 
herrliche  Umgebung  von  Mainz  und  auch  den  originellen 
Thürmer  kennen  zu  lernen.  Wenn  auch  der  zweite 
Bruder  Johann  Kaspar*)  den  ersten  Unterricht  bei 

*)  Geb.  19.  April  1753.  gest.  24.  Kebr.  1839  zu  Mainz.  Ein 
seiner  Zeit  hochgeschätzter  Künstler.  Nach  seinen  Bildern  und 
Zeichnungen  ist  viel  gestochen  worden  von  Kuntz  , Reinheimer, 
Rücker  u.  a.  Er  war  ein  Schüler  von  Haiklof.  Siehe:  (Schneider 
Friedrich)  Darstellungen  der  Stadt  Mainz  und  ihrer  Denkmäler. 
Mainz  1879.  8°.  Seite  120. 


16 


einem  Maler  erhielt,  so  war  diess  gewiss  kein  bedeuten- 
der, er  hat  sich  selbst  durch  Fleiss  und  Studium  der 
Natur  herangebildet,  und  war  vorzüglich  Landschafts- 
maler, doch  lieferte  er  auch  viele  Bildnisse  und  Still- 
leben. Mein  Vater  besass  von  seiner  Hand  zwei  vor- 
zügliche Landschaften.  Ich  besitze  von  ihm  noch 
das  lebensgrosse  Bildniss  meiner  Mutter,  welches  er 
im  fahre  1780  malte.  — Der  Kurfürst  unterstützte 
diesen  Künstler,  verschiedene  Fürsten  gaben  ihm  zahl- 
reiche Aufträge;  selbst  Napoleon  I.  schätzte  ihn  sehr 
und  schmückte  Gallerien  und  Gemächer  mit  Land- 
schaften von  seiner  Hand. 

Georg  Schneider,*)  um  6 Jahre  jünger  als  Kaspar, 
erhielt  von  dem  älteren  Bruder  nur  spärlichen  Unter- 
richt. Um  etwas  zu  verdienen,  ging  er  als  Gehilfe 
zu  einem  Dekorationsmaler,  bei  welchem  er  sich  bald 
besonders  im  Blumen-  und  Transparentmalen  als  brauch- 
bar erwies. 

Georg  fand  auch  bei  einem  Kunstliebhaber  eigener 
Art,  Namens  Winterheld,  Verdienst.  Derselbe  kaufte 
massenhaft  Gemälde,  ganz  gleich,  ob  gut  oder  schlecht ; 
sein  Vergnügen  bestand  darin,  dass  er  ein  Bild  auf 
die  Staffelei  stellte,  den  Georg  kommen  Hess  und 
z.  B.  sagte:  „Hier  in  dieser  Landschaft  geht  ein  Mann, 
der  könnte  auch  einen  Hund  bei  sich  haben,  male 
mir  also  einen  Hund  dahin.“  Das  geschah  auch  so- 

*)  Landschaftsmaler.  Seine  Darstellungen  sind  vornehmlich 
den  Rhein-  und  Main-Gegenden  entnommen,  er  behandelte  seine 
Bilder  nicht  mit  so  grossem  Fleiss,  wie  sein  Bruder  Kaspar,  aber 
mit  nehr  malerischem  Talente.  Siehe:  (Schneider  Friedrich)  Dar- 
stellungen der  Stadt  Mainz  und  ihrer  Denkmäler.  Mainz  18/9.  8". 
Seite  120/1. 


17 


gleich ; dann  wurde  ein  anderes  Bild  hingestellt  und 
ein  Haus  oder  ein  anderer  Gegenstand  hineingemalt, 
— und  so  ging  es  weiter.  Winterheld  hatte  die  Uhr 
neben  sich,  sobald  eine  Stunde  herum  war,  bekam 
Schneider  ein  Sechskreuzerstück. 

Es  kam  nun  ein  Jubiläumstag  des  Kurfürsten  mit 
grossen  Festlichkeiten,  u.  A.  wurde  im  Theater  ein 
Ballet  aufgeführt,  und  Schneider  musste  zur  Verherr- 
lichung Blumen,  Opferaltäre  etc.  transparent  malen. 
Der  hohe  Herr  fand  Wohlgefallen  daran  und  befahl, 
dass  der  Maler  zu  ihm  ins  Schloss  kommen  solle. 
Schneider  war  dabei  in  grossen  Sorgen,  denn  er  stand 
noch  nie  vor  einem  hohen  Herrn.  Man  gab  ihm  an- 
ständige Kleidung,  der  Theaterfriseur  belockte  und 
puderte  ihn  gehörig ; der  Tanzmeister  lehrte  ihn  gründ- 
lich, wie  er  seine  Komplimente  zu  machen  habe.  Er 
kam  in  das  Schloss,  die  Flügelthüren  öffneten  sich 
schnell,  der  Kurfürst  stand  schon  vor  ihm,  er  wollte 
die  gehörige  Reverenz  anbringen , allein  die  Distanz 
war  zu  kurz,  er  stiess  mit  dem  gepuderten  Kopf  dem 
hohen  Herrn  auf  den  Bauch , so  dass  das  weisse 
Toupet  auf  der  schwarzen  Sammetweste  abgeklatscht 
war.  Im  Schrecken  war  Schneider  besinnungslos  und 
wusste  nicht  mehr , wie  er  hinausgekommen ; als  er 
wieder  zu  sich  kam,  schwebte  er  in  grosser  Angst, 
er  werde  wegen  seines  Verbrechens  von  der  Polizei 
abgeholt,  jedoch  statt  dessen  kam  ein  Röllchen  mit 
Dukaten,  und  Georg  war  überglücklich,  denn  so  viel 
Geld  hatte  er  noch  nie  gesehen. 

Georg  Schneider  fand  an  dem  Grafen  Franz  von 
Kesselstadt  zu  Mainz  einen  Freund  und  Gönner;  der 


18 


Graf  war  nicht  nur  ein  eifriger  Sammler,  sondern  auch 
Zeichner  und  Malier.  Wir  verdanken  ihm  eine  Anzahl 
von  Abbildungen  hervorragender  Gebäude  aus  dem 
alten  Mainz,  die  nun  längst  verschwunden  sind.  Diese 
von  ihm  gezeichneten  und  gemalten  Ansichten  liess  er 
von  Friedrich  Ludwig  Neubauer  und  dessen  Sohn 
Johann  Kaspar  (in  Frankfurt  a.  M.),  von  J.  Linden- 
schmit  und  H.  W.  Eberhard  radiren;  sie  sind  dann 
kolorirt  worden.  Ein  Exemplar  mit  1/  Abbildungen 
befindet  sich  im  Münchener  Kupf erstichkabinete.  *) 
Unter  diesen  Ansichten  befindet  sich  auch  die  des 
merkwürdigen  Kaufhauses,  welches  unter  Kaiser  Ludwig 
dem  Bayern  1314 — 1317  erbaut  und  1812 — 1813  unter 
der  französischen  Herrschaft  niedergerissen  wurde. 

In  dem  Zinnenkranz  dieses  gothischen  Prachtbaues 
befand  sich  das  über  lebensgrosse  Bildniss  Ludwig 
des  Bayern  in  Basrelief,  unter  denen  der  Kurfürsten, 
das  einzige  gleichzeitige  Werk,  in  welchem  der  Kaiser 
in  Waffentracht  erscheint;  es  wurde  zum  Glück  er- 
halten und  befindet  sich  jetzt  im  städtischen  Museum 
zu  Mainz.**) 

*)  Dieses  Exemplar  trägt  auf  dem  Vorsatzblatte  von  alter 
Hand  folgende  Aufschrift:  „Ansichten  Mehrerer  Gebäude  In  und 
bey  der  Stadt  Maynz,  welche  seit  177-4  bis  1814'1'Iieils  abgerissen, 
Theils  zerstört  wurden,  gezeichnet- von  Franz  Graf  von  Kesselstatt. 
Capitular  des  1802  aufgelösten  Erzhohen  Domstifts  zu  Maynz.“ 
Kesselstadt  war  am  18.  Sept.  1/53  zu  Trier  geboren  und 
ist  am  18.  Nov.  1841  zu  Mainz  gestorben. 

**)  Abgebildet  in:  J.  H.  von  1 1 einer- Alteneck  , Trachten, 
Kunstwerke  und  Geräthschaften  vom  frühen  Mittelalter  bis  Ende 
des  achtzehnten  Jahrhunderts.  2.  Aull.  Band  3.  Frankfurt  a.  M. 
1882.  Fol.  Tafel  1/0. 


19 


Graf  Kesselstadt  machte  öfter  Ausflüge  mit 
Schneider,  um  nach  der  Natur  zu  malen. 

Graf  Ostein  besass  auf  dem  Niederwald  am  Rhein 
ein  Schloss  mit  grossen  Garten- Anlagen , in  welchem 
er  durch  Schneider  Gemächer,  Gartensalettchen  etc. 
ausmalen  liess.  Schneider  sprach  oft  davon,  als  von 
der  schönsten  Zeit  seines  Lebens. 


III.  Meine  Kindheit. 

Die  ersten  Eindrücke,  die  ich  in  meiner  frühen 
Jugend  hatte  und  die  jetzt  noch  klar  vor  meiner  Seele 
stehen,  gehen  bis  zum  Beginn  meines  dritten  Jahres 
zurück,  sie  bestehen  natürlich  nur  in  einzelnen  Licht- 
bildern , deren  Zusammenhang  mir  erst  später  durch 
Erzählungen  klar  wurde.  So  z.  B.  wie  wir  am  30.  und 
31.  Oktober  1813  zu  Aschaffenburg  den  Kanonendonner 
der  Schlacht  bei  Hanau  hörten,  darauf  Verwundete 
in  unser  Haus  gebracht  wurden,  Eltern  und  Kinder 
in  den  Dachkammern  wohnten,  da  das  Haus  voll  Ver- 
wundeter lag;  wie  ein  Kosak,  welcher  am  Fenster 
klopfte  und  nur  Brod  haben  wollte,  mich  sehr  er- 
schreckte; wie  meine  Mutter  Lebensmittel  austheilte, 
und  ich  mit  wichtiger  Miene  dabei  geholfen;  wie  mir, 
als  ich  unartig  war,  ein  Baschkire  die  Knute  zur  Thüre 
herein  zeigte,  worauf  ich  sogleich  brav  wurde. 

Vor  allem  machte  mir  es  den  tiefsten  Eindruck, 
als  am  7-  November  1813  Abends  alle  Räume  erleuchtet 
waren,  meine  Kindswärterin  schrie  und  hereinstürzte, 

2* 


20 


mich  in  ein  Tuch  wickelte  und  hinunter  in  den  Rückbau 
trug,  wo  ich  einem  verwundeten  Hauptmann  anem- 
pfohlen wurde.  Ich  erblickte,  auf  einem  Stuhl  stehend, 
über  meines  Vaters  Garten  hinweg  das  nahe  gelegene 
Kapuzinerkloster  in  vollen  Flammen  stehen,  in  den- 
selben sah  ich  noch  das  Glöckchen  in  Bewegung  und 
hörte  dessen  Schall,  gleich  einem  Hülferuf,  bis  das 
Glockenthürmchen  (Dachreiter)  einstürzte  und  an  dessen 
Stelle  ein  Feuerstrom,  wie  aus  Raketen  bestehend,  sich 
gegen  den  Himmel  erhob,  wobei  die  Flammen,  zu  meinem 
Staunen,  in  verschiedenen  Farben  wechselten.  Dann 
erinnere  ich  mich  noch,  dass  die  Herren  Patres,  welche 
auf  einige  Zeit  obdachlos  waren,  öfter  bei  uns  ein- 
kehrten. Besonders  ist  mir  noch  erinnerlich,  dass  diese 
Herren  mir  schöne  Heiligenbildchen  schenkten,  und 
als  Ostern  kam,  vom  Hasen  schöne  Eier  legen  Hessen. 
Als  ich  etwas  älter,  aber  doch  noch  dumm  genug  war, 
sagte  ich:  ,,es  ist  wahr,  der  Hase  legt  Eier,  denn  die 
geistlichen  Herren  haben  es  gesagt“. 

Zu  den  schon  späteren  Bildern  meiner  Kindheit  gehört 
die  allgemeine  Hungersnoth  nach  den  Kriegen  in  den 
[ähren  1816  und  181/?  die  mir  der  Armen  wegen  tief  zu 
Herzen  ging.  Ich  kam  mir  wie  ein  reicher  Herr  vor,  wenn 
ich  ein  Stück  Brod  verabreichte,  welches  mir  die  Eltern 
in  die  1 land  steckten.  I lochst  segensreich  wirkte  die  von 
Rumford  erfundene  Knochensuppe,  welche  viele  vom 
Ilungertode  rettete.  Täglich  kam  der  „Knochenbu“, 
um  diek  Knochen  abzuholen,  ich  streckte  mich,  um  in 
seine  Butte  zu  schauen , ob  die  Armen  auch  genug 
Knochen  erhielten.  Meine  Mutter  Hess  diese  ( xelegenheit 
nicht  vorübergehen,  um  in  mir  das  Mitgefühl  für  Noth 


21 


und  Armuth  zu  erwecken,  was  bei  mir  verwöhntem 
jungen  auch  einen  bleibenden  Eindruck  hinterliess. 

Nicht  lange  vorher  war  es  folgendes  Ereigniss, 
welches  auf  mein  ganzes  Leben  nicht  ohne  Einfluss  blieb. 
Als  ich  an  einem  Ilerbstabend  bei  meiner  Mutter  spielend 
sass,  kam  Lorenz  Freund,  der  Diener  meines  Bruders, 
und  sagte,  er  wolle  den  kleinen  „Schackeri“  zu  sich 
auf  das  lammfromme  Pferd  nehmen.  Meine  Mutter, 
den  Lorenz  und  das  Pferd  wohl  kennend,  gestattete 
es  nach  kurzem  Bedenken  zu  meiner  grossen  Freude. 
Klar  sind  mir  noch  alle  Kleinigkeiten  dieses  Rittes. 
Als  es  im  Schritt  durch  die  Platanenallee  ging,  warf 
die  untergehende  Sonne  den  Schlagschatten  vom  Pferd, 
von  dem  grossen  und  dem  kleinen  Reiter  auf  die  „Thal- 
mauer“. Ich  fragte,  was  ist  das?  Lorenz  sagte,  das 
ist  der  Schatten , welchen  die  Sonne  auf  die  Mauer 
malt;  das  gab  meinem  kleinen  Gehirn  Stoff  zum  Nach- 
denken. Der  Ritt  war  glücklich  vollbracht;  wir  kamen 
in  die  Einfahrt  des  Hauses,  Lorenz  stieg  ab,  hielt  mich 
noch  mit  der  linken  Hand,  griff  mit  der  Rechten  nach 
dem  Stallschlüssel , in  diesem  Moment  machte  das 
Pferd  einen  Satz  über  eine  Hecke  in  den  Garten  und 
schleuderte  mich  an  die  Mauer  des  Hinterbaues;  ich 
stand  wieder  auf  und  lief  schreiend  zu  Lorenz,  der 
mich  zu  meiner  Mutter  trug.  Vater  und  Geschwister 
eilten  herbei,  Nachbarsleute  liefen  ins  Haus  und  riefen: 
„Was  ist  dem  armen  Schackeri  geschehen?“  Es  wurde 
der  berühmteste  Arzt  Aschaffenburg’s  Dr.  G.  geholt, 
dieser  erschien  mit  einem  Gehilfen,  er  erklärte  den 
rechten  Arm  als  gebrochen,  derselbe  wurde  geschindelt 
und  fest  eingebunden.  Als  der  Arzt  die  Binde  abnahm, 


22 


war  der  Brand  daran  kurirt  In  Bestürzung  sagte  der 
Doctor:  „Das  Kind  ist  scrophulös,  da  können  alle 
Aerzte  der  Welt  nicht  mehr  helfen.“  Meine  armen 
Eltern  in  schrecklichem  Jammer  Hessen  sogleich  Pferde 
mit  Wagen  nach  Frankfurt  jagen , um  den  Geheimen 
Rath  Dr.  Creve  zu  holen,  der  auch  noch  zum  rechten 
Moment  eintraf,  er  tobte  wie  wüthend  gegen  den 
Aschaffenburger  Arzt  und  sagte:  „Wenn  Ihre  Be- 
hauptung wahr  wäre,  dann  könnte  ich  auch  nicht  mehr 
helfen,  allein  das  ist  nicht  der  Fall“.  Fr  bestrich  den 
Arm  mit  einer  Salbe,  worauf  sich  das  brandige  Fleisch 
von  dem  gesunden  trennte,  der  brandige  Theil  wurde 
von  dem  Knochen  abgestreift,  welchen  man  direkt 
unter  dem  Ellenbogen  absägte. 

Die  Heilung  ging  ziemlich  schnell  vor  sich.  Alle 
Schmerzen,  welche  ich  bei  dem  ganzen  Hergang  em- 
pfand, waren  nicht  so  gross,  als  jene  meiner  armen 
Eltern;  der  Gedanke  daran  schmerzt  mich  jetzt  noch 
in  meinem  Alter.  Nach  und  nach  erschien  es  mir  uner- 
träglich, immer  so  bedauert  zu  werden,  ich  zeigte  daher 
bald,  dass  ich  keinen  Verlust  empfand  und  auch  das 
leisten  könnte,  was  andere  Menschen  mit  zwei  Händen 
vollbrachten.  Aber  auch  dann  begnügte  ich  mich  nicht 
mehr  mit  dem  Gewöhnlichen  und  Notlügen,  sondern 
jugendlicher  Uebermuth  und  Eitelkeit  trieben  mich 
auch  dazu  an,  mehr  als  das  Gewöhnliche  zu  leisten, 
als  grosse  Lasten  zu  heben  und  zu  balanciren,  hohe 
Bäume  zu  erklettern,  mit  Kanonenkugeln  Ball  zu 
spielen  u.  s.  w. , wobei  oft  mein  Schutzengel  mein 
treuer  Begleiter  war. 

Es  kommt  bisweilen  vor,  dass  Ereignisse  oder 


23 


Unglücksfälle  gleicher  oder  ähnlicher  Art  sich  in 
Familien  wiederholen,  wodurch  oft  der  Glaube  an  ein 
durch  höhere  Macht  bestimmtes  Fatum  Unterstützung 
findet. 

Ein  Sohn  meines  Onkels,  des  schon  erwähnten 
Ingenieur-Hauptmanns,  Ludwig  war  nach  dem  Tode' 
seines  Vaters  in  dem  Hause  des  meinigen;  er  be- 
suchte in  Würzburg  die  Universität,  studirte  das 
Bau-  und  Ingenieurfach  und  war  ein  geschickter 
Zeichner,  21  fahre  alt.  Dieser  wurde  eines  Tages  von 
Freunden  zu  einer  Jagd  eingeladen,  ermüdet  stützte 
er  sich  auf  sein  Gewehr,  dieses  ging  los  und  zer- 
schmetterte ihm  den  rechten  Arm.  Mein  Vater  Hess 
wieder  in  Eile  den  Geheimen  Rath  Creve  aus  Frankfurt 
kommen,  welcher  mir,  wie  schon  gesagt,  in  ähnlichem 
Falle  das  Leben  gerettet  hatte,  doch  hier  konnte  er 
nicht  mehr  helfen,  denn  schon  auf  dem  Transport 
nach  Hause  war  der  Brand  zu  sehr  vorgeschritten. 
Ich  war  zwar  noch  sehr  jung,  empfand  aber  doch 
tiefen  Schmerz  über  den  Verlust  des  so  lieben  Vetters. 
Der  Jammer  seiner,  ebenfalls  sehr  talentvollen,  Schwester 
Margaretha  war  grenzenlos. 

Als  ich  in  dem  Alter  angekommen  war,  in  welchem 
ich  begann,  die  Erscheinungen  der  Natur,  wie  jene 
der  Kunst,  wenn  auch  noch  wie  unter  einem  Schleier 
mit  Interesse  zu  betrachten  und  darüber  nachzudenken, 
war  meine  ganze  Umgebung  dazu  angethan,  meine 
Phantasie  anzuregen  und  mir  eine  Richtung  zu  geben, 
welche  mich  bis  in  das  Alter  nicht  mehr  verliess.  Ja 
schon  ganz  früh , als  ich  noch  wegen  Heilung  meines 
Armes  im  Bette  lag,  war  ich  von  liebenden  Eltern 


24 


und  Geschwistern  umgeben,  welche  alles  aufboten,  mir 
Zerstreuung  zu  verschaffen,  so  z.  B.  wurde  ein  Taber- 
nakel über  meinem  Bettchen  erbaut,  ausgeschmückt 
mit  allem  möglichem  Bildwerk.  Als  Weihnachten  kam, 
errichtete  meine  Mutter  neben  meinem  Bett  eine  Krippe, 
die  heilige  Familie,  die  drei  Könige  etc.  erschienen 
darauf  in  Pracht  und  Glanz,  wobei  auch  der  Teufel 
nicht  fehlte,  welcher  den  Herodes  holte. 

Das  Haus,  in  welchem  ich  das  Licht  der  Welt 
erblickte,  hat  mein  Vater,  nicht  lange  nachdem  er 
nach  Aschaffenburg  gezogen,  erbaut,  alle  Räume  des- 
selben enthielten  mehr  oder  weniger  Kunstwerke;  es 
musste  meinem  Vater  schmeicheln,  als  es  der  Fürst 
Primas,  bei  mancher  Gelegenheit,  einen  Musentempel 
nannte.  Das  Haus  war  klein,  mein  Vater  konnte  es 
nach  beiden  Seiten  nicht  erweitern,  da  die  Nachbarn 
keinen  Raum  dazu  abtratem  er  vergrösserte  es  daher 
durch  einen  Hinterbau,  mit  Einfahrt,  Stallung  und 
Remise.  Der  kleine  Hausgarten  war  reizend  schön; 
beim  Eintritt  in  das  Haus  sah  man  zwischen  Rosen- 
bäumchen und  Blumenständen  den  hellen  Strahl  eines 
Springbrunnens  auf  dem  dunkelgrünen  Hintergrund 
einer  Epheuwand.  An  diesen  Hausgarten  anstossend 
schenkte  Dalberg  meinem  Vater  einen  grossen  Theil 
des  ehemaligen  Stadtgrabens  zum  Zweck  einer  Garten- 
anlage. 

In  Bezug  auf  diese  Schenkung  des  hohen  Herrn 
muss  ich  noch  Folgendes  erwähnen.  Dalberg  ging 
damit  um,  in  seinem  Fürstenthum  ausser  Kunst  und 
Wissenschaft  auch  die  Industrie  zu  fördern,  zu  solchem 
Zweck  gab  er  den  anderen  anstossenden  Theil  des 


25 


Stadtgrabens  dem  Hofrath  Nau,  welcher  als  Sach- 
verständiger eine  Zuckerfabrik  anlegte,  wodurch  auch 
das  einheimische  Produkt,  die  Runkelrüben,  eine  Ver- 
werthung  linden  sollte.  Es  entstand  dabei  wegen 
Grenzeziehung  zwischen  beiden  Nachbarn  ein  Streit. 
Der  Plan  wurde  dem  Grossherzog  zur  Entscheidung 
vorgelegt;  zufällig  stand  gerade  damals  Nau  bei  dem 
hohen  Herrn  nicht  in  Gnaden,  weil  bei  dessen  Fabri- 
kation nicht  viel  herauskam;  ärgerlich  stiess  Dalberg 
die  Feder  in  die  Tinte,  zog  durch  den  ganzen  Plan 
einen  dicken  Strich  als  Grenzlinie  und  schrieb  auf  die 
eine  Seite  „dem  Zuckerwasser“  auf  die  andere  „meinem 
Hefner“,  Unterschrift  „Karl“,  wobei  mein  Vater  am 
Besten  wegkam.  Diesen  unregelmässigen  Raum  wusste 
mein  Vater,  unterstützt  durch  seinen  Bruder,  den  schon 
genannten  Ingenieur- Hauptmann,  und  durch  den  da- 
maligen Hofgärtner  Seitz,  in  eine  prachtvolle  Anlage 
zu  verwandeln,  es  entstanden  darin  Terrassen  mit 
Obstbäumen,  Blumenstauden,  Laubgängen  etc.,  die 
Rückwand  des  Ganzen  war  durch  hohe  Tannen, 
Akazien,  Platanen  etc.  hergestellt,  welche  die  Nach- 
barhäuser deckten. 

Einige  Jahre  darauf  erwarb  mein  Vater  den  dieser 
Anlage  gegenüber  gelegenen  Weinberg,  genannt  „im 
Schutz“,  welcher  sich  nach  oben  bis  an  die  Mauern 
des  Kapuzinerklosters  erstreckte.  Terrassenanlage  und 
Weinberg  waren  in  ihrer  Tiefe  durch  einen  schmalen 
Weg  getrennt,  welcher  zu  dem  Main  führte.  Auf 
Alle,  welche  Sinn  für  das  Schöne  hatten,  machten  diese 
Anlagen  einen  tiefen  Eindruck. 

ö 

Als  ich  später,  nachdem  ich  längst  meine  Vater- 


26 


stadt  verlassen  hatte,  wieder  durch  Aschaffenburg  kam, 
sah  ich  zu  meinem  Schmerz,  dass  nicht  nur  die 
Terrassenanlage  wieder  als  Schutthaufen  dalag,  sondern 
auch,  dass  in  der  Stadt  gar  Manches  von  historischem 
und  malerischem  Werthe  verschwunden  war. 

Zu  den  frühen  Eindrücken  meiner  Jugend  kam 
die  Strömung  der  Zeit,  welche  das  häusliche  wie  das 
öffentliche  Leben  durchdrang.  Es  war  kurz  nach 
den  Befreiungskriegen  die  Hoffnung  der  Jugend  ein 
einiges,  grosses  deutsches  Vaterland;  die  getäuschten 
Hoffnungen,  die  Verehrung  für  Napoleon,  der  uns  mit 
Füssen  getreten,  — dabei  in  Aschaffenburg  ein  Fürst, 
welcher  gehofft  hatte,  nur  durch  die  Freundschaft  Na- 
poleons Regent  zu  bleiben. 

Obgleich  ich  nach  Beendigung  der  Befreiungs- 
kriege noch  ein  Kind  war,  trug  ich  nach  Art  der 
„Teutschthümler“  ein  sogenanntes  altdeutsches  Röck- 
lein,  darauf  einen  grossen  weissen  Kragen,  ein  Barett- 
chen  mit  silbernem  Kreuzchen  und  laueres  Haar.  Ich 
erinnere  mich  noch  deutlich,  wie  man  sagte,  es  sei 
nicht  mehr  Mode,  oder  verboten,  und  wie  man  mir  das 
lange  Haar  abschnitt  und  das  silberne  Kreuzchen  durch 
eine  bayerische  Kokarde  ersetzte,  wobei  ich  fürchterlich 
heulte. 

Mit  Zunahme  der  Jahre  und  des  Verständnisses 
machte  mir  jenes  Kinderspiel  immer  mehr  den  Ein- 
druck, als  sei  es  ein  in  mir  glimmender  Funke  der 
Liebe  und  Begeisterung  für  das  deutsche  Vaterland 
gewesen,  welcher  mehr  und  mehr  bis  in  mein  Alter 
zur  Flamme  angefacht  wurde. 


27 


Es  war  auch  schon  vorher  die  krankhafte  Kunst- 
und  Geschmacksrichtung  der  Zeit  entstanden,  in  welcher 
ein  jeder,  der  als  gebildet  erscheinen  wollte,  alles 
verachten  musste,  was  nicht  dieser  Richtung  angehörte. 
Man  wollte  das  alte  Griechenthum,  das  man  allein 
klassisch  nannte,  mit  Gewalt  in  eine  Zeit  und  auf  einen 
Hoden  verpflanzen,  wo  es  niemals  Wurzel  fassen  konnte; 
es  war  der  sogenannte  Empirestil,  den  ich  nicht  anders 
bezeichnen  kann,  als  das  schwindsüchtige  Griechen- 
thum. Mein  Vater  war,  wie  ich  in  Wahrheit  sagen 
kann,  im  Kunstverständnis  seiner  Zeit  voran  geeilt, 
doch  konnte  er  sich  dem  nicht  ganz  entziehen , was 
damals  zum  Ton  und  dem  Ansehen  einer  besseren 
Familie  gehörte,  besonders  da  er  öfter  schon  vom 
letzten  Kurfürsten  und  noch  mehr  von  Karl  von  Dalberg 
beauftragt  wurde,  Kunst  zu  fördern  und  mit  Künstlern 
zu  unterhandeln.  Es  lässt  sich  denken,  was  man  unter 
Künstler  verstand,  Maler,  Dichter,  Musiker,  Schau- 
spieler etc.  und  was  für  Leute  ? 

Meine  Schwestern  machten  im  Zeichnen  und  Malen 
Fortschritte,  dabei  hätte  es  wohl  verbleiben  sollen, 
allein  sie  mussten  überdies  musiciren,  singen,  dekla- 
miren,  auch  tanzen,  aber  nicht  im  jetzigen  Sinne, 
sondern  solo  Shawltanz,  auch  Tanz  mit  Tamburinen 
und  Castagnetten.  Ich  erinnere  mich  noch,  wie  eine 
alte  Tante  meines  Vaters,  Franziska  Bolz,  eingeladen 
war,  die  Tanzkunst  meiner  Schwestern  anzusehen.  Sie 
sass  neben  meiner  Mutter,  der  Tanzmeister  Herzog 
Hess  seine  Geige  ertönen , die  Damen  machten  ihre 
Sprünge,  die  Tante,  noch  aus  alter  guter  Zeit,  wrar 
darüber  entsetzt,  schlug  die  Hände  zusammen  und 


28 


hielt  eine  Strafpredigt:  „Fasst  sich  das  in  eine 
christliche  Familie,  sollen  die  Töchter  Seiltänzerinnen 
oder  Schauspielerinnen  werden  etc.“  Meine  Mutter 
stimmte  ihr  vollständig  bei.  Auch  hatten  meine 
Schwestern  im  Deklamiren  Unterricht  bei  Charlotte 
Pfeiffer,  der  nachmaligen  berühmten  Birch-Pfeiffer, 
und  im  Singen  bei  deren  Schwester  Anna,  von  den 
andern  Künstlern  und  Künstlerinnen  nicht  zu  reden. 
Die  beiden  Schwestern  Pfeiffer  figurirten  auf  dem 
Theater  in  Aschaffenburg,  welches,  noch  aus  den 
Kurfürstenzeiten  stammend,  nach  damaligen  Begriffen, 
vorzüglich  war.  Ich  erinnere  mich  noch  lebhaft  eines 
Abends,  an  welchem  Charlotte  Pfeiffer  nach  einer 
Aufführung  von  meinem  Vater  zum  Souper  eingeladen 
war,  wir  fuhren  vom  Theater  nach  Hause,  die  Tafel 
war  glänzend  hergerichtet,  ich  hatte  Hunger,  durfte 
mich  aber  noch  nicht  setzen,  denn  der  Wagen  wurde 
wieder  zurückgeschickt,  um  die  Gefeierte  abzuholen. 
Als  sich  die  Pforte  öffnete,  die  I )ame  mit  ihren  Gesten 
eintrat,  da  hatte  ich  dummer  Junge  den  Eindruck 
einer  Erscheinung  aus  der  Feenwelt!  Meine  Phantasie 
war  schon  sehr  gross,  aber  mein  Geist  noch  klein. 

Von  allem  diesem  Kunststreben  war  noch  das 
Beste  der  Zeichenunterricht;  ich  sass  oft  im  Atelier 
meiner  Schwestern  und  versuchte  mich  in  Strichen. 
Meine  ältere  Schwester  zeichnete  unter  der  Leitung 
des  Professors  Berg,  welcher  sich  seiner  Künstlergrösse 
sehr  bewusst  war , nach  ( Gipsabgüssen  der  berühm- 
testen Antiken,  welche  man  damals  aus  Italien  bezog. 

Meine  jüngere  Schwester  führte  Landschaften  aus, 
zu  welchen  sie  Naturstudien  gemacht  hatte,  angeleitet 


29 


durch  den  schon  früher  erwähnten  Georg  Schneider; 
später  malten  beide  Schwestern  in  Oel.  In  diesem 
A-telier  ereignete  sich  zwar  nichts  Bedeutendes,  doch 
manches  Komische,  so  •/..  B.  erschien  daselbst  der 
Kunstfreund  Graf  Pocci,  der  Vater  des  bekannten 
Grafen  Franz  Pocci,  der  wie  auch  später  sein  Sohn, 
eine  der  höchsten  Hofstellen  bekleidete,  er  war  damals 
mit  dem  Kronprinzen,  dem  nachmaligen  König  Ludwig  I., 
in  Aschaffenburg.  Einmal  erschien  auch  zu  gleicher 
Zeit  in  diesem  Atelier  Frau  Urlaub,  Blumenmalerin, 
welche  der  Grossherzog  schon  für  die  künftige  Kunst- 
schule ausersehen  hatte,  diese  gerieth  mit  dem  Künstler 
Berg  in  einen  Kunststreit,  und  sagte  dabei  nach  ihrer 
Gewohnheit  oft:  „Wissen  Sie“.  Berg  wurde  zornig 
und  sagte : „ja  ich  weiss,  aber  Sie  wissen  einen  D . . . . !“ 
Der  Graf  nahm  meine  Schwestern  am  Arm  und  sagte: 
„Meine  Damen,  wir  gehen  in  den  Garten,  es  ist  nicht 
mehr  schön  hier.“ 

Ein  anderes  Ereigniss  an  dieser  Stelle  ging  nicht 
in  solcher  Stille  vorüber.  Meine  Schwestern  sahen 
durch  das  Fenster  den  jungen  Baron  Gruben  mit 
einem  prachtvollen  Bouquet  ankommen,  das  war  gerade 
störend,  sie  versteckten  sich  und  Hessen  sagen:  „Nicht 
zu  Hause“.  Der  Baron  verlangte  nur  Einlass  in  das 
Atelier,  steckte  daselbst  das  Bouquet  in  eine  Vase, 
trat  zurück,  um  zu  sehen,  wie  es  sich  von  der  Ferne 
ausnehme,  stiess  rückwärts  an  das  hohe  Gestell  mit 
der  Kolossalbüste  des  Apollo  von  Belvedere.  Diese 
stürzte  aus  ihrer  Höhe,  zerschellte  mit  einem  Kanonen- 
knall in  tausend  Trümmern,  zugleich  erscholl  der 
Schreckensschrei  der  nicht  zu  Hause  sein  wollenden 


30 


Damen.  Er  stürzte  ins  Freie  und  ward  nicht  mehr 
gesehen. 

In  Begleitung  des  Kronprinzen  Ludwig  befand 
sich  auch  Oberst  von  Fick,  welcher  öfter  unser  Haus 
besuchte,  wo  er  sich  stets  gut  unterhielt  und  mit  mir 
kleinem  Jungen  oft  Spässchen  machte.  Er  erzählte 
uns  manches  von  der  kronprinzlichen  Familie,  so  z.  B., 
als  er  einmal  den  kleinen  Prinzen  Otto,  nachmaligen 
König  von  Griechenland,  spazieren  führte  und  mit 
ihm  durch  den  Schlosshof  ging,  rief  die  Schlosswache: 
„Unters  Gewehr!“  Der  Oberst  winkte  ab,  der  Prinz 
sagte:  „Fick,  warum  hast  Du  denn  abgewunken?“ 
Der  Oberst  antwortete:  „Weil  die  Wache  wegen  mir 
und  nicht  wegen  Ihnen  unter  das  Gewehr  gerufen 
hat“.  Auf  dem  ganzen  Weg  sprach  dann  der  Prinz 
kein  Wort  mehr.  Nach  der  Tafel  nahm  die  Kron- 
prinzessin Therese  den  Obersten  auf  die  Seite  und 
fragte:  „Was  ist  denn  vorgegangen?  Otto  sagte: 
Heute  war  mir  Fick  aber  recht  grob,  sonst  nichts“. 
Der  Oberst  erklärte  den  Hergang,  die  Kronprinzessin 
belobte  sein  Verhalten  und  sagte:  „Wollen  .Sie  in 
ähnlichem  Falle  immer  dasselbe  thun.“ 

Eine  eigenthümliche  Scene  wurde  durch  Fick 
veranlasst.  Alle,  welche  bei  derselben  zugegen  waren, 
sind,  ausser  mir,  längst  nicht  mehr  am  Leben,  daher 
verletze  ich  wohl  kein  Zartgefühl , wenn  ich  jetzt 
davon  spreche.  Ich  fühle  mich  besonders  dazu  ver- 
anlasst, als  ich  später  zeigen  werde,  dass  König  Ludwig 
bis  in  das  hohe  Alter  seine  Eigenart  nicht  änderte. 

Der  Oberst  von  Fick  machte  meiner  älteren 
Schwester  Margaretha,  der  nachmaligen  Freifrau  von 


31 


Sensburg,  einen  Heirathsantrag,  allein,  besonders  wegen 
des  grossen  Altersunterschiedes  hatte  die  Bewerbung 
keinen  Erfolg.  Eines  Tages  waren  Vater,  Mutter, 
meine  zwei  Schwestern  und  ich  unter  einem  grossen 
Publikum  in  dem  berühmten  „schönen  Busch“.  Da 
kam  der  Kronprinz  Ludwig  durch  die  Menge,  den  Fick 
am  Arm  haltend,  und  sprach  ganz  laut:  „Wo  ist  sie? 
wo  ist  Fräulein  von  Flefner?  führen  Sie  mich  zu  ihr.“ 
Er  stellte  sich  vor  unsern  Tisch  und  sprach  überlaut: 
„Fräulein,  Sie  wollen  den  Fick  nicht  heirathen , da 
„haben  Sie  sehr  unrecht,  er  ist  ein  braver  Ehrenmann, 
„auch  mein  Freund,  er  ist  Oberst  und  kann  es  auch 
„noch  weiter  bringen,  einen  Hauptmann  oder  Major 
„können  Sie  alle  Tage  haben ; ich  wäre  dabei  Braut- 
führer, das  müssen  Sie  doch  auch  in  Anschlag  bringen“. 
Die  Verlegenheit  war  grenzenlos;  meine  Schwester 
einer  Ohnmacht  nahe.  Ich  verstand  schon  alles,  war 
jedoch  noch  zu  jung,  um  die  Grösse  der  Verlegenheit 
zu  begreifen. 

Zu  meiner  sehr  erregbaren  Phantasie  kam  noch, 
dass  mich  mein  allzu  guter  Vater  zu  oft  in  das  Theater 
gehen  Hess.  Es  war  gerade  die  Zeit  der  Romantik, 
die  bekannte  Epoche  des  „Versenkens  ins  deutsche 
Alterthum“.  Besonders  gefielen  mir  die  Ritterstücke, 
in  welchen  der  edle  Ritter  stets  Sieger  blieb ; u.  A. 
sah  ich  einmal  den  Ritter  von  den  drei  Rosen  toben, 
das  gefiel  mir  ausnehmend.  Des  andern  Morgens 
holte  ich  mir  in  der  Schreibstube  meines  Vaters  einen 
Pappendeckel,  machte  einen  Schild  daraus,  pappte 
drei  grosse  rothe  Oblaten  darauf,  das  waren  die  drei 
Rosen,  setzte  einen  Helm  von  Pappendeckel  auf,  nahm 


32 


ein  hölzernes  Schwert  und  ging  in  den  Garten.  Es 
war  Frühjahr  und  Thauwetter,  die  hohen  Stauden 
waren  noch  in  Stroh  eingebunden,  eine  derselben  er- 
kannte ich  als  den  Wütherich,  welcher  das  Burgfräulein 
geraubt  hatte,  ich  hieb  auf  ihn  los,  rutschte  dabei  aus  und 
fiel  als  edler  Ritter  in  eine  Lacke  von  Schneewasser 
und  schwarzer  Gartenerde.  Diesen  Unfall  hätte  ich  noch 
ertragen,  allein  der  Bediente  meines  Vaters  schaute 
aus  der  Mansarde  und  lachte  mich  fürchterlich  aus; 
das  empörte  mich  als  edlen  Ritter.  Bemerken  muss 
ich  noch  dabei,  dass  ich  erst  sieben  Jahre  alt  war. 


* IV.  Der  Fürst  Primas  und  seine  Zeit. 

Ehe  ich  mich  wieder  zu  der  mitunter  wunderlichen 
Laufbahn  meines  Lebens  wende,  will  ich  einige  Epi- 
soden aus  dem  Leben  des  Fürsten  Primas  Karl  Freiherrn 
von  Dalberg  mittheilen.  Wenn  ich  mich  gleichwohl 
nur  erinnern  kann,  dass  man  mir  den  Fürsten  in  meiner 
Kindheit  zeigte,  so  darf  ich  doch  sagen,  dass  ich  vieles 
von  ihm  durch  seine  nächste  Umgebung  erfahren  habe, 
denn  ausser  meinem  Vater,  welcher  alle  seine  Zeit- 
und  Amtsgenossen  überlebte,  waren  noch  geraume 
Zeit  manche  Herrn  in  meiner  Umgebung,  welche  viel- 
fach mit  dem  Fürsten  in  direktem  Verkehr  gestanden 
hatten. 

Da  manche  der  Episoden  aus  dem  Leben  dieses 
Fürsten  Beweise  von  Edelmuth  geben,  fühle  ich  mich 
um  so  mehr  zu  deren  Mittheilung  verpflichtet,  als  wir, 
d.  h.  ich  und  meine  deutschen  Gesinnungsgenossen, 


— 33  - 

uns  über  das  undeutsche  Wesen  dieses  Fürsten  oft 
sehr  hart  aussprachen.  Seine  nichtdeutsche  Gesinnung 
entstand  jedoch  erst  dann,  als  er  glaubte,  das  deutsche 
Reich  sei  nicht  mehr  zu  retten,  und  er  könne  sich  nur 
durch  Napoleon’s  Freundschaft  als  Regent  erhalten ; 
derselbe  hatte  ihn  schon  1806  zum  Grossherzog  von 
Frankfurt  ernannt  und  1810  dessen  Gebiet  erweitert. 

Als  der  letzte  Kurfürst  Friedrich  Karl  1802  zu 
Aschaffenburg  verschieden  war,  plante  Karl  von  Dal- 
berg ein  Denkmal  für  ihn.  Es  war  schon  die  Rüste  des 
Kurfürsten  ausgeführt.  Die  Ansicht  meines  Vaters 
war,  man  solle  die  Büste  auf  ein  entsprechendes  Posta- 
ment von  schwarzem  Marmor  mit  passenden  Attributen 
setzen,  was  durch  edle  Einfachheit  die  gehörige 
Wirkung  erzielen  würde.  Allein  Dalberg  wollte  seinem 
Vorgänger  ein  grossartiges  Denkmal  gesetzt  wissen, 
benahm  sich  mit  meinem  Vater  darüber  und  übertrug 
ihm  die  Besorgung  des  Ganzen.  Es  wurde  vielfach 
besprochen;  nach  dem  Geiste  der  Zeit  konnte  natürlich 
nur  etwas  schwülstiges,  allegorisches,  klassisches  ent- 
stehen, was  sich  weder  für  einen  geistlichen  Fürsten, 
noch  für  die  katholische  Kirche,  in  welcher  es  aufgestellt 
wurde,  eignete.  Das  Ganze  besteht  aus  drei  kolossalen 
Figuren  in  halbkniender  Stellung  aus  Alabaster  auf 
einem  abgestuften  Piedestal  von  schwarzem  Marmor, 
darstellend  den  Kurfürsten  in  römischem  Gewände, 
aufwärts  blickend,  rückwärts  in  den  rechten  Arm  des 
Genius  der  Ewigkeit  sinkend,  welcher  über  ihm  den 
Schleier  der  Zukunft  lüftet.  Dieser  Genius  trägt  in 
seinem  Diadem  ein  Auge,  den  Blick  in  die  Zukunft 
allegorisirend.  Der  Genius  der  Geschichte  reicht  dem 

3 


— 34  — 


sterbenden  Fürsten  mit  der  Linken  die  Sternenkrone, 
während  er  mit  dem  Griffel  in  der  Rechten  die  Ge- 
schichte des  Verewigten  auf  eine  Tafel  niederschreibt. 
Auf  den  Stufen  des  Piedestals  liegen  Trümmer  einer 
weiblichen  Statuette,  auf  deren  Haupt  eine  Mauerkrone, 
in  der  Hand  ein  zerschlagenes  Rad,  darstellend  das 
zertrümmerte  Kurfürstenthum  Mainz;  wohl  nicht  leicht 
zu  errathen. 

Der  Meister  des  Werkes  war  Philipp  Friedrich 
Sommer,  Hofbildhauer  in  Kassel.  Mein  Vater  nahm 
mich  noch  als  Kind  mit  in  die  Bildhauerwerkstätte, 
welche  sich  in  der  erst  neu  erbauten  Kaserne  befand; 
es  machte  Eindruck  auf  mich,  dass  mein  Vater  zankte, 
weil  die  Arbeit  so  langsam  vor  sich  gehe,  und  komisch 
erschien  es  mir,  dass  Meister  wie  Gesellen  mit  papierenen 
Kappen  herumgingen.  Später  ward  das  Denkmal  in 
der  Stiftskirche  aufgestellt,  wo  es  von  Joseph  Scholl, 
Hofbildhauer  in  Mainz,  überarbeitet  wurde.  Dalberg 
erlebte  die  Vollendung  nicht  mehr,  sie  geschah  auf 
Kosten  des  Königs  Maximilian  I.,  nachdem  Aschaffen- 
burg an  Bayern  übergegangen  war. 

Es  ist  bekannt,  dass  der  geistliche  Fürst  Primas 
oft  vergass,  dass  er  Geistlicher  sei.  Als  er  einen  aus 
dem  Rhein  Gezogenen  sterbend  sah,  rief  er  aus:  „Ist 
denn  kein  Geistlicher  da?“  Als  man  sagte:  „Kurfürst- 
liche Gnaden  sind  es  ja  selbst“,  griff  er  an  die  Stirne 
und  sagte:  „Ach  ja!“ 

Karl  von  Dalberg  stand  fast  mit  allen  Gelehrten 
seiner  Zeit  in  Verkehr.  Er  schätzte  Jean  Paul  sehr 
hoch,  dem  er  eine  Jahrespension  von  1000(1.  aussetzte; 


auch  hielt  er  auf  den  berühmten  Herder  sehr  viel. 
Als  dieser  krank  war  und  sein  Ende  voraussah,  welches 
am  18.  Dez.  1803  erfolgte,  hatte  er  schwere  Sorgen  um 
seinen  jüngstenSohn;  Dalberg  liessihmschreiben,  er  solle 
sich  keine  Sorgen  um  ihn  machen,  er  werde  Vaterstelle 
an  dem  jungen  Mann  übernehmen.  Der  junge  Herder 
kam  nach  Aschaffenburg,  wo  ihn  der  Grossherzog  sehr 
verwöhnte. 

Eines  Tages  kam  der  Polizeikommissär  Molitor 
zu  meinem  Vater  und  sagte:  „Der  hohe  Herr  nimmt 
mir  es  immer  übel,  wenn  ich  etwas  gegen  den  jungen 
leichtsinnigen  Herder  sage,  er  erblickt  in  mir  immer 
nur  den  Polizeimann.  Diesmal  hat  der  Junge  wieder 
einen  Skandal  angestellt,  welcher,  des  öffentlichen 
Beispiels  wegen,  nicht  ungestraft  bleiben  darf.  Haben 
Sie  die  Gefälligkeit,  das  dem  hohen  Herrn  beizubringen.“ 
Mein  Vater  kam  dem  Wunsche  nach;  Dalberg  rief 
ärgerlich  aus:  „Das  habe  ich  von  meiner  Güte  und 
von  meinem  gegebenen  Versprechen ! — Lassen  Sie 
mir  den  Jungen  kommen,  Sie  sollen  dabei  sein  und 
hören,  wie  ich  ihm  den  Kopf  zurechtsetze.“  Nun 
standen  der  hohe  Herr,  mein  Vater  und  der  Sünder 
beisammen.  Dalberg  begann  in  Aufregung : „Du  machst 
Deinem  Vater,  dem  ich  Gutes  erzeigen  wollte,  im 
Grabe  Schande  und  gehest  darüber  selbst  zu  Grunde, 
und  dazu  helfen  noch  meine  Wohlthaten;  das  ist  der 
Dank,  den  ich  ernte  etc.“  Herder  heulte  fürchterlich, 
der  Fürst  aber  sagte:  „Gehe  hin,  bessere  Dich,  zahle 
Deine  Schulden“,  und  gab  ihm  ein  Goldröllchen  in 
die  Hand.  Als  mein  Vater  sagte:  „Eure  Kurfürstliche 
Gnaden  machen  so  das  Unheil  nur  noch  grösser“, 


erwiderte  Dalberg:  „Machen  Sie  mir  nicht  auch  noch 
Vorwürfe,  jene,  welche  ich  mir  selbst  mache,  sind 
schon  gross  genug.“ 

Herder  wurde  später  noch  Forstmeister  und  ent- 
sagte dem  Becher  nie. 

Dalberg  hatte  eine  Nichte,  welcher  er  stets  auf 
ihren  Namenstag  ansehnliche  Geschenke  schickte;  aus 
bestimmten  Gründen  fing  er  an,  an  ihrer  guten  Ge- 
sinnung und  Dankbarkeit  zu  zweifeln.  Als  nun  wieder 
ihr  Namenstag  kam,  schickte  er  ihr  ein  schlichtes 
Körbchen  mit  schönen  Blumen,  was  sie  ihm  mit  Indig- 
nation zurücksandte.  Unter  den  Blumen  lag  aber  ein 
Papier,  das  ein  bedeutendes  Legat  enthielt,  Dalberg 
zerriss  es  mit  den  Worten:  „Sie  scheint  es  nicht  zu 
verdienen.“ 

Mayer  Anselm  Rothschild,  genannt  Amschel,  der 
Stammvater  des  grossen , einflussreichen  Hauses  der 
Rothschild,  kam  oft  mit  dem  Fürst  Primas  wie  mit 
andern  hohen  Herren  in  Berührung.  Der  Fürst  rühmte 
ihn  öfter  als  einen  reellen,  zuverlässigen  Mann. 

Amschel  hatte  wohl  einmal  vor,  sich  in  Mainz 
niederzulassen,  denn  als  ihm  Dalberg  rieth,  nach 
Aschaffenburg  zu  ziehen,  sagte  er:  „In  Mainz  ist  nur 
eine  Gaugasse,  in  Aschaffenburg  aber  ist  alles  Gau- 
gasse“, d.  h.  bergig. 

Als  Amschel  einmal  aus  dem  Schloss  zu  meinem 
Vater  kam,  sagte  er:  „O  wie  ist  doch  unser  aller- 
gnädigster  Herr  so  lieb,  so  gut.“  Als  mein  Vater 
fragte:  „Was  hat  er  Euch  denn  gethan?“  war  die 
Antwort:  „Er  hat  gesagt:  Rothschild  setze  Er  sich 
einmal!“  Tempora  mutantur. 


37 


Mein  Vater  nannte  mir  oft  den  Amschel  als  ein 
Beispiel  von  dem,  was  der  Mensch  durch  Verstand, 
Fleiss  und  Rechtlichkeit  zu  erreichen  vermag.  — 

Den  Kammerlakai  Korn,  welcher  bei  Dalberg  in 
Gnaden  stand,  ersuchte  sein  Neffe,  er  möge  ihm  bei 
dem  hohen  Herrn  eine  Stelle  in  der  Ilofkanzlei  er- 
wirken. Der  Onkel  sagte:  „Für  einen  Verwandten 
darf  ich  nicht  bitten,  damit  würde  ich  die  Sache  nur 
verderben,  aber  folge  mir,  morgen  früh  acht  Uhr 
stehest  Du  am  Ausgang  des  Laubganges  im  Schloss- 
garten“; das  geschah.  Der  Onkel  kam  und  zankte 
den  Neffen  tüchtig  herunter:  „Ich  habe  Dir  es  schon 
oft  gesagt,  dass  ich  nichts  für  Dich  thue,  ich  verbitte 
mir  diese  Zudringlichkeit  und  Keckheit  etc.“  Da  kam 
Dalberg  von  hinten  her  und  rief:  „Was  gibt  es  da 

für  einen  Spektakel!“  Korn  kehrte  sich  erschrocken 
um,  bat  um  Verzeihung  und  sagte:  „Mein  Neffe  da 
hat  mich  in  Aufregung  gebracht,  es  ist  schon  wahr, 
er  ist  brav,  fleissig  und  geschickt,  er  will  aber  immer, 
dass  ich  bei  Eurer  Kurfürstlichen  Gnaden  mich  für 
ihn  verwende,  was  ich  doch  grundsätzlich  nicht  thue, 
er  soll  mir  meine  Ruhe  lassen!“  Dalberg  sprach: 
„Aber  warum  da  gleich  so  grob  sein,  ich  bin  auch 
noch  da  und  habe  ein  Wort  zu  reden;  der  junge 
Mann  bringe  mir  sein  Anliegen  selbst  vor.“  Das  geschah, 
und  Dalberg  sagte:  „Er  soll  es  haben.“  So  wollen 
es  hohe  Herren  oft  gemacht  haben ! 

Wenn  auch  das  Wohlwollen  Dalbergs  für  Künstler 
und  Gelehrte  oft  missbraucht  wurde  oder  auf  unfrucht- 
baren Boden  fiel , so  bewirkte  es  doch  direkt  oder 
indirekt,  dass  Männer  in  allen  Zweigen  der  Kunst  und 


38 


Wissenschaft  aus  dem  kleinen  Aschaffenburg  hervor- 
gingen. 

Hier  gedenke  ich  des  berühmten  Franz  Bopp, 
des  Begründers  der  vergleichenden  Sprachforschung. 
In  seiner  Kindheit  zog  er  mit  seinem  Vater  dem  „kur- 
fürstlichen Hof- Futterschreiber“  von  Mainz  nach 
Aschaffenburg.  Was  er  als  Gelehrter  und  Schrift- 
steller geleistet,  ist  hinlänglich  bekannt. 

Ein  junges  Talent,  besonders  von  Dalberg  be- 
günstigt, welches  sich  gegen  die  Geschmacksrichtung 
der  Zeit  und  gegen  den  Sinn  des  Protektors  Bahn 
brach,  war  Peter  Cornelius.  Folgendes  mag  dafür 
sprechen.  Der  Empirestil  wurde  dem  jungen  Mann 
bald  zuwider,  er  empfand  Sinn  für  das  Seelenvolle 
der  damals  verachteten  altdeutschen  Kunst  und  machte 
den  Versuch,  eine  heilige  Familie  im  Geiste  der  Alten 
zu  komponiren,  welche  sich  noch  in  der  städtischen 
Gemäldesammlung  zu  Frankfurt  a.  M.  befindet.  Allein 
er  mag  wohl  bald  erkannt  haben,  dass  er  nur  an  den 
äusseren  Formen  hängen  blieb  und  nicht  in  das  Wesen 
der  Sache  eingedrungen  war.  Um  in  den  Geist  und 
besonders  auch  auf  die  Technik  der  Alten  mehr  ein- 
zugehen, kopirte  er  das  Bildniss  der  Frankfurter  Patri- 
zierin Margaretha  Stalburg  von  1504  in  der  Gallerie 
des  Städel’schen  Instituts  zu  Frankfurt  a.  M.,  und  zwar 
nur  als  Brustbild,  während  sie  dort  in  ganzer  Figur 
erscheint.  Cornelius  schickte  diese  Kopie  an  Dalberg, 
welcher  sehr  ärgerlich  darüber  war  und  zu  meinem 
Vater  sagte:  „Lassen  Sie  mir  dieses  Bild  auf  eine 
Staffelei  stellen,  neben  daran  jenes  des  Hofmalers 
Kaufmann,  die  Fusswaschung  darstellend,  und  lassen 


Sie  mir  den  jungen  Cornelius  dazu  kommen,  Sie  sollen 
hören,  welche  Lektion  ich  ihm  gebe.“  Das  geschah. 
Dalberg  sagte:  „Wenn  Du  so  fortfährst,  Dich  nach 

jenem  alten  läppischen  Zeug  zu  richten  und  auf  solche 
Abwege  zu  gerathen,  dann  kann  ich  nichts  mehr  für 
Dich  thun.  Hier,  sieh  auf  das  Kunstwerk  von  Kauf- 
mann, das  steht  auf  der  Höhe  unserer  Zeit,  nach 
solchen  Werken  hast  Du  Dich  zu  richten  etc.“  Cor- 
nelius sagte:  „Wenn  ich  nicht  mehr  malen  darf,  wie 
mir  es  von  Herzen  kommt,  dann  bedaure  ich,  auf  die 
Wohlthaten  Eurer  kurfürstlichen  Gnaden  verzichten  zu 
müssen.“  Dalberg  sagte:  „Du  junger  Trotzkopf!“ 
entzog  ihm  aber  darum  sein  Wohlwollen  doch  nicht. 
Zum  erstenmal  kam  ich  mit  Peter  von  Cornelius  selbst 
im  Jahr  1850  in  Berlin  zusammen,  ich  erzählte  ihm 
jene  Geschichte,  er  staunte  und  sagte:  „Sie  entrollen 
mir  da  ein  Traumbild  meiner  Jugend.*) 

Zu  meiner  Zeit  waren  mehrere  Mitglieder  der 
Familie  May  in  Aschaffenburg;  sie  hatten  ansehnliche 
Stellen  inne.  Der  Stammvater  Carl  Mav  war  bei  dem 
Fürsten  Primas  Hofkonditor  und  Phelloplastiker , er 
fertigte  mehrere  römische  Ruinen  treu  und  malerisch 
aus  Kork,  sie  dienten  als  Tafelaufsätze,  und  befinden 
sich  jetzt  in  der  Schlossbibliothek  zu  Aschaffenburg. 
Im  Auftrag  Königs  Ludwig  I.  von  Bayern,  damals 

*)  Hier  sei  bemerkt,  dass  jenes  Rildniss  der  Stalburgerin,  wie 
das  lebensgrosse  Bild  Napoleons  I.  zu  Pferd  von  Charbon  und 
ein  Rundgemälde,  den  Kopf  Napoleons  en  face  als  Sonnengott 
im  Mittelpunkt  einer  Sonne  darstellend,  von  David  nebst  circa 
30  andern  Gemälden  als  Privateigenthum  Dalbergs  von  dessen 
Erben  aus  der  Schlossgallerie  genommen  wurden. 


40 


noch  Kronprinz,  fertigte  May  in  ziemlich  grossem 
Massstabe  das  Schloss  von  Heidelberg,  welches  nach 
des  Vaters  Tod  dessen  Sohn,  Bauinspektor  Georg  May 
vollendete.*) 

Letzterer  wurde  einst  auf  einem  Balle  von  einer 
adelichen  Dame  zugleich  mit  seinem  Vater  beleidigt. 
Der  Vater  klagte  das  dem  Fürsten,  welcher  sagte: 
„Ich  werde  Ihnen  Genugthuung  verschaffen.“  Tags 
darauf  gegen  Schluss  der  Tafel  rief  er : „May, 

zwei  Champagnergläser , füllen  Sie,  nehmen  Sie  das 
eine,  stossen  Sie  mit  mir  an;  Sie  sind  mein  alter  treuer 
Diener,  als  solchen  ehre  ich  Sie,  sind  auch  Künstler, 
als  solchen  ehre  ich  Sie  noch  mehr,  wer  Sie  beleidigt, 
der  beleidigt  mich.“ 

Dalberg  fand  Wohlgefallen  an  der  Gräfin  Cou- 
denhove;  sie  mag  ungefähr  eine  Lady  Milford  gewesen 
sein,  auch  sie  war  wohlwollend  und  wohlthätie-.  Eine 
zweite  Dame,  welche  der  geistliche  Fürst  gerne  sah, 
war  Fräulein  von  Ferett,  diese  beiden  Damen  geriethen 
einmal  fürchterlich  hintereinander,  wie  es  dabei  zuging, 
kann  man  sich  denken,  wenn  man  den  Ton  kennt, 
welcher  damals  sogar  in  der  Damenwelt  der  haute- 
volee  herrschte.  Bei  solcher  Gelegenheit  kam  manches 
zur  Sprache , was  dem  hohen  Herrn  nicht  gefallen 
konnte.  Vertrauensmänner  wurden  beauftragt,  die  Ver- 
söhnung herzustellen,  was  auch  gelang. 

Gerade  damals  liess  Dalberg  den  „schönen  Busch“ 
bei  Aschaffenburg,  eine  der  schönsten  Gartenanlagen 

*)  Vergl.  Nagler,  Künstlerlexikon  Bd.  VIII,  S.  485/6.  Die 
Nachbildung  des  I leidelberger  Schlosses  befindet  sich  jet/.t  im 
bayerischen  Nationalmuseum. 


41 


Deutschlands,  welche  der  Kurfürst  Friedrich  Karl 
Joseph  von  Erthal  in  den  1770  er  Jahren  angelegt 
hatte,  aufs  Möglichste  verschönern  und  Abwechslung 
darin  anbringen.  Nun  gab  ihm  jene  Versöhnungs- 
geschichte einen  erwünschten  Stoff  dazu,  er  liess  zum 
Andenken  daran  den  kleinen  „Freundschaftstempel“ 
errichten.  Das  vorspringende  Portal  wird  von  jonischen 
Säulen  getragen,  durch  dasselbe  schaut  man  in  dem 
Innern  Attribute  der  Freundschaft,  als  Hände,  welche 
sich  Palmen  reichen  etc.  Das  Ganze  ist  umgeben  von 
einem  Tannenwäldchen,  einem  murmelnden  Bächlein 
und  allenthalben  von  Epheu  und  Immergrün  umzogen. 
Obschon  ich  kein  Freund  der  süsslichen  antiken  Alle- 
gorie war,  so  verweilte  ich  doch  oft  in  meinen  jüngeren 
wie  späteren  Jahren  gerne  an  dieser  Stelle  und  hatte 
stets  den  wohlthuenden  Eindruck  der  Ruhe,  Freund- 
schaft und  des  Friedens. 

Aus  der  Zeit  des  letzten  Kurfürsten  von  Mainz, 
wie  aus  jener  des  Fürsten  Primas  zu  Aschaffenburg 
kannte  ich  noch  viele  Menschen,  welche  uns  jetzt  als 
wunderliche  Originale  erscheinen  würden,  sie  bildeten 
den  Uebergang  der  Menschheit  des  achtzehnten  Jahr- 
hunderts zu  dem  neunzehnten,  sie  glaubten,  durch  ihr 
Festhalten  an  ihren  Sitten  und  Trachten,  den  Lauf 
der  Zeit  aufzuhalten. 

Das  Tragen  eines  Ilaarbeutels  sah  ich  nicht  mehr. 
Mein  Grossvater  trug  noch  einen.  Den  letzten,  welchen 
mein  Vater  noch  in  natura  sah,  trug  der  Hofnarr  des 
vorletzten  Kurfürsten  Emmerich  Joseph,  namens  Bartel 
Bubu,  und  der  war  von  rothem  Sammet.  Ich  sah  die 
Menschen  wohl  mit  einfacher  und  doppelter  sogenannter 


42 


Wurstperrücke  und  gepudert  mit  langem  Zopf,  am 
Anfang  desselben  eine  schwarze  breite  Masche  von 
Sammet  oder  Seide,  bekleidet  mit  einem  dreieckigen 
Hut,  kurzen  Beinkleidern,  Schuhen  mit  Schnallen. hohem 
Stock  mit  silbernem  Knopf.  Jene,  welche  ich  noch 
in  solchem  Kostüme  sah.  lebten  bis  gegen  das  fahr 
1820,  es  waren  der  Maler  Pechtold,  der  Hof-Fecht- 
meister Hill  und  der  kurfürstliche  Ilof-Silberschliesser 
Münzenberger  und  dessen  Gemahlin,  geborne  Helene 
Klarwasser,  die  ebenfalls  ihre  alterthümliche  Tracht  bei- 
behalten hatte.  Diese,  wie  noch  manche  ähnliche  Per- 
sönlichkeiten erreichten  fast  das  hundertste  Lebensjahr. 

Was  den  hohen  Adel  jener  Zeit  betrifft,  welcher 
mit  dem  letzten  Kurfürsten  nach  Aschaffenburg  über- 
siedelte, so  war  derselbe  doch  so  ziemlich  von  manchen 
Vorurtheilen,  welche  ihn  früher  beherrschten,  zurück- 
gekommen. Doch  eines  Mannes  als  Ueberrestes  des 
deutschen  Adels,  wie  ihn  Voltaire  in  seinem  „Candide, 
oder  die  beste  Welt“  schildert,  muss  ich  gedenken. 
Es  war  Freiherr  von  Wambold  von  Umstadt,  er  lebte 
von  der  Menschheit  fast  abgeschlossen  und  war  ein 
guter  wohlwollender  Mann,  doch  bestand  bei  ihm  die 
höchste  Menschenwürde  nur  in  dem  Adel;  er  jammerte 
sehr,  dass  derselbe  immer  mehr  an  Ansehen  und  Einfluss 
verliere;  hörte  er  von  einer  Mesalliance,  so  rief  er 
händeringend:  „Mais  mon  Dieu , encore  une  famille 
4<Vaprtee!“ 

Zwei  Original-Menschen  muss  ich  als  Urbild  von 
„Bürger  und  Junker“  erwähnen;  es  war  1 Iofmarschall 
von  Ferett,  das  Muster  eines  damaligen  Hofmarschalls; 
stolz,  gebieterisch,  aber  in  guter  Laune  auch  gnädig 


— 43 


herablassend.  Im  Gegensatz  dazu  Stubenmaler  Meister 
Eisentraut,  ehrlich,  bieder,  witzig,  schlagfertig,  sehr 
grob  und  stolz  auf  sein  Bürgerthum. 

Einstens  arbeitete  Letzterer  mit  Gesellen  bei 
Ersterem.  Der  Hofmarschall  erschien  dabei,  war  un- 
zufrieden und  wurde  dem  Meister  grob,  letzterer  wurde 
noch  gröber.  Da  sagte  Ferett:  ,,Hör’  Er,  Meister 
Eisentraut!  mit  mir  führt  man  keine  solche  Sprache, 
Er  muss  wissen,  ich  habe  einen  langen  Arm.“  Der 
Meister  zitternd  und  bebend:  „O!  da  könnten  mir 
Excellenz  einen  unendlichen  Gefallen  erzeigen“.  Die 
Excellenz:  „Wie  so?  Der  Meister:  „Heute  früh  ist 
mir  meine  Taschenuhr  in  den  Ab  . . . .,  gefallen.“  . . . 


V.  Das  Schloss  zu  Aschaffenburg  und  die  Ge- 
schmacksrichtung am  Ende  des  18.  und  im  An- 
fang unseres  Jahrhunderts. 

I )as  Schloss  zu  Aschaffenburg  ist,  in  der  Stilart  seiner 
Zeit,  ein  Kunstwerk  ersten  Ranges;  es  wurde  unter  Erz- 
bischof Johann  Schweickhard  aus  der  Familie  der  Cron- 
berg  durch  den,  in  seinen  Diensten  stehenden,  geschickten 
Baumeister  Georg  Ridinger  (Rüdinger)  aus  Strassburg, 
Schüler  des  bekannten  Wendel  Dietterlin,  erbaut  und 
1614  vollendet.  Die  Reichhaltigkeit  der  Ornamentik 
dieses  Prachtbaues  schliesst  sich  allenthalben  wirkungs- 
voll den  Grundformen  der  Architektur  an.  — Allein 
dazu  stand  die  Geschmacksrichtung  der  Zeit  des  letzten 
Kurfürsten  Friedrich  Karl  Joseph  und  seines  Nach- 
folgers des  Fürsten  Primas  in  direktem  Gegensatz, 


44 


fast  jede  Ornamentik  und  alles,  was  in  der  Kunst  das 
Menschenherz  erwärmt , musste  der  langweiligen  so- 
genannten edeln  antiken  Einfachheit  weichen  — und 
so  gingen  beide  Fürsten  darauf  aus,  so  viel  als  mög- 
lich, alles,  was  dem  Stil  jener  früheren  Periode  an- 
gehörte, im  Aeusseren  wie  im  Inneren  zu  vernichten. 

In  der  Front  gegen  den  Main  zu  befand  sich  in 
den  obersten  Räumen  der  sogenannte  Kaisersaal,  der 
bestimmt  war,  den  Kaiser  aufzunehmen,  wenn  er  den 
Mainzer  Kurfürsten  in  seiner  Sommerresidenz  besuchte. 
Dieser  Saal  nahm  in  der  Höhe  zwei  Stockwerke  ein.  Da 
das  Deckengewölbe  desselben  die  Seitenmauern  nicht  Zu- 
sammenhalten konnte,  hatte Ridinger  ein  eisernes  Häng- 
werkbis  in  das  Dachgebälk  construirt.  Wände  wie  Decke 
dieses  Saales  waren  durch  ausserordentlich  reiche  Dar- 
stellungen aus  der  Geschichte  des  Kaiserreiches  plastisch 
in  Stucco  geziert.  Besonders  dieser  Saal  und  das 
I längwerk  waren  der  Stolz  des  Meisters,  was  schon 
aus  dem  Titel  des  Werkes  hervorgeht,  welches  Ridinger 
selbst  herausgab,  er  lautet:  ,, Architectur  des  Maintz- 
ischen  Churfürstlichen  neuen  Schlossbawes  St.  Johanns- 
purg  zu  Aschaffenburg  sampt  dessen  gründen , auf- 
zügen,  gehenckhwerckh,  gibeln  vnd  figuren  von  alten 
Römischen  Kaysern  Innerhalb  des  bawes , einem 
ufzug  der  Stadt  Aschaffenburg,  und  gantzen  Schloss- 
bau durch  Georg  Ridingern  Maintzischen  Churfürst- 
lichen Bawmeister  etc.  Maintz  1616.“ 

Diesen  Saal  mit  seiner  ganzen  Pracht  hat  Friedrich 
Karl  Joseph  vollständig  ruiniren  und  in  einzelne  Zimmer 
umbauen  lassen. 

Der  in  der  Front  der  Hauptfacade  gelegene 
Speisesaal  hatte  in  der  Decke  und  an  den  Wänden 


45 


zierlich  geschnitzte  Vertäfelungen,  in  den  Fenstern 
mit  Butzenscheiben  an  einzelnen  Stellen  schöne  Glas- 
gemälde mit  Wappen  und  Attributen  des  Kurthums 
Mainz,  der  Obertheil  der  Wände  zeigte  eine  Reihen- 
folge von  lebensgrossen  Bildnissen  der  Kurfürsten. 

Mein  Vater  hörte  selbst  noch  Dalberg  sagen: 
,,Ich  mag  nicht  in  dieser  Todtenkammer  sitzen,  da 
verginge  mir  aller  Appetit“,  was  ja  von  dem  Lebemann 
nicht  anders  zu  erwarten  war.  Diese  Kurfürstenbilder 
wurden  in  Gängen  und  Vorhallen  angebracht.  Der 
Saal  wurde  um  ein  halbes  Stockwerk  erhöht,  wodurch 
alle  darüber  liegenden  Zimmer  wie  jeder  Schmuck, 
welcher  noch  von  Ridinger  herstammte,  ruinirt  wurden. 

Die  übrigen  Räume  des  Schlosses  waren  mehr  oder 
weniger  Prachtgemächer  mit  in  Holz  geschnitzten, 
theilweise  vergoldeten  Plafonds.  Die  Wände  waren 
mit  Gobelins  nach  Bildwerken  der  o-rössten  Meister 

O 

des  sechzehnten  und  Anfang  des  siebenzehnten  Jahr- 
hunderts überzogen.  In  späteren  Jahren  sah  ich  noch 
unter  dem  Dache  des  Schlosses  Reste  der  pracht- 
vollsten Gobelins,  welche  als  Fussteppiche  und  Putz- 
lumpen benutzt  und  dadurch  ruinirt  waren.  Im  Hof- 
raum befanden  sich  fast  ringsum  Bogenhallen  auf 
Säulen  ruhend  in  zierlichem  Renaissancestil,  darauf 
eine  Balustrade,  von  welcher  aus  die  Herren  und 
Damen  den  Komödien  zuschauen  konnten,  welche  in 
dem  grossen  Hof  aufgeführt  wurden.  Man  hat  jene 
in  so  roher  Weise  hinweggerissen,  dass  jetzt  noch 
Trümmer  zu  sehen  sind,  welche  an  der  Mauer  hängfen 
blieben. 

Das  Hauptportal  des  Schlosses  erscheint  jetzt  im 
Verhältniss  zu  der  Ausschmückung  des  ganzen  Baues 


viel  zu  einfach.  Nach  Ridinger’s  Plan  befand  sich 
über  dem  Thor  ein  reiches  plastisches  Bildwerk,  welches 
die  Höhe  eines  Stockwerkes  einnahm,  und  das  Wappen 
des  Kurthums,  von  allegorischen  Figuren  umgeben, 
darstellte.  Dieses  musste  einem  unschönen  und  un- 
passenden Balkon  weichen. 

Direkt  von  dem  Thor  aus  führt  jetzt  noch  eine 
Brücke  über  den  Schlossgraben.  Am  Anfang  der- 
selben stand  gewissermassen  ein  zweites  vorgeschobenes 
Portal  (porta  triumphalis),  welches  das  ganze  Ansehen 
des  Schlosses  erhöhte  und  mit  dessen  reicher  Orna- 
mentik in  Einklang  stand.  Es  hatte  in  der  Mitte  die 
Durchfahrt  und  auf  jeder  .Seite  einen  Durchgang.  Es 
war  reich  geschmückt  durch  Figuren,  Lisenen,  Karya- 
tiden. Die  thurmartige  Bekrönung  in  der  Mitte  zeigte 
auf  der  Vorderseite  in  Hautrelief  den  heiligen  Martinus 
zu  Pferd,  den  Mantel  mit  dem  Armen  theilend,  als 
Patron  der  Stadt  Aschaffenburg;  auf  den  beiden  Neben- 
seiten, wie  auf  der  Rückseite  erschienen  stark  erhaben 
die  Wappen  von  Kurmainz  und  Cronberg.  Mitten 
auf  dem  Giebel  befand  sich  freistehend  Johannes  der 
Täufer  als  Patron  des  Schlosses,  der  ,,  Johannisburg“. 

Dieses  Prachtwerk  wurde  niedergerissen  und  ein 
Theil  der  Trümmer  desselben  in  einem  Gewölbe  in 
der  Nähe  des  Schlosses  vermauert.  — Als  der  grössere 
Theil  des  ehemaligen  Stadtgrabens  nebst  anstossenden 
Räumen  zu  einer  Gartenanlane  um^ewandelt  wurde, 
wofür  man  damals,  ungeachtet  der  sonstigen  schlechten 
Geschmacksrichtung,  Sinn  hatte,  verwendete  man  jenen 
Obertheil  mit  dem  hl.  Martin  nebst  andern  Trümmern, 
um  in  dieser  Anlage  eine  malerische  Gruppe  her- 


47 


zustellen,  welche  an  die  alten  römischen  ruinösen  Grab- 
denkmale Italiens  erinnern  sollte. 

Bei  einem  späteren  Besuch  in  Aschaffenburg  fand 
ich  auch  dieses  bis  zur  Unkenntlichkeit  verwittert.  In 
der  Nähe  stand  die  noch  wohlerhaltene  schöne  gfothische 
Klosterkirche.  Wenn  auch  diese  Dalberg  in  eine 
römische  Ruine  umwandeln  wollte,  so  darf  man  sich 
nicht  wundern,  denn  die  herrliche  Gothik  war  damals 
ein  verachtetes  Zeug,  wozu  schon  Voltaire  und  Zeit- 
genossen den  Ton  angaben,*)  hatte  doch  in  Köln  unter 
der  französischen  Herrschaft  der  französische  Gouver- 
neur sich  dahin  ausgesprochen,  dass  der  Kölner  Dom  ein 
geschmackloses  Machwerk  sei,  welches  einigen  maler- 
ischen oder  poetischen  Werth  erhalten  könne,  wenn 
es  einmal  mehr  verfallen,  ruinirt  und  mit  Bäumen 
und  Schlingpflanzen  überwachsen  wäre.  Sonach  wurde 
auch  in  diesem  Sinne  mit  dieser  schönen  gothischen 
Kirche  im  „schönen  Thal“  verfahren. 

Diese  Vorkommnisse  schildere  ich  hier  nicht  nur 
allein  in  Bezug  auf  Dalberg  und  Aschaffenburg,  sondern 
vorzüglich , um  dadurch  ein  sprechendes  Beispiel  der 
Geschmacksrichtung  und  Kunstverkommenheit  jener 
Periode,  d.  h.  von  circa  1760— 1830,  im  Allgemeinen 
zu  geben.  Von  da  an  begann  man  wohl  allmählich 
das  Schöne  in  einer  jeden  Kunstrichtung  zu  schätzen; 
dem  ungeachtet  werden  wir  noch  bis  in  unsere  Tage 

*)  Eine  rühmliche  Ausnahme  machte  Goethe,  der  schon  1 7/2. 
entzückt  über  das  Strassburger  Münster,  den  Manen  Erwins  von 
Steinbach  einen  Aufsatz : „Von  deutscher  Baukunst“  widmete  und 
der  seit  1810,  durch  die  Gebrüder  Boisseree  dazu  veranlasst,  sich 
sehr  für  den  Kölner  Dom  interessirte. 


48 


durch  Unverstand  und  Zerstörungslust  der  Menschen 
nicht  nur  um  Schätze  der  Kunst,  sondern  auch  der 
Wissenschaft  gebracht.  Was  letztere  betrifft,  so  muss 
ich  wieder,  um  ein  Beispiel  zu  geben,  auf  meine  Vater- 
stadt zurückkommen.  In  den  grossen  Schlosskellern 
zu  Aschaffenburg  war  das  ganze  kurmainzer  Archiv 
von  frühester  Zeit  an  bis  zur  Aufhebung  des  Kurthums 
in  Fässern  und  Kisten  untergebracht.  Um  das  Jahr 
1836  wurde  ein  Kommissär  aus  München  dorthin  ge- 
schickt, um  den  Werth  der  Sache  zu  beurtheilen.  Da 
dieser  das  Ganze  als  unnütz  erklärte,  wurde  Alles  auf 
vielen  Wagen  hinausgeschafft  und  vertilgt.  So  ging 
uns,  besonders  für  das  Studium  der  vaterländischen 
Geschichte,  ein  eminenter  Schatz  von  unberechenbarem 
Werthe  auf  immer  verloren. 

Wie  oft  muss  ich  noch  hören:  „Die  Kriege,  be- 
sonders der  dreissigjährige,  haben  uns  fast  alle  Schätze 
der  Kunst  und  Wissenschaft  geraubt.“  Es  ist  schon 
wahr,  dass  durch  diesen  Krieg  vieles  zu  Grunde  ging, 
jedoch  steht  dasselbe  zu  dem,  was  auf  obige  Art 
vertilgt  wurde,  noch  nicht  im  Verhältniss  wie  1 zu  20. 

VI.  Lehre  und  Selbstunterricht. 

Nun  komme  ich  wieder  zur  Schilderung  meines 
eigenen  Lebenslaufes. 

Mit  meinem  siebenten  Jahr  begann  die  Zeit,  in 
welcher  ich  lernen  sollte.  Ich  muss  dabei  bemerken,  dass 
damals  alles,  was  in  das  Gebiet  der  Anschauung  der 
Natur  oder  gar  der  Kunst  gehörte,  wohl  als  schöne 
Liebhaberei  und  Spielerei  angesehen  wurde,  jedoch  von 


49 


dem  Begriffe  des  Lernens,  der  .Schule  und  der  Wissen- 
schaft vollständig  ausgeschlossen  war,  und  ich  daher 
nur  nebenbei  mit  Hindernissen  den  Weg  gehen  konnte, 
auf  welchem  ich  etwas  erreichte. 

Man  holte  Herrn  Stoll , einen  alten  guten  Mann, 
Schullehrer  in  dem  nahen  Dörfchen  Damm.  Bei  ihm 
ging  mein  Lernen  sehr  schwer  und  zwar  nicht  nur. 
weil  ich  sehr  zerstreut  war,  da  ich  stets  an  die  schönen 
Gemälde  im  Hause,  an  den  poetischen  Garten  und 
meine,  meistens  selbst  fabricirten,  Spielsachen  dachte, 
sondern  auch  weil  damals  die  Pestalozzische  Lehr- 
methode aufkam,  welche  der  Lehrer  selbst  noch  nicht 
recht  verstand,  so  dass  er  mich  theils  nach  der  alten, 
theils  nach  der  neuen  Methode  das  Lesen  lehrte.  Dabei 
belebte  dieser  Mann  meine  aufgeregte  Phantasie  noch 
mehr  durch  alle  Arten  von  Geschichtchen,  welche  weit 
über  das  hinausgingen,  was  man  naiv  nennt;  auch 
erklärte  er  mir  die  Bibel  so,  dass  sie  für  das  dümmste 
Kind  noch  zu  dumm  war,  so  z.  B.  schilderte  er  den 
lieben  Gott,  wie  er  öfter  Adam  und  Eva  im  Paradiese 
besuchte,  ihnen  gute  Lehren  gab,  dass  sie  schön  ge- 
schickt und  brav  sein  sollten;  so  dass  ich  mir  den- 
selben genau  so  vorstellte,  wie  meinen  Papa,  wenn  er 
des  Morgens  zu  uns  mit  guten  Ermahnungen  in  das 
Kinderzimmer  kam , und  zwar  in  langem  geblümten 
Schlafrock,  farbigen  Pantoffeln,  einem  Käppchen  mit 
Quaste  und  einer  langen  Pfeife. 

Als  Adam  und  Eva  gesündigt  hatten,  Hess  er  den 
lieben  Gott  schimpfen  wie  einen  Bauern  aus  seinem 
Dörfchen  Damm. 


4 


50 


Damit  es  besser  gehe,  gab  man  mir  nach  dem 
Stoll  den  Herrn  Noll,  Lehrer  an  der  untersten  deutschen 
Stadtschule.  Er  gab  mir  im  Hause  Unterricht,  stellte 
aber  meinem  Vater  vor.  dass  der  öffentliche  Unterricht 
vieles  für  sich  habe.  Mein  Vater  gab  nach,  und  ich 
ging-  auch  in  die  Schule  des  Herrn  Noll.  Hier  war 
aber  der  Unterricht,  wie  er,  Gott  sei  Dank!  heutzutage 
nicht  mehr  denkbar  ist.  Die  Ruthe  spielte  die  Haupt- 
rolle. Für  einen  Fehler,  welchen  ein  Junge  machte, 
musste  er  herausknien,  dann  kam  die  Execution,  der 
Reihe  nach  musste  ein  jeder  vortreten,  und  erhielt  für 
einen  jeden  Fehler  auf  die  flache  Hand  mit  einer 
grossen  starken  Ruthe  einen  fürchterlichen  Hieb.  So 
wurde  oft  eine  halbe  Stunde  lang  gehauen  und  es 
entstand  dabei  ein  furchtbares  Geheul,  so  dass  die 
Leute  auf  den  Strassen  zusammenliefen.  Ich  staune 
jetzt  noch,  dass  es  kein  grösseres  Unglück  absetzte 
und  das  Publikum,  besonders  die  Eltern  der  Kinder, 
die  Sache  so  ruhig  hingehen  Hess. 

Ich  erhielt  nie  Schläge,  welche  ich  so  gut  wie 
die  Anderen  verdient  hatte,  da  mein  Vater  Herrn  Noll 
als  Hauslehrer  gut  honorirte  und  traktirte,  ja  bei  der 
öffentlichen  Preisvertheilung  erhielt  ich  sogar  einen 
schönen  Schulpreis,  welcher  mich  aber  nicht  freuen 
konnte,  indem  ich  an  meine  Portion  Schläge  dachte, 
welche  Andere  bekamen.  Es  war  ein  Glück,  dass 
mir  eine  solche  Schule  nicht  schadete.  Von  mir  war 
es  ein  grosser  Fehler,  dass  ich  nicht  von  vorneherein 
alles  meinem  Vater  erzählte,  der  mich  gewiss  sogleich 
aus  dieser  Schule  genommen  hätte ; wie  ich  überhaupt 
jetzt  noch  in  Aerger  daran  denke,  dass  ich  meinem 


51 


Stuten  Vater  so  manches  verschwieg,  was  mir  als  zu 
krass  oder  als  zu  unglaublich  erschien. 

Noch  in  jenem  Schuljahre  erscholl  die  Schreckens- 
nachricht, es  erscheine  als  Prüfungskommissär  Staats- 
rath Freiherr  von  Asbeck  aus  Würzburg.  Die  Schul- 
jungen dachten,  wenn  der  Herr  Lehrer  schon  so 
dreinschlägt,  wie  wird  erst  so  ein  vornehmer  Herr 
donnern  und  wettern  ? Das  Schullokal  wurde  gefegt 
und  geputzt , was  sehr  Noth  that , die  Thüre  wurde 
mit  Tannenreis  dekorirt , auf  den  Tisch  ein  grosser 
Blumenstrauss  gestellt;  die  Jugend  war  gewaschen  und 
gekämmt,  wie  es  wohl  nicht  oft  geschah.  Der  hohe 
Herr  erschien  in  Begleitung  zweier  geistlichen  Herren, 
Herr  Noll  an  deren  Seite  mit  süsslichster  Miene  und 
vielen  Bücklingen.  Als  sich  der  Gestrenge  niederliess, 
ertönte  ein  Gesang  der  Jugend,  dessen  Text  vielleicht 
so  gewesen  sein  mag  wie:  „Es  ist  schon  lange  her“. 
Darauf  erklärte  Herr  Noll  seine  Lehrmethode  und 
die  liebevolle  Art,  mit  welcher  er  die  Jugend  behandle. 
Dann  wurden  von  den  Schülern  einige  auswendig 
gelernte  Gesetzchen  hergeplappert  und  die  Schön- 
schreibproben vorgelegt.  Der  Schultyrann  erhielt 
grosses  Lob  als  vorzüglicher  Pädagoge  und  väterlicher 
Freund  der  Jugend  ; aber  alles  blieb  beim  Alten,  die 
Schulbuben  wurden  gehauen  wie  zuvor.  Damit  soll 
aber  nicht  gesagt  sein,  dass  alle  ähnlichen  Lehr- 
anstalten meiner  Vaterstadt  von  solcher  Art  ge- 
wesen sind. 

Wie  fast  alle  Notabilitäten,  welche  nach  Aschaffen- 
burg kamen,  wurde  auch  Herr  von  Asbeck  von  meinem 
Vater  zur  Tafel  geladen.  Der  Tafelaufsatz,  ein  Genius 

4* 


mit  Blumenkorb , welcher  vor  dem  hohen  Herrn  zum 
ersten  Mal  figurirte , steht  noch  in  meinem  Wohn- 
zimmer, fällt  mein  Blick  darauf,  so  denke  ich  öfters: 
,,0  Zeiten,  o Menschen  !“ 

Darauf  erhielt  ich  Hausunterricht  bei  Herrn  Reider, 
welcher  damals  auf  dem  Lyceum  in  Aschaffenburg 
studirte,  und  später  Professor  der  Mathematik  an  der 
Universität  zu  Würzburg  wurde.  Er  hatte  seine  liebe 
Noth  mit  mir,  da  ich  im  Elementarunterrichte  sehr 
vernachlässigt  und  dabei  sehr  zerstreut  war.  Da  seine 
Geduld  auch  nicht  immer  ausreichte,  schlug  er  einen 
andern  Weg  ein,  er  begann  mit  mir  Hofmanns  An- 
schauungslehre: Was  ist  ein  Punkt?  was  eine  Linie? 
was  ein  Winkel  ? u.  s.  w.  Dabei  führte  er  mich  oft 
spazieren  und  machte  mich  auf  die  Erscheinungen  der 
Natur  aufmerksam.  Das  war  endlich  etwas  für  mich, 
da  es  mir  Stoff  zum  Nachdenken  gab,  und  dafür  bin 
ich  Reider  Dank  schuldig,  wenn  ich  gleichwohl  in 
manchem  Wichtigen  noch  zurückblieb. 

Nachdem  Herr  Reider  Aschaffenburg  verlassen 
hatte,  war  es  meines  Vaters  Bestreben,  dass  ich  nicht 
nur  guten  Unterricht  erhalten,  sondern  auch  unter  guter 
Aufsicht  stehen  sollte,  da  ich  ein  verwegener  Junge  war. 
Er  zog  daherHerrnGeistlichenRathAnderloherzu Rathe, 
der  schon  vorher  meinen  Schwestern  und  mir  Religions- 
unterricht ertheilte  und  in  grossem  Ansehen  stand. 
Dieser  empfahl,  in  bestem  Glauben,  einen  jungen 
Theologen  Valentin  Glanzner  aus  Bensheim  als  muster- 
haft. Mein  Vater  nahm  ihn  ins  Haus;  es  ging  auch 
eine  Zeitlang  gut,  obwohl  mit  mir  nicht  so  leicht 
zurechtzukommen  war.  Einmal  kam  unser  alter  Haus- 


freund  Ilauptmann  Hacke,  später  Generallieutenant, 
welcher  im  96  sten  Jahr  als  der  älteste  Offizier  der 
bayerischen  Armee  in  Bamberg-  gestorben  ist,  er  sagte 
meinen  Eltern:  „Den  frommen  Mann,  welchen  Sie  im 
Hause  haben,  sah  ich  gestern  zu  meinem  Staunen  mit 
der  berüchtigten  N.  N.  auf  einem  Feldwege  bei  Obernau 
gehen.“  Meine  Eltern  glaubten,  der  alte  Freund  habe 
doch  vielleicht  nicht  recht  gesehen.  Als  nun  darauf  Herr 
Gleisner,  ich  wollte  sagen  Glanzner,  zu  Tische  kam,  suchte 
er  das  Gespräch  auf  die  Verdorbenheit  der  Jugend  zu 
bringen.  Anknüpfend  sagte  er:  „ich  erhielt  Kenntniss 
von  einem  Mädchen,  das  auf  üblem  Wege  sei;  ich 
suchte  mit  ihm  zusammenzukommen,  redete  ihm  ins 
Gewissen,  stellte  ihm  die  Gefahren  für  sein  zeitliches 
wie  ewiges  Wohl  vor  und  bot  alles  auf,  es  auf  den 
Weg  der  Tugend  zurückzuführen;  ich  hoffe,  dass  mir 
es  mit  Gottes  Hülfe  gelungen  ist.“ 

Einst  sagte  mir  der  Bediente,  dass  Herr  Glanzner 
oft  von  den  Bäumen  im  Garten  das  Obst  hole  und 
damit  am  Gartenzaun  junge  Burschen  belohne,  welche 
ihm  verdächtige  Geschäfte  besorgten.  Aus  jugendlicher 
Dummheit  wagte  ich  nicht,  dieses  meinem  Vater  zu 
sagen.  Als  ich  darauf  Glanzner  an  einem  Baum 
schütteln  sah,  zog  ich  ihn,  statt  vernünftig  zu  sprechen, 
an  seinem  langen  schwarzen  Rock  von  dem  Obstbaum 
hinweg.  Er  wollte  mir  eine  Ohrfeige  geben,  diese 
ging  aber  in  die  Luft.  Ich,  körperlich  sechsmal  so 
stark  als  geistig,  gerieth  in  Wuth;  das  rechte  Bein 
gegen  die  Anhöhe  stemmend , den  linken  Arm  vor- 
wärts, gab  ich  ihm  einen  Stoss,  dass  er  in  mehreren 
Purzelbäumen  über  drei  hohe  Terrassen  hinunterfuhr. 


54 


Als  ich  ihn  in  der  Tiefe  liegen  sah , kam  mir  die 
Angst , ich  glaubte,  er  habe  den  Hals  gebrochen,  aber 
er  erhob  sich,  die  Augen,  welche  sonst  in  christlicher 
Demuth  niedergeschlagen  waren,  leuchteten  wie  jene 
eines  Tigers,  er  ergriff  einen  dicken  Kieselstein  und 
schleuderte  ihn  dicht  an  meinem  Ohr  vorüber.  Des 
andern  Tags  gab  er  mir  wieder  Untericht  und  that, 
als  wäre  nichts  vorgefallen,  und  auch  ich  schwieg  im 
Bewusstsein,  nicht  ganz  richtig  gehandelt  zu  haben. 

Von  da  an  wurde  die  Sache  des  frommen  Mannes 
immer  verdächtiger.  Das  hatte  aber  nichts  zu  sagen; 
er  erhielt  die  Priesterweihe  Seine  erste  Predigt  hielt 
er  in  dem  nahen  Dörfchen  Glattbach;  ich  war  dabei, 
die  Bauersleute  bewunderten  diesen  Heiligen  auf  Erden. 
Darauf  erhielt  er  eine  Stelle  zu  Bensheim  an  der 
Bergstrasse.  Nach  einiger  Zeit  kam  von  ihm  ein 
klägliches  Schreiben  an  meinen  Vater,  er  sei  durch 
Neid  und  Verleumdung  in  Unglück  gerathen  und  habe 
seine  Stelle  verloren;  sich  der  vielen  Wohlthaten  er- 
innernd, wage  er  um  Schutz  und  Obdach  zu  bitten. 
Mein  Vater  Hess  ihn  wohl  kommen,  traute  der  Ge- 
schichte aber  gar  nicht  und  richtete  ein  Schreiben  an 
den  Herrn  Bischof  von  Wrede  in  Mainz,  mit  dem 
Ersuchen,  er  möge,  wenn  thunlich,  für  Unterkunft 
dieses  Mannes  sorgen,  wenn  auch  seine  Fehler  gross 
seien,  damit  er  nicht  so  verkomme  und  vor  den  Augen 
des  Volkes  das  geistliche  Ansehen  schädige.  Der 
Inhalt  der  Antwort  lautete : „Euer  etc.  Es  gereicht 
Ihnen  zur  Ehre,  dass  Sie  sich,  wenn  auch  nur  noch 
halb  in  gutem  Glauben,  jenes  Menschen  annehmen. 
So  gerne  ich,  wo  thunlich,  über  verzeihliche  Fehler 


den  Mantel  christlicher  Liebe  decke , so  kann  ich  in 
diesem  Falle  nichts  thun.  So  gross  auch  die  Laster 
dieses  Mannes  sind , so  ist  doch  seine  Kunst  zu  lügen 
und  seine  grenzenlose  Heuchelei  noch  grösser.  W enn 
wir  solche  Leute  in  Schutz  nehmen,  so  wird  dadurch 
das  geistliche  Ansehen  nur  geschädigt  etc.“ 

Es  war  nun  mein  Vater  in  Verlegenheit,  denn  er 
konnte  doch  nicht  den  Mann  ins  Elend  stossen.  Da 
kam  Forstmeister  Sündermahler,  dessen  Kinder  früher 
bei  Glanzner,  zur  Zufriedenheit  der  Eltern,  Unterricht 
erhalten  hatten.  Er  war  sogleich  bereit,  den  Armen, 
vom  Schicksal  Verfolgten,  in  sein  Haus  aufzunehmen. 
Dort  gab  dann  Glanzner  wieder  Unterricht  und  las  jeden 
Morgen  in  der  Stiftskirche  die  heilige  Messe  ; das  war 
schön,  aber  an  einem  Sonntag  Nachmittag  schleppten 
zwei  Taglöhner  den  geistlichen  Herrn,  welchen  sie  auf 
der  Strasse  besoffen  fanden,  in  das  Haus.  Des  andern 
Tages  wurde  der  Sünder  mit  Spannung  bei  Tische 
erwartet;  Alle  sassen  schon,  da  schob  sich  die  schmale 
schwarze  Gestalt  zum  Thürspalt  herein  und  begann : 
„Ich  habe  schwer  gesündigt,  und  zwar  sowohl  als 
Mensch,  wie  besonders  als  Priester,  ich  erkenne  die 
Grösse  meiner  Schuld,  ich  werde  alles  aufbieten,  um 
wieder  Gnade  bei  Gott  zu  finden.  Ich  danke  für 
Speise  und  Trank,  und  werde  den  ganzen  Pag  nur 
mit  Beten  und  Fasten  zubringen.“  Er  schob  sich  wieder 
zur  Thüre  hinaus. 

Nun  ein  launiges  Spiel  des  Schicksals. 

Nach  Tisch  verfolgte  der  Jagdhund  im  Hofe  eine 
Ratte , dieselbe  sprang  in  das  Zimmer  des  Herrn 
Glanzner,  der  Forstmeister  mit  seinen  Kindern  eilten 


56 


nach,  um  zu  sehen,  wie  die  Ratte  erwischt  werde, 
diese  sprang  ins  Bett,  der  Hund  nach  und  warf 
das  Oberbett  herunter,  da  lag  eine  Flasche  Wein, 
Wurst,  Käse,  Brot  etc.  Der  Bi'tsser  stand  daneben, 
der  Forstmeister  warf  einen  wüthenden  Blick  auf  ihn 
und  auf  den  Fastenapparat,  entfernte  sich  und  schlug 
im  Zorne  die  Thüre  zu.  Nun  traute  der  Hausherr 
selbst  dem  Landfrieden  nicht  mehr;  er  wendete  sich 
an  Herren,  welche  in  geistlichen  Dingen  Einfluss  hatten; 
aber  da  wurde  das  Mäntelein  der  christlichen  Liebe, 
gegen  den  Sinn  des  Herrn  Bischofs,  über  das  Haupt  des 
Sünders  so  sehr  ausgespannt,  dass  es  in  Fetzen  ging. 
Er  las  wieder  die  heilige  Messe , wurde  aber  bald  in 
ein  kleines  Dörfchen  im  Spessart  versetzt.  Von  da 
an  schwieg  die  Geschichte  über  ihn. 

Die  Tartuffes  sterben  nicht  aus! 

Als  jene  Geschichte  vorüber  war,  gelang  es  meinem 
Vater,  Herrn  Professor  Ilocheder,  welcher  die  oberste 
Gymnasialklasse  unter  sich  hatte,  als  Lehrer  für  mich 
zu  gewinnen.  Von  da  an  hatte  ich  einen  pünktlichen 
geregelten  Unterricht  im  Latein,  und  als  ich  dazu 
kam,  Klassiker  zu  übersetzen,  gewann  ich  erst  Interesse, 
indem  ich  zugleich  mit  den  Worten  auch  bildliche 
Vorstellungen  hatte.  Bei  Titus  Livius  dachte  ich  an 
die  schönen  Holzschnitte  des  Tobias  Stimmer,  die 
Stiche  des  Georg  Pencz  u.  A.,  bei  Ovidius  an  jene 
des  Virgilius  Solis , Heinrich  Goltzius  und  unzählige 
Bildwerke  grosser  Meister.  Auch  Griechisch  musste 
ich  lernen,  halte  es  aber  für  gut,  darüber  zu  schweigen. 
Ich  erlangte  dabei  an  klassischer  Gelehrtheit  wenigstens 
so  viel  als  nöthig  ist,  um  zur  gebildeten  Menschheit 


iierechnet  zu  werden.  Dass  ich  auch  französisch  lernen 

o 

musste , ist  besonders  nach  damaligen  Verhältnissen 
selbstverständlich , jedoch  ging  es  da  bei  meinem 
deutschen  Gemüthe  nicht  glänzend,  zumal  da  in  jener 
Zeit  die  Sprachlehrer  meistens  ohne  Bildung  waren. 
Unter  Andern  hatte  ich  einen,  welcher,  so  oft  ich 
eine  Dummheit  machte,  sagte:  „comme  c’est  allemand!“ 
Das  musste  ja  mein  deutsches  Blut  in  Wallung  bringen. 
Später  ging  es  besser , als  ich  einen  Lehrer  erhielt, 
welcher  verstand,  mit  den  Worten  auch  Gedanken  zu 
verbinden.  Dazu  kam  noch,  dass  damals  alles,  was  in 
Kunst  für  ein  grösseres  Publikum  geschrieben  wurde, 
französisch  sein  musste.  Auch  besuchte  ich  noch  die 
zwei  Curse  des  Lyceums  in  Aschaffenburg,  welches 
den  ersten  Cursen  der  Universität  gleichgestellt  war. 
Wenn  ich  auch  nicht  alle  Curse  einer  Universität 
durchwanderte,  wie  es  nöthig  war,  um  eine  Stelle  im 
Staate  zu  erhalten,  so  darf  ich  doch  sagen,  dass  mein 
ganzes  Leben  einer  Universität  glich,  indem  meine 
Freunde  und  späteren  Collegen  Männer  der  Wissen- 
schaft nach  allen  Richtungen  waren,  deren  heitere 
Unterhaltung  und  ernste  Vorträge  zureichten,  mir  eine 
Universität  zu  ersetzen. 

Mein  Schul-  und  klassisches  Studium,  welches  mir 
wohl  für  das  ganze  Leben  unentbehrlich  blieb,  konnte 
ich  doch  nicht  zu  dem  direkt  benutzen,  was  später 
den  Beruf  meines  Lebens  bildete,  sondern  schon  von 
vorneherein  und  gleichen  Schrittes#  strebte  ich  es  an, 
und  zwar  auf  unebenem,  fast  unbekanntem  Wege.  Die 
Werke  bildender  Kunst  der  Vorzeit  jeder  Art  sprachen 
zu  mir  wie  Geisterstimmen  aus  nebelgrauer  Ferne,  sie 


wurden  mir  mit  Zunahme  meiner  Jahre  Lern-  und  Lehr- 
mittel und  zwar  vom  Abc  bis  zu  dem,  was  ich  Philo- 
sophie nennen  darf.  Es  ist  gewiss , dass  aus  dem 
tiefsten  Dunkel  der  Vorzeit  die  Gebilde  der  Menschen- 
hand höherer  und  niederer  Art  oft  mächtig1  zu  uns 
sprechen,  wo  Worte  und  Schriften  schweigen,  wenn 
man  dabei  vorurtheilsfrei  zu  Werke  geht. 

Die  Geschichte  der  Menschheit,  ohne  jene  der 
Kunst  gleicht  einem  grossen  Schauspiel,  welches  man 
hört  und  liest,  von  dem  man  aber  nichts  sieht. 

Ich  suchte  mir  ein  Urtheil  dadurch  zu  bilden, 
dass  ich  stets  Kunstwerke  der  verschiedensten  Meister, 
Zeiten  und  Länder  mit  einander  verglich , um  zu  er- 
kennen, welchen  Antheil,  Talent  und  Geschick  des 
Künstlers  oder  die  Geschmacksrichtung  der  Zeit  und 
des  Landes  daran  habe. 

Die  Kunstlitteratur,  welche  damals  noch  sehr 
mangelhaft  war,  sah  ich  vorher  selten  an;  nur  später, 
als  ich  glaubte,  mir  schon  ein  Urtheil  gebildet  zu 
haben,  las  ich  nach,  wie  andere  Menschen  darüber 
dachten.  Stimmte  deren  Urtheil  mit  dem  meinigen 
überein,  dann  war  ich  befriedigt,  wenn  nicht,  dann 
ging  ich  nochmals  an  die  Quelle,  um  mich  zu  über- 
zeugen, ob  ich  mich  oder  jene  sich  geirrt  hätten.  So 
wurden  die  Kunstwerke  verschiedenster  Richtung  für 
mich  lebende,  sprechende  Wesen. 

Es  kam  mir  im  Leben  öfter  vor,  dass  Menschen, 
welche  auf  diesem  Gebiet  etwas  erreichen  oder  vor- 
stellen wollten,  vor  Allem  die  Litteratur  über  Kunst, 
die  Kunstgeschichte , Aesthetik  und  alles  Zubehör 


59 


studirten  und  dann  vor  den  Kunstwerken  selbst  als 
peregrini  in  Israel  standen. 

Mein  Streben  galt  bis  zu  meinem  Mannesalter 
nur  als  etwas  Absonderliches  ohne  Werth  für  das 
praktische  Leben  und  ich  für  einen  Sonderling,  aus 
dem  niemals  etwas  werden  könne.  Für  mein  Schaffen 
existirte  noch  nicht  einmal  eine  entsprechende  Be- 
nennung, erst  in  neuerer  Zeit  tauchte  der  jetzt  so 
beliebte  Namen  „Kulturgeschichte“  auf,  welcher  auch 
meiner  Sache  eine  gewisse  Geltung  verschaffte.  Wenn 
ich  bei  manchem  der  jetzigen  Kulturhistoriker  auszu- 
setzen habe,  dass  sie  dabei  öfter  die  Bedeutung  der 
Kunst  zu  wenig  schätzen,  so  muss  ich  mir  auch  ge- 
fallen lassen , wenn  sie  mir  manche  Einseitigkeit 
vorwerfen.  Das  Gebiet  ist  gross  und  kann  nur  durch 
Zusammenwirken  und  gegenseitiges  Ergänzen  gefördert 
werden. 

Schon  frühzeitig  von  Kunst  und  schöner  Natur 
umgeben , erschien  mir  bald  als  höchstes  Ziel  des 
Lebens,  Maler  von  Fach  zu  werden;  allein  ich  hatte 
schon  zu  früh  die  Höhe  und  Bedeutung  der  Kunst 
erkannt,  so  dass  es  mir  als  Verwegenheit  erschien, 
ein  so  hohes  Ziel  anzustreben.  Die  meisten  Anfänger 
schauen  auf  der  Stufenleiter  zur  Kunst  mehr  abwärts 
als  aufwärts,  sonst  würde  ihnen  oft  der  Muth  vergehen, 
die  schwindelnde  Höhe  zu  erklimmen. 

Das  Zeichnen  übte  ich  mit  Vorliebe,  wenn  auch 
anfangs  mit  schwacher  Kraft,  wohl  aus  dem  Drange, 
einen  Gedanken  oder  eine  Erscheinung  zu  Papier  zu 
bringen,  jedoch  alsbald  noch  viel  mehr,  um  die  Werke 
bedeutender  Meister  besser  zu  verstehen,  denn  es  kam 


60 


mir  oft  vor,  dass  ich  Schönheit  und  Charakteristik 
eines  Gemäldes  oder  einer  Sculptur  wohl  zu  begreifen 
glaubte;  aber  erst  dann,  als  ich  versuchte  mit  Linien 
nur  in  die  Hauptumrisse  der  Sache  einzugehen,  tauchten 
vor  meinen  Augen  Eigenthümlichkeiten  und  Schön- 
heiten auf,  welche  ich  vorher  kaum  ahnte. 

Es  gehörte  besonders  in  der  letzten  Periode  der 
Kurfürsten  von  Mainz  zum  guten  Ton,  dass  die  Herren 
vom  Hof  und  höhere  Beamte  Gemäldesammlungen 
besassen ; da  dieselben,  der  Natur  der  Sache  nach, 
nicht  immer  Kenner  sein  konnten , so  waren  wohl 
selten  Werke  von  besonderer  Bedeutung  darunter. 
V on  meinem  Vater  kann  ich  aber  ganz  vorurtheilsfrei 
sagen,  dass  er  nicht  aus  Modesucht,  sondern  aus  wirk- 
licher Erkenntniss  des  Guten  und  Schönen,  eine  kleine, 
aber  ausgezeichnete  Gemäldesammlung  zusammen- 
gebracht hatte.  Dabei  besass  er  auch  Kupferstiche 
und  Handzeichnungen  bedeutender  Meister  und,  da 
er  meine  Liebe  zur  Sache  billigte,  unterstützte  er 
mich  im  Weitersammeln. 

Schon  frühzeitig  erkannte  ich,  dass  die  Kunst 
nicht  nur  in  der  Malerei  oder  Plastik,  wie  man  zu 
meiner  Zeit  gewöhnlich  glaubte,  sondern  auch  in  dem 
Kunsthandwerk  besteht,  mit  welchem  sich  die  Mensch- 
heit in  den  verschiedenen  Perioden  umgab. 

Dadurch  wurde  ich  veranlasst,  mein  Sammeln  wie 
Studieren  auf  ein  grösseres  Gebiet,  auf  alle  Erschein- 
ungen im  menschlichen  Leben  auszudehnen.  Ich 
sammelte  daher  auch  alsbald  Erzeugnisse  des  Kunst- 
handwerkes, wie  Trachten,  Geräthschaften,  Waffen  etc. 
Dass  dieses  für  meine  Jugend  und  für  meine  schwachen 


61 


Kräfte  ein  zu  grosses  Feld  der  Thätigkeit  war,  ist 
natürlich.  Wenn  ich  aber  auch  dabei  noch  viel  im 
Nebel  herumtastete,  so  liess  ich  doch  nicht  davon  ab. 

Mein  erster  Lehrer  im  Zeichnen  war  der  schon 
genannte  Georg  Schneider.  Ein  gründlicher  Unterricht 
konnte  von  demselben  nicht  erwartet  werden,  er  war 
ein  Talent  von  Natur,  besass  aber  nicht  die  nöthige 
Vorbildung ; doch  erhielt  ich  manche  nützliche  An- 
regung durch  ihn , es  blieb  vorderhand  mein  Selbst- 
unterricht die  Hauptsache,  wozu  mir  nicht  nur  die 
Kunstwerke  im  väterlichen  Hause,  sondern  vorzüglich 
auch  jene  in  der  Schlossbibliothek  der  Vaterstadt 
reichen  Stoff  boten.  Letztere  bestanden  in  den  wunder- 
baren Pergament-Manuscripten  mit  Miniaturen  der 
grössten  Meister  aus  karolingischer  Periode  bis  in  das 
16.  Jahrhundert;  darunter  das  grosse  Missale,  welches 
Kurfürst  Albrecht  von  Brandenburg  durch  Nikolaus 
Glockendon  unter  der  Leitung  des  Albrecht  Dürer 
ausführen  liess , ferner  zwei  kleinere  Gebetbücher 
mit  Miniaturen  des  Hans  Sebald  Beham  von  wunder- 
barer Schönheit  und  der  besonders  für  das  Kunstge- 
werbe so  eminent  wichtige  „Mainzer  Domschatz“, 
welchen  Kurfürst  Albrecht  von  Brandenburg  um  1520 
durch  die  bedeutendsten  Künstler  in  Pergamentmalerei 
hersteilen  liess.*)  Ausserdem  war  eine  unschätzbare 
Kupferstichsammlung  vorhanden.  Da  kopirte  und  stu- 


*)  Eigentlich  die  Heiligtümer  des  Domstiftes  Halle.  Vergl. 
Gabriel  von  Terey,  Albrecht  von  Brandenburg  und  das  Hallische 
Heiligthumsbuch  von  1520.  Strassburg  1892.  80,  Siehe  auch 

die  zweite  Auflage  meines  Werkes : Trachten,  Kunstwerke,  Ge- 
rätschaften etc.  Bd.  VII.  Frankfurt  a.  M.  1886.  Tafel  484  u.  485. 


62 


clirte  ich  viel,  was  mir  durch  die  Gefälligkeit  des  da- 
maligen Bibliothekars  Professor  Dr.  Joseph  Merkel  er- 
leichtert wurde.  Die  genannten  Pergament-Manuscripte 
mit  Malereien  stammten  schon  aus  älterer  Zeit  von  den 
Kurfürsten  her;  die  eigentliche  Bibliothek  und  beson- 
ders die  überaus  kostbare  Kupferstichsammlung  stiftete 
Lothar  Franz  Freiherr  von  Erthal,  Staatsminister  und 
Obersthofmeister,  Bruder  des  letzten  Kurfürsten  von 
Mainz,  bekannt  unter  dem  Namen  „Chevalier  Erthal.“ 
Der  Stifter  bestimmte  diese  Schätze  für  das  „Fürsten- 
thum Aschaffenburg“;  da  ein  solches  von  dem  Jahre 
1814  an  nicht  mehr  existirt,  so  gehören  nach  der 
Intention  des  Erblassers  diese  Schätze  wohl  zweifellos 
der  Stadt  Aschaffenburg.  Ich  erwähnte  bereits  das 
geringe  Y erständniss  für  Kunst  in  damaliger  Zeit, 
um  so  mehr  müssen  wir  den  Mann  bewundern,  der 
in  seinen  edlen  Bestrebungen  fast  verlassen , diese 
herrliche  Kupferstichsammlung  zusammenbrachte.  Nach 
jetzigem  Stande  der  Dinge  kann  man  diese  Sammlung 
ohne  Uebertreibung  auf  Millionen  schätzen. 

Wenn  dieses  alles  meine  Landsleute  nach  Gebühr 
zu  schätzen  wüssten , dann  hätte  Chevalier  Erthal 
ausser  seiner  eigenen  Schöpfung  auch  ein  Denkmal 
von  Stein  oder  Erz. 

Es  besteht  noch  in  Aschaffenburg  der  „Friede- 
ricianische  Fond“,  eine  Stiftung Dalberg’s  aus  dem  Nach- 
lasse des  letzten  Kurfürsten  Friedrich  Karl,  aus  wel- 
chem verdienstvolle  Künstler  und  Gelehrte  unterstützt 
werden,  indem  den  ernsten  Studien  und  den  schönen 
Künsten  sich  widmenden  Jünglingen  Vorschub  geleistet 
werden  solle.  Dieser  Fond,  für  das  „Fürstenthum 


Aschaffenburg“  bestimmt,  blieb,  obwohl  Aschaffenburg- 
kein Fürstenthum  mehr  ist,  doch  mit  Recht  der  Stadt 
und  deren  Umgebung-.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  der 
Bibliothek  als  Erthal’scher  Stiftung-;  allein  der  Biblio- 
thekar  Merkel  schrieb  auf  die  Thüre  „Königliche 
Bibliothek“,  ob  auf  höheren  Befehl,  weiss  ich  nicht; 
er  gebrauchte  auch  nicht  mehr  den.  durch  den  Stifter 
bestimmten  .Stempel  mit  dem  Kurmainzer  Rad , son- 
dern schrieb  auf  die  Titel  der  Bücher  K.  B.,  ein  Ver- 
fahren, das  zu  Erörterungen  Anlass  gab,  durch  welche 
die  Bibliothek  und  die  Kunstsammlung  beinahe  der 
Stadt  entzogen  worden  wären. 

Der  erste  Bibliothekar  daselbst  war  Wilhelm 
Ileinse  vom  Jahr  1786  bis  1803,  welcher  sich 
durch  seinen  „Ardinghello“  ein  geistreiches,  aber 
jugendverderbendes  Denkmal  schuf.  König  Ludwig  I. 
setzte  ihm  an  der  Agathenkirche  zu  Aschaffenburg 
einen  Grabstein  und  Hess  später  seine  Büste  in  der 
Walhalla  aufstellen.  Auf  Heinse  folgte  Nikolaus  Vogt, 
der  schon  genannte  Jugendfreund  meines  Vaters.  Dann 
Professor  M.  Engel  bis  1813  und  Karl  Windischmann 
von  1813  bis  1818,  darauf  der  schon  erwähnte  Joseph 
Merkel,  ferner  mein  früherer  Lehrer  Hocheder.  Im 
Jahre  18J6  wurde  Professor  Georg  Englert  mit  dieser 
Stelle  betraut,  welcher  mit  Liebe  diese  segensreiche 
Anstalt  verwaltete.  Noch  in  München  danke  ich  diesem 
meinem  Landsmanne  werthvolle  Mittheilungen;  nach- 
dem sich  derselbe  in  den  Ruhestand  versetzen  Hess, 
folgte  ihm  Professor  Ludwig  Harrer. 

Ich  kann  nur  wünschen,  dass  den  Herren  Pro- 
fessoren diese  wichtige  Stelle  nicht  im  Nebenamt 


64 


übertragen  bleibe,  sondern  dass  ihnen  die  nöthige  Müsse 
und  Mittel  gegeben  werden,  wie  es  für  die  Verwaltung 
einer  so  bedeutenden  Anstalt  nöthig  ist. 

Ausser  diesen  Kunstschätzen,  welche  mir  zu  meinem 
Studium  schon  die  nächste  Umgebung  bot,  war  es 
der  Besitz  des  Freiherrn  von  Mergenbaum  auf  seinem 
Gute  in  Nilkheim.  Abgesehen  von  Vielem,  was  mich 
daselbst  schon  in  meiner  Kindheit  erfreute,  als  Affen. 
Papageien,  Pfauen,  Federvieh  jeder  Art  etc.  befand 
sich  daselbst  eine  reiche  Gemälde-Gallerie,  eine  be- 
deutende Anzahl  vortrefflicher  Glasgemälde  aus  dem 
Schlüsse  des  15.  bis  in  den  Beginn  des  17.  Jahrhunderts. 
Ich  bildete  davon  später  manches  in  meinen  Werken 
ab.  Mergenbaum  war  ein  eigenthümlicher  Mann , dem 
ich  viel  verdanke  ; nach  seinem  Tode  wurde  sein  ganzer 
Besitz  durch  entfernte  Erben  mittels  einer  Versteiger- 
ung in  Nilkheim  in  alle  Gegenden  zerstreut. 

Unschätzbar  für  meine  Zwecke  war  der  sogenannte 
Rittersaal,  d.  h.  die  Sammlung  von  Prachtrüstungen 
und  Waffen  jeder  Art,  des  Grafen  Erbach-Erbach  zu 
Erbach  im  Odenwald.*)  — Auch  fand  ich  daselbst  noch 
manche  andere  Kunstschätze  von  hohem  Werthe,  z.  B. 
den  Doppelpokal,  welcher  nach  dem  darauf  belind- 
lichen  Wappen  von  dem  Grafen  Theodorich  von 
Erbach,  von  1434  bis  1459  Erzbischof  zu  Mainz, 
stammt.  Dieser  Pokal,  der  aus  zwei  Achatschalen  in 


*)  Vergl.  Kunstdenkmäler  im  Grossherzogthum  Hessen. 
Provinz  Starkenburg,  Kreis  Erbach,  von  Georg  Schaefer.  Dann- 
stadt 1891.  8Ü.  Seite  55—90. 


vergoldetem  Silber  besteht,  ist  aufs  kunstvollste  gravirt 
und  emaillirt.*) 

Da  mein  Vater  mehrfach  in  Frankfurt  am  Bundes- 
tag beschäftigt  war,  kam  ich  öfters  mit  ihm  da- 
hin und  erfreute  mich  besonders  an  der  vortreff- 
lichen Gemälde-Gallerie  des  Städel’schen  Instituts  und 
machte  Studien  darin,  so  weit  es  meine  Jahre  zuliessen. 

Schon  im  Jahre  1822  hielt  sich  mein  Vater  6 Monate 
in  Bamberg  auf;  ich  erhielt  in  dieser  kurzen  Zeit 
Zeichenunterricht  bei  dem  geschickten  Maler  Karl 
Rupprecht,  dem  wir  manche  schöne  Ansichten  Bam- 
bergs zu  danken  haben.  Dabei  hielt  mir  mein  Vater 
auch  Lehrer  für  Deutsch  und  Latein. 

Der  Dom  daselbst  mit  seinen  herrlichen  Monu- 
menten erweckte  in  mir  Erinnerungen  an  Kaiser 
Heinrich  II.  und  seine  Gemahlin  Kunigunde,  wie  die 
Altenburg  solche  an  Adalbert  von  Babenberg,  die  mich 
mit  einem  heiligen  Schauer  durchrieselten;  später 
nannte  ich  dieses  Gefühl  das  Alterthumsfieber.  Es 
lässt  sich  denken,  welchen  Pfindruck  es  auf  mich  machte, 
wenn  ich  nicht  nur  meine  Jugendgenossen , sondern 
auch  meinen  Lateinlehrer  durch  diese,  mir  heiligen 
Räume,  wie  durch  einen  Kuhstall  wandeln  sah. 

Ich  fühle  mich  hier  veranlasst,  eine  tragische  Ge- 
schichte mitzutheilen,  welche  sich  im  Beginne  unseres 
Jahrhunderts  zutrug,  da  ich  wohl  jetzt  noch  der  Einzige 
bin,  welcher  sagen  kann,  dass  er  sie  von  Zeitgenossen 
und  der  Sache  Nahestehenden  vernommen  hat. 

*)  Abgebildet  und  beschrieben  in  der  zweiten  Auflage  meines 
Werkes:  Trachten,  Kunstwerke  und  Geräthschaften  etc.  Bd.  IV. 
Frankfurt  a.  M.  1883.  Seite  26  und  Tafel  274. 


Es  ist  bekannt,  dass  das  Faustrecht  und  Raub- 
ritterwesen im  Mittelalter,  ungeachtet  aller  Bemüh- 
ungen der  Fürsten,  der  verschiedenen  Städtebündnisse 
im  13.  Jahrhundert,  des  Niederbrennens  der  Raub- 
schlösser und  der  vielen  Hinrichtungen  sich  nicht  aus- 
rotten liess  und  es  sich  gewissermassen  als  Gewohn- 
heit oder  ererbtes  Recht  mitunter  bis  zur  neueren 
Zeit  fortsetzte. 

Als  grossartiges  Beispiel  der  Art  erscheint  die 
Geschichte  der  Burg  Eisberg  in  Franken,  nicht  weit 
von  Bamberg,  im  Besitze  einer  alten  mehrfach  um 
das  Vaterland  verdienten  Familie.  Ein  Mitglied  dieses 
Namens  übte  noch  bis  in  den  Beginn  unseres  Jahr- 
hunderts dieses  edle  Handwerk  in  grossartigem  Stil, 
er  beherbergte  öfter  eine  Räuberbande,  ein  Mann 
Namens  Loderer,  welcher  einer  solchen  Bande  ange- 
hörte, stand  in  seinem  Dienste ; unter  Anderem  raubte 
er  die  junge  Frau  eines  reichen  Holzhändlers  Namens 
Baier.  Ein  Ehepaar  in  seinen  Diensten  waren  soge- 
nannte Gängler  (Elausirer) , sie  durchwanderten  die 
Umgegend  und  besorgten  für  ihren  Herrn  böse  Ge- 
schäfte ; als  sich  der  Burgherr  mit  ihnen  entzweite, 
und  sie  ihm  als  gefährlich  erschienen,  liess  er  sie  ein- 
kerkern und  später,  wie  man  sicher  glaubte,  ermorden. 
Diese  Dinge  wurden  wohl  theilweise  ruchbar,  allein 
der  Arm  der  Gerechtigkeit  war  in  Folge  der  Kriegs- 
unruhen schwach,  auch  drohte  der  Burgherr,  sich  für 
den  Fall  eines  Angriffes  bis  auf  das  Aeusserste  mit 
seinen  Feuerwaffen  zu  vertheidigen  und  im  schlimmsten 
Falle,  die  Burg  in  die  Luft  zu  sprengen.  Da  erbot 
sich  einer  seiner  ehemaligen  Freunde,  ihn  auszuliefern. 


Derselbe  nahte  sich  vor  Tagesanbruch  der  Burg,  ver- 
steckte in  dem  Gebüsche  Bewaffnete,  und  rief  zu  dem 
ehemaligen  Freunde  hinauf:  „Komme  schnell  herab, 
ich  habe  Dir  etwas  sehr  Wichtiges  mitzutheilen  und 
muss  diesen  Ort  sogleich  wieder  verlassen !“  Als  der 
Getäuschte  vor  seinem  Thor  erschien,  wurde  er  fest- 
genommen und  dem  Gerichte  überliefert.  Der  un- 
ruhigen Zeit  Verhältnisse  wegen  wurde  er  an  verschie- 
denen Orten  nacheinander  gefangen  gehalten  und  in 
Verhör  genommen ; wegen  Mangel  einer  öffentlichen 
Gerichtsbarkeit  und  wohl  auch  aus  anderen  Gründen 
hat  man  aber  von  der  Sache  nichts  weiter  mehr  er- 
fahren. Man  nahm  an.  dass  er  in  der  Stille  hingerichtet 
wurde. 

Später  gegen  das  Jahr  1830  wurde  ein  Schäfer 
in  sehr  hohem  Alter  auf  dem  Schub  in  seine  Heimath 
nach  Bamberg  verbracht ; im  Spital  verlangte  er  nach 
den  Sterbesakramenten  und  gestand  dem  Geistlichen, 
er  habe  seiner  Zeit , in  dem  Schlosse  Lisberg , auf 
Befehl  des  Herrn,  den  erwähnten  Gängler  in  einer 
Grube  mit  Schwefeldampf  erstickt  und  dessen  Frau 
erdrosselt.  Nach  Aufforderung  des  Priesters  gestand 
er  dieses  auch  vor  einer  Gerichtskommisson,  welche 
unter  dem  damaligen  Präsidenten  von  Schrottenberg 
stand,  dabei  befand  sich  u.  A.  als  Assessor  der  nach- 
malige k.  b.  Justizminister  Freiherr  von  Kleinschrod : 
derselbe  war  später  mit  meiner  Familie  in  Aschaffen- 
burg befreundet,  wo  ich  in  meinen  jungen  Jahren  diese 
Geschichte  von  ihm  selber  erfuhr.  Ebenso  war  diese 
unserem  Hausfreunde,  dem  schon  genannten  nach- 
maligen Generallieutenant  Hacke,  bekannt,  der  als 


68 


geborener  Bamberger  die  ganze  Geschichte  mit  erlebt 
hatte. 

Auch  verdanke  ich  wichtige  Notizen  über  diesen 
Gegenstand  dem  Freiherrn  Marschalk  von  Ostheim  in 
Bamberg,  dessen  Vorfahren  Besitzungen  in  der  Nähe 
des  Schlosses  Lisberg  hatten. 

Von  dem  bekannten  Kunstschriftsteller  Joseph 
Heller  erschien  im  Jahre  1837  ein  Buch  unter  dem 
Titel  „Oer  Burg  Lisberg  Beschreibung  und  Geschichte“, 
ln  gerechter  Weise  hebt  er  darin  die  Verdienste  jenes 
alten  Geschlechtes  hervor,  aus  welchem  jener  Besitzer 
der  Burg  stammte,  er  übergeht  aber  dabei  jene 
Schreckensgeschichte  und  zwar  auf  Seite  97.  indem 
er  nur  erwähnt,  dass  die  Gegend  um  Lisberg  durch 
den  Ausbruch  des  französischen  Krieg'es  so  Manches  zu 
erdulden  gehabt  hätte,  und  dann  mit  den  Worten  weiter- 
fährt: ,,Es  hier  weiter  auszuführen,  würde  die  Grenze 
dieser  Schrift  überschreiten,  und  ist,  weil  grösstentheils 
noch  im  Andenken  der  Mitwelt  schwebend,  für  die 
Geschichte  nicht  reif  genug.“  Auf  Seite  98  gesteht 
Heller  zu , dass  die  Herausgabe  seiner  Schrift  von 
einem  Nachkommen  jenes  Burgherrn  durch  „sorgfältige 
und  rückhaltlose  Unterstützung“  gefördert  wurde.  Heller 
lässt  demnach  das,  was  er  aus  Gründen  nicht  sagen 
will,  deutlich  genug  zwischen  den  Zeilen  lesen. 

Erst  gegen  mein  16.  Jahr  erhielt  ich  gründ- 
lichen Unterricht  in  der  Linearzeichnung,  der  Per- 
spective, der  geometrischen  und  Bauzeichnung  durch 
Professor  Louis,  was  mir  für  das  ganze  Leben  von 
Nutzen  war,  zumal  da  später  ein  Theil  meiner  W erke 
auch  für  den  Schulgebrauch  berechnet  war. 


VII.  Reisen  mit  meinem  Vater  an  den  Rhein,  nach 
Wien,  nach  Offenburg,  Freiburg  und  Strassburg. 

Mein  Vater  machte  mit  mir  in  meinem  sechzehnten 
Jahre  nach  damaliger  Art,  mit  eigenem  Wagen  und 
Pferden,  eine  Rheinreise  nach  Düsseldorf,  wo  ich  unter- 
wegs durch  diese  gemüthliche  Reiseart  Müsse  fand, 
eine  grosse  Anzahl  der  rheinischen  Burgen  und  Ruinen 
aufzunehmen.  Die  Städte  am  Rhein  mit  ihren  reichen 
Kunstschätzen  in  den  Kirchen  und  historischen  Er- 
innerungen hinterliessen  in  mir  Eindrücke  von  bleiben- 
dem Werthe,  wie  sie  das  Alter  nicht  mehr  bieten  kann. 
Sie  waren  mir  Fingerzeige  für  Vieles,  was  ich  auf 
späteren  Reisen  mit  grossem  Nutzen  für  meine  Zwecke 
verwenden  konnte. 

Im  Winter  1830  kam  ich  eines  Abends  mit  heftigem 
Kopfweh  nach  Hause,  der  Hausarzt  verordnete  nach 
der  damaligen  sogenannten  Browne’schen  Methode 
schwarzen  Kaffee  und  starken  rothen  Wein.  Da  ich 
darauf  in  Delirium  verfiel,  holte  mein  Vater  noch  drei 
Aerzte,  welche  nach  gleicher  Methode  verfuhren,  es 
kam  so  weit,  dass  mein  Zustand  als  hoffnungslos 
erklärt  wurde.  Mein  Vater  darüber  aufs  Aeusserste 
bestürzt,  liess  Dr.  Reuss  holen,  welcher  schon  längst 
Gegner  dieser  Heilmethode  war  und  daher  viele 
Feinde  hatte.  Er  verordnete  auf  der  Stelle  entgegen- 
gesetzte Mittel,  d.  h.  frische  Luft,  kaltes  Wasser, 
Eis,  und  ich  war  gerettet.  Dieser  Mann  war  seiner 
Zeit  vorausgeeilt.  Erst  später , als  noch  Viele  der 
Browne’schen  Methode  zum  Opfer  gefallen  waren, 
erhielt  die  seinige  allgemeine  Anerkennung. 


70 


Im  Frühjahr  1831  reiste  mein  Vater  mit  mir, 
meiner  Schwester  Therese,  meiner  Cousine  Margaretha 
und  einem  alten  Bedienten  nach  Wien  auf  Besuch  zu 
seinem  Bruder  Peter,  meinem  Onkel,  derselbe  war 
schon  im  Jahr  1801  als  kaiserlicher  Rath  von  Mainz 
nach  Wien  berufen  worden  und  hatte  am  27-  Juni 
1806  vom  Kaiser  Franz  II.  den  erblichen  Reichsadel 
erhalten.  *) 

Nach  damaliger  Art  reisten  wir  in  erneuern  Wa=*en 
mit  Extrapost  von  Aschaffenburg  nach  Wien,  dazu 
brauchten  wir  14  Tage,  was  nicht  allein  von  der  da- 
maligen Langsamkeit  überhaupt  herrührte,  sondern 
auch  von  dem  Aufenthalt,  den  wir  in  einigen  Städten 
unterwegs  nahmen.  Diese  Reise  von  Aschaffenburg 
nach  Wien  , welche  heutzutage  nicht  mehr  der  Rede 
werth  ist,  war  für  mich  eine  Kunst-  und  Forschungs- 
reise. Nürnberg  machte  mir  den  Eindruck  einer 
Geisterwelt;  ich  fühlte  mich  auf  Schritt  und  Tritt  von 
den  deutschen  Meistern  früherer  [ahrhunderte  umgeben. 
Diese,  wie  deren  Werke,  hier  zu  schildern  kann  nicht 
meine  Absicht  sein.**) 

*)  Wenige  Wochen  darauf,  am  6.  August  1806,  legte  Kaiser 
Franz  II.  die  deutsche  Kaiserkrone  nieder,  und  das  deutsche  Reich 
hatte  nach  tausendjährigem  Bestände  aufgehört. 

**)  Jenen,  welche  Nürnberg  vorübergehend  als  Kunstfreunde 
besuchen,  empfehle  ich  unter  den  vielen  bis  jetzt  erschienenen 
Handbüchern  das  mit  Abbildungen  versehene  meines  verstorbenen 
Freundes  Ralf  von  Retberg  „Nürnbergs  Kunstleben,  in  seinen 
„Denkmalen  dargestellt,  ein  Führer  für  Einheimische  und  Fremde. 
„Stuttgart  1854.“  Im  Vorwort  spricht  der  Verfasser  die  trefflichen 
Worte  aus:  „Eine  Kunstgeschichte  ohne  Bilder  gleicht  Noten  ohne 
Musik,  will  man  diese  hören,  so  will  man  jene  sehen.“ 


71 


Unter  manchen  interessanten  Bekanntschaften, 
welche  ich  damals  an  der  Seite  meines  Vaters  in 
Nürnberg  machte , war  es  jene  des  geschickten  Bild- 
hauers und  Broncegiessers  Burgschmiet,  bekannt  durch 
das  Standbild  Albrecht  Dürer’s  und  vieles  Andere. 
Er  war  gerade  damit  beschäftigt,  das  Wachsmodell 
für  den  Bronceguss  herzustellen,  welchen  er  für  sein 
einstiges  Grabdenkmal  bestimmte,  es  zeigte  in  dem 
offenen  Thor  einer  Burg  einen  Schmied  am  Ambos 
arbeitend  als  sprechendes  Wappen.  Als  ich  in  späteren 
Jahren  wieder  auf  den  Johanniskirchhof  kam,  machte 
mir  es  einen  traurigen  Eindruck , daselbst  auf  dem 
grossen  Stein,  welcher  die  Gruft  dieses  Meisters  deckte, 
jenes  Bildwerk  eingesetzt  zu  sehen. 

Es  freute  meinen  Vater  sehr,  als  Herr  von  Holz- 
schuher,  ohne  eine  jede  Veranlassung,  in  unserem 
Gasthaus,  dem  rothen  Ross,  erschien,  um  uns  zur  Be- 
sichtigung des  berühmten  Bildnisses  seines  Ahnherrn 
Hieronymus  Holzschuher  von  Albrecht  Dürer  abzuholen. 
Dieses  Meisterwerk , welches  ich  unter  verschiedenen 
Verhältnissen  später  noch  öfter  sah,  machte  schon 
damals  einen  tiefen  Eindruck  auf  mich.  *) 

Bei  dem  damaligen  Kunsthändler  Löchner  in 
Nürnberg  kaufte  mir  mein  Vater  schöne  Holzschnitte 
und  Kupferstiche  von  Albrecht  Dürer,  Heinrich  Goltzius 
u.  A.,  welche  mich  jetzt  noch  im  Alter  erfreuen. 

*)  Wie  bekannt,  befindet  sich  jetzt  dieses  Bildniss  im  alten 
Museum  zu  Berlin.  Es  war  seiner  Zeit  von  der  Familie  dem 
bayerischen  Staate  unter  dem  Ministerium  Lutz  zu  einem  ent- 
sprechend billigen  Preise  angeboten  worden,  man  hatte  aber  dafür 
kein  Geld. 


72 


Von  da  kamen  wir  unter  Anderen  nach  Regens- 
burg, wo  mich  so  Vieles  überraschte  und  erfreute,  vor 
allem  der  herrliche  Dom  mit  seinen  Monumenten. 
Auf  meinen  Vater  wirkte  daselbst  besonders  das 
Grabdenkmal  des  Fürsten  Primas  Karl  von  Dalberg 
ergreifend,  dem  er  im  Leben  so  nahe  gestanden  hatte. 

Dieses  Denkmal  besteht  aus  einem  Basrelief  in 
weissem  Marmor  von  dem  damals  massgebenden 
Canova,  darauf  ein  sitzender  Genius,  welcher  die 
Thaten  des  Verewigten  mit  dem  Griffel  auf  eine  Tafel 
einschreibt , darüber  stehen  die  letzten  Worte  des 
Fürsten:  „Leben,  leben,  lieben,  lieben!“  Dieses  Mo- 
nument stand  damals  an  einem  Pfeiler  des  Mittelschiffes, 
später  bei  der  Wiederherstellung  des  Domes  Hess  es 
König  Ludwig  I.  in  das  Seitenschiff  versetzen,  weil 
es  als  ein  Werk  im  Empirestil  den  Totaleindruck  des 
gothischen  Baues  beeinträchtigte.  In  späterer  Zeit 
besuchte  ich  diesen  Dom  noch  eingehend  an  der  Seite 
meines  Freundes,  des  Oberbaurathes  Joseph  Denzinger, 
welcher  die  letzte  Restauration  des  Domes  in  sehr 
gelungener  Weise  ausführte. 

Auch  die  an  Kunstwerken  wie  an  historischen 
Erinneruimen  so  reiche  Emmeramskirche  nahm  mich 
sehr  in  Anspruch.  Unter  den  vielen  Denkmalen  daselbst 
erblickte  ich  schon  in  der  Vorhalle  jenes  des  berühmten 
bayerischen  Geschichtsschreibers  Johannes  Thurmayr, 
(f  1534)  nach  seinem  Geburtsorte  Abensberg  Aventinus 
genannt,  mit  dessen  Bildniss  in  Solenhofer  Stein.  In 
späteren  fahren  Hess  ich  es  für  einige  Museen  abformen. 

Die  St.  fakobs-  oder  Schottenkirche  in  Regensburg 
ist  ein  Unicum  und  gehört  zu  den  merkwürdigsten 


73 


Bauwerken  Deutschlands.  Ich  komme  noch  darauf  zu 
sprechen. 

Wir  besuchten  in  Regensburg  auch  Herrn  Krenner, 
einen  reichen  Mann,  Kunstfreund,  Sammler  und  Be- 
sitzer einer  Wachsbleiche.  Er  zeigte  uns  mit  grosser 
Freundlichkeit  vieles  Schöne  und  Merkwürdige,  darunter 
viele  werthvolle  alte  Oelafemälde.  In  seiner  reichen 
Kupferstichsammlung  sah  ich  zum  erstenmal  vollständig 
die  Werke  der  Gebrüder  Daniel , Hieronymus  und 
Lambert  Hopfer  aus  Augsburg . welche  durch  ihre 
Radir-  und  Aetzarbeiten  auf  Eisen  einen  so  grossen 
Einfluss  auf  das  Kunstgewerbe  im  ersten  Drittel  des 
16.  Jahrhunderts  ausübten.  Später  erwarb  ich  aus 
der  Verlassenschaft  des  Herrn  Krenner  ein  höchst 
interessantes  kleines  Portal  mit  Wappenschilden  alter 
Patriciergeschlechter  Regensburg’s,  es  stammte  aus 
der  dortigen  ehemaligen  Minoritenkirche.  Ich  stellte 
es  in  dem  Garten  des  Nationalmuseums  auf. 

Von  Regensburg  gelangten  wir  nach  Augsburg 
und  besuchten  daselbst  vor  Allem  die  Gemälde-Gallerie 
in  dem  ehemaligen  Katharinenkloster.  Stets  gedenke 
ich  noch  jenes  ersten  Eindrucks,  welchen  diese  Ge- 
mäldesammlung auf  mich  machte,  in  welcher  die  Werke 
des  älteren  Hans  Holbein  und  Hans  Burgkmair’s  oben- 
anstehen. 

Unter  dem  vielen  Schönen,  was  sich  mir  in  Augs- 
burg darbot,  war  es  für  mich  in  jungen  Jahren  von 
grossem  Nutzen  Baudenkmale  der  verschiedenen 
Perioden  und  Stilarten,  wie  zum  Vergleich  bestimmt, 
nahe  beisammen  zu  sehen.  Der  Dom  mit  seinen  Denk- 
malen, darunter  jenes  prachtvolle  des  kunstliebenden 


74 


und  hochbegabten  Bischofs  Friedrich  Graf  von  I Iohen- 
zollern  (f  1505),  dann  die  St.  Ulrichskirche,  die  Gold- 
schmiedskapelle  und  noch  so  manche  im  früh-  wie  in 
spätgothischem , wie  im  Renaissance-Stil,  dabei  das 
pompöse  Rathhaus  mit  seinem  goldenen  Saal  und  die 
übrigen  Gebäude  des  Elias  Holl  im  beginnenden 
Barockstile. 

Als  ich  die  Strassen  Augsburgs  durchwanderte 
und  die  vielen  damals  noch  vorhandenen  Ueberreste 
der  Wandbemalungen  fast  aller  Gebäude  übersah,  bekam 
ich  besonders  von  der  ornamentalen  und  dekorativen 
Kunst  Augsburgs  grosse  Achtung.  Die  Bemalung  des 
Hauses  der  Welser  war  damals  fast  noch  ganz  er- 
halten , sie  stellte  in  mehreren  Abtheilungen  die  Ge- 
schichte der  Stadt  dar.  ein  Werk  des  berühmten  Hans 
Burgkmair  des  älteren,  welcher  so  vieles  für  Kaiser 
Maximilian  I.  arbeitete.  Wie  kaum  zu  zweifeln,  war 
auch  Hans  Burgkmair  der  jüngere  dabei  beschäftigt, 
welcher  besonders  für  die  Fugger  bis  in  das  Jahr  1553 
thätig  war.  Diese  Gemälde  sind  bereits  bis  auf  die 
letzten  Spuren  verschwunden.  Aus  der  zweiten  Hälfte 
des  16.  Jahrhunderts  sah  ich  noch  manche  geniale 
Wandgemälde  von  Tobias  Stimmer,  welchen  schon 
Rubens  hochschätzte.  Noch  eine  Reihe  von  Künstlern 
Augsburgs  waren  in  dieser  Richtung  thätig,  darunter 
Johann  Georg  Bergmüller,  der  auch  vieles  in  Kupfer 
gestochen  und  radirt  hat.  Ein  grosses  Talent  im 
Geiste  seiner  Zeit  war  Johann  Evangelist  Holzer.  Zu 
allen  dekorativen  Arbeiten  des  18.  Jahrhunderts  lieferte 
Johann  Esaias  Nilson,  Direktor  der  Kunstschule  in 
Augsburg,  die  reichhaltigsten  Muster. 


Von  da  kamen  wir  nach  München,  welches  damals 
in  allem,  was  zum  bequemen  Leben  und  der  Gesundheit 
nöthig  ist,  noch  auf  einer  sehr  niederen  Stufe  stand; 
mit  dem  jetzigen  München  würde  es  keinen  Vergleich 
aushalten.  Die  Bauten,  welche  König  Ludwig  I.  auf- 
führen Hess,  waren  entweder  nicht  begonnen,  oder 
noch  im  Entstehen  begriffen.  Der  eine  Theil  der 
Gemäldegallerie  befand  sich  in  den  oberen  Räumen 
der  Arkaden,  der  andere  in  dem  Schloss  zu  Schleiss- 
heim.  Damals  wTar  auch  noch  die  Leuchtenbergische 
Gemäldesammlung  in  München.  Die  Herzog-Maxburg 
enthielt  das  Elfenbeinkabinet  und  viele  andere  Kunst- 
schätze. Bei  allem  dem  und  vielem  Andern,  was  die 
Kunst  betraf,  begleitete  uns  mit  grosser  Freundlichkeit 
der  Kupferstecher  und  bis  jetzt  nicht  ersetzte  Kupfer- 
stichrestaurator Ludwig  Albert  von  Montmorillon  *). 

Endlich  gelangten  wir  nach  Wien  dem  Ziel  unserer 
Reise.  Das  Wiederzusammentreffen  meines  alten  Vaters 
mit  seinem  noch  älteren  Bruder  Peter  von  Hefner, 
war  ein  herzliches,  dabei  aber  auch  ein  sehr  schmerz- 
liches. Mein  Onkel  war  nämlich  10  Jahre  vorher  bei  uns 
in  Aschaffenburg  auf  Besuch  und  zwar  mit  seiner  Ge- 
mahlin, einer  geborenen  Freiin  von  Tinti,  seiner  älteren 
Tochter  Elisabeth  und  der  jüngeren  Josepha  gewesen ; 
leider  waren  unterdessen  die  Gemahlin,  meine  Tante, 
und  die  jüngere  Tochter  Josepha  zu  unserem  grossen 
Schmerz  gestorben.  Elisabeth  war  mit  dem  k.  k.  Sec- 
tionsrath  Ritter  von  Mitis  verheirathet  und  bereits 

*)  Begründer  der  späteren  Montmorillon’schen  Kunsthandlung. 
Geboren  zu  Erlangen  1794,  seit  1820  in  München,  gestorben  den 
30.  April  1854  in  Stuttgart. 


— 7b  — 

Mutter  von  drei  Kindern,  zwei  Söhnen  Peter  und 
Ferdinand  und  einer  Tochter  Xaverine,  ausserdem 
waren  noch  zwei  Stieftöchter  Jenny  und  Lina  da.  Die 
ganze  Familie  war  überaus  freundlich  gegen  uns  und 
bot  alles  auf,  uns  den  Aufenthalt  angenehm  zu  machen. 
Für  mich  ging  daselbst  eine  neue  Welt  auf.  Was  die 
meisten  jungen  Leute  in  meinen  Jahren  vorzüglich 
ansprach,  hatte  wenig  Reiz  für  mich.  Dagegen  war 
ich  überglücklich  in  der  Gemäldegallerie  des  Belvedere, 
in  denen  der  Fürsten  von  Liechtenstein  und  Esterhazy, 
in  der  Sammlung  des  Erzherzogs  Karl  (jetzt  Albertina) 
mit  den  herrlichsten  Ilandzeichnungen  und  Kupfer- 
stichen, in  der  Schatzkammer,  dem  Antikenkabinet  etc. 
Eine  besondere  Anziehungskraft  hatte  für  mich  die 
Ambraser-Sammlung,  ebenso  das  damalige  kaiserliche 
und  bürgerliche  Zeughaus.  Letztere  Anstalten  boten 
mir  noch  ein  bedeutendes  Feld  für  mein  künftiges 
Schaffen , denn  die  Waffenkunde  mit  dem  Harnisch- 
wesen und  noch  so  manchem  dazu  Gehörigen  lagen 
damals  sehr  im  Argen.  Die  Inspektoren  jener  Samm- 
lungen erklärten  noch  das  lächerlichste  Zeug.  Freiherr 
von  Leber  war  der  Erste,  der  versuchte,  Licht  in  die 
Geschichte  der  Harnische  zu  bringen.*) 

Der  herrliche  Stephansdom  musste  natürlich  einen 
tiefen  Eindruck  auf  mich  machen;  von  dem  Vielen, 
was  mich  im  Innern  desselben  sehr  in  Anspruch  nahm, 
erwähne  ich  nur  das  prachtvolle  Grabdenkmal  (IIocli- 

*)  Fr.  von  Leber.  Wien’s  kaiserliches  Zeughaus.  Zum  ersten- 
male  aus  historisch-kritischem  Gesichtspunkte  betrachtet,  für 
Alterthumsfreunde  und  Waffenkenner  beschrieben.  2 Theile.  Leip- 
zig 1846.  8°. 


grab)  des  Kaisers  Friedrich  III.  (f  14()3),  ein  Werk 
des  vortrefflichen  Meisters  Anton  Pilgram , der  so 
wenig  genannt  wird  und,  wenn  auch  von  weniger 
Kunstwerth,  den  Grabstein  des  Konrad  Celtes,  poeta 
laureatus , welcher  mit  Maximilian  I.  und  Albrecht 
Dürer  mehrfach  in  Berührung  kam.*) 

Die  Kapuzinergruft  berührte  mich  als  jungen  lebens- 
frohen Mann  eigenthümlich  ; ringsum  die  Särge  fürst- 
licher Persönlichkeiten,  welche  mir  aus  der  Geschichte 
bekannt  waren.  Ich  staunte  daselbst  über  das  Pracht- 
monument, welches  die  Kaiserin  Maria  Theresia  für 
sich  und  ihren  Gemahl  Franz  I.  ganz  in  ihrem  Sinne, 
bei  Lebzeiten  durch  den  genialen  Meister  Balthasar 
Moll  in  Bronceguss  ausführen  Hess.  Auf  dem  kolossalen 
Sarkophag  mit  reichem  allegorischen  Bildwerk , er- 
scheint das  Kaiserpaar  in  Lebensgrösse  halb  liegend, 
halb  sitzend  wie  im  Gespräche  begriffen,  eine  Dar- 
stellung, welche  das  Flerbe  des  Todes  mildert. 

Unter  so  manchem  Schönen  in  der  Umgebung 
Wien’s  gefiel  mir  sehr  Schönbrunn  mit  dem  Schloss, 
der  grossartigen  Gartenanlage  und  den  vielen  Erinner- 
ungen an  die  späte  Kaiserzeit. 

Laxenburg,  im  Beginn  unseres  Jahrhunderts  erbaut, 
einer  Periode,  welche  fast  durchaus  einen  romantischen, 
theatralischen  Anflug  hatte,  als  Ritterschloss  mit  Ritter- 
saal, Waffenkammer,  Trinkstube,  Burgverliess  etc.  her- 
gerichtet, hätte  in  meiner  Kindheit  wohl  sicher  einen 
tiefen  Eindruck  auf  mich  gemacht,  allein  jene  Zeit 
war  für  mich  vorüber. 

*)  Siehe  Mittheilungen  des  Wiener  Alterthums  - Vereins. 
XVII.  Band.  1878. 


7b 


Unter  anderen  Personen  lernte  ich  auch  den  Gustos 
der  Gemäldegallerie,  Sigmund  von  Perger  kennen, 
welcher  als  geschickter  Maler  das  Prachtwerk  über 
die  Gallerie  herausgab.  Ferner  sah  ich  öfter  Friedrich 
von  Bartseh,  den  Vorstand  des  Kupferstichkabinets, 
den  Nachfolger  seines  durch  das  Werk  „Peintre- 
graveur“  weltberühmten  Vaters.  Auch  sah  ich  noch 
den  Kaiser  Franz  II.,  seine  Tochter  Louise,  die  zweite 
Gemahlin  Napoleon’s  I.,  deren  Sohn  den  Herzog  von 
Reichstadt  und  manche  andere  bedeutende  Persön- 
lichkeit , die  bereits  längst  von  der  Erde  verschwun- 
den ist. 

Von  Wien  aus  besuchten  wir  unter  Anderem  die 
Abtei  Mölk  und  Klosterneuburg  , wo  wir  von  den 
geistlichen  Herren  sehr  freundlich  aufgenommen  wurden, 
und  wo  ich  vieles  von  den  noch  vorhandenen  Kunst- 
schätzen sehen  konnte. 

Es  kam  nun  die  Zeit,  in  welcher  mein  Onkel 
jährlich  den  Sommeraufenthalt  in  Baden  bei  Wien 
bezog,  auch  wir  verweilten  daselbst  während  des 
Monats  August.  Mir  zeigte  sich  daselbst  wieder  eine 
neue  Welt,  das  grosse  schöne  Ilelenenthal , auf  der 
einen  Seite  in  Felsenhöhe  die  grosse  Ruine  des  Schlosses 
Rauheneck,  gegenüber  die  von  Rauhenstein,  dazwischen 
in  dem  breiten  Thal  der  Palast  des  Erzherzogs  Karl. 
Jene  beiden  Ruinen  nahm  ich  von  innen  und  von 
aussen  genau  auf. 

Vetter  Mitis  geleitete  mich  nach  Gutenstein  in 
Niederösterreich,  wo  ich  von  der  Schönheit  und  Gross- 
artigkeit  der  Natur  überrascht  wurde.  Hie  noch 
ziemlich  erhaltene  Schlossruine  Gutenstein  liegt  auf 


79 


hohen  steilen  Felsenspitzen;  ich  erkletterte  sie  nicht 
ganz  ohne  Lebensgefahr,  niemand  folgte  mir.  Wie 
die  früheren  Bewohner  hinaufkamen,  blieb  mir  räthsel- 
haft.  Ich  zeichnete,  von  Eulen  und  Fledermäusen  in 
Wirklichkeit,  von  Burggeistern  in  der  Phantasie  um- 
geben, die  inneren  Räume  der  Burg.  In  der  Umgebung 
dieses  ehemaligen  Bergschlosses  liegt  zwischen  Bergen 
und  Tannenwäldern  ein  bedeutendes  Servitenkloster, 
was  die  Romantik  der  Gegend  noch  erhöhte. 

In  Baden  wohnte  als  Badearzt  Dr.  Rollet,  er  war 
mit  der  Familie  meines  Onkels  sehr  befreundet,  besass 
■eine  „technologische“  Sammlung;  das  Wort  „kunstge- 
werblich“ kannte  man  damals  kaum.  Dieser  freundliche 
Mann  erfreute  mich  durch  vieles  Schöne.  Er  verehrte 
mir  aus  seiner  Naturaliensammlung  das  Wiener  Pfauen- 
auge, einen  Schmetterling,  welcher  nur  in  der  Um- 
gegend Wiens  vorkommt. 

Als  wir  in  Baden  beisammen  waren , kam  die 
Schreckensnachricht,  die  Cholera  sei  in  Wien  aus- 
gebrochen. Mein  Onkel  wollte  mit  der  Familie  in  Baden 
bleiben,  aber  sein  Schwiegersohn  Mitis  bestand  darauf, 
dass  Alle  nach  Wien  gehen,  weil  er  dort  dienstlich 
sein  müsse  und  daselbst  die  Familie  am  besten  über- 
wachen könne.  In  Wien  trennten  wir  uns  in  schweren 
Sorgen  und  Schmerz  von  dieser  lieben  Familie  und 
reisten  nach  Aschaffenburg  zurück.  Nur  wenige  Tage 
nach  unserer  Ankunft  erhielt  mein  Vater  die  Trauer- 
botschaft, dass  mein  Onkel  und  dessen  Tochter,  Frau 
von  Mitis,  an  der  Cholera  gestorben  seien.  Unser 
aller  Schmerz,  besonders  der  meines  alten  Vaters  war 
grenzenlos.  Es  kränkte  ihn  um  so  mehr,  als  mein 


80 


Onkel  gegen  seinen  Willen  nach  Wien  zurückreiste, 
wo  die  Cholera  fürchterlich  wüthete , während  in 
Baden  nicht  ein  Cholerafall  vorkam. 

Im  Jahr  1832  reiste  ich  nach  Darmstadt  zu  Dr. 
Franz  Hubert  Müller,  dem  dortigen  Galleriedirektor, 
um  bei  demselben  Unterricht  zu  nehmen.  Er  war  ein 
gründlicher  Zeichnungslehrer  und  wirkte  ganz  in  jener 
Kunstrichtung,  von  welcher  ich  mich  schon  frühzeitig 
angezogen  fühlte ; er  ist  auch  der  Herausgeber  des 
grossen  Prachtwerkes  über  die  Katharinenkirche  zu 
Oppenheim  und  des,  leider  nicht  vollendeten  Werkes: 
„Beiträge  zur  deutschen  Kunst-  und  Geschichtskunde*. 
Dieser  verdienstvolle  Mann  hatte  vier  Söhne , von 
denen  der  älteste,  Johannes,  Professor  der  Physik  an 
der  Universität  zu  Freiburg  war  und  sich  als  Verfasser 
eines  bekannten  physikalischen  Handbuches , des 
„Müller  - Pouillet“  , einen  wissenschaftlichen  Ruf  er- 
erworben  hat ; die  drei  anderen  widmeten  sich  der 
Kunst,  Konstantin  wurde  ein  geschickter  Kupferstecher, 
Andreas  und  besonders  Karl  waren  hervorragende 
Künstler  im  religiösen  Fach.  Leider  entriss  mir  der 
Tod  diesen  vortrefflichen  Lehrer  zu  früh;  er  starb 
im  Jahre  1835*). 

In  demselben  Jahre  fuhr  mein  Vater  mit  mir  nach 
Offenburg  zum  Besuch  meiner  Schwester  und  meines 
Schwagers , der  Direktor  des  damaligen  badischen 
Kinzigkreises  war.  Unter  dem  vielen  Schönen,  was  ich 
daselbst  in  der  Umgebung  sah,  sprach  mich  besonders 

*)  Siehe  die  vortreffliche  Schrift  „Carl  Müller,  sein  Leben 
und  künstlerisches  Schaffen  von  Dr.  Heinrich  Finke.  Köln  1896.“ 
Diese  Schrift  handelt  auch  von  der  ganzen  Familie  Müller. 


81 


die  nahe  gelegene  Ruine  des  Schlosses  Ortenberg  an, 
sie  war  grossartig  und  malerisch,  hatte  einen  gesprengten 
Thurm,  ähnlich  jenem  auf  dem  Heidelberger  Schlosse, 
und  bot  hohes  Interesse  für  unsere  vaterländische  Ge- 
schichte. Auch  dieses  Schloss  war  ein  Opfer  der 
Scheusslichkeit  Ludwigs  XIV.  Während  in  der  Pfalz 
Melac  das  Mordbrennerwesen  betrieb , war  es  hier 
Crequi,  welcher  wie  eine  Bestie  hauste. 

Als  ich  im  Jahr  1833  wieder  nach  Offenburg  kam, 
nahm  ich  diese  Burgruine  mit  möglichster  Genauigkeit 
von  zwei  Seiten  auf  und  führte  sie  in  Aquarell  aus  ; 
was  jetzt  für  mich  besonderen  Werth  hat,  weil  diese 
Ruine  nicht  mehr  vorhanden  ist.  Ein  Herr  von  Berk- 
holz kaufte  die  Ruine,  liess  sie  aber  nicht  wieder  her- 
scellen,  sondern  niederreissen,  und  an  deren  Stelle  ein 
Schloss  in  moderner  Gothik  aufbauen. 

Von  da  reisten  wir  nach  Freiburg  im  Breisgau. 
Wenn  ich  auch  später  wieder  dahin  kam,  so  vergesse 
ich  doch  nicht  den  ersten  Eindruck,  welchen  mir  das 
dortige  herrliche  Münster  machte.  Daselbst  manche 
Kunstschätze  aufsuchend,  kamen  wir  in  die  Werkstätte 
der  Glasmaler  Gebrüder  Andreas  und  Lorenz  Heimle. 
Ich  staunte  über  ihre  Geschicklichkeit  und  freute  mich, 
diese  edle  Kunst,  welche  nach  damaligen  Begriffen 
eine  verlorene  war,  wieder  aufleben  zu  sehen;  daselbst 
kaufte  mir  auch  mein  Vater  zwei  schöne  Glasgemälde. 

Dann  kamen  wir  nach  Strassburg.  Wie  das  Münster, 
das  grossartigste  Werk , das  ich  bis  dahin  gesehen, 
auf  mich  wirkte,  lässt  sich  nicht  beschreiben! 

Jetzt  gehöre  ich  zu  den  sehr  Wenigen,  die  noch 
mit  Interesse  die  im  Jahr  1870  in  Flammen  aufge- 

6 


82 


gangene  städtische  Bibliothek  besucht  hatten.  Diese 
nahm  alle  meine  Sinne  in  Anspruch,  den  berühmten 
Codex  der  I Ierracl  von  Landsperg  sah  ich  genau  durch, 
und  in  späteren  Jahren  musste  ich  oft  mit  Bedauern 
an  das  Material  denken  , welches  ich  noch  für  meine 
Arbeiten  daraus  hätte  gewinnen  können.  Es  ist  mir 
aber  auffallend,  dass  ich  bei  den  Klagen  über  den 
Verlust  dieser  Bibliothek  fast  nur  von  jenem  Codex 
sprechen  höre,  während  eine  grosse  Menge  pracht- 
voller Pergamentmanuscripte  mit  Miniaturmalereien, 
Inkunabeln  und  anderer  Druckwerken  von  unschätz- 
barem Werthe  sich  darunter  befanden.  Ja  es  war  auch 
noch  eine  grosse  Anzahl  verschiedener  Kunstwerke 
daselbst,  welche  eigentlich  nicht  in  eine  Bibliothek 
gehören,  wie  silberne  Pokale,  Werke  von  Bronce  und 
Elfenbein,  Schwerter  aus  dem  16.  Jahrhundert,  mit 
Silber  eingelassen,  Glasgemälde,  darunter  eines  nach 
Martin  de  Vos,  Kinderspiele  darstellend,  vor  1560, 
römische  Ausgrabungen , von  denen  ich  nur  das  be- 
rühmte Glas,  fast  freistehend,  in  einer  Netzumgebung 
aus  einer  Masse  geschliffen,  hervorheben  will.  Das 
zweite  gleiche  Exemplar  befindet  sich  in  Berlin,  das 
dritte,  welches  König  Ludwig  I.  erworben  hat,  in 
München.  Es  hätte  alles  leicht  gerettet  werden  können, 
denn  es  waren  feuerfeste  Gewölbe  vorhanden,  darin 
aber  waren,  wie  man  mir  sagte,  die  elenden  Möbel 
des  Bürgermeisters  geborgen,  die  auf  diese  Weise  ge- 
rettet wurden.*) 

*)  Grosses  Lob  verdienen,  ganz  im  Gegensatz  zu  den  Biblio- 
thekbeamten, die  Archivbeamten,  welche  mit  Lebensgefahr  die 
ihnen  anvertrauten  Schätze  in  die  Keller  schafften  und  sie  so  vom 
Untergang  retteten. 


83 


Damals  bestand  noch  das  Gebäude  „Aubette“  am 
Kleberplatz,  welches  ebenfalls  im  Jahre  1870  in  Flammen 
aufging.  In  demselben  befand  sich  eine  nicht  grosse 
Gemäldesammlung,  meistens  Werke  aus  der  Schule 
und  in  der  klassischen  Richtung  des  Jacques  Louis 
David,  welche  ich  noch  hätte  verschmerzen  können; 
allein  es  war  daselbst  eine  ganze  Reihenfolge  vor- 
trefflicher Glasgemälde  aus  dem  17-  Jahrhundert  auf- 
gestellt, gleich  den  allerbesten  schweizer  Glasge- 
mälden aus  dem  16.  Jahrhundert,  auf  welchen  der 
Name  Lorenz  Link  stand ; von  diesem  vortrefflichen 
Meister  hatte  ich  damals  nie  etwas  gelesen  oder  ge- 
hört*). Erst  später  fand  ich  in  Hermann  Meyer’s  Buche: 
Die  schweizerische  Sitte  der  Fenster-  und  Wappen- 
schenkungen vom  XV.  bis  XVII.  Jahrhundert.  Frauen- 
feld 1884,  Seite  259/60,  dass  Lorenz  Lingk  (Lingg)  zu 
Strassburg  im  Jahre  1582  geboren  wurde;  sein  Vater 
war  der  aus  Zürich  stammende  Glasmaler  Bartholomäus 
Lingk,  der  am  8.  Mai  1582  in  Strassburg  das  Bürger- 
recht erworben  hatte.  Die  unwiederbringlich  verlorenen 
Glasgemälde  enthielten  Darstellungen  aus  dem  alten  und 
neuen  Testamente  und  aus  der  Geschichte  verschiedener 
Heiligen  ; sie  stammten  aus  der  Karthause  Molsheim 
im  Eisass. 


*)  Auch  Wilhelm  Füssli  bedauert  in  seinem  Buche:  Zürich 
und  die  wichtigsten  Städte  am  Rhein.  Zürich  und  Winterthur 
1842,  Bd.  I,  Seite  487,  dass  er  über  diesen  Künstler  weder  in 
Füssli,  Nagler  noch  Gessert  Aufschluss  gefunden  habe.  Er  erwähnt 
übrigens  dort  noch  einen  Leonhard  Link,  den  es  nicht  gegeben  hat. 


6* 


84 


VIII.  Beginn  und  Fortsetzung  meiner  Berufs- 
tätigkeit. 

Schon  lange  vorher  sah  mein  Vater,  dass  ich  das 
mit  weniger  Lust  betrieb,  was  man  damals  allein  Brot- 
studium nannte,  und  mehr  Freude  am  Kunststudium 
hatte.  Das  erfüllte  ihn  mit  Sorgen;  er  sagte  oft:  „Du 
weisst,  dass  mich  Dein  Streben  freut  und  ich  Antheil 
daran  nehme,  aber  bedenke,  dass  dieses  keine  Stelle 
im  Staate  bietet,  und  Dein  Vermögen  leicht  ein  Raub 
des  Unglückes  werden  kann.“  Anders  konnte  damals 
ein  kluger  und  wohlwollender  Vater  nicht  sprechen. 
Da  er  erkannte,  dass  sich  mein  Interesse  nicht  nur 
der  Kunst  und  deren  Geschichte,  sondern  auch  ins- 
besondere dem  Kunsthandwerke  zuwandte , ging  er 
schon  längst  damit  um,  mir  einen  Wirkungskreis  zu 
verschaffen  , in  welchem  ich  Kunst  mit  materiellem 
Nutzen  vereinen  könnte,  und  er  war  deshalb  einem 
Vorschlag  leicht  zugänglich,  nach  welchem  ich  Mit- 
besitzer einer  Porzellanfabrik  nahe  bei  Aschaffenburg 
wurde.  Ich  erhielt  dabei  die  Leitung  alles  dessen, 
was  in  das  Kunstfach  einschlug,  vorzüglich  die  Kupfer- 
stecherei zum  Ueberdruck  und  Einbrennen  von  Orna- 
menten und  bildlichen  Darstellungen  jeder  Art.  Ich 
hatte  dabei  zwei  Kupferstecher  an  meiner  Seite,  Charles 
Regnier  aus  Metz,  welcher  grosse  Geschicklichkeit  in 
Führung  des  Grabstichels  besass,  und  Johann  Klipp- 
han , der  in  früher  Jugend  durch  mich  den  Zeichen- 
unterricht erhalten  hatte  und  besonders  im  Radiren 
und  Aetzen  sehr  geschickt  wurde,  ln  späteren  Jahren 
haben  beide  ihre  Geschicklichkeit  allein  meinen  selb- 


85 


ständigen  Werken  zugewendet  und  sich  dabei  als 
Stecher  und  Radirer  Namen  und  Anerkennung  er- 
worben. Ich  betrieb  dieses  Fach,  welches  sich  zwischen 
Kunst  und  Handwerk  bewegte,  mit  Lust,  besonders 
da  ich  dabei  auch  mein  Sammeln  und  Studiren  in  der 
Kunst  fortsetzen  konnte. 

Um  diese  Zeit  war  Fürst  Ludwig  von  Oettingen- 
Wallerstein  Minister  des  Innern  in  Bayern,  ein  Mann 
von  grossem  Talent  und  vielseitigem  Wissen,  er  war  be- 
geistert für  Bildung  des  Volkes,  Hebung  der  Gewerbe 
und  der  Landwirtschaft;  dadurch  angeregt  gründete 
er  in  Bayern  die  Gewerbeschulen.  Da  er  sich  aber  in 
seinen  idealen  Bestrebungen  öfter  überstürzte  und  zu 
wenig  Finanzmann  war,  hatte  er  das  Loos  so  vieler 
grosser  Männer ; das  gemeine  Volk  und  besonders 
seine  Neider  hoben  stets  seine  Schwächen  hervor,  um 
seine  Verdienste  herunterzusetzen. 

Dieser  Minister  machte  im  Jahr  1833  eine  Rund- 
reise durch  Bayern , bei  welcher  er  seine  Aufmerk- 
samkeit besonders  den  Fabriken  und  Lehranstalten 
zuwendete.  Bei  dieser  Gelegenheit  lernte  er  auch 
mich  kennen.  Ich  hatte  gerade  die  Radirung  einer 
Kupferplatte  mit  einem  Triumphzug  des  Bacchus  nach 
Annibale  Caracci  ausgeführt  und  einige  Zeichnungen 
für  die  Kupferstecher  entworfen,  woran  der  Fürst  grosses 
Wohlgefallen  fand.  Er  besichtigte  die  Fabrik,  in 
welcher  ich  arbeitete,  genau  und  sprach  sich  ausführlich 
darüber  aus,  dass  Kunst  und  Handwerk  nicht  geschie- 
dene Dinge  bleiben  dürfen,  dass  an  Kunst  und  Wissen- 
schaft auch  das  Volk  und  das  praktische  Leben  seinen 
Antheil  haben  müsste  u.  s.  w.  Ideen,  die  zwar  nicht 


8b 


ganz  neu,  allein  dama's  bei  lins  so  gut  wie  zu  Grabe 
getragen  waren.  Da  der  Fürst  mir  ganz  aus  der  Seele 
sprach,  so  fiel  es  ihm  leicht,  mich  für  seine  Sache  zu 
begeistern,  und  da  ich  sah,  dass  er  miL  seinen  Plänen 
verlassen  dastand,  ja  von  der  geleimten  Welt  oft  Hohn 
und  Spott  erfuhr,  und  daher  auch  iiber  keine  Mittel 
zu  verfügen  hatte,  so  Hess  ich  mich  bewegen,  an  der 
im  August  1833  eröffneten  Gewerbeschule,  den  Zeich- 
nungsunterricht selbst  und  zwar  unentgeltlich  zu  leiten, 
eine  Liebhaberei,  welche  Keiner  mit  mir  theilen  wollte. 

Um  diese  Zeit  nahm  Wal'erstein  einen  Akt  vor, 
weicher  mit  dem  Obigen  nichts  zu  thun  hatte,  er  ent- 
setzte zu  memem  und  allgemeinem  Bedauern,  den 
Professor  Aschenbrenner , bei  dem  ich  am  Lyceum 
Philosophie  gehört  hatte,  ohne  Weiteres  seines  Amtes. 
Die  Leichtofleub/okeit  des  Fürsten  und  böse  Ein- 
flüsterungen  mögen  wohl  die  Ursache  gewesen  sein. 

Von  da  an  versah  ich  den  Zeichnungsunterricht 
an  der  neu  gegründeten  Gewerbeschule,  jetzt  Real- 
schule, nach  der  Methode,  welche  schon  in  den 
zwanziger  Jahren  von  Berlin  ausgehend  unter  dem 
Namen  ,,die  Schmitiisclie“  und  später  mit  Verbesser- 
ungen als  Dupuis’sche,  von  Paris  her,  bekannt  wurde. 
Das  Wesentlichste  derselben  bestand  darin , dass  mit 
der  Linie  beginnend,  aufsieigend  ois  zu  komplicirten 
Formen  direkt  lach  der  Natur  gezeichnet,  und  dann 
erst,  wenn  ein  Naturkörper  lichtig  gesehen  und  auf- 
gefasst  war,  die  Erklärung  der  Regeln,  besonders  jene 
der  Perspektive,  angeschlossen  wurde.  Da  es  oft  an 
Vorbedingungen  fehlte,  oina  der  Fortschritt  natürlich 
nicht  immer  schnell,  doch  verlor  ich  die  Geduld  nicht, 


87 


denn  ich  dachte  oft:  „Durch  Lehren  lernen  wir.“  Weil 
meine  pfanze  Sache  auf  das  Selbstsehen  und  Selbst- 
denken  angewiesen  war,  so  hatte  es  für  mich  auch 
ein  psychologisches  Interesse,  denn  ich  sah,  wie  manche 
Jungen,  welche  man  für  dumm  hielt,  das  Gegentheil 
waren , wenn  es  zum  Selbstsehen  und  Selbstdenken 
kam  , und  dass  dagegen  solche , welche  für  gescheit 
galten,  indem  sie  nur  an  das  Auswendiglernen  gewöhnt 
waren , sich  öfter  als  nicht  hervorragende  Geister 
erwiesen. 

Was  ich  lehrte,  war  die  freie  Handzeichnung  mit 
ihrem  Zugehör,  während  an  meiner  Seite  der  schon 
genannte  Professor  Louis  das  Bau-  und  Linearzeichnen 
lehrte. 

Im  Jahr  1835  gegen  Oktober  erging  der  Befehl 
vom  Ministerium,  dass  sich  alle  Rektoren  der  Gewerbe- 
schulen des  ganzen  Königreichs,  mit  Jenen,  welche 
den  Zeichenunterricht  ertheilten,  nach  München  be- 
geben und  daselbst  Proben  dessen  ausstellen  sollten, 
was  bis  dahin  im  Zeichnen  geleistet  wurde. 

Von  Aschaffenburg  aus  reiste  ich  mit  Rektor 
Kittel  und  Professor  Louis  nach  München.  Daselbst 
erschienen  wir,  zu  einer  bestimmten  Stunde,  circa  60 
an  der  Zahl,  im  Ministerium.  Wir  standen  in  einem 
Kreise,  in  dessen  Mitte  der  Herr  Minister,  der  uns 
eine  eingehende  Rede  über  den  Werth  des  Zeichen- 
unterrichtes hielt.  In  dieser  wies  er  nach,  wie  viel 
in  älterer  Zeit  geleistet  wurde,  als  noch  Kunst  und 
Handwerk  eins  waren,  welch’  grosser  Schaden  für 
unser  Vaterland  entstanden,  als  die  Ansicht  geltend 
ward,  dass  Wissenschaft,  Kunst  und  Handwerk  von 
einander  geschiedene  Sachen  seien  u.  s.  w. 


88 


Ich  muss  gestehen,  dass  von  da  an  bis  zur  neueren 
Zeit  in  dieser  Richtung  nichts  erdacht  oder  geschrieben 
wurde,  was  Wallerstein  damals,  wenigstens  dem  Wesen 
nach,  nicht  schon  berührt  hätte. 

In  diesem  Kreise  zeichnete  der  Fürst  besonders 
Professor  Heicleloff  und  mich  aus.  Mir  trug  er  ins- 
besondere auf,  dass  ich  vor  meiner  Abreise  noch  allein 
zu  ihm  kommen  möge. 

Nach  Jener  grossartigen  Audienz  gingen  wir  alle 
zur  Ausstellung  der  Zeichnungen  der  Gewerbeschüler, 
wo  die  Lehrer  schriftlich  ihre  Lehrpläne  vorg-elegt 
hatten.  Der  anwesende  Geheimrath  von  Klenze  sprach 
sein  Urtheil  darüber  aus.  Meine  Lehrmethode  erhob 
er  mit  Lob. 

Bei  dieser  Gelegenheit  hatte  der  Minister  auch 
eine  kleine  Ausstellung  von  gewerblichen  und  kunst- 
gewerblichen Erzeugnissen  veranstaltet  und  dabei  er- 
klärt, wie  nützlich  es  für  den  Fortschritt  sei,  wenn 
solche  Ausstellungen  sich  öfter  wiederholten  und  ver- 
grösserten.  Auch  dieses  beweist,  dass  der  Fürst  vieles 
voraussah  und  richtig  erkannte. 

Spott  und  Hohn  musste  er  erdulden,  als  er  auf 
dem  Lande  die  Obstbäume,  den  Viehstand  u.  s.  w. 
zählen  Hess;  und  jetzt  ist  es  in  der  Statistik  von 
grosser  Wichtigkeit. 

Wir  alle  verweilten  14  Tage  in  München,  da 
Vorkehrungen  getroffen  waren,  dass  uns  nach  Möglich- 
keit das  Wichtigste  von  dem  gezeigt  wurde,  was  auf 
Schule.  Fabriken,  Mechanik  u.  s.  w.  Bezug  hatte,  wobei 
wir  abwechselnd  von  dem  Oberbaurath  Pauli  und 
Professor  Heindel  begleitet  wurden.  Mich  interessirte 


89 


natürlich  das  am  meisten,  was  direkt  auf  alte  und 
neue  Kunst  Bezug  hatte;  auch  in  dieser  Hinsicht  kam 
ich  nicht  zu  kurz  und  lernte  Manches  kennen , was 
mir  nützlich  war.  Es  waren  damals  die  Bauten,  welche 
König  Ludwig  I.  aufführen  liess,  im  Entstehen;  wir 
stiegen  auf  die  Gerüste,  sahen  die  Pläne  u.  s.  w., 
Dinge,  welche  jetzt  allbekannt  sind.  Wir  wurden  unter 
Anderem  in  das  Hof-  und  Nationaltheater  geführt, 
um  die  Einrichtungen  daselbst  kennen  zu  lernen.  An 
einem  Abend  führte  man  den  Verschwender  von  Rai- 
mund auf,  wobei  Raimund  selbst,  als  Gast,  die  Rolle 
des  Valentin  spielte  ; in  den  Zwischenakten  gingen  wir 
auf  die  Bühne,  wo  es  uns  Spass  machte,  wie  Raimund 
die  Statisten  wegen  ihrer  Dummheit  in  seinem  Wiener 
Dialekt  herunterzankte. 

Der  Tag  unserer  Abreise  nahte.  Ich  ging  in  das 
Ministerium,  ersuchte  den  Diener,  mich  anzumelden, 
der  würdigte  mich  indess  keines  Blickes  und  sagte : 
„Es  kann  nicht  sein.“  Ich  dachte:  „O  du  Flegel“, 
wusste  aber,  wie  man  ihm  beikommen  konnte.  Des 
andern  Tages  kam  ich  wieder,  aber  die  Thiire  des 
Herrn  Ministers  war  bereits  dicht  mit  schon  Ange- 
meldeten umstellt;  ich  drückte  dem  höflichen  Diener 
einen  Kronenthaler  in  die  Hand;  nach  einer  Minute 
schaute  er  aus  der  Thiire  des  Herrn  Ministers  und 
hiess  mich  eintreten ; es  entstand  ein  allgemeines 
Murren.  Einige  beriefen  sich  auf  die  Worte  des  Herrn 
Ministers;  der  Bengel  sagte:  „Der  Herr  Minister  sagt 
gar  viel,  was  er  zuletzt  sagt,  das  gilt!“  und  zog  mich 
an  der  Hand,  andere  Herren  auf  die  Seite  stossend, 
hinein. 


90 


Bei  dem  Herrn  Minister  verweilte  ich  eine  volle 
Stunde,  er  sprach  mit  Ausführlichkeit,  dass  die  Kunst 
für  die  allgemeine  Bildung  der  Menschheit,  und  zwar 
auf  allen  Stufen  des  Lebens,  von  hoher  Wichtigkeit  sei; 
dass  das  allgemeine  Geschichtsstudium  ohne  jenes  der 
Kunstgeschichte , immer  eine  mangelhafte  Seite  be- 
halten werde;  dass  die  jetzt  neu  gegründeten  Gewerbe- 
schulen für  das  gewöhnliche  bürgerliche  und  gewerb- 
liche Leben  ausreichen,  aber  auch  zugleich  für  die 
höheren  polytechnischen  Anstalten,  welche  bei  uns  bis 
jetzt  noch  sehr  mangelhaft  seien,  eine  entsprechende 
Grundlage  bilden  müssten.  Daraus  hervorgehend 
würden  noch  ausser  den  Museen  für  Kunstwerke  auf 
der  höchsten  Stufe , auch  Museen  für  Industrie  und 
Kunstgewerbe  entstehen , aber  alle  diese  Museen 
müssten  nicht  nur  als  Am  bewahrungsorte  für  Kostbar- 
keiten und  Seltenheiten,  oder  als  Schaubuden,  sondern 
ais  Lehranstalten  verwaltet  werden.  Auch  sprach  er 
viel  mit  grosser  Sachkenntniss  über  den  Stand  der 
Künste  und  Gewerbe  im  Mittelalter  im  Vergleich  zu 
jenem  in  unseren  Tagen. 

Der  Fürst  begleitete  mich  bis  ins  Vorzimmer  unter 
Händedruck  und  Segenswünschen,  was  den  so  lange 
Harrenden  natürlich  nicht  gefallen  konnte. 

Von  München  zurückgekehrt,  arbeitete  ich  mit 
Eifer  für  die  Gewerbeschule,  die  Fabrik  und  meine 
Kunstsammlungen,  und  machte  manche  kleinere  Reisen 
zum  Zweck  meiner  Arbeiten. 

Nach  jedem  Jahresabschlüsse  war  eine  Ausstellung 
der  Gewerbeschiilei arbeiten,  und  ich  erhielt  dabei 
stets  von  der  Regierung  ein  grosses  Anerkennungs- 


<)1 


schreiben , aut’  Anderes  rechnete  ich  nicht.  Im  Jahr 
1836  bekam  ich  das  Dekret  als  k.  Professor  der 
Zeichnungskunde.  Vier  Jahre  darauf  wurde  ich  auch 
von  der  Universität  Giessen  zum  Doctor  philosophiae 
ernannt;  dass  mich  dies  als  noch  jungen  Mann  freute, 
ist  wohl  natürlich , doch  fühlte  ich  mich  oft  tief  be- 
schämt, wenn  ich  auf  das  Wenige  zurückblickte,  was 
ich  bis  dahin  geleistet  hatte. 

König  Ludwig  I.  verweilte  eine  Reihe  von  Jahren 
hindurch  jeden  Sommer  in  Aschaffenburg,  sein  treuer 
Begleiter  war  der  schon  erwähnte  Freiherr  Heinrich 
von  der  Tann,  der  vieles  Interesse  für  mein  Treiben 
hatte  und  den  König  veranlasst«,  meinen  Vater  und 
nach  dessen  Ableben  auch  mich  öfter  zu  besuchen. 

Auch  die  Königin  Therese,  wie  die  königlichen 
Prinzen  und  Prinzessinnen  beehrten  mich  einige  Male 
mit  ihrer  Gegenwart  in  meiner  Wohnung. 


IX.  Meine  Frau  und  deren  Familie. 

Im  Jahre  1837  den  8.  August  vermählte  ich  mich 
mit  Elise  Pauli,  der  zweiten  Tochter  des  königlich 
bayerischen  Geheimen  Rathes  Anton  Pauli.  Sie  hatte 
mir  alles  geboten,  was  ich  in  meiner  Jugend  nur  von 
einer  vortrefflichen  Frau  und  einer  glücklichen  Ehe 
träumen  konnte.  Ich  lebte  mit  ihr  50  Jahre  weniger 
2 Monate  in  glücklicher  Ehe  und  kann  nur  sagen,  ihr 
Besitz  war  das  grösste  Glück,  und  ihr  Verlust  das 
grösste  Unglück  und  der  grösste  Schmerz  meines 
Lebens. 


Wie  ich  Eingangs  dieser  Zeilen  der  Beziehungen 
meines  Vaters  zu  den  letzten  Kurfürsten  von  Mainz 
gedachte,  so  will  ich  auch  hier  der  Verwandten  meiner 
Frau  gedenken. 

Es  waren  zwei  Brüder  Pauli,  sie  stammten  aus 
einer  angesehenen  bürgerlichen  Familie  in  Mainz,  er- 
langten viele  Ehrenämter  und  siedelten,  wie  mein 
Vater,  mit  dem  letzten  Kurfürsten  nach  Aschaffenburg 
über.  Der  Vater  meiner  Frau  wurde  von  diesem  und 
noch  mehr  von  dessen  Nachfolger  , dem  Fürsten  Primas 
Karl  von  Dalberg,  zuerst  als  Hofrath , dann  als 
Geheimer  Rath  in  vielen  Dingen  und  besonders  in 
Finanzangelegenheiten  zu  Rath  gezogen.  Die  Mutter 
meiner  Frau  war  eine  geborene  Freiin  Philippine 
von  Hagen,  von  mütterlicher  Seite  die  Nichte  des 
vorletzten  Kurfürsten  von  Mainz  Emrich  Joseph,  aus 
der  Familie  der  Freiherren  von  Breidbach-Bürresheim. 
Der  Onkel  meiner  Frau,  Staatsrath  von  Pauli,  war 
ein  vielseitig  gebildeter  Mann,  dem  Karl  von  Dalberg 
die  oberste  Leitung  des  Schulwesens  in  Aschaffenburg 
und  später  im  Grossherzogthum  Frankfurt  übertragen 
und  den  er  schon  als  Rector  magnificus  der  Universität 
bezeichnet  hatte,  welche  er  in  Aschaffenburg  zu  gründen 
gedachte.  Pauli  war  Leibarzt  des  letzten  Kurfürsten 
Friedrich  Karl;  da  ihn  Dalberg  nicht  als  solchen  an- 
nahm, entstand  das  Gerücht,  als  sei  er  bei  dem  hohen 
Herrn  in  Ungnade  gefallen.  Darauf  hat  das  eigen- 
händige Schreiben  Dalbergs  Bezug,  welches  ich  noch 
besitze  und  als  Charakterbild  hier  wiedergebe : 

„Geheimderath  pauli  ist  einer  meiner  besten 
Freunde;  auch  habe  ich  ihm  den  Gegenstand  anver- 


93 


traut,  der  mir  am  meisten  am  Herzen  liegt:  Die  Geistes 
Bildung  der  hiesigen  Jugend. 

Meinem  freund  Pauli  eröfne  ich  hiermit  in  Freund- 
schaft 1 mo-,  dass  Dr.  Knod  mein  Arzt  und  Lorum  (?) 
mein  Wund-Arzt  hier  sind. 

2do-,  dass  ich  mit  ihm  ausser  diesen  dahier  in 
meinemLeben  von  meiner  Gesundheit  nie  sprechen 
werde. 

Feyerlich  erkläre  ich  hiermit:  dass  ich  den  G.  R. 
pauli  für  einen  grosen  Arzt  halte  ; der  Geist,  Wissen- 
schaft, Rechtschaffenheit  mit  der  Weissheit  des  Hypo- 
crates vereinigt : Medicus  non  nisi  vocatus.  Denen  guten 
Aschaffenburgern  bin  ich  von  Herzen  ergeben.  Sollte 
meine  unabänderliche  Entschlüssung  zu  schiefem  Urtheil 
Anlass  geben?  dann  erkläre  ich:  dass  wer  meinen 
Freund  pauli  beleidigt?  der  beleidigt  mich  — und  Carl 
von  Dalberg  lässt  sich  das  Recht  nicht  nehmen , das 
jedem  Bürger  und  Landmann  zustehet : Seinen  Arzt 
und  Wundarzt  selbst  zu  wählen. 

Ich  bin  mit  groser  Hochachtung 

des  Hr.  Geheimde  Rath  Pauli 
aufrichtiger  Freund 

Von  Herzen  Carl. 

Aschaffenburg  1/.  april  1809.“ 

Als  Pauli  in  seinen  letzten  Jahren  viel  an  Gicht 
litt,  besuchten  ihn  fast  täglich  seine  besten  Freunde, 
Döllinger,  der  später  so  berühmte  Gelehrte,  und  der 
schon  erwähnte  Professor  der  Philosophie  Aschen- 
brenner. 


94 


X.  Beginn  meiner  Werke. 

Im  Jahre  1839  kam  Joseph  Maria  von  Radowitz, 
damals  kgl.  preussischer  Militärbevollmächtigter  am 
Bundestag  zu  Frankfurt  a.  M.,  nach  Aschaffenburg, 
um  sich  dem  König  Ludwig  I.  vorzustellen.  Sein  Sohn 
ist  der  jetzige  deutsche  Botschafter  in  Madrid.  Jener 
besass  ein  vielseitiges  Wissen  und  war  für  Kunst  und 
Geschichtsstudium  sehr  begeistert , Heinrich  von  der 
Tann  führte  ihn  zu  mir.  Er  fand  grosses  Wohlgefallen 
an  meinem  Schaffen  und  Sammeln  und  sprach  zu  mir 
ein  Wort  zur  rechten  Zeit  und  am  rechten  Orte,  indem 
er  sagte,  dass  ihn  mein  ganzes  Wirken  sehr  freue, 
jedoch,  wenn  ich  etwas  schaffen  wolle,  was  Bedürfniss 
der  Zeit  sei  und  eine  Zukunft  habe,  wäre  es  ein  Werk 
über  die  Trachten  des  Mittelalters,  aber  nur  direkt 
nach  gleichzeitigen  Kunstdenkmalen  und  Kunstwerken 
jeder  Art.  welche  noch  nicht  veröffentlicht  seien.  Es 
würde  dadurch  nicht  nur  Werth  für  die  Geschichte 
des  Kostüms,  sondern  auch  für  das  Kunst-  und  Ge- 
schichtsstudium im  Allgemeinen  erhalten  und  sich  weit 
von  den  bisherigen  Trachtenbüchern  unterscheiden,  die 
nur  für  'Theater,  Maskeraden  etc.  berechnet  seien. 

Diese  Gedanken  waren  mir  wohl  einleuchtend, 
jedoch  musste  ich  besorgen,  dass  meine  Kräfte  zu 
einem  solchen  Unternehmen  nicht  ausreichen  würden, 
und  dass  ein  solches  Werk,  das  in  Lieferungen  mehrere 
Jahre  hindurch  erscheine,  und  wofür  der  Verleger 
einen  hohen  Preis  fordern  müsse,  wohl  geringen  Absatz 
finden  werde  u.  s.  w.  Radowitz  suchte  mir  diese  Be- 
denken zu  beseitigen  und  sagte  unter  Anderem,  ich 


hätte  die  Vorbedingungen  zu  einem  solchen  Werke 
schon  erfüllt , dieselben  beständen  in  Liebe  zu  dem 
Fache,  in  Fleiss,  Geschicklichkeit  im  Zeichnen  und 
Ausdauer,  ich  dürfte  meine  Kräfte  nur  nicht  zer- 
splittern u.  s.  f. 

In  Frankfurt  hatte  ich  schon  manche  Freunde 
und  Bekannte  im  Fache  der  Kunst  und  fand  durch 
Radowitz  deren  noch  mehr,  mit  welchen  ich  mich 
berathen  konnte.  Da  ich  auf  meinen  Namen  und  meine 
Kräfte  allein  wenig  Vertrauen  hatte,  ersuchte  ich 
M änner  wie  Graf  Pocci,  Philipp  Veit,  Eduard  Steinle, 
Friedrich  Hoffstadt,  Krieg  von  Hochfelden  u.  A.  ihre 
Namen  als  Mitwirkende  auf  den  Titel  zu  setzen,  doch 
waren  dieselben  durch  ihren  Beruf  zu  sehr  in  Anspruch 
genommen , auch  lag  ihnen  dieses  Gebiet , das  bisher 
wohl  als  eine  schöne  Liebhaberei,  aber  nicht  als  ein 
ernstes  Fachstudium  betrachtet  wurde,  zu  ferne,  sie 
sahen  daher  nicht  ungern  ihre  Namen  nach  den  ersten 
Lieferungen  auf  dem  Titel  verschwinden  ; sie  hatten 
auch  den  Zweck  erreicht,  mir  durch  ihre  Namen  den 
W eg  zu  bahnen.  Daher  war  ich  bald  genöthigt,  mich 
auf  meine  eigenen  Kräfte  zu  verlassen. 

Schon  bald  nach  den  ersten  Berathungen  hatte 
ich  den  Prospekt,  Proben  des  Textes  und  der  Ab- 
bildungen angefertigt.  Es  handelte  sich  nun  um  einen 
Verleger;  als  der  beste  in  Deutschland  wurde  mir 
Artaria  in  Mannheim  empfohlen ; ich  reiste  zu  ihm 
und  legte  ihm  die  Sache  vor,  er  erkannte  alles  als 
vortrefflich  und  nannte  es  ein  wahres  Bedürfniss  der 
Zeit  etc.,  aber  leider  müsse  er  mir  aus  Erfahrung 
sagen,  dass  ein  solches  WTerk  zu  hohem  Preis,  in  Lie- 


— 96  - 


ferungen  10  Jahre  hindurch  erscheinend,  nur  von 
England  ausgehen  dürfe,  und  ein  deutscher  Verleger 
es  nicht  übernehmen  könne,  wenn  ich  nicht  statt  meines 
deutschen  Namens  einen  englischen  darauf  setze  und 
es  durch  einen  deutschen  Verleger  von  England  aus- 
gehen lasse;  erst  wenn  eine  Reihe  von  Lieferungen 
erschienen  seien,  und  das  Werk  Beifall  gefunden  habe, 
dann  könne  ich  mit  meinem  deutschen  Namen  hervor- 
treten. Das  Ausland  habe  auf  ein  deutsches  Werk 
dieser  Art  kein  Vertrauen,  und  am  allerwenigsten  der 
Deutsche  selbst.  Diese  bittere  Wahrheit,  für  welche 
ich  danken  musste,  machte  mir  einen  Eindruck,  als 
hätte  man  mir  ins  Gesicht  geschlagen , weil  ich  ein 
guter  Deutscher  bin.  Ich  erklärte,  dass  ich  nie  meinen 
deutschen  Namen  verleugnen  würde , und  ersuchte 
Artaria,  mir  eine  Persönlichkeit  zu  nennen,  bei  welcher 
ich  mir  noch  Rath  erholen  könnte,  er  nannte  mir  seinen 
Kollegen  Heinrich  Hoff  in  Mannheim.  Diesem  legte 
ich  meinen  Plan  vor,  nach  kurzem  Ueberlegen  sagte 
er:  „Ich  will  Ihr  Verleger  sein;  wenn  Sie  für  deutsche 
Ehre  arbeiten,  so  will  ich  es  auch  thun!“ 

Das  Werk  war  berechnet  auf  drei  starke  Gross- 
quartbände, welche  in  Lieferungen  erscheinen  sollten, 
mit  deutschem  und  französischem  Text,  Abbildungen 
in  Kupferstich,  einer  aus  freier  Hand  kolorirten 
Prachtausgabe  zu  dem  Preis  von  600  Gulden,  und 
einer  unkolorirten , mit  Beschreibung  der  Farben  im 
Texte,  zu  60  Gulden;  zur  Vollendung  des  Ganzen 
waren  10  |ahre  berechnet.  Ich  nenne  hier  Geld  und 
Zeit  nur  um  zu  zeigen , welche  Schwierigkeiten  der 
Arbeit  entgegen  standen. 


97 


Schon  am  20.  Mai  1840,  an  meinem  29.  Geburtstag-, 
Unterzeichneten  wir,  d.  h.  Hoff  und  ich,  den  Vertrag, 
und  zugleich  erschienen  die  drei  ersten  Lieferungen 
miteinander. 

Dieses  Werk  unter  dem  Titel:  „Trachten  des  christ- 
lichen Mittelalters,  nach  gleichzeitigen  Kunstdenk- 
malen“, nahm  von  da  an  seinen  geregelten  Fortgang 
und  fand  gute  Aufnahme , jedoch  nicht  ohne  grosse 
Mühen  und  Sorgen  von  meiner,  wie  von  des  Verlegers 
Seite.  Die  sehr  sparsame  Hülfe,  welche  ich  Anfangs 
bei  Künstlern  und  Gelehrten  fand , wurde  immer  ge- 
ringer, und  ich  hatte  bald  das  Gefühl,  als  sei  mir  der 
Roden  unter  den  Füssen  hinweggezogen.  Das  Material, 
das  ich  zu  meinem  Zwecke  nöthig  hatte,  musste  ich 
meistens  in  der  Ferne  suchen,  weshalb  ich  oft  auf 
Reisen  sein  musste,  und  doch  durfte  auch  die  Arbeit 
zu  Hause  für  Verleger , Kupferstecher,  Koloristen 
Drucker  u.  s.  w.  nicht  ins  Stocken  n-erathen.  Natürlich 
musste  ich  auch  meine  Thätigkeit  und  Betheiligung 
an  der  Fabrik  wie  an  der  Gewerbeschule  aufgeben. 

Die  mannigfachen  Erfindungen,  welche  mir  das 
Reisen  und  meine  Arbeit  überhaupt  erleichtert  hätten, 
kannte  man  damals  noch  nicht. 

Im  Jahr  1840,  als  die  ersten  Lieferungen  dieses 
meines  ersten  Werkes  vom  .Stapel  liefen,  besuchte  ich  in 
Konstanz  meine  Schwester,  deren  Gemahl  Regierungs- 
direktor daselbst  war.  Dieses  alte  Costniz,  mit  seinen 
Denkmalen  und  historischen  Erinnerungen , bot  mir 
für  mein  Denken  und  Schaffen  unschätzbares  Material. 
Die  Münsterkirche  daselbst  nahm  mich  zuerst  in  An- 
spruch. In  der  anstossenden  St.  Mauritiuskapelle 


zeichnete  ich  die  Figuren  der  Ritter,  die  als  Wächter 
einer  Nachbildung  des  heiligen  Grabes,  aus  dem  13. 
Jahrhundert  stammend,  dort  aufgestellt  sind.*)  Eben- 
so in  der  damit  verbundenen  Margarethakapelle  das 
Bildniss  Wilhelms  I.,  Markgrafen  von  Baden,  f 1473, 
in  voller  Rüstung,  das  sich  als  Wandgemälde  über  dem 
prachtvollen  Grabdenkmal  Otto  III.,  Markgrafen  von 
Hochberg,  Bischofs  von  Konstanz,  f 1434.  befindet.**) 

Ausser  dem  noch  so  vielen  Merkwürdigen  daselbst 
sah  ich  auch  in  dem  ehemaligen  Kapitelsaal  des 
Münsters  die  unschätzbare  Privatsammlung  von  Vincent. 
Sie  bestand  vorzüglich  aus  den  prachtvollsten  schweizer 
Glasgemälden  des  16.  Jahrhunderts,  leider  wurde  sie  im 
Jahre  1 883  durch  Versteigerung  in  alle  Weltgegenden  zer- 
streut und  ist  für  uns  in  Deutschland  für  immer  verloren. 

Das  Rathhaus  von  Konstanz  war  mir  schon  als 
Bau  von  Interesse  , aber  noch  viel  mehr  durch  seinen 
Inhalt  an  wichtigen  Urkunden,  darunter  in  erster  Linie 
das  weltberühmte  Tagebuch,  welchesUlrich  von  Richen- 
tal (Reichenthal)  über  das  Concilium  in  Konstanz  1414 
führte ; es  ist  zwar  mit  rohen,  aber  für  Zeit  und  Sitte 
klar  sprechenden  kolorirten  Federzeichnungen  ver- 
sehen***). Ich  kopirte  mehreres  daraus  für  meine  Ver- 

*)  Vergl.  zweite  Auflage  meines  Werkes:  Trachten,  Kunst- 
werke und  Geräthschaften  etc.  Band  II.  Frankfurt  a.  M.  1881. 
Tafel  122/3. 

**)  Ebenda.  Bd.  V.  Frankfurt  a.  M.  1884.  Tafel  296. 

***)  Im  Jahre  1869  in  photographischer  Nachbildung  durch 
den  Hofphotographen  Wolf  in  Konstanz  herausgegeben,  auch  sind 
die  Holzschnitte  der  1483  und  1536  in  Augsburg  erschienenen  Be- 
schreibungen des  Konstanzer  Concils  nach  diesen  I landzeichnungen 
gefertigt. 


öffentlichungen.  Der  damalige  Bürgermeister  Hüetlin 
hatte  die  Güte,  die  für  mich  wichtigsten  Stellen  der 
I Iandschrift  mit  diplomatischer  Genauigkeit  selbst  ab- 
zuschreiben. Jetzt  befindet  sich  dieses  geschichtliche 
Kleinod  in  dem  städtischen  Museum,  genannt  „in  dem 
Rosgarten.“ 

Ein  Mann  von  besonderer  Bedeutung  war  um 
diese  Zeit  in  Konstanz  Ignaz  Heinrich  Karl  Freiherr 
von  Wessenberg , ehemaliger  Bisthumsverweser  von 
Konstanz,  berühmt  durch  seine  grosse  schriftstellerische 
Thätigkeit,  durch  sein  Streben,  eine  nationale  deutsche 
Kirche  zu  gründen,  und  durch  seine  Kunstliebe.  Seine 
Bibliothek  und  Kunstsammlung  waren  mir  von  grossem 
Interesse.  Wessenberg  war  mit  dem  bereits  mehrfach 
genannten  Fürst  Primas  Karl  von  Dalberg  sehr  be- 
freundet und  war  von  diesem  im  Jahre  1814  zu  seinem 
Koadjutor  im  Bisthum  Konstanz  berufen  worden,  er 
erhielt  aber  von  der  römischen  Kurie  nicht  die  Be- 
stätigung. Als  er  nach  Dalberg’s  Tode  von  dem 
Domkapitel  zum  Bisthumsverweser  gewählt  wurde, 
verwarf  der  Papst  auch  diese  Wahl.  Nichts  desto- 
weniger  wurde  er  von  dem  Grossherzog  von  Baden 
in  der  Ausübung-  seines  Amtes  geschützt,  bis  er  es 

o o 

im  Jahre  182/  durch  die  Gründung  der  rheinischen 
Kirchenprovinz  verlor,  wodurch  das  Bisthum  Konstanz 
aufgelöst  wurde. 

Die  berühmte  Malerin  Maria  Ellenrieder  zu  Kon- 
stanz war  mit  meiner  Schwester  sehr  befreundet.  Gerade 
um  diese  Zeit  wurde  sie  als  berühmte  Constanzerin 
erwählt,  an  einem  neuen  Dampfschiff  auf  dem  Boden- 
see die  Taufe  zu  vollziehen,  welches  den  Namen 


100 


Constanzia  erhielt.  Auch  lernte  ich  dort  den  ge- 
schickten Glasmaler  Dr.  Stanz  aus  Bern  kennen. 

Nachdem  mir  Konstanz  so  Vieles  von  Wichtigkeit 
geboten  hatte,  folgte  ich  der  Einladung  des  Freiherrn 
Joseph  von  Lassberg  und  verweilte  bei  demselben 
auf  seinem  schönen  alten  Schlosse  zu  Meersburg  am 
Ufer  des  Bodensees  8 Tage  als  Gast.  Lassberg  stand 
damals  in  seinem  70.  Lebensjahr;  er  war  durch  die 
Herausgabe  verschiedener  altdeutscher  Lieder,  darunter 
die  des  Nibelungenliedes,  nach  den  in  seinem  Besitze 
befindlichen  Original-Handschriften,  sowie  durch  seine 
historischen  Kenntnisse  sehr  bekannt.  Seine  Gemahlin 
war  die  Nichte  des  Freiherrn  Clemens  August  von 
Droste  zu  Vischering,  Erzbischofs  von  Köln,  der  um 
jene  Zeit  durch  seinen  Streit  mit  der  preussischen 
Regierung  viel  von  sich  reden  machte.  Lassberg's 
zwei  Töchterchen,  Zwillingsschwestern,  waren  damals 
7 Jahre  alt. 

Der  Umgang  mit  Lassberg  bot  mir  manche  werth- 
volle Belehrung.  Ausser  vielen  mittelalterlichen  Kunst- 
werken  besass  er  eine  höchst  werthvolle  Bibliothek, 
in  welcher  ich  Studien  machte  und  Kopien  anfertigte. 
Von  den  vielen  Pergamentmanuscripten  mit  Miniatur- 
gemälden erwähne  ich  nur  das  französische  Minne- 
gedicht „Les  voeux  du  Paon“,  da  dieses  ganz  beson- 
deren Werth  für  die  Geschichte  der  Sitten,  Waffen, 
Trachten  etc.  vom  Beginne  bis  zum  Schlüsse  des 
14.  Jahrhunderts  besitzt.*) 

*)  Vergl.  die  zweite  Auflage  meines  Werkes:  Trachten,  und 
Geriithsrhaften  etc.  Bd.  III.  Frankfurt  a.  M.  1<S82.  Tafel  167. 


101 


Zu  derselben  Zeit  war  auch  Professor  Beaute,  der 
frühere  Hotmeister  des  jungen  Louis  Napoleon,  als 
Gast  bei  Lassberg.  Es  war  am  29.  August,  dem 
Geburtstage  des  Grossherzogs  Leopold  von  Baden,  da 
sassen  wir  im  Kreise  der  Familie  an  der  Tafel  in  dem 
Saale  des  runden  Thurms , von  wo  aus  man  den 
Bodensee  nach  verschiedenen  Richtungen  überblickte; 
dem  hohen  P'este  zu  Ehren  wurde  auf  den  Schiffen 
kanonirt. 

Kurze  Zeit  vorher  hatte  Louis  Napoleon  seinen 
zweiten  Erhebungsversuch  in  Boulogne  ausgeführt  und 
befand  sich  damals  in  Folge  dessen  in  Gefangenschaft. 
Bekanntlich  war  er  nach  seinem  ersten  verunglückten 
Versuche  in  Strassburg  (1836)  nach  Amerika  geschafft 
worden,  von  wo  er  aber  nach  wenigen  Monaten  auf 
die  Nachricht  von  der  Erkrankung  seiner  Mutter  nach 
Europa  zurückkehrte.  Der  zweite  Versuch  in  Boulogne 
trug  ihm  lebenslängliche  Haft  in  der  Citadelle  Ham 
ein,  aus  der  er  am  25.  Mai  1846  entwich. 

Dieses  Ereigniss  gab  dem  alten  Hofmeister  vielen 
Stoff  zur  Erzählung;  er  sagte  unter  Anderem : „Napoleon 
ist  talentvoll,  muthwillig  und  gutmüthig ; ich  habe  ihn 
sehr  lieb  gewonnen.  Leider  hat  er  die  fixe  Idee,  er 
sei  von  der  Vorsehung  berufen,  Kaiser  von  Frankreich 
zu  werden,  wovon  er  nicht  abzubringen  ist,  und  darüber 
wird  er  sicher  zu  Grunde  gehen , denn  es  kann  ja 
gewiss  kein  vernünftiger  Mensch  glauben,  dass  er 
jemals  Kaiser  von  Frankreich  wird.  Er  thut  mir 
sehr  leid.“  — 

Von  Meersburg  aus  machte  ich  einen  Abstecher 
auf  das  Schloss  Heiligenberg;  dasselbe  war  früher  eine 


102 


grossartige  Abtei  und  damals  im  Besitze  des  Fürsten 
Karl  Egon  von  Fürstenberg,  bei  welchem  ich  sehr 
gute  Aufnahme  fand.  Ich  lernte  auch  dessen  Kammer- 
herrn Pfaff  von  Pfaffenhof  und  den  Hofmaler  L.  Frank 
kennen.  Man  zeigte  mir  den  ehemaligen  Kapitelssaal, 
jetzt  Ahnensaal  des  Fürsten,  derselbe  gehört  zu  dem 
Prachtvollsten,  was  ich  in  der  Art  gesehen  hatte.  Der 
Plafond  zeigt  in  den  Architekturformen  der  Renaissance 
schwebende  Genien  mit  Blumenguirlanden  in  reicher 
Phantasie.  Unter  den  lebensgrossen  Ahnenbildnissen 
an  den  Wänden  sprach  mich  besonders  jenes  des 
kriegerischen  Grafen  Wilhelm  von  Fürstenberg,  f 1549, 
an.  Als  der  Fürst  erfuhr,  dass  ich  dasselbe  gerne  für 
mein  Werk  kopiren  möchte,  liess  er  mir  es  durch  den 
genannten  Hofmaler  Frank  in  Aquarell  vortrefflich 
hersteilen.*)  Ich  kehrte  nach  Meersburg  zurück,  ver- 
abschiedete mich  bei  Lassberg,  dem  ich  viel  zu  danken 
hatte  und  von  welchem  ich  später  noch  manche  inter- 
essante Schreiben  erhielt. 

Ehe  ich  den  Bodensee  verliess ; besuchte  ich  das 
reizend  gelegene  Ueberlingen,  dessen  schöne  Kirche, 
das  prachtvolle  Rathhaus  mit  seinem  wunderbaren 
Saal  im  gothischen  Stil  mit  Tafelwerk,  Ornamenten, 
Figuren  und  Wappen  in  Lindenholz  geschnitten  mir  unge- 
mein gefielen,  ln  baulicher  Hinsicht  bietet  Ueberlingen 
noch  gar  manches  Interessante.  In  einem  späteren  Jahr 
durchsuchte  ich  mit  meinem  Freund  Ferdinand  von  Quast 
diesen  schönen  Ort  gründlich,  ebenso  noch  andere  Orte 
in  der  Umgebung  von  Konstanz,  darunter  das  nahe- 


*)  Heiner- Alteneck,  Trachten,  Kunstwerke  und  Gerät- 
schaften etc.  2.  Aull.  Bd.  VIII.  Frankfurt  a.  M.  1887.  Tafel  552. 


103 


liegende  Kreuzlingen  mit  seiner  alten  Klosterkirche, 
darin  die  reichhaltige  Darstellung  des  Leidens  Christi 
in  ungefähr  400  freistehenden  in  Holz  geschnitzten 
Figuren,  aus  dem  17.  Jahrhundert  stammend.*) 

Von  den  vielen  Reisen,  die  ich  unternehmen 
musste,  um  historische  Denkmale,  welche  bis  dahin 
unbekannt  geblieben  waren,  aufzunehmen,  muss  ich 
jene  nach  Aachen  erwähnen,  weil  sie  mir  besonderen 
Nutzen  brachte.  Es  war  daselbst  Arthur  Martin  aus 
Paris  eingetroffen,  ein  Geistlicher,  geschickter  Zeichner 
und  Kunstforscher,  bekannt  durch  sein  mit  Charles 
Cahier  herausgegebenes  Werk:  „Melanges  d’archeo- 
logie,  d’histoire  et  de  litterature“.  Er  hatte  schon 
einige  Tage  in  der  Schatzkammer  des  Münsters  Auf- 
nahmen gemacht,  bei  denen  stets  der  Schatzmeister 
und  französische  Prediger  Weidenhaupt  zugegen  sein 
musste.  Dieser  war  in  Folge  dessen  sehr  erschöpft 
und  hielt  deswegen  die  Schatzkammer  für  andere 
Menschen  verschlossen;  Stadtbaumeister  Ark,  an  den 
ich  mich  wandte,  war  empört  darüber,  dass  man  mir 
als  Deutschen  das  versagte,  was  man  einem  Ausländer 
gestattete,  doch  fiel  es  ihm  nicht  schwer,  mir  den 
Zutritt  zu  verschaffen.  Der  Schatzmeister  hatte  nun 
auch  noch  Geduld  für  mich,  und  an  Martin  fand  ich 
einen  sehr  freundlichen  Mann,  von  dem  ich  Manches 
lernte.  Dazu  kam  noch,  dass  gerade  zu  derselben 
Zeit  Ferdinand  von  Quast  von  Berlin  eintraf,  der  in 

*)  Siehe  die  Veröffentlichung  unter  dem  Titel  „Passionswerk, 
genannt  der  Oelberg  in  der  Pfarrkirche  zu  Kreuzlingen  bei  Konstanz. 
30  photographische  Aufnahmen  in  30  grossformat  Blättern  von  Her- 
mann Wolf,  Hofphotograph  in  Konstanz.  1895. 


104 


seiner  neuen  Stelle  als  Conservator  der  Kunstdenkmale 
und  Älterthümer  Preussens  seine  erste  Dienstreise 
machte.  Ich  konnte  daselbst  nicht  nur  für  meine 
Zwecke  werthvolle  Zeichnungen  anfertigen,  sondern 
auch  an  der  Seite  dieser  beiden  Männer  das  ganze 
Münster  genau  untersuchen. 

Ein  Theil  der  Säulenschafte,  welche  Karl  der 
Grosse  aus  Ravenna  hatte  bringen  lassen,  standen  noch 
in  Kisten  verpackt  da,  nachdem  sie  Napoleon  I.  nach 
Paris  geschleppt  und  die  Alliirten  sie  wieder  zuri'ick- 
•Teholt  hatten.  Wir  fanden  auch  noch  die  dazu- 
gehörigen  Sockel.  Von  besonderem  Interesse  für  mich 
war  der  von  Friedrich  Barbarossa  gestiftete  kolossale 
Kronleuchter  mit  emaillirtem  Bildwerk,  das  Missale 
Otto  III.,  die  heidnischen  Kunstschätze,  in  Cameen 
und  Elfenbeinarbeiten  bestehend,  welche  Karl  der 
Grosse  als  christlichen  Kirchenschmuck  verwendete. 
Vergebens  suchten  wir  aber  nach  der  Gruft,  in  welcher 
Karl  der  Grosse  einbalsamirt  in  vollem  Ornate  bei- 
gesetzt worden  sein  soll. 

Quast  reiste  von  da  mit  mir  in  gleichem  Interesse 
nach  Köln , wo  ich  kurz  vorher  schon  war.  Ich  traf 
daselbst  wieder  den  Dombaumeister,  Regierungsrath 
Zwirner.  Eingehend  untersuchten  wir  daselbst  den 
Dom  und  verglichen  damit  die  noch  vorhandenen 
Original-Baupläne.  Mit  Quast  kam  ich  auch  noch 
öfter  bei  mehreren  Gelegenheiten  zusammen,  er  blieb 
mir  bis  an  sein  Ende  ein  wohlwollender  Freund ; bei 
vielen  Gelegenheiten  wiederholte  er  mir  die  Worte: 
,,Sie  sollten  dieselbe  Stelle  in  Bayern  haben,  welche 
ich  jetzt  in  Preussen  besitze,  denn  Sie  haben  schon 
alle  Eigenschaften  dazu.“  — 


Günstige  Recensionen  haben  nicht  immer  einen 
Werth,  es  kommt  darauf  an,  von  wem  sie  ausgehen 
und  unter  welchen  Umständen  sie  geschrieben  werden. 
Die  zwei  ersten  jedoch,  welche  über  meine  Arbeit 
erschienen,  mussten  mich  den  Umständen  nach  über- 
raschen und  erfreuen.  Es  war  jene  von  Franz  Kugler, 
dem  Manne  von  so  bedeutendem  Ansehen  in  der 
Kunstwelt,  welchem  ich  damals  persönlich  noch  ganz 
unbekannt  war,  im  Stuttgarter  Kunstblatt  1843  Nr.  73 
und  74.  Er  setzte  darin  den  Zweck  und  vielseitigen 
Nutzen  meines  Werkes  gründlich  auseinander,  lobte 
meine  Arbeit  über  die  Massen , deren  Mängel  wohl 
niemand  besser  kannte  als  ich  selbst,  und  schloss  mit  dem 
Wunsche,  „dass  es  nicht  wie  so  manch’  schönes  deutsches 
Unternehmen  als  unvollendeter  Tors'o  abbrechen  werde.“ 
Kugler  sah  noch,  dass  es  nicht  so  kam.  Wie  sehr 
hätte  es  mich  gefreut , wenn  er  noch  erlebt  hätte, 
dass  dieses  Werk  später  noch  eine  zweite  und  grössere 
Auflage  erhielt,  welche  auch  vollendet  wurde. 

Eine  zweite  Kritik  oder  vielmehr  eine  ausführliche 
Abhandlung  über  mein  Werk  ging  zu  meiner  grossen 
Ueberraschung  von  England  aus,  d.  h.  von  der  britischen 
archäologischen  Gesellschaft  in  „The  Archaeological 
Journal  1845“.  Hier  war  meine  Arbeit  viel  mehr,  als  sie 
es  verdiente,  gelobt,  während  ich  besorgen  musste,  dass 
sie  gerade  von  da  aus  in  Schatten  gestellt  werde.  Es 
ist  darin  gleich  Anfangs  gesagt,  dass  ich  an  der  Spitze 
vieler,  in  Europa  zerstreuter  Künstler  und  Gelehrter 
ein  Werk  geschaffen  habe,  welches  alles  in  dieser 
Richtung  bisher  erschienene  übertrifft,  (,,a  work  superior 
in  interest  and  artistic  character  to  any  which  have 
hitherto  appeared  on  the  subject  of  costume“). 


106 


Das  machte  einen  eigenen  Eindruck  auf  mich,  da 
doch  die  ganze  Last  fast  allein  auf  meinen  schwachen 
Schultern  ruhte.  Auch  ist  dabei  gesagt,  dass  man 
durch  meine  Arbeit  viele  historische  Denkmale  kennen 
gelernt  habe,  wie  sie  bis  jetzt  in  England  unbekannt 
waren.  Um  dieses  durch  Beispiele  nachzuweisen,  sind 
in  dieser  Zeitschrift  drei  Ritter  und  ein  Kaiser  auf 
Seite  215,  217  bis  219  in  guten  Holzschnitten  aus 
meinem  Werke  nachgebildet. 

jene  beiden  ersten  Kritiken  mussten  mich  um  so 
mehr  freuen,  als  dabei  ein  jeder  Verdacht  einer  per- 
sönlichen Rücksicht  ausgeschlossen  war,  denn  die  Ver- 
fasser derselben  kannten  damals  weder  mich  noch 
meinen  Verleger.  Es  folgten  darauf  über  dieses,  wie 
über  meine  andern  Werke,  welche  50  (ahre  hindurch 
erschienen,  noch  viele  und  stets  günstige  Recensionen. 
Den  Verfassern  derselben  danke  ich  allen  und  will 
unter  ihnen  nur  diejenigen  nennen , die  nicht  mehr 
unter  den  Lebenden  weilen,  nämlich:  Geheimen  Rath 
von  Sotzmann,  Wilhelm  von  Lübke,  August  von  Heyden, 
Arthur  Pabst. 

Nachdem  jenes  erste  Werk  einen  guten  Fortgang 
genommen  hatte,  erkannte  ich.  dass  es  sehr  nützlich 
sei,  wenn  ausser  diesem,  das  die  nächste  Umgebung 
des  Menschen,  d.  h.  Trachten,  Waffen,  Schmuck  etc. 
behandelt,  noch  ein  zweites  nebenher  erscheine,  welches 
einen  Schritt  weiter  gehe  und  auch  die  fernere  Um- 
gebung des  Menschen,  als  Utensilien  jeder  Art,  zum 
täglichen  Gebrauch  wie  zum  Luxus,  in  verschiedenen 
Jahrhunderten,  treu  wiedergebe.  Es  erhielt  den  'Titel: 
„Kunstwerke  und  Geräthschaften  des  Mittelalters  und 


107 


der  Renaissance. * Meine  Zeit  und  Kräfte,  wie  jene 
meines  Verlegers,  waren  aber  durch  das  erste  Werk, 
welches  noch  im  Erscheinen  begriffen  war,  so  sehr  in 
Anspruch  genommen,  dass  ich  mich  um  einen  andern  Ver- 
leger und  um  einen  Mitarbeiter  umsehen  musste.  Ersteren 
fand  ich  in  Heinrich  Keller  zu  Frankfurt  a.  M.,  den 
letzteren  in  Karl  Becker , welcher  zwar  Alterthums- 
kenner, aber  nicht  selbst  Zeichner  war.  Er  Hess  mir 
durch  geschickte  Künstler  von  den  alten  Originalen 
Zeichnungen  hersteilen,  wobei  der  grössere  Theil  der 
Arbeit  auf  mir  ruhen  blieb. 

Im  Jahre  1846  machte  ich  durch  Antiquar  Leo 
Kronacher  in  Bamberg  eine  für  mich  und  mein 
Schaffen  unschätzbare  Erwerbung.  Sie  bestand  in 
einem  Theil  der  prachtvollen  Pergament-Malereien, 
welche  Herzog  Albrecht  V.  von  Bayern  und  seine 
Gemahlin  Anna  von  Oesterreich  durch  den  überaus  ge- 
schickten Maler  Hans  Mielich  (Müelich)  nach  ihren  durch 
künstlerische  Ausführung  wie  durch  ihren  Werth  an 
Gold  und  Edelsteinen  Staunen  erregenden  Kleinodien 
hersteilen  Hessen.  Diese  Abbildungen  in  Gold  und 
Farbenpracht  waren  wohl,  dem  Bibliothekzeichen  nach, 
als  Geschenk  in  den  Besitz  der  Kurfürstin  Magdalena 
Sibylla  von  Sachsen  (f  1659),  der  zweiten  Gemahlin 
des  Kurfürsten  Johann  Georg  I.  übergegangen  und 
geriethen  dann  auf  unerklärte  Weise  in  rohe  Hände, 
welche  sie  schändlich  misshandelten,  bis  sie  in  den 
Besitz  Kronacher’s  gelangten.  Dieser  sandte  sie  an 
König  Ludwig  I.  nach  München,  der  König  schickte 
sie  zur  Begutachtung  an  die  Herren  der  Staatsbiblio- 
thek , dieselben  sagten , diese  Dinge  haben  keinen 


108 


wissenschaftlichen  Werth  und  solche  Malereien  haben 
wir  genug;  das  war  mein  Glück.  Als  ich  dem  König 
im  fahre  1847  zu  Aschaffenburg  in  meinem  Hause 
diese  Kunstwerke  vorlegte,  betrachtete  die  Majestät 
sie  mit  grossem  Interesse  und  bedauerte , dass  man 
diese  Dinge  früher  so  wenig  geschätzt  habe.  Tags 
darauf  liess  er  mir  durch  den  Kabinetsrath  von 
Schilcher  sagen , ich  solle  ja  nicht  glauben  . dass  er 
beabsichtigt  habe,  mich  direkt  oder  indirekt  zu  be- 
wegen, diese  Dinge  wieder  abzugeben,  indem  sie  ja 
jetzt  in  der  besten  Hand  seien,  und  er  wünsche,  dass 
ich  diese  Kunstwerke  gleich  meinen  andern  Arbeiten 
veröffentliche.  Dazu  kam  ich  aber  erst  im  fahre  1800 
indem  ich  vorher  andere  Arbeiten  vollenden  musste.*) 


XI.  Das  Jahr  1848. 

Als  meine  beiden  ersten  Werke  noch  lange  nicht 
vollendet  waren,  kam  das  für  Kunst  und  Wissenschaft 
so  traurige  fahr  1848;  ich  war  sehr  entmuthigt  und 
hatte  nur  schwache  Hoffnung  auf  bessere  Zeiten.  Ich 
besuchte  oft  das  Parlament  in  der  Paulskirche  zu 
Frankfurt  und  folgte  den  Verhandlungen  mit  Auf- 
merksamkeit, dabei  lernte  ich  alle  Mitglieder,  theils 
nur  vom  Sehen,  theils  durch  näheren  Umgang  kennen, 

*)  Deutsche  Goldschmiedearbeiten  des  sechzehnten  Jahr- 
hunderts von  Dr.  J.  H.  von  Hefner  - Alteneck.  Mit  30  Tafeln  in 
Farbendruck.  Frankfurt  a.  M.  1800.  Fol. — . Siehe  auch:  Zimmer- 
mann, Max  t jg.  Die  bildenden  Künste  am  Hofe  Herzog  Albrecht’s  V. 
von  Bayern.  Strassburg  1895.  8°.  Seite  86/87. 


1()() 


uncer  ihnen  mehrere,  deren  Namen  längst  der  Ge- 
schichte angehören  z.  B.  den  alten  „Vater  Jahn“.  Noch 
lange  darnach  waren  Gombart,  Robert  Mohl  undLasaulx, 
Mitglieder  unserer  „zwanglosenGesellschaft“  in  München. 
Der  geistreiche  und  witzige  ehemalige  Minister  Dr.  J.  H. 
Detmold  besuchte  mich  öfter  in  Aschaffenburg.  Fall- 
merayer  war  noch  mit  mir  Mitglied  der  Akademie 
der  Wissenschaften,  und  mit  Professor  Sepp  verkehrte 
ich  später  vielfach  in  München.  ZurZeit  des  Barrikaden- 
kampfes und  der  grauenhaften  Ermordung  des  Fürsten 
Lichnowsky  und  des  Generals  Auerswald  war  ich  nicht 
in  Frankfurt;  diese  Ereignisse  sind  zureichend  bekannt. 
Was  Lichnowsky  betrifft,  so  hatte  mein  Freund  Eduard 
von  der  Launitz,  der  Schöpfer  des  Frankfurter  Guten- 
berg-Denkmals,  von  der  Herzogin  von  Sagan  den 
Auftrag  erhalten,  eine  Todtenmaske  von  ihm  anzu- 
fertigen, von  der  ich  auch  Baron  von  Fechenbach  auf 
seinen  Wunsch  hin  ein  Exemplar  besorgte. 

Da  meine  Werke  ruhten,  gedachte  ich  nur  meinen 
beiden  Kupferstechern  und  den  Koloristen  Arbeit  und 
Unterhalt  zu  verschaffen.  Dem  kam  Folgendes  zu 
Statten.  Schon  vorher  hatte  ich  mir  ein  Stamm-  oder 
Erinnerungsbuch  angelegt.  Die  Wappen  und  Attribute 
malte  ich  selbst  nach  Art  der  Alten  und  bat  Freunde, 
wie  Persönlichkeiten,  welche  mir  wohlwollend  waren, 
um  ihre  Unterschrift.  Dieses  gefiel  dem  mir  befreun- 
deten Baron  Friedrich  Karl  von  Fechenbach-Lauden- 
bach  sehr,  dadurch  angeregt,  ersuchte  er  mich,  die 
Herstellung  eines  Geschlechtsbuches  seiner  Familie, 
welche  aus  dem  12.  Jahrhundert  stammt,  zu  besorgen, 
was  auch  zu  Stande  kam.  Die  Zeichnungen  zu  dem 


I 10 


Ganzen  entwarf  ich,  und  durch  die  Ausführung  konnte 
ich  in  jener  misslichen  Zeit  meinen  Leuten  Verdienst 
verschaffen.  Es  erschienen  darin  alle  Wappen  der 
Fechenbach,  ursprünglich  „ Vechinbach“ , männlicher 
wie  weiblicher  Seite,  dabei,  so  weit  als  thunlich,  die 
Bildnisse,  Grabdenkmale,  Burgen,  Schlösser  und  Bio- 
graphien, alle  Blätter  mit  entsprechenden  Randver- 
zierungen in  chronologischer  Reihenfolge,  so  weit  als 
möglich  in  Stil  und  Charakter  der  betreffenden 
Perioden,  vom  romanischen  Stil  bis  in  die  Verkom- 
menheit des  „Empire“. 

Dieser  starke  Folioband  mit  500  Tafeln,  in  Aquarell 
ausgeführt,  hat  nicht  nur  für  die  betreffende  Familie, 
sondern  auch  für  die  Geschichte  im  Allgemeinen  einen 
Werth.  Baron  Fechenbach  folgte  der  Arbeit,  welche 
fast  zwei  fahre  in  Anspruch  nahm , mit  grossem 
Interesse , öfter  auch  mit  Ungeduld , denn  solche 
Herren  wissen  selten,  wie  viel  Zeit  eine  solche  Arbeit 
verlangt.  Mit  dem  Jahre  1850  war  das  Ganze  als 
Unicum  vollendet;  der  edle  Stifter  dieses  Familien- 
denkmals hatte  sich  noch  der  Vollendung  dessen  er- 
freut, als  zu  meiner  grossen  Betrübniss  die  Nachricht 
seines  Ablebens  von  Wien  eintraf.  Dieses  Familien- 
ßuch  befindet  sich  jetzt  im  Besitze  seines  Sohnes  Karl 
auf  dem  Schloss  Laudenbach  am  Main. 

Im  Jahre  1849  war  ich  einige  Tage  auf  dem 
Schlosse  Mainberg  bei  Schwein furt*)  als  Gast  des  Fa- 
brikanten Wilhelm  Sattler  und  seiner  Frau  Katharina 

*)  Vergl.  (Sattler  , Wilhelm)  Das  alte  Schloss  Mainberg  bei 
Schweinfurt  und  seine  früheren  Bewohner.  Mit  12  Tafeln  Abbil- 
dungen. ().  O.  1836.  8”. 


geb.  Geiger,  die  mir  nicht  nur  während  meines  Auf- 
enthaltes die  Kunstschätze  ihres  Besitzes  für  meine 
Zwecke  auf’s  freundlichste  zur  Verfügung  stellten,**) 
sondern  auch  noch  nachher  mir  bereitwilligst  Mit- 
theilungen  zukommen  Hessen.  Dieses  alte  Schloss  war 
ehemals  Eigenthum  der  Grafen,  später  Fürsten  von 
1 lenneberg  , gelangte  1542  durch  Kauf  an  Würzburg: 
Anfangs  des  19.  Jahrhunderts  kam  es  an  Bayern  und 
war  dem  gänzlichen  Verfall  nahe,  als  es  im  Jahre 
1S22  von  dem  Kaufmann  Wilhelm  Sattler  aus  Schwein- 
furt  erworben  wurde,  der  es,  soweit  als  möglich,  stil- 
gerecht hersteilen  Hess.  Besonders  sehenswerth  war 
die  Schlosskapelle.  Ausserdem  fand  ich  daselbst  vieles 
Merkwürdige  an  Kunst-  und  Alterthumsgegenständen, 
u.  A.  Waffenstücke  aus  verschiedenen  Zeiten  und 
über  100  Stück  alte  Trinkgefässe  in  den  mannig- 
faltigsten Formen. 

Zu  manchem  interessanten  Andenken,  welche  ich 
von  dieser  verdienstvollen  Familie  besitze,  gehört  eine 
kunstvolle  Broncemedaille , welche  die  Kinder  und 
Enkel  zur  goldenen  Hochzeit  dem  Jubelpaare  widmeten, 
dieselbe  ist  vom  Graveur  Staudigl. 

Auf  dem  Avers  ist  das  Bildniss  des  Ehepaares 
mit  der  Inschrift:  Wilhelm  Sattler,  geh.  13.  Mai  1734, 
Cath.  Sattler,  geb.  Geiger,  geb.  4.  Februar  1/89. 

Auf  dem  Revers  das  Schloss  Mainberg  mit  der 
Umschrift: 

Zur  goldenen  Hochzeit  von  15  Kindern  und  25 
Enkeln.  Mainberg  d.  14.  Febr.  1859. 

**)  Siehe:  Trachten.  Kunstwerke  und  Geräthschaften.  2.  Auf- 
lage, Hd.  II.  Frankfurt  1881.  Tafel  106  u.  121  und  Bd.  V.  Frank- 
furt 1884.  Tafel  329. 


Ehe  ich  über  diese  Jahre  der  Unruhe  hinweggehe, 
muss  ich  erwähnen,  dass  schon  vorher  im  Jahre  1846 
mein  guter  Vater  im  90.  Lebensjahre  zu  meinem 
namenlosen  Schmerz  starb;  auch  er  war  ein  Mann  in 
hohem  Grade  vom  Glück  begünstigt,  dabei  aber  auch 
von  schweren  Schlägen  des  Schicksals  heimgesucht. 
Abgesehen  von  dem  oben  schon  Erwähnten,  verlor  er 
noch  in  seinem  hohen  Alter  seine  beiden,  längst  ver- 
heiratheten,  Töchter;  ich  war  noch  sein  einziger  Sohn; 
es  gereichte  mir  zu  einigem  Frost,  dass  ihm  noch 
seine  Schwiegertochter,  seine  drei  Enkel  (meine  Söhn- 
chen)  wie  auch  der  glückliche  Fortgang  meiner  Arbeiten 
Freude  machten. 


XII.  Die  Burg  Tannenberg. 

Noch  in  dem  jahre  1849  beabsichtigte  S.  Iv.  11. 
der  Grossherzog  Ludwig  von  Hessen  auf  dem  Tannen- 
berg  bei  Jugenheim  in  der  Bergstrasse  eine  Garten- 
anlage als  Ruhepunkt  für  seine  Gemahlin  Mathilde 
von  Bayern  anzulegen.  Man  hatte  von  da  aus  eine 
prachtvolle  Aussicht.  An  dieser  Stelle  stand  bis  in 
das  fahr  1399  die  Tannenburg.  Mauertrümmer  der- 
selben ragten  noch  aus  dem  Schutt  hervor,  welche 
läimst  mit  hohen  Eichen  und  Tannen  überwachsen 
waren.  Bei  dem  Hinweg  räumen  des  Schuttes  fand 
man,  theils  noch  erhalten,  theils  in  Trümmern,  über 
1000  Utensilien,  mit  welchen  die  Burg  ausgestattet 
war,  als  Handwerkzeug,  I lacken,  Beile,  Meisel,  Schaufeln, 
Schlösser,  Schlüssel,  Leuchter.  Lampen,  Feuerstahle, 
Messer,  Scheren,  Schnallen,  Pfannen,  Kessel,  zwei 


steinerne  Handmühlen,  Läufe  von  Handbüchsen,  Lanzen- 
und  Pfeilspitzen,  Pferdegebisse,  Trensen,  Sporen,  Steig- 
bügel, Schwerter,  Dolche,  Harnischtheile,  Helme,  Hand- 
schuhe, Gürtelbeschläge,  Spangen  mit  Nietnägel,  welche 
den  Brustharnisch  bildeten,  Kettenhemden  in  Rost- 
klumpen. Ferner  eine  grosse  Anzahl  gebrannter  Thon- 
arbeiten, als  Fussbodenplatten  mit  Ornamenten,  Ofen- 
kacheln in  maurisch-gothischem  Stil;  Töpfe  und  Krüge 
waren  theilweise  noch  mit  Früchten  gefüllt,  als  Waizen, 
Korn,  Aepfeln,  Birnen,  Nüssen  etc.,  wenn  auch  ver- 
kohlt, so  doch  noch  erkenntlich.  Merkwürdigerweise 
waren  dieTöpfe  und  Krüge,  erhalten  oder  in  Scherben, 
der  Form  nach  genau  wie  jene  der  römischen 
Töpfereien. 

Als  ein  seltener  Glücksfall  ist  es  zu  betrachten, 
dass  die  auf  die  Burg  Bezug  habenden  Urkunden  sich 
in  den  Archiven  von  Darmstadt,  Heidelberg  und 
München  vorfanden.  Das  Aufsuchen  und  Zusammen- 
stellen  derselben  wie  die  Bearbeitung  des  geschicht- 
lichen Theils  übertrug  der  hohe  Herr  dem  fleissigen, 
sehr  erfahrenen  Dr.  J.  W.  Wolf,  und  ich  wurde  zur 
Untersuchung,  Erklärung,  Abbildung  und  Beschreibung 
der  Ausgrabungen  berufen. 

Es  war  tief  im  Winter;  den  Zeitumständen  nicht 
trauend,  säumte  ich  nicht  und  eilte  nach  dem  Tannen- 
berg, um  mich  vor  einer  Besprechung  mit  der  König- 
lichen Hoheit  von  der  Sache  zu  informiren.  Die 
Eisenbahn  ging  bis  in  die  Nähe,  aber  von  da  musste 
ich  bei  grosser  Kälte  noch  eine  halbe  Stunde,  fast  bis 
an  die  Knie  im  Schnee  auf  den  Tannenberg  wandern. 
Die  Trümmer  der  Burg  nahm  ich,  wenn  auch  mit 

8 


114 


fast  erstarrten  Fingern,  auf.  Die  Fundstücke  selbst 
waren  bereits  zum  grössten  Theil  in  das  nahe  Alexander- 
schlösschen, Eigenthum  des  Kaisers  von  Russland, 
gebracht,  wo  ich  sie  vorderhand  überschaute.  Nachdem 
der  Grossherzog  sicli  mit  mir  über  den  Plan  der  Sache 
huldvoll  und  mit  grosser  Rücksicht  besprochen  hatte, 
wurde  das  Werk  als  Monographie  unter  folgendem 
Titel  in  Angriff  genommen  : 

„Die  Burg  Tannenberg  und  ihre  Ausgrabungen. 
Im  Auftrag  Seiner  Königlichen  Hoheit  des  Grossherzogs 
von  Hessen  und  bei  Rhein  von  Dr.  J.  H.  von  Hefner 
und  Dr.  J.  W.  Wolf.  Frankfurt  a.  M.  Verlag  von 
Heinrich  Keller  1850.  4°.“ 

Nach  Feststellung  von  Plan  und  Titel  begab  ich 
mich  sogleich  wieder  auf  das  Alexanderschlösschen 
und  nahm  einen  Theil  der  Gegenstände  in  Original- 
grösse auf;  als  dies  der  Grossherzog  erfuhr,  gab  er 
den  Auftrag,  dass  alles  mir  noch  Nöthige  verpackt 
und  nach  Aschaffenburg  geschickt  werde. 

Meine  Arbeit  bestand,  ausser  dem  Text  über  die 
Ausgrabungen,  in  10  Kupfertafeln  mit  1 60  Abbildungen 
der  wichtigsten  Funde,  einer  elften  mit  Abbildungen 
verschiedener  Monumente  des  14.  Jahrhunderts,  um 
auch  bildlich  klar  nachzuweisen,  in  welchem  Zusammen- 
hang jene  Funde  auf  dem  Tannenberg  mit  dem  mensch- 
lichen Leben  standen  und  zu  welchen  Zwecken  sie 
dienten,  und  einer  zwölften  Tafel  mit  Darstellung  der 
Burgruine  in  ihrem  jetzigen  Zustande  und  dem  Grund- 
plane der  ganzen  Burg.  Die  Geschichte  jener  Burg 
eingehend  zu  erzählen,  würde  hier  zu  weit  führen  ; 
das  Wesentlichste  davon  besteht  in  Folgendem : 


— 115  — 

Es  war  unter  der  erbärmlichen  Regierung-  des  Kaisers 
Wenzel  1378 — 1400,  als  das  Faustrecht  im  höchsten  Flor 
stand.  Die  Ritter  von  Cronenberg  (Cronberg)  machten 
von  mehreren  Burgen  aus  die  Gegend  unsicher.  Der 
Besitzer  von  Tannenberg  war  Hartmud  von  Cronenberg. 
Um  dem  Unwesen  ein  Ende  zu  machen,  traten  die 
Erzbischöfe  von  Mainz  und  Trier  und  der  Pfalzgraf 
Rupprecht  mit  dem  wetterauischen  Bunde  zusammen. 
Der  erste  Sturm  auf  Tannenberg  erfolgte  am  1.  Juli 
1399,  der  Kampf  wurde  von  beiden  Seiten  mit  grösster 
Erbitterung  geführt ; es  kamen  dabei  alle  Geschütz- 
gattungen, welche  uns  aus  dem  14.  Jahrhundert  be- 
kannt sind,  in  Anwendung:  Die  grosse  „Steinbusse“ 
der  Stadt  Mainz,  die  Riesen-Steinbüchse  von  Frankfurt, 
von  20  Pferden  gezogen,  kleinere  Kanonen  mit  Stein- 
kugeln, Handbüchsen,  dabei  die  grössten  Schleuder- 
maschinen von  Worms  und  Speier,  Ilandbogen,  Arm- 
brüste, Fussbogen  genannt.  Nach  20tägigem  Kampfe 
wurde  die  Burg  eingenommen  und  mit  Wuth  zerstört. 
Der  Bergfried  wurde  mit  Pulver  gesprengt,  unter 
dessen  Trümmern,  wie  unter  jenen  der  eingerissenen 
Mauern  und  dem  Brandschutte,  blieben  jene  vielen 
Gegenstände,  welche  nicht  mehr  hinweggeschafft  werden 
konnten,  vergraben.  Von  den  50  Reisigen,  welche 
die  Burg  vertheidigten,  waren  noch  48  am  Leben, 
und  unter  diesen  nur  5 unverwundet. 


-8* 


116 


XIII.  Die  königliche  Familie. 

Als  das  Werk,  oder  vielmehr  die  Monographie, 
über  Tannenberg  durch  den  Buchhandel  verbreitet 
wurde,  erschien  der  Grossherzog  mit  seiner  Gemahlin 
in  meinem  Hause  zu  Aschaffenbum  und  überreichte 

O 

mir  das  Ritterkreuz  1.  Klasse  seines  Hausordens  Philipps 
des  Grossmüthigen,  die  erste  Auszeichnung  der  Art, 
welche  mir  zu  theil  wurde.  Kurze  Zeit  nachher  er- 
schien daselbst  auch  König  Ludwig  1.  Die  hohen  Herr- 
schaften besichtigten  mit  grosser  Theilnahme  die  Vor- 
arbeiten zu  meinen  anderen  Werken. 

Bald  darauf  theilte  ich  dem  Grossherzog,  welcher 
sich  noch  in  Aschaffenburg  aufhielt,  mit,  dass  in  der 
Kirche  zu  Babenhausen,  zwischen  Aschaffenburg  und 
Darmstadt  auf  hessischem  Gebiete,  sich  werthvolle 
Grabsteine  der  Grafen  von  Hanau  befinden,  welche 
bis  tief  in  das  15.  Jahrhundert  zurückgehen,  und  dass, 
wie  nicht  zu  zweifeln,  eine  Familiengruft  daselbst  vor- 
handen sei.  Ich  erbat  mir  die  Erlaubniss , sie  öffnen 
und  untersuchen  zu  dürfen.  Der  hohe  Herr  gestattete 
nicht  nur  dies,  sondern  erklärte  auch,  dass  ihn  die 
Sache  sehr  interessire  und  er  selbst  dabei  erscheinen 
wolle. 

Ich  begab  mich  mit  V.  Hofmann,  Lehrer  des 
Modeilirens  an  der  Gewerbeschule  in  Aschaffenburg, 
nach  Babenhausen,  nahm  daselbst  zwei  Arbeiter  und 
liess  die  Gruft  öffnen.  Eine  Treppe  führte  hinab  zu 
einer  mit  Eisen  beschlagenen  Thiire  von  Eichenholz, 
welche  bei  der  Berührung  in  Staub  zerfiel.  Vor  uns 
zur  Linken  lag  auf  einem  aufgemauertem  Postament 


ein  Skelett  und  in  demselben  viele  kleine  Goldlitzen 
zerstreut , der  1 lolzsarg  und  alles  andere  war  längst 
in  Staub  zerfallen.  Zur  Rechten  stand  auf  gleichem 
Postamente  ein  kolossaler,  reich  ornamentirter  Ziun- 
sarg,  dessen  Verlöthung  ich  aufsägen  und  den  Deckel 
heben  Hess.  Es  fand  sich  darin  nichts  mehr  von  einer 
Leiche,  als  zwei  kleine  Knochensplitter  und  ein  schönes 
Frauenkleid  nebst  Mieder  von  gelbem  Seidenstoff  mit 
Goldfäden  durchwirkt  und  durchaus  mit  Silberborten 
besetzt.  Das  Mieder  hatte  einen  Stehkragen,  auf  den 
Schultern  erhöhte  Wulste  und  war  mit  kleinen 
zierlichen,  mit  Gold  übersponnenen  Knöpfchen  be- 
setzt. Dabei  fanden  sich  schwarzseidene  Strümpfe, 
während  in  der  Gegend  des  Halses  zwei  Schnüre  von 
schwarzer  Seide  lagen,  an  denen  die  Perlen,  welche 
niemals  der  Verwesung  trotzen,  bis  auf  kaum  erkenn- 
bare Spuren  verschwunden  waren.  Hier  überzeugte 
ich  mich  zum  erstenmal , dass  in  hermetisch  ver- 
schlossenen Metallsärgen  sich  die  Leichen,  sogar  deren 
Gebeine , aullösten , während  da , wo  die  Luft  noch 
einjgermassen  Zugang  fand,  sich  wenigstens  die  Gebeine 
erhielten.  Seidenstoffe  widerstanden  der  Auflösung 
am  längsten. 

Graf  Johann  Philipp  von  Hanau-Lichtenberg,  ge- 
boren 162b,  gestorben  1669,  Hess  diese  Gruft  für  sich 
und  seine  Gemahlin  Susanna  Margaretha,  geborene 
Prinzessin  von  Anhalt-Dessau,  geboren  1610,  gestorben 
1663,  herrichten.  Da  dieser  Graf  als  der  letzte  seines 
Stammes,  sechs  fahre  nach  seiner  Gemahlin,  starb, 
lässt  es  sich  erklären,  dass  er  keinen  zinnenen  Sarg 
mehr  erhielt. 


118 


Nun  kam  auch  der  Grossherzog  an,  ich  begleitete 
ihn  in  die  Gruft,  welche  mit  Kerzen  beleuchtet  wurde, 
und  er  fand  alles  interessant,  aber  unheimlich.  Das 
Kleid  liess  ich  herauf  bringen,  es  gefiel  ihm.  Ich  schlug 
vor,  es  in  das  Museum  zu  Darmstadt  zu  bringen,  wo 
schon  andere  alte  merkwürdige  Kostümstücke  seien; 
der  hohe  Herr  meinte  aber,  da  es  aus  dem  Grabe 
komme,  so  solle  man  es  wieder  hinein  legen.  Der 
Grossherzog  merkte  aber,  dass  mir  mein,  für  Alterthum 
begeistertes,  Ilerz  wehe  thue , er  sagte  deshalb: 
„Schneiden  Sie  sich  ein  Stück  als  Andenken  herunter  !“ 
Aus  Bescheidenheit,  oder  vielmehr  aus  Dummheit,  nahm 
ich  nur  ein  kleines  Stückchen  davon. 

Hernach  führte  ich  den  hohen  Herrn  in  den  Hof 
des  Pfarrhauses  und  zeigte  ihm,  wie  daselbst  der  mit 
gothischem  Masswerk  gezierte  obere  Theil  des  Tauf- 
steins, aus  der  Kirche  entfernt,  als  Gänsetrog  benutzt 
sei,  er  sprach  „das  schicke  sich  freilich  nicht,  wenn 
gleichwohl  früher  auch  manches  Gänschen  darin  getauft 
wurde“,  und  erklärte,  den  Taufstein  wieder  hersteilen 
und  an  seinen  früheren  Ort  setzen  zu  lassen,  wobei  er 
fragte,  ob  ich  die  fehlenden  Untertheile  als  Schablone 
für  den  Steinmetz  zeichnen  wolle,  was  ich  auch  bald 
besorgte.  Darauf  sagte  der  Grossherzog:  „Auch  ich 
will  Ihnen  jetzt  etwas  Merkwürdiges  zeigen“,  und 
führte  mich  an  das  Schloss,  welches  früher  die  Grafen 
von  Hanau  bewohnten,  und  damals  ein  Militärgefängniss 
war.  Den  Eingang  bildet  ein  Thurm,  über  dessen 
Thor  befindet  sich  ein  wunderliches  Bildwerk  von 
Stein  aus  dem  16.  Jahrhundert,  fast  freistehend;  eine 
Frauengestalt  mit  nichts  weiter  bekleidet  als  mit  Schuhen 


und  einem  kleinen  Barett  mit  Feder,  an  einem  Vor- 
sprung über  ihr  befinden  sich  zwei  Ringe,  an  diesen 
hält  sie  sich  mit  den  Händen  schwebend  in  sitzender 
Stellung  über  einem  Stühlchen  mit  Stacheln,  kann  sie 
sich  nicht  mehr  in  der  Höhe  erhalten,  so  muss  sie 
sich  in  die  Stacheln  setzen,  d.  h.,  wenn  sie  nicht  von 
Stein  wäre.  Der  hohe  Herr  fragte  mich  nach  der 
Bedeutung  dieser  sonderbaren  Darstellung.  Ich  sagte, 
dass  ich  nichts  anderes  glauben  könne,  als,  es  sei  das 
Zeichen  des  ehemaligen  Folterthurms,  sowie  man  auch 
vor  den  kleinsten  Städtchen  Galgen  und  Rad  als 
Zeichen  der  Macht  über  Leben  und  Tod  als  Ab- 
schreckungsmittel gesehen  habe.  Diese  Erklärung 
genügte  dem  Grossherzog;  seinem  Wunsche  gemäss 
fertigte  ich  eine  Zeichnung  danach. 

Um  jene  Zeit  war  auch  König  Otto  von  Griechen- 
land in  Aschaffenburg.  Nachdem  ich  in  einer  Audienz 
huldvolle  Aufnahme  bei  ihm  gefunden  hatte,  erlaubte 
ich  mir  eine  Bitte,  die  in  Folgendem  bestand. 

Im  Jahre  1841  waren  nämlich  in  einer  Cisterne 
der  Veste  Chalkis  auf  der  Insel  Euboea  (Negroponte) 
gegen  100  Helme  nebst  verschiedenen  Waffenstücken 
aus  dem  14.  Jahrhundert  gefunden  worden,  die  in  dem 
Schlosse  zu  Athen  aufbewahrt  wurden.  Als  in  den 
vierziger  Jahren  mein  Schwager  Karl  von  Mayenfisch 
in  Athen  war,  zeichnete  er  einige  dieser  Helme  nur 
flüchtig  ab.  Ich  erlaubte  mir  daher  die  Frage,  ob  die 
Majestät  nicht  etwa  im  Stande  und  gewillet  sei,  einige 
jener  Helme,  welche  für  die  Geschichte  der  späteren 
Kreuzzüge  von  besonderem  Werthe  seien,  nach  Bayern 
senden  zu  lassen,  wo  sie  in  den  „Vereinigten  Samm- 


120 


langen“  zu  München  autgestellt  werden  könnten.  Der 
König  erklärte,  dass  jene  Stücke  nicht  sein,  sondern 
Eigenthum  der  Stadt  Athen  seien,  er  versprach  jedoch 
mit  grosser  Freundlichkeit,  dass  er  sein  Möglichstes  in 
der  Sache  thun  werde.  Daraus  wurde  aber  nichts, 
wie  es  bei  den  damaligen  Wirren  in  Griechenland 
nicht  anders  zu  erwarten  war;  doch  reute  mich  es 
nicht,  diese  Bitte  gestellt  zu  haben  , indem  ich  dabei 
die  Art  und  das  freundliche  Wesen  des  Königs  kennen 
lernte.  — 

Es  war  um  jene  Zeit  die  ganze  königliche  Familie 
in  Aschaffenburg.  Die  Kasino-Gesellschaft  daselbst 
veranstaltete  zu  Ehren  derselben  am  21.  September 
1850  einen  Festball,  und  ich  wurde  ersucht,  die  De- 
korirung  des  Ballsaales  zu  besorgen,  was  ich  auch 
an  der  Seite  des  Vorstandes,  Herrn  von  Axfhelm, 
ausführte.  Da  bei  einer  solchen  Dekorirung  die  bayer- 
ischen, hessischen  und  griechischen  Landesfarben  und 
Wappen  in  Anwendung  kamen,  fühle  ich  mich  ver- 
anlasst, an  dieser  Stelle  eine  Mittheilung  zu  machen, 
welche  vielleicht  liir  Heraldiker  nicht  ohne  Interesse 
ist.  Als  vorher  König  Ludwig  I.  die  Beflaggung  der 
Stadt  besichtigte  und  fand,  dass  bei  einem  Theil  der 
Fahnen  weiss  oben  und  blau  unten  war,  sprach  er 
in  ärgerlichem  Tone:  „Es  ist  doch  arg,  dass  die  Leute 
ihre  Landesfarben  nicht  kennen,  blau  oben  und  weiss 
unten  ist  Bayern,  umgekehrt,  ist  Griechenland.“*) 

*)  Da  aber  dennoch  diese  Verwechselungen  bis  zur  Zeit 
unseres  Königs  Ludwig  11.  vorkamen,  so  wollte  derselbe  Klarheit 
haben,  und  seine  Frage  wurde  beantwortet:  „Hävern  hat  weiss 
oben,  blau  unten. •“  Ich  wurde  auch  befragt,  allein  zu  spät.  So 


121 


Nun  kehre  ich  wieder  zu  dem  Balle  zurück;  die 
Herrschaften  schienen  vergnügt  und  waren  nach  allen 
Richtungen  hin  sehr  freundlich.  König  Otto  liess  meine 
Frau  zur  Francaise  engagiren. 

Als  ich  28  Jahre  später  als  Direktor  des  bayer- 
ischen National -Museums  dasselbe  Pracht-National- 
kostüm, welches  König  Otto  Bei  jener  Francaise  in 
der  heitersten  Stimmung  getragen  hatte,  neben  den 
Kostümen  seines  Grossvaters  Maximilian  Joseph  I., 
seines  Vaters  Ludwig  I.  und  seines  Bruders  Max  II. 
in  Glasbehältern  aufstellte,  überfiel  mich  ein  Gefühl 
tiefster  Wehmuth,  indem  ich  ein  sprechendes  Bild 
menschlicher  Pracht  und  Herrlichkeit,  wie  menschlicher 
Vergänglichkeit  vor  Augen  hatte. 

Ich  komme  nun  wieder  zu  meinen  Arbeiten  nach 
dem  Jahre  1849.  Wie  gesagt,  war  mir  der  Muth 
gesunken.  Mein  Verleger  Heinrich  Hoff  hatte  sich 
in  den  politischen  Strudel  begeben  und  musste  nach 
Amerika  flüchten;  sein  ganzer  Verlag  und  Besitz 
kam  in  Concurs.  Ehe  er  sein  Vaterland  auf  immer 
verliess,  sprach  er  zu  seinem  Bruder  in  Mann- 
heim und  seinem  Schwager  Hofmann,  Buchhändler 
in  Stuttgart:  „Für  mich  ist  alles  verloren;  was 

haben  wir  jetzt  die  Farbe  in  den  Flaggen  gleich  mit  Griechenland 
und  zwar  gegen  jede  heraldische  Regei.  Eine  jede  Landesfarbe 
erscheint  oben.  Gelb  und  Weiss  d.  h.  Gold  und  Silber  wird  nicht 
als  Farbe  gerechnet,  sondern  als  Metall,  die  Waffe  bezeichnend. 
Daher  auch  in  den  heraldischen  Helmdecken  die  Farbe  oben  (aussen), 
Gold  oder  Silber  aber  unten  (innen)  ist.  Die  Ausnahmen  davon, 
die  wohl  aus  besonderen  Gründen  bestehen,  wie  die  päpstlichen 
Farben  weiss  und  gelb,  die  genannten  griechischen  etc.  verhalten 
sich  wie  1 zu  200. 


122 


meine  Autoren  betrifft,  so  haben  sie  schon  durch 
mich  gewonnen,  wenn  sie  auch  jetzt  verlieren;  nur 
für  einen  wäre  mir  es  leid,  das  ist  Hefner,  denn  er 
hat  aus  Liebe  zur  Sache  und  nicht  des  Geldes  wegen 
gearbeitet.  Wäre  das  Unglück  nicht  über  mich  ge- 
kommen, so  hätte  er  meinem  Geschäfte  Glück  und  Ehre 
gebracht.  Thuet  das  Möglichste,  dass  sein  Werk  in 
gute  Hände  kommt,  welche  es  zum  glücklichen  Ab- 
schluss bringen.“ 

Hoch  muss  ich  das  anschlagen,  denn  selten  wird 
ein  Mann  so  sprechen , wenn  für  seine  Person  alles 
verloren  ist. 

Iloff’s  beide  V erwandte  haben  sich  auch  der  Sache 
treulich  angenommen.  Verlagsrecht  und  Vorräthe 
kamen  in  Frankfurt  zur  Versteigerung,  und  ich  hatte 
grosse  Sorge,  dass  das  Werk  in  Besitz  von  Antiquaren 
komme,  welche  es  als  unvollendet  in  den  Handel 
bringen  würden.  Zum  Glück  erhielt  es  Heinrich  Keller, 
welcher  schon  länger  mein  zweites  Werk  „Kunstwerke 
und  Gerätschaften“  im  Verlag  hatte.  Dadurch  kamen 
nun  wieder  meine  Werke  in  Gang. 


XIV.  Reise  nach  Berlin  und  Aufenthalt  daselbst. 

Um  für  die  Fortsetzung  meiner  Arbeiten  Material 
zu  suchen  und  Studien  zu  machen , reiste  ich  im 
Oktober  1X50  nach  Berlin.  Ich  gedachte  nur  einen 
Monat  daselbst  zu  bleiben,  und  das  schon  wäre  ein 
grosses  Opfer  gewesen,  indem  ich  eine  junge  Frau 
und  drei  Söhnchen  zu  Hause  hatte;  trotzdem  verblieb 


ich  daselbst  aus  nachstehenden  Gründen  fast  ein 
halbes  Jahr. 

Wie  bekannt,  ging1  damals  das  Reisen  noch  nicht 
so  schnell;  ich  hielt  mich  unterwegs  in  manchen 
grösseren  und  kleineren  Städten  auf,  in  welchen  ich 
Zeichnungen,  besonders  von  interessanten  Grabsteinen, 
fertigte  und  Notizen  sammelte.  Darüber  eingehend 
zu  sprechen,  würde  hier  viel  zu  weit  führen ; ich  will 
nur  den  Aufenthalt  in  einigen  Städten  schildern,  und 
zwar  zuerst  in  Marburg,  einer  höchst  interessanten, 
malerischen  Stadt,  in  deren  Mitte  das  grosse,  imposante 
mittelalterliche  Schloss  sich  erhebt.  Dasselbe  ist  un- 
geachtet, dass  ein  Theil  davon  damals  als  Zuchthaus 
verwendet  war*),  noch  in  seltener  Weise  erhalten  und 
gibt  in  allen  Theilen  das  treue  Bild  einer  fürstlichen 
Burg  des  15.  und  16.  Jahrhunderts;  ich  konnte  mich 
nur  schwer  davon  trennen. 

Die  Elisabethenkirche  daselbst  ist  bekanntlich  eines 
der  merkwürdigsten  mittelalterlichen  Baudenkmale, 
welches  den  Uebergang  des  romanischen  Stils  in  den 
gothischen  zeigt.**)  Nicht  lange  vorher  war  bei  einer 
Ueberschwemmung  Wasser  in  die  Kirche  gedrungen, 
wobei  mehrere  Grüfte  eingestürzt  waren. 

Die  noch  sichtbare  Feuchtigkeit  machte  den 
Aufenthalt  daselbst  sehr  unangenehm,  was  mich  aber 
doch  nicht  abhielt,  den  reichen  Inhalt  dieser  Kirche 

*)  Gegenwärtig  befindet  sich  in  ihm  das  hessische  Landes- 
Archiv  der  preussischen  Provinz  Hessen-Nassau. 

**)  Vergl.  Bickell , L.  Zur  Erinnerung  an  die  Elisabethen- 
kirche zu  Marburg  und  zur  sechsten  Säcularfeier  ihrer  Einweihung. 
Marburg  1883.  4°. 


124 


möglichst  für  meine  Zwecke  zu  benützen.  Es  war 
durch  den  damaligen  Kurfürsten  von  I lessen  streng- 
stens verboten , diese  Kirche  zu  besuchen  oder  sicli 
darin  aufzuhalten;  ich  gewann  aber  den  dortigen 
Kantor,  welcher  zugleich  Kirchendiener  war,  dass  er 
sich  mit  mir  sechs  Tage  hindurch  Vor-  und  Nach- 
mittags darin  heimlich  einsperrte.  Von  den  dortigen 
Kunstwerken  und  Denkmalen  aus  dem  13.  und  14.  Jahr- 
hundert, die  mir  von  grossem  Nutzen  waren,  erwähne 
ich  nur  den  silbernen  Sarkophag  der  heiligen  Elisabeth, 
den  Grabstein  des  Ivonrad  von  Thüringen,  f 1241, 
jenen  des  Landgrafen  Heinrich,  f 1298,  und  vor  Allem 
drei  Kampfschilde,  cl.  h.  solche,  welche  wirklich  von 
den  Rittern  getragen  wurden.  Diese  sind  nicht  mit 
den  „Todtenschilden“  zu  verwechseln,  welche  nur  zur 
Erinnerung  an  Verstorbene  in  den  Kirchen  aufgehängt 
worden  sind.  Nur  einer  dieserKampfschilde  hing  noch  an 
seiner  ursprünglichen  Stelle  über  30  Fass  in  der  Höhe. 
Mein  Begleiter  hatte  nicht  den  Muth,  die  alte  Leiter 
zu  erklimmen,  mir  allein  blieb  dieses  Wagstiick ; auf 
der  Höhe  angekommen,  fasste  ich  den  Schild,  der  mir 
sogleich  in  der  Hand  blieb,  da  der  alte  Schildfessel 
wie  Zunder  zerriss.  Dieser  Schild  des  13.  Jahrhunderts, 
ein  Prachtexemplar  seiner  Art,  zeigt  in  wenig  erhabener 
Modellirung  das  heraldische  Bildwerk,  den  thüringer 
Löwen,  querüber  in  rothen  und  silbernen  Abtheilungen 
auf  blauem  Felde,  letzteres  ist  gebildet  durch  13  I Lachen, 
von  denen  4 Frauenköpfe  haben  ; die  kleinen  Zwischen- 
räume der  blauen  Drachen,  wie  jene  der  Locken  des 
Löwen  zeigen  eine  blank  vergoldete  Unterlage.  Das 
Ganze  muss  in  seiner  ursprünglichen  Frische  durch 


125 


Feinheit  der  Ornamentik  und  Farbenpracht  einen 
wunderbaren  Eindruck  gemacht  haben.  Ich  zeichnete 
diesen  Schild  auf  das  Genaueste  in  Originalgrösse  und 
formte  einzelne  Theile  davon  ab,  um  die  Verkleinerung 
davon  zu  Hause  auf  das  »Sorgfältigste  für  den  Kupfer- 
stecher herzustellen.  Ausser  diesem  Schilde  fand  ich 
daselbst  noch  zwei,  der  eine  davon  war  sehr  be- 
schädigt , er  zeigte  auf  der  Rückseite  noch  einige 
Ueberreste  ehemaliger  Bemalung  auf  Goldgrund,  nach 
welcher,  wie  nicht  zu  zweifeln  ist,  es  der  Schild  des 
Hochmeisters  Konrad  von  Thüringen,  eines  Schwagers 
der  heiligen  Elisabeth,  war;  ich  veröffentlichte  ihn.*) 
Es  waren  noch  mehrere  Schilde  des  13.  Jahrhunderts 
in  der  Kirche  versteckt,  wovon  mir  der  Kirchner 
nichts  sagte,  indem  er  fürchtete,  meiner  sonst  nicht 
mehr  so  bald  los  zu  werden,  jedoch  grundlos;  denn 
auch  ich  hätte  die  eingesperrte  Luft  so  wenig  wie  er 
länger  ertragen.  Zum  Glück  waren  auch  jene  drei 
Schilde  die  wichtigsten  für  meinen  Zweck. 

Von  Marburg  kam  ich  nach  Weimar,  wo  ich  die 
huldvollste  Aufnahme  bei  dem  Grossherzosf  und  dessen 
Gemahlin  fand.  Derselbe  Hess  mich  in  Begleitung  des 
Herrn  Hof  rath  Schöll  nachdem  Schloss  Ettersburg  fahren, 
damit  ich  die  dortige  Sammlung  von  Kunstschätzen 
meistens  aus  dem  10.  und  12.  Jahrhundert  besichtige. 
Des  Abends  war  ich  bei  Hof  eingeladen,  wo  auch  die 
Frau  Herzogin  Bernhard  mit  ihren  beiden  Töchtern 
zugegen  war.  Die  Unterhaltung  bewegte  sich  vielfach 


*)  Siehe:  Trachten.  Kunstwerke  und  Geräthschaften.  2.  Aufl. 
Kd.  II.  Frankfurt  a.  M.  1881.  Seite  22  und  Tafel  116. 


126 


in  Kunst  und  Geschichte.  Die  Frau  Grossherzogin 
sagte  unter  Anderem,  es  sei  ein  glücklicher  Zufall, 
dass  ich  gerade  hier  sei,  sie  habe  aus  der  Verlassen- 
schaft ihres  Vaters  des  Königs  der  Niederlande  eine 
Kiste  mit  Kunstschätzen  erhalten,  die  sie  morgen 
öffnen  lasse,  und  da  sollte  ich  dabei  sein.  Ich  kam 
zu  der  Eröffnung  und  war  von  der  Pracht  der  Kunst- 
schätze sehr  überrascht.  Darunter  befanden  sich  Studien 
zu  den  Köpfen  der  zwölf  Apostel  auf  dem  Abendmahl 
von  Leonardo  da  Vinci.  Ferner  ein  prachtvoller 
Nautiluspokal,  damals,  wie  fast  alles  Aelmliche,  für 
ein  Werk  des  Benvenuto  Cellini  ausgegeben,  jedoch 
aus  einer  Augsburger  Goldschmiedewerkstätte;  Fuss 
der  Nautilusschnecke  aus  vergoldetem  Silber,  be- 
stehend in  einer  Schildkröte,  darauf  ein  Triton, 
der  die  Nautilusschnecke  trägt,  auf  höchster  Stelle 
eine  Amorette,  auf  einem  Seeungeheuer  reitend.  Die 
Frau  Grossherzogin  gab  mir  diesen  Pokal  sogleich  mit 
in  meine  Wohnung,  damit  ich  ihn  ungestört  ab- 
zeichnen könne.*)  Der  Grossherzog  zeigte  mir  in 
mehreren  Gemächern  des  Schlosses  bedeutende  Kunst- 
schätze, darunter  eine  vollständige  Prachtriistung  eines 
Herzogs  von  Sachsen  aus  der  Mitte  des  10.  Jahr- 
hunderts, von  Kopf  bis  zu  Fuss  von  Meisterhand  ge- 
ätzt und  vergoldet.  Durch  Herrn  Ilofrath  Schöll, 
welcher  grossherzoglicher  Bibliothekar  war,  erhielt 
ich  viele  hervorragende  Schätze  der  Litteratur  und 
Kunst  zu  sehen. 


*)  Siehe : Trachten,  Kunstwerke  und  Gerätschaften.  2.  Aufl. 
Hd.  IX.  Frankfurt  a.  M.  1888.  Tafel  582. 


127 


Auch  lernte  ich  damals  den  genialen  Künstler 
Friedrich  Preller  kennen.  Eine  andere  interessante 
Bekanntschaft  machte  ich  an  Herrn  Dr.  Christian 
Schuchardt,  welcher  ehemals  Sekretär  von  Goethe 
war  und  mir  vieles  Wissenswerthe  von  diesem  er- 
zählte, unter  Anderem  Folgendes:  Goethe  diktirte 
gerade  dem  Schuchardt  an  Wilhelm  Meister’s  Lehr- 
jahren, da  kam  die  Haushälterin  mit  den  Worten: 
„Ein  junger  Herr  wünscht  seine  Aufwartung  zu 
machen“,  Goethe  sagte  ärgerlich:  „Schon  wieder 

ein  Affe,  der  mich  nur  angaffen  will“,  doch  ging  er 
hinaus,  der  junge  Mann  trat  ein,  verneigte  sich  ein- 
mal und  zum  zweitenmal  tief;  Goethe  in  Ungeduld, 
sagte:  „Nun  haben  Sie  jetzt  das  Wunderthier  ge- 

sehen?“ Der  junge  Mann  nahm  stillschweigend  aus  der 
Westentasche  einen  Vierundzwanziger,  legte  ihn  auf 
den  Tisch,  machte  wieder  eine  Verbeugung  und  ging 
hinter  sich  hinaus.  Goethe  kam  zu  Schuchardt  zurück 
und  sagte:  „Ein  frecher  Bursche,  der  Kerl  hat  mir 
aber  doch  gefallen,  er  hat  mich  gut  mit  Witz  bedient.“ 

Durch  Schuchardt  sah  ich  auch  Goethe’s  Privat- 
sammlung, deren  Conservator  er  war  und  über  welche 
er  ein  Buch  hat  erscheinen  lassen.  Da  überzeugte 
ich  mich , wie  Goethe  in  Kunstverständnis  und  Ge- 
schmacksrichtung seiner  Zeit  voran  geeilt  war;  er 
besass  Werke  in  Elfenbein,  Bronce,  Email.  Terrakotta 
etc.  aus  dem  14.  bis  in  das  17.  Jahrhundert,  Gegen- 
stände , welche  zu  seiner  Zeit  kaum  beachtet  waren 
und  jetzt  in  ausserordentlichem  Werthe  stehen. 

Von  dem  vielen  Schönen  und  für  mein  Schaffen 
so  Nützlichen , das  mir  in  Weimar  zu  theil  wurde, 


128 


will  ich  nur  noch  das  Grabdenkmal  des  Lukas  Cranach 
erwähnen.  Es  ist  von  rothem  Marmor  und  befand  sich 
damals  auf  dem  Jacobskirchhof  *)  unter  freiem  Himmel, 
der  Meister  erscheint  darauf  in  Haustracht  und  ganzer 
Figur.  Wenn  auch  die  Inschrift  darauf  bereits  in 
Werken  über  Kunst  wiedergegeben  ist , so  verdient 
sie  docli  wegen  ihrer  Bedeutung  noch  in  weiteren 
Kreisen  bekannt  zu  werden,  sie  lautet:  „AnnoChri. 
1.5. 5. 3 . Octob : 16  . Pie.  Obiit.  Lvcas.  Cranach.  I.  Pictor. 
Celerrimus.  Et.  Consvl.  Witeberg:  Qui.  Ob.  Virtvtt. 
Trib.  Saxonie.  Electorib.  Dvc.  Fvit.  Carissimus.  Aetatis. 
Sue.  81.“  „Celerrimus“  bezeichnet  hier  den  gewandten, 
geschickten  Künstler.  Dieser  Meister  gewann  bedeu- 
tend an  Ansehen,  seitdem  man  die  grosse  Masse  seiner 
Fabrik-  und  Gesellenarbeiten  von  jenen  seiner  eigenen 
Hand  zu  unterscheiden  verstanden  hat.  Während  ich 
in  Weimar  war,  vollendete  Schuchardt  sein  verdienst- 
liches Werk  „Lucas  Cranach  des  Aelteren  Leben  und 
Werke,  nach  urkundlichen  Quellen  bearbeitet.  2 Bände. 
Leipzig  1851.“  **) 

Als  ich  mich  bei  den  hohen  Herrschaften  dank- 
sagend verabschiedete,  entliess  mich  der  Grossherzog 
mit  herzlichen  Glückwünschen  auf  die  Reise  und  zum 
Glücklichen  Erfolg  meiner  Arbeiten. 

O ö 


*)  Jetzt  in  der  „Stadtkirche''  aufgestellt . wo  sich  sein  be- 
rühmtes Bild,  die  Kreuzigung,  befindet. 

**)  Ein  dritter  Band  erschien  nach  dem  am  10.  August  18b9 
erfolgten  Tode  Christian  Sclnichardt’s,  von  seinem  Sohne  heraus- 
gegeben, in  Leipzig  lSJl. 


129 


Mit  den  angenehmsten  Erinnerungen  verliess  ich 
Weimar,  nicht  ahnend,  dass  ich  zwölf  Jahre  später 
wieder  dahinkommen  würde. 

Von  da  ging  ich  nach  Eisenach  und  auf  die 
Wartburg,  welche  schon  von  früher  Jugend  an  meine 
Phantasie  so  sehr  beschäftigte.  Diese  herrliche  Burg 
mit  den  historischen  Erinnerungen  in  prachtvoller  Land- 
schaft gelegen,  mit  der  schönen  und  merkwürdigen 
Sammlung  von  Waffen  , Prachtrüstungen  etc.  machte 
einen  mächtigen  Eindruck  auf  mich.  Der  Kommandant 
der  Wartburg  Bernhard  v.  Arnswald  empfing  mich  über- 
aus freundlich,  ich  erfuhr  durch  ihn  vieles  Werthvolle : 
er  blieb  mir  ein  Freund  bis  an  sein  Ende.  Sein  Bruder 
kam  nach  ihm  an  seine  Stelle  und  ist  ihm  bereits  auch 
in  den  Tod  nachgefolgt.  Ich  komme  später  auf  die 
Wartburg  zurück,  da  ich  sie  im  Jahrl863  nochmals 
besuchte. 

In  Erfurt  fand  ich  für  meine  Zwecke  vieles  Werth- 
volle. Zunächst  besuchte  ich  daselbst  den  Herrn  von 
Radowitz , nachdem  ich  ihn  zuletzt  als  Parlaments- 
mitglied in  der  Paulskirche  zu  Frankfurt  gesehen  hatte. 
Darauf  begab  ich  mich  in  den  Dom , wo  sich  mir 
vieles  Wichtige  darbot,  vor  allem  der  Grabstein  des 
Grafen  Ernst  von  Gleichen  (f  1264)  mit  seinen  beiden 
Frauen,  ich  zeichnete  denselben  für  mein  Werk.*) 
Dieses  interessante  Denkmal  befand  sich  ursprünglich 
in  der  Peterskirche  auf  dem  Petersberge,  die  im  An- 
fänge unseres  Jahrhunderts,  als  hinderlich  für  den 
Festungsbau,  niedergerissen  wurde;  sie  enthielt  die 

*)  Siehe:  Trachten,  Kunstwerke  und  Geräthschaften.  2.  Aufl. 
Bd.  II.  Frankfurt  a.  M.  1881.  S.  27/28  und  Tafel  129. 

9 


130 


schönsten  uud  merkwürdigsten  Grabsteine,  mit  denen 
man  Strassen  pflasterte,  wie  ich  zu  meinem  Herzeleid 
noch  aus  manchen  Spuren  erkennen  konnte.  Nur 
dieses  Grabmal  des  Grafen  Gleichen  wurde  in  dem 
Dom  aufgestellt , wohl  deswegen , weil  um  jene  Zeit 
das  Märchen  vom  Grafen  Gleichen  mit  seinen  zwei 
Frauen  viele  Köpfe  ausfüllte.  Ich  sah  hier,  was  mir 
noch  bei  keinem  Grabstein  vorkam,  dass  die  Inschrift 
ringsum  sorgfältig-  herausgemeisselt  war,  wohl  um 
jene  schöne  Illusion  zu  bewahren,  denn  es  standen 
Gewiss  die  Namen  der  zwei  christlichen  Frauen 
darauf,  die  der  Graf  nacheinander  besessen  hatte. 
Von  grossem  Interesse  war  für  mich  das  ehemalige 
Augustinerkloster.  Ausser  mehreren  Kunstwerken  be- 
fand sich  darin  das  Stübchen,  welches  I)r.  Martin  Luther 
als  Mönch  bewohnt  hatte,  ferner  56  Oelgemälde  mit  lebens- 
grossen Figuren,  einen  Todtentanz  darstellend.  Er 
wurde  im  Jahre  1736  begonnen  und  17/6  vollendet. 
Die  besten  darunter  waren  von  Jakob  Samuel  Beck. 
Leider  ist  dieser  Bau  im  Jahre  1872  abgebrannt. 
Ausser  diesem  Todtentanz  und  jenem  von  Chodowiecki, 
in  12  Radirungen  aus  dem  fahre  1791,  kenne  ich 
keinen  von  künstlerischem  Werthe  aus  dem  18.  Jahr- 
hundert, während  aus  dem  16.  Jahrhundert  ausser 
jenem  von  Hans  Holbein  viele  bekannt  sind.  Alle 
diese  Todtentänze  haben  für  die  Geschichte  ihrer 
Periode  grossen  Werth. 

Von  Erfurt  aus  kam  ich  dann  nach  Berlin,  dem 
ersehnten  Ziel  meiner  Reise.  Das  Wetter  war  trübe 
und  ebenso  meine  Stimmung.  Maler  Eberhard,  mein 
Freund,  verschaffte  mir  eine  Privatwohnung.  Mein 


131 


erster  Gang  war  zu  dem  Mann,  der  für  mich  der 
wichtigste  war,  zu  Excellenz  von  Olfers,  dem  Gene- 
raldirektor sämmtlicher  Museen  Preussens.  Er  empfing 
mich  schon  an  der  Treppe  mit  den  Worten  : „Lernen 
wir  Sie  doch  endlich  auch  persönlich  kennen  !“ 

Er  führte  mich  in  sein  Arbeitszimmer.  Als  ich 
meine  Bitte  anbrachte,  die  Kunstanstalten  für  meine 
Zwecke  benutzen  zu  dürfen,  erwiderte  er:  „Das  ver- 
steht sich  von  selbst,  denn  Sie  tragen  ja  durch  Ihre 
Arbeiten  dazu  bei,  dass  der  wahre  Zweck  der  Mu- 
seen erfüllt  wird.“ 

Olfers  erste  Frage  war:  „Werden  Sie  zum  König 
gehen?“  Ueberrascht  sagte  ich:  „Daran  darf  ich  wohl 
jetzt,  nach  den  traurigen  Zeitereignissen,  nicht  denken.“ 
Er  erwiderte:  „Der  König  kennt  Ihre  Arbeiten,  hat 
Freude  daran  und  sucht  besonders  jetzt  Zerstreuung 
darin.“  Dadurch  veranlasst,  erbat  ich  eine  Audienz 
und  erhielt  die  Antwort,  der  König  sei  im  Umzug 
nach  Charlottenburg  begriffen,  wohin  ich  bald  eine 
Einladung  erhalten  würde. 

Eine  gleiche  freundliche  Aufnahme  wurde  mir 
in  der  Königlichen  Bibliothek  durch  deren  Direktor 
zu  theil. 

Inzwischen  fand  ich  in  meiner  Wohnung  die 
Karte  des  Oberceremonienmeisters  Excellenz  Freiherrn 
von  Stillfried,  des  nachmaligen  Grafen  von  Alcan- 
tara,  der  mich  besuchen  wollte,  was  mich  überraschen 
musste,  da  er  mich  noch  nicht  persönlich  kannte.  Als 
ich  zu  ihm  kam,  empfing  er  mich  aufs  freundlichste: 
er  versprach,  mich  in  meinen  Bestrebungen  nach 
Kräften  zu  unterstützen. 


9* 


Bei  Alexander  von  Humboldt  wurde  ich  in  gleicher 
Weise  aufgenommen. 

Nun  erhielt  ich  die  Einladung  zur  Tafel  nach 
Charlottenburg  und  wurde  daselbst  durch  Stillfried 
dem  Könige  vorgestellt,  welcher  mir  viel  Schönes 
über  meine  Arbeiten  sagte.  An  der  Tafel  war  mein 
Platz  der  Majestät  gegenüber,  neben  mir  sass  Still- 
fried; zur  Linken  des  Königs  Prinz  Friedrich,  der 

nachmalige  Kaiser,  damals  19  Jahre  alt,  zur  Rechten 
Alexander  von  Humboldt  am  Platze  der  Königin, 
welche  an  diesem  Tag  unwohl  war;  entfernter  sass 
der  Prinz  von  Preussen , später  Kaiser  Wilhelm  I. 

Der  König  erzählte  manches  lustige  Geschichtchen, 
doch  mit  einem  Anflug'  von  Melancholie.  Zu  mir 

sagte  er:  „Ich  greife  Ihnen  in  das  Handwerk,  Sie 

geben  die  alten  Kunstwerke  in  Abbildungen  heraus, 
ich  führe  sie  in  natura  aus.  Ihr  „Bierkandel“  des 

Herzogs  Albrecht  V.  von  Bayern*)  habe  ich  für  die 
Königin,  welche  eine  Bayerin  ist,  durch  den  ge- 
schickten Goldarbeiter  Netto  ausführen  lassen,  Olfers 
soll  es  Ihnen  zeigen.“  Nach  der  Tafel  fragte  mich 
der  König  u.  A. : „Was  macht  Ihr  von  der  Pfordten, 
der  Preussenfeind?“  **) 

Von  da  an  erhielt  ich  vom  König  noch  manche 
Beweise  besonderen  Wohlwollens. 

Zum  Galleriedirektor  von  Waagen  kam  ich  ölter, 
ich  habe  ihm  viel  zu  verdanken,  er,  wie  der  zweite 
Direktor  Ilotho  unterstützten  mich  ott  bei  meinen 

*)  Kunstwerke  und  Geräthschaften  des  Mittelalters  und  der 
Renaissance.  1.  Aufl.  Bd.  1.  Tafel  6. 

**)  Von  der  Pfordten  war  damals  in  Bayern  Ministerpräsident. 


133 


Studien  im  Museum.  Waagen  führte  mich  auch  bei 
dem  Prinzen  Karl,  dem  Bruder  des  nachmaligen 
Kaisers  Wilhelm  I.  ein.  Der  Prinz  zeigte  mir  ausser 
seinem  prachtvollen  Waffensaal  ganz  hervorragende 
Kunstschätze  und  übergab  mir  manche  Kleinodien 
zum  Kopiren.  Nachdem  er  mein  Interesse  für  diese 
Dinge  erkannt  und  gesehen  hatte,  dass  ich  etwas  da- 
von verstand,  gewann  er  eine  besondere  Zuneigung 
zu  mir.  Es  schien  mir,  dass  es  ihn  oft  kränke, 
Menschen  zu  sehen,  welche  für  Dinge,  die  ihn  be- 
sonders freuten,  keinen  Sinn  hatten.  An  der  Tafel, 
zu  welcher  er  mich  geladen  hatte,  machte  er  mich  mit 
manchen  bedeutenden  Persönlichkeiten  bekannt.  Diese 
Zuneigung  bewahrte  mir  der  Prinz  bis  an  sein  Ende. 

In  den  Freitagsabend-Gesellschaften  des  Herrn 
von  Olfers  traf  ich  manche  hervorragende  Männer. 

An  dem  Geheimen  Rath  von  Sotzmann,  Kunst- 
freund , Sammler  und  Kunstschriftsteller  von  grossem 
Verdienst,  fand  ich  ebenfalls  einen  sehr  wohlwollenden 
Freund,  der  später  im  deutschen  Kunstblatt  vom 
11.  Oktober  1851  einen  Artikel  über  meine  ersten 
Werke  erscheinen  Hess. 

Als  einer  meiner  besten  Freunde  erwies  sich  mir 
der  Direktor  des  k.  Kupferstich-  und  Handzeich- 
nungskabinets  Schorn,  ein  Neffe  des  bekannten  Kunst- 
schriftstellers Ludwig  Schorn.  Er  war  mir  durch  seine 
reichen  Erfahrungen,  wie  durch  das  vielfache  Kunst- 
material, welches  er  unter  seiner  Verwaltung  hatte, 
vom  grossen  Nutzen;  bei  ihm  lernte  ich  den  damals  schon 
als  hervorragenden  Künstler  geschätzten  Adolf  Menzel 
und  den  Bildhauer  Christian  Friedrich  Tieck  kennen. 


134 


Auf  Anrathen  des  Herrn  von  Olfers  besuchte  ich 
den  Bildhauer  Christian  Rauch.  Es  war  ein  Glück 
für  mich , dass  ich  zu  dieser  Zeit  den  grossen  Künstler 
kennen  lernte , denn  er  war  gerade  vollauf  mit  der 
Herstellung'  des  prachtvollen  und  grossartigen  Denk- 
mals Friedrich  des  Grossen  beschäftigt.  Mit  grösster 
Liebenswürdigkeit  zeigte  er  mir  die  schon  vollendeten 
Modelle  und  erklärte  mir  eingehend,  welche  Vorstu- 
dien er  für  dieses  Monument  gemacht  habe,  wobei 
ich  über  den  Geist  und  die  Geschicklichkeit  dieses 
Mannes  staunen  musste. 

Auch  machte  ich  für  mich  sehr  interessante  und 
lehrreiche  Bekanntschaften  an  dem  Geschichtsschreiber 
Friedrich  von  Raumer  und  an  Karl  Ritter,  dem  be- 
rühmten Geographen. 

Peter  von  Cornelius  lernte  ich  auch  erst  dort  per- 
sönlich kennen,  wo  ich  ihn  in  dem  Raczynski’schen 
Palais  besuchte.  Er  erklärte  mir  den  ganzen  Ideen- 
gang der  Wandgemälde  für  den  geplanten  Campo 
santo,  an  welchen  er  damals  gerade  arbeitete  und  zwar 
an  dem  Karton  der  drei  apokalyptischen  Reiter.  Ich 
erhielt  von  ihm  eine  Einladung  auf  den  Abend,  wo  ich 
auch  seine  zweite  Frau,  eine  Römerin,  kennen  lernte, 
nicht  ahnend,  dass  ich  später  auch  noch  seine  dritte 
sehen  würde. 

Oberbaurath  Stüler,  mit  dem  besonderen  'Titel 
„Architekt  des  Königs“,  war  bemüht,  mich  mit  älteren 
und  neueren  Bauwerken  Berlins  vertraut  zu  machen. 
Oet'ter  traf  ich  des  Abends  mit  dem  Schüler  von 
Rauch,  dem  Bildhauer  Bernhard  Afinger,  mit  dem 
Maler  Sixtus  Jarwart,  mit  dem  ich  später  noch  in 


135 


Berührung  kam  , mit  dem  vortrefflichen  Goldarbeiter 
Netto , mit  dem  Maler  und  Professor  Hermann  Weiss 
in  einem  Lokal  zusammen.  Letzterer,  durch  meine 
Arbeit  angeregt,  gab  ebenfalls  ein  Werk  über  Trachten 
heraus , jedoch  in  anderer  Richtung. 

Was  mir  meinen  Aufenthalt  in  Berlin  besonders 
lehrreich  machte  und  verlängerte,  war  u.  A.  die  Ver- 
legung der  „Kunstkammer“  in  das  noch  nicht  vollendete 
k.  Museum ; dieselbe  befand  sich  noch  in  den  Dach- 
räumen des  k.  Schlosses,  wo  Freiherr  von  Ledebur, 
auch  Direktor  am  k.  Museum,  sie  unter  seiner  Ver- 
waltung hatte.  Durch  die  Vereinigung  dieser  Kunst- 
kammer mit  dem  neuen  Museum,  welche  Olfers  be- 
trieb, gewann  letzteres  sehr  an  Bedeutung.  Jene 
Kunstkammer  bestand  vorzüglich  in  geschichtlichen 
Erinnerungen,  als  Kleider,  Orden,  Waffen  etc.  des 
grossen  Kurfürsten,  des  Königs  Friedrich  II.  u.  A., 
in  Geschenken  von  auswärtigen  Höfen , als  prachtvolle 
Limousingeschirre,  Venetianergläser,  Majoliken  u.s.w., 
wobei  ich  für  mich  vieles  Wichtige  erfuhr  und  da- 
gegen manchen  Dienst  leisten  konnte. 

So  wechselte  mein  Aufenthalt  in  Berlin  mit  Ar- 
beit und  angenehmer,  belehrender  Gesellschaft.  Ich 
konnte  meiner  Frau  nach  Aschaffenburg  nur  Gutes 
und  Beruhigendes  schreiben.  Die  Zeit  verging  schnell; 
das  neue  Jahr  nahte , ich  musste  an  die  Heimkehr 
denken. 

Aber  Stillfried,  der  beauftragt  war,  neue  Kostüme 
für  die  Herolde  bei  dem  bevorstehenden  Ordensfeste 
herzustellen,  hielt  mich  zurück  und  übertrug  mir  diese 
Angelegenheit.  Ich  fertigte  zu  diesem  Zwecke  eine 


136 


kolorirte  Skizze  nach  Art  der  Herolde  des  16.  Jahr- 
hunderts, Ueberwurf  vorne  und  hinten  herabhängend, 
auf  beiden  Seiten  offen,  von  Silberstoff,  darauf  der 
schwarze  Adler , Aermel  und  Strümpfe  hochroth  wie 
die  Kniebänder  mit  langen  Schleifen,  schwarze  Schuhe 
mit  rothen  Bandrosetten , weisse  Stulphandschuhe  mit 
Silber  besetzt,  schwarzes  Barett  mit  weissen  Federn 
garnirt,  in  der  Linken  einen  mannshohen  goldenen 
Stab.  Stillfried  legte  meinen  Entwurf  dem  König  vor, 
welcher  ihn  gut  fand,  doch  verlangte  er,  dass  Aermel 
und  Strümpfe  statt  roth , schwarz  würden.  Das  war 
mir  leid,  denn  gerade  schwarz,  silber  und  roth*  die 
nachmaligen  deutschen  Farben,  nahmen  sich  sehr  mit 
aus.  Stillfried  Hess  mich  zu  Sticker  und  Schneider 
fahren , damit  ich  die  Ausführung  der  Sache  über- 
wache. 

Es  kam  nun  am  18.  Januar  das  alljährliche  Ordens- 
fest, wozu  auch  ich  geladen  wurde.  Es  begann  mit 
einem  Gottesdienste  in  der  durch  Stiller  neu  herge- 
richteten Schlosskapelle,  der  König  und  die  Königin 
knieten  im  Königsornate  vor  dem  Altar,  von  dem 
Hofstaat  umgeben.  Darauf  ging  der  ganze  Zug  in 
den  weissen  Saal,  wo  die  Ordensverleihung  vor  sich 
ging,  auch  ich  bekam  ein  rothes  Vögelein  am  weissen 
und  orangegelben  Bande.  Darauf  machten  die  mit 
Orden  Geschmückten  vor  dem  König  und  der  Königin, 
welche  vor  dem  Throne  standen,  im  Vorbeigehen 
ihre  Verbeugungen. 

Die  von  mir  neu  bekleideten  Herolde,  an  beiden 
Seiten  des  Thrones,  nahmen  sich  sehr  gut  aus,  unge- 
achtet mir  der  König  die  rothe  Farbe  gestrichen 


hatte.  Ich  wurde  theils  durch  Stillfried,  theils  durch 
den  Hofmarschall  Grafen  Keller,  den  Prinzen  und 
Prinzessinnen,  wie  manchen  anderen  bedeutenden  Per- 
sönlichkeiten vorgestellt , darunter  durch  Stillfried  auch 
dem  Fürsten  Karl  Anton  von  Hohenzollern,  mit  welchem 
ich  später  noch  vielfach  in  Berührung  kam.  Die 
königliche  Familie  nahm  an  einer  Tafel  Platz,  während 
für  die  einzelnen  Stände  besondere  Tafeln  hergerichtet 
waren.  Ich  kam  an  jene  der  Künstler  und  Gelehrten, 
worunter  ich  manche  Bekannte  antraf. 

Nachdem  ich  noch  einige  Zeit  benutzte,  um  Ber- 
lin noch  näher  kennen  zu  lernen,  musste  ich  an  meine 
Abreise  ernstlich  denken.  Ich  ersuchte  den  Hofmar- 
schall Grafen  Keller,  mir  bei  der  Majestät  eine  Au- 
dienz zu  verschaffen,  damit  ich  meinen  Dank  für  die 
vielen  Beweise  besonderer  Huld  aussprechen  könne. 

Statt  der  Gewährung  einer  Audienz  erhielt  ich 
eine  Einladung  zu  einem  der  glänzendsten  Hofbälle. 
Ich  sah  den  König  dabei  in  heiterster  Stimmung;  es 
schien  ihn  die  neue  Ausschmückung  des  weissen  Saales 
sehr  zu  freuen ; auch  liess  er  es  nicht  an  freundlichen 
Worten,  bei  welchen  auch  ich  nicht  zu  kurz  kam, 
fehlen;  ja,  ehe  er  den  Ball  verliess,  sprach  er  mir 
noch  in  huldvollster  Weise  seine  Wünsche  zur  Pflück- 
liehen  Heimkehr  und  zu  dem  Fortgange  meiner 
Arbeiten  aus. 

Unter  manchem  Interessanten , das  sich  mir  aut 
diesem  Ball  darbot,  war  auch  Alexander  von  Hum- 
boldt, der  mit  seinen  81  Jahren  in  der  steifen,  mit 
Orden  beladenen  Uniform,  an  Rührigkeit  und  Auf- 
merksamkeit den  jüngsten  Kammerherrn  übertraf.  Er 
verweilte  daselbst  bis  weit  über  Mitternacht. 


Ich  verliess  Berlin  mit  den  angenehmsten  Ein- 
drücken ; mein  Lebensmuth  und  Selbstvertrauen  stiegen 
von  da  an. 

Ein  Mann  der  Politik  war  ich  damals  noch  weniger 
als  ich  es  jetzt  bin,  gewann  aber  trotzdem  die  Ueber- 
zeugung,  Preussen  gehe  einer  grossen  Zukunft  ent- 
gegen; so  weit  mein  Blick  reichte,  erkannte  ich  in 
allen  Einrichtungen  Klarheit  und  Bestimmtheit. 

Mein  Heimweg  ging  über  Dresden,  ich  hielt  mich 
acht  Tage  dort  auf  und  studirte  die  Kunstschätze, 
soviel  in  dieser  Zeit  möglich  war.  Regierungsrath 
Schulz,  der  besonders  in  Kunstangelegenheiten  das 
Vertrauen  des  Königs  besass , nahm  sich  meiner  sehr 
an,  ebenso  Herr  von  Langen,  Präsident  des  obersten 
Gerichtshofes.  Letzterer  führte  mich  nach  Meissen, 
um  mir  das  dortige  Schloss  zu  zeigen , welches  der 
König  und  namentlich  der  Herzog  Johann  , der  nach- 
malige König , wieder  in  seiner  ursprünglichen  Pracht 
herzustellen  gedachten.  Ich  werde  noch  darauf  zurük- 
kommen. 

Sehr  befreundet  wurden  mir  auch  Hotrath  Klemm, 
Bibliothekar  und  Ethnograph,  wie  Archivar  Erbstein. 
Durch  diese  Herren  wurde  ich  u.  A.  in  eine  Sitzung 
des  Alterthumsvereins  geführt,  wo  ich  dem  Vorstand 
desselben,  dem  Herzog  Johann,  vorgestellt  wurde. 

Ich  komme  auf  Dresden,  das  ich  im  folgenden 
Jahre  wieder  besuchte,  nochmals  zu  sprechen. 

Von  Dresden  führte  mich  mein  Weg  über  Leipzig, 
das  mir  ebenfalls  vieles  Wichtige  bot,  z.  B.  die  Kunst- 
schätze im  „Gewandhaus“,  die  Universitätsbibliothek 
mit  den  prachtvollen  Manuscripten  und  Miniaturge- 


— 139  — 


mftlden,  darunter  das  überaus  merkwürdige  jüdische 
Gebetbuch  für  den  Gottesdienst,  Machsor,  in  zwei 
starken  Bänden,  aus  den  Jahren  1240  bis  1300*),  bei 
deren  Benützung  mir  besonders  der  Bibliothekar  Hof- 
rath Gersdorf  in  grosser  Freundlichkeit  behülflich  war. 
Reichlichen  Genuss  bot  mir  auch  die  Privatsammlung 
von  Kupferstichen  und  Handzeichnungen  der  Kunst- 
händler Gebrüder  Rudolf  und  Oswald  Weigel. 

Von  da  kam  ich  nach  Kassel,  wo  in  mir  manche 
traurige  geschichtliche  Erinnerungen  auftauchten,  da- 
gegen hatte  ich  auch  hohen  Genuss  an  den  dortigen 
wunderbaren  Kunstschätzen,  welche  mir  besonders 
durch  die  grosse  Freundlichkeit  des  Herrn  Direktors 
von  Ruhl  zugänglich  gemacht  wurden. 

Auf  einigen  Umwegen  gelangte  ich  endlich  wieder 
in  meiner  Heimath  Aschaffenburg  bei  meiner  Frau 
und  meinen  drei  Söhnchen  an ; mit  welchen  Gefühlen, 
nach  so  langer  Abwesenheit  und  so  vielem  Erlebten 
lässt  sich  wohl  denken. 

XV.  Reise  nach  München  und  Niederlassung 
daselbst. 

Schon  nach  dem  Tode  meines  Vaters  hatte  ich 
den  Entschluss  gefasst,  meine  Vaterstadt  zu  verlassen, 
und  an  dessen  Ausführung  dachte  ich  jezt  um  so 
ernstlicher,  da  ich  von  der  Ueberzeugung  durch- 
drungen  war , dass  für  mich , wie  für  die  Meinigen, 
eine  grössere  Stadt  durchaus  nöthig  sei. 

*)  Darstellungen  daraus  in  der  zweiten  Auflage  meines 
Werkes:  Trachten  u.  s.  w.,  Hand  II,  Frankfurt  1881,  Tafel  120 
und  125. 


140 


Im  Winter  1851  reiste  ich  vorerst  allein  nach 
München , um  mich  nach  den  dortigen  Verhältnisse® 
umzusehen. 

In  Nürnberg  besuchte  ich  zwei  mir  längst  be- 
kannte Persönlichkeiten,  den  Professor  Karl  Heideloff 
und  den  Baron  Hans  von  Aufsess.  Ersterem  zeigte 
ich  die  neuesten  Lieferungen  meines  zweiten  Werkes 
der  „Kunstwerke  und  Geräthschaften  etc.“  Da  mir 
Heideloff  öfter  als  ein  eitler  Mann  geschildert  worden 
war , der  nur  seine  eigenen  Arbeiten  für  das  Beste 
halte,  so  muss  ich  erwähnen,  was  dem  direkt  wider- 
sprach. Er  hatte  Freude  an  meiner  Arbeit,  lobte  sie, 
redete  mir  sehr  zu,  nicht  nach  München,  sondern  nach 
Nürnberg  zu  ziehen,  und  sagte  dabei:  „Wenn  wir 

beide  ein  hohes  Alter  erreichen  und  unsere  Werke 
lange  fortsetzen,  so  bietet  uns  Nürnberg  allein  Material 
genug  dazu;  abgesehen  davon  sind  unsere  Werke 
doch  in  verschiedener  Richtung,  Sie  geben  die  Schöpf- 
ungen unserer  Vorfahren  mit  grösster  Genauigkeit 
tale  quäle  wieder;  ich  dagegen  halte  mich  mehr  an 
die  Grundideen  der  alten  Meister  und  gebe  mehr  das, 
was  in  ihrer  Absicht  lag.“ 

Darauf  begab  ich  mich  zu  Aufsess,  der  mit  Friedrich 
Mone  schon  damals  die  Zeitschrift  für  deutsches  Mittel- 
alter  herausgegeben  und  den  Gedanken  gefasst  hatte,  ein 
germanisches  Museum  zu  gründen,  welches  Eigenthum 
der  deutschen  Nation  werden  sollte;  ein  Gedanke, 
der  unter  den  damaligen  Verhältnissen  als  Wahnsinn 
erschien.  Zu  diesem  Zwecke  hatte  Aufsess  schon  mit 
einem  Theile  seines  Vermögens  Werke  mittelalterlicher 
Kunst  angeschafft,  welche  die  Grundlage  zu  dem 


141 


M useum  bilden  sollten.  Er  hatte  dieselben  vorläufig 
im  Thurm  des  Thiergärtner  Thores  und  in  einem  Theile 
des  anstossenden  Wehrganges  untergebracht. 

Auch  Aufsess  rietli  mir  dringend  ab,  nach  München 
zu  ziehen,  und  wünschte,  dass  ich  in  Nürnberg  bliebe 
und  mit  ihm  Gründer  des  Germanischen  Museums 
würde.  Er  hatte  auch  schon  ein  altes  schönes  Patri- 
zierhaus ausgesucht,  das  ich  erwerben  sollte,  und  bot 
dabei  seine  ganze  Beredsamkeit  auf,  um  mir  vorzu- 
stellen , dass  man  in  München  wohl  meine  Kräfte 
gebrauche,  weil  daselbst  in  meiner  Richtung  bisher 
wenig  geschehen  sei , dass  man  mich  aber  nur  aus- 
beuten  werde , und  ich  bloss  Undank  ernten  würde. 
Indem  ich  für  die  wohlgemeinten  und  viele  Wahrheit  ent- 
haltenden Worte  des  Freundes  dankte,  setzte  ich 
ihm  dagegen  auseinander,  dass  Nürnberg  bei  allem  ’ 
dem  für  mich  und  die  Meinigen  doch  nicht  der  ge- 
eignete Ort  sei. 

Ungeachtet  dessen  erhielt  ich  später  am  10.  Mai 
1852  ein  Schreiben  von  Aufsess,  in  welchem  er  mir 
in  noch  höherem  Grade  auseinander  setzte,  wie  vieles 
Unangenehme  mich  in  München  treffen  würde,  was 
sich  leider  theilweise  auch  bewahrheitete. 

V on  Nürnberg  ging  ich  nach  München  ; obschon 
mir  dasselbe  nicht  den  günstigen  Eindruck,  wie  Berlin 
machte,  entschloss  ich  mich  aus  vielen  Gründen  doch 
diese  Stadt  als  Wohnort  zu  wählen.  Ich  kehrte  nach 
Aschaffenburg  zurück  und  traf  die  Vorbereitungen 
zum  Umzug.  Um  nicht  Heimweh  zu  bekommen, 
musste  ich  das  Haus  mit  Garten  und  Weinberg  um 
jeden  Preis  hinweggeben  und  trennte  mich  von  dem, 


142 


was  mein  Vater,  gewissermassen  aus  einem  Nichts, 
geschaffen , wo  ich  liebende  Eltern  und  Geschwister 
besessen  und  verloren,  und  wo  ich,  wie  meine  Kinder 
das  Licht  der  Welt  erblickt  hatten.  Im  Mai  1852  reiste 
ich  mit  den  Meinigen  von  Aschaffenburg  ab.  Mein 
Schmerzgefühl  war  gross,  aber  noch  grösser  das  meiner 
guten  Frau,  denn  sie  liess  noch  Mutter  und  Geschwister 
zurück,  während  ich  in  Aschaffenburg  keine  mir  so 
nahe  stehende  Angehörigen  mehr  besass.  Mein  Um- 
zug war  durch  die  damals  noch  mangelhaften  Ver- 
kehrs- und  Transportanstalten  sehr  erschwert  und  die 
Unterbringung  meines  nicht  geringen  Besitzes  an 
Kunstwerken  und  Alterthümern  keine  kleine  Arbeit. 

Noch  ehe  ich  mich  mit  den  Meinigen  in  München 
gehörig  eingerichtet  und  eingewöhnt  hatte  , erhielt  ich 
* die  Einladung  zu  dem  im  August  1852  zu  Dresden 
stattfindenden  Kongresse  der  deutschen  Geschichts- 
und  Alterthumsforscher  unter  dem  Präsidium  des 
Herzogs  Johann  von  Sachsen.  Ich  wurde  dort  mit 
vielen  bedeutenden  Männern  aus  verschiedenen  Gegen- 
den bekannt,  u.  A.  mit  John  Mitchell  Kemble,  der 
Geschichtsforscher , Hofkavalier  und  Intendant  des 
k.  Hoftheaters  zu  London  war,  und  der  noch  einige  Tage 
nach  der  Versammlung  mit  mir  in  Dresden  verweilte. 
Ich  erfuhr  von  ihm  Manches  für  mich  Lehrreiche 
und  Interessante. 

Was  mich  aber  am  meisten  bewegte,  war  Freund 
Hans  von  Aufsess,  der  dabei  mit  dem  festen  Ent- 
schluss erschien,  alles  daran  zu  setzen,  um  zu  er- 
wirken, dass  das  bereits  durch  ihn  geplante  und  mit 
Grundlage  versehene  germanische  Nationalmuseum 


143 


von  der  anwesenden  Gesellschaft  einflussreicher  deut- 
scher Männer,  mit  dem  deutschen  Fürsten  und  Ge- 
lehrten an  ihrer  Spitze,  als  ein  wirkliches  Eigenthum 
der  deutschen  Nation  anerkannt  und  als  solches  unter- 
stützt werde.  Ich  befand  mich  dabei  in  einer  eigen- 
thümlichen  Laefe.  Als  ich  kurz  vorher  bei  Aufsess 
in  Nürnberg  war,  musste  ich  ihm  versprechen,  wenn 
immer  thunlich.  seine  deutsch-patriotische  Idee  zu 
unterstützen;  denn  auch  ich  stand  an  deutschem  Ide- 
alismus ihm  nicht  nach.  Andrerseits  ward  ich  von 
Verwandten  und  Freunden  desselben  aufgefordert, 
das  Möglichste  zu  thun,  um  ihn  von  solchem  Wahn, 
durch  den  er  sich  ins  Unglück  stürze,  abzuhalten. 
Doch  Aufsess  liess  sich  durch  nichts  abschrecken;  er 
setzte  es  durch,  dass  seine  Sache  als  ein  nationales 
Gut  durch  Unterschriften  der  Anwesenden  anerkannt 
und  allen  deutschen  Patrioten  zur  Unterstützung  an- 
empfohlen wurde.  Wenn  dabei  auch  noch  Manche 
über  die  Sache  als  etwas  Schwindelhaftes  spöttelten, 
so  hatte  Aufsess  für’s  Erste  doch  erlangt,  was  er  wollte. 

Ich  erhielt  mit  Aufsess  eine  Einladung  zur  könig- 
lichen Tafel  nach  Pillnitz,  Aufsess  war  aber  schon 
abgereist , um  seine  Pläne  weiter  zu  verfolgen.  In 
Pillnitz  sah  ich  den  König  Friedrich  August,  seine 
Gemahlin  Marie , geborene  Prinzessin  von  Bayern, 
den  Herzog  Johann  und  seine  fünf  Töchter  als 
Bild  einer  glücklichen  Familie.  Das  Unglück,  das 
so  bald  über  sie  hereinbrach,  bleibt  mir  daher  immer 
eine  traurige  Erinnerung.*) 

*)  Bekanntlich  starb  der  König  Friedrich  August  am  9.  Aug. 
1854  in  Folge  eines  Sturzes  von  dem  Wagen  zwischen  Imst  und 
Wenns  in  Tirol. 


144 


Am  letzten  Tage  der  Versammlung  wurde  eine 
gemeinschaftliche  Fahrt  auf  dem  Dampfschiff  nach 
Meissen  unternommen.  Dem  Herzog  Johann  war  es 
eine  Herzensangelegenheit,  dass  das  alte  Schloss,  die 
Albrechtsburg,*)  daselbst,  der  frühere  Sitz  der  Her- 
zoge von  Sachsen,  wieder  in  seiner  ursprünglichen 
Art  hergestellt  werde.  Da  aber  seit  17 10  die  berühmte 
Porzellanfabrik  in  dem  Schloss  errichtet  worden  war, 
konnte  vor  deren  anderweitiger  zweckmässiger  Unter- 
bringung an  eine  Restaurirung  des  Schlosses  nicht  ge- 
dacht werden. 

Der  Herzog,  der  wusste,  dass  ich  schon  vorher 
das  Schloss  untersucht  hatte  und  auch  für  die  Por- 
zellanfabrik Interesse  habe , holte  mich  aus  der  Ge- 
sellschaft und  durchwanderte  mit  mir  alle  Räume  des 
Schlosses,  wobei  die  eingehende  Theilnahme  und  die 
vielseitige  Fachkenntniss  des  hohen  Herrn  mir  wahre 
Freude  machten. 

Nach  München  zurückgekehrt,  habe  ich  vorzüglich 
die  drei  Familien  Thiersch,  Ringseis,  Martins  zu  nennen, 
die  mir  wie  meiner  Frau  zuerst  den  dortigen  Aufent- 
halt verschönerten. 

Geheimer  Rath  Friedrich  Wilhelm  von  Thiersch.**) 
der  berühmte  Philologe  und  die  höchste  Autorität  im 

*)  Von  den  gemeinschaftlich  regierenden  Herzogen,  den 
Brüdern  Ernst  und  Albert  nach  den  Plänen  des  „Meisters  Arnold 
aus  Westfalen“  erbaut.  Die  Wiederherstellung  erfolgte  erst  seit 
1863. 

**)  Thiersch,  d.  1 7.  Juni  1784  zu  Kirchscheidungen  b.  Freiburg  a.  d. 
Unstrut  geboren,  wurde  1809  als  Gymnasialprofessor  nach  München 
berufen.  „hier  entwickelte  er  die  ihm  eigenthümliche  Kraft,  durch 
welche  er  der  Begründer  der  philologischen  Studien  in  Bayern  (prae- 


145  — 

Schulwesen,  wie  seine  Familie  nahmen  sich  unserer 
aufs  Freundlichste  an;  er  machte  uns  auch  in  seinen 
geselligen  Abenden  mit  manchen  hervorragenden  Per- 
sönlichkeiten bekannt,  darunter  die  um  diese  Zeit  vom 
König  Max  II.  Berufenen,  wie  Liebig,  Jollv.  Boden- 
stedt,  Geibel,  Riehl , Ileyse , Carriere  u.  a. 

In  der  Familie  des  Geheimen  Raths  von  Ringseis 
fanden  wir  die  liebenswürdigste  Aufnahme;  sie  gehörte 
der  streng  katholischen  Richtung  an , war  aber  dabei 
fern  von  jeder  Intoleranz.  Wir  kamen  in  deren  Abend- 
gesellschaften mit  bedeutenden  Persönlichkeiten  der 
verschiedensten  Richtungen  zusammen,  wir  trafen  u.  A. 
den  Herrn  Erzbischof  von  München-Freising  von 
Scherr  und  den  Oberkonsistorial-Präsidenten  von  Har- 
less.  Auch  waren  wir  einmal  daselbst  zu  einer  Theater- 
aufführung  eingeladen,  bei  welcher  König  Ludwig  I. 
mit  seinen  Töchtern,  der  Grossherzogin  Mathilde  von 
Hessen  und  der  Herzogin  Adelgunde  von  Modena, 
anwesend  waren,  und  wo  die  drei  Töchter  des  Hauses 
Maria,  Emilie  und  Bettina  ein  selbstverfasstes  Lust- 
spiel aufführten  , wie  diese  überhaupt  die  geselligen 
Abende  durch  ihre  Talente  in  Deklamation,  Musik 
und  Gesang  verschönerten.  Wir  lernten  da  auch  Graf 
Montalembert  kennen , der  in  Paris  als  eine  Stütze 
des  Katholizismus  galt,  jedoch  sich  von  seiner  Partei 


ceptor  Bavariae)  geworden  ist.“  Später  wirkte  er  als  Universitäts- 
lehrer in  hervorragender  Weise.  Vielfach  litterarisch  thätig,  wurde 
er  1848  Präsident  der  Akademie  der  Wissenschaften.  Er  starb  am 
25.  Febr.  1860.  Seine  Nachkommen  zählen  ebenfalls  zu  berühmten 
Vertretern  von  Wissenschaft  und  Kunst. 


10 


abwendete,  als  die  päpstliche  Unfehlbarkeit  als  Dogma 
erklärt  wurde.*) 

Ferner  verlebten  wir  schöne  Abende  in  der  Fa- 
milie des  Geheimen  Rathes  Karl  Friedrich  Philipp 
von  Martius  des  bekannten  Reisenden  und  Natur- 
forschers.**) 

Die  Aufnahme,  welche  ich  in  der  Kunstgenossen- 
schaft zu  München  fand,  war  freundlich.  Ich  wurde 
in  ihr  mit  Künstlern  von  Bedeutung  und  mit  vortrefflichen 
Menschen  bekannt.  Das  Lokal  der  Künstler  war  noch 
in  dem  seiner  Zeit  berühmten  „Stubenvoll“  am  Anger. 
Als  Mitglied  aufgenommen  machte  ich  manche  frohe 
Künstlerfeste  mit;  das  erste  der  Art  war  ein  Empfang 
des  Peter  von  Cornelius,  der  auf  Besuch  nach  München 
kam.  Bald  darauf  wählten  wir  als  Künstlerlokal  das 
Hotel  Schafroth  in  der  Dienersgasse. 

Wollte  ich  die  Künstler,  mit  denen  ich  dabei  zu- 
sammenkam, und  die  Künstlerfeste  alle  erwähnen,  so 
würde  das  allein  ein  Buch  ausfüllen. 

Ich  besuchte  diese  Gesellschaft  regelmässig  bis 
zum  Jahre  18/4,  wo  die  Cholera  den  Vorstand  der 
Gesellschaft,  den  geschickten  Landschaftsmaler 
Eduard  Schleich,  und  den  Direktor  der  Akademie, 
Wilhelm  von  Kaulbach,  der  mir  immer  ein  wahrer 
Freund  war,  hinwegraffte,  nachdem  schon  viele  meiner 
Freunde  aus  diesem  Kreise  mit  Tod  abgegangen 
waren.  Von  da  an  besuchte  ich  die  Künstlergesell- 
schaft nicht  mehr,  blieb  aber  Mitglied  derselben. 

*)  J.  N.  von  Ringseis,  Erinnerungen,  gesammelt,  ergänzt  und 
herausgegeben  von  Emilie  Ringseis.  4 Bände.  Regensburg  1886  92. 

**)  Am  meisten  bekannt  durch  das  mit  seinem  Reisegelährten 
Spix  herausgegebene  Werk:  Reise  nach  Brasilien.  3 Bände. 

München  1824 — 31 


147 


Schon  als  ich  mich  kaum  in  München  niederge- 
lassen hatte , besuchte  mich  Oberbaurath  von  Voit, 
führte  mich  in  den  „Verein  zur  Ausbildung  der  Ge- 
werke“, dessen  V orstand  er  war,  und  stellte  mich  da- 
selbst den  Mitgliedern  vor,  die  mich  alsbald  zum 
Ausschussmitglied  wählten.  In  den  regelmässigen  Zu- 
sammenkünften wurden  Zeichnungen  und  Entwürfe 
für  kunstgewerbliche  Gegenstände  vorgelegt  und  da- 
rüber berathen.  Ich  zeigte  dabei,  soviel  in  meinen 
Kräften  stand,  Entwürfe  und  ausgeführte  Gegenstände 
des  Kunstgewerbes  alter  Meister  vor. 

Nach  damaliger  Anschauungsweise  durfte  nur 
das  als  schön  gelten,  was  der  Antike  oder  der  Gothik 
angehörte,  jede  andere  Stilart  war  von  dem  Begriff 
des  Schönen  ausgeschlossen.  Es  war  daher  nicht  leicht, 
selbst  in  diesem  Verein,  der  Renaissance  und  andern 
Stilarten  Geltung  zu  verschaffen.  Von  den  Ausschuss- 
mitgliedern, mit  denen  ich  zusammenwirkte,  will  ich 
nur  nennen:  Staatsrath  von  Zenetti  und  dessen  Sohn, 
den  späteren  städtischen  Oberbaurath,  Ferdinand  von 
Miller,  Inspektor  der  k.  Erzgiesserei , Dr.  Ernst  Förster, 
Maler  und  Kunstschriftsteller,  den  Maler  Hermann 
Dyck,  die  Gebrüder  Eugen  und  Gottlieb  Neureuther, 
Franz  Seitz,  die  Bildhauer  Knabl  und  Sickinger,  die 
Architekten  Gottgetreu , Berger,  Ludwig  Foltz,  Ober- 
baurath Degen.  Als  sich  nach  16  Jahren  meine  Ge- 
schäfte zu  sehr  mehrten,  trat  ich  aus  dem  Ausschuss 
dieses  Vereins,  blieb  aber  Mitglied  desselben,  der  noch 
unter  dem  Namen  „Kunstgewerbeverein“  fortbesteht. 

Schon  in  früherer  Zeit  existirte  in  München  ein 
Verein  unter  dem  Namen  „die  Zwanglose  Gesell- 

10* 


148 


schaft“,  die  aus  Dichtern  und  Litteraten  bestand,  sich 
aber  im  Jahre  1848  in  Folge  politischer  Meinungsver- 
schiedenheiten auflöste.  Ich  hatte  mich  noch  nicht 
lange  in  München  niedergelassen,  als  Dr.  Ernst  Förster, 
der  mir  stets  ein  Freund  blieb,  den  Entschluss  fasste, 
diese  Gesellschaft  mit  anderen  Statuten  wieder  in’s 
Leben  zu  rufen ; zu  diesem  Zwecke  lud  er  einen 
kleinen  Kreis  von  Bekannten  ein,  zu  welchem  auch 
ich  gehörte,  und  es  wurde  beschlossen,  dass  nicht  bloss 
Persönlichkeiten  eines  bestimmten  Faches,  sondern 
Männer  aus  allen  Gebieten  der  Kunst  und  Wissen- 
schaft zugezogen  werden  sollten.  Man  entwarf  in 
diesem  Sinne  die  Statuten.  Es  erschienen  alsbald  da- 
bei Geheimer  Rath  von  Thiersch,  Wilhelm  von  Kaul- 
bach , Justus  von  Liebig,  Professor  Lasaulx,  Graf 
Pocci  , Franz  von  Kobell , Professor  von  Siebold, 
Professor  von  Jolly,  Friedrich  von  Bodenstedt,  Paul 
Heyse,  Emanuel  Geibel,  Dingelstedt,  Carriere,  von 
Eltzholz,  I)r.  Scherer  und  andere,  welche  den  Stamm 
der  Gesellschaft  bildeten,  und  an  die  sich  bald  andere 
anschlossen.  Die  Zusammenkünfte  begannen  mit  dem 
Monat  Oktober,  an  einem  jeden  Mittwoch  Abend, 
wobei  jedesmal  über  ein  beliebiges  Thema  ein  Vor- 
trag gehalten  wurde.  Am  Dreikönigstage  war  ein 
Festessen,  ein  zweites  im  Mai,  zum  Schluss  der  Zu- 
sammenkünfte, meistens  am  Starnberger  See.  Den 
Vorträgen  in  dieser  Gesellschaft,  an  welche  sich  öfter 
Diskussionen  anschlossen , wobei  auch  ich  veranlasst 
wurde,  Mittheilungen  aus  meinem  Fache  zu  machen, 
verdanke  ich  nicht  nur  interessante  Unterhaltung, 
sondern  auch  viele  Belehrung.  Manche  Mitglieder, 


140 


die  uns  der  Tod  entrissen  hat,  sind  bereits  durch 
würdige  Söhne  in  unserer  Gesellschaft  vertreten. 

Ein  fahr  nach  meiner  Niederlassung  in  München, 
1853,  wurde  ich  durch  mehrfach  unterstützten  Vor- 
schlag des  Präsidenten  der  k.  Akademie  der  Wissen- 
schaften, Geheimen  Rathes  von  Thiersch,  erst  ausser- 
ordentliches, dann  i.  J.  1868  ordentliches  Mitglied 
dieser  gelehrten  Körperschaft  und  zwar  in  der  histo- 
rischen Klasse,  in  der  ich  jetzt  wie  in  der  zwanglosen 
Gesellschaft  der  Aelteste  bin.  Als  ich  aufgenommen 
wurde,  war  Thiersch  Präsident,  ihm  folgte  Liebig,  dann 
Döllinger  und  darauf  bis  heute  Pettenkofer.  Da  Döl- 
linger vorzugsweise  Historiker  war,  so  erschien  er  auch 
stets  bei  den  Sitzungen  unserer  Klasse.  Die  Mitglieder, 
deren  Hinscheiden  ich  besonders  in  der  letzteren  Zeit 
zu  beklagen  habe,  sind  ausser  Döllinger  Giesebrecht, 
Gregorovius,  Druffel,  Preger,  Lossen  und  Stieve. 

Es  ist  hier  nicht  der  Platz,  auf  die  Vorträge  in  den 
monatlichen  Klassensitzungen,  wie  auf  jene  der  öffent- 
lichen Festsitzungen  näher  einzugehen,  indem  für  alle, 
welche  sich  dafür  interessiren , das  Wesentliche  im 
Druck  erschien. 

Nur  erwähnen  muss  ich  hier  noch  die  grossartige 
Jubiläumsfeier  des  hundertjährigen  Bestehens  der  k. 
Akademie  der  Wissenschaften,  am  28.  März  1859, 
die  mit  einer  Zusammenkunft  in  dem  alten  grossen, 
aber  wenig  bekannten  Ilörsaal  des  ehemaligen  Jesu- 
itenkollegiums begann.  Es  erschienen  dabei  zahlreich 
auch  die  auswärtigen  und  korrespondirenden  wie  die 
Ehrenmitglieder,  darunter  selbst  König  Ludwig  I. 
Festreden  hielten  Staatsrath  von  Maurer,  in  Vertretung 


des  Präsidenten  von  Thiersch,  und  die  Sekretäre  der 
drei  Klassen  Marc.  Jos.  Müller,  von  Martius  und  von 
Rudhart.  Im  Gedränge  bei  dem  Hinausgehen  entstand 
eine  Stockung,  deren  Ursache  war,  dass  unterwegs 
König  Ludwig  I.  auf  den  Fürsten  Wallerstein  gestossen 
war.  Beide  standen  sich  mit  einer  sichtlich  erzwungenen 
Freundlichkeit  gegenüber,  für  uns  alle  eine  merk- 
würdige Erscheinung;  denn  Wallerstein  stand  in  früherer 
Zeit  bei  dem  König  in  hohen  Gnaden,  was  natürlich 
nach  den  Vorkommnissen  im  Jahre  LS48  nicht  mehr  sein 
konnte,  und  beide  hatten  sich  seit  jener  Zeit  nicht  mehr 
gesehen. 

Nachdem  wir  sämmtlich  in  der  Residenz  der 
Majestät  vorgestellt  waren,  wurden  wir  zur  Tafel  ge- 
führt, bei  welcher  der  König  auf  das  Gedeihen  der 
Akademie  und  auf  das  Wohl  ihrer  Mitglieder  sein 
Glas  erhob.  Darauf  erhielten  wir  Medaillen  mit  dem 
Bildnisse  des  Königs,  vortrefflich  ausgeführt,  als  Er- 
innerung an  dieses  Stiftungsfest.  Des  Abends  war 
glänzende  Festvorstellung  im  Residenztheater.  Auch 
die  Stadt  gab  uns  ein  Fest  im  alten  grossen  Rathhaus- 
saale. Den  Schluss  bildete  ein  Diner  im  Bayerischen 
Hof,  bei  welchem  Fürst  Wallerstein  mich  als  einen 
der  noch  lebenden  Zeugen  erinnerte,  wie  er  im  Jahre 
1833  die  Gewerbeschulen  mit  so  vielen  Hindernissen 
in’s  Leben  gerufen  hatte.  Dadurch  fühlte  ich  mich 
veranlasst,  bei  dieser  Gelegenheit,  wo  es  sich  nur 
um  Akademie  und  Hochschule  handelte,  in  einigen 
Worten  der  unvergänglichen  Verdienste  zu  gedenken, 
die  sich  der  Fürst  schon  vor  25  Jahren  durch  Erricht- 
ung der  Gewerbeschulen  als  einer  Grundlage  für  Volks- 
bildung erworben  hatte. 


XVI.  Beginn  des  Nationalmuseums. 

Bei  meinen  vorübergehenden  Aufenthalte  zu 
München,  iin  Winter  bis  zum  Frühjahr  1851/2,  be- 
suchte ich  den  Grafen  Franz  Pocci,  Oberstcere- 
monienmeister,  später  Oberstkämmerer,  den  ich  zwar 
noch  nicht  persönlich,  aber  doch  schon  durch  Brief- 
wechsel kannte , indem  er  an  dem  Entstehen  und 
der  Veröffentlichung  meiner  Arbeiten  vielen  Antheil 
nahm;  er  blieb  mir  bis  zu  seinem  am  7.  Mai  1876 
erfolgten  Tode  ein  wahrer  Freund.  Derselbe  rieth  mir, 
eine  Audienz  bei  dem  König  nachzusuchen.  Ich  er- 
hielt sie  am  15.  März  1852  und  wurde  auf’s  Huld- 
vollste empfangen;  der  König  sagte  u.  A.,  dass  er 
manche  Ideen  habe,  welche  in  mein  Fach  einschlagen, 
z.  B.  eine  Ahnengallerie  in  Schleissheim  , Herstellung 
eines  illustrirten  Werkes  zum  Studium  der  bayerischen 
Geschichte  u.  s.  w.  Ich  bemerkte,  dass  aus  dem  Material, 
das  zu  solchen  Zwecken  gesammelt  werde,  leicht  ein 
Museum  entstehen  könnte,  und  erwähnte  dabei  den  schon 
gefassten  Plan  des  Freiherrn  von  Aufsess.  Indess  schien 
es  mir,  dass  die  Majestät  wenig  Vertrauen  dazu  habe, 
hingegen  besonders  an  Werke  und  Sammlungen  denke, 
die  das  bayerische  Regentenhaus  verherrlichen.  Ich 
hatte  bereits  schon  so  viel  gelernt,  dass  ich  mir  nicht 
erlaubte , dagegen  zu  sprechen , und  gedachte  zur 
rechten  Zeit  an  die  guten  Gedanken  und  den  guten 
Willen  des  Reg'enten  anzuknüpfen  und  weiter  zu  spinnen. 

Darauf  theilte  mir  Pocci  mit,  der  König  habe 
vor,  nach  Art  des  Werkes  über  Hohenzollerische 
Kunstdenkmale  von  Stillfried,  ein  Werk  über  Kunst- 
denkmale des  bayerischen  Herrscherhauses  heraus- 
geben zu  lassen , er  habe  bereits  auch  schon  über 


einen  solchen  Plan  mit  Künstlern  und  Historikern  ge- 
sprochen, allein  erstere  verständen  von  Geschichte  zu 
wenig  und  seien  keine  Schriftsteller,  und  bei  letzteren 
mangele  das  Verständniss  für  die  Kunst;  König  Max  II. 
habe  daher  den  Freiherrn  Karl  Maria  von  Aretin, 
zu  Rathe  gezogen,  der  Direktor  des  Hausarchives 
sei  und  die  Geschichte  des  Kurfürsten  Maximilian  I. 
von  Hävern  in  drei  Bänden  geplant  habe , die  aber 
nach  dem  ersten  Bande  nicht  mehr  fortgesetzt  worden 
sei.  Pocci  glaubte , dass  ich  dabei  einen  schönen, 
ganz  in  mein  Fach  einschlagenden  Wirkungskreis 
finden  könnte;  er  sagte:  „Was  Aretin  kann,  kannst 
Du  nicht,  und  ebenso  umgekehrt;  ich  will  Dich  mit 
ihm  bekannt  machen“.  Das  geschah  zu  meinem 
Unglück.  Aretin  war  über  meine  Bekanntschaft  sehr 
erfreut  und  stellte  dem  König  vor,  dass  er  an  mir 
die  richtige  Kraft  gefunden  habe , um  ein  solches 
Werk  durchzuführen.  Die  Majestät  ertheilte  darauf, 
in  der  Voraussetzung,  dass  ich  den  künstlerischen 
Theil  übernehme,  Aretin  den  Auftrag,  ein  Werk 
über  Kunstdenkmale  des  bayerischen  Herrscherhauses 
u.  s.  w.  herauszugeben,  wobei  er  auch  demselben  die 
Feststellung  des  Titels  überliess.  Dieser  erschien  mit 
dem  Prospekt  im  September  1853,  er  lautete : „Alter- 
thümer  und  Kunstdenkmale  des  bayerischen  Herrscher- 
hauses. Auf  Befehl  Seiner  Majestät  des  Königs  Maxi- 
milian II.,  herausgegeben  von  dem  Kämmerer  und 
Geheimen  Rath  Karl  Maria  Freiherrn  von  Aretin, 
unter  Mitwirkung  (für  den  artistischen  Theil)  von  Dr. 
J.  H.  von  Ilefner,  Professor  etc.“ 

Ich  machte  dabei  sogleich  aufmerksam,  dass  das 
unnöthig  grosse  Format  das  Ansehen  nicht  erhöhe  und 


153 


das  Werk  nur  vertheuere,  wodurch  die  Verbreitung 
sehr  erschwert  werde,  zumal  bei  einem  Unternehmen, 
von  dem  das  Publikum  annehme,  dass  es  vorzüglich 
nur  zur  Verherrlichung  eines  hohen  Hauses  entstanden 
sei,  und  dass  man  es  daher  auch  leicht  als  Geschenk 
erhalten  könne,  ferner  dass,  mit  meinem  Wissen,  noch 
kein  ähnliches  Werk  ohne  bedeutende  Zuschüsse  des 
Staates  geglückt  sei.  Das  war  aber  alles  umsonst; 
Aretin  glaubte,  dass  der  imponirende  Titel  mit  dem 
„ Refehl  der  Majestät“  und  so  manches  ähnliche  der 
Sache  den  Weg  bahne. 

Statt , dass  ich  mir  vorher  von  der  Majestät 
meinen  Wirkungskreis  direkt  hätte  anweisen  lassen  und 
gefragt  hätte;  wer  stellt  den  künstlerischen  Theil  her. 
von  welchem  ich  „Mitwirkender“  sein  soll,  — Aretin 
konnte  das  ja  nicht,  — erklärte  ich  mich  im  Eifer 
für  eine  patriotische  Sache  bereit,  zu  helfen,  Denk- 
male aufzusuchen,  die  Zeichnungen  darnach  anzu- 
fertigen, den  Stich  in  Kupfer  und  das  Kolorit  zu 
überwachen  und  das  zwar,  ohne  gehörig  zu  überlegen, 
welchen  Schaden  ich  dadurch  meinen  eigenen  Werken, 
die  schon  seit  12  Jahren  im  Gange  waren,  zufüge. 
Ich  hatte  die  Ueberzeugung,  dass  dadurch  ein  Wittels- 
bacher, Bayerisches  oder  Deutsches  Museum  entstehe. 

Wenn  ich  auch  in  Bayern  schon  Vieles  aufge- 
funden hatte,  so  wusste  doch  Aretin  aus  den  „Monu- 
menta  boica“  und  ähnlichen  Werken,  in  welchen 
Gegenden  Denkmale  der  Herzoge  von  Bayern  anzu- 
treffen seien.  Um  solche  näher  zu  bestimmen  und 
Zeichnungen  herzustellen , musste  ich  zweimal  mit 
Aretin  nach  verschiedenen  Richtungen  hin  Bayern 


154 


durchreisen.  Was  ich  fand  und  darüber  sprach,  no- 
tirte  Aretin  sorgfältig.  Dass  er  mein  Können  und 
Wissen  gering  schätzte,  kann  ich  nicht  sagen,  im 
Gegentheil,  er  überschätzte  es  öfter.  Doch  auf  diese 
für  mich  lolgenreiche  Angelegenheit  komme  ich  später 
zurück  und  gehe  auf  ein  gleichzeitiges  Ereigniss  über. 


XVII.  Die  königlichen  vereinigten  Sammlungen. 

Ich  hatte  mir  in  einer  mich  überraschenden  Weise 
Wohlwollen  und  Vertrauen  des  Ministers  Theodor  von 
Zwehl  erworben , der  mir  als  Minister  bis  zum  Jahre 
1864  in  vielen  Fällen  eine  stützende  und  schützende 
Hand  blieb  und  mir  noch  Theilnahme  und  freundliche 
Gesinnung  als  Regierungspräsident  bis  zu  seinem  Ab- 
leben am  17.  Dezember  1875  bewahrte. 

Er  selbst  erschien  im  Jahre  1852  den  10.  Juni  mit 
seinem  Referenten,  dem  Ministerialrath  von  Volk,  in 
meiner  Wohnung  und  überbrachte  mir  das  Dekret  als 
Conservator  der  „königlichen  vereinigten  Sammlungen“ 
und  erklärte,  das  geschehe  nur,  um  durch  diese,  wenn 
auch  kleine  Stelle,  meine  Kräfte  auch  noch  für  andere 
Zwecke  in  München  zu  erhalten. 

Die  „vereinigten Sammlungen“  entstanden  dadurch, 
dass  man  die,  durch  Verlegung  der  Gemäldegallerie 
in  die  neuerbaute  Pinakothek,  frei  gewordenen  Säle 
an  der  Galleriestrasse  wieder  zu  einem  Zweck  für 
Kunst  und  Wissenschaft  verwenden  wollte,  weshalb 
man  Folgendes  darin  aufstellte:  das  berühmte  „Elfen- 
beinkabinet“,  früher  in  der  Herzog  - Maxburg , die 
Vogelbergische  Sammlung,  aus  altgriechischen  Terra- 


cotten  bestehend,  einen  Theil  des  Antiquariums  und  der 
(ievvehr-  und  Sattelkammer,  wie  eine  Sammlung  alt- 
japanischer Broncearbeiten. 

Ueber  diese  Sammlungen  wurde  Heinrich  von  1 Iess, 
der  bedeutende  Maler  auf  religiösem  Gebiete,  als 
Direktor  gesetzt  und  zwar  als  Entschädigung  dafür, 
dass  die  Direktorstelle  an  der  Akademie  der  bildenden 
Künste,  auf  die  er  Anspruch  machte,  Wilhelm  von  Kaul- 
bacli  erhalten  hatte.  Am  Schlüsse  der  Reihe  von  Sälen 
hatte  Hess  ein  grosses  Atelier,  während  sich  das  mehlige 
am  Anfang  befand.  Da  in  dieser  Anstalt  nichts  verändert, 
verstellt , vermehrt  oder  verbessert  werden  durfte  und 
alle  Gegenstände  unter  Glasverschluss  sich  befanden, 
so  gab  es  für  den  Direktor  wie  für  den  Conservator 
nichts  zu  thun;  zwei  Aufseher,  die  in  den  Sälen  auf- 
und  abgingen , waren  eigentlich  die  wichtigsten  Per- 
sonen. 

Hess  führte  daselbst  in  seinem  Atelier  zwei  gross- 
artige Gemälde  aus,  welche  jetzt  die  neue  Pinakothek 
zieren.  Auch  ich  war  in  meinem  Atelier  nicht  müssig 
und  konnte  da  in  ungestörter  Ruhe  für  meine  Werke 
arbeiten,  von  welchen  ich  annehmen  konnte,  dass  sie 
auch  dem  \ aterlande  Nutzen  bringen.  Ausserdem 
erhielt  ich  öfter  von  Seiner  Majestät  wie  von  dem 
M inisterium  einen  Auftrag,  mein  Urtheil  über  Kunst- 
sachen abzugeben  und  Reisen  zu  machen , um  Ma- 
terial für  ein  künftiges  Museum  aufzusuchen , wobei 
mich  oft  viel  Glück  begleitete. 

Von  da  an  erhielt  ich  durch  das  Vertrauen  des 
Königs  Maximilian  II.,  wie  später  durch  Ludwig  II., 
aufsteigend  bis  in  mein  Alter  Stellen  und  Vertrauens- 

O 


posten  im  Gebiete  der  Kunst  und  der  Kunstsamm- 
lungen. Ich  wurde  dadurch  in  den  Stand  gesetzt, 
manchen  tiefen  Blick  in  die  Kunstverwaltungen  zu 
werten  und  mitunter  sehr  traurige  Beobachtungen  zu 
machen. 

Es  ist  gewiss,  dass  die  Sammlungen  des  Staates 
nur  in  dem  ihren  Werth  besitzen,  was  sie  zum  geist- 
igen wie  zum  materiellen  Wohl  des  Staates  beitragen. 
Um  die  Museen  in  solchem  Sinne,  gewissermassen  als 
Schulen  nutzbar  zu  machen  , müssten  Männer  an  die 
Spitze  gestellt  werden,  welche  zu  solchem  Fache  die 
nöthigen  Studien  gemacht  haben , wie  es  bei  einer 
jeden  andern  Staatsanstellung  verlangt  wird.  Für  alle 
Stellen  im  Staate  existiren  Schulen,  Hochschulen, 
Staatsexamen  etc.  etc.,  nur  nicht  für  Stellen  an  Mu- 
seen und  Kunstsammlungen.  Die  Folge  davon  ist, 
dass  nur  zu  oft  solche  , die  als  Künstler  kein  Glück 
machten,  nur  oberflächlich  in  jenes  Gebiet  geschaut 
oder  sich  aus  Liebhaberei  mit  Kunst-  und  Alterthums- 
sammeln befassten,  sich  für  solche  Stellen  als  befähigt 
erachten  und  sie  auch  häufig  erhalten. 

Ich  glaube  nicht  durch  Schweigen  den  gefähr- 
lichen Glauben  unterstützen  zu  dürfen,  dass  nur  auf 
diesem  Gebiete  so  vieles  im  Stillen  hingehen  oder 
für  alle  Zeiten  verschwiegen  bleiben  kann,  was  bei 
einer  jeden  anderen  Stelle  untersucht  und  an’s  Tages- 
licht gezogen  wird. 

XVIII.  Kunstbarbarei. 

Schon  als  ich  im  Winter  1851  allein  in  München 
war,  um  mich  vor  meiner  Niederlassung  daselbst  um- 


157 


Zusehen,  hörte  ich,  dass  dort  eine  grosse  Versteiger- 
ung von  Gemälden  stattfinden  werde,  die  man  als  zu 
gering  aus  der  Gallerie  in  München  und  besonders 
aus  jener  in  Schleissheim  ausgeschossen  habe.*)  Ich 
kümmerte  mich  so  wenig,  wie  viele  andere  Kunst- 
freunde darum,  da  man  annehmen  musste,  dass  in 
München,  der  Kunststadt,  in  welcher  so  viele  Fach- 
leute an  der  Spitze  stehen  , gewiss  nichts  von  Bedeut- 
ung zur  Versteigerung  komme. 

Bald  nach  meiner  Niederlassung  in  München  er- 
hielt ich  durch  Ministerialrescript  den  Auftrag,  mit 
Zuziehung  des  Professors  Johann  von  Schraudolph 
das  Gemälde  zu  besichtigen,  welches  der  Kunsthändler 
Entres  in  jener  Versteigerung  um  geringen  Preis  er- 
worben hatte,  und  das  nachträglich  von  Vielen  als  ein 
Originalgemälde  des  Albrecht  Dürer  erklärt  wurde. 
Wir  beide,  Schraudolph  und  ich,  erkannten  dieses 
Bild  sogleich,  wie  auch  nach  der  genauesten  Unter- 
suchung als  ein  Meisterwerk  von  der  Hand  Dürer’s 
und  gaben  auch  in  diesem  Sinne  unser  Gutachten 
schriftlich  an  das  Ministerium  ab.  Auf  diesem  Bilde 
erscheint  die  Mutter  Anna  in  faltenreichem,  weissem, 
auch  den  Kopf  umhüllendem  Gewände,  auf  den  Händen 
trägt  sie  das  Jesuskind,  nach  Nürnberger  Art  in  der 
Wickelschnur,  ihr  zur  Linken  erscheint  Maria,  sehr 
jugendlich,  tief  geneigt  mit  gefalteten  Händen  in 
rothem  Kleide. 

*)  Oie  Titel  des  Kataloges  dieser  berüchtigten  Versteigerung 
lautete:  „Verzeichniss  einer  bedeutenden  Sammlung  von  Gemälden 
aus  allen  Zeiten  und  Schulen,  welche  am  13.  April  1852  und  die 
folgenden  Tage  Vormittags  von  9—12  Uhr  und  Nachmittags  von 
2 5 Uhr  zu  München  im  k.  Kunstausstellungsgebäude  gegen 

Haarzahlung  an  den  Meistbietenden  öffentlich  versteigert  werden. 
München,  gedruckt  bei  Gg.  Franz,  1852. u 


1 58 


Dieses  Gemälde  hatte  der  Kunsthändler  Entres 
um  50  Gulden  ersteigert  und  verkaufte  es  für  21,000 
Gulden;  es  soll  sich  jetzt  im  Besitze  eines  Herrn  von 
Kou risse  zu  Odessa  befinden.*)  Der  Käufer  kam  zu 
mir  und  fragte  nach  unserem  schriftlichen  Gutachten, 
um  in  der  Sache  ganz  sicher  zu  sein,  jedoch  nachdem 
er  bereits  den  Kauf  abgeschlossen  hatte. 

Dieser  unersetzliche  Verlust  ist  um  so  mehr  zu 
beklagen,  als  schon  so  viele  Werke  dieses  grossen 
Meisters  zu  Grunde  gegangen  waren,  darunter  das  aus- 
nehmend hervorragende  Gemälde,  die  Himmelfahrt 
Mariä  vom  Jahre  1500,  das  Herzog,  später  Kurfürst, 
Maximilian  I.  1013  von  den  Dominikanern  in  Frank- 
furt am  Main  erworben  hatte  und  das  im  April  1074 
durch  den  Residenzbrand  ein  Raub  der  Flammen  ge- 
worden ist.**)  Eine  alte  Kopie  davon  von  Jobst  Harrich 
befindet  sich  in  der  städtischen  Gemäldesammlung  des 
historischen  Museums  zu  Frankfurt  am  Main.***) 

Der  jetzige  Galleriedirektor  Dr.  Franz  v.  Reber 
hielt  bei  der  öffentlichen  Festsitzung  der  Akademie 
der  Wissenschaften  am  10.  November  1802  einen  \ or- 

*)  Vergl.  Thausing,  Mofiz.  Dürer.  Band  II.  Leipzig  1884. 
Seite  135.  Eine  ganz  schlechte  Kopie  dieses  Bildes  befindet  sich  im 
bayerischen  Nationalmuseum. 

**)  Zu  diesen  beiden  Bildern  Dürer’s,  die  für  Bayern  auf  ge- 
nannte Weise  verloren  gingen , gesellt  sich  als  drittes  das  oben 
S.  71  erwähnte  Bildniss  1 Iolzschuher’s , das  i.  J.  1869  längere  Zeit 
in  München  in  der  „Ausstellung  von  Gemälden  älterer  Meister, 
die  sich  in  Süddeutschland  im  Privatbesitze  befinden“,  zu  sehen  war. 

***)  Vergl.  Cornill , Otto.  Jakob  Heller  und  Albrecht  Dürer. 
Neujahrsblatt  des  Frankfurter  Alterthumsvereins.  Frankfurt  a.  M. 
1871.  4n  und  Mittheilungen  an  die  Mitglieder  des  Frankfurter 
Alterthumsvereins.  Bd.  VI.  Frankfurt  1881.  8°.  Seite  196  — 198. 


trag  über  „Kurfürst  Maximilian  I.  von  Bayern  als  Ge- 
mäldesannnler“ , der  in  Druck  erschien.  Es  ist  nicht 
zu  verkennen,  dass  er  dabei  keine  leichte  Aufgabe 
hatte,  nämlich  die  Wahrheit  nicht  zu  verschweigen, 
und  doch  in  seiner  Stellung  gegen  die  Vorgänger  in 
seinem  Amte  nicht  zu  rücksichtslos  zu  verfahren  , er 
löste  diese  Aufgabe  so  gut  als  möglich. 

Bei  der  erwähnten  Versteigerung  erwarb  der 
Kunsthändler  und  Bildhauer  Otto  Entres  noch  manche 
andere  gute  Gemälde  um  geringen  Preis,  die  er  um 
hohe  Summen  wieder  verkaufte. 

Es  waren  im  Ganzen  981  Gemälde,  welche 
versteigert  wurden,  werthlose  waren  keine  dar- 
unter. Jene,  welche  ich  später  selbst  im  Besitze  von 
Privaten  und  Händlern  gesehen,  waren  meistens  um 
5 bis  20  Gulden  versteigert  worden  und  hatten  durch- 
schnittlich den  Werth  von  300  bis  2000  Gulden,  viele 
darunter  von  Meistern  ersten  Ranges.  Im  Ganzen  wurden 
8000  Gulden  dafür  erlöst,  demnach  für  je  ein  Gemälde 
ungefähr  8 Gulden  10  Kreuzer.  Ich  will  davon  nur 
noch  folgende  erwähnen : zwei  lebensgrosse  Bildnisse 
von  Tobias  Stimmer,  den  Rubens  schon  hochgeschätzt 
hatte,  einen  Schweizer  Landamann  und  seine  Frau 
in  ganzer  Figur  darstellend,  in  prachtvollem  Kolorit 
und  genauester  Ausführung  des  reichen  Kostüms  und 
des  Schmuckes;  diese  hatte  Karl  Waagen  um  eine 
Kleinigkeit  damals  ersteigert  und  um  eine  hohe  Summe 
an  die  städtische  Gemäldegallerie  zu  Basel  verkauft, 
wo  sie  jetzt  als  Perlen  anerkannt  sind.  Von  diesem 
bedeutenden  Meister  befindet  sich  jetzt  in  der  Pinako- 
thek zu  München  nicht  ein  .Stück.  Bei  dem  ehemaligen 


160 


Bedienten  des  kunstliebenden  Staatsraths  von  Kirsch- 
baum war  ich  überrascht,  zwei  prachtvolle  Landschaften 
von  Salomon  Ruysdael  zu  sehen,  die  derselbe  in  dieser 
sogenannten  Schleissheimer  Versteigerung  um  50  Gulden 
ersteigert  hatte,  die  aber  im  geringsten  Anschlag  den 
Werth  von  6000  Gulden  hatten.  Bei  Ferdinand  von 
Miller,  dem  Inspektor  der  königlichen  Erzgiesserei, 
sah  ich  zwei  wunderschöne  Gemälde  von  Melchior 
I Iondekoeter , die  um  30  Gulden  versteigert  worden 
waren  ; wie  bekannt,  kam  schon  damals  ein  Gemälde 
dieses  Meisters  auf  3000  bis  6000  Gulden,  u.  s.  w. 

Wir  besitzen  von  der  älteren  bis  zur  neueren 
Zeit  Listen  der  Preise,  um  welche  Gemälde  solcher 
Meister  in  Paris,  London  . Köln  etc.  versteigert  wurden. 
Demnach  kann  man  mit  Sicherheit  annehmen,  dass 
durch  jene  unglückselige  sogenannte  Schleissheimer 
Versteigerung  der  Staat  wenigstens  um  eine  Million 
geschädigt  wurde. 

Wie  hätte  man  die  Kunstsammlungen  von  Augs- 
burg, Nürnberg,  Bamberg,  Aschaffenburg  heben 
können,  wenn  man  die  kleineren  Gallerien  daselbst 
durch  diese  Schätze  vermehrt  hätte. 

Wer  trug  nun  die  Schuld  an  jener  Kunstbarbarei  ." 
Es  war  damals  Clemens  Zimmermann,  Galleriedirektor, 
wesshalb  ihm  oft  die  ganze  Schuld  in  die  Schuhe  ge- 
schoben wurde,  jedoch  mit  Unrecht.  Derselbe  hatte 
sich  nie  für  einen  besonderen  Gemäldekenner  ausge- 
geben, und  er  erhielt  jene  .Stelle,  ohne  dass  er  sich 
darum  beworben  hatte;  er  war  auch  ein  Mann,  der 
sich  leicht  leiten  liess.  Das  Ministerium  wendete  sich 
in  dieser  Angelegenheit  an  den  Direktor  der  Aka- 


161 


demie  der  bildenden  Künste,  Wilhelm  von  Kaulbach. 
Dieser  sagte:  „Meine  Sache  ist  es  nicht,  aber  Pro- 
fessor Philipp  Foltz  ist  der  Mann,  welcher  alles  weiss 
und  versteht.“  Daher  führte  derselbe  auch  bei  jener 
Versteigerung  das  grosse  Wort ; wer  sonst  noch  mehr 
oder  weniger  dabei  betheiligt  war , vermag  ich  nicht 
zu  sagen. 

Ungeachtet  dessen  wurde  Philipp  Foltz  später 
Direktor  der  Central-Gemäldegallerie.  Die  Folge  da- 
von war,  dass  er  in  einigen  Jahren  gegen  60  wohler- 
haltene Gemälde  der  grössten  Meister  in  der  Pina- 
kothek übermalte  oder  stellenweise  hinein  malte,  so 
z.  B.  übermalte  er  an  einem  Bildniss  von  Rubens  den 
Hintergrund;  in  der  Mitte  eines  Blumenkranzes  von 
Daniel  Seghers  war  ein  Marienbild  grau  in  grau  , statt 
des  letzteren  malte  er  eine  Landschaft  hinein ; in  dem 
Bildniss  der  Frau  des  Rubens,  der  geborenen  Helene 
Fourment,  von  diesem  selbst  gemalt,  hatte  der  Meister 
ihr  nur  eine  Perlenschnur  um  den  Hals  gegeben,  Foltz 
malte  eine  zweite  dazu;  in  dem  Hintergrund  eines 
Gemäldes  von  Heinrich  Roos  malte  er  ein  Haus,  wo 
vorher  keines  vorhanden  war;  in  den  Bauernscenen 
von  Brouwer  konturirte  er  die  Figuren  u.  s.  w.  Er 
behauptete,  dass  er  dadurch  diese  alten  Meister  erst 
zu  Ehren  gebracht  habe. 

Nach  dem  Tode  von  Foltz  wurde  der  überaus 
geschickte  Professor  Aloys  Hauser  als  Restaurator  an 
der  Pinakothek  angestellt.  Dieser  hatte  noch  eine 
Reihe  von  Jahren  damit  zu  thun,  jene  Uebermalungen, 
die  unter  dem  Namen  „Foltzerei“  bekannt  wurden, 
mit  Vorsicht  hinwegzuschaffen.  Es  war  dabei  noch 

1 1 


162 


ein  Glück,  dass  Foltz,  mit  der  Technik  nicht  bekannt, 
auf  den  alten  verhärteten  Firniss  malte,  wodurch  das 
Ilinwegnehmen  der  Uebermalung  ohne  Verletzung  des 
Ursprünglichen  erleichtert  war. 

Bei  allem  dem  ist  es  merkwürdig,  dass  Foltz,  be- 
sonders für  seine  Zeit,  ein  geschickter  Künstler  war, 
man  sehe  z.  R.  das  grosse  Gemälde  von  seiner  Hand, 
die  Blüthezeit  Athens  unter  Perikies,  in  dem  Maxi- 
milianeum  zu  München;  ferner  die  junge  Bauersfrau 
mit  ihrem  Kinde  im  Kornfeld  spielend  in  der  Schleiss- 
heimer  Gallerie.  Wir  erkennen  darin  wieder , dass 
nicht  immer  die  Künstler  das  richtigste  Urtheil 
über  Kunst  haben.  Das  kann  wohl  sein,  doch  eine 
Regel  ist  es  nicht,  denn  ein  schaffender  Künstler 
wendet  häufig  sein  ganzes  Sinnen  und  Trachten  einer 
bestimmten  Richtung  zu,  in  welcher  er  schafft,  und 
er  darf  seine  Kräfte  nicht  zersplittern.  Auch  werden 
Künstler  niemals  die  kritische  Objektivität  besitzen, 
wie  die  Kunstgelehrten,  womit  aber  nicht  gesagt  sein 
soll,  dass  auch  diese  Herren  keine  Fehler  begehen  können. 


XIX.  Fürst  Karl  Anton  von  Hohenzollern. 

Oefter  war  ich  in  Sigmaringen,  wo  mein  Schwager 
Karl  von  Mayenfisch  bei  dem  Fürsten  Kammerherr, 
später  Hofmarschall  war.  Der  Fürst  besass  schon  von 
alten  Zeiten  her  eine  prachtvolle  Sammlung  von 
Kunstschätzen  jeder  Art,  welche  noch  bedeutend  da- 
durch vergrössert  wurde,  dass  mein  Schwager  seinen 
Besitz  an  Prachtwaffen  und  anderen  Kunstwerken, 
die  er  besonders  in  der  Schweiz  gesammelt  hatte,  dem 


163 


Fürsten  abtrat.  Die  fürstliche  Familie  zeigte  stets  für 
mich  und  meine  Arbeiten  grosses  Interesse. 

Der  Fürst  übergab  mir  zur  Veröffentlichung  ein 
unschätzbares  Prachtwerk  und  Unikum:  „Ilans  Burgk  - 
mair’s  Turnierbuch“  ; mit  meinem  Wissen  das  einzige 
der  Art,  bei  welchem  der  Meister  beabsichtigte,  die 
Turniere  so  darzustellen,  wie  sie  in  zwei  Jahrhun- 
derten gehalten  wurden.  Es  ist  vollendet  durch  Hans 
Burgkmair  den  Jüngeren  1553.  Meine  Ausgabe  in 
Kupferstich  und  freiem  Handkolorit  erschien  bei  Hein- 
rich Keller  in  Frankfurt  am  Main  1853  und  ist  bereits 
längst  im  Kunsthandel  vergriffen. 

Im  Jahre  1869  war  ich  wieder  als  Gast  bei  dem 
Fürsten  Karl  Anton  in  Sigmaringen.  Des  Abends 
sass  ich  öfter  vor  dem  Souper  bei  ihm  auf  der  Ter- 
rasse, er  sprach  sich  dabei  freier  aus,  als  er  es  viel- 
leicht bei  der  Tafel  gethan  hätte.  Diesen  geistreichen 
Mann  über  so  manche  Erlebnisse  zu  hören , war  für 
mich  von  hohem  Wert, he ; er  erzählte  u.  A.  von  seinen 
Studien  auf  der  Universität  zu  Göttingen,  wie  er  noch 
mit  den  drei  letzten  Königen  von  Bavern  zusammen 
gekommen  und  wie  er  sie  beurtheilte.  So  sagte  er 
z.  B.  von  König  Ludwig  I. : „Dieser  Regent  konnte 
doch  öfter  recht  unartig  sein;  hören  Sie,  was  ich  mit 
ihm  erlebte.  Im  Jahre  1867,  bei  Gelegenheit  der 
Pariser  Weltausstellung,  war  König  Ludwig  wie  auch 
ich  vom  Kaiser  Napoleon  eingeladen.  Als  wir  im 
Schlosse  zu  Compiegne  bei  Tafel  sassen,  wurde  die 
Unterhaltung  in  französischer  Sprache  lebhaft  geführt. 
Während  einer  Pause  rief  mir  Ihr  König  laut  über 
die  Tafel  auf  Deutsch  zu:  „Nicht  wahr,  Sie  sind  der 

11* 


164 


Fürst,  welcher  sein  Fürstenthum  an  Preussen  verkauft 
hat?“  Da  ich  schon  auf  Aehnliches  gefasst  war,  ant- 
wortete ich  mit  den  gleichen  Worten:  „Ja,  ich  bin 
der  Fürst,  welcher  sein  Fürstenthum  an  Preussen  ver- 
kauft hat,  aber  noch  zur  rechten  Zeit.“  Nach  der 
Tafel  trat  Napoleon  zu  mir  und  sprach  auf  Deutsch 
in  schwäbischem  Dialekt:  „Lieber  Vetter,  das  hat 
mich  recht  gefreut,  wie  Sie  den  Bayere  König  so  gut 
bedient  hawe.“  Zur  Erklärung  diene,  es  war  damals 
die  Meinung-  ziemlich  verbreitet,  dass  Preussen  die 
kleineren  deutschen  Staaten  annektiren  werde. 

Bei  meinem  Sommeraufenthalt  zu  Tegernsee  18/2 
kam  ich  mit  dem  Freiherrn  von  Jeetze,  dem  ehe- 
maligen Adjutanten  des  Königs  Ludwig  I.,  zusammen, 
ich  erzählte  ihm  jene  Geschichte,  worauf  er  sagte:  , Ich 
war  dabei  und  beobachtete,  wie  der  König  dem 
Fürsten  etwas  über  die  Tafel  zurief,  der  Fürst  ihm 
antwortete  und  dann  von  Napoleon  angesprochen 
wurde,  allein  um  was  es  sich  handelte,  habe  ich  der 
Entfernung  wegen  nicht  verstanden,  das  erfahre  ich 
jetzt  erst  durch  Sie;  allein  eine  dazu  gehörige  Ge- 
schichte sollen  Sie  nun  durch  mich  erfahren.  Als  ich 
damals  mit  dem  König  im  Schlosse  von  Compiegne  an- 
kam, standen  oben  auf  der  Marmortreppe  der  Kaiser 
und  die  Kaiserin,  den  König  von  Bayern  erwartend: 
auf  beiden  Seiten  der  Stufen  die  Gardes  du  Corps 
mit  blanker  Waffe.  Der  König  ging  nicht  hinauf,  er 
sprach  mit  dem  Gardisten  rechts:  „Ein  alter  Krieger, 
schön  dekorirt  etc.“,  dann  wandte  er  sich  zu  jenem 
links  und  so  hinüber  und  herüber,  dabei  war  meine 
Verlegenheit  grenzenlos,  denn  ich  hätte  den  König 


165 


nicht  zum  Ilinaufgehen  bewegen  können.  Endlich 
kam  Napoleon  allein  die  Treppe  herunter,  Kaiser  und 
König  begrüssten  sich  freundlich  und  gingen  mit  ein- 
ander hinauf,  wo  sie  die  Kaiserin  erwartete.  Es  hatte 
sicli  nämlich  König  Ludwig  I.  bei  seiner  Thronentsagung 
die  Ehrungen  und  Rangstellung  eines  regierenden 
Königs  Vorbehalten,  wonach  ihn  Napoleon  unten  an 
der  Treppe  hätte  empfangen  sollen,  daran  dachte 
derselbe  aber  nicht  sogleich.“  — 

Im  Jahre  1856  hatte  der  Fürst  Karl  Anton  von 
Hohenzollern  die  Absicht,  seinen  reichhaltigen  Besitz 
an  Werken  der  Kunst  und  Wissenschaft  in  gediegenen 
Herausgaben  durch  den  Buch-  und  Kunsthandel  all- 
gemein nützlich  zu  machen.  Da  seine  Kunstschätze 
sehr  vielseitig  waren,  so  musste  er  deren  Herausgabe 
verschiedenen  Fachleuten  übertragen.  Zu  diesem 
Zwecke  berief  er  zu  einer  Berathung  im  Jahre  1858 
nach  Düsseldorf,  wo  er  Gouverneur  war  und  das 
Schloss  Jägersburg  bewohnte , Ludwig  Lindenschmit 
den  Direktor  des  römisch-germanischen  Museums  in 
Mainz,  Professor  Andreas  Müller,  Maler  in  Düssel- 
dorf, meine  Wenigkeit  und  Dr.  Franz  Bock,  welcher 
damals  noch  in  keinem  so  üblen  Geruch  stand.  Linden- 
schmit wurde  mit  Herausgabe  der  römischen  Aus- 
grabungen und  Pfahlbautenfunde  beauftragt,  die  in 
einem  sehr  verdienstlichen  Werke  erschienen.*) 

Mir  wurde  die  Aufgabe,  ein  Werk  unter  dem 
Titel  „Die  Kunstkammer  S.  K.  H.  des  Fürsten  Karl 

*)  Die  vaterländischen  Alterthümer  der  fürstlich  Ilohen- 
zollerischen  Sammlungen  zu  Sigmaringen  von  L.  Lindenschmit, 
Mainz,  bei  Viktor  von  Zabern,  1860.  Es  enthält  über  1000  Ab- 
bildungen und  einen  auf  gründlichen  Forschungen  beruhenden  Text. 


166 


Anton  von  Hohenzollern“  herauszugeben,  welches 
im  Jahre  1866  bei  F.  Bruckmann  in  München  er- 
schien und  mit  der  zehnten  Lieferung  vollendet  war. 
Es  enthält  eine  Anzahl  von  Werken  der  Kunst  und 
des  Kunsthandwerkes,  aus  dem  10.  bis  in  das  17- 
Jahrhundert,  mit  60  Tafeln  und  100  Darstellungen  in 
Kupferstich  und  freiem  Ilandkolorit;  der  nur  sachlich 
gehaltene  Text  ist  deutsch  und  französisch.  Der  Fürst 
hatte  grosses  Wohlgefallen  daran.  Es  wurde  nicht 
ohne  besondere  Anstrengung  von  meiner  Seite  wie 
von  der  der  Kupferstecher  hergestellt , denn  alle  diese 
Dinge  haben  keinen  Werth  ohne  die  grösste  Ge- 
nauigkeit. 

In  Sigmaringen  erlebte  ich  als  Gast  noch  manches 
Interessante  z.  B.  im  Jahr  1869  den  29.  August  bei  der 
feierlichen  Enthüllung  des  Denkmals  für  den  Fürsten  Karl, 
den  Vater  des  Karl  Anton.  Im  Jahre  1875  war  ich  wieder 
in  Sigmaringen  und  von  da  als  Gast  in  dem  nahen 
Krauchenwies,  dem  .Sommeraufenthalte  der  Herrschaft. 
Ich  traf  daselbst  hohe  Gäste,  den  Grossherzog  Fried- 
rich von  Baden  mit  Gemahlin  , den  Grafen  von  Flan- 
dern mit  Gemahlin  Maria  von  Hohenzollern,  Tochter 
des  Fürsten  Karl  Anton,  den  Herzog  von  Anhalt- 
Dessau  mit  Gemahlin  und  Tochter  und  den  zuletzt  an- 
gekommenen Kronprinzen  des  deutschen  Reiches,  den 
nachmaligen  Kaiser  Friedrich.  Sämmtliche  1 lerr- 
schaften  besuchten  vor  ihrer  Abreise  die  „Kunsthalle“ 
bei  dem  Schlosse  Sigmaringen,  wobei  mir  das  Amt 
eines  Erklärers  übertragen  wurde  ; von  da  aus  fuhren 
dieselben  nach  dem  Bahnhof,  wohin  sie  der  Fürst  be- 
gleitete, leider  konnte  derselbe  nicht  mehr  gehen,  er 


167 


wurde  auf  dem  Lehnstuhl  in  den  Wagen  gehoben, 
von  welchem  aus  er  aber  noch  selbst  Hott  kutschirte ; 
seinen  freundlichen  Abschiedsgruss  konnte  ich  nur  in 
tiefer  Wehmuth  erwidern  , es  war  auch  zum  letztenmal, 
dass  ich  ihn  sah;  er  starb  den  2.  Juni  1885. 

Nach  dem  Wunsche  des  Grossherzogs  von  Baden 
und  seiner  Gemahlin  besuchte  ich  auf  der  Heimreise 
nach  München  das  Schloss  auf  der  Insel  Mainau  im 
Bodensee , den  schönen  Sommeraufenthalt  der  gross- 
herzoglichen Familie.  Dasselbe,  in  herrlicher  Umgeb- 
ung, war  vor  Zeiten  ein  Sitz  des  Deutschherren- 
ordens. Die  hohen  Herrschaften  zeigten  mir  daselbst 
viele,  besonders  in  neuerer  Zeit  angesammelte,  Kunst- 
schätze, und  ich  sah  dabei  mit  Vergnügen,  wie  das 
Fürstenpaar  Freude  und  Interesse  für  alles  Schöne 
und  grossen  Eifer  für  Hebung  der  Kunst  und  des 
Kunsthandwerkes  zeigte 

Auch  später  blieb  mir  noch  der  Grossherzog  über- 
aus freundlich  gesinnt,  wie  er  sich  auch  meines  80.  Ge- 
burtstages erinnerte,  indem  er  mich  zu  diesem  Tage, 
wie  schon  früher,  mit  einem  hohen  Ehrenzeichen  be- 
dachte. 


XX.  Die  Münsterkirche  zu  Kloster  Heilsbronn. 

Die  alte  Klosterkirche  Heilsbronn,  zwischen  Nürn- 
berg und  Ansbach  gelegen,  war  die  Begräbnissstätte 
der  Burggrafen  von  Nürnberg  und  der  Markgrafen 
von  Brandenburg- Onolzbach  (Ansbachi  wie  mancher 
Ritter  des  Schwanenordens  und  anderer  adeliger  Ge- 
schlechter.  Die  Kirche  auf  bayerischem  Boden  ist 


168 


bayerisches  Eigenthum  , während  in  den  Gräbern  die 
Ahnen  des  preussischen  Regentenhauses  ruhen.  Schon 
in  dem  dreissigjährigen  Kriege  wurden  viele  Gräber 
geplündert  und  Grabsteine  vernichtet;  daher  sprach 
im  Jahr  1853  der  König  von  Preussen  Friedrich  Wil- 
helm IV.  den  Wunsch  aus,  dass  der  Bau  der  Kirche 
und  besonders  die  Gräber  darin  genau  untersucht  und 
bestimmt  würden.  Zu  diesem  Zwecke  wurden  von 
preussischer  Seite  der  schon  genannte  damalige  Ober- 
ceremonienmeister  von  Stillfried,  und  ich  von  Bayern 
dahin  beordert.  Minister  von  ZwTehl  befand  sich  auf 
einer  Reise,  sein  Vertreter,  Staatsrath  von  Pelkhoven, 
sagte  mir:  „Der  Excellenz  von  Stillfried  gegenüber 

werden  wir  Ihnen,  der  Courtoisie  wegen,  einen  Hof- 
kavalier gleichen  Ranges  beigeben.“  Ich  dachte  da- 
bei an  den  Grafen  Pocci  odef  an  die  Grafen  Moy 
und  Castell,  allein  als  ich  dort  war,  erschien  zu 
meiner  Ueberrasclnmg  Baron  Aretin,  der  den  Weg 
gefunden  hatte , welchen  ein  aktiver  Hofkavalier  be- 
treten sollte.  In  der  Begleitung  von  Stillfried  war  der 
geschickte  Hofmaler  Sixtus  Jarwart  aus  Nürnberg, 
den  ich  in  Berlin  kennen  gelernt  hatte,  als  er  Zeich- 
nungen für  das  Hohenzollerische  Werk  herstellte. 

In  Folge  unserer  Untersuchungen  erschien  erst  im 
fahr  1877  das  Werk  unter  dem  Titel  „Kloster  Heils- 
bronn. Ein  Beitrag  zu  den  Hohenzollerischen  Forsch- 
ungen von  Dr.  R.  G.  Stillfried.  Berlin  1877.“  Von  den 
Ergebnissen  unserer  Untersuchungen  will  ich  hier  nur 
Einiges  hervorheben,  was  nach  meiner  Ansicht  Still- 
fried in  jenem  Werke  nur  viel  zu  leicht  behandelte, 
indem  er  vor  allem  Anderen  die  Genealogie  der 
Hohenzollern  im  Auge  hatte. 


169 


Das  erste  Grab,  welches  wir  öffneten,  war  jenes 
des  Ritters  vom  Schwanenorden  Georg  von  Sack, 
f 1483.  Dessen  Figur  erscheint  fast  freistehend  an 
der  Wand  des  rechten  Seitenschiffes  in  voller  Rüstung 
mit  blossem,  reichbelocktem  Haupte,  darauf  die  Sendel- 
binde  mit  hohem  Reiherbusche,  auf  der  Brust  den 
Schwanenorden  an  der  um  die  Schultern  laufenden 
Kette.  Direkt  vor  diesem  Grabstein  ist  auf  dem 
Boden  eine  über  7 Fuss  lange  Steinplatte  mit  dem 
Wappen  des  Ritters  eingelassen  , ohne  Zweifel  musste 
unter  derselben  das  Grab  des  Ritters  sein,  und  zwar 
noch  unberührt.  Stillfried,  wie  ich  konnten  kaum 
zweifeln,  dass  jener  vornehme  Flerr  nicht  ohne  reichen 
Schmuck  in  das  Grab  gelegt  wurde;  wir  äusserten 
schon  unsere  Freude,  dass  wir  daselbst  sicher  ein 
Original  des  Schwanenordens  finden  würden,  worauf 
der  König  einen  grossen  Werth  legte,  da,  wie  ange- 
nommen wurde,  nur  noch  ein  Exemplar  davon  existirt. 
Wir  Hessen  die  Steinplatte  heben  und  7 Fuss  in  die  Tiefe 
graben , dann  erschien  eine  weisse  Masse  Gips  oder 
Kalk.  Da  ich  das  weitere  Aufdecken,  mit  gehöriger 
Vorsicht,  keinem  Arbeiter  zutraute,  stieg  ich  selbst 
hinab ; in  den  aufgehobenen  Gipsschichten  zeigte 
sich  der  Abdruck  einer  Leinwandumhüllung,  in  welcher 
sich  genau  die  Textur  des  Stoffes  erkennen  Hess;  mit 
einer  Malerspachtel  entfernte  ich  die  Masse  von  einem 
gut  erhaltenen  7 Fuss  langen  männlichen  Skelett  mit 
zwei  Reihen  weisser  Zähne ; weiter  nichts.  Wir  waren 
sehr  enttäuscht,  ersahen  aber  bald  aus  den  Annalen, 
dass  dieses  Grab  in  eine  Periode  fiel,  in  der  häufig  die 
Leichen  zwar  mit  grossem  Prunk  in  die  Kirche  ge- 


170 


bracht,  aber  dort  ohne  alles  Weitere  nur  mumien- 
artig in  Leinwand  eingebunden  in  die  Plrde  gelegt 
wurden,  und  zwar,  wie  man  mir  sagte,  gemäss  eines 
Bibelspruches,  nach  welchem  man  das  der  Erde  wieder- 
geben soll , was  von  der  Erde  kam.  Aehnlich  ver- 
hielt es  sich  mit  den  meisten  Gräbern  dieses  Zeitraums, 
welche  sich  unter  der  Erde  und  nicht  über  derselben 
in  Ilochgräbern  befanden.  Wir  öffneten  deren  gegen 
hundert.  Bei  der  Mehrzahl  derselben  musste  ich  den 
Maulwurf  machen. 

Während  wir  aus  vielen  Gründen  annehmen  dürfen, 
dass  durchschnittlich  die  Menschen  im  Mittelalter,  wenn 
auch  stärker,  so  doch  kleiner,  als  in  unseren  Tagen 
waren,  so  machte  doch  das  Geschlecht  der  Ilohen- 
zollern  sichtlich  eine  Ausnahme.  Die  Länge  der  Ske- 
lette, welche  ich  gemessen  habe,  war  nie  unter  61ji 
Fuss,  aber  meistens  darüber,  selbst  jene  der  Frauen 
nicht  ausgenommen ; entsprechend  stark  waren  die 
Knochen,  merkwürdig  die  Zähne,  fast  ausnahmslos 
regelmässig  und  blendend  weiss. 

Eine  besondere  Angelegenheit  war  es  uns , das 
Grab  der  Gemahlin  des  Kurfürsten  Friedrich  I.,  Elisa- 
beth von  Bayern,  der  sogenannten  schönen  Else,  gestor- 
ben 13.  November  1443.  aufzufinden.  Da  man  aus  ver- 
schiedenen Gründen  schliessen  musste,  dass  sich  das- 
selbe in  dem  äussersten  rechten  Seitenschiff  befindet, 
und  da  vor  dem  Altar  eine  Steinplatte  in  der  Grösse 
eines  Grabes  in  den  Boden  eingelassen  war,  so  sprach 
ich  mich  Stillfried  P'eg'enüber  aus  . dass  ich  annehmen 
könne,  die  schöne  Else  ruhe  unter  jener  Steinplatte 
und  zwar  mit  den  Füssen  gegen  den  Altar,  und  da 


171 


verschiedene  Zeichen  einer  Frau  fürstlichen  Standes 
vorhanden  sein  könnten,  wie  der  Mantel  mit  der 
Pelzverbrämung-  (Kleinspalt),  daran  an  den  Enden 
des  Mantels,  in  der  Gegend  der  Schultern,  eine  Agraffe 
verbunden  mit  Spangen  oder  Schnüren , in  denen 
möglicherweise  die  Finger  der  linken  Hand  eingelegt 
seien  u.  s.  w.,  so  gäbe  ich  die,  wenn  auch  etwas 
gewagte,  Hoffnung  auf  einen  glücklichen  Fund  noch 
nicht  auf.  Stillfried  sagte:  „Sie  sind  sehr  phantasie- 
reich!“ Die  Platte  wurde  aufgehoben  und  6 1 /2  Fuss 
in  die  Tiefe  gegraben.  Da  zeigten  sich  die  kaum 
noch  kenntlichen  Spuren  eines  ehemaligen  Sarges, 
wohl  aus  Holz  und  Eisen  bestehend;  ich  stieg  hin- 
unter und  begann  mit  aller  Vorsicht  zuerst  den  Schutt 
von  einem  weissen  Schädel  mit  weissen  Zähnen  zu 
entfernen;  sogleich  darunter  kam  ich  auf  Finger  der 
linken  Hand.  Diese  lagen  hinter  der  Binde  , die  aus 
feinen  aneinandergehäkelten  Silberblechstreifen  be- 
standen und  von  einer  bis  zur  anderen  Schulter  liefen. 
An  beiden  Enden  dieser  Spangen  zeigten  sich,  wenn 
auch  zertrümmert,  kleine  Bouquetchen,  bestehend  aus 
Golddraht  mit  farbigen  Sternchen.  Von  dem  fürst- 
lichen Mantel  selbst  war  vor  der  Hand  nichts  zu  sehen. 
Ich  war  aber  sehr  überrascht,  dass  meine  allerdings 
sehr  gewagte,  nur  auf  allgemeiner  Erfahrung  beruhende, 
Behauptung  als  Wahrheit  vor  meinen  Augen  lag.  Still- 
fried, Aretin , Jarwart  und  Andere  standen  am  Rand 
der  Grube.  Ich  konnte  mich  nicht  enthalten , hinauf- 
zurufen: „Meine  Phantasie  ist  Wahrheit!“  Als  ich 
das  S1/^  Fuss  lange  Skelett  bis  zu  den  Füssen  frei 
gelegt  hatte  und  aus  der  Tiefe  steigen  wollte , trat 


172 


ich  unter  den  Füssen  des  Skeletts  auf  einen  weichen 
Gegenstand,  und  es  wurde  mir  unheimlich.  Ich  ver- 
liess  die  Grube.  Man  holte  jene  Masse  mit  Hacken 
herauf  und  entwickelte  den  Knäuel ; es  war  ein  Rest 
der  Schleppe  des  Mantels  von  dunkelgrünem  Sammt 
mit  weissem  Pelz  schuppenartig  besetzt : gegen  Er- 
warten noch  ein  Zeichen  des  fürstlichen  Standes. 
Die  Gebeine  der  schönen  Else , wie  alle  jene,  welche 
wir  noch  unberührt  in  der  Erde  fanden,  Hessen  wir 
in  neu  gefertigten  Holzsärgen  wieder  an  derselben 
Stelle  versenken.  Jarwart  fertigte  bei  dieser  Gelegen- 
heit vortreffliche  Zeichnungen  nach  hohenzollerischen 
Denkmalen  für  das  Stillfried’sche  Werk  und  ich  bildete 
deren  für  mein  Werk  ab.  Ausserdem  untersuchte 
Jarwart  mit  mir  noch  manche  Sarkophage  und  Grüfte, 
wobei  wir  ungeachtet  der  früheren  Plünderungen  noch 
manches  Interessante  fanden,  u.  A.  in  dem  Zinnsarg 
der  Emilie  von  Sachsen  (f  1591),  der  dritten  Gemahlin 
des  Markgrafen  Georg  des  Frommen , den  goldenen 
Verlobungs-  wie  den  Trauring.*)  Eine  der  letzten 
Arbeiten,  welche  wir  Vornahmen,  war  die  Unter- 
suchung der  anstossendcn  „ Ritterkapelle“.  Der  Boden 
in  ihr  war  aus  späterer  Zeit  einen  Fuss  hoch 
mit  Schutt  überdeckt,  darauf  eine  Ueberlage  von 
Steinplatten;  beides  wurde  entfernt,  der  ursprüngliche 
Boden  kam  zum  Vorschein,  der  durchaus  mit  Grab- 
steinen belegt  war,  auf  denen  sich,  schwach  erhaben 

*)  Diese  Ringe  erhielt  König  Max  11.,  der  sie  seinem  Oheim, 
dem  Könige  Friedrich  Wilhelm  IV.  von  l'reussen,  übergab.  Sie 
sind  abgebildet  in  der  2.  Auflage  meiner  Trachten  etc.  Hd.  VIII. 
Tafel  563. 


oder  nur  in  Umrissen  eingehauen,  die  Wappen  der 
darunter  ruhenden  Ritter  zeigten.  Diese  Grabsteine 
waren  in  Bezug  auf  Genealogie  und  Heraldik  von 
hohem  Werthe,  sie  stammten  aus  dem  13.  bis  in  den 
Anfang  des  15.  Jahrhunderts.  Es  war  jene  Zeit,  in 
der  die  Heraldik  noch  nicht,  wie  später,  in  das  Or- 
namentale überging,  sondern,  wo  sie  vom  Ritter  bei 
dem  Kampfe  zum  Schutze  und  als  nöthiges  Erken- 
nungszeichen getragen  wurde ; der  dreieckige  Schild 
schief  stehend  , wie  er  am  linken  Arm  getragen  wurde, 
darüber  der  topfartige  Helm  (Heaume),  der  über  die 
Beckenhaube  (Bassinet)  gesetzt  wurde,  darauf  die 
Helmdecke,  ursprünglich  nur  um  g'egen  Sonnenhitze 
zu  schützen,  und  auf  dieser  die  hohe  Helmzierde. 

Die  Gebeine , die  wir  unter  den  Grabplatten 
fanden , waren  ohne  jede  Beigabe.  In  den  letzten 
Abendstunden  zeichnete  ich  mehrere  dieser  Grabsteine 
für  meine  Zwecke,  soweit  es  noch  das  Tageslicht 
und  meine  erschöpften  Kräfte  zuliessen. 

Am  27.  September  war  unsere  Arbeit  abge- 
schlossen, und  das  darüber  aufgenommene  Protokoll 
wurde  von  den  anwesenden  Zeugen  Stillfried,  Aretin, 
mir,  wie  vom  Pfarrer  Muck  und  dem  Landrichter 
Förster  unterschrieben. 

Für  die  Geschichte  der  Architektur  mag  Folgen- 
des von  Werth  sein.  Der  Haupt-  und  Mittelbau  der 
Kirche  ist,  wie  bekannt,  in  romanischem  Stil,  das 
südliche  Seitenschiff,  ein  späterer  Anbau,  ist  mit  grossem 
Verständniss  in  gothischem  Stil  durchgeführt.  Eine 

*)  In  Bezug  auf  Grabplatten  der  Oettingen  und  der  Hohen- 
lohe siehe  die  2.  Auflage  meines  Werkes  Bd.  111.  Tafel  155. 


174 


Säulenreihe  trennt  es  vom  Mittelbau,  wodurch  eine 
Abwechslung  in  der  Geschmacksrichtung  oder  Stilart 
entsteht,  ohne  dass  Eines  das  Andere  beeinträchtigt. 

Damals  war  die  Meinung  verbreitet,  dass  König 
Max  II.  schon  vor  unseren  Untersuchungen  durch  den 

cj 

Oberbaurath  von  Gärtner  die  fehlenden  oder  unpassen- 
den Theile  der  Münsterkirche  wieder  stilgerecht  her- 
stellen  lassen  wolle.  Dass  dies  der  Wille  und  Beschluss 
des  Königs  war,  ist  richtig;  auch  war  bereits  schon 
das  nördliche  Seitenschiff  in  romanischem  Stil  fast 
vollendet.  Aber  über  den  südlichen  gothischen  Bau, 
in  welchem  wir  das  Grab  der  schönen  Else  und  gar 
manches  Interessante  fanden,  war  schon  vom  König, 
der  nur  auf  Gärtner’s  Berichte  gehen  konnte,  das 
Todesurtheil  unterzeichnet.  Gärtner  wollte  an  dessen 
Stelle  einen  neuen  romanischen  Bau  setzen.  Ein 
Maurerpalier  Namens  Magd,  der  mir  bei  meinen  Ar- 
beiten mehrmals  zur  Seite  stand  und  der  Gefühl  wie  Ver- 
ständniss  für  alles  Schöne  zeigte , wie  mir  es  bei  einem 
Manne  dieser  Klasse  noch  nie  vorkam , zog  mich  in 
seiner  Feierstunde  ins  Vertrauen;  er  zeigte  mir,  wie 
der  Oberbaurath  verboten  hatte,  dass  die  Schäden, 
die  sich  an  dem  Baue  zeigten , nicht  ausgebessert 
würden , weil  er  ihn  zum  Abbruch  bestimmt  hatte. 
Wir  sorgten  dafür,  dass  unser  Ilülferuf  zum  König 
von  Bayern , wie  zu  jenem  von  Preussen  drang,  und 
dass  das  schöne  Denkmal  deutscher  Kunst  und  Ge- 
schichte gerettet  wurde. 

Wenn  Gärtner  hier  in  keinem  günstigen  Lichte 
erscheint,  so  wird  doch  jeder,  der  Kunstverständniss 
besitzt,  nicht  zweifeln,  dass  er  ein  bedeutender 


175 


Architekt  und  Künstler  war.  Ich  erwähnte  schon,  wie 
selten  ein  in  seiner  Richtung  tüchtiger  Künstler  viel- 
seitig sein  kann.  Gärtner  hat  im  romanischen  Stil  Hervor- 
ragendes geleistet ; ist  er  einmal  genöthigt  worden, 
im  gothischen  Stil  zu  arbeiten , so  ist  es  unglücklich 
ausgefallen.  Was  will  man  aber  in  dieser  Beziehung 
über  Leo  von  Klenze,  den  weltberühmten  Architekten 
sagen?  Ich  habe  aus  seinem  eigenen  Mund  vernommen  : 
„Die  klassische  und  altgriechische  Kunst  hat  nur  allein 
Schönheit  ; sobald  dieselbe  aber  in  den  byzantinischen 
und  romanischen  Stil  übergeht,  ist  es  mit  der  Schön- 
heit vorbei!“  Ferner  hörte  ich  von  ihm  bei  einer  ße- 
rathung  über  die  Frauenkirche  unter  dem  Vorsitze 
des  Herrn  Erzbischofs  von  Scherr  sagen:  „Die  Frauen- 
kirche zu  München  ist  ein  Bau,  wie  ihn  ein  Maurer- 
palier  aufführen  kann.“  Auch  wollte  Klenze  das  Re- 
sidenztheater, eine  Kunstperle  Münchens,  niederreissen, 
was  aber  auf  Befehl  König  Ludwigs  I.  nicht  geschehen 
durfte,  wiewohl  derselbe  kein  Freund  des  Rokoko- 
stils war.  Schon  theilweise  ruinirt,  Hess  es  Maxi- 
milian II,  durch  den  Architekten  Professor  Ludwig 
Foltz  wieder  hersteilen.  Jedenfalls  aber  hat  Klenze 
uns  die  Antike  in  ihrer  edlen  Einfachheit  vor  Augen 
geführt,  während  bis  dahin  die  missverstandene  Antike, 
das  sogenannte  Empire , Mode  war.  — 

Nahe  bei  der  Klosterkirche  zu  Heilsbronn  steht 
die  sogenannte  Primizkapelle  aus  dem  12.  Jahrhundert 
in  edelstem  romanischem  Baustil,  die  leider  schon  vor 
langer  Zeit  im  Privatbesitz  zu  einer  Bierbrauerei  um- 
gewandelt war.  Olfers  nahm  mich  mit  in  dieselbe, 
weil  er  aus  ihr  einzelne  architektonische  Theile  für 


1/6 


das  k.  Museum  in  Berlin  abformen  lassen  wollte ; er 
hatte  zu  diesem  Zwecke  den  Formator  Rotermundt 
aus  Nürnberg  kommen  lassen.  Ich  konnte  dabei  be- 
hülflich  sein , da  ich  noch  leicht  beweglich  war  und 
über  russige  Balken  und  Bretter  in  alle  Ecken  kriechen 
konnte,  um  die  schönsten  Kapitale,  Gesimsornamente 
etc.  herauszufinden,  was  ich  auch  mit  Freuden,  der 
guten  Sache  wie  der  Person  zulieb , that.  Da  diese 
Kapelle  nicht  für  den  Staat  zu  erwerben  war,  so 
wurde  später  durch  Vermittlung  des  nachmaligen 
Kaisers  Friedrich  das  schöne  romanische  Portal  her- 
ausgebrochen und  dem  germanischen  Museum  in 
Nürnberg  geschenkt. 

Unsere  Geschäfte  in  Heilsbronn  begannen  am  / . und 
dauerten,  wie  schon  gesagt,  bis  zum  27.  September  1853, 
dazwischen  machten  wir  vom  1 0.  bis  zum  1 6.  eine  Pause ; in 
diesem  Zeitraum  war  die  Zusammenkunft  der  deutschen 
Geschichts-  und  Alterthumsforscher  zu  Nürnberg;  wie 
im  vorhergehenden  Jahre,  so  auch  diesmal,  unter  dem 
Vorsitze  des  Herzogs  Johann  von  Sachsen.  Ich  fand 
auch  bei  dieser  Versammlung  viele  alte  Freunde  und 
Bekannte  wieder;  auch  lernte  ich  damals  u.  A.  kennen, 
den  nassauischen  Archivar  Habel,  einen  eifrigen  Alter- 
thumsfreund, der  durch  Ankauf  fünf  Burgruinen 
vor  vollständiger  Zerstörung  gerettet  hatte,  ferner  den 
später  so  berühmten  Gustav  Freytag , der  sich  für 
meine  Arbeiten  und  Thätigkeit  sehr  interessirte.  Ich 
war  mit  ihm  und  dem  grössten  Theil  der  Festtheil- 
nelmier  auf  der  Veste  Coburg  , da  der  Herzog  Ernst  II. 
es  gerne  gesehen  hätte,  wenn  dorthin  das  ger- 
manische Museum  gelegt  würde. 


Da  unsere  Untersuchungen  in  Heilsbronn  viel  Ge- 
rede machten,  wollten  einige  die  Sache  in  der  Nähe 
ansehen ; es  waren  Generaldirektor  von  Olfers,  Hans 
von  Aufsess,  mein  Schwager  Karl  von  Mayenfisch, 
Ralf  von  Retberg,  Ferdinand  von  Quast,  Baurath 
Döbner , alle  diese  reisten  nach  Heilsbronn.  Graf 
Wilhelm  von  Württemberg,  der  nachmalige  Herzog 
von  Urach,  der  an  der  Sache  so  vielen  Antheil 
nahm,  kam  erst  später  nach  Nürnberg.  Dieser  hohe 
Herr  trat  mir  auch  ferner  noch  äusserst  wohlwollend 
entgegen,  und  es  ist  für  mich  eine  grosse  Freude,  dass 
auch  sein  Sohn,  der  in  naher  verwandtschaftlicher  Be- 
ziehung zu  dem  herzoglichen  Hause  in  Bayern  steht,  mir 
diese  Zuneigung  bewahrt  hat.  Ich  blieb  noch  einen 
Tag  in  Nürnberg  zurück  und  hielt  daselbst  am  Schlüsse 
der  Versammlung  einen  ausführlichen  Vortrag  über  die 
Nothwendigkeit  der  Gründung,  Organisirung  und  Nutz- 
barmachung der  Museen , u.  A.  erwähnte  ich  dabei 
auch  die  Worte,  welche  der  König  am  15.  März  1852 
zu  mir  in  Bezug  darauf  gesprochen  hatte,  denn  oft 
wirkt  ein  königliches  Wort  am  allermeisten. 

Kurze  Zeit  darauf,  noch  während  ich  mich  in 
Kloster  Heilsbronn  befand,  erhielten  Oberbaurath  von 
Voit  und  ich  am  23.  September  1853  vom  Ministerium 
den  Auftrag,  uns  nach  Nürnberg  zu  begeben  und 
zwar  ersterer , damit  er  die  alte  merkwürdige  Kar- 
thause, die  schon  zum  Abbruch  bestimmt  war,  unter- 
suche und  sein  Urtheil  darüber  abgebe,  und  ich,  um 
über  die  Verwendung  derselben  zu  einem  Museum, 
wie  über  das  dazu  vorhandene  Material  Bericht  zu 
erstatten. 

12 


Aufsess  hatte  nämlich  schon  die  Theilnahme  und 
das  Interesse  unseres  Königs  Maximilian  II.  tür  seine 
Sache  zu  gewinnen  gewusst,  und  rettete  dadurch  die 
Karthause,  ein  Kleinod  der  Stadt  Nürnberg.  Er 
konnte  auf  dem  Schlosse  seiner  Ahnen  sein  eigener 
Herr  sein  und  verschmähte  nicht,  für  eine  vater- 
ländische Ehrensache,  gleich  einem  Bettler,  zu  Hoch 
und  Nieder  zu  gehen,  und  musste  dabei  oft  bitteren 
Spott  und  Hohn  ertragen;  er  zeigte,  was  in  Begeister- 
ung für  eine  gute  Sache  durch  Willenskraft,  Zähigkeit 
und  Ausdauer  zu  erreichen  ist. 

Bei  jenem  Kongress  in  Nürnberg  war  mein  Freund 
Dr.  Könrad  Dietrich  Hassler,  Studienrath  und  Landes- 
conservator  von  Württemberg,  Sekretär.  Dieser  legte  auf 
meine  Worte  einen  grossen  Werth,  er  glaubte  später 
Grund  gefunden  zu  haben,  als  Zeuge  und  Schrift- 
führer mir  über  meinen  Vortrag  und  dessen  Folgen 
eine  Urkunde,  in  aller  Form  mit  Amtssiegel  versehen, 
auszustellen,  was  er  unter  dem  16.  Mai  1864  aus- 
führte. 

Das  Zusammensein  mit  jenen,  meinen  lebhaft  an- 
geregten und  gleichgesinnten  Freunden  in  Ileilsbronn 
vor  den  Grabsteinen  und  den  zum  Theil  noch  offenen 
Gräbern  stellte  mir  sprechend  den  Gegensatz  von 
froher  Gegenwart  zur  Vergangenheit  vor  Augen. 
Blicke  ich  jetzt  auf  jene  läge  zurück,  so  ist  alles 
Vergangenheit , denn  auch  diese  meine  Freunde,  wie 
alle  jene,  die  ich  damals  in  Nürnberg  zurückgelassen, 
deckt  bereits  längst  das  Grab.  Die  Zukunft  bestand 
damals  für  mich  in  Hoffnung  und  Plänemachen,  jetzt 
im  Alter  ist  fast  alles  für  mich  nur  Erinnerung'! 


179 


XXL  Arbeit  für  das  bayerische  Nationalmuseum. 

Vor  meiner  Rückreise  nach  München  hatten  mich 
Stillfried  und  Jarwart  dem  Herrn  von  Aretin  gegenüber 
zur  Vorsicht  ermahnt;  beide  riethen  mir  in  Bezug  auf  das 
früher  erwähnte  Werk,  Kunstdenkmäler  des  bayer- 
ischen Herrscherhauses,  mit  Aretin  einen  rechtsgiltigen 
Vertrag  abzuschliessen.  Auch  sah  sich  Stillfried  schon 
vorher  einmal  veranlasst,  dem  dortigen  Pfarrer  Muck 
meinen  königlichen  Auftrag  vorzulegen,  um  zu  zeigen, 
dass  ich  in  keiner  von  Aretin  abhängigen  Stelle  da 
sei.  Ich  nahm  mir  auch  vor,  dem  guten  Rathe  zu 
folgen,  dachte  aber,  es  eilt  nicht  so  sehr,  und  ging 
nochmals  mit  Aretin  auf  eine  Reise,  um  Aufnahmen 
für  die  zweite  Lieferung  zu  machen.  Leider  muss 
ich  mir  dabei  selbst  das  Zeugniss  ausstellen,  auch  hier 
nichts  weniger  als  klug  gehandelt  zu  haben,  obwohl 
mich  schon  vorher  auch  Minister  von  Zwehl , Graf 
Pocci  und  Ministerialrath  von  Volk  zur  Vorsicht  er- 
mahnt hatten. 

Ich  hatte  nur  die  schöne  Arbeit  und  die  interes- 
santen Auffindungen  im  Auge,  worüber  ich  alles 
Andere  vergass;  und  das  kam  in  meinem  Leben  nicht 
zum  ersten-  und  nicht  zum  letztenmale  vor. 

Als  Aretin  meinConcept  zu  einem  Vertrage,  welches 
ich  vorlegte,  korrigirte,  sah  ich  klar,  dass  ich  bei  der 
Sache  nur  ein  Handlanger  sein  sollte,  den  man  nach 
Belieben  herbeirufen  oder  hinwegschicken  konnte. 
Dieses  und  Aehnliches  veranlasste  mich,  zu  erklären, 
dass  ich  an  jenem  Werk  nicht  mehr  Mitarbeiter  sein 
könne,  jedoch  für  mich  allein  stets  bereit  sei,  mit 
allen  Kräften  für  ein  künftiges  Museum  das  Möglichste 

12* 


zu  thun.  Aretin  fand  noch  Leute,  die  ihm,  unter 
anderen  Verhältnissen,  auch  gute  Arbeit  lieferten, 
jedoch  traf  dabei  ein,  was  ich  schon  aus  einfachen 
Gründen  vorausgesagt  hatte.  Abgesehen  von  dem  zu 
hohem  Preis  bot  der  Text  des  Werkes  zu  wenig  für 
die  Geschichte  Bayerns,  wie  für  die  Geschichte  im 
Allgemeinen,  was  ich  bedauern  musste,  indem  doch 
so  manches  Schöne  darin  enthalten  ist.  Es  hatte  sich 
eine  Zeit  lang  besonders  dadurch  fristen  können,  dass 
dessen  Anschaffung  den  Staatsbehörden  befohlen  war: 
es  ist  aber  mit  der  8.  Lieferung  nach  Aretin’s  Tode 
unvollendet  «'eblieben. 

c~> 

Nachdem  ich  mich  von  jenem  Werke  zurückge- 
zogen hatte,  trat  für  mich  eine  angenehme  Periode 
ein.  Ich  machte  Reisen,  bei  welchen  ich  für  das 
künftige  Museum  interessante  Gegenstände,  besonders 
mittelalterliche  Grabsteine,  auffand,  und  hatte  dabei 
noch  Zeit,  an  meinen  Werken,  die  im  Gange  waren, 
zu  arbeiten,  und  für  jene,  welche  ich  vorbereitet 
hatte , Material  zu  sammeln.  Dabei  musste  ich  aber 
doch  besorgen,  dass  der  König  mein  Zurückziehen 
von  jenem  Werke  übelnehme,  jedoch  gab  mir  Staats- 
rath von  Pfistermeister  die  Versicherung,  dass  dieses 
nicht  der  Fall  sei  und  sich  die  Majestät  vollkommen 
in  meine  Lage  denke. 

Nachdem  nun  der  König  erkannte,  dass  das 
Material  für  ein  Museum  ausreichen  werde,  sprach 
er  sich  für  ein  solches  aus  und  wies  dazu  als  Interims- 
lokal die  Herzog-Maxburg  an.  Aretin,  dem  bisher 
nur  sein  Werk  über  die  Alterthümer  und  Kunstdenk- 
male des  bayerischen  Herrscherhauses  die  1 lauptsache 


181 


war,  arbeitete  und  sammelte  von  da  an  mit  allen 
Kräften  für  jene  Anstalt,  die  vorerst  den  Namen 
Wittelsbacher  Museum  erhielt,  und  er  ging,  da  er 
eine  königliche  Vollmacht  hatte,  oft  beim  Erwerben 
von  Kunstgegenständen  rücksichtslos  zu  Werke, 
was  mitunter  grosse  Erbitterung  erregte.  Dagegen 
muss  ich  aber  auch  bemerken,  dass  Vorstände  von 
kleineren  Städten,  Kirchen,  entlegenen  Schlössern  etc. 
oft  selbst  dazu  beitrugen,  dass  Kunstwerke  ruinirt 
oder  im  Stillen  durch  Händler  ins  Ausland  geschafft 
wurden,  ohne  dass  sich  irgend  eine  Stimme  dagegen 
erhoben  hätte. 

Zugleich  ging  ich  auf  anderen  Wegen  auf  Er- 
werbungen für  das  Museum  aus,  wobei  ich  stets  Rath 
und  Stütze  bei  dem  Minister  von  Zwehl  fand;  auch 
begleitete  mich  dabei  stets  ein  Glück,  über  welches 
ich  selbst  jetzt  noch  staunen  muss. 

In  jene  Periode  des  Sammelns  und  Arbeitens  fällt 
auch  mein  Aufenthalt  auf  dem  reizend  gelegenen 
Schlosse  Thurnau  im  Jahre  1858,  wohin  ich  einer  Ein- 
ladung Sr.  Erlaucht  des  Grafen  Franz  Friedrich  Karl 
von  Giech  gefolgt  war.  Ich  fand  bei  ihm  und  seiner 
Familie  die  freundlichste  Aufnahme,  er  führte  mich  in 
seine  Schlösser  Giech,  Kröttendorf,  Buchau,  Feesten 
und  Wiesenfels,  wo  ich  überall  nur  Interessantes  fand. 
Von  den  dort  vorhandenen  Gegenständen  will  ich  nur 
herausheben  eine  Sammlung-  altvenetianer  Gläser  und 

o 

eine  prachtvolle  Mustersammlung  von  italienischen  ge- 
pressten Ledertapeten  in  Gold  und  Farben  schillernd. 
Dann  fand  ich  dort  u.  A.  auch  eine  wichtige  Mittheilung 
über  die  erste  Anwendung  von  flachen  Fensterscheiben 


182 


von  ungefähr  6 Zoll  Höhe  und  Breite  an  Stelle  der 
Butzenscheiben,  ferner  Aufzeichnungen  von  Ausgaben 
für  Silberarbeiten  wie  Gehänge,  Taschenbeschläge, 
Bestecke  u.  s.  w.  Höchst  werthvoll  war  für  mich  ein 
Verzeichniss  von  Kleinodien,  die  am  25.  April  1 (>28 
in  dem  Grabe  einer  Frau  Barbara  von  Giech  in  der 
Pfarrkirche  zu  Thurnau  vorgefunden  worden  waren. 
Unter  den  59  Gegenständen  befanden  sich  ausser 
Münzen  und  Ringen,  — unter  letzteren  ein  silberner 
Gichtring  in  Form  eines  Petschaftringes,  — hauptsäch- 
lich in  Gold  und  Silber  gefasste  Halbedelsteine  und 
dergleichen,  die  als  Amulete  gedient  haben  müssen, 
nämlich : 

„3  Malagitten*)  in  Gold  gefasst,  in  Hertzlinform, 

3 Chrysolith  in  Gold  gefasst, 

1 Augstein  Herz  in  Gold  gefasst, 

1 Krottenstein  in  Gold  gefasst, 

2 Plauerstein**)  in  Gold  gefasst, 

1 Elen  Klauen  in  Gold  gefasst,  darauff  ein  Crucifix, 

1 Weisser  Augstein,  Herz  in  Gold  gefasst;  darauffein 
Crucifix, 

1 Gulden  Täfflein  darinnen  charactern  geschrieben, 

1 Otterzunge  in  Gold  gefasst, 

1 Luchsklauen  in  Silber  gefasst, 

1 Weiss  Corallen  Zenken  in  Silber  gefasst, 

2 Cristalien  in  der  gross  einer  zimblichen  Hasselnuss, 
6 Rotte  Corallen, 

I Sternstein  in  Gold  gefasst, 

1 Korallen  Hendlin  in  Gold  gefasst." 


*)  Malachite. 

**)  Wahrscheinlich  lapis  lazuli. 


Der  letzte  Gegenstand,  wie  die  anderen  Korallen 
mag  zur  Abwendung  des  „bösen  Blicks“  gedient  haben, 
wie  noch  heute  in  Italien,  während  die  dem  Thier 
reich  entnommenen  Gegenstände  zur  Abwendung  von 
Krankheiten  angehängt  wurden.  Die  meisten  dieser 
Gegenstände  wurden,  wenn  auch  nicht  von  Gold,  so 
doch  von  Silber,  bei  uns  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein 
als  Miederschmuck  von  der  weiblichen  Landbevölkerug 
getragen. 

In  demselben  Jahre  1 <S5<S  theilte  mir  der  Direktor 
von  Zimmermann  mit , er  habe  in  den  Kellerräumen 
der  alten  Pinakothek  elf  Kisten  gefunden,  gefüllt  mit 
Kunstschätzen  aus  dem  ehemaligen  Elfenbeinkabinet, 
welche  in  Vergessenheit  gerathen  waren.  Er  übergab 
sie  mir  für  die  vereinigten  Sammlungen. 

Gleich  nach  dem  am  13.  November  1841  erfolgten 
Tode  der  Königin  Karoline,  Wittwe  des  Königs  Maxi- 
milian I.,  wurde  der  Befehl  gegeben,  das  Elfenbein- 
kabinet binnen  24  Stunden  zu  räumen,  da  für  die 
Verwandten  des  königlichen  Hauses,  die  zur  Leichen- 
feierlichkeit kamen,  in  der  Ilerzog-Maxburg  Logis 
geschafft  werden  musste. 

Derjenige,  der  den  Inhalt  des  Elfenbeinkabinetes 
kannte,  wie  ich  ihn  noch  im  Jahre  1831  beisammen 
sah,  kann  sich  eine  Vorstellung  machen,  wie  dabei 
verfahren  wurde.  Es  waren  darin  nicht  nur  Elfenbein- 
arbeiten der  grössten  Meister,  Statuetten,  ganze 
Gruppen  Haut-  und  Basreliefs  etc.,  sondern  auch 
Kunstwerke  der  verschiedensten  Art,  indem  man  früher 
alles,  was  man  sonst  nirgends  unterzubringen  wusste, 
daselbst  in  Schränken  und  Schubladen  verschloss. 


In  diesen  erwähnten  elf  Kisten  befanden  sich 
Kunstwerke  von  ganz  unschätzbarem  Werthe,  so 
z.  B.  die  zwei  Pergamentgebetbücher,  überreich  mit 
wunderbaren  Miniaturgemälden  von  I laus  Memling 
geschmückt,  welche  Johanna,  die  Mutter  Karls  V., 
besessen  haben  soll.  Dieselben  gehören  zu  den  grössten 
Kostbarkeiten,  die  München  besitzt.  Wie  mich  ältere 
Männer  Münchens  versicherten,  waren  dieselben  in 
früherer  Zeit  unter  dreifachem  Verschluss  und  durften 
nur  in  Gegenwart  von  drei  Beamten  gezeigt  werden. 
Ferner  befanden  sich  unter  diesen  vergessenen  Kunst- 
schätzen: zwei  kleine,  oben  abgerundete  Oelgemälde 
von  Hans  Memling  von  ausserordentlicher  Schönheit, 
das  eine  Christus  und  Maria,  das  andere  Maria  mit 
dem  Kinde  darstellend,  dann  eine  Judith  mit  dem 
Haupte  des  Holofernes,  freistehende  Figur  in  Alabaster 
mit  der  Inschrift  auf  dem  Postament:  „Konrad  Meit 
aus  Worms“.  Diese  Arbeit  ist  von  wunderbarer  natur- 
alistischer Schönheit.  Ich  kann  annehmen,  dass  manche 
Werke  dieses  Meisters  in  Alabaster  und  Solenhofer  Stein 
dem  Albrecht  Dürer  zugeschrieben  werden.  Ferner  ein 
ovales  Emailbild,  die  Grablegung  Christi  von  Adrian 
van  der  Werff,  und  ein  kleines  Oelgemälde,  Christus  am 
Kreuze,  auf  Holz  in  Kreuzform,  von  demselben  ehe- 
dem so  hoch  geschätzten  Meister;  dann  bei  50  Email- 
bildnisse, meistens  fürstliche  Personen  darstellend,  von 
grosser  Pracht,  darunter  zwei  kleine  Bildnisse  Lud- 
wig XIV.  in  verschiedenen  Lebensaltern  von  dem 
überaus  hoch  geschätzten  Emailmaler  Jean  Petitot. 
Alsdann  eine  grosse  Anzahl  von  Skulpturen  in  Elfen- 
bein, Buchsbaum,  Solenhofer  Stein,  Marmor,  Alabaster, 


185 


Wachsmodellirungen  und  vieles  Andere,  darunter 
Meisterwerke  ersten  Ranges. 

In  früherer  Zeit  kamen  auch  Handzeichnungen, 
Skizzen,  Kupferstiche  der  ersten  Meisterin  das  Elfen- 
beinkabinet;  man  hatte  sie  aber  schon  vor  jener  Räum- 
ung dem  Kupferstich-  und  Handzeichnungskabinet 
übergeben,  das  sich  vor  Entstehung  der  Pinakothek 
in  der  alten  Akademie  befand.  Darauf  komme  ich  später 
noch  zu  sprechen. 

Ich  knüpfe  nun  da  wieder  an,  wo  ich  bei  der 
Entdeckungsreise  mit  Aretin  stehen  blieb.  Auf  jener 
Reise  bemerkte  ich  schon  so  manches,  was  mir  nicht 
gefallen  konnte.  Ich  erkannte  immer  mehr,  wie  Aretin 
besorgt  war,  ich  könnte  bei  dieser  Gelegenheit  auch 
etwas  für  meine  Zwecke  zeichnen  und  notiren;  das 
trat  besonders  bei  dem  Grabdenkmal  der  Agnes 
Bernauerin  in  der  Altstadt  bei  Straubing  zu  Tage. 
Ich  hatte  ihm  gesagt,  dass  ich  schon  seit  fahren 
dieses  Denkmal  für  mein  Werk  im  Auge  habe,  und 
dass  ich  es  auch  nicht  für  jenes  bayerische  Werk  als 
geeigneterachte,  weil  die  damit  verbundene  Geschichte 
immer  ein  schwarzer  Punkt  bleibe.  Dennoch  wollte 
es  Aretin  in  sein  Werk  aufnehmen.  Ich  erbot  mich 
daher,  es  in  grösserem  Massstab  für  das  Aretinische 
Werk  zu  zeichnen  und  es  dann,  ein  Jahr  später , ver- 
kleinertin anderer  Zusammenstellung  in  meinem  Werke 
zu  geben.  Ersteres  war  ihm  recht,  doch  Letzteres 
gönnte  er  mir  nicht. 

In  Folge  dessen  trüb  gestimmt,  stand  ich  doch 
alsbald  in  der  von  Herzog  Ernst  zur  Versöhnung  mit 
seinem  Sohne  Albrecht  erbauten  Kapelle,  vor  dem 


186 


Grabdenkmal  der  Bernauerin,  mit  ihrem  Bildniss  in 
ganzer  Figur.  Die  Umhüllung  des  Kopfes  das  Rissen- 
tuch,  die  Pelzverbrämung  des  Mantels  „Kleinspalt“, 
die  Ringe  an  den  Fingern,  die  zwei  Hündchen  zu 
ihren  Füssen  zeigen  den  hohen  Stand  und  die  Treue 
einer  vermählten  Frau  an.  Die  kurze  lateinische  Um- 
schrift in  deutschen  Buchstaben  lässt  zu  denken  übrig: 
„Anno  domini  MCCCCXXV.  VI.  die  octobris  obiit 
agties.  bernauerin.  requiescat  in  pace.“ 

In  allem  erkannte  ich , dass  der  Bildhauer  die 
Leiche  der  Unglücklichen  vor  Augen  hatte.  Als  ein 
Strahl  der  sinkenden  Sonne  die  Geistergestalt  streifte, 
und  ich  mit  den  Linien  in  ihre  Gesichtszüge  einging, 
dabei  die  dumpfen  Töne  einer  Kirchenmusik  aus  der 
Ferne  vernahm,  überfiel  mich  ein  Gefühl  tiefster 
Melancholie,  so  dass  mich  die  Thränen  mitunter  am 
Zeichnen  hinderten.  Viel  früher,  als  verabredet  war, 
erschien  Aretin  mit  dem  Wagen  vor  der  Kapelle,  um 
mich  zur  Weiterreise  abzuholen,  indem  er  für  sicher 
annahm,  dass  ich  mit  der  Zeichnung  noch  nicht  fertig 
sein  könne;  doch  zum  Glück  war  sie  vollendet,  da 
ich,  A eheliches  vermuthend,  bis  zur  Erschöpfung  meine 
Kräfte  zusammengenommen  hatte.  Aretin  staunte 
darüber,  verglich  die  Zeichnung  mit  dem  Original  und 
lobte  die  Genauigkeit,  aber  mit  einer  Miene,  welche 
nichts  Gutes  verrieth. 

Demungeachtet  stellte  ich  noch  eine  Reihe  von 
Abbildungen  her,  welche  theils  für  die  erste,  theils 
für  die  folgenden  Lieferungen  des  Werkes  von  Aretin 
bestimmt  waren. 

Auf  einem  Theil  der  zweiten  Reise  begleitete  uns 


187 


Graf  Pocci  und  machte  dabei  Beobachtungen,  die  ihm 
auch  nicht  gefielen;  er  bedauerte,  mich  in  diese  Hände 
geliefert  zu  haben.  Aber  trotzdem  dachte  er,  wie 
auch  ich,  dass  es  doch  von  Wichtigkeit  sei,  wenn  die 
Majestät  erkenne,  wie  reich  das  Bayernland  an  Kunst- 
schätzen ist,  welche  noch  wenig  oder  gar  nicht  be- 
kannt waren,  und  dass  dadurch  jenes  Werk,  das  nur 
Bezug  auf  das  bayerische  Regentenhaus  haben  sollte, 
zugleich  eine  Veranlassung  zur  Gründung  eines  bayer- 
ischen Nationalmuseums  werden  könne. 

Schon  in  den  ersten  Tagen,  als  ich  nach  München 
gekommen,  erhielt  ich  eine  Einladung  zu  einem  Stift- 
ungsfest der  Museumsgesellschaft  in  der  Promenade- 
strasse. König  Ludwig  I.  war  auch  zugegen;  alle 
Räume  waren  reich  dekorirt,  in  dem  Tanzsaal  erblickte 
ich  zu  meinem  Entsetzen  unter  Flitterdekorirung  auf 
der  Brüstung  des  Orchesters  einen  der  prachtvollsten 
burgundischen  oder  llandrischen  Gobelins  aus  dem 
15.  Jahrhundert  angenagelt;  ein  Werk  an  Kunstwerth, 
in  Zeichnung  wie  in  Kolorit  ganz  den  Arbeiten  eines 
Jan  van  Eyck  oder  eines  Hans  Memling  würdig.  Die 
Musikanten  legten  sich  mit  den  Ellenbogen  darauf: 
zwei  der  angesehensten  Künstler  rühmten  sich  bei  mir, 
wie  sie  das  alles  so  schön  dekorirt  hätten.  Mir  war 
der  ganze  Abend  verdorben;  ich  dachte:  O München, 
du  Kunststadt!  und  klagte  das  meinem  Freunde  Pocci, 
der  nachforschte  und  mich  bald  darauf  in  das  „Zer- 
wirkgewölbe“  (Wildpretkammer)  der  Ilerzog-Maxburg 
führte,  wo  jenes  unschätzbare  Kunstwerk  unter  einem 
hohen  Haufen  von  Gobelins , alle  von  sehr  hohem, 
wenn  auch  nicht  von  gleichem  Werthe  lag.  Wir 


188 


führten  Aretin  dahin  und  zeigten  ihm  diese  Kunst- 
schätze, die  allein  schon  zureichten,  die  Grundlage 
eines  Museums  zu  bilden. 

Ich  zeigte  ferner  Aretin  , wie  ich  von  Berlin  aus 
ersucht  und  ermächtigt  sei,  von  historisch  oder  künst- 
lerisch wichtigen  Denkmalen  in  Bayern,  für  das  kgl. 
Museum  in  Berlin  Gipsabgüsse  hersteilen  zu  lassen, 
wobei  stets  ein  zweiter  Abguss  für  Bayern  billig  er- 
worben werden  könne.  Dann  übergab  ich  ihm  No- 
tizen über  meine  Beobachtungen,  die  ich  in  den 
Museen  zu  Wien,  Berlin,  Dresden  und  in  Kunst- 
sammlungen kleinerer  Städte  gemacht  hatte,  und  eine 
Liste  verschiedener  grösserer  wie  kleinerer  Kunstwerke, 
welche  noch  rechtzeitig  für  den  Staat  zu  erwerben 
seien. 

Obgleich  Pocci  dafür  war,  dass  ich  nach  Wunsch 
des  Königs  Aretin  unterstütze,  sagte  er  doch,  dass 
ich  mit  meinen  mühsam  erworbenen  Erfahrungen 
Aretin  gegenüber  unklug  gehandelt  habe;  auch  musste 
ich  dasselbe  alsbald  vom  Minister  von  Zwehl  selbst 
hören,  welcher  der  guten  Sache  wie  meiner  Person 
stets  aufrichtig  zugethan  war. 

Diese  Geschichte  war  für  mich  in  der  That  noch 
folgenreich , doch  muss  ich  jetzt  hier  abbrechen  und 
auf  ein  tragisches  Ereigniss  übergehen. 


XXII.  Die  Cholera. 

Mit  dem  Frühjahr  1854  war  in  München  der  Glas- 
palast für  die  erste  Industrieausstellung  vollendet,  bei 
welcher  auch  ich  mehrfach  in  Anspruch  genommen 


wurde  als  Ausschussmitglied  des  „Vereins  zur  Aus- 
bildung der  Gewerke“  und  auch,  weil  es  sich  gerade 
traf,  dass  die  erste  Auflage  meines  ersten  Werkes: 
„Trachten  des  christlichen  Mittelalters  etc.“  nach  lang- 
jähriger, mitunter  sehr  schwerer,  Arbeit  als  vollendet 
im  Glaspalaste  aufgelegt  war,  was  nicht  ohne  Gemiiths- 
bewegung  für  mich  bleiben  konnte. 

An  einem  Morgen  der  ersten  Tage  des  August 
kam  der  Direktor  Heinrich  von  Hess  in  mein  Atelier 
in  den  vereinigten  Sammlungen  und  sagte,  es 
gehe  das  Gerücht,  die  Cholera  sei  ausgebrochen , 
sein  Freund  Staatsrath  von  Heres  habe,  wie  er  ge- 
hört, diese  Nacht  einen  Anfall  gehabt,  er  wolle  ihn 
sogleich  besuchen.  Darauf  dachte  ich  an  die  Meinen 
und  eilte  nach  Hause.  Als  ich  auf  den  damaligen 
„Dultplatz“  kam,  begegnete  ich  einem  Leichenwagen 
mit  Kondukt  und  Posaunenschall , darauf  sah  ich  das 
Wappen  und  die  Worte  „Staatsrath  von  Heres“.  Nach 
diesem  ersten  Todesfall  folgten  bald  nacheinander  viele 
in  rascher  Reihenfolge.  Am  16.  August  ergriff  mich 
selbst  die  Cholera  in  optima  forma.  Mein  Hausarzt 
Dr.  Schanzenbach  gab  mir  kleine  Stücke  Eis  zum 
Schlucken  und  löffelweis  Champagner,  doch  war  mein 
Zustand  so,  dass  jede  Hoffnung  für  mein  Leben  auf- 
gegeben war,  ja  ich  stand  schon  auf  der  Todtenliste, 
die  gerade  in  die  Druckerei  getragen  werden  sollte. 
Des  Nachts  trat  jedoch  eine  Besserung  ein  und  nach 
drei  Tao-en  war  ich  ausser  Gefahr.  Meine  arme  Frau 

o 

und  mein  ältester  Sohn  Franz  hatten  mich  mit  grösster 
Hingeburg  Tag  und  Nacht  gepflegt,  meine  beiden 
jüngeren  Söhne,  Emil  und  Friedrich,  schickten  wir  so- 


gleich  mit  dem  Kupferstecher  Klipphan,  der  für  mich 
arbeitete,  in  unsere  Heimath  Aschaffenburg,  wo  die 
Grossmutter  noch  lebte.  Nach  16  Tagen  hatte  ich 
mich  soweit  erholt,  dass  ich  auch  mit  Frau  und  Sohn 
nach  Aschaffenburg  reisen  konnte. 

Damals  war  die  königliche  Familie,  die  der  Cho- 
lera wegen  München  verlassen  hatte,  in  Aschaffen- 
burg. Schon  am  ersten  Tag  meines  dortigen  Auf- 
enthaltes schickte  die  Königin  Therese  ihren  I lof- 
marschall  von  Laroche  zu  mir,  mit  dem  Wunsche,  ich 
möchte  in  das  Schloss  kommen  und  Mittheilung  über 
mein  Ergehen  machen.  Da  ich  aber  noch  übel  aus- 
sah, erbat  ich  mir  die  Erlaubniss,  erst  am  Tage  vor  der 
Abreise  der  königlichen  Familie  erscheinen  zu  dürfen. 
Da  kam  ich  zu  dem  König  Ludwig  I.,  der  mich  sehr 
huldvoll  empfing  und  mir  seine  Theilnahme  aussprach, 
darauf  zur  Königin  Therese,  welche  sich  schon  vor- 
her, als  ich  noch  in  München  war,  nach  dem  Ver- 
lauf meiner  Krankheit  erkundigt  hatte.  Sie  erschien 
mir  angegriffen  und  betrübt,  ich  musste  ihr  alle  Kleinig- 
keiten erklären,  die  auf  die  Cholera  Bezug  hatten; 
wenn  ich  versuchte,  von  diesem  Thema  abzulenken, 
so  kam  sie  immer  wieder  darauf  zurück.  Sie  sagte 
u.  A.:  „Ich  war  so  oft  in  dem  schönen  Aschaffenburg, 
habe  mich  aber  nie  so  schwer  davon  trennen  können, 
wie  diesmal.“  Als  ich  mich  verabschiedete  und  durch 
dasselbe  Vorzimmer  ging,  durch  das  ich  herein  ge- 
kommen war,  sah  ich  eine  schwarze  Dame  vor  dem 
Ofen  stehen,  ich  sah  durch  den  schwarzen  Schleier  hin- 
durch Augen  glänzen  und  glaubte,  sie  grüssen  zu 
müssen.  Da  sie  sich  aber  nicht  bewegte,  ging  ich  weiter. 


An  demselben  Abend  besuchte  ich  die  Kasino- 
gesellschaft, in  welcher  ich  noch  manche  Bekannte 
aus  früherer  Zeit  antraf.  Ich  erzählte  von  meinem 
Empfang  im  Schlosse  und  auch  von  der  schwarzen 
Dame.  Ich,  wie  alle  Anwesenden  sagten:  „Kein  ver- 
nünftiger Mensch  glaubt  an  die  Dame,  welche  in 
Bayern  und  Oesterrreich  schwarz  und  in  Preussen 
weiss  erscheinen  soll ; aber  wenn  jetzt  das  Unglück 
wollte,  dass  ein  Trauerfall  in  der  königlichen  Familie 
vorkäme,  so  würde  das  dumme  Volk  aufs  Neue  fest 
an  die  Mission  dieser  Dame  glauben.“ 

Des  andern  Morgens,  als  die  Herrschaften  schon 
abgereist  waren , erfuhr  ich  in  dem  Schlosse  noch 
Folgendes.  Als  ich  hinausgegangen  war,  ging  der 
Grossherzog  von  Hessen  durch  dasselbe  Vorzimmer 
zur  Königin,  wo  die  ganze  Familie  beim  Thee  ver- 
sammelt war,  und  sagte,  ohne  etwas  besonderes  da- 
bei zu  denken  : „Da  draussen  sah  ich  eine  schwarze 
Dame,  ich  habe  sie  eingeladen,  mit  hereinzukommen, 
sie  ist  aber  verschwunden.“  Der  Leibhusar  der  Kö- 
nigin nahm  den  Grossherzog  auf  die  Seite  und  sagte, 
zitternd  und  bebend  : „Als  ich  über  den  Kurfürsten- 
gang ging  und  das  Theebrett  trug,  schwebte  die 
schwarze  Dame  an  mir  vorüber  und  verschwand  in  der 
Ferne.“ 

Vierzehn  Tage  darauf  erhielten  wir  die  Nachricht 
durch  Telegramm  : ,,Die  Königin  ist  den  26.  Oktober 
an  der  Cholera  gestorben“  ; wie  ein  Blitz  ging  es  durch 
alle  Köpfe,  den  meinigen  nicht  ausgenommen  : ,,Die 
Königin  todt,  die  schwarze  Dame.“ 

Drei  Tage  hernach  begegnete  mir  Oskar  von 


192 


Redwitz  auf  der  Strasse,  der  mich  gerade  aufsuchen 
wollte,  um  Näheres  über  jenen  Vorfall  zu  erfahren ; 
denn  damals  interessirte  ersieh  sehr  für  solche  mystische 
Geschichten.  Ich  führte  ihn  in  die  Schlossbibliothek 
zum  Professor  Merkel,  holte  den  Schlossverwalter  Noe,*) 
der  auch  die  schwarze  Dame  gesehen  hatte  und  die 
Erscheinung  furchtbar  schauerlich  ausmalte. 

Da  diese  Geschichte  viel  Gerede  verursachte, 
musste  ich  sie  oft  bis  zum  Ueberdruss  erzählen.  Dabei 
machte  ich  häufig  die  Beobachtung,  dass,  wenn  ich 
am  Schlüsse  versuchte,  die  Sache  auf  natürliche  Weise 
als  ein  wunderliches  Zusammentreffen  von  Umständen 
zu  erklären,  es  missliebig  aufgenommen  wurde.  Ich 
hatte  dabei  den  Eindruck,  als  hätte  ich  über  die  er- 
hitzte Phantasie  und  das  wohlthuende  Gruseln  kaltes 
Wasser  gegossen,  und  machte  dabei  aufs  Neue  die 
Erfahrung,  dass  ein  grosser  Theil  der  Menschen,  und 
dabei  nicht  immer  die  gewöhnlichsten,  wenig  oder  gar 
keinen  Sinn  für  die  grossartigen  Wunder  der  Natur 
und  deren  Herrlichkeit  besitzt,  daher  die  erbärmliche 
Gespenstermacherei,  zu  welcher  der  liebe  Gott  seinen 
Namen  hergeben  soll.  Mag  man  nun  die  Erscheinung 
der  schwarzen  Dame  für  irdisch  oder  überirdisch  halten, 
so  bleibt  es  doch  immerhin  sehr  auffallend,  dass  sie 
gerade  am  letzten  Abend  des  Tages,  an  welchem 
die  Königin  zum  letztenmal  in  Aschaffenburg  weilte, 
gesehen  wurde. 

*)  Dieser  war  der  Vater  des  bekannten  Schriftstellers  Dr. 
Heinrich  Noe. 


— 193  — 

XXIII.  Ostende  und  Brügge. 

Im  Jahre  1856  den  16.  August  überfiel  mich  wieder 
ein  choleraartiges  Leiden.  Die  Aerzte  waren  rathlos, 
indem  kein  Mittel  wirkte,  sie  verordneten  zuletzt  das 
.Seebad  in  Ostende.  Es  reiste  um  diese  Zeit  die 
Wittwe  des  ehemaligen  Bundestagsgesandten  Baron 
von  Oberkamp  mit  ihrem  geistlichen  Sohne  ebendahin, 
ein  braver  Diener,  der  mit  seinem  früheren  Herrn,  dem 
Baron  von  Fechenbach,  schon  öfter  die  Reise  nach 
Ostende  gemacht  hatte , begleitete  sie ; Oberkamps 
boten  sich  an , mich  unter  ihrer  Obhut  mitzunehmen, 
durch  welche  grosse  Freundlichkeit  sie  meiner  guten 
Frau  schwere  Sorgen  abnahmen.  Wenn  auch  sehr 
schwach,  so  kam  ich  doch  glücklich  in  Ostende  an. 
Hier  sah  ich  zum  erstenmal  die  offene  See,  die  ich  bis  da- 
hin nur  durch  Beschreibungen  kannte  und  noch  vielmehr 
durch  die  Meisterwerke  eines  Ludolf  Bakhuysen, 
Simon  de  Vlieger,  des  Bonaventura  und  Jan  Peeters, 
Willem  van  de  Velde  und  ähnlicher  Künstler.  Wel- 
chen Eindruck  musste  mir  daher  die  Natur  selbst 
machen  ! Jede  Viertelstunde  bot  sie  mir  einen  neuen 
Reiz.  Wenn  auch  jene  Künstler  vor  200  Jahren 
lebten,  hatte  ich  doch  den  Eindruck,  als  ob  sie  mich 
hier  noch  im  Leben  umgäben.  Eine  Dame  hohen 
Standes , welche  zugleich  angekommen  war , sagte 
schon  am  zweiten  Tag , sie  könne  den  Anblick  der 
See  nicht  mehr  länger  ertragen,  das  Einerlei,  nichts 
als  Wasser  und  Luft,  sei  doch  zu  langweilig ; sie  zog 
sich  in  ihre  Wohnung  zurück  und  schloss  die  Fenster. 
Dieses  nur  ein  Beispiel  von  dem  Vielen , das  ich  in 
der  Art  erlebte  ; wie  müssen  wir  solche  Menschen,  bei 

13 


194 


ihrem  hohen  Stand  und  vielem  Gelde,  ihrer  Armuth 
wegen  bedauern ! 

Der  Anblick  der  See  hätte  mich  nie  ermüdet, 
jedoch  ohne  Beschäftigung  wäre  mir  ein  längerer  Auf- 
enthalt daselbst  nicht  möglich  gewesen.  In  dieser  Hin- 
sicht  war  das  nahe  Brügge  (Bruges)  ein  Glück  für 
mich  ; des  Morgens,  nachdem  ich  das  Bad  genommen, 
konnte  ich  mit  dem  Bahnzug  dahin  fahren  und  des 
Abends  wieder  in  Ostende  sein. 

Brügge  bot  mir  so  viel  Interessantes  wie  nicht 
leicht  eine  andere  Stadt,  es  machte  mir  den  Eindruck 
eines  mittelalterlichen  Museums,  in  welchem  alle  Zweige 
der  Kunst  vertreten  sind.  Unter  dem  Vielen,  was 
mich  daselbst  anzog,  waren  es  vor  allem  die  Gemälde 
des  Hans  Memling  in  dem  ehemaligen  Kapitelsaal 
des  St.  Johannisspitals,  darunter  der  berühmte  Reliquien- 
schrein der  heiligen  Ursula.  Die  Bemalung  desselben 
zeigt  in  mehreren  Abtheilungen  und  reichen  Kompo- 
sitionen die  Legende  dieser  Heiligen. 

Obgleich  ich  diesen  Meister  längst  kannte  und 
hoch  schätzte,  so  musste  ich  mir  doch  vor  letztge- 
nanntem Werke  sagen  : Dieser  Meister  war  ein  über- 
irdisches Wesen,  denn  er  gab  nicht  nur  die  Natur 
mit  Treue  wieder,  sondern  er  malte  auch  den  Genius 
derselben,  der  dem  gewöhnlichen  Menschen  stets  ver- 
borgen bleibt,  — es  war  ein  Seelenmaler.  Mit  grosser 
Freude  erfüllte  mich,  in  letzter  Zeit  zu  erfahren,  dass 
jetzt  durch  die  Forschungen  erwiesen  ist.  dieser  grosse 
Maler  stamme  aus  Deutschland  und  zwar  aus  dem 
Gebiete  der  Kurfürsten  von  Mainz. 

W ie  diese  Werke  der  Malerei,  so  überraschten 


195 


mich  in  der  Liebfrauenkirche  (Notre  Dame)  andere 
der  Plastik,  so  vor  allem  die  Grabdenkmale  der  Maria 
von  Burgund  (f  1482),  der  ersten  Gemahlin  des  Erz- 
herzogs, späteren  Kaisers  Maximilian  I. , und  ihres 
Vaters  Karls  des  Kühnen,  des  letzten  Herzogs  von 
Burgund.  Die  Erzherzogin  ruht  auf  einem  kolossalen 
Sarkophag  von  schwarzem  Marmor  in  Bronceguss  mit 
dem  Haupt  auf  einem  Kissen , in  fürstlichem  Pracht- 
ornate von  wunderbarer  Schönheit,  und  bei  aller  Natur- 
wahrheit  von  idealer  Auffassung  und  technischer 
Vollendung.  Die  Seitenwände  des  Sarkophags  sind 
mit  reichem  plastischem  Bildwerk  in  Bronceguss  über- 
deckt, das  in  reichem  Ast-  und  Laubwerk  den  kaiser- 
lichen Stammbaum  zeigt,  in  welchem  Engel  die  vielen 
Wappenschilder  halten,  deren  heraldische  Färbung 
durch  Emaillirung,  Vergoldung  und  Versilberung  her- 
gestellt ist.  Der  Grund  dieser  reichhaltigen  Orna- 
mentik ist  durchbrochen  und  zeigt  den  schwarzen 
Marmor  des  Sarkophags.  Mit  Sicherheit  kann  ich  be- 
haupten, dass  dieses  Denkmal  zu  den  vorzüglichsten 
gehört,  welche  existiren.  Ich  staunte,  dass  es  mir  bis 
dahin  unbekannt  geblieben  war.  Später  erfuhr  ich, 
dass  der  Meister  desselben  Pieter  de  Beckere,  ein 
Goldschmied  und  Giesser  von  Brüssel  war,  der  dieses 
eminente  Werk  in  der  Zeit  von  1495  bis  1502  vollendete. 
Wie  gesagt  wird , hatte  dieser  wunderbare  Meister 
schlechten  Lohn  davon.  Obgleich  er  noch  nicht  die 
bedungene  Zahlung  erhalten  hatte,  musste  er  mit  sei- 
nem Vermögen  das  Gold  anschaffen,  um  die  Feuer- 
vergoldung des  grossen  Werkes  herzustellen,  bei  wel- 
cher er  durch  die  Quecksilberdämpfe  seine  Gesund- 

13* 


heit  und  bald  auch  sein  Leben  verlor.  Dass  der  Er- 
richter  dieses  Denkmals  Maximilian  I.  sein  muss,  ist 
zweifellos,  obschon  in  der  Beschreibung  von  Brügge 
und  Umgebung  von  James  Weale  1864  als  solcher 
dessen  Sohn,  der  Erzherzog  Philipp,  angegeben  ist, 
der  bei  dem  Tode  seiner  Mutter  erst  sechs  Jahre  alt 
war.  Neben  dem  Grabdenkmal  der  Maria  von  Bur- 
gund steht  jenes  ihres  Vaters,  Karls  des  Kühnen,  der 
in  der  Schlacht  bei  Nancy  1477  gefallen  ist  und  dessen 
Leiche  zuerst  dort  in  der  St.  Georgenkapelle  beigesetzt 
war.  Sein  Urenkel  Karl  V.  Hess  sie  1550  nach  Brügge 
bringen,  wo  ihm  sein  Ururenkel  Philipp  II.  im  |ahre  1558 
dieses  Denkmal  errichten  Hess,  das  durch  den  Bildhauer 
Jakob  Jongelincx  1559  bis  1562  ausgeführt  wurde.  Dieses 
Denkmal  ist,  in  der  Hauptform,  jenem  der  Maria  von 
Burgund  ähnlich,  doch  kommt  es  ihm  an  Pracht  und 
Kunstwerth  nicht  gleich  und  hat  auch  als  Porträtfigur 
wenig  Werth,  da  es  erst  über  80  Jahre  nach  Karl’sTode 
gefertigt  wurde. 

In  dieser  Kirche  bewunderte  ich  auch  die  lebens- 
grosse Marmorgruppe  Maria  mit  dem  Kinde , von 
wunderbarer  Schönheit,  ein  Kunstwerk  von  Michel- 
angelo, das  Peter  Moscron,  ein  reicher  Kaufmann 
und  Bürger  der  Stadt  Brügge,  dorthin  gestittet  hatte. 

Unter  den  übrigen  Kirchen  von  Brügge,  in  denen 
ich  viele  interessante  Gemälde  der  niederländischen 
Schule  aus  dem  16.  Jahrhundert  sah,  war  es  die 
Kathedrale  (St.  Sauveur),  die  mir  einen  neuen  von 
mir  bis  dahin  nicht  gesehenen  Meister  bot,  es  war 
dies  Lancelot  Blondeei,  der  von  1520  bis  1561  in  itali- 
sirendem  Stile  malte.  Ursprünglich  Maurer,  behielt  er 


197 


die  Maurerkelle  als  Künstlerzeichen  bei  und  fügte 
den  Schild  der  Malerzunft  an,  drei  silberne  Schilde 
in  einem  grösseren  blauen  Schilde.  In  der  genannten 
Beschreibung  von  Brügge  und  Umgebung  ist  das 
Märchen  wiederholt,  nach  welchem  dieses  das  Wappen 
sei,  welches  Maximilian  I.  dem  Albrecht  Dürer  ver- 
liehen habe.  Schon  vom  13.  Jahrhundert  an  ist  das 
Wappen  der  Maler  (Schilderer)  drei  silberne  Schildchen, 
in  Frankreich  und  in  den  Niederlanden  in  einem 
grösseren  blauen  und  in  Deutschland  in  einem  rothen 
Schilde.*) 

In  dieser  Kathedrale  sah  ich  noch  manches  für 
meine  Arbeiten  höchst  Werthvolle  u.  A.  einen  Bischof- 
stab aus  dem  12.  Jahrhundert  vergoldet,  blau  emaillirt 
mit  der  Legende  der  heil.  Valeria.  **) 

Unter  den  vielen  mit  Kunstwerken  angefüllten 
Prachtbauten  der  Stadt  sprach  mich  besonders  das 
Palais  de  Justice  an,  das  ehemalige  Rathhaus  der  „Frei- 
heit Brügge“  (le  Franc  de  Bruges,  der  freien  Landbe- 
wohner, der  buitenpoorters) , und  darin  der  wunder- 
schöne Gerichtssaal , (Chambre  echevinale)  mit  den 
herrlichen  Ilolzskulpturen  nach  Zeichnungen  von  Lan- 
celot Blondeel  durch  den  Bildhauer  Karel  Hendrik 
Geerts  1850  ausgeführt,  darunter  freistehend  inLebens- 


*)  Vergl.  Lisch,  G.  C.  F.  Das  Amt  und  Wappen  der  Maler 
und  Glaser  und  das  Künstlerwappen,  in  den  Jahrbüchern  des 
Vereins  für  mecklenburgische  Geschichte  und  Alterthumskunde. 
XXIII.  Jahrgang.  Schwerin  1858.  8°  Seite  3/7' — 384  und  Warnecke. 
Friedrich.  Das  Künstlerwappen.  Berlin  18/7.  4°. 

**)  Trachten,  Kunstwerke  und  Geräthschaften.  2.  Aull.  Bd.  II. 
Frankfurt  a.  M.  1881.  Tafel  108. 


J 


1% 


grosse  die  Standbilder  Karl  V.,  Maximilian  I.,  Maria 
von  Burgund,  Ferdinand  von  Aragonien,  Isabella  von 
Castilien,  dabei  die  Medaillon-Bildnisse  der  übrigen 
kaiserlichen  Familie  und  deren  Wappenschilde  in  Bas- 
relief von  den  geschmackvollsten  Ornamenten  umgeben. 

Auf  meiner  Heimreise  fand  ich  noch  vieles  Interes- 
sante in  Antwerpen,  Mecheln,  Brüssel  und  andern 
Städten,  worauf  ich  zurückkomme,  wenn  ich  von 
meiner  späteren  Reise  in  den  Niederlanden  spreche. 


XXIV.  Fortschritt  in  der  Museumsangelegenheit. 

Nach  München  zurückgekehrt,  fühlte  ich  mich  in 
Folge  des  Seebades  sehr  gekräftigt,  obwohl  erst  gegen 
Neujahr  meine  Gesundheit  wieder  vollständig  herge- 
stellt war.  Ich  konnte  wieder  mit  Lust  arbeiten.  Die 
erste  Auflage  meiner  Trachten  und  das  Turnierbuch 
waren  vollendet,  der  zweite  und  dritte  Band  der 
„Kunstwerke  und  Geräthschaften“  beschäftigten  mich 
noch,  andere  Werke  bereitete  ich  vor.  Dabei  machte 
ich  auch  mit  Glück  manche  AuHinduimen  und  Er- 
Werbungen  für  das  künftige  Museum. 

Der  König  hatte  sich  unterdessen  schon  mehr  mit 
dem  Gedanken,  ein  Museum  zu  gründen,  beschäftigt, 
nachdem  er  gesehen  hatte,  wie  jetzt  schon  das  Material 
dazu  herangewachsen  war. 

Eines  Tages  kam  Graf  Bocci  in  Aufregung  zu 
mir  und  machte  mir  folgende  Mitthei  hing  : „Staats- 

rath von  Pfistermeister  war  bei  mir  und  sagte  im 
Auftrag  des  Königs,  ich  solle,  als  Dein  Freund,  alles 


aufbieten,  Dich  zu  bewegen,  dass  Du  in  irgend  einer 
amtlichen  Stellung  bei  Errichtung  und  Verwaltung 
eines  Museums  Aretin  unterstützest.  Darauf  erwiderte 
ich,  was  ich  schon  früher  mit  Deiner  Uebereinstimmung 
erklärte,  nämlich,  dass  Du  nicht  in  einer  Stellung 
neben  oder  gar  unter  Aretin  arbeiten  könntest,  aber 
stets  als  selbstständig  für  die  gute  Sache  Dein 
Möglichstes  thun  würdest.  Ich  erwähnte  dabei  noch 
melirereGründe,  welche  diese  Erklärung  rechtfertigten.“ 

Obschon  mir  Pfistermeister  versichert  hatte , dass 
die  Majestät  nichts  übel  genommen  habe,  so  war  ich 
doch  noch  nicht  ganz  überzeugt,  da  hohe  Herren  es 
selten  gut  aufnehmen,  wenn  man  ihren  Wünschen 
nicht  entspricht. 

Bald  erhielt  ich  aber  volle  Beruhigung.  Am 
Neujahrstag  1857  wurde  ich  auf  früh  9 Uhr  in  die 
Residenz  befohlen,  ich  stand  vor  dem  König,  der 
auf  das  Huldvollste  meine  Arbeit  und  meinen  Pleiss 
lobte  und  mit  den  Worten  schloss:  „Ich  bedaure  nur, 
dass  Sie  nicht  mehr  Ihre  Kräfte  meiner  Lieblingsidee 
widmen.“  Nun  glaubte  ich  sprechen  zu  müssen  und 
begann  „Wenn  ich  nur  für  die  Lieblingsidee  Euerer 
Majestät  direkt,  . . .“  da  unterbrach  mich  der  König  mit 
den  Worten:  „Seien  Sie  beruhigt,  mir  ist  alles  bekannt. 
Ich  weiss,  dass  Ich  für  jetzt  nicht  mehr  von  Ihnen 
verlangen  kann,  es  freut  Mich  nur,  Ihnen  hiermit  das 
längst  verdiente  Zeichen  Meiner  Anerkennung  zu  über- 
reichen“, und  dabei  übergab  er  mir  den  Michaelsorden. 
Auch  ausserdem  erhielt  ich  von  der  Majestät  noch 
manche  Beweise  besonderer  Huld.  Unter  dem  Wort 
„Lieblingsidee“  verstand  der  König  aber  nicht  das 


200 


künftige  Nationalmuseum,  denn  in  Bezug  darauf  war 
er  schon  mit  mir  zufrieden,  sondern  das  Werk  : „Alter- 
thümer  und  Kunstdenkmale  des  bayerischen  Herrscher- 
hauses“, von  Aretin. 


XXV.  Brand  des  königlichen  Hofbaustadels. 

In  der  Nacht  des  4.  August  1858  ertönte  zu 
München  Feuerlärm,  der  damalige  Hofbaustadel  an 
der  Isar  stand  in  Flammen.  Da  zu  jener  Zeit  da- 
selbst noch  keine  organisirte  Feuerwehr  bestand,  fühlte 
sich  ein  jeder  Staatsbürger  verpflichtet:,  zu  rennen, 
retten  und  löschen  ; auch  ich  blieb  nicht  zurück,  zu- 
mal ich  schon  ötter  bei  Aehnlichem  thätisr  war.  Als 

o 

ich  dabei  nach  Kräften  half,  sauste  eine  Feuerspritze 
heran,  auf  welcher,  zu  meinem  Staunen,  meine  zwei 
ältesten  Söhne  sassen.  Es  erschienen  auch  sogleich 
aus  dem  nahen  Franziskanerkloster  Patres  et  Fratres, 
die  mit  Eifer  mich  und  meine  Söhne  im  Füllen,  Pumpen 
und  Dirigiren  der  Spritze  aufs  Kräftigste  unterstützten. 
Vom  Fackelschein  beleuchtet  bot  das  ein  Bild,  das 
mir  unvergesslich  bleibt.  Zur  höchsten  Ueberrasch- 
ung  erschienen  unter  dem  brennenden  Balken-  und 
Bretterwerk,  das  mit  Hacken  hinweggeschleift  wurde, 
mehrere  Theile  eines  prachtvollen  Plafonds  und  der 
dazu  gehörigen  Wandvertäfelungen , in  Gold-  und 
Farbenpracht  schillernd,  reich  an  Ornamentik  in  Holz- 
sculptur,  theilweise  mit  eingesetzten  Oelgemälden  von 
Meisterhand.  Sie  zierten  einst,  von  der  Zeit  des  Kur- 
fürsten Max  Emanuel  an,  Prachtgemächer  der  Resi- 


201 


denz,  waren  aber  beim  Beginne  des  Neubaues  daselbst 
i.  J.  1832  von  Klenze  mit  vielen  anderen  hinausge- 
worfen worden,  sie  sollten  vertilgt  werden.  Gewöhn- 
liche Arbeiter  erbarmten  sich  ihrer,  bedeckten  und 
versteckten  sie  unter  dem  Baumaterial,  und  sie  wurden , 
wie  durch  ein  Wunder,  gerettet.  Das  darf  uns  nicht 
wundern,  es  war  in  derselben  Periode,  in  welcher 
der  ebenfalls  sehr  berühmte  Schinkel  in  Berlin,  bei 
Restaurirung  des  königlichen  Schlosses  eine  Masse 
der  unschätzbarsten  Gobelins  hinausschaffen  und  per 
Stück  um  5 Thaler  verkaufen  Hess.  Das  lag  im  Geiste 
jener  Zeit,  dem  sich  nicht  leicht  ein  Künstler  entziehen 
konnte.  Ich  machte  sogleich  Herrn  Minister  von  Zwehl 
Anzeige  davon , worauf  sie  in  Verwahr  gebracht 
wurden  bis  zur  Errichtung  des  bayerischen  National- 
museums, wo  sie  dann  später  als  grosse  Prachtwerke 
bewundert  worden  sind.. 


XXVI.  Reise  mit  glücklichem  Erfolg. 

Im  Jahre  1859  machte  ich  wieder  allein  eine 
Reise  im  Interesse  des  künftigen  Nationalmuseums ; 
neben  manchen  vergeblichen  Versuchen  begleitete 
mich  auch  dabei  ungewöhnliches  Glück.  Zunächst 
reiste  ich  nach  Nürnberg  und  ging  daselbst  zu  dem 
Antiquar  Pickert,  da  ich  erfahren  hatte,  dass  derselbe 
eine  vollständige  Rüstung  für  Mann  und  Pferd  aus  der 
zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunders,  in  der  Art  der 
ersten  vollständigen  Plattenrüstungen,  von  einem  Frei- 
herrn von  Freyberg  stammend,  besitze,  die  auf  dem 


Schlosse  Hohen-Aschau  in  Oberbayern  verschleudert 
worden  war.  Allein  die  Forderung  von  7000  Gulden 
dafür  war  nach  damaligen  und  besonders  nach  unseren 
Verhältnissen  so  hoch,  dass  ich  sie  leider  nicht  er- 
werben konnte;  jetzt  wäre  der  Preis  von  100  000  Mark 
dafür  noch  ein  massiger.  Später  fand  ich  diesen 
seltenen  Ueberrest  deutschen  Mittelalters  in  Paris;  ich 
komme  noch  darauf  zurück. 

Alsdann  besuchte  ich  in  Nürnberg  die  noch  wenig 
bekannte  reformirte  Kirche,  ehemals  der  heiligen  Martha 
geweiht,  in  welcher  eine  grosse  Anzahl  höchst  interes- 
santer Glasgemälde  aus  dem  14.  Jahrhundert  in  ein- 
zelnen nicht  grossen  Abtheilungen,  darauf  die  Donatoren 
betend,  mit  ihren  Wappen  dargestellt,  sich  befanden. 
Die  Gemeinde  wollte  nur  jene  im  Chor  behalten,  da- 
gegen die  im  Fangschiff,  besonders  wegen  der  schon 
zu  sehr  verwitterten  Bleifassung,  veräussern.  Ich  be- 
nahm mich  darüber  mit  dem  Vorstand  der  Gemeinde, 
Freiherrn  von  Buirette,  um  vielleicht  später,  wenn 
auch  nicht  sogleich,  diese  Kunstwerke  für  den  .Staat 
zu  erwerben;  aber  auch  hier  erschien  für  damalige 
Verhältnisse  der  Preis  zu  hoch. 

Dann  begab  ich  mich  auf  den  wenig  besuchten 
Rochuskirchhof,  der  für  die  Geschichte  des  bürger- 
lichen Lebens  von  ganz  besonderem  Werthe  ist.  Es 
ruhen  daselbst  die  Handwerker,  darunter  auch  manche 
Künstler,  wie  Peter  Xischer,  Lorenz  Strauch;  alle 
Gräber  sind,  wie  auf  dem  Johanniskirchhof , mit  grossen 
Steinen  bedeckt,  darauf  in  Bronceguss  eingelassene 
Wappenschilde  mit  Hausmarken,  ITandwerksgeräthen 
und  sonstigen  Attributen.  Es  ist  hier  rührend  zu 


203 


sehen,  wie  Handwerker  und  deren  Familien  einen 
Stolz  in  ihre  Arbeit  und  Pflichterfüllung'  setzten.  Später 
Hess  ich  mehrere  dieser  Handwerkerattribute  für  das 
Nationalmuseum  abformen.  Auf  diesem  Gottesacker 
errichtete  im  Jahre  15 IS  die  Patricierfamilie  der  Imhoff 
ihre  Begräbniss- Kapelle*) , in  der  sich  noch  manches 
schöne  Kunstwerk  befindet,  wie  die  Geburt  der  Jungfrau 
Maria  und  der  Tod  der  Crescentia  Pirkheimer,  der 
Frau  des  Willibald,  auf  der  sogenannten  Di'irer’schen 
Stiftungstafel,  von  Albrecht  Dürer  oder  doch  in  der 
Art  desselben,  ein  Rosenkranzschnitzbild,  wohl  von 
Veit  Stoss**),  in  den  Fenstern  noch  Ueberreste  von 
prachtvollen  Glasgemälden  des  Veit  Ilirsvogel  des 
Aelteren. 

Von  Nürnberg  fuhr  ich  nach  Würzburg,  und  dort 
wurde  mir  mitgetheilt,  dass  in  dem  Keller  des  nicht 
weit  davon  gelegenen  Schlosses  Reichenberg,  Eigen- 
thum der  Freiherren  von  Wolfskeel,  Grabsteine  auf- 
einander geschichtet  liegen.  Ich  ging  dahin,  Hess  mir 
dieselben  durch  Arbeiter  aufrichten,  damit  ich  das 
Bildwerk  derselben  erkennen  konnte.  Wenn  auch  aus 
der  Zeit  der  späten  Renaissance,  erschienen  sie  mir 
doch  als  sehr  wichtig  für  die  Geschichte  des  deutschen 
Adels  und  für  die  Kostüm-  u.  Stilkenntniss  ihrer  Periode. 
Diese  Grabsteine  befanden  sich  ursprünglich  in  einer 
Begräbnisskapelle,  die  niedergerissen  worden  war.  Sie 
stammten  aus  den  Jahren  1590  bis  1631  und  zeigten 

*)  Vergl.  Stegmann,  Hans.  Die  Rochus-Kapelle  zu  Nürnberg 
und  ihr  künstlerischer  Schmuck.  Nürnberg  1885.  4°. 

**)  Stegmann  gibt  zwar  als  dessen  Meister  einen  Thomas 
Hebendanz  an,  den  aber  weder  Neudörfer  noch  Doppelmayr  kennen. 


204 


in  erhabenem  Bildwerk  Männer  und  Frauen,  umgeben 
von  Inschriften  und  Wappen,  theilvvei.se  von  beson- 
derer Schönheit.  Dem  in  Würzburg  lebenden  Frei- 
herrn von  Wolfskeel  stellte  ich  vor,  wie  diese  Denk- 
male nicht  leicht  an  einem  andern  Orte  mehr  ge- 
schätzt und  besser  zur  Ehre  der  Familie  aufbewahrt 
werden  könnten,  als  in  dem  Museum,  welchem  der 
König  mit  besonderer  Liebe  zugethan  sei.  Nach  Be- 
rathung  mit  seinen  Verwandten  machte  der  Freiherr 
in  anerkennensvverther  Weise  diese  höchst  interessanten 
Denkmale  der  Majestät  zum  Geschenke. 

In  Würzburg  besuchte  ich  ferner  die  alte  Deutsch- 
ordenskirche, in  welcher  ich  schon  im  Jahre  1S44 
Monumente  der  Deutschordensritter  aufnahm.  Dieser 
prachtvolle  Bau  im  edelsten  gothischen  Stil  war  schon 
damals  zu  einem  Magazin  des  Artillerie-Regimentes  ver- 
wendet und  mit  Balken,  Palissaden  etc.  angefüllt.  Ich 
konnte  nur  bedauern,  dass  dadurch  schon  manche  der 
unschätzbaren  Monumente  beschädigt  waren.  Schon  im 
Jahre  1844  übergab  ich  dem  dortigen  historischen 
Vereine  meine  Abbildung  des  Priors  des  Johanniter- 
ordens Berthold  von  Henneberg  (*j*  1330),  dessen  Denk- 
mal aus  der  früher  bestandenen  Johanniterkirche 
dorthin  gebracht  worden  war,  und  jenes  des  Ritters 
Kunz  Haberkorn  (f  1421)  mit  der  dringenden  Bitte, 
das  Möglichste  zu  thun,  um  diese  unschätzbaren 
Monumente,  acht  an  der  Zahl,  zu  erhalten  und  sie 
der  gebildeten  Welt  zunfäufdich  zu  machen;  es  «re- 
Schah  aber  nichts!  Als  ich  nun  nach  16  Jahren  wieder 
dahin  kam,  sollte  gar  diese  herrliche  Kirche  im  Innern 
verbaut  werden.  Der  dortige  freundliche  Artillerie- 


Hauptmann  erklärte  mir  mit  Bedauern,  dass  ihm 
keine  Mittel  geboten  seien,  diese  Monumente  zu  er- 
halten, um  sie  aber  gegen  gänzliche  Vertilgung  zu 
schützen,  hätte  er  sie  übermauern  lassen,  ich  käme 
zum  Glück  noch  zur  rechten  Zeit,  sie  zu  retten.  Nach- 
dem ich  durch  Telegramm  von  München  die  ministerielle 
Ermächtigung  erhalten  hatte,  liess  ich  durch  den 
dortigen  Bildhauer  Hehl  das  Ausbrechen  und  Trans- 
portieren  dieser  Grabsteine  auf  die  Eisenbahn  besorgen. 
Aber  bald  darauf  schrieb  mir  Hehl,  ich  möge  ihn  für 
alle  Zukunft  mit  ähnlichem  Auftrag  verschonen,  er 
sei  beinahe  gesteinigt  worden,  weil  er  diese  kostbaren 
Schätze  der  Stadt  entführe  ; er  habe  das  nicht  nur 
vom  gemeinen  Volk,  sondern  auch  von  manchen  Vor- 
nehmen der  Stadt  hören  müssen.  Natürlich  war  ich 
dabei  der  Haupträuber.  Hundertmal  hätten  diese 
Kunstschätze  an  jenem  Ort  verschwinden  können,  und 
kein  Hahn  hätte  darnach  gekräht.  Schon  vorher  und 
auch  nachher  ist  mir  es  an  anderen  Orten  ebenso 
ergangen. 

Darauf  begab  ich  mich  in  das  nahegelegene 
Rimpar,  da  ich  gehört  hatte,  auf  wrelche  schmach- 
volle Weise  bei  dem  Umbauen  und  Vergrössern  der 
dortigen  alten  Kirche  die  unschätzbaren  Grabmonumente 
behandelt  wurden.  Es  waren  dort  14  ausgezeichnete 
schöne  Denkmale  mit  lebensgrossen  Bildnissen  von 
Männern  und  Frauen  der  Familie  von  Grumbach.  die 
der  Architekt  oder  Bauinspektor  Markart  hinauswerfen 
und  zertrümmern  liess,  indem  er  erklärte,  dass  sie 
nicht  mehr  in  seinen  schönen  neuen  Bau  passten, 
dieser  aber  w'ar  eher  einem  missglückten  Eisenbahn- 


206 


wartsaal  als  einer  Kirche  ähnlich.  Ich  fand  darin  das 
einzige  wieder  hineingebrachte  oder  darin  gebliebene 
Denkmal  des  Eberhard  von  Grumbach  (f  1487),  Vater 
des  unglücklichen  Wilhelm  von  Grumbach,  ein  vor- 
treffliches Werk  des  berühmten  Tilmann  Riemen- 
schneider. Eberhard  erscheint  darauf  in  voller  Rüstung, 
die  bedeutendsten  Ritterorden  seiner  Zeit  an  einer 
Kette  um  den  Hals.  Nachdem  man  diese  schändliche 
Kunstbarbarei  ungestört  eine  Zeitlang  hingehen  liess, 
erhoben  sich  einige  Stimmen  dagegen,  in  Folge  dessen 
kam  von  der  Regierung  der  Befehl,  dass  die  Denk- 
male aus  dem  Bauschutt  hervorgesucht  und  wieder  in 
die  Kirche  gebracht  werden  sollten.  Es  geschah,  aber 
wie  ? Sechs  prachtvolle  Ritter  in  Maximiliansrüstungen 
sah  ich.  mehrfach  beschädigt,  nicht  in  der  Kirche, 
sondern  in  dem  offen  stehenden  Glockenthurm,  in 
welchem  jeden  Tag  zweimal  die  Gassenjungen  die 
Glockenseile  anziehen  und  sich  allen  Unfug  erlauben. 
In  derselben  Kirche  hatte  ich  noch  um  das  Jahr  1847 
das  schöne  Denkmal  der  Dorothea,  Tochter  des  Wil- 
helm von  Grumbach,  abgezeichnet.  *)  In  den  vier 
Ecken  dieses  Grabsteins  von  grauem  Sandstein , be- 
fanden sich,  wie  gewöhnlich,  die  Wappenschilde 
der  Ahnen;  die  Unterschrift  lautete:  „An.  1560.  a. 
Andre  . Oster  tag  . verschid  . die  . Edele  . tugentreiche  . 
Jungfrau  Dorothe  . von  . Grumpach  . W.  v.  G.**)  . 
eheliche  dochter  . d . G . g.“  ***)  Nun  erblickte  ich, 

*)  Trachten,  Kunstwerke  und  Geräthschaften.  2.  Aull.  Bd.  VIII. 
Frankfurt  1887.  Tafel  573. 

**)  Wilhelm  von  Grumpach. 

***)  Der  Gott  genade. 


207 


zu  meinem  Entsetzen,  den  Kopf  der  Jungfrau  Doro- 
thea auf  dem  Rumpf  einer  alten  Frau  von  Grumbach. 
Von  dem  einen  Grabstein  war  der  untere  Theil, 
von  dem  andern  der  obere  vertilgt. 

Solche  Rohheit  empörte  mich  aufs  Höchste;  der 
dortig'e  Pfarrer,  dem  ich  darüber  klagte,  sagte,  es 
sei  alles  recht  schön  und  habe  auch  so  zu  verbleiben  ! ? 

Jene  herrlichen  Grabmonumente  in  der  Deutsch- 
ordenskirche konnte  ich  noch  für  das  Nationalmuseum 
retten,  aber  hier  konnte  ich  nichts  mehr  thun. 

Schon  auf  meinen  Untersuchungsreisen  mit  dem 
Jahre  1840  beginnend  bis  zur  neueren  Zeit  machte 
ich  oft  die  traurige  Beobachtung,  wie  wenig  Menschen 
für  die  Kunst  und  das  Schöne  Sinn  besitzen,  und 
zwar  selbst  gebildete  Kreise,  bei  denen  es  doch  zum 
guten  Ton  gehört,  über  Kunst  zu  sprechen.  |a,  wie 
oft  sah  ich,  dass  Freunde  der  Geschichte  und  Forscher, 
die  ihr  Wissen  nur  aus  Büchern  und  Urkunden  schöpften, 
gleichgültig  vor  einem  Denkmal  standen,  welches  der 
Repräsentant  einer  ganzen  Zeitperiode  ist,  und  auf 
welchem  eine  Persönlichkeit  gewissermassen  wie  aus 
ihrem  Jahrhundert  heraufgestiegen  vor  unseren  Augen 
steht.  Wie  oft  hörte  ich  Hochadelige  mit  Vorliebe 
über  ihre  Ahnen,  ihren  Stammbaum  und  ihre  Wappen 
sprechen,  während  sie  nicht  ein  kleines  Opfer  bringen 
wollten,  um  ein  Denkmal  ihrer  Familie  zu  retten  ! 
Bis  zur  neueren  Zeit  kamen  Ahnengallerien  auf  den 
Tändelmarkt ! 

Nach  diesen  traurigen  Beobachtungen  in  Rimpar 
begab  ich  mich  wieder  nach  Würzburg,  wo  ich  noch 
manche  interessante  Erwerbungen  für  das  Museum 
machte,  davon  erwähne  ich  nur  folgendes.  Schon 


208 


einige  Jahre  früher  wurde  die  dortige  Marienkapelle, 
ein  Prachtwerk  der  Späthgothik  ersten  Ranges, 
restaurirt.  Nach  meiner  Ansicht  ist  man  dabei  öfter 
zu  weit  gegangen.  Der  Bildhauer  oder  Steinmetz 
hatte  nämlich  Theile  des  Baues , die  noch  nicht  zu 
sehr  durch  Zeit  und  Verwitterung  gelitten,  ausge- 
wechselt, d.  h.  durch  neue  ersetzt;  von  diesen  ausge- 
wechselten Theilen  konnte  ich  eine  grosse  Anzahl 
erwerben,  wie  Fialen,  Krappen,  Giebel  und  Kreuz- 
blumen, Masswerke,  Gesimstheile,  Wimberge  etc.  Sie 
bildeten  im  Nationalmuseum  eine  Separatsammlung 
sehr  lehrreicher  Modelle  besonders  für  Architekten. 

Von  Würzburg  fuhr  ich  nach  Gössenheim,  nahe 
bei  Gemünden.  Diese  beiden  Orte  sind  von  besonderem 
Interesse  und  zwar  geschichtlich  wie  malerisch  wegen 
des  Mainstroms  und  der  Burgen  auf  den  Bergen.  Bei 
Gössenheim  befinden  sich  die  Ruinen  zweier  grosser 
Burgen , die  sich  über  zwei  Berge  hinzogen  und  sich 
vereinigten,  wodurch  sie  eine  grosse  Burg  bildeten; 
es  war  die  Hohenburg  später  Ilomburg  ; man  erkennt 
noch , dass  sie  von  grosser  Stärke  und  Schönheit  war. 
Auch  hier  sah  ich  wieder,  dass  Krieg  und  Zeit  lange 
nicht  soviel  vertilgten , als  der  Zerstörungstrieb  der 
Menschen  späterer  Zeit : auch  hier  überliess  man  die 
Burg,  aus  der  nur  das  Holzwerk  herausgebrannt  war, 
den  Bauersleuten  als  Steinbruch.  Es  befand  sich  noch 
bis  in  unser  Jahrhundert  in  der  Ruine  vollkommen 
erhalten  die  schöne  gothische  Burgkapelle.  Wie  man 
mir  sagte,  sollte  der  frühere  Pfarrer  von  Gössenheim, 
in  Folge  eines  Vermächtnisses,  alle  Sonntage  in  jener 
Kapelle  eine  Messe  lesen ; da  ihm  das  zu  lästig 


— 209  — 

wurde,  erklärte  man  die  Kapelle  als  baufällig,  obgleich 
sie  noch  so  felsenfest  war,  dass  man  sie  theilweise 
mit  Pulver  sprengen  musste.  In  dieser  Kapelle  standen 
mehrere  höchst  interessante  Grabsteine  der  ehemaligen 
Burgbesitzer;  später  wurden  vier  derselben  von  dem 
Berg  herabgeschleift,  und  lagen  lange  im  Freien,  bis 
sie  ein  Landmann  und  Tünchermeister,  ganz  nahe  bei 
der  Kirche  als  Rückwand  für  seine  Ställe  verwendete. 
Ich  hatte  sie  schon  b Jahre  vorher  dort  gesehen.  Drei 
dieser  Grabsteine  zeigen  in  Lebensgrösse,  stark  er- 
haben, die  Gestalten  der  Ritter  in  vollem  Waffen- 
schmuck auf  Löwen  stehend,  nämlich:  Heinricus  de 
Bickenbach  f 1403,  Conradus  de  Bickenbach  f 1429, 
Dieter  de  Hochberg  f 1381.  Der  vierte  Grabstein 
in  derselben  Grösse  enthält  nur  das  Wappen  des  letzt- 
genannten Llochberg  und  hatte  ursprünglich  die 
Bestimmung,  die  (Trabstelle  auf  dem  Boden  zu  be- 
zeichnen ; derselbe  ist  besonders  für  die  Geschichte 
und  Entstehung  der  Heraldik  von  Bedeutung,  er  zeigt 
nur  Schild,  Hehn  und  Helmzierde,  wie  sie  der  Ritter 
in  Wirklichkeit  trug,  nebst  der  Inschrift:  „anno  dom. 
MCCCLXXXI  in  die  feria  quarta  post  gangolti  *) 
obiit  dominus  dieter  bohenberg  cujus  anima  requiescat 
in  pace  amen.“**)  I )er  Besitzer,  den  Pfarrer  Jörg  kommen 
Hess,  gab  die  Steine  sogleich  unentgeltlich  ab,  als 
er  hörte,  für  welchen  Zweck  sie  bestimmt  seien,  und 
stellte  nur  die  so  billige  Bedingung,  dass  ihm  seine 
Mauer  wieder  hergestellt  werde.  Als  ich  ihm  8 blanke 

*)  15.  Mai. 

**)  Trachten,  Kunstwerke  und  Gerätschaften.  2.  Aufl.  Bd.  III. 
Frankfurt  1882.  Tafel  210. 


14 


210 


bayerische  Geschichtsthaler  als  Andenken  an  unseren 
König  gab,  war  seine  ganze  Familie  sehr  erfreut. 
Diese  Monumente  gehören  jetzt  zu  den  interessantesten 
Sculpturen  des  Nationalmuseums.  In  der  Maingegend 
machte  ich  noch  manche  erfreuliche  Erwerbung  für 
das  Museum  und  nebenbei  Studien  für  mich,  wobei 
mir  Herr  Landrichter  Treppner  und  I Ierr  Rentamtmann 
Kühlmann  in  Gemünden  sehr  behilflich  waren. 

Da  mir  bis  dahin  bei  dieser  Forsclmngs-  und 
Erwerbungsreise  das  Glück  so  günstig  war,  gedachte 
ich  auf  meiner  Rückreise  über  Bamberg  das  zu 
versuchen,  was  bisher  Manche  schon  versucht  hatten, 
aber  noch  keinem  gelungen  war. 

Es  wohnte  in  Bamberg  Martin  von  Reider,  Zeichen- 
lehrer an  der  dortigen  Gewerbeschule,  ein  höchst 
origineller  Mann,  den  ich  schon  in  meiner  Jugend 
kannte.  Er  besass  ein  von  seinen  Eltern  stammendes 
Haus,  dem  Theater  gegenüber,  schmal  und  hoch, 
weshalb  man  es  das  Handtuch  nannte.  Seine  Liebe 
zur  Kunst  und  allem  Schönen  war  bei  ihm,  dem 
Hochbetagäen,  in  Sammelmanie  übergegangen.  Schon 
bald  nach  Aufhebung  der  Klöster  und  Abteien,  in 
der  Periode,  in  der  so  viele  Kunstschätze  verschleudert 
wurden,  hatte  er  zu  sammeln  begonnen.  Sein  Haus 
war  bis  unter  das  Dach  mit  Kunstschätzen  und  Alter- 
thümern  angefüllt ; er  hatte  aber  auch  noch  Vieles, 
darunter  kolossale  Gemälde  und  Sculpturen  in  Speichern 
und  Scheunen  der  Stadt  untergebracht.  Er  ging  wie 
ein  armer  Mann  gekleidet,  versetzte  öfter  seine 
Kleider  und  sonstige  Habe , nur  um  wieder  ein  Kunst- 
werk anzuschaffen,  und  lebte  mit  seiner  alten  Haus- 


211 


hälterin,  einem  Erbstück  seiner  Eltern,  und  einem 
schwarzen  Kater,  wie  kaum  zu  glauben  ist,  täglich 
für  18  Kreuzer.  Vergebens  versuchten  Händler  und 
Kunstfreunde,  ihm  etwas  abzukaufen,  denn  er  ge- 
dachte, seinen  Besitz  seiner  Geburtsstadt  Bamberg, 
der  er  mit  Liebe  zugethan  war,  zu  vermachen.  Schon 
früher  klagte  er  mir,  dass  man  ihn  und  seinen  Besitz 
nicht  zu  schätzen  wisse,  ihn  oft  einen  alten  Hansdampf 
und  Aehnliches  nenne;  u.  A.  erzählte  er  mir,  dass 
er  einmal  dem  historischen  Verein  mehrere  gute  Ge- 
mälde aus  verschiedenen  Perioden  zum  Vergleich  und 
Studium  überschickt  habe,  worauf  man  ihm  hatte 
sagen  lassen,  wenn  er  seinen  Trödel  nicht  bald  wieder 
abholen  lasse , so  würde  man  denselben  auf  die  Gasse 
legen.  Ich  stellte  Reider  vor,  wie  kümmerlich  er 
lebe,  und  nicht  wisse,  was  einmal  mit  seinen  mühe- 
sam  gesammelten  Schätzen  geschehe ; wenn  er  sie  aber 
jetzt  noch  zur  rechten  Zeit  an  den  Staat  abtrete,  so 
könne  er  nach  München  ziehen  und  daselbst  die 
Schätze,  die  er  sein  Leben  hindurch  gesammelt,  ferner 
sorgenfrei  gemessen  und  das  Bewusstsein  haben  , sein 
Leben  lang  für  einen  wichtigen,  nützlichen  und  nationalen 
Zweck  gelebt  und  gewirkt  zu  haben.  Das  alles  sah 
er  wohl  vollständig  ein , aber  der  Gedanke , sich  von 
dem  Besitz,  der  mit  seinem  ganzen  Sein  verwachsen 
war,  trennen  zu  sollen,  erschien  ihm  unerträglich. 
Doch  endlich  siegte  die  Vernunft  bei  ihm.  Ich  ver- 
langte, dass  er  seine  Forderung  stelle,  und  er  forderte 
eine  Leibrente  von  jährlich  1500  Gulden.  Ich  liess 
mir  das  Versprechen  geben , dass  er  dabei  bleibe, 
wenn  ich  die  höchste  Genehmigung  dazu  erhalte.  Der 


14* 


212 


Minister  von  Zwehl  vernahm  das  Ergebniss  meiner 
Verhandlung  mit  grossem  Wohlgefallen  und  ertheilte 
mir  die  nöthige  Vollmacht,  das  Geschäft  abzuschliessen. 
Als  ich  aber  wieder  in  Hamberg  erschien  und  Reider 
den  Vertrag  mit  den  Worten  vorlegte  : „Unterschreiben 
Sie,  dann  wird  morgen  die  Uebernahme  Ihres  Kunst- 
besitzes beginnen“,  gerieth  er  in  Zittern  und  Beben, 
sowohl  aus  Freude,  ein  sorgenfreies  Alter  vor  sich 
zu  sehen,  als  auch  aus  Schmerz,  sich  von  seinem  Besitz 
trennen  zu  müssen.  Er  konnte  sich  nicht  entschliessen 
und  versuchte  nur  noch  Aufschub  zu  gewinnen , indem 
er  seine  Sachen  erst  ordnen  und  das  Inventar  vollenden 
wolle,  woran  er  aber  schon  60  fahre  arbeitete,  ohne 
etwas  zu  stände  zu  bringen.  Ich  sagte  mit  Ernst : 
„fetzt  oder  nie“;  so  oft  ich  gehen  wollte,  hielt  er 
mich  wieder  fest.  Da  ich  aber  doch  Rücksicht  auf 
den  alten,  wunderlichen  Mann  nehmen  musste,  ertrug 
ich  durch  dessen  Unentschlossenheit  des  Vor-  wie 
des  Nachmittags  bis  zum  Abend  peinliche  Stunden. 
Endlich  unterschrieb  er.  Man  muss  sich  dabei  in  di<? 
Lage  und  Gefühle  eines  alten  Mannes  denken,  welchem 
der  Abschluss  eines  solchen  Vertrages  denselben  Ein- 
druck wie  der  Abschied  vom  Leben  machte.  Darauf 
erklärte  ich;  „Seine  Majestät  hat  in  Anbetracht,  dass 
Sie,  zum  Zweck  einer  guten  Sache,  bis  in  Ihr  Alter 
Opfer  gebracht  und  aus  Liebe  zu  ihrem  Vaterland 
Ihre  Kunstschätze  nicht  ins  Ausland  gegeben,  sich 
bewogen  gefühlt,  Ihnen  das  Ritterkreuz  des  heiligen 
Michael  I.  Klasse  zu  verleihen.“  Das  hat  seine  Wirkung 
nicht  verfehlt  : Reider  war  zu  Thränen  gerührt.  Auf 
ein  Telegramm  nach  München  erschien  Aretin  mit 


213 


dem  Notar  und  Sekretär.  Ich  erhielt  zugleich  vom 
Kultusminister  ein  höchst  huldvolles  Anerkennungs- 
schreiben. 

Es  begann  nun  die  Uebergabe  zuerst  in  der 
Reider’schen  Wohnung.  Es  wurden  Kisten  aufge- 
stellt; einen  jeden  Gegenstand,  der  verpackt  wurde, 
gab  ich  eine  Nummer  als  vorläufiges  Inventar.  Obgleich 
Reider  über  das  ganze  Geschäft  vergnügt  war.  ging 
ihm  doch  bei  der  Uebergabe  eines  jeden  Gegenstandes 
aufs  Neue  ein  Stich  durch  das  Herz,  er  wollte  die 
Sache  noch  immer  etwas  aufhalten  und  Erklärungen 
dazu  geben.  Ich  war  schon  an  Geduld  gewöhnt , nicht 
so  Aretin , der  dabei  öfter  aufbrauste , ich  musste  mich 
in  die  Umständlichkeit  des  Einen,  wie  in  die  Erreg- 
barkeit des  Andern  finden.  Bei  dieser  Uebergabe 
kamen  manigfach  wunderliche  Dinge  vor,  so  z.  B. 
öffnete  Reider  aus  dem  Münzschrein  ein  Schublädchen, 
ganz  mit  fürstlich  bambergischen  Dukaten  belegt,  alle 
von  gleichem  Gepräge,  die  er  aus  Anhänglichkeit 
an  seine  Vaterstadt  nie  ausgegeben  hatte.  Ich  erklärte 
ihm , dass  dieses  nicht  zur  Kunstsammlung , sondern 
zu  seinem  Vermögen  gehöre,  und  ich  nur  ein  Exemplar 
für  unsere  Münzsammlung  herausnehme.  Darauf  zog 
er  wieder  ein  Schublädchen  heraus,  ganz  belegt  mit 
Bamberger  24  Kreuzer-Stücken  von  gleichem  Ge- 
präge, und  es  wiederholte  sich  dieselbe  Scene.  Er 
schob  sie  mit  aller  Gemiithsruhe  wieder  hinein.  Das 
war  derselbe  Mann,  der  sein  ganzes  Leben  bis  da- 
hin in  Noth  zugebracht  hatte  ! Nach  acht  Tagen 
musste  eine  Pause  eintreten,  denn  die  Sammlung  war 
so  reichhaltig,  dass  vorerst  ein  grosser  Transport  nach 


214 


München  geschafft  und  in  der  Herzogmaxburg  unter- 
gebracht werden  musste.  Als  ich  wieder  nach  Bamberg 
reiste,  wohin  Aretin  nachkam,  begann  die  Uebernahme 
von  dem,  was  Beider  an  verschiedenen  Orten  ausser- 
halb seines  Hauses  untergebracht  hatte.  Es  waren 
hauptsächlich  kolossale  Gegenstände  : einzelne  gothische 
Bautheile,  eine  reich  geschnitzte  Kanzel,  grosse 
byzantinische  Crucifixe,  Altargemälde  etc. 

Hinter  dem  Dom  befindet  sich  ein  Hol  mit  einer 
grossen  Scheune,  die  mit  Alterthümern  Reider’s  ange- 
füllt war.  In  Erwartung,  dass  derselbe  den  Schlüssel 
dazu  bringe,  sass  ich  in  Geduld  auf  einem  I lolzklotz, 
und  Aretin  ging  in  Ungeduld  mit  kleinen  Schrittchen 
rasch  auf  und  ab.  Es  war  am  4.  Juni  1860.  Da  kam 
ein  Telegramm  an  Aretin,  das  ihn  in  Schrecken  ver- 
setzte. Auf  meine  Frage  brachte  er  nur  heraus: 
„Donnerwetter  eingeschlagen.  Museum.“  Ich  gerieth 
auch  in  Schrecken  und  dachte,  die  Herzogmaxburg 
stehe  in  Flammen  ; doch  stellte  es  sich  anders  heraus. 
Es  waren  nur  die  Fenster  vom  Wind  eingeschlagen, 
eine  grosse  Meissener  Vase  und  einige  Kleinigkeiten 
zertrümmert  worden.  Ich  erhielt  auch  bald  zur  Be- 
ruhigung ein  Schreiben  meiner  Frau  aus  München. 
Den  Meinigen  war  kein  Unfall  begegnet,  nur  die 
Fenster  in  unserer  Wohnung  waren  zertrümmert  und 
die  Stubenböden  mit  Wasser  überströmt : im  englischen 
Garten  wurden  die  grössten  Tannen  und  Linden  nicht 
nur  einzeln,  sondern  in  ganzen  Gruppen  mit  ihren 
kolossalen  Wurzeln  aus  dem  Boden  gerissen  u.  s.  w. 

Aretin  reiste  sogleich  ab  und  überliess  mir, 
allein  die  Arbeit  zu  besorgen,  die  noch  8 Tage  in 


215 


Anspruch  nahm  und  für  mich  sehr  anstrengend  und 
abspannend  war. 

Reider  zog  nach  München,  wo  er  noch  einen 
Bruder,  der  Polizeirath  gewesen  war,  besass,  lebte 
dort  ganz  vergnügt,  besuchte  Vereine,  Kunstanstalten  etc., 
bis  er  am  5.  Februar  1862  sanft  verschied.  Die  beiden 
Reider  hörten  öfter  von  dem  hohen  Werthe  der 
Sammlung,  blieben  aber  doch  zufrieden.  Ja,  der 
Bruder  Reider’s  sagte  mir  bei  einer  Gelegenheit  : 
„Mag  der  Besitz  meines  Bruders  noch  so  werthvoll 
sein , so  bleiben  wir  Ihnen  doch  stets  zu  grossem 
Danke  verpflichtet,  denn  mein  Bruder  hätte  mit  seinen 
Schätzen  bis  an  sein  Ende  in  Sorgen  und  Noth  ge- 
lebt, jetzt  ist  er  sorgenfrei.“  Das  gereichte  mir  zur 
Beruhigung.  Reider  erhielt,  was  er  verlangte,  hätte 
ich  um  die  Summe  gehandelt,  so  würde  ich  mir  ein 
Gewissen  daraus  machen,  denn  den  Werth  jenes  Be- 
sitzes kann  man  nach  jetzigen  Verhältnissen,  ohne 
eine  jede  Uebertreibung,  auf  vier  Millionen  Mark 
schätzen  ; dem  Staat  kam  sie  auf  ungefähr  3000  Gulden. 

Aus  der  grossen  Masse  der  Reider’schen  Samm- 
lung will  ich  nur  Folgendes  hervorheben,  indem  es 
von  besonderem  Werth  für  das  Studium  der  Geschichte 
ist.  Ein  Kästchen , wohl  für  Schmuck  bestimmt , aus 
früh-  oder  vor-karolingischer  Periode  in  quadratischer 
Form  von  Elfenbein,  durchaus  in  reicher  Ornamentik 
geschnitzt  mit  vergoldeten  Broncebeschlägen,  im 
Charakter  der  Fibeln  des  /.  und  8.  Jahrhunderts.  Es 
gehört  zu  dem  Merkwürdigsten,  was  irgend  ein 
Museum  besitzt. 


216 


Eine  Pergamentschrift  in  goldenen  Buchstaben 
sie  ist  eine  Verherrlichung  des  Kaisers  Maximilian  I. 
als  Sieger  und  Herr  über  ganz  Italien,  verfasst  von 
dem  Römer  Marcellius  Polonius.  Auf  dem  ersten 
Blatt  erscheint  Maximilian  auf  einem  weissen  Pferde 
in  Kaisertracht  der  alten  Römer,  davor  eine  weibliche 
Figur  knieend:  „Italia  supplex“,  das  Ganze  in  einer 
Randverzierung  mit  Blumen,  Kleinodien,  Edelsteinen 
etc.  Dem  gegenüber  zeigt  das  zweite  Blatt  den  Titel 
mit  der  Schrift  in  ähnlicher  Randfassung.  Das  besonders 
Merkwürdige  dieses  Manuscripts  besteht  aber  darin, 
dass  diese  Prachtarbeit  dem  Kaiser  überreicht  werden 
sollte,  wenn  er  als  Sieger  in  Italien  einziehe,  was 
aber  nie  der  Fall  war,  da  durch  Meuterei  in  seinem 
Heere  sich  der  Kaiser  im  Jahre  1516  aus  Italien 
zurückzog  und  er  einen  zweiten  Feldzug  nicht  unter- 
nahm: bekanntlich  starb  er  schon  am  12.  Januar  1519. 

Das  kolossale  Altargfemälde  mit  Thürllügreln  aus 
der  ehemaligen  Franziskanerkirche  in  Bamberg,  Christus 
am  Kreuz  mit  Umgebung  darstellend,  mit  der  Jahr- 
zahl 1410,  ein  grossartiges  Werk  der  mittelfränkischen 
Schule,  besonders  für  die  deutsche  Kunstgeschichte 
von  unschätzbarem  Werthe.  Eine  Sammlung  von 
höchst  werthvollen  Tempera-  und  Oelgemälden  aus 
dem  Anfang  des  14.  bis  in  das  16.  Jahrhundert. 

Eine  Anzahl  prachtvoller  Elfenbein-Basreliefs  aus 
dem  11.  und  12.  Jahrhundert,  ferner  Originalmodelle 
alter  Dombaumeister  in  Alabaster  für  Strebepfeiler 
und  Gewölbeansätze  und  Holzmodelle  für  Decken- 
und  Netzgewölbe  aus  dem  14.  und  15.  Jahrhundert. 
Architektonische  Entwürfe  von  der  Hand  des  Roritzer, 
Baumeisters  des  Domes  zu  Regensburg.  Unter  den 


217 


Holzmodellen  befand  sich  auch  das  der  am  26.  Februar 
17H4  durch  Hochwasser  weggerissenen  Seesbrücke  in 
Bamberg,  die  unter  dem  Fürstbischof  Johann  Philipp 
Anton  von  Frankenstein  i.  J.  1752  erbaut  worden  war. 

Eine  Menge  prachtvoller  Miniaturgemälde  auf 
Pergament  aus  dem  15.  und  16.  Jahrhundert.  Das 
Bildniss  des  Karl  Lothar  von  Schönborn,  Fürstbischofs 
von  Würzburg  und  Bamberg,  Stifters  des  Schlosses 
und  der  vortrefflichen  Gemälde-Gallerie  zu  Pommers- 
felden,  ein  Meisterwerk  der  Miniaturmalerei  auf  Elfen- 
bein, in  Etui  aus  Fischhaut  mit  Silber  beschlagen. 

Mehrere  prachtvolle  gewirkte  Teppiche  mit  reichen 
Darstellungen  aus  dem  15.  und  16.  Jahrhundert, 
interessante  Messgewänder  aus  dem  14.  bis  in  das  16. 
Jahrhundert. 

Ausser  noch  so  vielem  Unschätzbaren  befand 
sich  dabei  auch  eine  reichhaltige  Bibliothek,  ent- 
haltend Missale,  Chroniken,  seltene  Holzschnitt-  und 
Kupferwerke,  Bücher  über  Baukunst,  darunter  das 
Werk  des  Wendel  Dietterlin  aus  Strassburg  etc.  Sie 
bildet  die  Hauptgrundlage  der  jetzt  so  bedeutenden 
Bibliothek  des  Nationalmuseums,  zu  welcher  König 
Ludwig  II.  in  der  edelsten  Absicht  die  Bibliothek  des 
Baron  von  Aretin  ankaufte.  Ich  erwähnte  hier  nur 
jene  Gegenstände,  von  denen  ich  annehmen  muss, 
dass  sie  für  Geschichts-  und  Kunstforscher  von  be- 
sonderem Werthe  sind. 

Am  1.  März  1862  hielt  ich  dem  Martin  von  Reider 
eine  Gedenkrede  (Nekrolog),  welche  in  dem  XXI Yr. 
und  XXV.  Jahresbericht  des  historischen  Vereins  für 
Oberbayern  1864  erschienen  ist. 


218 


XXVII.  Zeichnungen  von  Dürer  in  Bamberg. 

Schon  vor  langer  Zeit  hatte  mir  eine  Sammlung 
von  Handzeichnungen  Albrecht  Di'irer’s  im  Kopfe 
gelegen,  die  seiner  Zeit  der  bekannte  Kunsthistoriker 
Joseph  Heller  der  Bibliothek  seiner  Vaterstadt  Bam- 
berg vermachte.  Diese  besteht  in  Bildnissen  berühmter 
wie  unbekannter  Männer  und  Frauen,  welche  Dürer 
auf  seiner  Reise  in  die  Niederlande  mit  der  Kohle 
nach  dem  Leben  „gerissen“  haben  soll;  niemand  hatte 
die  Originalität  derselben  bezweifelt.  Ich  hatte  vor, 
sie  in  Photographie , welche  damals  noch  nicht  lange 
bekannt  war,  zu  veröffentlichen,  und  ging  wieder 
nach  Bamberg,  um  die  Erlaubniss  dazu  vom  Magistrat 
einzuholen.  Trotz  eines  Schreibens  des  Ministers  von 
Zwehl,  in  welchem  er  die  Gewährung  meiner  Bitte 
besonders  anempfahl,  schlug  man  mir  dieselbe  ab. 
und  zwar  aus  dem  Grunde,  weil  ich  der  Stadt  die 
herrliche  Reider’sche  Sammlung  entführt  hätte.  (!?) 
Ich  war  so  ungeschickt,  mir  dies  zu  Herzen  zu  nehmen  : 
doch  das  launige  Glück  hatte  es  diesmal  mit  mir  so 
gut  gemeint.  Als  ich  später  nach  Wien  kam,  hat 
mich  Dr.  Thausing,  welcher  als  besonderer  Kenner 
die  grösste  Handzeichnungsammlung  von  Dürer  in  der 
„Albertina“  unter  sich  hatte,  gründlich  überzeugt,  dass 
jene  Zeichnungen  in  Bamberg  nicht  von  Dürer’s  Hand 
stammen.  Als  ich  sie  darauf  wieder  mit  anderen 
Augen  anschaute , konnte  ich  nicht  begreifen , wie 
ich  mich  so  sehr  irren  konnte  ; es  ärgerte  mich  um 
so  mehr,  als  ich  auf  das  (Jrtheil  der  damaligen  söge 
nannten  Kenner,  an  deren  Spitze  Heller,  mehr  ver- 
traute, als  auf  mein  eigenes,  während  es  doch  schon 


219 


in  der  Jugend  mein  Grundsatz  war,  mich  durch  kein 
fremdes  Urtheil  irre  machen  zu  lassen,  sondern  vor 
Allem  ohne  Beeinflussung  mein  eignes  zu  prüfen. 

Der  Magistrat  von  Bamberg  wollte  mich  strafen 
und  hat  mir  eine  grosse  Wohlthat  erzeigt,  denn  hätte 
ich  jene  Zeichnungen  als  Originale  veröffentlicht,  so 
hätte  ich  mich  blamirt;  später  hat  sie  mit  anderen 
Zeichnungen  der  Kunsthändler  Soldan  in  Nürnberg, 
bei  Gelegenheit  des  400jährigen  Dürer-Jubiläums,  in 
Photolithographie  herausgegeben.  Bei  jenen  Zeich- 
nungen befindet  sich  auch  ein  Original  von  Dürer,  der 
Flügel  eines  Eisvogels  in  Aquarell  ausgeführt,  man 
sieht  daran,  was  ein  grosser  Meister  auch  im  Kleinen 
vermag. 


XXVIII.  Die  Frauenkirche  in  München. 

Wer  sich  vor  dem  Jahre  1860  in  München  auf- 
hielt, dem  ist  wohl  die  Frauenkirche  vor  ihrer  Restau- 
ration in  Erinnerung.  Um  jene  Zeit  beschloss  der 
Erzbischof  von  München-Freising,  Herr  von  Scherr, 
das  Innere  dieser  Kirche  in  seiner  ursprünglichen  Ge- 
stalt wieder  hersteilen  zu  lassen  , was  stets  eine  be- 
denkliche Sache  ist,  indem  das  später  Geschaffene 
häufig  auch  seine  Berechtigung  hat,  und  das  Ursprüng- 
liche im  Geiste  einer  andern  Zeit  nicht  leicht  wieder 
ins  Leben  gerufen  werden  kann. 

Zur  Berathung  darüber  wurde  ein  grosses  Konnte 
ernannt,  welches  vorzüglich  aus  Geistlichen  und 
Magistratspersonen  bestand;  auch  ich  wurde  dazu 
berufen.  Die  Berathungen  wurden  im  erzbischöflichen 


220 


Palais  unter  dem  Vorsitz  des  Erzbischofs  abgehalten. 
Da  wegen  der  verschiedenartigen  Zusammensetzung 
dieses  Komites  kein  endgültiger  Beschluss  zustande 
kam,  ernannte  man  nebenbei  noch  ein  kleineres,  soge- 
nanntes Kunst-Komite,  aus  6 Mitgliedern  bestehend ; 
auch  dazu  wurde  ich  gewählt.  Dasselbe  kam  im 
Hause  des  Grafen  Pocci  zusammen  und  war  alsbald 
in  allen  Punkten  einig.  Wir  glaubten  sicher,  dass 
unsere  Beschlüsse  unwiederrullich  angenommen  würden, 
statt  dessen  wurden  die  einzelnen  Punkte  derselben 
zur  Abstimmung  dem  gröseren  Rathe , dessen  Mehr- 
zahl von  der  Sache  wenig  oder  gar  nichts  verstand, 
zur  Abstimmung  vorgelegt.  Man  kann  sich  wohl 

denken,  was  dabei  herauskam.  Wir  waren  brave 
Leute  und  brummten  nicht,  wenigstens  nicht  laut, 
weil  der  Herr  Erzbischof  an  der  Spitze  stand. 

Dazu  kam  noch,  dass  der  Architekt,  welchem 
die  Restauration  übertragen  war,  weder  nach  den 
Beschlüssen  des  grösseren  noch  des  kleineren  Rathes 
viel  fragte,  sondern  alles  entfernte,  was  nach  seiner 
Ansicht  nicht  zur  Gothik  des  15.  Jahrhunderts  passte, 
und  es  durch  Werke  ersetzte,  welche  er  im  Geiste 
jener  Zeit  geschaffen  glaubte. 

Dass  dabei  auch  manches  Gute  entstand,  ist 
richtig  ; so  z.  B.  der  Hochaltar  mit  der  Himmelfahrt 
der  Jungfrau  Maria  von  Joseph  Knabl  in  Holzsculptur, 
als  Mittelbild  des  reichen  gothischen  Aufbaues  von 
Matthias  Berger,  ferner  die  Altarbilder  von  Moriz 
von  Schwind.  Aber  von  dem  vielen  Unersetzlichen, 
das  vertilgt  wurde,  will  ich  nur  einiges  nennen. 


221 


Die  Frauenkirche  gehört  zu  jener  Art  von  Domen, 
deren  gewöhnliche  Strebepfeiler  zum  Tragen  der 
Kreuz-  und  Netzgewölbe  nicht  nach  aussen,  sondern 
nach  Innen  gestellt  sind,  wodurch  eine  Reihe  von 
Seitenkapellen  gebildet  wird,  in  denselben  sind  Altäre, 
an  denen  an  verschiedenen  Tagen  im  Jahr  Messe 
gelesen  wird.  Diese  Kapellen  waren  Eigenthum  ver- 
schiedener adeliger  Familien,  deren  Begräbnisse,  Grab- 
denkmale, Gedenktafeln,  Wappen  etc.  sich  darin  be- 
fanden. 

Die  Kapelle  der  gräflichen  Familie  von  Preysing, 
in  der  Nähe  des  Chores,  gegen  Norden  gelegen, 
zeigte  während  der  Restauration  bei  Entfernung  einer 
früheren,  unsinnigen  Uebertünchung  eine  durchgehende 
Wandmalerei;  es  waren  einzelne  Votivbilder  der 
Preysing  sichtbar,  Ritter  meistens  in  Harnisch  und 
Frauen  mit  ihren  Patronen,  knieend,  betend,  fast 
alle  auf  Goldgrund.  Sogar  die  schmalen  Flächen  der 
Pfeiler,  welche  dem  Schiff  der  Kirche  zugewendet 
sind,  waren  bemalt;  auf  einem  derselben  sah  ich  noch 
einen  Preysing  knieend  mit  blossem  Haupte,  über 
dem  Harnisch  einen  langen  vorne  offenen  Aermel  mit 
den  baverischen  Wecken.  Ich  erkannte  aus  den 
Trachten  und  Waffen  dieser  Preysing,  dass  sie  ihrer 
Mehrzahl  nach,  zur  Zeit  des  Herzogs  Sigismund  von 
Bavern,  des  Stifters  der  Frauenkirche,  um  1472  ge- 
lebt, und,  wie  nicht  zu  zweifeln  ist,  durch  den  Herzog 
selbst  diese  Kapelle  zugewiesen  erhalten  hatten. 

Ich  freute  mich,  dass  in  Folge  der  Restauration 
diese  unschätzbare  Entdeckung  gemacht  wurde.  Als 
ich  aber  vor  Vollendung  der  Restauration  die  Kirche 


222 


wieder  besuchte,  waren  alle  diese  Malereien  aufs 
Neue  übertüncht!  Ich  bin  ein  guter  Christ,  sonst 
hätte  ich ! 

Diese  Seitenkapellen  waren  alle  mit  höchst  kunst- 
vollen Eisengittern  abgesperrt,  durch  sie  konnte  man 
den  bedeutungsvollen  Inhalt  sehen,  der  dadurch  gegen 
Unfug  geschützt  war;  wurde  Messe  darin  gelesen,  so 
waren  die  Gitterthore  geöffnet.  Alle  diese  Gitter 
waren  von  einer  wunderbaren  Technik,  das  Flecht- 
werk der  Spangen  und  des  eingefügten  Astwerkes 
zeigte  bei  allen  diesen  Kapellen  eine  stete  Abwechs- 
lung und  reiche  Phantasie.  .Sie  waren  ein  Gegenstand 
allgemeiner  Bewunderung ! Obschon  sie  nicht  mehr 
der  späten  Gothik , wie  die  Kirche,  sondern  schon 
der  Renaissance  angehörten,  so  harmonirten  sie  doch 
mit  dem  ganzen  Bau  und  gaben  demselben  eine  dem 

Auge  wohlthuende  Fülle. 

<■> 

Als  im  fahre  1861  in  München  die  V ersammlung 
deutscher  Geschichts-  und  Alterthumsforscher  stattfand, 
ging  ich  mit  Ferdinand  von  Quast,  dem  Landes- 
conservator  von  Preussen , und  mit  Dr.  Friedrich 
Lange,  Professor.  Architekt  und  Restaurator  der 
Flisabethenkirche  zu  Marburg,  in  die  Frauenkirche, 
da  lagen  schon  die  herausgerissenen  Prachtgitter  auf 
dem  Boden.  Wir  alle  drei  ersuchten  den  macht- 
habenden Architekten  aufs  Dringendste,  dass  er  die 
Gitter  an  ihrem  Platze  lasse,  ja,  wir  ilehten  ihn 
wahrhaft  an,  — allein  alles  war  vergebens.  Alles 
verschwand  als  altes  Eisen.  ( iraf  Wilhelm  von  Württem- 
berg , der  nachmalige  Herzog  von  Urach,  Vorstand 
unserer  Versammlung,  war  empört,  als  er  sich  von 


dieser  Kunstbarbarei  überzeugte.  Erst  später  gelang 
es  mir,  nur  als  Bruchstücke  zwei  einzelne  Theile  dieser 
Gitter  für  das  Nationalmuseum  zu  erwerben.*)  Jetzt 
sind  diese  Kapellen  blos  durch  niedere  Ilolzbrüstungen 
abgeschlossen.  Die  meisten  dieser  Prachtgitter  wurden 
durch  den  berühmten  Hans  Metzger,  Schlosser  und 
Bürger  zu  München,  hergestellt;  dass  dieser  Meister 
in  hohem  Ansehen  stand,  geht  daraus  hervor,  dass 
ihn,  seiner  Geschicklichkeit  wegen,  der  prachtliebende 
Herzog  Albrecht  V.  von  Bayern  an  Erzherzog  Fer- 
dinand in  Innsbruck  empfahl. 

Aus  diesen  Seiten-  und  Familienkapellen  wurden 
auch  viele  Familiendenkmale  hinausgeworfen,  aus 
jener  der  Freiherren  Barth  von  Harmating  verschwand 
ein  wahres  Prachtwerk,  bestehend  in  einem  Meter 
hohen  Basrelief  von  kelheimer  Stein,  darstellend  die 
Anbetung  der  Hirten,  theil weise  mit  Benutzung  einer 
Zeichnung  von  Albrecht  Dürer,  im  Vordergründe  als 
Hauptfigur  ein  Domherr  von  Barth  knieend  und  betend, 
ungefähr  aus  dem  Jahre  1520.  Dasselbe  tauchte  in 
dem  Hof  eines  Bildhauers  auf,  wo  es  einen  Winter 
hindurch  in  Schnee  und  Eis  auf  dem  Boden  gestanden 
hatte,  so  dass  der  untere  Theil  sich  abblätterte!! 
Als  der  jetzige  Baron  von  Barth  Kenntniss  davon  er- 
hielt. kaufte  er  es  und  schenkte  es  dem  Bayerischen 
Nationalmuseum,  wo  es  unter  den  Grabsteinen  als 
werthvolles  Fragment  aufgestellt  wurde. 

Herzog  Wilhelm  V.  Hess  seinem  berühmten  Leib- 
arzt Dr.  Thomas  Mermann  von  Schönburg  f 1612  zu 

*)  Abgebildet  in  meinem  Buche : Eisenwerke  oder  Ornamentik 
der  Schmiedekunst:  Band  1,  Tafel  7-t  und  83. 


224 


Ehren  und  aus  Dankbarkeit  ein  Grabdenkmal  errichten, 
es  bestand  in  einem  meisterhaften  Broncerelief  von 
Hubert  Gerhard  aus  den  Niederlanden,  darstellend 
den  Doctor  knieend  und  betend,  gegenüber  seine 
Frau  mit  ihrem  Töchterlein.  Bei  der  Restauration 
der  Kirche  wurde  dieses  Denkmal  versetzt,  wobei  der 
Untertheil  desselben  mit  der  vom  Herzog  selbst  be- 
stimmten Inschrift  verschwand,  jetzt  befindet  sich 
an  dessen  Stelle  der  Untertheil  eines  andern  Denk- 
mals, jenes  des  Benno  Ligsalz  f 1721,  dessen  Ober- 
theil  ebenfalls  verschwunden  ist.*) 

Das  prachtvolle  Chorgestühl,  ein  bedeutendes 
Meisterwerk,  dessen  architektonische,  wie  figürliche 
Ausschmückung  den  geschicktesten  Bildschnitzern  des 
15.  Jahrhunderts  zugeschrieben  wird,  wurde  der  Breite 
nach  um  */4  verkürzt;  wohin  die  abgeschnittenen  Theile 
kamen,  weiss  ich  nicht,  ungeachtet  aller  Bemühungen 
konnte  ich  nichts  davon  für  das  Nationalmuseum  er- 
halten. 

Nur  ein,  besonders  für  die  Geschichte  und  das 
Volksleben  Münchens  höchst  interessantes  V otivbild 
konnte  für  diese  Sammlung  erworben  werden,  dasselbe 
war  von  der  Zunft  der  „Trockenlader“,  welche  Güter- 
transport besorgten,  in  die  Frauenkirche  gestiftet,  es 
stammte  aus  dem  15.  Jahrhundert,  sonach  aus  der 
Zeit,  als  die  Frauenkirche  erbaut  wurde. 

Professor  Ludwig  Foltz.  Architekt  und  Bildhauer 
vollendete  die  Restauration  der  Frauenkirche.  Was 

*)  Vergl.  Specht  F.  A.  Die  Frauenkirche  in  München. 
München  1894.  8°.  Seite  34. 


225 


verschwunden  war , konnte  er  nicht  wieder  schaffen, 
von  seiner  Hand  stammen  die  12  Apostel,  im  Stil 
des  15.  Jahrhunderts,  an  den  Gewölbepfeilern  des 
Mittelschiffes. 


XXIX.  Hohenaschau  und  Erwerbungen  für  das 
Nationalmuseum. 

Das  grosse  Bergschloss  oder  die  Burg  Hohen- 
Aschau,  in  prachtvoller  Gebirgsgegend  Oberbayerns 
gelegen,  war  schon  vom  frühen  Mittelalter  an  im  Be- 
sitze der  Herren  von  Freyberg  und  gelangte  durch 
Heirath  mit  dem  jahre  1610  in  den  Besitz  der 
Grafen  von  Preysing.  Es  befand  sich  dort  eine 
reichhaltige  Rüstkammer,  die,  wie  ich  noch  aus 
den  Resten  derselben  ersehen  konnte,  aus  dem 
14.  Jahrhundert  stammte  und  bis  in  das  18.  fortge- 
setzt wurde.  Erst  in  der  Periode  der  höchsten  Ver- 
kommenheit, vom  Ende  des  18.  bis  hoch  in  das  19. 
Jahrhundert  hinein , ward  vieles  Unersetzliche  daraus 
als  altes  Eisen  hinweggeschafft.  Gegen  Neujahr 
1861  wurde  bekannt  gemacht,  dass  der  Inhalt  jener 
Rüstkammer  nebst  leeren  Bierfässern  versteigert 
werde.  Ich  wandte  mich  an  den  Minister  von  Zwehl  mit 
der  Bitte,  mich  zu  beauftragen,  daselbst  für  das 
Nationalmuseum  mit  zu  steigern.  Da  derselbe  aber 
zu  seinem  Bedauern  keine  Mittel  zur  Verfügung 
stellen  konnte  , erklärte  ich  aus  eigenen  Mitteln  steigern 
zu  wollen,  und  dass  dann  nach  den  Verhältnissen  die 
Rückzahlung  erfolgen  könne , worauf  Zwehl  gerne 
einging  und  mir  den  Auftrag  dazu  gab. 

15 


— 226 


Es  schien,  als  sollten  die  noch  vorhandenen  grossen 
Kostbarkeiten  absichtlich  verschleudert  werden,  da 
der  Verkauf  erst  kurz  vorher  und  nicht  genügend 
bekannt  gemacht  wurde  und  um  Neujahr  bei  hohem 
Schnee  und  grosser  Kälte  auf  dem  Bergschloss  statt- 
linden sollte,  ein  Verfahren,  das  mir  bis  zur  Stunde 
ein  Räthsel  geblieben  ist.  Ich  kam  des  Nachts  in 
Niederaschau  an,  des  Morgens  watete  ich  bei  21 
Grad  Kälte  bis  an  die  Kniee  im  Schnee  den  Berg 
hinauf  und  kam  in  dem  Schlosse  an,  als  gerade  die 
Versteigerung  begann,  so  dass  ich  nicht  mehr  im 
Stande  war,  die  Gegenstände  vorher  zu  besichtigen. 
Die  Steigerer  bestanden  nur  aus  8 jüdischen  Anti- 
quaren, einer  Gesellschaft,  die  zusammenhielt,  und 
einen  nicht  dazu  gehörigen  sogleich  vorneherein  so 
überboten  hätte,  dass  ihm  das  Weitersteigern  nicht 
mehr  möglich  gewesen  wäre.  Ich  war  daher  ge- 
zwungen, mich  anzuschliessen,  weil  ich  sonst  zu  nichts 
gekommen  wäre.  Eine  solche  Gemeinschaft,  in  der 
Handelswelt  unter  dem  Namen  „Kippe“  bekannt,  er- 
hält auf  solche  Weise,  weil  sie  sich  nicht  überbieten, 
oft  die  kostbarsten  Gegenstände  um  eine  Bagatelle, 
die  hierauf  unter  sich  versteigert  werden,  wobei  dann 
wieder  die  erlöste  Summe  unter  den  Betheiligten  ge- 
theilt  wird.  So  war  es  auch  hier  der  Fall.  Obschon 
ich  dadurch  sehr  billig  zu  höchst  werthvollen  Gegen- 
ständen gelangte,  so  war  es  doch  das  erste  und  letzte 
Mal  in  meinem  Leben , dass  ich  mich  einer  solchen 
Gesellschaft  anschloss.  Mein  Gewissen  konnte  ich 
dabei  beruhigen,  denn  auf  den  mir  unbekannten, 
pietätlosen  Besitzer  hatte  ich  keine  Rücksicht  zu 


227 


nehmen,  und  ich  hielt  es  für  Pflicht  und  Ehrensache,  dem 
Staat,  so  viel  als  möglich,  unwiederbringliche  Schätze 
zu  erhalten;  so  erwarb  ich  für  das  Nationalmuseum 
noch  kostbare  Dinge , von  welchen  ich  nur  nennen 
will ; eine  prachtvolle  vollständige  Rüstung  mit  dem 
Wappen  der  Preysing  auf  der  Brust,  welche  jene 
Familie  aus  ihrem  früheren  Besitz  in  das  Schloss 
brachte,  denn  sie  stammt  aus  der  Mitte  des  16.  Jahr- 
hunderts, während  diese  Familie  erst  1610  das  Schloss 
bezog.  Einzelne  Helme  und  Handschuhe  , Pfeilköcher, 
bemalte  Schilde,  eine  Rossstirne  mit  dem  Wappen 
der  Freyberg,  einen  burgundischen  Panzer  mit  rothem 
Sammet  überzogen,  ein  altes  Schiffsmodell  der  unüber- 
windlichen Armada  mit  dem  Wappen  Philipps  II.  auf 
dem  Segel.  Ein  bei  jener  unglücklichen  Expedition  be- 
theiligter  Freyberg  bewahrte  dieses  Modell  als  An- 
denken auf  seiner  Burg. 

Wenn  ich  von  den  vielen  Auffindungen  und  Er- 
werbungen spreche,  die  ich,  von  besonderem  Glück 
begleitet,  für  das  Nationalmuseum  machte,  und  zwar 
meistens  noch  ehe  der  Name  desselben  durch  den 
König  sanctionirt  war,  so  bin  ich  dabei  weit  ent- 
fernt, Aretin’s  Thätigkeit  und  Verdienste  verdunkeln 
zu  wollen.  Von  dem  Augenblick  an  , da  er  die 
Wichtigkeit  und  Möglichkeit  eines  Nationalmuseums 
erkannt  hatte,  war  auch  er  rastlos,  stets  in  fieberhafter 
Aufregung,  dafür  thätig  ; er  schaffte  enorme  Schätze 
herbei,  besonders  aus  der  königlichen  Residenz,  aus 
verschiedenen  Schlössern  Bayerns,  aus  dem  damaligen 
königlichen  Zeughaus,  wozu  ihm,  vermöge  seiner 

15* 


228 


Aemter  und  Würden,  er  war  Reichsrath  und  Ilaus- 
Afchivdirektor,  Mittel  zu  Gebote  standen,  deren  ich 
mich  nicht  rühmen  konnte. 


XXX.  Drohende  Gefahr. 

Das  in  der  Herzogmaxburg  aufbewahrte  Material 
für  ein  Museum  hatte  sich  so  vermehrt,  dass  sich 
bald  ein  Museumsbau  als  nothwendig  erwies.  Der 
König  erkannte  wohl,  dass  die  Erinnerungen  an  das 
bayerische  Regentenhaus  nicht  der  einzige  Zweck 
eines  Museums  sein  sollen,  doch  hielt  er  noch  immer 
dieselben  für  das  Wichtigere,  daher  konnte  Herr  von 
Klenze  den  König  für  seine  Idee  gewinnen , nach 
welcher  das  Museum , gleichsam  als  Lockvogel  für 
das  Publikum,  das  verödete  Schloss  Schleissheim  mit 
Umgebung  wieder  beleben  sollte.  Dieser  Plan,  welchen 
ich  besitze,  wurde  aber  von  Künstlern  und  Gewerbe- 
treibenden lebhaft  beklagt. 

Der  Hauptzweck  des  Museums  für  Lehre  und 
Bildung,  für  Kunst,  Gewerbe,  Geschichtsstudium  etc. 
hätte  jeden  Falls  im  höchsten  Grade  darunter  gelitten. 
Vergebens  hatte  sich  Aretin  mit  Vorstellungen  an  den 
König  gewendet.  Klenze’s  Idee  schien  durchzudringen; 
da  führte  ich  auf  Rath  des  Herrn  Ministers  von 
Zwehl  die  Ausschussmitglieder  des  Vereins  zur  Aus- 
bildung der  Gewerke,  wozu  ich  selbst  gehörte,  in  die 
Ilerzogmaxburg  und  demonstrirte  ihnen  ad  oculos  die 
Wichtigkeit , dass  eine  solche  Anstalt  in  Mitte  einer 
grossen  Stadt  sein  müsse,  wo  sie  stets,  ohne  Zeitver- 
lust, besucht  und  benützt  werden  könne.  Die  anwesenden 


229 


Herren,  in  diesem  Punkte  alle  meine  Gesinnungs- 
genossen , unterstüzten  mich  kräftig.  Eine  schriftliche 
Bitte  um  Belassung  des  Museums  in  München  wurde 
von  allen  Mitgliedern  des  Vereins  unterzeichnet  und 
vom  Minister  unterstützt  dem  Könige  vorgelegt.  Sie 
machte  auf  diesen , der  gewiss  immer  das  Beste  wollte, 
auch  Eindruck,  doch  konnte  er  vorerst  noch  keinen 
Entschluss  fassen.  Da  trat  ein  neues  Ereigniss  ein. 
Die  Maximiliansstrasse , eine  Schöpfung  des  Königs, 
näherte  sich  ihrer  Vollendung;  das  Gebäude  für  das 
Taubstummeninstitut  war  schon  hergestellt,  erwies  sich 
aber  für  seinen  Zweck  als  unbrauchbar  ; da  gelang  es 
durch  die  Bemühungen  des  Ministerialraths  und 
Generalsekretärs  von  Giehrl,  welcher  dem  Museum 
wie  mir  stets  wohlwollend  war,  dass  sein  Vorschlag, 
diesen  Bau  nebst  dem  anstossenden  noch  freien  Raum 
zu  dem  bayerischen  Nationalmuseum  zu  verwenden, 
die  königliche  Genehmigung  erhielt. 

Nun  wurde  der  Museumsbau  in  grosser  Ueber- 
eilung  hergestellt.  Klenze  war  zwar  in  keiner  Weise 
bei  dem  Baue  betheiligt,  doch  konnte  es  nicht  ohne 
Einfluss  bleiben,  dass  er  sagte,  man  solle  den  Bau 
so  hersteilen , dass  er  auch  noch  zu  einem  andern 
Zweck  dienen  könne,  da  die  Liebhaberei  des  Königs  für 
solche  Alterthümer  doch  nur  eine  vorübergehende  sei. 

Aretin  aber,  welcher  kurz  vorher  definitiv  zum 
Direktor  des  Nationalmuseums  ernannt  worden  war, 
bezog  in  Eile  den  neuen , zum  Theil  noch  nicht 
vollendeten,  Bau,  ohne  dass  er  die  Gebrechen  desselben 
erkannt  hätte. 


230 


XXXI.  Der  Undank. 

Jetzt  kommt  ein  Theil  des  Dankes,  welchen  ich  mir 
seit  Jahren  durch  rastlose  Thätigkeit  für  das  National- 
museum erworben  hatte.  Als  ich  noch  in  meinem 
Bureau  der  vereinigten  Sammlungen  beschäftigt  war, 
erschien  Aretin  und  untersagte  mir,  jene  vier  Kunst- 
schätze in  der  reichen  Kapelle,  welche  er  erst  durch 
mich  kennen  gelernt  hatte  , für  mein  Werk  zu  zeichnen, 
da  er  sie  für  seine  Ausgabe  des  bayerischen  Herrscher- 
hauses benutzen  wolle,  und  sein  Werk  im  königlichen 
Auftrag  dem  meinigen  vorgehe  ; auch  verbot  er  mir, 
die  Gegenstände  des  Nationalmuseums  zu  benutzen, 
darunter  auch  jene,  die  ich  selbst  für  den  Staat 
erworben  hatte.  Da  musste  sich  natürlich  mein  Innerstes 
empören,  und  zwar  weniger,  weil  mir  ein  Schaden 
dadurch  entstanden  wäre , als  weil  das  meinem  ganzen 
Denken  und  Schaffen  für  ein  Museum,  welches  eine 
gemeinnützige , allen  offenstehende  Anstalt  sein  sollte, 
direkt  entgegenstand,  und  weil  ich  gedachte,  mit 
welcher  Freundlichkeit  mir  so  viele  Vorstände  aus- 
wärtiger Museen  entgegenkamen  , ja  wie  sie  es  gewisser- 
massen  als  ihre  Pflicht  erachteten,  meine  Arbeiten 
durch  ihre  Museen  zu  unterstützen.  Ich  klagte  dies 
dem  Herrn  Minister  von  Zwehl,  der  mir  sogleich  ein 
schriftliches  Ersuchen  an  den  Schatzmeister  der  reichen 
Kapelle,  den  geistlichen  Rath  Angermaier  gab,  dass 
er  mir  das  Kopiren  jener  Gegenstände  gestatten  und 
erleichtern  möge.  Angermaier  sagte,  dass  er  dieses 
schon  aus  eigenem  Antrieb  und  Rechtsgefühl  gethan 
hätte ; er  gab  mir  die  Gegenstände  in  die  Sakristei  der 
Allerheiligen-Hofkirche,  wo  ich  ungestört  zeichnen 
konnte. 


231 


Von  da  an  zog  ich  mich  von  Aretin  möglichst 
zurück  und  hielt  mich  besonders  an  meine  eigenen 
Werke , zumal  ich  auch  um  diese  Zeit  meine 
„Ornamentik  der  Schmiedekunst“  begonnen  hatte  ; 
nur  noch  einigemal  machte  ich  Reisen  auf  Wunsch 
des  Herrn  Ministers  von  Zwehl,  darunter  jene  nach 
Würzburg,  um  aus  der  Verlassenschaft  des  Regierungs- 
rathes  Martinengo  Kunstwerke  auszusuchen,  zu  deren 
Uebernahme  Aretin  auch  dahin  kam. 


XXXII.  Aufenthalt  in  Köln,  Antwerpen,  Gent 
und  Paris. 

Im  Jahre  1861  war  in  Köln,  darauf  in  Antwerpen 
und  dann  in  Gent  eine  internationale  Künstlerver- 
sammlung. Ich  reiste  dahin  mit  der  Münchener 
Künstlerschaft,  unter  welcher  ich  viele  Freunde  be- 
sass,  die  ich  längst  überlebte.  Obschon  ich  bei  dieser 
Gelegenheit  zum  vierten  Mal  in  Köln  war,  so  nahmen 
mich  doch  wieder  der  Dom,  die  übrigen  Kirchen 
und  die  sonstigen  Kunstdenkmale  noch  mehr  in  An- 
spruch, als  alle  die  vielen,  grossartigen  Festlichkeiten. 
Es  schloss  sich  mancher  der  jüngeren  Künstler  mir  an, 
um  das  berühmte  Dombild , die  Anbetung  der  heiligen 
drei  Könige , den  Petrus  von  Rubens  in  der  Peters- 
kirche etc.  zu  besichtigen.  Bürgermeister  und 
Magistrat,  wie  viele  Privatpersonen  Köln’s  erwiesen 
uns  hohe  Ehren.  Nach  den  sechs  Festtagen  zog  die 
Künstlergesellschaft  nach  Antwerpen,  wo  sie  auch 
mit  grossen  Feierlichkeiten  empfangen  wurde.  Wie 
bereits  erwähnt , sah  ich  früher  Antwerpen  schon 


232 


einmal  auf  meiner  Heimreise  von  Ostende,  jedoch, 
zu  meinem  Bedauern,  nur  flüchtig,  jetzt  konnte  ich 
die  Herrlichkeiten  daselbst  mit  mehr  Ruhe  gemessen. 
Das  Bedeutendste  daselbst  blieb  mir  immer  die 
Gemäldegallerie.  Die  Feste  daselbst  waren  so 
grossartig  und  glänzend,  wie  sie  nur  da  möglich  sind, 
wo  Kunst,  Wissenschaft  und  Handel  in  Bltithe  stehen. 
Zu  gleicher  Zeit  war  auch  eine  grosse  Gemälde- 
ausstellung vorzüglicher  niederländischer  Meister 
neuerer  Zeit  veranstaltet ; und  ich  staunte  über  die 
Fortschritte,  welche  die  Kunst  in  den  letzten  20 
Jahren  daselbst  gemacht  hatte. 

Als  ich  eines  Morgens  früh  in  den  Dom  ging, 
um  ohne  Gesellschaft  die  Kunstwerke  nochmals  in 
Ruhe  anzuschauen,  bemerkte  ich  von  Ferne  im  Chor 
den  König  Max  II.  mit  Baron  Wendland,  ich  wollte 
mich  ferne  halten,  allein  der  König  hatte  mich  be- 
merkt und  liess  mich  hinaufrufen,  um  mit  ihm  durch 
die  Kathedrale  zu  wandern  und  sich  mit  mir  über 
die  einzelnen  Kunstwerke  zu  besprechen.  Besondere 
Aufmerksamkeit  schenkte  der  König  den  weltberühmten 
Gemälden  von  Peter  Paul  Rubens. 

Die  schönen  Momente  kann  ich  nicht  vergessen, 
in  welchen  ich  beim  Frühstück  unter  einem  Zelte  auf 
dem  Marktplatz  von  Künstlern  fast  aller  gebildeten 
Nationen  umgeben  war,  wobei  ich  manches  für  mich 
Wichtige  erfuhr. 

Unter  den  vielen  interessanten  Bekanntschaften, 
welche  ich  in  Antwerpen  machte,  waren  es  vorzüg- 
lich die  beiden  Freunde  und  vortrefflichen  Maler 
Godfroid  Guffens  und  janSwerts,  welche  mir  besonders 


233 


zugethan  waren,  sie  verehrten  mir  auch  schöne  Nach- 
bildungen ihrer  Cartons  zu  den  Wandgemälden,  die 
sie  in  P'resko  ausgeführt  hatten  und  zwar  in  Kirchen 
der  Niederlande  und  in  der  Börse  zu  Antwerpen,  mit 
Darstellungen  aus  der  Geschichte  dieser  Stadt.  Leider 
waren  letztere  im  Jahr  1858  durch  einen  Brand  zu 
Grunde  gegangen. 

Unter  dem  Vielen , was  in  Antwerpen  von 
besonderem  Interesse  für  mich  war,  befand  sich  der 
von  Eisen  geschmiedete  Lieberbau  des  ehemaligen  Zieh- 
brunnens vor  dem  Dom,  ähnlich  einem  Tempel  oder 
einer  Laube  in  gothischem  Stil,  ein  Werk,  welches 
dem  berühmten  Maler  Quentin  Massvs,  der  in  seiner 
Jugend  Schmied  war,  zugeschrieben  wird.  Dieses 
Kunstwerk  war  für  mich  von  hohem  Werthe,  da 
gerade  der  erste  Band  meines  Werkes  „Ornamentik 
der  Schmiedekunst  etc.“  der  Vollendung  nahe  war, 
bei  welchem  es  einen  würdigen  Abschluss  bildet. 

Ich  reiste  darauf  mit  der  Künstlergesellschaft 
nach  Gent,  wo  uns  ähnliche  Feste  erwarteten.  Diese 
merkwürdige  Stadt  mit  ihren  vielen  altersgrauen,  ehr- 
würdigen Baudenkmalen  im  Schmuck  von  frischem 
Grün  und  bunten  Fahnen,  dazu  Musik  und  Gesang, 
machte,  als  sprechendes  Bild  ernster  Vergangenheit 
im  Gegensatz  zur  heiteren  Gegenwart,  auf  mich  einen 
ergreifenden  Eindruck.  Von  dem  Vielen,  was  sich 
mir  da  für  Auge  und  Herz  darbot,  erwähne  ich  nur 
das  grosse  unter  dem  Namen  „Der  Genter  Altar“  von 
den  Gebrüdern  Hubert  und  Jan  van  Eyk  bekannte 
Kunstwerk , von  welchem  6 Theile , darunter  der 
mittlere  Theil,  die  Anbetung  des  Lammes,  noch  in 


234 


der  Kathedrale  St.  Bavo  vorhanden  sind,  während 
die  andern  durch  Verkauf  nach  Berlin  kamen,  wo 
sie  eine  Perle  der  dortigen  Gallerie  bilden.*)  Im 
fahre  1350  hatte  ich  sie  daselbst  zum  erstenmal  ge- 
sehen und  sehnte  mich  daher  längst,  auch  diese  dazu 
gehörigen  Theile  kennen  zu  lernen.  Dieses  grossartige 
Kunstwerk  ist  in  verschiedenen  Kunstgeschichten  der 
neueren  Zeit  abgebildet  und  beschrieben.  Die  Künstler 
zeigten  mir  daselbst  auch  ein  Stübchen,  in  welchem 
die  Gebrüder  van  Evk  dieses  grosse  Werk  gefertigt 
haben  sollen. 

Auch  fand  ich  in  Gent  an  dem  Direktor  der 
Akademie  der  bildenden  Künste,  Theodor  Canneel, 
einen  wohlwollenden  Freund,  er  schrieb  sich  im  Jahre 
1862  mit  den  freundlichsten  Worten  zu  München  in 
mein  Stammbuch  ein. 

Von  Gent  aus  begab  ich  mich  allein  nach  Paris 
und  zwar  zum  erstenmal , da  ich  vorher  zu  viele  Zeit 
nöthig  hatte,  um  mein  Material  in  deutschen  Städten 
zusammen  zu  suchen.  Daselbst  war  August  Demmin, 
der  vielseitige  Schriftsteller,  den  ich  schon  in  München 
kennen  gelernt  hatte,  von  grosser  Gefälligkeit  gegen 
mich  und  gab  mir  manche  nützliche  Anleitung.  Die 
Zeit  suchte  ich  möglichst  zu  benützen,  um  für  meine 
Zwecke  Studien  zu  machen,  und  zwar  vorzüglich  im 
Louvre,  im  Hotel  de  Cluny,  im  Musee  d’artillerie 
und  in  den  dortigen  Kirchen.  In  ersterem  besuchte 
ich  die  Gemäldegallerie  6 Tage  nacheinander  von 
früh  10  Uhr  bis  Abends  5 Uhr.  Das  Musee  des  Souve- 


*)  Zwei  noch  fehlende  Tafeln,  Adam  und  Eva,  waren  bis 
1861  in  Gent  verborgen  und  kamen  dann  in  das  Brüsseler  Museum. 


235 


rains  im  Louvre  und  Musee  d’artillerie  waren  für 
meine  Zwecke  von  höchstem  Werth,  in  beiden  er- 
kannte ich  manche  Prachtwerke  deutschen  Ursprungs. 
In  letzterem  stand  in  der  Mitte  des  grössten  Saales 
die  Prachtrüstung  für  Mann  und  Pferd  des  Herzogs 
Wilhelm  V.  von  Bayern  schwarz  mit  breiten  einge- 
schliffenen blanken  Streifen,  in  denselben  eingeätzte 
Ornamente  von  Meisterhand.  An  deren  Seite  befand 
sich  die  Rüstung  des  kunstliebenden  Pfalzgrafen  Otto 
Heinrich  von  Bayern , blank,  stellenweise  gravirt  und 
vergoldet,  auf  der  Brust  der  Orden  des  goldenen 
Vliesses,  auch  gravirt  und  vergoldet. 

Ausserdem  waren  daselbst,  manche  Prachtwaffen 
von  Nürnberger  Patriciern,  so  z.  B.  ein  Turnierschild, 
(Tartsche)  aus  dem  15.  Jahrhundert,  eines  Herrn  von 
Imhoff,  darauf  gemalt  der  Besitzer  knieend  und 
betend,  vor  ihm  sein  bekanntes  Wappen  mit  dem 
Seelöwen. 

Ich  wendete  mich  an  den  V orstand  des  Museums 
„Perguilly  l’Haridon,  Chef  d’Escadron,  Conservateur 
du  Musee  d’artillerie“ , welcher  von  grosser  Gefälligkeit 
gegen  mich  war  und  mich  in  den  Stand  setzte,  für 
meinen  Zweck  wichtige  Dinge  in  Originalgrösse  ab- 
zubilden, darunter  die  merkwürdigen  grossen  Topf- 
helme des  14.  Jahrhunderts,  welche  vorzüglich  in  der 
Heraldik  eine  so  bedeutende  Rolle  spielen.  Er  sagte  : 
„Ich  bedaure,  dass  der  Kaiser  gerade  nicht  in  Paris  ist, 
sonst  würde  ich  Sie  ihm  vorstellen,  da  er  für  Ihre 
Arbeiten  besonderes  Interesse  hat,  allein  ich  werde 
Ihnen  dessen  Privatsammlung  in  den  Tuilerien  zeigen.“ 


236 


Das  geschah.  Er  führte  mich  in  einen  Saal , in 
dessen  Mitte  der  Arbeitstisch  des  Kaisers  stand,  um- 
geben von  grossartigen  Kunstwerken,  vorzüglich  von 
prachtvollen  Waffen,  darunter  4 deutsche  Turnier- 
rüstungen mit  dem  Stempel  von  Nürnberg,  Schwerter, 
Radschlossbüchsen  mit  Tauschirarbeit  in  Gold  und 
Silber,  gravirten  Einlagen  von  Elfenbein  und  Perl- 
mutter etc.  Daneben  befanden  sich  auch  grossartige 
Vasen  und  Löwen,  Kriegsbeute  aus  dem  Palast  von 
Peking.  Zu  meiner  Ueberraschung  sah  ich  daselbst 
eine  Halbrüstung,  schwarz  mit  blanken  Streifen,  bei 
deren  Anblick  ich  sogleich  sagte  : „sie  stammt  von 
dem  Nürnberger  Patricier  Christoph  Fiirer  von  Haimen- 
dorf, Kriegsrath,  Ritter  des  Ordens  vom  heiligen 
Grab  und  vom  St.  Katharinaorden.“ 

L’Haridon  staunte  und  bemerkte,  der  Kaiser  habe 
sie  wohl  als  solche  gekauft,  traue  aber  der  Sache 
doch  nicht  und  hätte  dem  Herrn  von  Fürer  in  Nürn- 
berg schreiben  lassen,  aber  keine  Antwort  erhalten. 
Ich  war  im  Stande  alle  Auskunft  zu  geben,  da  ich 
den  Gegenstand  von  Nürnberg  her  kannte.  Herr  von 
Fürer  hatte  diese  Rüstung  unter  dem  Dach  seines 
alten  Stammhauses  rrefimden  und  an  Baron  Bibra 
verkauft,  der  sie  wiederum  an  den  Kunsthändler 
Geuder  veräusserte.  Es  war  demnach  leicht  zu  er- 
klären, warum  an  jener  aufgefundenen  Rüstung  Theile 
fehlten,  die  wohl  an  einem  andern  Orte  verschwunden 
sind.  Ich  besitze  das  Bildniss  jenes  Christoph  Fürer 
gestochen  von  Peter  Isselburg,  auf  diesem  erscheint 
er  in  Sammetkleidung,  vom  Harnisch  trägt  er  jedoch, 
nach  damaliger  Sitte,  als  ritterliches  Abzeichen,  nur 


23  7 


den  Halsberg  und  die  obersten  Armschienen.  Auf 
Wunsch  des  Herrn  Geuder  Hess  ich  diese  Theile  nach 
jenem  Bildniss  in  der  richtigen  Grösse  durch  den  sehr 
geschickten  Spänglermeister  Ilugel  in  München  her- 
stellen , was  ich  l’Haridon  dadurch  beweisen  konnte, 
dass  ich  jene  Obertheile  abhob  und  sie  ihm  von  der 
Rückseite  zeigte.  Er  dankte  mir  für  diese  Aufklärung 
und  sagte,  dass  sie  auch  den  Kaiser  sehr  interessiren 
werde. 

Ich  verabschiedete  mich  dankend  von  dem  so 
freundlichen  Mann  und  musste  der  Zeit,  besonders 
nach  dem  Jahr  1870,  so  oft  daran  denken,  was  ist 
unterdessen  aus  ihm  und  den  Kunstschätzen  des 
Kaisers  geworden  ? 

Das  „Musee  Sauvageot“,  eine  Sammlung  kunst- 
gewerblicher Gegenstände  verschiedener  Jahrhunderte, 
welche  Sauvageot,  ein  kunstsinniger  Privatmann,  in 
der  ersten  Hälfte  unseres  Jahrhunderts,  aus  seinen 
Privatmitteln  anlegte  und  sie  durch  Testament  dem 
Louvre  vermachte,  wo  sie  unter  seinem  Namen  mit 
seiner  Büste  aufgestellt  ist.  Ich  fand  darin  manches 
Wichtige  für  meine  Zwecke.  *)  Einen  Gegenstand 
daraus  will  ich  sowohl  wegen  seiner  Bedeutung  für 
die  Geschichte  Bayerns,  wie  wegen  der  eigenthüm- 
lichen  Art  seiner  Auffindung  hier  erwähnen.  Sauvageot 
sah  einst  auf  der  Strasse  in  Lyon  ein  Kind  mit  einem 
Wägelchen  spielen,  welches  es  durch  den  Koth  zog, 
er  ging  mit  dem  Kinde  zu  dessen  Eltern,  welche  sehr 
erstaunt  waren,  als  er  für  dieses  Spielzeug  ein  Gold- 

*)  Zierliche  gravirte,  ciselirte  und  tauschirte  Eisenwerke  in 
„Eisenwerke  von  Hefner-Alteneck.  Band  I Tafel  3/.  42.  56.“ 


238 


stück  gab,  das  Kind  führte  er  in  einen  Spielwaaren- 
laden  und  kaufte  ihm  ein  schönes  neues  Wägelchen, 
worüber  dasselbe  sehr  erfreut  war.  Sauvageot  erkannte 
in  jenem  Gegenstand  ein  vorzügliches  Meisterwerk 
des  16.  Jahrhunderts  aus  Alabaster  circa  ISCentimeter 
hoch,  es  stellt  den  Pfalzgrafen  Otto  Heinrich  von  Bayern 
dar,  in  einem  Thronsessel  mit  pelzverbrämtem  Rock, 
dem  goldenen  Vliess  und  einem  Barett.  Der  Vater 
jenes  Kindes  hatte  den  Sessel  durchbohrt  und  darin  eine 
Achse  mit  zwei  Rädern  angebracht,  so  war  es  ein 
Wagen  und  der  Pfalzgraf  stellte  den  Kutscher  vor. 
Ich  stand  mit  eigenthümlichem  Gefühl  vor  diesem 
nicht  nur  deutschen  sondern  auch  insbesondere  bayer- 
ischen Kunstwerk  und  dachte  an  manchen  ähnlichen 
Glücksfall,  der  mir  beschieden  war. 

Die  Kathedrale  Notre  Dame  bot  mir  vieles 
Wichtige,  schon  im  Aeussern  die  reiche  Ornamentik 
von  Schmiedeeisen,  noch  im  romanischen  Stil,  mit 
der  die  Thürflügel  der  beiden  Seitenportale  überdeckt 
sind.*)  Als  ich  danach  für  mein  Werk  der  Schmiede- 
kunst Zeichnungen  fertigte,  befand  ich  mich  mitten 
unter  den  Marktfrauen , welche  sehr  artig  gegen  mich 
waren,  dennoch  musste  ich  im  Stillen  mit  Grauen  an 
die  ehemaligen  Dames  de  la  halle  denken. 

Herr  A.  Demmin  führte  mich  u.  A.  auch  in  die 
weltberühmte  Porzellanfabrik  Sevres  und  zwar  in  die 
Abtheilung  der  historischen , chronologischen  Samm- 
lung der  Keramik,  der  Conservator  derselben  gab 
mir  viele  interessante  Aufschlüsse.  Es  war  daselbst 
ein  Haufen  Fussbodenplatten  (Fliessen)  aus  stark  ge- 

*)  „Eisenwerke  etc.“  Band  I.  Tafel  61.  62. 


239 


brannter  grauer  Thonerde,  mit  eingelassenen  Orna- 
menten von  Schwarzloth.  Sie  stammten  aus  einem  Palast, 
den  Ilenri  II.  für  Diana  von  Poitiers  erbaute,  der 
aber  unter  Napoleon  III.,  einer  Strassenerweiterung 
wegen,  abgebrochen  wurde.  Diese  Platten  zeigen 
dieselbe  Technik  im  Grossen,  wie  die  so  hoch  ge- 
schätzten sogenannten  I lenri-deux-Gefässe  oder  Oiron- 
faience  im  Kleinen  und  Feinen.  Da  Vieles  dabei 
doppelt  vorhanden  war,  verehrte  mir  der  Herr  Con- 
servator  drei  Stücke  davon. 

Den  Aufenthalt  in  Paris  wollte  ich  u.  A.  auch 
dazu  benutzen,  im  Interesse  meines  Verlegers , wenn 
thunlich,  Klage  wegen  Nachdrucks  gegen  Lacroix 
und  Sere  zu  stellen,  welche  in  einem  grossen,  ober- 
flächlichen und  planlosen  Werk  unter  dem  Titel  „Le 
moyen-äge  et  la  Renaissance  etc.  par  Paul  Lacroix 
et  Ferdinand  Sere“  viele  meiner  Auffindungen,  Ab- 
bildungen und  Beschreibungen  unter  anderen  Namen 
und  ohne  Angabe  der  Quellen  veröffentlicht  hatten. 
Ich  wandte  mich  deshalb  an  die  bayerische  Gesandt- 
schaft in  Paris  und  hatte  zu  diesem  Zwecke  ein 
Schreiben  meines  Herrn  Ministers  von  Zwehl  an  den 
damaligen  bayerischen  Gesandten  Pergier  von  Perglas. 
Da  derselbe  aber  nicht  anwesend  war,  wendete  ich 
mich  an  den  Gesandtschafts- Attache  Baron  von 
Gassner,  der  mir,  in  Freundlichkeit  und  Theilnahme, 
eine  Karte  an  Dr.  Levita,  den  Rechtsanwalt  der 
bayerischen  Gesandtschaft  übergab.  Nachdem  dieser 
meine  Angelegenheit  geprüft  hatte,  theilte  er  mir  mit, 
dass  erst  zwei  Jahre  das  Gesetz  gegen  Nachdruck 
existire  und  ich  daher  nur  auf  das  mit  Erfolg  klagen 


240 


könne , was  in  dieser  letzten  Zeit  nachgedruckt  sei. 
Das  war  aber  nur  der  kleinere  Theil,  der  mir  doch  als 
zu  gering  erschien,  um  deswegen  Klage  zu  stellen. 
Dabei  konnte  ich  mich  umsomehr  beruhigen,  weil  dies 
doch  eher  die  Sache  meines  Verlegers  gewesen  wäre, 
und  weil  auch  so  manche  Pariser  Autoren  und  Ver- 
leger meine  Leistungen  über  Verdienst  erhoben  haben 
und  mir  überaus  freundlich  waren.  Ich  nenne  da- 
von nur  Jules  Labarte,  Didron  aine,  Louis  Courajod, 
Georges  Lafenestre  und  Marius  Vachon. 

Ich  konnte  in  Paris,  bei  den  hohen  Preisen  der 
Kunstwerke  und  Alterthümer,  nichts  erwerben.  Herr 
Demmin  machte  mich  auf  einen  Metzger  in  der  Vor- 
stadt, vor  der  „barriere  blanche“  aufmerksam,  bei 
welchem  die  Antiquare  um  Billiges  einkauften.  Der- 
selbe erwarb  nämlich  bei  seinen  Vieheinkäufen  Kunst- 
sachen der  verschiedensten  Art ; und  in  der  That  er- 
hielt ich  bei  ihm  werthvolle  Dinge,  als  Bruchstücke 
von  Prachtrüstungen,  welche  unter  den  Eisenvorräthen 
auf  dem  Lande  durch  Zufall  dem  Umschmieden  zu 
Sensen,  Schaufeln  u.  s.  w.  entgangen  waren,  auch 
Prachtgeräthe,  die  in  Bauernhäusern  und  Ställen  ge- 
meinen Zwecken  dienen  mussten.  Wie  schon  durch 
viele  ähnliche  Fälle  fand  ich  aufs  Neue  bestätigt,  dass 
es  auch  da  weniger  die  Kriege  waren,  als  Dummheit 
und  Verkommenheit  besonders  am  Schlüsse  des  vorigen 
und  im  Beginn  des  jetzigen  Jahrhunderts,  welche  uns 
fast  um  alle  Kunstschätze  der  Vorzeit  brachten. 

Von  da  reiste  ich  nach  München  zurück  mit 
reichem  Material  für  meine  Arbeiten. 


241 


Da  ich  diese  meine  Memoiren  doch  nicht  in  ge- 
nauer chronologischer  Reihenfolge  geben  kann  und 
da  ich  gerade  von  Paris  gesprochen  habe,  so  greife 
ich  um  sechs  Jahre  vor  und  gebe  einiges  von  dem, 
was  ich  daselbst  bei  meinem  zweiten  Aufenthalt  er- 
lebte. 

Im  Jahre  1867,  als  die  grossartige  Weltausstellung 
in  Paris  war,  reiste  ich  mit  meinem  ältesten  Sohn 
Franz,  der  damals  Rechtspraktikant  war,  dahin.  Es 
wrar  die  Zeit,  in  welcher  Napoleon  III.  die  schönen 
Worte  sprach  : „Ich  unterstütze  die  Ausstellung  aufs 
Möglichste,  weil  die  verschiedenen  Völker,  wenn  sie 
sich  einander  näher  kennen  lernen,  einsehen,  dass  sie 
mehr  Ursache  haben,  sich  zu  lieben,  als  zu  hassen.“ 
Ueber  das  viele  Grossartige  und  Merkwürdige  dieser 
Weltausstellung  habe  ich  hier  nichts  zu  sagen,  da 
alles  durch  den  Druck  bekannt  wurde.  Ich  bemerke 
nur,  wie  ich  mich  freute,  zu  sehen,  dass  manche 
Kunst-  und  Industriezweige,  welche  fast  verschwunden 
gewesen , wieder  in  Aufnahme  gekommen  waren,  und 
besonders,  dass  alles  was  sich  durch  Schönheit  und 
feinen  Geschmack  auszeichnete  und  einen  Preis  er- 
halten konnte , sichtlich  mehr  oder  weniger  auf  V er- 
ständniss  und  Studium  der  Werke  unserer  Vorfahren 
beruhte;  es  war  dieselbe  Beobachtung,  die  ich  später 
1873  auf  der  Wiener  Weltausstellung  machte. 

Wir  besuchten  darauf  den  Baumeister  Destailleur, 
der  von  den  Handzeichnungen  besass,  die  zu  jenen 
Entwürfen  bayerischer  Künstler  für  Prachtrüstungen 
der  Könige  von  Frankreich  gehörten,  welche  ich  in 
München  aufgefunden  hatte.  Dieser  vielseitig  gebildete 

16 


242 


Künstler  erklärte  sie  ebenfalls  für  Werke  deutschen 
Ursprungs,  die  er  hoch  schätzte,  und  bot  mir  in 
seiner  reichhaltigen  Sammlung  einen  Vergleich  mit 
italienischen  und  französischen  Zeichnungen  zu  ähn- 
lichen Zwecken. 

Wir  gingen  auch  zu  dem  Grafen  Nieuwenkerke, 
dem  Generaldirektor  der  Museen  Frankreichs.  Seine 
Privatwohnung  war  im  Louvre,  wo  er  uns  in  einem 
grossen  mit  Kunstschätzen  angefüllten  Saal  empfing; 
wir  trafen  daselbst  den  Grafen  Benedetti,  der  damals 
schon  Botschafter  am  Berliner  Hofe  war  und  der  drei 
Jahre  später  eine  gewisse  Berühmtheit  erlangte.  Er 
war  ein  nicht  grosser  Mann  mit  bräunlicher  Gesichts- 
farbe, klugem  Ausdruck  und  feinen  Manieren.  Wir 
verbrachten  daselbst  eine  angenehme  und  lehrreiche 
Stunde.  Mitten  im  Saal  erblickte  ich  die  blanke 
Rüstung  für  Mann  und  Pferd  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  15.  Jahrhunderts  aus  dem  Schlosse  Hohenaschau 
und  aus  dem  Besitze  der  Freiherren  von  Freyberg, 
welche  ich,  wie  schon  gesagt,  seiner  Zeit  von  Pickert 
in  Nürnberg,  zu  meinem  Kummer,  um  7000  Gulden 
für  das  noch  im  Entstehen  begriffene  bayerische 
Nationalmuseum  nicht  erwerben  konnte,  während  sich 
deren  Werth  jetzt  auf  das  Sechsfache  beliefe. 

Nieuwenkerke  besass  mehrere  meiner  Werke, 
darunter  die  zwei  Jahre  vorher  erschienenen  „Entwürfe 
deutscher  Meister  für  Prachtrüstungen  der  Könige 
von  Frankreich.“  Er  stimmte  mir  nicht  nur  in  allein 
bei,  was  ich  im  Texte  gesagt  hatte,  sondern  gab  mir 
auch  noch  Belege  dazu  und  zeigte  mir  u.  A.  Pracht- 
waffen, wie  Degen,  Radschlossbüchsen,  die  für  den 


243 


Kurfürsten  Maximilian  I.  von  Bayern  gefertigt  waren. 
Sie  gaben  Zeugniss  für  eine  hohe  Blüthe  der  Kunst 
und  technischen  Geschicklichkeit,  welche  in  Bayern, 
sogar  noch  zur  Zeit  des  dreissigjährigen  Krieges , zu 
finden  war.  Leider  besitzt  jetzt  Bayern  selbst  von 
diesen  Kunstschätzen  sehr  wenig.  Da  ich  bei  so 
manchem  Kunstwerk,  das  bisher  französischen  Künst- 
lern zugeschrieben  war,  den  deutschen  Ursprung 
nachwies,  musste  ich  besorgen,  mich  nicht  beliebt 
zu  machen,  umsomehr  freute  es  mich,  dass  Männer 
der  Art  bei  ihrem,  sehr  anzuerkennenden,  National- 
stolz sich  so  vorurtheilsfrei  aussprachen. 

Wir  gingen  darauf  in  die  Kathedrale  zu  St.  Denis, 
die  mir  ebenfalls,  ungeachtet  der  Verwüstungen  in 
der  ersten  Republik,  vieles  Schöne  und  Grossartige  bot. 
Ueber  die  Plünderung  und  Zerstörung  der  Königsgräber 
hatte  ich  schon  Manches,  fast  noch  aus  direkter  Quelle, 
durch  Karl  Becker  im  Jahre  1843  gehört;  derselbe 
war  noch  als  Militär  1814  mit  den  Alliirten  in  Paris 
und  kam  mit  dem  verdienstvollen  Alexandre  Lenoir*) 
in  Berührung,  welcher  jene  Schreckenszeit  der  Revo- 
lution mitgemacht  hatte  und  bei  jener  Königsgräber- 
Verwüstung  als  Protokollführer  zugegen  gewesen  war. 
Er  hatte  eine  solche  Stelle  gesucht,  um  seine  histo- 
rischen Kenntnisse  zu  erweitern  und  um  vielleicht  in 
späterer  Zeit  noch  Manches  zu  retten.  Er  durfte  nicht 
die  geringste  Pietät  für  die  Königsgräber  zeigen,  da 
er  sonst  verloren  gewesen  wäre.  Es  war  eine  Rotte 

*)  Lenoir,  Alexandre.  Musee  royal  des  monumens  francais 
ou  memorial  de  l’histoire  de  France  et  de  ses  monumens.  Paris 
1815.  kl.  8°. 


16 


244 


von  besonderen  Königshassern,  welche  noch  ihre 
Wuth  an  den  Leichen  ausübten.  Es  wurde  vor  der 
Kirche  ein  tiefes  Loch  gegraben,  um  die  Leichen 
und  Gebeine  hinein  zu  werfen,  nachdem  man  jeden 
Schmuck  abgerissen  hatte.  Einem  Beamten  der  Münze 
wurde  alles,  was  Gold  oder  Silber  war,  nachdem  man  es 
zusammengeschlagen  hatte,  übergeben,  ebenso  die  Gold- 
brokate zum  ausbrennen.  In  gleicher  Weise  einem  andern 
Beamten  vom  Arsenal  alles,  was  von  Blei,  Zinn,  Eisen  und 
Kupfer  war  u.  s.  w.  Viele  der  Leichen  waren  noch 
kenntlich  ; Heinrich  IV.  sogar  noch  ganz  erhalten.  Ein 
roher  Bursche  riss  ihm  den  Bart  aus  und  hängte  ihn 
sich  an,  indem  er  schrie:  „Je  suis  le  roi  Henri!“ 

Unter  den  vielen  für  mich  so  wichtigen  Baudenk- 
malen wi'l  ich  hier  nur  die  Sainte  Chapelle  ei  wähnen, 
welche  mir  im  Allgemeinen  noch  nicht  nach  Gebühr 
gewürdigt  zu  sein  scheint.  Sie  wurde  in  den  Jahren 
1245 — 48  durch  Ludwig  IX.  dem  Heiligen,  König  von 
Frankreich,  erbaut,  der  in  ihr  nach  seinem  Tode  bei 
Tunis  (1270)  beigesetzt  ward.  Als  ich  sie  diesmal  bei 
meinem  zweiten  Aufenthalt  in  Paris  wieder  besuchte, 
war  deren  höchst  gelungene  Restaurirung  durch  den 
berühmten  Architekten  Viollet-Le-Duc  vollendet,  auch 
w^ar  der  in  jener  Schreckenszeit  vernichtete  freistehende 
Ciborienaltar  streng  im  Stile  wüeder  hergestellt.  Dieser 
Bau  im  Uebergang  des  Romanischen  zum  Gothischen 
zernt  grosse  Pracht  in  einfachen  architektonischen 
Formen,  wie  in  dem  reichsten  Farbenschmuck  der 
Gewölbe,  der  Wände  und  Glasgemälde;  alle  die 
grellsten  Farben  werden  bei  einem  jeden  Wechsel 
des  von  aussen  einfallenden  Lichtes  durch  einen 


245 


leichten  Generalfarbenton,  der  sich  über  alles  erstreckt, 
zu  einem  harmonischen  Ganzen  verbunden. 

Ich  erwähne  dies  hier  besonders , weil  das  höchst 
merkwürdige  und  schöne  Denkmal  vielen  Freunden 
der  Kunst  nur  durch  eine  Veröffentlichung  in  Farben- 
druck bekannt  ist,  welche  durch  Disharmonie  der 
Farben  eine  ganz  falsche  Vorstellung  davon  gibt.  — 

Ehe  wir  Paris  verliessen,  besuchten  wir  noch  den 
Friedhof  Pere  la  Chaise  und  suchten  daselbst  einige 
Monumente  bedeutender  Persönlichkeiten  älterer  und 
neuerer  Zeit  auf;  wir  trafen  gerade  den  Zeitpunkt, 
als  der  sehr  geschätzte  Finanzminister  Fould,  der  am 
5.  Oktober  gestorben  war,  mit  militärischen  und 
andern  Ehren  beerdigt  wurde. 


XXXIII.  Kupferstich-  und.  Handzeichnungs- 
kabinet. 

Nachdem  ich  neun  Jahre  die  Stelle  an  den  ver- 
einigten Sammlungen  bekleidet  hatte,  erhielt  ich  im 
Jahre  1861  jene  als  Conservator  des  königlichen 
Kupferstich-  und  Handzeichnungskabinets.  Ich  fühlte 
mich  daselbst  ganz  an  meinem  Platz,  indem  ich  schon 
von  früher  Jugend  an  Iland/.eichnungen  und  Kupfer- 
stiche zum  Studium  der  Kunst  und  ihrer  Geschichte 
benützte,  wozu  ich  auch  stets  von  reichem  Material 
umgeben  war. 

Ich  glaubte  in  der  Kunststadt  diese  so  wichtige 
Kunstanstalt  in  dem  besten  Zustand  und  der  strengsten 
Ordnung  anzutreffen,  das  war  aber  nicht  der  Fall. 


246 


Ich  halte  es  für  nöthig,  mich  über  das  auszusprechen, 
was  vor  meiner  Verwaltung  im  Kupferstichkabinet 
geschah,  damit  nicht  später  mir  oder  einem  meiner 
Nachfolger,  deren  ich  jetzt  schon  drei  habe,  eine 
Schuld  daran  gegeben  werde. 

Fast  bei  der  Hälfte  der  Blätter  fehlte  der  vor- 
schriftsmässige  Stempel  auf  der  Rückseite.  In  einer 
grossen  Anzahl  von  Umschlägen,  mit  der  Aufschrift 
„Doubletten  oder  Ausschuss“  lagen  nur  Stiche  hervor- 
ragender Meister , wie  Martin  Schongauer,  Hans  Sebald 
Beham,  Heinrich  Aldegrever,  Georg  Pencz,  Albrecht 
Altdorfer,  Rembrandt,  Marc  Anton  etc.,  sie  waren 
zum  Verkauf  oder  zum  Verschleppen  bestimmt.  Nicht 
ein  Blatt  davon  war  Ausschuss  oder  Doublette,  zum 
Beleg  dafür  habe  ich  von  jenen  Umschlägen  mit  den 
Aufschriften  einige  aufbewahrt.  Aus  den  alten  Ver- 
zeichnissen ersah  ich,  dass  fast  alle  Werke  dieser 
Meister  vollständig  vorhanden  waren  und  sie  erst 
später  lückenhaft  gemacht  wurden.  Der  grössere  Theil 
davon  war  schon  verschwunden ; was  ich  noch  vor- 
fand, legte  ich  wieder  in  die  Mappen  der  betreffen- 
den Meister.  Zur  Ergänzung  der  fehlenden  Blätter 
haben  meine  Nachfolger  noch  genug  zu  thun. 

Bei  den  Handzeichnungen  waren  als  zmückgelegt 
und  unbrauchbar  grosse  Packete  oder  Ballen  mit  den 
Aufschriften  versehen:  „Köpfe,  Architektur,  Land- 

schaften, Ornamente,  Arabesken  und  Ausschuss.“  In 
allen  diesen  dicken  Packeten  waren  aber  Meisterwerke 
ersten  Rangs,  vermischt  mit  ganz  schlechtem  Zeug. 
Wie  ich  sicher  weiss,  wurden  von  Zeit  zu  Zeit  solche 
Ballen  als  unnütz  verkauft,  wohl  ohne,  dass  man  sie 


247 


vorher  gehörig  durchgesehen  hatte.  Viele  Zeit  ver- 
wendete ich  auf  Durchsuchung  des  noch  Vorhandenen. 
In  einem  Packet  mit  der  Ueberschrit't  „Köpfe“  fand 
ich  unter  Schmieralien  von  Schuljungen,  zu  meinem 
Staunen  und  Schrecken,  das  Originalbidniss  Heinrich 
VIII.  von  England,  von  der  bland  des  Hans  Holbein. 
Es  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  dieser  Meister,  während 
der  flüchtigen  Aufnahme,  dem  König  in  das  Auge 
geschaut  hat.  Gerade  dieses  Hauptbildniss  fehlt  auf- 
fallender Weise  unter  den  Stücken  in  der  bekannten 
Handzeichnungsammlung  von  Windsor  Castle,  be- 
stehend aus  den  höchst  geistreichen  Bildnissen  und 
Skizzen,  die  Holbein  nach  verschiedenen  Persönlich- 
keiten, meistens  am  englischen  Hofe,  fertigte  und  die  Prinz 
Albert  in  dankenswerther  Weise  durch  photographische 
Nachbildungen  der  gebildeten  Welt  zugänglich  machen 
Hess.  Dieses  Bildniss  ist  gegenwärtig  als  Gegenstück 
zu  einem  ähnlichen  Werke  Albrecht  Dürer’s  in  dem 
Handzeichnungskabinet  unter  Glas  aufgehängt. 

Eine  noch  grössere  Ueberraschung  war  mir  Vorbe- 
halten. In  den  Packeten  mit  der  Aufschrift:  „Orna- 
mente, Arabesken  und  Ausschuss“  fand  ich  die  Original- 
entwürfe für  die  prachtvollen  Ciselirungen  der  Rüst- 
ungen Franz  I.  und  Heinrich  II.  von  Frankreich,  wie 
für  Kaiser  Rudolf  II.  von  der  Hand  des  Hans  Mie- 
lich,  Christoph  Schwarz,  Hans  Bol  und  anderen 
Meistern,  welche  erstere  in  München  vorzugsweise  für 
die  Herzoge  Albrecht  V.  und  Wilhelm  V.  arbeiteten. 
Diese  Zeichnungen  dienten  den  deutschen  Waffen- 
schmieden, Plattnern,  die  in  ihrer  Art  selbst  Künstler 
waren,  als  Muster  und  Schablonen  für  ihre  Arbeiten,  an 


248 


denen  wir  Kunst  wie  Technik  in  hohem  Grade  bewun- 
dern müssen.  Als  ich  mich  gerade  dieses  Fundes  er- 
freute, kam  Wilhelm  von  Liibke  nach  München  zu 
mir  ins  Kupferstichkabinet , der  von  diesen  Kunst- 
schätzen überrascht  und  erfreut  war.  Er  erkannte 
darin  einen  entschiedenen  Beweis,  dass  bisher  eine 
bedeutende  Kunstrichtung,  die  in  Deutschland  zu 
1 lause  war , stets  Italien  und  Frankreich  zugeschrieben 
w urde,  und  er  erklärte  sich  bereit,  sogleich  einen  Artikel 
darüber  in  die  Augsburger  Allgemeine  Zeitung  zu 
schreiben.  Ich  hielt  ihn  davon  ab,  indem  ich  sagte, 
dass  alle  Kunstkenner  an  der  Sache  gewüss  nicht 
zweifeln  würden,  da  für  sie  die  Kunst  schon  an  und 
für  sich  sprechendes  Dokument  sei,  dass  man  aber 
damit  dem  grossen  Publikum  nicht  beikommen  könne, 
weil  dieses  nur  schriftlichen  Urkunden  Glauben 
schenke.  Er  stimmte  mir  bei  und  sagte,  dass  er  im 
Begriff  sei,  nach  Innsbruck  zu  reisen,  um  daselbst 
unter  Mitwirkung  des  Archivdirektors  Dr.  von  Schön- 
herr Untersuchungen  über  das  grosse  Denkmal  Kaiser 
Maximilian  I.  anzustellen,  bei  welcher  Gelegenheit  er 
vielleicht  auch  Notizen  über  Kunstwerke  finden  werde, 
die  in  Deutschland  für  Frankreich  gefertigt  wurden. 
Dies  gelang  in  hohem  Grade.  Es  zeigte  sich , dass 
Kaiser  Ferdinand  I.,  damals  König  von  Böhmen,  für 
Franz  I.  und  Heinrich  II.  von  Frankreich  Prachtrüst- 
ungen als  Geschenke  anfertigen  liess,  welche  bis  zur 
neueren  Zeit  in  der  „Gallerie  des  Souverains“  im 
Louvre  und  im  Musee  d’artillerie  zu  Paris  als  italienische 
Arbeiten  bewundert  wurden.  Jene  Vorgefundenen 
Entwürfe  bestanden  in  Federzeichnungen  mit  leichter 


249 


Schattirung  in  Tusche,  manche  waren  zerschnitten, 
beschmutzt  und  mit  anderen  Zeichnungen  überklebt. 
Zum  Glück  waren  sie  in  echt  chinesischer  Tusche 
ausgeführt,  die  schon  im  16.  Jahrhundert  bei  uns  in 
Gebrauch  war,  so  dass  ich  die  Zeichnungen  ohne  Ge- 
fahr in  heissem  Wasser  reinigen  konnte.  Sie  waren  alle 
in  Grösse  und  Form  für  eine  jede  einzelne  Schiene  des 
betreffenden  Harnisches  berechnet.  Während  zu  einem 
Harnisch  140  bis  200  solcher  Theile  gehörten  und  dem- 
nach ursprünglich  deren  über  8000  gewesen  sein  mussten, 
waren  für  einen  nur  noch  ein  bis  höchstens  sechs  Stück 
vorhanden.  Es  waren  manche  davon  in  den  Besitz 
des  kunstliebenden  Staatsraths  von  Kirschbaum  ge- 
kommen, die  nach  dessen  Tod  im  Versteigerungs- 
katalog seines  Kunstbesitzes  unrichtig  angegeben  waren. 
Viele  davon  kamen  an  den  Kunsthändler  Prestel  in 
Frankfurt  am  Main,  und  später  fand  ich  sie,  wie  bereits 
erwähnt,  bei  Destailleur,  architect  du  gouvernement, 
und  dem  Museumsbesitzer  Spitzer  in  Paris,  alle  in 
derselben  Art  zugeschnitten,  auf  demselben  Papier  und 
mit  demselben  Stempel  des  Kurfürsten  Karl  Theodor 
von  Bayern  versehen. 

Wilhelm  von  Kaulbach  fand  ausserordentliches 
Wohlgefallen  an  diesen  geist-  und  phantasiereichen 
Arbeiten,  in  welchen  sich  Genien,  Tritonen,  Ner- 
eiden, Nymphen,  Satyre  etc.  in  schwungvollen  Zweig- 
und  Laubornamenten  bewegen.  Er  berief  sogleich, 
aus  eigenem  Antrieb,  eine  Plenarversammlung  an  der 
Akademie  der  bildenden  Künste,  welche  mir  unter 
dem  26.  Mai  1863  ein  Gutachten  in  aller  Form  mit  Amts- 
siegel ausfertigte,  worin  auch  der  Wunsch  ausgesprochen 


250 


ist,  dass  diese  Entwürfe  als  deutsche  und  besonders 
als  bayeriche  Ehrensache,  auf  Staatskosten  veröffent- 
licht würden.  Davon  machte  ich  aber,  ebenso  wenig 
wie  bei  meinen  andern  Werken,  einen  Gebrauch  und 
liess  die  erste  Auflage  dieser  Kunstwerke  unter  dem 
"Eitel : „Entwürfe  deutscher  Meister  für  Frachtrüst- 
ungen französischer  Könige“  bei  Friedrich  Bruckmann 
in  München  1865  erscheinen.  Das  Wenige  darin  gibt 
immerhin  eine  Idee  des  ehemals  Vorhandenen.  In 
diesen  einzelnen  Theilen  erscheint  das  H mit  der 
Krone  Frankreichs  mehrmals  mit  den  drei  ver- 
schlungenen Halbmonden , Bogen  und  Pfeil , sich  auf 
Heinrich  II.  und  Diana  von  Poitiers  beziehend , wie 
das  F und  die  Krone,  dabei  der  Salamander,  als 
persönliches  Abzeichen  Franz  I. 

Wenn  ich  mich  auch  sehr  freute,  etwas  zu  Ehren 
unseres  deutschen  Vaterlandes,  obgleich  mehr  durch 
Glück  als  Verstand,  beigetragen  zu  haben , so  blieb 
ich  auch  gewiss  nicht  darin  zurück,  mich  immer  zu 
bemühen , auch  die  Vorzüge  und  Verdienste  in  der 
Kunst  unserer  Nachbarländer  kennen  und  schätzen 
zu  lernen.  Es  musste  mich  auch  freuen , zu  sehen, 
dass  gebildete  Männer,  besonders  Museumsvorstände 
in  Frankreich,  in  dieser  Sache  mir  Wohlwollen  und 
Anerkennung  zeigten,  wie  ich  bereits  vorausgreifend 
bei  Schilderung  meines  Aufenthaltes  in  Paris  im  Jahre 
186/  mitgetheilt  habe. 

In  der  Ausgabe  jener  Entwürfe  sagte  ich  u.  A.  : 
„Da  es  sonach  sicher  stehe,  dass  diese  Prachtwerke 
in  Deutschland  für  Frankreich  entworfen  und  ausge- 
führt seien,  so  dürfte  ich  wohl  annehmen,  dass  auch 


251 


deren  in  gleicher  Weise  auf  deutschem  Boden  für 
Spanien  entstanden  seien.“ 

Damals  war  Freiherr,  später  Graf,  Georg  von 
Werthern  preussischer  Gesandte  in  Madrid  ; derselbe 
schrieb  mir  am  13.  April  1866,  dass  ihn  jene  Stelle 
in  meiner  Veröffentlichung  bewogen  habe,  die  Ge- 
schichtsforscher Bergenroth  und  Friedemann,  welche 
Forschungen  für  englische  Geschichte  in  Spanien  an- 
stellten, zu  veranlassen,  in  den  Archiven  von  Madrid 
und  Simancas  nachzuforschen,  ob  nicht  vom  spanischen 
Hofe  aus  auch  Bestellungen  auf  Prachtrüstungen  und 
andere  Kunstwerke  nach  Deutschland  ergangen  seien. 

Diese  Nachforschungen  waren  von  Erfolg  be- 
gleitet, Werthern  sandte  mir  vollgültige  Beweise  für 
das,  was  ich  nur  als  Vermuthung  ausgesprochen  hatte. 
Sie  bestehen  in  vidimirten,  mit  Stempel  versehenen 
Auszügen  aus  Bestellbriefen  Karl’s  V.  und  Philipp’s  II. 
von  Spanien  im  Archive  zu  Simancas. 

Diese  Mittheilung-en  waren  für  mich  von  höchster 
Wichtigkeit;  es  zeigte  sich,  dass  diese  spanischen 
Bestellungen  an  bedeutende  deutsche  Meister,  vorzüg- 
lich in  München,  Augsburg  und  Landshut  gelangten, 
die  bei  uns  noch  nicht,  oder  doch  noch  viel  zu  wenig 
bekannt  waren.  Aber  leider  sind  sie  bei  diesen  Be- 
stellungen manchmal  nur  mit  den  Vornamen  genannt, 
wie  Meister  Peter  in  München,  Meister  Hans  in  Augs- 
burg u.  A.  Unter  den  bekannten  steht  obenan  Desi- 
derius  Colmann  in  Augsburg.  Karl  V.  schickte  einen 
Kavalier  zu  diesem,  um  ihn  zu  bewegen,  dass  er  nach 
Madrid  ziehe ; der  Meister  erklärte , er  könne  dies 
nicht,  habe  Familie,  sei  auch  mit  Aufträgen  hoher 


252 


Herren  so  überhäuft,  dass  er  dieselben  unter  zwei 
Jahren  nicht  befriedigen  könne,  er  wünsche  aber,  dass 
ihm  der  Kaiser  das  genaue  Mass  seines  Körpers,  be- 
sonders des  Fusses,  zukommen  lasse,  er  hoffe  als- 
dann für  ihn  einen  Prachtharnisch  herzustellen,  an 
welchem  die  Majestät  Wohlgefallen  haben  werde. 
Ausser  diesem  arbeiteten  für  verschiedene  hohe  Herren 
Georg  Sigman,  (aurifex),  Thomas  Rücker,  letzterem 
stellte  Kaiser  Rudolf  II.  einen  Wappenbrief  aus,  in 
welchem  er  ihm  grosses  Lob  spendet , ihn  den  Gott 
der  Schmiede  nennt  und  ihm  daher  den  Vulkan  in 
das  Wappen  gibt.  Dieser  Originalwappenbrief  mit 
Unterschrift  des  Kaisers  befindet  sich  im  bayerischen 
Nationalmuseum  zu  München. 

In  Folge  dieser  Mittheilungen  des  Herrn  von 
Werthern  liess  ich  später  eine  zweite  vermehrte  Auf- 
lage in  grösserem  Format  erscheinen  unter  dem  Titel : 
„Originalzeichnungen  deutscher  Meister  des  16.  Jahr- 
hunderts zu  Kunstwerken  für  Könige  von  Frankreich, 
Spanien  und  anderen  Fürsten.  Frankfurt  a.  M.,  Heinrich 
Keller,  1889.“ 

Schon  nach  meiner  ersten  Aullage,  erhielt  Freiherr 
von  Werthern  die  Stelle  als  preussischer  Gesandte  in 
München  und  war  mir  von  da  an  während  der  22 
Jahre,  in  welchen  er  diese  Stelle  inne  hatte,  ein  auf- 
richtiger, wohlwollender  Freund,  der  mir  bei  manchen 
frohen  wie  schmerzlichen  Ereignissen  des  Lebens  theil- 
nehmend  zur  Seite  stand.  Auch  später  nach  seinem 
Rücktritte,  als  er  sich  auf  seinem  Gute  und  Schloss 
Beichlingen  in  Thüringen  aufhielt,  ist  er  mir  ein  treuer 
Freund  geblieben,  starb  aber  daselbst  zu  meinem 


253 


grossen  Schmerz  am  2.  Februar  1895,  nachdem  er 
mich  noch  kurz  vorher  in  München  besucht  hatte. 
Ebenso  freundschaftlich  gesinnt  war  er  meinem  Col- 
legen  in  der  Akademie  der  Wissenschaften,  dem  be- 
rühmten Historiker  Ferdinand  Gregorovius,  dessen 
Asche  er  in  einer  Nische  der  Schlosskirche  zu  Beich- 
lingen beisetzen  und  mit  einer  Platte  von  Solen- 
hofener  Stein  versehen  liess,  auf  der  sich  folgende  von 
Robert- tornovv,  dem  inzwischen  ebenfalls  verstorbenen 
Privatbibliothekar  des  Kaisers,  verfasste  Inschrift  be- 
findet: „Hier  ruht,  was  sterblich  war  an  Ferdinand 
Gregorovius,  deutschem  Geschichtsschi eiber,  Bürger 
der  Stadt  Rom,  p-eboren  am  19.  fanuar  1821,  f am 
1.  Mai  1891.“ 

Als  Vorstand  des  k.  Kupferstichkabinets  wäre 
ich  für  mein  ganzes  Leben  zufrieden  gewesen,  denn 
obschon  mir  die  Pflege  der  vernachlässigten  Anstalt 
viele  Arbeit  verursachte , stand  mir  auch  viel  Material 
zu  Gebote,  um  meine  Kunststudien  fortzusetzen  ; auch 
beschäftigte  mich  gerade  damals  der  erste  Band 
meiner  „Ornamentik  der  Schmiedekunst  des  Mittel- 
alters“ und  der  Beginn  der  „Kunstkammer  des  Fürsten 
Karl  Anton  von  Hohenzollern.“  Es  konnte  mir  incless 
nicht  genügen , dass  das  Publikum  nur  die  Mappen 
mit  den  Werken  jener  Meister  vorgelegt  erhielt,  nach 
welchen  es  mit  deren  Namen  verlangte,  denn  in  den 
meisten  Fällen  kannte  es  nicht  einmal  diese  Namen 
und  hatte  ;o  der  Regel  nur  Verlangen  nach  Dar- 
stellungen bestimmter  Gegenstände  oder  solcher  aus 
gewissen  Zeitperioden.  Um  daher  Anhaltspunkte  für 
bedeutende  Meister  oder  Kunstperioden  vor  Augen 


254 


zu  stellen,  traf  ich  eine  Auswahl  von  Blättern  der 
hervorragendsten  Meister  und  zwar  nur  jener,  welche 
man  peintres  graveurs  nennt,  d.  h.  welche  nach  eigenen 
Erfindungen  gestochen , radirt  oder  in  Holz  ge- 
schnitten hatten ; diese  stellte  ich  unter  42  grossen 
Glastafeln,  mit  den  Namen  der  Meister  und  Jahrzahlen 
versehen,  in  chronologischer  Reihenfolge  auf,  begin- 
nend mit  den  Incunabulen  des  Holzschnittes  aus  Tegern- 
see von  ungefähr  1380,  welche  daselbst  die  Mönche 
gefertigt  hatten,  und  schliessend  mit  den  geistreichen 
Radirungen  des  Adam  Klein  aus  Nürnberg  (geb.  1/92, 
j-  1875).*)  Gerne  hätte  ich  auch  eine  chronologische 
Uebersicht  von  Werken  der  vorzüglichsten  Kupfer- 
stecher hergestellt,  welche  nicht  nach  eigener  Erfind- 
ung sondern  nach  den  grössten  Meistern,  wie  Rafael, 
Rubens  etc.,  gestochen  haben,  allein  dazu  war  kein 
Raum  vorhanden. 

Von  meinen  Anschaffungen  erwähne  ich  hier  nur 
folgende,  weil  diese,  abgesehen  von  der  Kunst,  be- 
sonderen Werth  für  Geschichtstudium  besitzen  und 
weil  damit  meine  Fachgenossen  und  Künstler  darauf 
aufmerksam  gemacht  werden. 

Für  das  Ilandzeichnungskabinet  erwarb  ich 
u.  A.  eine  grosse  Aquarellmalerei  von  Jost  Amman, 
das  Turnier  (Gesellenstechen)  der  Nürnberger  Patri- 
cier  vom  Jahre  1561.  Sie  war  gestiftet  als  ewiges 
Andenken  für  das  Rathhaus.  Ich  habe  sie  von 
dem  Antiquar  Schreiber  in  Nürnberg  für  100  Gulden 
gekauft.  Dieses  reichhaltige  Gemälde  ist  nicht  nur 

*)  Vergl.  Jahn,  C.  Das  Werk  von  Adam  Klein.  München 
1863.  8°. 


255 


für  die  deutsche  Geschichte  im  Allgemeinen,  sondern 
auch  insbesondere  für  jene  Nürnberg’s  und  dessen 
Patricierfamilien,  wovon  die  Meisten  noch  existiren, 
wie  für  das  Volksleben  selbst  von  grossem  Werthe. 
Bis  dahin  fand  ich  noch  kein  Bildwerk,  das  in  so 
sprechender  Weise  alle  Einzelheiten  der  Turniere 
und  des  „Gesellenstechens“  vor  Augen  stellt.  Jost 
Amman,  (geb.  1539),  dem  wir  so  viel  wie  keinem 
anderen  Meister  an  Darstellungen  des  Volkslebens  jener 
Zeit  zu  verdanken  haben  , zog  im  Jahre  1560  von  Zürich 
nach  Nürnberg,  wo  er  1591  starb.  Wenige  Jahre 
nach  seiner  Niederlassung  daselbst  trat  er  in  Verbind- 
ung mit  dem  rührigen  Frankfurter  Buchhändler  Sig- 
mund Feyerabend,  in  dessen  Verlag  eine  Menge  Holz- 
schnittwerke erschienen  sind,  zu  denen  der  ungemein 
vielseitige  und  schöpferische  Künstler  die  Zeichnungen 
geliefert  hatte.*) 

Auf  dem  breiten  schwarzen  Rahmen  des  genannten 

O 

Aquarellgemäldes  steht  mit  goldenen  Buchstaben  ge- 
schrieben: „Den  Tritten  Martij  als  da  war,  fünfzen- 

hundert  sechzig  einjar,  Ein  löbliche  geselschafft  hatt, 
Solch  gstech  gehalten  in  der  statt , Nürenberg  auf 

*)  Becker,  C.,  Jobst  Amman,  Zeichner  und  F’ormschneider, 
Kupferätzer  und  Stecher.  Leipzig  1854.  8°.  — Andresen , Andreas. 
Der  deutsche  Peintre-Graveur  oder  die  deutschen  Maler  als  Kupfer- 
stecher nach  ihrem  Leben  und  ihren  Werken.  Bd.  1.  Leipzig  1864. 
8°  Seite  99 — 448.  — Hefner-Alteneck,  J.  H.  von.  Ueber  den  Maler. 
Kupferstecher  und  Formschneider  Jost  Amman.  In  den  Sitzungs- 
berichten der  k.  bayer.  Ac.ademie  der  Wissenschaften , Historische 
Klasse.  Sitzung  vom  2.  März  1878.  — Pallmann,  Heinrich.  Sig- 
mund Feyerabend.  Sein  Leben  und  seine  geschäftlichen  Verbind- 
ungen. Frankfurt  a.  M.  1881.  8°. 


256 


dem  markt  so  frey,  Wie  es  hie  Conterfet  da  bey 
Gewesen  sein  volgende  gschlecht,  wurde  erkent  also 
zu  recht,  Das  den  danck  erlangt  lobesan,  Moritz 
fi'irer  der  kühne  man , Die  andern  Stecher  waren  die, 
Philip  Geuder  vnd  sunst  alhie,  Matthes  Löffelholtz, 
ChristoffScheurl,  EndresSchmittmer,  Balthasar Christoff 
Gugel.  Philip  Lux  Wilhelm  Trauer.  Wie  nun  das 
gstech  volent  und  aus,  Ward  gehalten  auf  dem  Rat- 
hauss  Ein  herrlicher  ehrlicher  Tantz , Zuvor  hat  ghabt 
den  gsellen  krantz,  Gabriel  Baumgartner,  den  er  Auf- 
setzt dem  Gabriel  Tücher.  Solch  Ritterspiel  durch 
die  genent,  Ist  so  in  lob  vnd  freudt  vollent.“ 

I fiesem  Stücke , sowohl  nach  Entstehungszeit  als 
auch  dem  Gegenstand  nach  ganz  entgegengesetzt, 
jedoch  ebenfalls  historisch  wichtig,  ei  warb  ich  für  das 
Handzeichnungskabinet  eine  grosse  Sammlung  der  Ori- 
ginalaufnahmen, welche  der  berühmte  Schlachtenmaler 
Albrecht  Adam  während  der  napoleonischen  Kriege 
auf  den  Schlachtfeldern  hergestellt  hatte. 

Von  den  Stichen,  die  ich  ebenfalls  mit  besonderer 
Rücksicht  auf  den  historischen  Werth  für  das  Kabinet 
anschaffte,  nenne  ich  nur  das  Holzschnittwerk  des 
Melchior  Lorch*)  (1527 — nach  1590),  das  uns  zuerst 
eine  richtige  und  vielseitige  Vorstellung  der  Sitten, 
Trachten  und  Gebräuche  in  der  Türkei  verschafft. 
Ferner  erwarb  ich  die,  einer  ganz  anderen  Richtung 
angehörigen  Stiche  und  Radirungen  des  Johann  Esaias 
Nilson  aus  Augsburg  (1721  — 1788).  Eine  Zusammen- 

*)  Vergl.  meinen  Vortrag  über  diesen  Künstler  in  der  histori- 
schen Classe  der  k.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften.  Sitzung 
vom  5.  Februar  1876. 


Stellung  der  Werke  dieses  Meisters  mit  jenen  des 
Daniel  Chodowiecki  (1/26 — -1801),  die  schon  reichlich 
in  dem  Kabinete  vertreten  waren,  geben  eine  genaue 
Vorstellung  des  Lebens  und  der  Geschmacksrichtung 
des  18.  Jahrhunderts  in  Deutschland. 

Als  ich  i.  J.  1868  diese  mir  liebgewordene  Stelle 
in  Folge  einer  Beförderung  verlassen  musste,  schied 
ich  nicht  gern  von  ihr,  weil  ich  meinem  Nachfolger 
noch  viele  Arbeit  hinterlassen  musste  und  weil  ich 
während  meiner  Amtstätigkeit  und  auch  schon  früher 
an  solchen  Kabineten  des  Auslands  erkannt  hatte, 
wie  ungemein  wichtig  eine  derartige  Sammlung  für 
das  Studium  und  für  die  Pflege  der  Kunst  ist. 

Die  übliche  Bezeichnung  Kupferstich-  und  Hand- 
zeichnungs-Kabinet,  noch  aus  den  Zeiten  herstammend, 
wo  Fürsten  sich  solche  Sammlungen  ebenso  wie  Curiosi- 
täten-  und  Raritätenkabinete  anlegten,  aus  denen  zum 
Theil  unsere  Museen  entstanden  sind,  diese  Bezeich- 
nung deckt  durchaus  nicht  den  Begriff,  der  damit 
verbunden  werden  muss.  Denn,  wie  Bibliotheken  die 
Sammelstätten  wissenschaftlicher  Hilfsmittel  und  da- 
durch die  Fundgruben  für  Arbeiten  der  Wissenschaft 
sind,  so  sollen  und  müssen  es  die  Kupferstichkabinete, 
oder,  wie  man  sie  vielleicht  besser  nennen  könnte, 
die  graphischen  Museen,  für  Arbeiten  der  Kunst  sein. 

In  ihnen  muss  der  Künstler,  der  Kunstforscher 
und  Kunstliebhaber  alles  das  vereinigt  finden  können, 
wenn  auch  nicht  in  Originalen,  so  doch  in  guten 
Nachbildungen,  was  die  verschiedenen  Kunstperioden 
hervorgebracht  haben.  Dazu  gehört  aber  auch  das 
Kunstgewerbe,  denn  dieses  ist,  wie  schon  mehrfach 

17 


258 


erwähnt,  durchaus  nicht  von  der  bildenden  Kunst  im 
engeren  Sinne  zu  trennen.  Haben  ja  doch  die  grössten 
Meister  ihrer  Zeit,  ein  Rafael,  Dürer  und  Holbein, 
wie  auch  hervorragende  Künstler  der  Neuzeit,  unter 
welchen  ich  nur  Moritz  von  Schwind  nennen  möchte, 
sich  nicht  gescheut,  für  das  Gewerbe  zu  arbeiten  und 
damit  für  Verbreitung  des  Schönheitssinnes  im  Volke 
beizutragen. 

Und  gerade  in  der  Gegenwart , in  der  das  Kunst- 
gewerbe eine  so  bedeutende  Stellung  bei  allen  Völkern 
einnimmt,  darf  kein  Kupferstichkabinet  sich  dessen 
entziehen  wollen. 

Eine  eben  so  grosse  Bedeutung  haben  aber  auch 
die  Kupferstichkabinete  für  das  Studium  der  Kultur- 
geschichte, das  jetzt  ein  allgemeines  Bedürfniss  der 
ganzen  gebildeten  Welt  geworden  ist,  weil  in  ihnen 
das  wichtigste  und  reichhaltigste  Material  dazu  ruht. 


XXXIV.  Künstlerfest  in  Weimar. 

Im  fahre  1863  veranstalteten  der  Grossherzog  von 
Sachsen- Weimar  und  dessen  Gemahlin  einen  Kongress 
der  deutschen  Kunstgenossenschaften  in  Weimar  und 
scheuten  keine  Opfer  und  Mühen,  die  Sache  recht 
glänzend  zu  gestalten.  Gerade  um  diese  Zeit  fand 
unerwartet  der  bekannte  Fürstenkongress  in  Frankfurt 
a.  M.  statt,  der  Grossherzog  musste  dahin  reisen;  es 
ruhte  daher  das  Protektorat,  das  Ordnen  des  Geschäfts- 
ganges, der  vielen  grossartigen,  sinnigen  F'este  und 
Feierlichkeiten  in  Weimar,  wie  hernach  auf  der  Wart- 
burg allein  auf  der  Frau  Grossherzogin. 


259 


Unter  den  Künstlern  von  nahe  und  ferne  traf  ich 
manche  alte  Freunde  und  Bekannte  ; auch  wurde  mir 
freundliche  Aufnahme  zutheil,  besonders  in  dem 
Ilause  des  Grafen  Kalkreuth , des  damaligen  Direktors 
der  Kunstschule  zu  Weimar.  Als  wir  am  6.  Tag  in 
Eisenach  ankamen  und  in  festlichem  Zuge  zur  reich- 
geschmückten  Wartburg  den  Berg  hinanzogen, 
empfingen  uns  Böllerschüsse.  Die  V ersammlung  war 
so  zahlreich,  dass  sie  den  ganzen  Burghof  füllte. 
Die  Frau  Grossherzogin  erschien  auf  den  Stufen, 
welche  zum  Elisabethensaal  führten,  und  begrüsste  uns, 
in  freiem  Vortrag  mit  weithin  schallender  Stimme, 
mit  poesievoller  Ansprache,  den  Becher  zum  Will- 
kommen der  deutschen  Künstler  erhebend.  Nachdem 
auch  der  junge  Erbprinz  einige  herzliche  Worte  im 
Namen  seines  abwesenden  Vaters  gesprochen  hatte, 
begab  sich  die  Gesellschaft  in  den  Elisabethensaal 
und  in  jene  Räume  der  Burg,  in  denen  bereits  die 
Wandgemälde  von  Moritz  von  Schwind  und  anderen 
Künstlern  vollendet  waren.  In  dem  Elisabethensaal, 
in  welchem  der  berühmte  „Sängerkrieg“  einst  statt- 
gefunden hatte,  wurden,  in  Anwesenheit  der  Frau 
Grossherzogin,  durch  die  vorzüglichsten  Sänger  und 
Musiker  deutsch-patriotische  Lieder  vorgetragen.  Nach 
dem,  was  ich  bereits  über  die  früheren  Eindrücke 
meiner  Jugend  mitgetheilt  habe  und  dem,  was  gerade 
um  diese  Zeit  unser  Hoffen  für  das  deutsche  Vater- 
land aufs  Neue  belebte , kann  man  sich  wohl  denken, 
welche  Gefühle  mich  in  diesen  Momenten  überwäl- 
tigten. In  gehobenster  Stimmung  begaben  wir  uns  in 
das  wundervolle  Helenenthal,  wo  in  buntem  Wechsel 

17* 


260 


für  Unterhaltungen  der  verschiedensten  Art,  Theater, 
Tanz,  Maskeraden  etc.  gesorgt  war. 

Als  die  Festlichkeiten  vorüber  waren,  und  ich 
mich  auf  der  Rückreise  noch  einen  Tag  in  Weimar 
aufhalten  wollte,  wurde  ich  von  der  Frau  Gross- 
herzogin nach  ihrem  Sommeraufenthalt  Wilhelmsthal 
zur  Tafel  geladen  und  traf  sie  daselbst,  nach  allen 
jenen  Anstrengungen,  im  Kreise  ihrer  Familie  in 
heiterer  Stimmung.  Ihre  Mittheilungen  bewegten  sich  be- 
sonders auf  dem  Gebiete  der  vaterländischen  Geschichte 
und  Kunst ; sie  hörte  mit  Interesse  auf  das , was  ich 
in  dieser  Richtung  mittheilen  konnte.  Als  ich  Wil- 
helmsthal verliess,  sprach  die  hohe  Dame  den  Wunsch 
aus,  dass  ich  auf  dem  Rückweg  nach  Weimar  die 
Wartburg  nochmals  besuche  und  daselbst  auch  die 
einzelnen  Gemächer  besichtige,  die  bei  jenem  Feste 
nicht  zugänglich  sein  konnten  und  die  kurz  vorher 
von  dem  sehr  geschickten  Dekorationsmaler  Weiter 
aus  Köln  ausgemalt  waren.  Ich  traf  daselbst  wieder 
meinen  Freund  von  Arnswald.  Wiewohl  derselbe  nach 
jenen  Festlichkeiten  sehr  ruhebedürftig  war,  zeigte  er 
mir  doch  wieder  in  lebhaftester  Weise  die  grösste 
Theilnahme.  Als  ich  die  kleineren  Gemächer  und 
das  Lutherstübchen  wieder  betrat,  gedachte  ich  eines 
Ereignisses,  das  mich  kurz  vorher  betroffen  hatte 
und  das  ich  hier  folgen  lasse,  da  ich  Arnswald  nur 
Einiges  davon  mittheilte,  was  für  die  Wartburg  nicht 
ohne  Bedeutung  blieb. 

In  Nürnberg  auf  dem  Egydienplatz  stand  das 
alte  Patricierhaus  der  Imhoff,  es  war,  wie  ich  noch 
aus  Ueberresten  ersehen  konnte,  in  seinem  Innern 


261 


eine  Perle  feinen  Geschmacks  aus  der  Zeit  der  spä- 
teren Gothik. 

Zur  Geschichte  dieses  Hauses  und  seiner  ehe- 
maligen Bewohner  sei  Folgendes  erwähnt.  Eine  Tochter 
des  Willibald  Pirkheimer  Felicitas  heirathete  den  Johann 
Imhoff,  welcher  bald  starb.  Die  Pirkheimerin  blieb 
im  Besitze  des  Hauses  und  heirathete  später  den 
Hans  Kleeberger,  der  früher  in  Diensten  der  Imhoff 
gestanden  und  sich  später  in  Lyon  niedergelassen 
hatte.  Bald  nach  seiner  Verheirathung  wollte  er  wieder 
dahin  zurückkehren,  wogegen  sich  indess  sein  Schwieger- 
vater erklärte.  Als  aber  Felicitas  im  Jahre  1530  starb, 
ging  Kleeberger  nach  Lyon  zurück,  erwarb  sich  dort 
ein  grosses  Vermögen  und  ward  einer  der  ersten 
Finanzmänner  des  16.  Jahrhunderts.  Er  stiftete  viel 
Gutes,  so  dass  man  ihn  „le  bon  allemand“  nannte, 
mit  welchem  Namen  man  ihm  daselbst  auch  einen 
Grabstein  gesetzt  haben  soll. 

In  jenem  Imhoff’schen  Hause  war  ein  grosser  Saal, 
daran  anstossend  ein  kleines  Gemach  durchaus  von  Holz- 
vertäfelung und  Schnitzwerk,  in  der  Breite  nur  zwei, 
in  der  Länge  vier  Meter,  auf  der  einen  Schmalseite 
das  einzige  Fenster,  auf  der  entgegengesetzten  eine 
eiserne  Thüre  mit  zierlichen  gothischen  Bändern  kreuz- 
weis beschlagen  ; ausserhalb  derselben  führte  eine 
steinerne  Wendeltreppe  hinab  in  die  Hauskapelle,  welche 
in  der  Höhe  zwei  Stockwerke  durchragte  ; auf  der 
einen  Langseite  führte  aus  dem  grossen  Saal  in  dieses 
kleine  Gemach  eine  Thüre,  deren  vorspringende 
Umfassung  mit  gothischer  Profilirung  oben  in  einen 
sogenannten  Eselsrückenbogen  mit  Krappen  und 


262 


Giebel-  oder  Kreuzblume  abschloss.  Das  Schloss 
und  die  Bänder  dieser  Thüre  waren,  wie  alle  Eisen- 
arbeiten des  ganzen  Hauses,  meisterhaft  ausgeführt. 
Der  Holzplafond  dieses  Stübchens  bestand  in  einem 
Netzgewölbe,  mit  zierlich  gothisch  prölilirten,  sich 
durchstossenden,  Rippen.  Die  Holzwände  waren  oben 
ringsum  in  Abwechslung  mit  fein  geschnitztem  Mass- 
werk  abgegrenzt. 

Dass  Pirkheimer  sich  oft  in  diesem  Gemach  auf- 
gehalten hatte,  wohl  um  darin  ungestört  zu  arbeiten, 
geht  daraus  hervor,  dass  in  dem  kleinen  Raum,  zwischen 
jener  Eisenthüre  und  der  Wendeltreppe,  um  die  Mitte 
des  18.  Jahrhunderts  ein  vermauerter  Schrank  aufge- 
funden wurde,*)  in  welchem  sich  Schriftstücke  von  Pirk- 
heimer, wie  Correspondenzen  mit  Kaiser  Maximilian  I., 
Rechtsgutachten,  Briefe  von  Albrecht  Dürer  etc.  be- 
fanden. Im  Jahre  1781  veröffentlichte  Christoph  Gott- 
lieb von  Murr  die  Briefe  Dürer’s  aus  Venedig  an  Pirk- 
heimer.**) Dass  Pirkheimer  dieses  Stübchen  bewohnt 
hat,  wurde  aber  noch  mehr  dadurch  bestätigt,  dass 
auf  beiden  Seiten  des  Arbeitstisches,  der  früher  am 
Fenster  stand,  verschiedene  Dinge  aus  dem  Besitz 
Pirkheimer’s  zum  Vorschein  kamen,  wie  Notizen- 

*)  Aufgefunden  von  dem  kurfürstlich  bayerischen  Geheimen 
Rath  und  Senator  Christoph  Joachim  von  Haller,  dem  durch 
Heirath  mit  einer  Imhoff  dieses  Haus  zugefallen  war.  Im  Jahre 
1861  wurden  die  Briefe  Dürer’s  von  der  Familie  Haller  an  die 
Stadt  Nürnberg  verkauft.  Vergl.  Dürer’s  schriftlicher  Nachlass 
herausgegeben  von  K.  Lange  und  F.  Fuhse.  Halle  1893.  8°.  Seite  18. 

**)  In  dessen  Journal  zur  Kunstgeschichte  und  zur  allge- 
meinen Literatur.  Bd.  X.  Später  in  Campe,  Dürer  Reliquien, 
Nürnberg  1828.  16°  und  in  Lange  und  Fuhse  wieder  abgedruckt. 


263 


Blätter,  Adressen,  Schreib-  und  Zeichenfedern,  meh- 
rere, nach  damaliger  Art  in  Leder  gefasste,  Brillen 
u.  s.  w.  Diese  Dinge  steckte*  zweifellos  Pirkheimer 
hinter  den  Vorsprung  einer  Vertäfelung,  wo  sie  hinab- 
rutschten und  nicht  wieder  in  die  Hände  des  Be- 
sitzers kamen. 

Im  Jahre  1860  kaufte  ein  Porzellanhändler  dieses 
Imhoff’sche  Haus,  der  es  für  seine  Zwecke  umbauen 
und  jenes  Stübchen  herausreissen  Hess.  Schreiner 
wollten  das  Holz  davon  kaufen,  um  gothische  Möbel 
daraus  zu  machen.  Da  kaufte  es  noch  im  letzten 
Moment  der  schon  genannte  Kunsthändler  Geuder, 
um  es  zu  retten.  Auf  mein  Ersuchen  bot  er  es  in 
München  Aretin  für  das  Nationalmuseum  an,  der  es 
aber  nicht  nahm,  ungeachtet  alles  meines  Zuredens; 
worauf  ich  es  erwarb,  ohne  zu  wissen,  wo  ich  es 
unterbringen  könne. 

Nachdem  ich  es  in  allen  seinen  Theilen  wieder 
hatte  zusammensetzen  lassen,  wünschte  es  Fürst  Karl 
Anton  von  Hohenzollern  zu  erwerben,  gleich  darauf 
auch  die  Frau  Grossherzogin  von  Sachsen- Weimar. 
Ersterer  verzichtete  darauf , aus  Rücksicht  für  die 
Frau  Grossherzogin,  welche  beabsichtigte,  ihren  Ge- 
mahl auf  Weihnachten  damit  zu  überraschen.  Es 
wurde  auf  der  Wartburg  neben  dem  berühmten 
Lutherstübchen  aufgestellt,  wo  es  von  Besuchern  oft 
bewundert  wird. 

XXXV.  Tod  des  Königs  Max  II.  und 
sein  Nachfolger  Ludwig  II. 

AF  wir  uns  am  Abend  des  9.  März  1864  :o  der 


„Zwanglosen  Gesellschaft"  heiter  unterhielten,  traf 
die  Nachricht  ein,  König  Max  sei  plötzlich  schwer 
erkrankt.  Wir  alle  eilten  in  die  Residenz,  wo  schon 
Viele  in  bangen  Sorgen  auf  nähere  Nachricht  harrten. 
Am  nächsten  Morgen  waren  die  Räume  der  Residenz 
bis  in  das  Vorzimmer  des  Königs  mit  Menschen  aus 
allen  Ständen  angefüllt,  von  Viertelstunde  zu  Viertel- 
stunde trat  Graf  Moy  aus  dem  Zimmer  des  Königs, 
um  Nachricht  zu  bringen,  welche  immer  schlimmer 
lautete  ; zuletzt  sprach  er  unter  Thränen  die  Worte  : 
„Der  gute  König  ist  verschieden.“  Lauter  Jammer 
ertönte  durch  alle  Räume. 

Ganz  Bayern  trauerte  um  das  Ilinscheiden  dieses 
Königs.  Auch  ich  war  tief  ergriffen,  verlor  ich  doch 
überdies  den  hochherzigen  Schirmherrn  meines  Wirkens 
und  Ärbeitens  für  das  Nationalmuseum  zu  München, 
wie  auch  direkt  und  indirekt  für  mein  übriges  Schaffen. 

Ludwig  II.  bestieg  18  Jahre  alt  am  10.  März  1864 
den  Thron.  Alle,  die  den  jugendlichen  Monarchen 
kennen  lernten,  rühmten  sein  einnehmendes  Wesen, 
seine  rasche  geistige  Auffassung,  das  gründliche  Er- 
wägen ihn  interessirender  Angelegenheiten  mannig- 
faltiger Art.  Unerwartet  konnte  ich  mich  selbst 
von  der  Richtigkeit  der  letzteren  Behauptung  über- 
zeugen. Der  König  liess  im  Spätherbst  1867  von 
Hohenschwangau  aus  durch  den  Kabinetschef , Herrn 
von  Lipowsky,  der  mir  gleich  Herrn  von  Eisenhart, 
dem  damaligen  zweiten  Kabinets-Sekretär , in  Folge 
meines  Wirkens  freundschaftlich  zugethan  war,  folgende 
von  selbständigem , ernstem  Denken  zeugende  Fragen 
an  mich  ergehen  : 


„Ist  das,  was  man  in  der  Kunst  Stil  nennt,  aus 
der  Eigenthiimlichkeit,  Phantasie  und  Erfindung  eines 
Künstlers  hervorgegangen,  oder  aus  dem  Geiste  einer 
Zeitperiode,  eines  Volkes,  oder  aus  den  materiellen 
Bedürfnissen  der  Völker  ? Hat  man  schon  in  den 
verschiedenen  Jahrhunderten  Namen  für  solche  Stil- 
arten gekannt  ? Woher  entstanden  die  Namen  byzan- 
tinisch, romanisch,  gothisch,  Renaissance, Rokoko  etc.?“ 
Ich  beantwortete  diese  Fragen  so  gut  als  ich  im 
Stande  war.  Darauf  erhielt  ich  durch  Lipowsky  ein 
Schreiben  im  Namen  des  Königs  äusserst  huldvoll, 
anerkennend  und  ehrend ; er  liess  mir  darin  sagen, 
dass  er  mir  in  München  noch  selbst  seinen  Dank  aus- 
sprechen werde  und  einstweilen  als  Zeichen  seiner 
besonderen  Iluld  und  Gnade  sein  Bildniss  sende,  das- 
selbe stellt  ihn  in  ganzer  Figur  und  in  dem  Ornat 
als  Grossmeister  des  Georgenordens  dar. 

An  der  Aufrichtigkeit  dieser  Worte  konnte  ich  nicht 
zweifeln , doch  musste  ich  annehmen  , dass  dieses  jugend- 
liche Feuer  auch  bald  wieder  gedämpft  werde.  Es  war 
aber  nicht  so.  Während  der  König  noch  einige  Zeit  in 
Hohenschwangau  verweilte,  richtete  er  noch  öfter  solche 
Fragen  an  mich,  er  liess  sich  einige  meiner  Werke 
von  der  Hof-  und  Staatsbibliothek  schicken  und  mir 
wieder,  nach  deren  genauer  Durchsicht,  viel  Aner- 
kennendes darüber  schreiben.  Ich  musste  auch  noch 
viele  Werke  über  Architektur,  Kostüme,  Volksleben 
etc.  besorgen.  Vorzüglich  sprach  ihn  das  Werk  von 
Jakob  von  Falke  „Deutsche  Trachten  und  Modenwelt“ 
sehr  an;  wie  man  mir  schrieb,  verweilte  er  fünf  Stun- 
den dabei.  Ganz  besonderes  Wohlgefallen  hatte  er 


266 


ferner  an  dem  grossen  Kupferstich  von  Edouard  Girardet 
nach  Leon  Geronie,  darstellend  Louis  XIV.  an  der 
Tafel  mit  Meliere  allein  sitzend,  auf  beiden  Seiten 
die  Grossen  des  Reiches  stehend , welche  der  König 
höhnisch  anblickt.  Als  ich  diesen  Stich  auf  Verlangen 
zum  drittenmal  zuschickte,  öffnete  er  die  Rolle  in 
solcher  Hast,  dass  er  ihn  mitten  entzwei  riss. 

Ob  der  König  in  Hohenschwangau  oder  in  Mün- 
chen weilte,  stets  musste  ich  ihm  ausserordentlich  viel 
Material  senden  und,  obgleich  das  meine  Schuldigkeit 
war,  niemals  blieb  der  schönste  Dank  aus.  Einmal 
liess  der  König  sagen,  nach  einer  Beschreibung  habe 
Louis  XIV.  in  der  Jugend  eine  Bettstelle  besessen, 
umgeben  von  vielen  Göttern  Griechenlands , und  wenn 
sich  der  Baldachin  des  Morgens  öffnete,  seien  darüber 
in  Wolken  Venus,  Apollo,  Diana  u.  s.  w.  erschienen. 
Was  so  beschrieben  sei,  habe  auch  existirt,  und  sei 
auch  in  Kupfer  gestochen  worden  ; ich  hätte  bisher 
alles  der  Art  verschafft,  und  würde  daher  auch  das 
auffinden.  Mit  Bedauern  erwiderte  ich,  niemals  etwas 
davon  gehört  oder  gesehen  zu  haben.  Die  Antwort 
lautete  wieder,  ich  hätte  bis  dahin  alles  gefunden,  so 
würde  ich  auch  das  finden.  Schon  nach  8 Tagen 
kam  die  Anfrage,  ob  ich  noch  nichts  gefunden.  Ich 
musste  wieder  mit  „noch  nicht“  antworten,  all’  mein 
Nachforschen  war  vergebens.  Nach  drei  Wochen 
erfolgte  abermals  dieselbe  Anfrage;  dann  glaubte  ich, 
dass  die  Sache  vergessen  sei,  aber  nach  einem  Jahre 
wurde  die  Frage  nochmals  gestellt. 


267 


XXXVI.  General-Conservator  der  Kunstdenk- 
male und  Alterthümer  Bayerns. 

Als  der  König  wieder  nach  München  zurückge- 
kehrt war,  erhielt  ich  am  27-  Januar  1868  das  Dekret 
als  „General-Conservator  der  Kunstdenkmale  und  Alter- 
thümer Bayerns.“  Das  Wort  „General“  setzte  der 
König  nur  als  Ausdruck  besonderen  Wohlwollens  für 
meine  Person  voraus,  wiewohl  es  bei  gleichen  Stellen 
des  Auslandes  bis  dahin  nicht  vorkam. 

Ich  erbat  mir  eine  Audienz,  um  der  Majestät 
meinen  Dank  auszusprechen.  Als  ich  vor  derselben 
stand,  begann  der  König,  ehe  ich  sprechen  konnte, 
mit  den  Worten  : „Ich  wollte  Sie  nicht  eher  sehen,  als 
bis  Ich  Meinen  Dank  nicht  nur  mit  Worten,  sondern 
durch  eine  That  aussprechen  konnte;  es  freut  Mich 
in  Ihnen  den  rechten  Mann  für  die  rechte  Stelle  ge- 
funden zu  haben.“  Darauf  kam  er  auf  meine  Arbeiten, 
die  Kunstschätze  Bayerns  und  auf  die  Baudenkmale 
zu  sprechen,  und  stellte  die  Frage:  „Wen  halten  Sie 
jetzt  für  den  besten  Baumeister?“  — Als  ich  sagte: 
„Ich  glaube,  dass  ihn  Eure  Majestät  bereits  gefunden 
haben“,  sprach  er:  „Ich  weiss,  wen  Sie  meinen.  Ich 
schätze  sehr  seine  Kunst,  allein  Ich  habe  Mich  näher 
nach  ihm  erkundigt,  nennen  .Sie  Mir  den  Namen  nicht 
mehr.“  Das  überraschte  mich  sehr. 

Zur  Erklärung  dieser  Worte  des  Königs  diene 
Folgendes:  Nicht  lange  vor  jener  Audienz  war  ich  in 
Zürich,  um  meinen  Sohn  Friedrich  zu  besuchen,  der 
dort  auf  dem  Polytechnikum  studirte,  an  welchem 
auch  Gottfried  Semper  Professor  war.  Bei  einem 
Besuch  zeigte  dieser  mir  das  grosse  Modell  zu  dem 


Wagnertheater,  wie  zu  der  dazu  führenden  projek- 
tirten  neuen  Strasse  und  den  dazu  gehörigen  Plänen, 
was  er  alles  bereits  im  Auftrag  unseres  Königs 
angefertigt  hatte.  Er  erkundigte  sich  auch  nach 
den  Verhältnissen  in  München,  äusserte  grosse  Freude 
darüber,  dass  ihn  der  König  so  viel  Vertrauen 
geschenkt  und  sagte:  „Ich  weiss  wohl,  dass  ich 

nach  meiner  Vergangenheit  keine  Stelle  in  Bayern 
erhalten  werde,  aber  es  ist  für  mich  genug,  dass  mir 
der  König  schon  so  manche  schöne  Aufträge  zuge- 
dacht hat.“  Umsomehr  war  ich  durch  jene  Worte 
der  Majestät  überrrascht.  Später  erfuhr  ich,  dass 
Semper  sich  vielfach  darüber  aussprach,  wie  sein 
Freund  Richard  Wagner  ihn  bei  dem  König  einge- 
führt und  empfohlen  habe,  dass  aber,  als  der  Fürst 
zu  viel  Wohlgefallen  an  Semper’s  Arbeiten  gefunden 
hatte,  und  zu  besorgen  war,  er  würde  die  Architektur 
der  Musik  vorziehen,  sein  Freund  Wagner  ihn  bei 
dem  König  in  die  Tinte  gesetzt  hätte.  Wie  man 
mir  sagte,  soll  Semper  darauf  Bezug  habende  Briefe 
von  Wagner  vorgezeigt  haben. 

.Bald  nachdem  ich  die  Stelle  eines  Generalcon- 
servators  erhalten  hatte,  wurde  ich  vom  König  auf- 
gefordert, über  gar  vieles,  das  in  mein  Fach  ein- 
schlug, zu  berichten.  Mit  meinen  Antworten  war  er 
stets  zufrieden,  und  ich  staunte  dabei  über  das  klare 
Denken  des  Königs. 

Vorerst  brachte  mir  diese  neue  Stelle  keine  wesent- 
liche Veränderung,  da  ich  nach  wie  vor  die  Ver- 
waltung des  königlichen  Kupferstichkabinets  hatte  und 
dabei  nur  mit  mehr  Eifer  das  Aufsuchen  und  Auf- 


269 


zeichnen  von  Denkmalen,  die  im  Lande  zerstreut 
lagen,  verfolgte.  Der  König  hatte  auch  noch  so 
manche  Wünsche,  die  ich  stets  mit  Freuden  erfüllte. 
Einigemale  schickte  er  mir  prachtvolle  Kleinodien, 
bestehend  in  schönen  Emailgemälden,  geschmackvoll 
in  Gold  und  Edelsteinen  gefasst,  zur  Ansicht.  Wie 
mir  später  Ivabinetschef  Düfflipp  mittheilte,  war  dies 
eine  besondere  Auszeichnung,  da  es  Dinge  waren, 
an  welchen  der  König  besonderes  Wohlgefallen  hatte, 
weil  sie  nach  seiner  eigenen  Idee  in  gelungener  Weise 
ausgeführt  waren. 

Ich  erwähnte  bereits  Manches  von  glücklichen, 
wie  von  unglücklicken  Erfolgen  meiner  Bemühungen 
um  Erhaltung  der  Kunstdenkmale,  dem  will  ich  noch 
Folgendes  hinzufügen. 

Das  erste,  was  ich  als  definitiver  „Generalconser- 
vator“  unternahm,  war,  dass  ich  mich  nach  meiner 
Vaterstadt  Aschaffenburg  begab,  um  Vorschläge  zu 
machen,  nach  welchen  das  alte  Herstallthor,  des 
grösseren  Verkehres  wegen,  nicht  niedergerissen  werden 
müsse. 

Zwischen  zwei  vorgerückten  kleinen  runden  Thür- 
men führte  eine  Brücke  über  den  ehemaligen  Stadt- 
graben durch  das  Thor  eines  breiten  viereckigen 
Thurmes  der  Stadtmauer,  der  zur  Vertheidigung  be- 
stimmt war.  Das  frische  Grün  der  Linden  und  sonst- 
iger Bäume,  welches  das  graue  Gemäuer  allenthalben 
umspielte,  erhöhte  den  malerischen,  wie  poetischen 
Werth  des  Ganzen.  Dieses  Bild  einer  nie  wieder- 
kehrenden Vergangenheit  im  Gegensatz  zu  der  sich 
stets  erneuernden  Natur  machte  auf  mich  in  meinen 


270 


frühen  und  auch  noch  in  späteren  Jahren  tiefen  E:n- 
druck,  wie  auf  alle  Menschen,  welche  nur  einigen 
Sinn  für  das  Schöne  und  Malerische  hatten. 

Nachdem  ich  die  nöthigen  Masse  genommen,  war 
mir  es  leicht,  einen  Plan  herzustellen,  nach  welchem 
eine  zweite  einfache  Brücke  dicht  daneben  zur  Ein- 
fahrt dienen  und  alles  Bestehende  zur  Ausfahrt  bleiben 
konnte.  Man  hatte  bereits  an  anderen  Orten,  wo  grös- 
sere Schwierigkeiten  vorhanden  waren,  solche  Auf- 
gaben gelöst,  wie  z.  B.  bei  der  Durchfahrt  des  alten 
Rathhausthurmes  zu  München.  Sogar  bei  neuen  An- 
lagen von  Thoren , besonders  bei  Eisenbahnbrücken, 
hat  man  schon  der  grösseren  Sicherheit  wegen  für 
getrennte  Ein-  und  Ausfahrt  gesorgt. 

Bald  nach  mir  kam  auch  der  königliche  Ober- 
hofgartendirektor von  Effner  zu  gleichem  Zweck  und 
vorzüglich  im  Interesse  der  Gartenanlage  des  „Schönen- 
thals“ nach  Aschaffenburg.  Ohne,  dass  er  von  mei- 
nem Plan  etwas  wusste,  fertigte  er  auch  einen  solchen, 
der  ganz  mit  dem  meinigen  übereinstimmte. 

Diese  beiden  Pläne,  meine  Bitten,  alle  Vorstel- 
lungen, wie  die  ausgesprochenen  Wünsche  des  da- 
maligen Herrn  Ministers  von  Gresser  halfen  nichts  ; 
es  wurde  nicht  nur  das  Herstallthor,  sondern  auch, 
mit  den  letzten  Resten  der  alten  Stadtmauern,  der 
hohe  runde  sogenannte  „Hexenthurm“,  der  schon  frühe 
die  Phantasie  meiner  Kindheit  so  sehr  belebt  hatte, 
und  der  viereckige  „Kostthunn“  niedergerissen;  so- 
nach schwand  der  letzte  Rest  der  Abzeichen  einer 
alten  Stadt,  die  Jahrhunderte  hindurch  in  der  deut- 
schen Geschichte  eine  Rolle  gespielt  hatte.  Es  war 


271 


auch  wohl  nicht  die  Mehrzahl  meiner  Landsleute,  welche 
für  solche  Barbarei  stimmte,  aber  traurig  genug,  dass 
dieselbe  von  jenen  überstimmt,  vielmehr  .überschrieen 
wurde,  die  stets  die  Worte  gebrauchen  „Licht,  Fort- 
schritt, praktisches  Leben  etc.“,  dabei  für  jedes  höhere 
Interesse  der  Menschheit  keinen  Sinn  haben,  und 
nicht  begreifen,  dass  die  Pflege  der  geistigen  Inter- 
essen auch  auf  das  materielle  Leben  rückwirkend  ist. 

Bei  meinem  Suchen  nach  Denkmalen  in  Regens- 
burg unterstützten  mich  im  Jahre  1868  besonders  Haupt- 
mann Woldemar  Neumann  und  Hauptmann  Weininger, 
beide  hatten  sich  in  hohem  Grade  um  die  Geschichte 
Regensburg’s  verdient  gemacht.  Bei  vielen  Erwerb- 
ungen für  das  Nationalmuseum  waren  sie  mir  sehr 
förderlich,  besonders  bei  den  höchst  interessanten 
Grabsteinen  der  herrlichen,  längst  als  Mauthhalle  pro- 
fanirten , Minoritenkirche.  Ersterer  führte  mich  nach 
dem  nahen  Dechbetten,  da  stand  ein  breiter  viereck- 
iger Thurm  aus  dem  15.  Jahrhundert,  ehemals  mit 
einem  Weiher  umgeben,  ein  sogenanntes  Weiherhaus. 

Er  befand  sich  früher  im  Besitze  der  alten  Regens- 
burger Patricierfamilie  Paulsdorf  und  wurde  im  16. 
Jahrhundert  eine  Zeit  lang  während  der  Sommer- 
monate von  einer  aus  diesem  Geschlechte  stammenden 
Aebtissin  bewohnt.  Dieser  Thurm,  verbunden  mit 
einem  kleinen  Landgut,  kam  in  den  Besitz  eines  Land- 
manns und  erhielt  den  Namen  „der  sinkende  Thurm“, 
da  in  seiner  Umgebung  Schilf  und  andere  Wasser- 
pflanzen immer  höher  wuchsen , was  ihm  den  An  - 
schein  gab,  als  wäre  er  in  die  Erde  gesunken.  Auch 
erklärte  man  ihn  als  baufällig,  wiewohl  ich  und  mein 


272  — 


Begleiter  sich  überzeugten,  dass  er  noch  felsenfest 
sei,  trotzdem  schon  einmal  der  Blitz  hineingeschlagen 
hatte.  Man  suchte  nur  Gründe  zum  Niederreiss.en. 

Dieser  verlassen  dastehende  Thurm  mit  seiner 
einfachen  gothischen  Ornamentik,  umgeben  von  Men 
sehen,  die  ihn  nur  als  ein  unnützes  Ding  hinweg- 
wünschten, um  auf  diesem  kleinen  Raum  Futter  für 
Menschen  und  Vieh  zu  pllanzen,  machte  auf  mich 
einen  melancholischen  Eindruck,  ich  fühlte  mich  wie 
von  einem  Hauch  mittelalterlicher  Poesie  angeweht 
und  das  zwar  in  der  profansten  Umgebung. 

Ich  berichtete  die  Sachlage  an  das  k.  Ministerium 
und  führte  Gründe  an,  aus  welchen  es  sehr  wünschens- 
wertli  sei,  dass  dieses  interessante  Denkmal  erhalten 
bleibe.  Allein  unter  dem  <30.  Juli  1869  wurde  mir 
vom  k.  Ministerium  eröffnet:  „Nach  geptlogenen  Er- 
hebungen hat  der  alte  Thurm  etc.  zwar  einigen  künst- 
lerischen, jedoch,  nach  dem  Gutachten  des  historischen 
Vereins  der  Oberpfalz,  keinen  sonderlichen  historischen 
Werth,  und  dieser  seit  langer  Zeit  schon  schadhafte 
Thurm  ist  nunmehr  so  baufällig  geworden,  dass  seine 
Einlegung  in  sicherheitspolizeilichem  Interesse  geboten 
erscheint  etc.“ 

So  traf  dieses  schöne  Werk  das  schon  längst  vor- 
bereitete Loos,  es  wurde  niedergerissen,  wenn  man 
auch  den  zarten  Ausdruck  „Einlegen“  gebrauchte. 
Nur  gemeines  Interesse  hat  dabei  gesiegt. 

Es  musste  mich  besonders  schmerzen,  sogar  am 
historischen  Verein  keine  Stütze  zu  finden.  — Ich 
möchte  fragen,  hat  nur  das  historischen  Werth,  was 
in  einem  Buch  oder  einer  Urkunde  geschrieben  steht? 


273 


und  nicht  auch  das,  was  durch  Formen  und  Stil  den 
Charakter  eines  bestimmten  Jahrhunderts  an  sich  trägt 
und  dabei  an  eine  alte  verdienstvolle  Familie  erinnert? 

Leider  bin  ich  nicht  dazu  gekommen  , die  genaue 
Abbildung,  welche  ich  darnach  herstellte,  zu  veröffent- 
lichen. Dieser  Thurm  hatte  ein  Erdgeschoss,  das  als 
Stiegenhaus  und,  im  Falle  der  Noth,  zur  Vertheidigung 
diente,  und  darüber  ein  Wohnzimmer,  dessen  Fenster 
in  Abwechslung  gothisches  Masswerk  zeigten.  Das 
Dach,  wie  dessen  vorspringende  Fenster  waren  mit 
grünglasirten  Thonplatten  gedeckt  und  hatten  an  allen 
Kanten  gothische  Krappen  und  auf  allen  Dachspitzen 
Giebel-  oder  Kreuzblumen.  *) 

Ein  Jahr  darauf  hatte  ich  denselben  Misserfolg 
zu  verzeichnen  bei  einem  nicht  minder  werthvollen 
Baudenkmal,  obgleich  ich  zu  einer  gutachtlichen 
Aeusserung  vom  Ministerium  veranlasst  worden  war. 
Ich  wurde  nämlich  von  dieser  hohen  Stelle  beauf- 
tragt, mich  nach  dem  in  Mittelfranken,  nicht  weit 
von  Langenzenn,  gelegenen  Orte  Wilhermsdorf  **)  zu 
begeben,  um  das  dortige  Schloss  Burg-Milchling  zu 
untersuchen  und  darüber  Bericht  zu  erstatten. 

Auf  der  Hinreise  besuchte  ich  das  herrliche, 
wichtige  Cadolzburg  mit  dem  Ilohenzollern-Schlosse, 

ö O 

*)  Diese  Thonarbeiten  wären  in  der  Sammlung  mittelalter- 
licher Dachbedeckungen  des  germanischen  Museums  von  hohem 
Werth  gewesen. 

**)  Vergl.  Wibel,  Johann  Christian.  Historische  Beschreib- 
ung von  Wilhermsdorff , darinnen  von  des  Orts  Nahmen,  Lage, 
Erbauung , Ab-  und  Aufnahme , Besitzern  und  andern  Umständen 
etc.  zulängliche  Nachricht  gegeben  wird.  Nürnberg  1/42.  8°. 

18 


27  4 


erbaut  in  seiner  jetzigen  Gestalt  von  dem  Kur- 
fürsten Friedrich  I.  von  Brandenburg,  dessen  Wappen 
und  das  seiner  Gemahlin,  der  schönen  Else  von 
Bayern,  und  seines  Sohnes  Albrecht  Achilles  an 
der  äusseren  Schlossthormauer  noch  sichtbar  sind. 
Von  beiden  ersteren  befanden  sich  dort  auf  einem 
Altarbilde  aus  der  dortigen  Pfarrkirche  werthvolle 
Bildnisse,  welches  Gemälde  einige  fahre  später  von 
der  Kirchengemeinde  Cadolzburg  dem  Kronprinzen 
des  deutschen  Reiches,  dem  nachherigen  Kaiser  Fried- 
rich, zum  Geschenke  gemacht  wurde.  Nicht  weniger 
als  Cadolzburg  interessirte  mich  auch  Langenzenn 
mit  seiner  damals  noch  wohlerhaltenen  Stadtmauer, 
seinen  Thor-  und  Mauerthürmen,  mit  dem  ehe- 
maligen Augustinerkloster  und  der  dreischiffigen 
gothischen  Kirche. 

Das  Schloss  in  Wilhermsdorf , die  Burg  Milchling, 
eine  sogenannte  Wasserburg,  d.  h.  eine  in  der  Ebene 
stehende,  von  allen  Seiten  mit  Wasser  umgebene  und 
dadurch  in  der  Vertheidigung  geschützte  Burg,  ge- 
hörte ehedem  dem  Geschlechte  der  Herren  von  Wil- 
hermsdorf, das  im  Jahre  1569  ausgestorben  ist.  Drei 
fahre  vor  seinem  Tode  hatte  der  Letzte  seines  Namens, 
Wolfgang  von  Wilhermsdorf,  seine  Besitzungen  an  die 
aus  I Iessen  stammenden  Herren  Schutzbar  (Schutzpere) 
genannt  Milchling  verkauft,  welche  das  1560  abge- 
brannte Schloss  wieder  aufbauten,  es  Burg  Milchling 
nannten  und,  als  sie  1569  in  den  Freiherrnstand  er- 
hoben wurden,  sich  danach  Freiherren  von  Milchling 
schrieben.  Nach  ihrem  Aussterben  i.  |.  1656  kam  das 
Schloss  mit  allem  dazu  Gehörigen  in  verschiedene 


275 


Ilände,  bis  es  1666  von  dem  Grafen  Wolfgang  Julius 
von  Hohenlohe  erworben  wurde,  der  es  einige  Jahre  dar- 
auf umbauen  liess.  Im  Besitze  der  Familie  I lohenlohe 
blieb  es  lange  Zeit;  Ende  vorigen  Jahrhunderts  er- 
warb es  die  Familie  von  Wurster,  nach  deren  Er- 
löschen es  in  unserm  Jahrhundert  an  den  Staat  fiel. 

Ich  erkannte  bald,  dass  der  Bau  für  die  Ge- 
schichte deutscher  berühmter  Geschlechter  von  be- 
sonderem Werthe  war,  wie  die  darin  befindlichen 
Wappen  und  Gedenktafeln  der  Herren  von  Milchling, 
der  Grafen  und  Fürsten  von  Hohenlohe,  von  Styrum*) 
u.  s.  w.  bewiesen.  Unter  diesen  Denksteinen  fiel  mir 
besonders  der  einer  Gräfin  Hohenlohe,  „Sophia  Eleo- 
nora,  geb.  Herzogin  zu  Schleswig-Holstein,  Erbin  von 
Norwegen  etc.“  auf.  Es  war  dies  die  erste  Gemahlin 
des  oben  genannten  Grafen  Wolfgang  Julius,  General- 
Feldmarschall,  Obrister  etc. 

Ebenso  sah  ich  aber  auch,  dass  das  Schloss 
wahrhaft  barbarisch  behandelt  wurde,  was  bei  einem 
werthvollen  Staatsgut  gewissenlos  und  unverantwort- 
lich war.  Es  wurde  an  Bewohner  der  Umgegend  ver- 
miethet,  welche  Früchte,  Ackergeräthe  etc.  darin  aufbe- 
wahrten, Holz  darin  klein  machten,  Thüren  und 
Fenster  zerschlugen.  Man  sagte  mir,  der  Miethertrag 
sei  60  Gulden,  der  dafür  angerichtete  Schaden  be- 
trug reichlich  das  Zehnfache.  Eingeschlagene  Fenster- 
scheiben wurden  nicht  mehr  ersetzt,  ganze  Kreuz- 

*)  Von  1/66 — 69  hatte  dort  der  prachtliebende  Fürst  Ferdi- 
nand von  Limburg-Styrum  residirt.  Vergl.  Götz , Willi.  Geo- 
graphisch-historisches Handbuch  von  Bayern.  II.  Band.  München 
1898.  8n.  Seite  405. 


18* 


27b 


stocke  mit  alten  Fensterscheiben  wurden  durch  daran 
gebundene  Waschseile  eingerissen  und  nicht  mehr 
vom  Boden  aufgehoben,  ja  nicht  einmal  die  Fenster- 
öffnungen gegen  Regen  und  Schnee  mit  Brettern  ge- 
schlossen. 

Es  geschah  aber  noch  Anderes,  was  den  Mieths- 
leuten  nicht  zur  Last  gelegt  werden  konnte.  Wie 
mir  Augenzeugen  versicherten , wurde  wenige  Jahre 
vorher  ein  Wagen  werthvoller  Gobelins,  die  man 
herausgerissen  hatte,  fortgeschafft,  auch  wurden  viele 
zierliche  Schlösser  von  noch  gut  erhaltenen  Tlniren 
abgebrochen. 

Es  sollte  zwar  von  Seiten  des  Staates  jährlich 
ein  Beitrag  zur  Erhaltung  des  Schlosses  verwendet 
werden,  doch  scheint  dies  nicht  ausgereicht  zu  haben, 
denn  in  den  vier  Eckthürmen,  den  schwächsten  Theilen 
des  Baues,  konnte  man  den  blauen  Himmel  durch 
das  Dach  sehen,  gerade  an  den  Stellen,  wo  durch  Ein- 
dringen des  Wassers  die  Baufällmkeit  am  meisten 
herbeigeführt  wurde. 

Von  den  Bewohnern  des  Ortes  wurde  ich  aufs 
inständigste  gebeten,  dahin  zu  wirken,  dass  das  Schloss 
erhalten  bleibe;  mit  seinem  Verschwinden  würde  jedes 
Ansehen  und  jede  Bedeutung  des  Ortes  verloren  gehen; 
überdies  wisse  man  ja  nicht,  wie  durch  Veränderung 
der  Verhältnisse  oder  des  Verkehrs  noch  ein  Landsitz 
oder  ein  Fabrikgebäude  daraus  gemacht  werden  könne. 

Obgleich  nun  mein  Bericht  alles  dies  genau  schil- 
derte, und  ich  die  eindringlichste  Bitte  um  Erhaltung 
des  Schlosses  stellte,  da  der  Staat  bei  allen  ähnlichen 
Zerstörungen  niemals  gewonnen,  sondern  jedesmal 


verloren  habe,  so  war  es  doch  vergebens,  das  denk- 
würdige Schloss  wurde  dem  Erdboden  gleich  gemacht. 

Ich  konnte  nichts  mehr  davon  retten,  als  die 
Marmortafeln  mit  den  erwähnten  Namen  und  Wappen 
der  Besitzer,  die  sich  im  Ilofe  des  Schlosses  befanden, 
und  die  ich  in  dem  Garten  des  Nationalmuseums  in 
die  Mauer  einsetzen  Hess,  ferner  von  der  reichen 
Ornamentik  im  Innern  schöne  einzelne  Theile  für  die 
Sammlung  der  Holzornamente  des  Museums  und 
ausserdem  mehrere  Werke  der  Schmiedekunst,  darunter 
ein  kunstvolles  Balkongitter. 


XXXVII.  Die  Kunstgewerbemuseen  zu  Wien 
und  Berlin. 

Der  Gedanke,  den  ich  von  jeher  als  den  leiten- 
den bei  Museen  betrachtete,  nämlich,  dass  sie  Lehr- 
anstalten zur  Bildung  des  Geschmackes  und  Vorbilder- 
Sammlungen  für  Gewerbetreibende  sein  müssten,  tauchte 
auch  an  anderen  Orten  auf  und  wurde  dort  zur  That 
umgewandelt. 

Als  Eitelberger  von  Edelberg-  noch  Professor  der 
Kunstgeschichte  in  Wien  war,  verweilte  er  einige 
Male  bei  mir  in  München.  Wir  waren  in  so  Vielem 
gleicher  Ansicht  und  beklagten  gemeinschaftlich , dass 
die  vielen  Kunstwerke  unserer  Vorfahren,  wohl  als 
Kostbarkeiten  aufbewahrt  würden , jedoch  noch  zu 
wenig  Einfluss  auf  Kunst  und  Kunsthandwerk  unserer 
Tage  ausübten. 

Es  fand  nun  im  Jahre  1862  in  London  die  zweite 
Weltausstellung  in  den  Räumen  des  Kensington- 


278 


Museums  statt,  bei  welcher  Eitelberger  als  Mitglied 
der  österreichischen  Kommission  für  bildende  Kunst 
thätig  war.  Hier  regte  sich  in  ihm  die  Frage,  woher 
es  komme,  dass  Oesterreichs  Industrie  in  allem,  was 
Technik  und  die  einschlagenden  Wissenschaften  an- 
belange,  von  keinem  andern  Staat  übertroffen  sei, 
jedoch  in  dem,  was  Geschmack  und  Stilisirung  be- 
treffe, den  Werken  Frankreichs  und  Englands  weit 
nachstehe. 

Die  Ursache  davon  erklärte  Eitelberger  in  einem 
gründlichen  Gutachten  dahin,*)  dass  in  früheren  Jahr- 
hunderten Kunst  und  Handwerk  stets  verbunden  waren, 
und  die  Kunst  von  den  Werkstätten  ausgehend  ein 
Bedürfniss  des  Lebens  wurde,  während  in  unseren 
Tagen  Kunst  und  Kunsthandwerk,  aus  dem  öffent- 
lichen und  bürgerlichen  Leben  zurückgezogen,  fast 
nur  als  Luxusartikel  die  Museen  und  Paläste  der 
Reichen  zieren. 

Kaiser  Franz  Joseph  erkannte  die  Wahrheit  dieser 
Worte  und  gab  durch  ein  Handbillet  den  Befehl  ein 
Kunstgewerbemuseum  oder  wie  die  officielle  Bezeich- 
nung lautete  ein  „Oesterreichisches  Museum  für  Kunst 
und  Industrie“  zu  errichten.  Weil  dazu  aber  noch  kein 
Bau  vorhanden  war,  und  der  Kaiser  die  Sache  als 
dringend  erachtete,  stellte  er  vor  der  Hand  das  alte 
kaiserliche  Ballhaus  zur  Verfügung  und  ordnete  an, 
dass  ausser  den  mustergültigen  Werken,  die  zu  solchen 
Zwecken  anzuschaffen  seien , auch  Kunstschätze  des 
kaiserlichen  I Iauses  und  des  Staates  leihweise  abgegeben 


*)  Vergl.  Eitelberger  von  Edelberg,  R.  Gesammelte  Kunst- 
historisehe Schriften.  Wien  18/9.  8°.  Rand  II.  Seite  81  — 117- 


270 


werden,  mit  dem  Bemerken,  dass  er  mit  Zuversicht 
von  dem  bewährten  Patriotismus  der  Gemeinden,  ins- 
besondere der  Stadt  Wien , des  Adels  und  des  übrigen 
besitzenden  Publikums  erwarte,  man  werde  in  gleicher 
W eise  dem  Museum  geeignete  Kunstwerke  zeitweise 
einverleiben. 

Es  wurde  dieses  Museum  bald  als  praktische  Lehr- 
anstalt mit  Kopirsaal,  Fachbibliothek,  Kupferstich- 
sammlung  etc.  versehen.  Dazu  kamen  eine  Gipsgiesserei 
und  eine  galvanoplastische  und  photographische  Anstalt, 
wodurch  die  besten  Werke  der  verschiedenen  Perioden 
durch  Reproductionen  jeder  Art  als  Vorbilder,  wie 
besonders  als  Anregung  zum  freien  und  selbstständigen 
Schaffen,  in  alle  betreffenden  Lehranstalten  und  Werk- 
stätten gelangen  konnten. 

Wenn  es  auch  ausser  Eitelberger  schon  Männer 
gab,  die  ähnliche  praktische  Ideen  anregten,  so  fehlte 
es  dabei  doch  meistens  an  dem  Machtwort  eines  hohen 
Herrn,  das  solchen  Gedanken  die  Lebenskraft  verlieh. 

Einige  Jahre  später  hat  unser  talentvoller  und 
nachher  so  unglücklicher  König  Ludwig  II.  die  Nutz- 
barmachung des  Nationalmuseums  für  kunstgewerb- 
liche Zwecke  gleichfalls  in  einem  Handschreiben  be- 
fohlen. Ich  werde  noch  in  ausführlicher  Darstellung 
darauf  zurückkommen  und  wende  mich  nun  zu  der 
Gründung  des  Kunstgewerbemuseums  in  Berlin. 

Mit  dem  Jahre  1867  traten  in  Berlin  Männer 
zusammen,  welche  beschlossen,  dahin  zu  wirken,  dass 
ausser  den  schon  existirenden  Museen  noch  ein  solches 
für  Kunstgewerbe  entstehe.  Man  dachte  dabei , die 
Sammlung,  die  schon  früher  Herr  von  Minutoli  zu 


280 


Liegnitz  in  diesem  Sinne  zusammengebracht  hatte,  als 
Grundlage  zu  erwerben.  Mit  dem  Beginne  des  ge- 
nannten Jahres  wurde  ich  von  Berlin  aus  ersucht,  dem 
Comite  beizutreten,  welches  in  Liegnitz  die  Sammlung 
nach  jeder  Richtung  hin  prüfen  und  deren  Werth  be- 
stimmen sollte.  Ich  traf  am  16.  April  in  Liegnitz  ein; 
das  Comite  bestand  aus  Gropius,  Professor  und 
Landesbaumeister,  Hermann  Weiss,  Maler  und  Pro- 
fessor, Ehester,  Fabrikbesitzer,  Sussmann -Hellborn, 
Bildhauer,  Friedrich  Mayer,  Antiquar  und  mir,  dem 
einzigen , der  nicht  aus  Berlin  dazu  gekommen  war. 
Die  acht  Tage,  welche  wir  mit  Untersuchung  der 
Sammlung,  Austausch  unserer  Ansichten  und  Erfahr- 
ungen zubrachten,  waren  für  mich  werlhvoll,  belehr- 
end und  angenehm.  • Wir  konnten  aber  nicht  unbe- 
dingt für  die  Anschaffung  der  Sammlung  stimmen,  da 
100000  Thaler  dafür  verlangt  wurden.  Ich  erkannte 
damals  auch,  mit  welchem  Glück  und  wie  billig  ich 
für  mich  bis  zum  Jahre  1850,  und,  von  da  an, 
für  den  Staat  Kunstwerke  und  Alterthümer  erworben 
hatte. 

Von  Liegnitz  reisten  wir  zusammen  nach  Berlin,  um 
daselbst  über  Gründung  des  jetzt  in  grosser  Bltithe 
stehenden  Kunstgewerbemuseums  zu  berathen. 

Obgleich  ich  die  meisten  meiner  Freunde,  welche 
ich  vor  17  Jahren  dort  getroffen  hatte,  nicht  mehr  an- 
traf, fand  ich  doch  auch  jetzt  wieder  die  freundlichste 
Aufnahme.  Bald  nach  meiner  Rückkehr  nach  München 
trat  jenes  Museum  ins  Leben.  Man  zeigte  mir  an, 
aus  welchen  Männern  sich  die  Vorstandschaft  gebildet 
hatte,  es  waren:  der  Herzog  von  Ratibor,  Ministerial- 


direktor  von  Delbrück,  Professor  Gropius,  Geheimer 
Rath  Waagen,  Assessor  Lehfeld,  Geheimer  Rath 
Wehrmann,  Bildhauer  Sussmann  - Hellborn , Architekt 
Grunow,  Professor  Reuleaux,  Maler  Ewald,  Kommer- 
zienrath  Kuhnheim,  Dr.  Rosenthal  und  Dr.  Schwabe. 


XXXVIII.  Ernennung  zum  Direktor  des  bayeri- 
schen Nationalmuseums. 

Bald  darauf,  im  Jahr  1868  am  29.  April,  kam 
von  Berlin  die  Nachricht,  dass  Aretin  daselbst  plötz- 
lich gestorben  sei.  Als  dem  König  dieses  berichtet 
wurde,  war  derselbe  sogleich  entschlossen , mir  dessen 
Stelle  zu  übergeben.  Wenige  Tage  darauf  erhielt  ich 
das  Decret. 

Nachdem  ich  mein  Amt  als  Direktor  angetreten  hatte, 
wurde  ein  Comite  des  Generalconservatoriums  berufen, 
das  aus  den  Herren  Oberbaurath  von  Voit,  Graf  Pocci, 
Baurath  Denzinger,  Direktor  Essenwein,  Graf  Hundt 
und  Direktor  Philipp  Foltz  bestand.  Dessen  erste  und 
letzte  Zusammenkunft  fand  im  Juli  unter  dem  Vorsitze 
des  Herrn  Ministers  von  Gresser  und  zweier  Ministerial- 
räthe  statt. 

In  dieser  Sitzung  brachte  ich  in  Vorlage,  was 
ich  in  diesen  drei  Monaten  aufgefunden  hatte,  und 
machte  Vorschläge  zur  Erhaltung  mancher  Denkmale. 

Gegen  Schluss  der  Sitzung  traf  ein  Kabinets- 
schreiben  ein,  welches,  durch  Minister  von  Gresser 
vorgelesen,  alle  Anwesenden  in  hohem  Grade  über- 
raschte, es  wurde  mir  darauf  im  Ministerialrescript 
zugestellt,  das  ich  hier  folgen  lasse,  weil  es  für  das 


282 


klare  Verständniss  des  Monarchen  Zeugniss  gibt.  Es 
lautete : 

„Seine  Majestät  haben  dem  unterfertigten  k. 
Staatsministerium  Allerhöchst  den  Auftrag  zu  ertheilen 
geruht,  im  Benehmen  mit  Fachmännern  in  reifliche  Er- 
wägung zu  ziehen,  in  welcher  Weise  zur  Vervielfältig- 
ung der  Schätze  des  bayerischen  Nationalmuseums 
und  anderer  Kunstsammlungen  Münchens,  durch  Ab- 
bildung und  Abformung  ein  photographisches  Institut 
und  eine  Gipsgiesserei  etwa  in  Verbindung  mit  dem 
Nationalmuseum  errichtet  werden  könnte,  um  hiedurch 
die  Sammlungen  und  ihre  Schätze  für  das  vaterländ- 
ische Kunstgewerbe  und  die  bayerische  Industrie  mög- 
lichst nutzbar  zu  machen.  Ebenso  soll  eine  Fachbiblio- 
thek in  das  Leben  gerufen  werden,  in  welcher  tüch- 
tige auf  Kunst  und  Kunstindustrie  bezügliche  Bilder 
und  Druckwerke  älterer  und  neuerer  Zeit  zu  finden 
sind.  Die  jüngst  versammelte  Commission  für  Erhalt- 
ung der  Kunstdenkmale  und  Alterthümer  des  Landes 
hat  unter  Bezugnahme  auf  die  in  anderen  Ländern 
bereits  bestehenden  derartigen  Einrichtungen  die  Er- 
richtung solcher  Anstalten  auch  für  die  bayerischen 
Kunstsammlungen  für  höchst  wünschenswerth  erachtet 
und  sich  für  möglichst  baldige  Verwirklichung  der 
Allerhöchsten  Absichten  ausgesprochen.  Da  die  be- 
absichtigte photographische  Anstalt  und  Gipsgiesserei, 
sowie  die  kunstgewerbliche  Fachbibliothek  in  thun- 
lichste  Verbindung  mit  dem  Nationalmuseum  gebracht 
werden  soll,  so  erhält  die  Direktion  des  Bayerischen 
Nationalmuseums  den  Auftrag,  in  einem  wohlmotivirten 
Berichte  gutachtlich  sich  darüber  auszusprechen  : 


283 


1.  ob  die  dem  Museum  zur  Verfügung  stellenden 
Räume  die  Errichtung  solcher  Anstalten  im  Gebäude 
und  auf  dem  Areale  des  Museums  gestatten, 

2.  welcher  Kostenaufwand  hiefür  und  zwar  so- 
wohl für  die  erstmaligen  Einrichtungen  als  für  den 
späteren  Betrieb  an  Personal-  und  Realexigenz  nach 
einem  annähernd  gegriffenen  Voranschläge  erwachsen 
würde , 

3.  welche  Summe  alljährlich  zu  den  Anschaffungen 
für  die  kunstgewerbliche  Fachbibliothek  erforderlich 
und  zu  verwenden  wäre  ? 

Bei  der  Begutachtung  sind  die  drei  Anstalten  ge- 
trennt zu  behandeln  und,  soweit  in  baulicher  Bezieh- 
ung Voranschläge  zu  machen  sind,  mit  der  k.  Baube- 
hörde München  II.  das  entsprechende  Benehmen  ein- 
zuleiten. 

Da  durch  die  Berichterstattung  der  Direktion  der 
Vollzug  eines  Allerhöchsten  Auftrages  bedingt  ist,  so 
wird  thunlichster  Beschleunigung  entgegengesehen. 

München,  den  29.  Juli  1868. 

Auf  Seiner  Königlichen  Majestät  allerhöchsten  Befehl. 

v.  Gresser. 

An  die  Direktion  des 
Bayerischen  Nationalmuseums. “ 

Aus  Gründen  musste  ich  besorgen,  dass  der  in 
dem  Kabinetsschreiben  berührte  Kostenpunkt  von  irgend 
einer  Seite  benützt  werde,  um  der  guten  Sache  Steine 
in  den  Weg  zu  werfen;  deshalb  erklärte  ich,  dass 
die  Sache  kostenfrei  hergestellt  werden  könne,  weil 
die  Reproductionsanstalten  keine  Kosten  verursachten, 


284 


wenn  man  dem  Reproducenten  , nach  vorgeschriebenen 
massigen  Preiskouranten  unter  Ueberwachung  von 
Seite  des  Museums  und  der  Beifügung  des  Stempels 
desselben,  die  Einnahme  überliesse.  Was  die  anderen 
Bedürfnisse  betreffe,  so  glaubte  ich,  dass  die  wenigen 
Mittel  fürs  Erste  ausreichen  würden. 

Diese  meine  Erklärung  war  dem  Herrn  Minister 
von  Gresser  sehr  angenehm,  weil  er  dadurch  man- 
chem Unangenehmen  entging,  zumal  schon  Unberufene 
ihre  Hand  im  Spiel  hatten. 


XXXIX.  Bauliche  u.  menschliche  Erbärmlichkeit. 

Als  ich  mein  Amt  als  Direktor  des  National- 
museums antrat,  begann  für  mich  ein  Leben  wie 
Himmel  und  Hölle  nebeneinander;  der  Himmel, 
weil  ich  Ideale  meiner  Jugend  verwirklicht  sah,  und 
weil  ich  hoffte,  noch  manches  Schöne  und  Nützliche 
schaffen  und  mich  dessen  an  der  Seite  theilnehmender 
Freunde  erfreuen  zu  können.  Die  Hölle  war  Bosheit, 
Neid  und  Dummheit  einer  bestimmten  Menschenklasse, 
wodurch  der  Museumsbau  schon  vorneherein  unter- 
minirt  war,  und  mir  das  Leben  sauer  gemacht  wurde. 

Es  ist  wohl  natürlich,  dass  Aretin,  mein  Vor- 
gänger in  diesem  Amte,  der  selbst  kein  Bauverständiger 
war,  und  der  auch  nicht  einmal  bei  den  Bauarbeiten, 
so  wenig  wie  ich,  zugelassen  wurde,  nach  so  vielen 
Sorgen  und  Mühen,  in  Ueberstürzung  den  Bau  über- 
nahm und  mit  den  enormen  Schätzen  bezog. 

Es  zeigten  sich  die  baulichen  Gebrechen  in  er- 
schreckender Weise.  In  den  Kellerwerken  waren  alle 


285 


Gewölbe  gespart;  sie  waren  nur  mit  Balken  bedeckt, 
darauf  feuchter  Schutt  und  schlecht  gebrannte  Thon- 
platten. Da  die  untersten  Räume  keinen  Luftzug 
hatten,  waren  alle  Balken  schon  in  der  kürzesten  Zeit 
verfault.  Bereits  in  der  ersten  Woche  meiner  Ver- 
waltung entstand  ein  grosses  Lärmen,  ein  fremder 
Besucher  des  Museums  war  durchofebrochen  und  in  das 
Souterrain  gestürzt,  aus  welchem  Fäulniss-  und  Moder- 
dunst aufstieg.  Er  wurde  herausgezogen,  ich  eilte 
hinzu,  um  ihm  mein  Bedauern  auszusprechen;  allein 
er  war  verschwunden  und  hat  wohl  eine  schöne  Er- 
innerung für  sein  ganzes  Leben  aus  der  Kunststadt 
München  mit  in  seine  Heimath  genommen. 

Die  Fussböden  der  dreissig  Säle  des  ersten  Stockes, 
oder  der  mittleren  Etage,  bestanden  aus  Balken  von 
nicht  gehörig  getrocknetem  Holze , zwischen  ihnen  war 
nur  der  sogenannte  Fehlboden  lückenhaft  eingesetzt, 
darüber  noch  nicht  ausgetrockneter  Schutt;  darauf 
hatte  man  nicht  den  nöthigen  Blindboden,  sondern 
schlechtgebrannte  Thonplatten  gelegt,  die  bei  jedem 
Tritte  schwankten  und  veranlassten , dass  der  Schutt 
und  das  Steingeröll  in  die  unteren  Räume  fiel.  Es 
gingen  daher  die  Balken,  besonders  da,  wo  sie  an 
beiden  Enden  in  die  Mauer  eingelassen  waren,  in 
Fäulniss  über.  Alle  Balken,  Schutt  etc.  mussten  mit 
vielem  Verdruss  von  meiner  Seite  hinausgeschafft 
und  durch  neues  Material,  mit  Parketböden  ersetzt 
werden. 

Zur  Zeit,  als  schon  ein  Theil  der  Säle  mit  neuen 
Böden  versehen  war,  aber  ein  anderer  Theil  nur  die 
freistehenden  faulen  Balken  zeigte,  zwischen  denen 


286 


man  in  die  Tiefe  schaute,  wurde  mir  der  Kaiser  von 
Oesterreich  angemeldet. 

Schon  vor  meiner  Uebernahme  waren  die  von 
König  Max  angegebenen  150  Wandgemälde  mit  Scenen 
aus  der  bayerischen  Geschichte  fast  vollendet,  die  den 
Kaiser  sehr  interessirten.  Die  Thüren  zu  jenen  Sälen, 
welche  nur  die  faulen  Balken  zeigten , hatte  ich  aus 
Vorsicht  mit  Brettern  schliessen  lassen.  Nachdem  der 
Kaiser  die  schon  hergestellten  Säle  durchwandert  hatte, 
wollte  er  auch  die  Gemälde  jener  versperrten  Säle 
sehen.  Ich  liess  die  Bretter  von  den  Thüren  hinweg- 
nehmen und  glaubte,  der  Kaiser  würde  nur  durch  die 
Thüren  hineinsehen,  allein  ehe  ich  ein  Wort  sprechen 
konnte,  stieg  er  mit  grossen  Schritten  von  einem  Bal- 
ken auf  den  andern.  Ich,  im  grössten  Schrecken,  hatte 
noch  die  Besinnung,  keinen  Ton  von  mir  zu  geben, 
sondern  in  raschen  Schritten  nachzueilen,  jedoch  ohne 
mit  dem  Kaiser  auf  denselben  Balken  zu  treten,  doch 
erreichte  er  glücklich  den  nächsten  Saal. 

Als  sich  Se.  Majestät  entfernt  hatte,  und  ich  mir 
den  Angstschweiss  abtrocknete,  rief  ich  meine  Leute, 
nahm  einen  Hammer  und  schlug  auf  einen  Balken, 
der  sogleich  in  die  Tiefe  stürzte,  wodurch  ich  zeigte, 
welche  Gefahr  vorhanden  war. 

Während  ich  mit  dem  Einrichten  dieser  dreissig 
Säle  sehr  in  Anspruch  genommen  war,  zeigte  sich, 
unter  dem  Bewurf,  dass  alle  breiten  Thüren,  die  von 
einem  Saal  in  den  andern  führten , in  ihren  oberen 
horizontalen  Abschlüssen  keine  Wölbung,  kein  I Iolz  oder 
Eisen  hatten , sondern  dass  die  Backsteine  ohne  jeden 
Halt  mit  Mörtel  an  einander  geklebt  waren.  Es 


287 


stellte  sich  heraus,  dass  diese  Steine  schon  vor 
meinem  Amtsantritt  herabzustürzen  drohten,  weshalb 
man  Eisenkeile  in  ihre  Fugen  eingeschlagen  hatte, 
um  vor  der  Hand  durch  eine  gewisse  Spannung  das 
Herabstürzen  hinzuhalten.  Um  die  liederliche  Arbeit 
zu  verbergen,  hatte  man  sie  mit  Mörtel  überstrichen. 

Die  grösste  Sorge  machte  mir  aber  die  Feuer- 
gefährlichkeit des  Baues,  denn  bis  zum  zweiten  Stock 
oder  bis  zur  dritten  Etage  führte  nur  eine  Stiege, 
zwar  von  Stein,  aber  die  Fortsetzung  bis  unter  das 
hölzerne  Dachwerk  bestand  nur  in  einer  verborgenen 
hölzernen  Treppe,  und  der  Dachraum  selbst  lief  über 
die  ganze  Länge  des  Baues  hin,  ohne  irgend  eine 
Zwischen-  oder  Brandmauer.  Die  Feuerwehr  und 
deren  Vorstand  erklärten,  dass  bei  Ausbruch  eines 
Brandes  das  Ganze  unrettbar  verloren  sei,  zumal  kein 
Mann  unter  das  Dach  oder  die  obersten  Räume  ge- 
langen könne,  ohne  zu  ersticken.  Ich  machte  den 
Vorschlag,  steinerne  Wendel-  oder  Nothtreppen  an 
beiden  Enden  der  Rückseite  des  Baues  anzubringen, 
auf  denen  man  schnell  in  ein  jedes  Stockwerk,  unter 
das  Dach,  wie  auf  dasselbe,  und  ebenso  zurück  ge- 
langen könne.  Allein  die  Baubehörde  beschloss  bei 
einer  Berathung  in  dem  Museum,  die  Wendeltreppen 
nur  bis  in  den  ersten  Stock  zu  führen ; nach  meiner 
Ueberzeugung  eine  nutzlose  Arbeit.  Ich  war  zwar 
selbst  bei  dieser  Kommission  zugegen,  konnte  aber 
nicht  mitreden,  da  mich,  in  Folge  der  vorausgegange- 
nen Anstrengung  und  Aufregung,  eine  Ohnmacht 
überfiel.  Ich  muss  indessen  bemerken,  dass  Oberbau- 
rath von  Voit  und  Baudirektor  von  Hermann  nicht 


288 


dabei  waren.  Als  ich  Gegenvorstellungen  machte,  be- 
deuteten mir  zwei  Herren  Ministerialräthe  mit  ernster 
Amtsmiene,  ich  solle  wohl  bedenken,  was  das  heisse, 
einem  bereits  gefassten  Beschluss  des  königlichen  Mi- 
nisteriums entgegenzutreten.  Ich  dachte  aber , die  Un- 
gnade des  Ministeriums  ist  leichter  zu  ertragen,  als 
der  Vorwurf,  gegen  Gewissen  und  Ueberzeugung  ge- 
handelt zu  haben. 

Ich  klagte  meine  Noth  dem  Herrn  Regierungs- 
präsidenten von  Zwehl,  der  sich,  da  er  nicht  mehr 
Minister  war,  in  Ministerialangelegenheiten  nicht  ein- 
mischen  konnte,  er  gab  mir  jedoch  den  Regierungs- 
und Baurath  Klumpp  als  Experten  an  die  Seite,  der 
meinen  Plan  billigte  und  durch  ein  ausführliches  Gut- 
achten bekräftigte.  Das  Ministerium  fand  es  nun  doch 
für  gut,  meinen  Plan  prüfen  zu  lassen  und  ihn  schliess- 
lich zu  genehmigen. 

Mit  Mühe  erreichte  ich,  dass  der  Raum  über 
dem  Treppenhaus  in  Mitte  des  ganzen  Baues  auf 
beiden  Seiten  mit  Brandmauern  abgeschlossen  wurde. 
Da  ich  aber  bei  Vollendung  derselben  auf  einer  kleinen 
Reise  war,  führte  man  die  Mauern  nicht  durch  das 
Dach,  sondern  nur  bis  unter  dasselbe,  so  dass  es 
keine  Brandmauern  waren,  indem  das  Bretter-  und 
Balkenwerk  darüber  hinweglief.  Mit  Verdruss  musste 
ich  nun  wieder  erwirken,  dass  das  Dach  durchschnitten 
und  die  Mauern  darüber  hinausgeführt  wurden.  Auch 
manches  andere  setzte  ich  zur  Sicherstellung  nur  mit 
Unannehmlichkeiten  durch,  wie  eiserne  Thüren  an 
einigen  I Iaupteingängen , Hydranten  in  mehreren 
Sälen  *u.  s.  w. 


2<S«) 


'Trotz  Allem  hatte  der  Bau  schon  von  vorneherein 
doch  grosse  Vorzüge  vor  gar  manchen  anderen  Mu- 
seen, wie  z.  B.  dem  berühmten  Hotel  de  Cluny  in 
Paris  und  dem  Germanischen  Museum  in  Nürnberg. 
Dies  sind  Gebäude,  welche  ursprünglich  nicht  für 
Museen  , sondern  für  kirchliche  und  klösterliche  Zwecke 
bestimmt  waren;  sie  sind  an  und  für  sich  historisch 
interessante  Baudenkmale,  jetzt  aber  muss  man  in 
ihnen  durch  Aufschrifttafeln  und  Wegweiser  dem 
Vorwurf  eines  Labyrinthes  möglichst  begegnen.  Was 
das  Germanische  Museum  betrifft,  so  kann  man  dem 
Freiherrn  von  Aufsess  nicht  genug  danken , dass  er 
die  Karthause  vom  Abbruch  errettet  und  dadurch  das 
Germanische  Museum  ermöglicht  hat. 

Die  Umfassungsmauern  des  Nationalmuseums  in 
München  haben  sich  als  zureichend  stark  erwiesen, 
die  Säle  sind  hell  und  laufen,  fast  ohne  Ausnahme, 
geradlinig  in  einander,  was  die  Uebersicht  ganzer 
chronologischer  Reihenfolgen  und  dadurch  das  Stu- 
dium, wie  die  Ueberwachung  sehr  erleichtert.  Das 
Ganze  hat  eine  Facade,  an  deren  Ornamentirung  wohl 
manches  auszusetzen  ist,  deren  Totaleindruck  aber 
schon  von  Ferne  den  inneren  Zweck  für  Sammlungen 
in  Kunst  und  Wissenschaft  deutlich  ausspricht,  wie 
es  auch  bei  der  Staatsbibliothek  in  München  der  Fall 
und  bei  allen  ähnlichen  Gebäuden  eine  Ilauptbeding- 
ung  ist. 

Die  schon  erwähnten  150  grossen  Wandgemälde 
mit  Darstellungen  aus  der  Geschichte  Bayerns, 
bis  auf  sieben  ausgeführt,  waren  die  Lieblingsidee  des 
König  Max  II.  und  gaben  die  Veranlassung  zu  dem 

19 


290 


Nationalmuseum.  Mag  man  über  den  Kunstwerth 
jener  Wandgemälde  sagen,  was  man  will,  so  würden 
sie  unter  ähnlichen  Verhältnissen  in  unseren  'Pagen 
nicht  besser  hergestellt ; es  waren  viele  der  nam- 
haftesten Küntler  jener  Zeit  dabei  beschäftigt.*)  Diese 
Gemälde  waren  indess  auch  oft  für  den  Hauptzweck 
des  Museums  von  Nutzen,  denn  ein  grosser  Theil  des 
höheren  wie  des  niederen  Publikums  hat  wenig  In- 
teresse für  das  Wesentliche  des  Nationalmuseums  und 
wurde  nur  durch  diese  ins  Auge  fallenden  Gemälde 
angezogen,  wobei  oft  der  Blick  auf  manches  Andere 
gelenkt  wurde,  was  für  das  ganze  Leben  Interesse 
bot  oder  auch  einen  Lebensberuf  bilden  konnte,  wo- 
für ich  manche  sprechende  Beweise  anführen  könnte. 
Der  König  gab  auch  in  seiner  edlen  und  wohlwollen- 
den Gesinnung  dem  Museum  die  Aufschrift  „Meinem 
Volk  zu  Ehr’  und  Vorbild.“  Das  Ganze  liegt  nicht 
nur  in  der  günstigsten  Lage  der  Stadt,  sondern  auch 
in  der  Strasse,  welche  derselbe  König  gegründet  hatte, 
und  deren  Abschluss  das  schöne  Broncedenkmal  dieses 
Königs  bildet. 

Ich  war  damit  beschäftigt,  einen  Plan  herzustellen, 
nach  welchem  der  oberste  Aufbau,  durch  Fortsetzung 
nach  beiden  Seiten,  die  Breite  des  ganzen  Museums 

*)  Unter  ihnen  wären  besonders  zu  erwähnen:  Max  Adamo, 
Franz  Xaver  Barth,  Feodor  Dietz,  Karl  Emil  Doepler,  Michael 
Echter,  Joseph  Flüggen,  Wilhelm  1 lauschild,  August  von  Heckei. 
Anton  Muttenthaler,  Ferdinand  Piloty,  Theodor  Pixis,  Ludwig 
Thiersch , Alexander  Wagner  und  Richard  Zimmermann. 
Vergl.  Spruner,  Carl  von , Charakterbilder  aus  der  bayerischen 
Geschichte.  Zur  Erläuterung  der  Wandbilder  des  bayerischen 
Nationalmuseums.  München  18/8.  8°. 


261 


erhalten  hätte  und  ein  Anbau  oder  eine  Fortsetzung 
nach  der  Seitenstrasse  in  gleicher  Höhe  mit  dem 
ganzen  Museum  hergestellt  und  dadurch  das  ganze 
Nationalmuseum  um  36  geräumige  helle  Säle  erweitert 
und  unter  ein  eisernes  Dach  gebracht  worden  wäre. 
Nach  allem  dem  konnte  ich  nicht  glauben,  dass  man 
jemals  ein  neues  Museum  in  München  bauen  werde, 
trotzdem  dass  später,  als  ich  meine  Stelle  als  Direktor 
des  Nationalmuseums  verlassen  hatte,  mehr  als  je  von 
den  Gebrechen  des  Museumsbaues  gesprochen  wurde, 
als  ob  diese  noch  so  beständen,  wie  ich  sie  bei  der 
Uebernahme  vorgefunden  hatte.  Auch  musste  es 
mich  als  einen  guten  Bayern  tief  schmerzen,  der  die 
hochherzig-e  Schöpfung  des  seinem  Volke  so  wohlge- 
sinnten Königs  von  ihren  Anfängen  an  verfolgt  hatte, 
dass  diese  ohne  Rücksicht  auf  den  Stifter  und  auf  die 
seinen  Namen  tragende  und  sein  Andenken  ehrende 
Umgebung  bei  Seite  geschoben  wurde.  Wenn  ich 
über  Alles,  was  nach  Niederlegung  meiner  Stelle  ge- 
schah, nicht  mehr  spreche,  so  geschieht  dies  nur,  weil 
es  nie  gut  ist , sich  direkt  oder  indirekt  in  ein  Amt 
einzumischen,  das  man  einmal  selbst  bekleidet  hat. 

Als  ich  die  Verwaltung  des  Nationalmuseums 
übernahm,  befand  sich  an  der  Rückseite  desselben, 
der  ganzen  Länge  nach,  ein  grosser  freier  Raum,  als 
Ablagerungsort  für  Bauschutt  und  Baumaterial,  ein 
Zustand  der  so  bleiben  sollte.  Wenn  aber  bei  einem 
jeden  Museum  der  Art  ein  übersichtlicher  Garten 
dringend  geboten  ist,  so  war  es  hier  doppelt  der 
Fall,  denn  abgesehen  von  den  in  erster  Linie  für  das 
Studium  des  Mittelalters  so  wichtigen  Grabsteinen  und 

19* 


292 


sonstigen  Denkmalen,  ist  ein  Hauptkunstschatz  des 
M useums  die  kolossale  Broncegruppe , einen  Mann, 
eine  Frau  und  einen  Knaben  in  voller  Lebenskraft  dar- 
stellend, von  Hubert  Gerhard,  um  1590  entstanden. 
Diese  Gruppe  musste  in  einem  freien  Raum  in  der  Nähe, 
wie  aus  der  Ferne  von  allen  Seiten  gesehen  werden 
können,  wozu  dieses  Werk  auch  ursprünglich  bestimmt 
war.  Ehedem  befand  es  sich  in  dem  Fuggerischen 
Schloss  zu  Kirchberg,  wo  es  den  Mittelpunkt  des  grossen 
Schlosshofes  bildete,  später  war  es  im  Besitze  des 
Bankiers  und  bayerischen  Finanzrathes  Johann  Lorenz 
Freiherrn  von  Schaezler  (f  1826)  in  Augsburg,  dessen 
Erben  es  veräusserten.  Ferdinand  von  Miller  senior 
errettete  es  vom  Einschmelzen;  Minister  von  Zwehl 
erwarb  es  für  den  Staat,  es  war  in  einzelne  Theile 
zerlegt  aufbewahrt,  bis  ich  es  in  dem  Museumsgarten 
aufstellen  liess. 

Später  liess  ich  dort  noch  eine  andere  Merk- 
würdigkeit aufstellen.  Es  war  dies  eine  der  so- 
genannten „Heun-  oder  Flunnensäulen.“ 

Schon  in  meiner  Kindheit  hörte  ich  von  diesen 
Säulen,  die  auf  einer  Anhöhe  bei  Miltenberg  im 
Walde  lagen,  wo  sie  aus  den  Felsen  gehauen  waren. 
Da  über  ihren  Ursprung,  Zweck  und  Bestimmung 
nichts  bekannt  war,  gehörten  sie  bei  den  gewöhnlichen 
Menschenkindern  in  das  Reich  der  Geisterwelt  und 
wurden  mit  den  in  der  Erinnerung  des  Volkes  sagen- 
haft fortlebenden  Hunnen  in  Verbindung  gebracht. 
Es  waren  Säulenschafte  7 J/a  Meter  hoch  und  im  Durch- 
messer unten  1,10  und  oben  0,90  Meter.  Im  Ganzen 
lagen  5 solcher  Säulen  da,  nur  drei  davon  waren 


293 


noch  ganz  erhalten,  von  den  anderen  hatten  die 
Bauern  schon  Stücke  abgelöst,  die  sie  als  Mühlsteine 
verwendeten. 

Man  kann  wohl  mit  Sicherheit  annehmen,  dass 
sie  von  den  Römern  herrühren,  die  in  jener  Gegend 
zahlreiche  Ansiedelungen  hatten,  und  dass  sie  für 
korinthische  Säulen  zu  einem  grossartigen  Tempel 
oder  Palast  bestimmt  waren.  Schon  der  letzte  Kurfürst 
von  Mainz  Friedrich  Karl  von  Erthal,  wie  sein  Nach- 
folger Karl  von  Dalberg,  gingen  mit  dem  Gedanken 
um,  zwei  dieser  Riesensäulen  in  dem,  damals  im  Ent- 
stehen begriffenen,  „schönen  Busch“  bei  der  sogenannten 
„rothen  Brücke“  aufzustellen,  was  aber  bei  den  da- 
maligen Transportverhältnissen  als  eine  Unmöglichkeit 
erschien. 

Als  ich  Direktor  des  bayerischen  Nationalmuseums 
wurde,  reiste  ich,  durch  meine  Jugenderinnerungen 
angeregt,  nach  Miltenberg,  um  eine  dieser  Säulen  für 
das  Nationalmuseum  zu  erwerben.  Durch  die  freund- 
liche Unterstützung  des  dortigen  Sektionsingenieurs 
Scherer  gelang  es,  nach  Ueberwindung  vieler  Schwierig- 
keiten , diesen  Koloss,  der  16800  Kilogramm  wiegt, 
nach  München  zu  schaffen,  wo  ich  ihn  im  Museums- 
garten aufstellen  Hess.  Ein  zweites  Exemplar  Hess 
Direktor  Essenwein  im  germanischen  Museum  zu 
Nürnberg  aufstellen. 

Es  muss  uns  vor  der  Hand  das  Wenige  genügen, 
was  wir  von  diesen  Säulen  wissen.  Hoffnung  haben 
wir  jedoch,  dass  noch  weiterer  Aufschluss  darüber 
werden  wird,  und  das  zwar  um  so  mehr,  da  in  der  Um- 
gebung meiner  Vaterstadt  durch  tüchtige  Geschichts- 


294 


forscher  und  Fachleute  die  Untersuchungen  und  Aus- 
grabungen in  Betreff  des  „limes  romani  imperii“  mit 
Eifer  betrieben  werden. 

Ausser  so  vielem  Wichtigen  hatte  ich  auch  schon 
eine  grosse  Anzahl  Gartenstatuen  aus  den  ehemaligen 
Abtei-  und  Schlossgärten  zu  Ebrach,  Seehof,  Bam- 
berg und  Würzburg  erworben,  die  in  jener  Zeit  ge- 
schaffen wurden,  als  die  Gartenkunst  in  höchstem  Flor 
stand.  Sie  bilden  den  Gegensatz  zu  dem  ernsten 
Mittelalter.  Ich  hatte  es  doch  so  weit  gebracht,  dass 
dieser  Garten,  besonders  von  Fremden,  häufig  ein 
zweites  Museum  unter  freiem  Himmel  genannt  wurde. 

Die  Chikanen  und  Widerwärtigkeiten,  welche  ich 
bei  Uebernahme  und  Einrichtung  des  Nationalmuseums 
zu  ertragen  hatte,  wiederholten  sich  in  höchstem  Grade 
bei  der  durch  Vernunft  und  Nothwendigkeit  gebotenen 
Herstellung  des  Museumsgartens,  obschon  mein  zu 
demselben  entworfener  Plan  von  der  Majestät  mit 
Wohlgefallen  aufgenommen  und  für  dessen  Beginn 
eine  Summe  aus  der  Kabinetskasse  bewilligt  war. 

Die  Frage  liegt  wohl  nahe,  wie  war  das,  besonders 
bei  der  bekannten  Liebe  und  dem  hohen  Interesse  der 
beiden  letzten  Könige  für  die  gute,  edle  Sache,  mög- 
lich? Die  Beantwortung  derselben  muss  ich  jenen 
Männern  überlassen,  welche  mit  den  darauf  Bezug 
habenden  Verhältnissen  besser  bekannt  sind  als  ich. 

In  letzter  Zeit  der  Verwaltung  des  Baron  von 
Aretin  wurde  Dr.  Messmer  als  erster  und  Dr.  K.  als 
zweiter  Conservator  ernannt,  beide  waren  Geistliche, 
letzterer  wurde  Aretin  gegen  seinen  Willen  aufge- 
nöthigt.  Dr.  K.  war  Lehrer  und  Professor  an  der 


295 


k.  Pagerie  und  wurde  daselbst,  aus  guten  Gründen, 
seiner  vStelle  enthoben.  Da  er  kein  zureichendes  Ein- 
kommen mehr  hatte , lebte  er  besonders  vom  Bilder- 
handel und  von  verschiedenen  Handelsgeschäften. 
Schon  in  der  kurzen  Zeit  unter  Aretin  entwickelte  er 
eine  unerhörte  Anmassung,  so  dass  der  erste  Conser- 
vator,  Professor  Dr.  Messmer,  ein  im  Fache  der  kirch- 
lichen Kunstgeschichte  sehr  tüchtiger  Mann,  gar  nicht 
aufkommen  konnte  und  ihm  alles  überliess. 

Aretin  sann  auf  Mittel,  diesen  zweiten  Conser- 
vator,  der  immer  unerträglicher  wurde,  hinwegzu- 
schaffen, konnte  ihm  aber  in  der  kurzen  Zeit  nicht 
beikommen,  besonders  da  K.  ein  durchtriebener,  ge- 
fährlicher Mensch  war.  Mir  blieb  diese  schöne  Erbschaft. 

In  den  ersten  Tagen  meiner  Vorstandschaft  ge- 
langte ein  anonymes  Schreiben,  in  welchem  Dr.  K.  sehr 
schlimmer  Dinge  beschuldigt  wurde,  an  das  k.  Mini- 
sterium, dasselbe  wurde  mir  von  da  zur  Begutachtung 
zugeschickt.  Obschon  mir  längst  nichts  Gutes  ahnte, 
so  hielt  ich  doch  den  Jnhalt  jenes  Schreibens,  beson- 
ders weil  es  anonym  war,  für  übertrieben,  und  musste 
ich  ihn  sogar  noch  theilweise  in  Schutz  nehmen. 

Es  waren  die  Kunstschätze  des  Museums  noch 
nicht  gehörig  untergebracht,  und  ich  hatte  nach  dem 
Tode  von  Aretin’s  meine  Direktorstelle  noch  nicht  ange- 
treten , da  hatte  Dr.  K.  eiligst  einen  Katalog  oder 
Führer  verfasst.  Als  ich  begann,  das  Museum  zu 
organisiren  und  vor  allem  an  die  einzelnen  Gegen- 
stände, die  durchaus  nöthigen  kurzen  Erklärungen 
mit  Namen,  Jahrzahlen  u.  s.  w.  anzuheften,  fürchtete 
Dr.  K.,  dass  sein  Katalog,  von  welchem  er  Ge- 


296 


winn  hatte,  keinen  Absatz  mehr  fände:  daher  ent- 
wickelte er  eine  infernale  Bosheit  gegen  mich,  er 
suchte  mich  durch  Lüge,  Verleumdung,  Pamphlete 
etc.  unmöglich  zu  machen , bewahrte  aber  mir  gegen- 
über stets  eine  freundliche  Miene. 

Im  Jahre  1872  wurde  Dr.  von  Lutz  Cultusminister, 
es  standen  demnach  die  Museen  und  alle  Anstalten 
für  Kunst  und  Wissenschaft  unter  ihm. 

Ich  ging  zu  dem  Herrn  Minister  und  empfahl 
das  Nationalmuseum  seinem  Wohlwollen  und  seiner 
Fürsorge;  seine  Antwort  war:  „Lassen  Sie  doch  die 
Sache  ruhen,  es  ist  ja  einerlei,  ob  das  Museum  so 
oder  anders  ist.  Die  Fremden  besuchen  es  und 
sagen,  es  sei  schön,  mehr  braucht  es  nicht,  plagen 
Sie  sich  und  mich  nicht  damit.“  Ich  erwiderte:  „In 

der  Sache,  für  welche  ich  schon  von  Jugend  an 
lebte,  und  für  welche  zu  sorgen  ich  jetzt  verpflichtet 
bin,  müssig  sein,  das  vermag  ich  nicht.“  Der  Minister 
sagte  darauf:  „Eine  solche  Antwort  habe  ich  erwartet, 
Sie  sind  eben  ein  Idealist,  befassen  sich  mit  Dingen, 
welche  wohl  schön  sind,  aber  keinen  praktischen  Zweck 
haben.  So  machen  Sie  denn,  was  Sie  wollen:  nur  so 
viel  kann  ich  Ihnen  sagen,  dass  ich  für  solche  Ge- 
schichten  kein  Geld  bewillige.“ 

Als  der  Direktor  Essenwein  in  gleicher  Absicht 
bei  dem  Herrn  Minister  erschien,  um  demselben  auch 
das  germanische  Nationalmuseum  zu  empfehlen,  er- 
hielt er  ganz  dieselbe  Antwort  wie  ich  und  als  er 
später  wiederkam,  um  den  Minister  zu  ersuchen,  er 
möge,  wie  es  bis  dahin  jährlich  geschah,  nur  das 
Protokoll  des  Verwaltungs  - Ausschusses  des  german- 


297 


ischen  Museums  unterzeichnen,  wurde  er  mit  den 
Worten  empfangen:  „Was  wollen  Sie?  Glauben  Sie, 
ich  hätte  nichts  Wichtigeres  zu  thun,  als  für  Ihre 
Kunst-  und  Alterthumsliebhaberei  zu  sorgen,  da  gibt 
es  für  den  Staat  wichtigere  Dinge  u.  s.  w.“  Essen- 
wein entgegnete  hierauf:  „Demnach  hätte  ich  nicht 
gewusst,  wie  dumm  ich  bin.“  Darauf  der  Minister: 
„Wenn  es  Ihnen  nicht  recht  ist,  so  raisoniren  Sie 
über  mich,  so  viel  wie  Sie  wollen,  ich  gebe  Ihnen, 
wie  Ihrem  Freund  Heiner,  die  Erlaubniss  dazu.“ 

So  sprach  ein  Cultusminister. 

Von  dieser  mir  gegebenen  Erlaubniss  mache  ich 
keinen  anderen  Gebrauch,  als  dass  ich  Thatsachen 
sprechen  lasse,  wobei  ich  mich  eines  jeden  eigenen 
Urtheils  enthalte. 

Die  so  grossen,  allgemein  anerkannten  Verdienste 
des  Ministers  von  Lutz  in  Politik  und  Jurisprudenz 
unterschätze  ich  gewiss  nicht,  ich  habe  aber  das 
Recht,  über  ihn  als  Vorstand  der  Kunstsammlungen 
des  Staates  zu  berichten. 

Minister  von  Lutz  war  ein  sogenannter  Dutzfreund 
des  Dr.  K.,  was  wohl  seiner  Zeit  bei  dem  Kartenspiel 
entstanden  sein  mag,  nichtsdestoweniger  schimpfte  er 
über  ihn,  als  er  zum  erstenmal  auf  Dr.  K.  bei  mir  zu 
sprechen  kam,  wie  ich  es  bis  dahin  noch  von  keiner 
Excellenz  gehört  hatte. 

Als  der  Herr  Minister  von  Lutz  einmal,  d.  h. 
zum  ersten  und  zum  letzten  Mal,  auf  meine  Bitte,  ins 
Nationalmuseum  kam,  wo  ich  ihn  nur  allein  zu  führen 
und  zu  sprechen  hatte,  drängte  sich  Dr.  K.  hinzu  und 
fiel,  mit  grenzenloser  Unverschämtheit,  dem  Herrn 


298 


Minister  wie  mir  immer  in  das  Wort  und  machte  fort- 
während von  dem  „Du“  Gebrauch,  damit  die  um- 
stehenden Diener  hören  sollten,  auf  welchem  freund- 
schaftlichen Fusse  er  mit  dem  Herrn  Minister  stehe. 
Ich  staunte,  dass  sich  dieses  die  Excellenz  gefallen  Hess. 

Ministerialrath  von  Bezold,  der  Referent  in  Kunst- 
angelegenheiten war,  sagte  mir  öfter:  „Wenn  wir  nur 
eine  greifbare  Thatsache  hätten,  damit  wir  ihn  hinaus- 
schaffen könnten,  was  nicht  so  leicht  ist,  weil  er  prag- 
matische Rechte  besitzt.“  Ich  sagte:  „Er  treibt  offen- 
kundig Handel  mit  Kunstsachen  und  Alterthümern, 
was  besonders  an  dieser  Stelle  verboten  ist,  er  hat 
Angestellte  im  Museum  aufs  Unwürdigste  behandelt, 
leiht  öfter  von  den  Untergebenen  Geld,  empfängt 
in  seinem  Bureau  unsaubere  Besuche  etc.,  ist  das  nicht 
genug?“  Ich  erhielt  aber  darauf  keine  Antwort. 

Da  die  Anmassung  des  Dr.  K.  aufs  Neue  stieg, 
begab  ich  mich  selbst  zum  Herrn  Minister,  theilte 
ihm  Alles  mit  und  bat  abermals  um  Abhülfe.  Der- 
selbe schimpfte  wieder  über  Dr.  K.  und  sagte  das- 
selbe wie  sein  Referent:  „Es  ist  schwer,  etwas  zu 
machen,  weil  er  pragmatische  Rechte  besitzt“,  fügte 
aber  hinzu:  „Ich  will  sehen,  was  zu  thun  ist.“  — Es 
geschah  aber  wieder  nichts. 

Die  Geschichte  wurde  noch  ärger,  Dr.  K.  ging 
nach  Landshut,  wendete  sich  an  die  Verwaltung  der 
dortigen  St.  Martinskirche,  wie  an  jene  von  St.  Jodo- 
cus,  suchte  eine  grosse  Anzahl  Kunstschätze  aus,  die 
nicht  mehr  zum  Gottesdienst  verwendet  wurden,  kaufte 
sie,  angeblich  für  das  Nationalmuseum  um  eine  Baga- 
telle, Unterzeichnete  den  Empfang  als  Vertreter  des 


Museums,  behielt  sie  aber  für  sich  und  verkaufte  sie 
für  hohe  Summen  zum  grössten  Theil  in  das  Ausland. 

Die  Herren  Pfarrer  daselbst  hatten  keinen  Regriff 
von  dem  Werthe  solcher  Dinge,  nahmen  es  auch  nicht 
so  genau  damit,  weil  sie  dachten,  die  Sache  bleibt  ja 
doch  Eigenthum  des  Staates.  Auch  fiel  diese  Ge- 
schichte in  die  Periode,  in  der  man  die  Kirchen 
restaurirt  hatte;  da  sagte  man,  alles  was  nicht  goth- 
isch  ist,  passt  nicht  hinein. 

Ich  erfuhr  lange  Zeit  nichts  von  allem  dem,  wäh- 
rend es  schon  einem  Abgeordneten  des  Landtages 
und  dem  Herrn  Minister  angezeigt  war.  Letzterer 
Hess  die  Sache  in  Landshut  durch  den  dortigen  Bür- 
germeister Gehring  untersuchen,  aber  nicht  gerichtlich, 
und  Hess  sich  durch  denselben  das  Protokoll  und  das 
Inventar  der  betreffenden  Gegenstände  geben.  Jenes 
Inventar  wurde  mir  erst  nach  geraumer  Zeit  zur  Be- 
gutachtung vom  Ministerium  zugestellt ; später  Hess 
ich  mir  es  auch  von  Gehring  selbst  geben,  ich  ersah 
daraus,  dass  von  den  Hauptsachen  nichts  an  das  Mu- 
seum gelangt  war,  ausser  einigen  Fragmenten  von 
Kirchenornaten,  die  von  Unterhändlern  des  Dr.  K. 
für  die  textile  Sammlung  des  Nationalmuseums  ange- 
kauft waren. 

Von  jenen  Dingen,  welche  in  dem  Verzeichniss 
genannt  waren,  will  ich  nur  Folgendes  erwähnen  : ein 
schöner  Christus  am  Kreuz,  ziemlich  gross,  von  Elfen- 
bein. Dr.  K.  hatte  denselben  als  sein  Eigenthum  an 
die  Herzogspitalkirche  in  München  verkauft,  wo  er 
auf  den  Altar  gestellt  wurde,  an  welchem  Dr.  K.  fast 
täglich  die  heilige  Messe  las.  Ferner  ein  Exemplar 


300 


des  geschichtlich  so  merkwürdigen,  ungemein  seltenen 
Drachenordens,  gestiftet  von  Kaiser  Sigismund  1414; 
zwei  grosse  Vasen  von  Elfenbein  im  Rococostil ; pracht- 
volle in  Gold  und  Silber  gepresste  Ledertapeten,  mit 
denen  früher  bei  Festen  der  ganze  Chor  der  Kirche 
umstellt  wurde;  ein  schöner  Traghimmel  von  Seiden- 
stoff mit  Stickereien;  mehrere  schöne  Messgewänder 
u.  s.  w.  Es  geschah  aber  auch  darauf  wieder  nichts. 

In  einer  Eingabe  vom  27.  Mai  1880  machte  ich 
die  Anzeige,  dass  Dr.  K.,  nachdem  er  ohne  Urlaub 
und  ohne  Angabe  einer  Ursache  ein  Vierteljahr  lang 
nicht  mehr  in  das  Museum  gekommen  war,  er  er- 
schienen sei,  als  wäre  nichts  vorgegangen  und  sich 
nach  mir,  als  dem  Vorstand,  mit  keinem  Wort  erkundigt 
habe.  Ich  stellte  dabei  vor,  dass  mir  dieses  meine 
Stellung  unmöglich  mache.  Auch  das  war  fruchtlos. 

Es  hatten  sich  schon  früher  tüchtige  Männer  um 
eine  Conservatorstelle  beworben.  So  oft  ich  einen 
vorschlug,  erhielt  ich  keine  Antwort. 

An  6.  Juli  1883  stellte  ich  in  einer  Eingabe  an 
das  Ministerium  die  Bitte,  die  ich  schon  öfter  münd- 
lich vorgebracht  habe,  mir  bei  der  Verwaltung  des 
Nationalmuseums  ein  Comite  von  Fachleuten  an  die 
Seite  zu  geben,  welches  bei  allen  wichtigen  Dingen, 
Aenderungen,  Fortbildung,  Anschaffungen  etc.  zu 
Rathe  zu  ziehen  sei,  wie  es  bei  allen  ähnlichen 
Anstalten  im  In-  und  Auslande  der  Fall  ist.  Ich 
hatte  dafür  eine  Reihe  der  wichtigsten  Gründe  ange- 
führt, erhielt  aber  auch  hierauf  keine  Antwort. 

Im  Jahre  1876  war  Ferdinand  von  Miller,  der 
Aeltere , Inspector  der  k.  Erzgieserei  etc.,  Urheber 


301 


einer  grossartigen  Ausstellung  von  Werken  der  Kunst 
und  des  Kunsthandwerkes  der  Vorzeit  wie  unserer 
Tage  im  Glaspalast  zu  München.  Es  war  keine  kleine 
Aufgabe,  die  er  sich  stellte.  Ich  erkannte,  dass  er 
dabei  mit  ähnlichen  Hindernissen  und  Widerwärtig- 
keiten zu  kämpfen  hatte,  wie  ich  bei  meinem  Schaffen 
für  das  Nationalmuseum;  ich  ersah  aber  auch,  dass 
Miller  dabei  mit  mehr  Welt-  und  Menschenkenntniss 
zu  Werkeging  als  ich;  er  wusste  schon,  dass  es  eine  Klasse 
von  Menschen  gibt,  die  glaubt,  sich  bei  einer  solchen  Ge- 
legenheit am  leichtesten  Ansehen  und  Nutzen  zu  ver- 
schaffen. Miller  musste  daher  auf  gar  manche  Persön- 
lichkeiten Rücksicht  nehmen,  er  wusste  sie  für  seine 
Pläne  zu  gewinnen  oder  in  anderer  Art  unschädlich 
zu  machen,  weil  sie  sonst  in  sein  schönes  Werk  Stör- 
ungen und  Hemmnisse  gebracht  hätten. 

Selbstverständlich  war  von  Miller,  als  Schöpfer  des 
Ganzen , erster  Präsident  dieser  Ausstellung , auf  sein 
Ersuchen  wurde  Ministerialrath  von  Bezold  zweiter 
Präsident.  Mich  ernannte  man  zum  Direktor  der 
Kunstwerke  älterer  Zeit.  Ich  war  im  Stande,  Notizen 
zu  geben,  nach  welchen  man  Kunstschätze  in  Museen, 
im  fürstlichen,  wie  im  Privat-Besitz  zur  Ausstellung 
erbitten  konnte.  Zu  solchem  Zweck  machte  ich  einige 
Reisen.  Ich  will  davon  nur  jene  nach  Stuttgart  er- 
wähnen. Wohlwollend  kamen  mir  der  König,  das 
Ministerium,  wie  die  Vorstände  der  Sammlungen 
und  der  Bibliothek  entgegen.  Ich  traf  daselbst 
Herrn  von  Steinbeis , der  als  Minister  in  Württem- 
berg so  "rosse  Verdienste  um  Hebung  der  Kunst- 
industrie  und  des  Schulwesens  hatte,  er  war  auch  um 


302 


diese  Zeit  mit  besonderem  Eifer  für  die  Ausstellung-  in 
München  thätig.  Auch  kam  ich  mit  meinem  bewährten 
Freund  Wilhelm  von  Lübke  zusammen.  Als  ich  mich 
in  Stuttgart  umsah.  wurde  ich  lebhaft  an  meinen  ersten 
Aufenthalt  daselbst,  im  Jahre  1840,  erinnert;  als  ich 
dort  ankam  und  im  damaligen  Gasthof  zum  Kronprinzen 
einkehrte  , traf  ich  den  Hofmaler  Joseph  Anton  von 
Gegenbaur  und  den  durch  seine  Schriften  bekannten 
Wilhelm  Hackländer,  beide  Herren  interessirten  sich  sehr 
für  meine  Arbeiten.  Ersterer  führte  mich  alsbald  in 
das  königliche  Schloss  und  zeigte  mir  seine,  gerade 
um  diese  Zeit  vollendeten,  Wandgemälde  mit  den 
Scenen  aus  der  Geschichte  Württembergs.  Von  den 
vielen,  unschätzbaren  Kunstwerken,  die  mir  für  die 
Ausstellung  zugesagt  wurden,  nenne  ich  nur  die 
grosse  Broncebüste  Philipp’s  des  Guten,  Herzogs 
von  Burgund,  Stifters  des  goldenen  Vliesses.  Den 
Umständen  nach  kann  ich  kaum  zweifeln,  dass  sie 
Kaiser  Maximilian  I.  als  Duplikat  für  einen  Herzog 
von  Württemberg  anfertigen  Hess. 

Alles,  was  ich  bis  dahin  für  jene  Ausstellung  in 
München  thun  konnte,  freute  mich,  wenn  es  auch  mit 
Mühen  und  Opfer  an  Zeit  verbunden  war.  Allein  es 
traf  wieder  in  Wirklichkeit  ein , was  man  nicht  für 
möglich  halten  konnte.  Nach  allem  Vorgegangenem 
erhielt  bei  dieser  Ausstellung  Dr.  K.  wieder  einen 
Vertrauensposten,  er  wurde  nach  Dresden  gesandt^ 
um  zu  erwirken , dass  auch  von  daher  Kunstschätze 
zur  Ausstellung  geschickt  würden.  Er  erschien  vor 
dem  Herrn  Ilofrath  Dr.  Grässe,  dem  Vorstand  des 
grünen  Gewölbes,  gab  sich  ein  grosses  Ansehen  und 


303 


stellte  eine  Weibsperson  als  seine  Gemahlin  vor.  Wie- 
wohl dem  Herrn  Hofrath  die  Persönlichkeiten  durch 
Rohheit  und  Anmassung  auffallend  erschienen,  ahnte 
er  doch  nicht,  einen  katholischen  Geistlichen  vor  sich 
zu  haben,  und  lud  das  Pärchen  auf  die  Brühl’sche 
Terrasse  zum  Kaffee  ein.  Die  Frau  Hofrath  empfing 
in  aller  Hochachtung  das  edle  Paar.  Der  flerr  Hof- 
rath war  durch  einen  glücklichen  Zufall  verhindert, 
dabei  zu  erscheinen.  Als  er  die  saubere  Geschichte 
erfuhr,  durch  die  er  in  noch  grössere  Verlegenheit 
hätte  gerathen  können,  machte  er  in  Indignation  sogleich 
die  Anzeige  davon  bei  unserem  Ministerium;  es  ge- 
schah aber  auch  in  dieser  Sache  wieder  nichts. 

Ich  hatte  mich  im  Stillen  von  den  Geschäften  für 
die  Ausstellung  zurückgezogen,  von  Miller  fand  noch 
andere  Kräfte,  welche  ihn  unterstützten.  Dr.  K.  er- 
hielt den  Auftrag  „über  die  Kunst  unserer  Väter“ 
einen  Katalog  oder  Führer  anzufertigen,  wobei  es 
ihm  nicht  auf  dessen  wissenschaftlichen  Inhalt  ankam, 
sondern  nur  darauf,  in  kurzer  Zeit  ein  dickes  statt- 
liches Buch,  nach  Bädeker’s  Art  roth  gebunden,  her- 
zustellen. Er  machte  bei  den  höchsten  und  aller- 
höchsten Herrschaften  den  liebenswürdigsten  Führer 
und  Erklärer  und  bat,  sein  grosses  Werk  überreichen 
zu  dürfen.  Die  hohen  Herrschaften , welche  auf  Reisen 
waren,  hatten  nicht  Zeit  und  Lust,  in  diesem  grossen 
Werk  zu  studiren.  Er  sagte  wohl  nicht,  dass  er 
auch  der  Schöpfer  dieser  grossen  Abtheilung  sei,  ge- 
bärdete sich  aber  so,  dass  man  nicht  daran  zweifeln 
konnte.  Die  Folge  davon  war,  dass  Dr.  K.  in  wenig 
Tagen  sieben  Orden  erhielt. 


304 


Der  Direktor  des  Kensington-Museums  M.  Conliffe 
Owen  beschickte  ebenfalls  die  Ausstellung  mit  einer 
Gruppe  ausgezeichneter  mittelalterlicher  Kunstschätze 
und  erschien  dabei  selbst  ; auch  besuchte  er  das  bayer- 
ische Nationalmuseum  und  sprach  sich  höchst  aner- 
kennend über  die  systematische  und  übersichtliche  Auf- 
stellung  wie  über  die  zweckmässigen  Lokalitäten  aus. 
Von  meinen  durchsichtig  konstruirten  Glasbehältern 
Hess  er  in  München  die  Modelle  anfertigen,  um  sie 
danach  für  das  Kensington-Museum,  wie  für  andere 
Museen  herstellen  zu  lassen.  Aus  der  Gipsgiesserei, 
die  er  als  besonders  wichtig  für  ein  Museum  erklärte, 
bestellte  er  eine  grosse  Anzahl  von  Abgüssen  für  Eng- 
land, welche  er  als  unübertroffen  erklärte.  Owen 
verehrte  mir  eine  Reihe  illustrirter  Kataloge  über 
verschiedene  Zweige  des  Kensington-Museums ; unter 
diesem  bescheidenen  Titel  sind  sie  durch  ihre  Aus- 
stattung und  ihrem  reichen  Bilderschmuck  wahre 
Prachtwerke. 

Es  kam  nun  die  Zeit,  in  welcher  der  Geist  des 
mir  so  wohlwollenden  Königs  immer  mehr  umnachtet 
wurde.  Die  mir  mit  wahrer  Freundschaft  zugethanenen 
Männer  Eisenhart  und  Lipowsky  waren  nicht  mehr  im 
Kabinet,  es  war  nun  mein  einziger  und  höchster  Vor- 
gesetzter Minister  von  Lutz,  für  welchen  das  National- 

o 

museum  wie  meine  Person  und  alles  darauf  Bezug 
Habende  unangenehme  Gegenstände  waren. 

Ich  hoffte  an  den  beiden  Ministerialräthen,  die 
in  meinen  Angelegenheiten  unter  Lutz  Referenten 

o o 

waren,  Freunde  und  Stützen  zu  linden,  es  war  aber 
das  Gegentheil  der  Fall. 


305 


Infolge  meiner  schon  erwähnten  Veröffentlichung 
der  „Entwürfe  deutscher  Künstler  für  Prachtrüstungen 
der  Könige  von  Frankreich  und  Spanien“,  sprach  Graf 
Werthern  schon  öfter  den  Wunsch  aus,  dass  ich  nach 
Madrid  reise,  um  daselbst  in  der  Armeria  real  Forsch- 
ungen für  deutsche  Kunst  und  Ehre  anzustellen.  Kron- 
prinz Friedrich  interessirte  sich  auch  sehr  dafür,  und 
Werthern  hatte  schon  Vorkehrungen  getroffen,  dass 
ich  daselbst  gute  Aufnahme  fände.  Er  wendete  sich 
in  dieser  Angelegenheit  persönlich  an  Minister  von 
Lutz,  damit  er  meine  Reise  begünstigen  möge,  dieser 
zeigte  sich  auch  geneigt  und  sagte,  dass  er  die  Geld- 
mittel dazu  beschaffen  werde.  Ich  erklärte , dass  es 
sich  dabei  nicht  um  Geld  handle,  sondern  darum,  dass 
ich  in  den  Stand  gesetzt  werde,  das  Museum  auf  einige 
Zeit  zu  verlassen,  was  ja  nicht  sein  könne,  wenn  Dr.  K. 
allein  darin  walte,  und  wenn  nicht  ein  zuverlässiger 
Conservator  angestellt  werde.  Es  geschah  aber  auch 
da  wieder  nichts,  und  ich  kam  nicht  nach  Spanien; 
erhielt  aber  sprechende  Beweise,  dass  ich  bei  dem 
jungen  König  Alfons  XII.  von  Spanien,  wie  beim 
Grafen  Valencia,  Direktor  der  Armeria  real,  gute 
Aufnahme  gefunden  hätte.  Dass  mich  das  sehr  kränkte, 
ist  wohl  natürlich.  Wäre  mir  das  Museum  nicht  so 
sehr  am  Herzen  gelegen , so  hätte  ich  es  seinem 
Schicksal  überlassen. 

Auch  konnte  ich  einer  Einladung  zur  feier- 
lichen Eröffnung  des  neuen  Gebäudes  des  Kunst- 
gewerbemuseums in  Berlin  am  21.  November  1881, 
dem  Geburtstag  der  Kronprinzessin  Friedrich,  nicht 
folgen,  weil  ich  wieder  keinen  Stellvertreter  erhielt. 

20 


306 


Das  nachmalige  Kaiserpaar  Friedrich  vollzog  die  Feier- 
lichkeit, auch  Prinz  Wilhelm,  der  jetzige  Kaiser  und 
Prinz  Heinrich  waren  anwesend.  Das  kaiserliche  Kron- 
prinzenpaar sprach  mir  durch  Schreiben  vom  24.  No- 
vember sein  Bedauern  über  mein  Nichtkommen  aus. 
Kronprinz  Friedrich  hob  bei  dieser  Feierlichkeit  wie- 
der mit  Wärme  den  Zweck  und  die  hohe  Bedeutung 
eines  Kunstgewerbemuseums  hervor. 

Früher  war  ich,  unter  günstigeren  Verhältnissen, 
bei  der  feierlichen  Eröffnung  des  K.  K.  Kunstgewerbe- 
museums in  Wien,  wie  bei  jener  in  Nürnberg  gewesen. 

Nun  verlangte  ich  meinen  gesetzlichen  Urlaub, 
den  ich  meiner  Gesundheit  wegen  nöthig  hatte.  Darauf 
erhielt  ich  in  der  letzten  Stunde  einen  jungen  Mann, 
den  ich  nicht  kannte,  als  meinen  Stellvertreter  zuge- 
wiesen, aber  auch  Dr.  K.  blieb  noch  immer  an  seiner 
.Stelle,  und  hatte  die  Schlüssel  zu  allem.  Mein  Stell- 
vertreter hatte  die  Weisung,  gar  nicht  mit  ihm  zu 
verkehren,  ein  Verhältnis,  welches,  wenigstens  mit 
meinem  Wissen , noch  nicht  vorkam. 

Ministerialrath  von  Volk,  dessen  ich  schon  ge- 
dachte, war  früher  unter  dem  Ministerium  von  Zwehl 
in  allen  Kunst-  und  Museumsangelegenheiten  Referent; 
da  er  als  solcher  mein  Streben  und  Mühen  vom  Be- 
ginn an  kannte,  blieb  er  mir  bis  zu  seinem,  im  Jahre 
1883  erfolgten,  Tode  ein  treuer  F'reund  und  Rath- 
geber. Er  war  in  seinem  ganzen  Wesen  sanft  und 
friedliebend,  wo  es  sich  aber  um  Recht  und  Wahr- 
heit handelte,  ohne  jede  Rücksicht  auf  eigenes  Inter- 
esse, ernst  und  entschieden.  Volk  musste  jenes  Referat 
schon  am  Schlüsse  des  Jahres  1863  niederlegen,  als 


307 


er  Schwiegersohn  des  Direktors  der  Akademie  der 
bildenden  Künste  Wilhelm  von  Kaulbach  wurde. 

Nicht  lange  vor  seinem  Tode  kam  Volk  zu  mir 
und  gab  mir  den  Rath,  den  Kauf  des  „ Wittislinger 
Fundes“  so  schnell  als  mö.crlich  abzuschliessen , ohne 
die  vorschriftsmässige  Geldbewilligung  des  Ministeriums 
abzuwarten.  Ich  folgte  sogleich,  jedoch  ohne  die  Ur- 
sache zu  begreifen.  Nachträglich  erfuhr  ich  auf  an- 
derem Wege,  dass  Intriguen  gegen  mich  gesponnen 
waren,  nach  welchen  man  plante,  mein  Verdienst,  den 
Werth  jenes  Schatzes  erkannt  und  ihn  erworben  zu 
haben , einem  andern  zuschieben  wollte. 

In  Wittislingen  an  der  Donau  bei  Lauingen  sah 
ich  diesen  Fund  und  schloss  mit  dem  Besitzer  den 
Kauf  desselben  insoweit  ab,  als  ich  noch  die  Bewil- 
ligung der  Geldsumme  von  dem  Ministerium  einholen 
musste.  Jener  Schatz  wurde  in  einem,  tief  in  den 
Felsen  gehauenen,  Grab  durch  Steinbrucharbeiter  auf- 
gefunden ; er  gehörte,  wie  ich  nicht  zweifeln  konnte, 
einer  Frau  hohen  Standes,  einer  Fürstin  aus  früher 
karolingischer  Periode  an.  Er  besteht  in  einer  Anzahl 
von  grösseren  und  kleineren  Schmuckgegenständen  aus 
Gold,  Silber  und  Edelsteinen,  reich  durch  Gravirung, 
Emaillirung,  Ciselirung  in  geschlungenem  Bandwerk, 
Schlangen  und  Drachen.  Es  sind  dabei  viele  genau 
geschliffene  Edelsteine  in  Gold  eingesetzt,  während 
noch  weit  bis  in  die  Zeit  der  Ottonen  die  Edelsteine 
ungeschliffen  in  Gold  erscheinen.  Auf  der  Rückseite 
der  grossen  prachtvollen  Fibula  wurde,  wohl  erst  nach 
dem  Tode  der  Besitzerin,  die  Schrift  eingegraben, 
welche,  nicht  ohne  Versetzung  einiger  Buchstaben,  mit 

20* 


308 


den  Worten  beginnt:  „UfHla  vivat  in  deo  felix“  etc. 
In  Uebersetzung  mag  das  Ganze  wohl  lauten:  „Uffila 
möge  in  Gott  glücklich  leben.  — Unschuldig  bin  ich 
vom  Tod  erfasst,  weil  ich,  so  lange  ich  konnte,  dem 
Manne  die  Treueste  gewesen.“  Die  noch  beigefügten 
einzelnen  Buchstaben  werden  in  Abkürzung1  eine  Weihe- 
formel  andeuten.  Ausser  so  Manchem  befanden  sich 
in  diesem  Grabe  noch  Ueberreste  eines  Skelettes  und 
ein  ßroncebecken  mit  Kohlen,  das  wohl  bei  der  Be- 
gräbnissfeierlichkeit  gedient  hat.*) 

Da  mir  meine  Stelle , die  für  mich  die  höchste 
Freude  hatte  sein  können,  unerträglich  gemacht  wurde, 
kam  ich  am  7-  April  1883  zum  ersten  Mal  um  meine 
Quiescirung  ein,  am  18.  desselben  Monats  erhielt  ich 
den  Bescheid , dass  ich  wohl  in  meinem  73.  Lebens- 
jahr nach  §§  22  lit.  C der  Beilage  IX  zur  Verfassungs- 
urkunde  berechtigt  sei,  meinen  Ruhestand  zu  verlangen, 
aber  mit  dem  Zusatz: 

„Da  jedoch  in  Folge  der  unterm  14.  d.  M.  er- 
gangenen Allerhöchsten  Entschliessung  über  die 
Dienstesverhältnisse  am  bayerischen  Nationalmuseum 
der  k.  Conservator  Dr.  K . . . des  Dienstes  ent- 
lassen wurde,  und  die  dienstlichen  Funktionen  der 
beiden  neu  ernannten  Conservatoren  G.  und  S.  erst  mit 
dem  1.  Mai  d.  J.  beginnen,  somit  eine  Extradition  des 
Museums  an  einen  pragmatisch  angestellten  Beamten  der 
Anstalt  und  Uebernahme  der  Geschäfte  von  denselben  in 
dem  gegenwärtigen  Zeitpunkt  überhaupt  nicht  ausführ- 

*)  In  den  Kunstschätzen  des  Nationalmuseums  in  Lichtdruck 
von  Obernetter  Band  IV  Blatt  2.15  und  236  gab  ich  diese  Gegen- 
stände mit  kurzer  Beschreibung  heraus. 


309 


bar  erscheint,  so  wird  von  Ihrem  bewährten  Pflichteifer, 
mit  welchem  Sie  der  Aufgabe  des  Museums  sich  bis- 
her gewidmet  haben,  erwartet,  dass  Sie  die  von  Seiner 
Majestät  dem  König  Allerhöchst  neu  ernannten  Conser- 
vatoren  jeden  Falls  in  ihre  Dienstesfunktionen  vor- 
schriftsmässig  einweisen  und  nach  Ihrer  reichen  Er- 
fahrung mit  der  gestellten  Aufgabe  thunlichst  bekannt 
zu  machen  bereit  sein  werden.“ 

Da  durch  diese  Entschliessung  dieser  unwürdige 
Beamte  endlich  entfernt  wurde,  so  kann  ich  meine 
mit  ungeschminkter  Wahrheit  gegebene  Schilderung 
dieses  Menschen  schliessen,  indem  ich  dabei  nur  noch 
an  die  Worte  erinnern  möchte,  die  seinerzeit  der 
Bischof  Wrede  von  Mainz  meinem  Yrater  geschrieben 
hatte:  „Wenn  wir  solche  Leute  in  Schutz  nehmen, 
so  wird  dadurch  das  geistliche  Ansehen  nur  ge- 
schädigt.“ 

Ich  hielt  in  Folge  der  ministeriellen  Zuschrift 
noch  einige  Zeit  aus,  konnte  noch  manche  glückliche 
Erwerbungen  machen  und  benützte  die  Zeit,  um 
manche  Gegenstände  des  Museums  für  meine  Werke 
abzubilden  und  Notizen  zu  sammeln. 

Ehe  ich  die  Geschichte  meines  Museumselendes 
abschliesse,  will  ich  nur  noch  Einiges  über  meine 
Thätigkeit  als  Generalconservator  der  Kunstdenkmale 
Bayerns  erwähnen  und  an  einigen  Beispielen  zeigen, 
wie  man  mir  diese  Stelle  zu  einer  freude-  und  frucht- 
losen machte. 

Durch  die  Akademie  der  bildenden  Künste  wurde 
ich  im  Jahre  1871  aufgefordert,  Vorschläge  zu  machen, 
nach  welchen  die  Wandgemälde  von  Karl  Rottmann 


310 


in  den  Arkaden  des  Hofgartens  zu  München  erhalten 
blieben , da  sie  immer  mehr  durch  Einfluss  der  Tem- 
peratur von  aussen  wie  von  innen,  wie  durch  rohe 
Menschen,  ihrem  Untergange  entgegengingen.  Es 
wurde  dazu  ein  Comite  von  7 Mitgliedern  , unter 
welchen  auch  ich  mich  befand  , ernannt , dieses  sollte 
endgültig  entscheiden.  In  meinem  ausführlichen  Gut- 
achten vom  4.  Dezember  1871  sprach  ich  meine  Ueber- 
zeugung  aufs  Entschiedenste  dahin  aus,  dass  das  einzige 
Rettungsmittel  im  Abnehmen  von  der  Mauer  bestehe 
und  zwar  durch  das  längst  bekannte  Absagen,  wie 
besonders  durch  das  damals  neu  aufgetauchte  Ab- 
wickeln und  Uebertragen  an  eine  andere  Stelle.*) 

Dabei  erklärte  ich,  wie  man  durch  Vereinigung  dieser 
Arkadengemälde  mit  den  Bildern  desselben  Meisters 
in  der  neuen  Pinakothek  in  einer  einfachen  Halle  mit 
Oberlicht,  ein  Rottmann- Museum  bilden  könne,  durch 
welches  nicht  nur  für  den  in  seiner  Art  unübertroffenen 
Künstler,  sondern  auch  für  den  hochherzigen  Stifter 
ein  bleibendes  Denkmal  geschaffen  werde.  Dabei  be- 
rief ich  mich  auf  mehrere  Beispiele,  wie  man  im  Aus- 
lande durch  ähnliche  Schöpfungen  vaterländische 
Künstler  ehrte. 

Was  die  Absicht  des  Königs  Ludwig  1.  betrifft, 
diese  Kunstwerke  in  der  liberalsten  Weise  dem  Volke 

*)  Einige  Jahre  später  wurde  dieses  Verfahren  mit  Erfolg 
bei  dem  bekannten  Wandgemälde  von  Philipp  Veit,  „die  Einführ- 
ung des  Christenthums  in  Deutschland“  ausgeführt.  Dieses  grosse 
Gemälde  wurde  in  der  genannten  Weise  aus  dem  Gebäude  des 
Städel’schen  Kunstinstituts  in  Frankfurt  a.  M.  in  den  Neubau 
übertragen,  so  dass  heute  Niemand  merkt,  das  Bild  sei  dort  nicht 
vom  Künstler  selbst  auf  die  Wand  gemalt  worden. 


311 


zugänglich  zu  machen,  so  ist  er  bald  selbst  davon  ab- 
gekommen, als  diese  herrlichen  Werke  durch  Rohheit 
der  Menschen  so  häufig  beschädigt  wurden , und  hat 
er  die  Geschichte  des  griechischen  Befreiungskampfes 
nicht  mehr  nach  seinem  ersten  Plane  in  den  an- 
stossenden  Arkaden  im  Grossen  ausführen,  sondern  nur 
die  schon  vorhandenen  Skizzen  dazu  im  Kleinen  hoch 
oben  anbringen  lassen. 

Es  tauchte  der  Gedanke  auf,  diese  Gemälde  Rott- 
mann’s  des  Nachts  durch  eiserne  Läden  zu  schützen, 
die  von  unten  hinauf  geschoben  würden.  Dieses  er- 
klärte ich  mit  Anführung  mehrerer  Gründe  als  Unsinn. 

In  jenem  Comite  waren  Karl  von  Piloty  wie 
Arthur  von  Ramberg  mit  Feuer  und  Flammen  auf 
meiner  Seite,  doch  blieben  wir  in  der  Minderheit. 

Landschaftsmaler  Karl  Ebert  ersuchte  mich  um 
mein  schriftliches  Gutachten,  das  autographirt  worden 
war,  er  trug  es  in  die  Gesellschaft  der  Kunstgenossen 
und  brachte  mir  es  schon  am  zweiten  Tag  mit  den 
Unterschriften  von  63  Künstlern  zurück;  leider  waren 
dieselben  nicht  in  dem  Comite  und  daher  nicht  stimm- 
berechtigt. *) 

Die  eisernen  Läden  wurden  hergestellt  und  zwar, 
wie  man  mir  sagte , mit  einem  Aufwande  von  30  000 

*)  Es  folgen  diese  Namen  der  Künstler,  welchen  Kunst- 
freunde gewiss  ein  ehrendes  Andenken  bewahren : Steffan,  H.  Hein- 
lein, Emil  Kirchner,  R.  v.  Poschinger,  J.  F.  Hennings,  C.  Boss- 
hardt , Grünenwald , Ch.  Mali , J.  B.  Hafner , Aug.  Müller, 
G.  Majer,  W.  Lindenschmit.  Jos.  Watty,  F.  Vogel,  F.  Seidel, 
J.  Brandt,  Wenglein,  K.  Ebert,  Gerhardt,  Conrad  Hoff.  Langko, 
O.  Fröhlicher,  C.  Willich,  A.  Lier , Malchus,  Erich  Correns, 
L.  Linder,  M.  Lotze,  Conr.  Reinherz,  Wilh.  Boshart,  Ferd.  Petzei, 


312 


Gulden,  die  Gemälde  sind  aber  bereits  ruinirt,  so  dass 
sie  nicht  mehr  restaurirt  oder  ersetzt  werden  können. 

Mein  Gewissen  ist  dabei  beruhigt , aber  es 
schmerzt  mich  sehr,  dass  solche  Kunstwerke,  welche 
zur  Ehre  des  Vaterlandes,  wie  des  hohen  Stifters  da- 
standen, zu  Grunde  gehen  mussten. 

Mehr  Glück,  wiewohl  mit  einigem  körperlichen 
Nachtheil  für  mich  verbunden,  hatte  ich  bei  einer 
späteren  Gelegenheit. 

Zu  Lauingen  an  der  Donau  befindet  sich  in  der 
schönen  gothischen  Kirche  die  Familiengruft  der  Pfalz- 
grafen von  Bayern-Neuburg.  Da  man  die  Särge  be- 
schädigt glaubte,  wurden  sie  im  Jahre  1/81  auf  kur- 
fürstlichem Befehl  durch  eine  Kommission  geöffnet, 
die  darin  gefundenen  Kleinodien  brachte  man  in  das 
Münzkabinet,  später  gelangten  sie  in  das  National- 
museum. Der  Werth  derselben  ist  unschätzbar,  sowohl 
an  Gold,  Diamanten,  Rubinen,  Saphiren , Smaragden, 
wie  noch  mehr  an  künstlerischer  Ausführung  und  fein- 
ster Stilisirung. 

Damals  legte  man  wenig  Werth  auf  ähnliche  Dinge, 
es  wurde  in  Folge  dessen  jene  Untersuchung  auch  sehr 
oberflächlich  behandelt,  daher  entschloss  ich  mich  im 
|ahre  187/  den  Inhalt  der  Gruft  nochmals,  aber  gründ- 


W.  Malecki,  H.  Haiscli , Fried.  Bodenmüller,  E.  Willers,  Ernst 
Reiniger , Heinr.  Schaumann  , Ortlieb  , Th.  Kutsch  , J.  Jäger, 
W.  Schütze,  Carl  Rohde,  J.  Zügel,  Wilh.  Diez,  O.  Gebier, 
L.  Hartmann,  Cäsar  Metz.  Josef  Miller,  Alphons  Bodenmüller, 
J.  Zimmermann  , G.  Schönleber , Malchus , Käppis  , Stieler, 
L.  Vollmar,  Jul.  Köckert  , K.  lieilmayer,  W.  Forn,  Ed.  Heinel, 
A.  Eberle,  G.  Dehrn.  A.  Gräfle.  L.  Epp. 


313 


lieh  zu  untersuchen.  Von  zwei  Arbeitern  unterstüzt, 
durchsuchte  ich  die  20  Zinnsärge.  Wenn  auch  der 
reiche  Schmuck  fehlte,  so  fand  ich  doch  noch  manche 
interessante  Einzelheiten,  besonders  Kostümstücke  in 
Sammet  und  Seidendamast,  welche  der  Verwesung 
getrotzt  hatten.  In  Folge  ihrer  geschmackvollen 
Musterung  und  wunderbaren  Technik  könnte  man  zur 
Ansicht  kommen,  dass  in  dieser  Richtung  die  mensch- 
liche Geschicklichkeit,  ungeachtet  aller  neueren  Er- 
findungen, in  den  letzten  300  Jahren  keine  sonder- 
lichen Fortschritte  gemacht  habe.  Durch  diese  Stoff  - 
theile  konnte  ich  der  Textil-  wie  Kostümsammlung 
des  Nationalmuseums  einen  lehrreichen  Zuwachs  ver- 
schaffen. 

Als  die  bedeutendste  dieser  meiner  Auffindungen 
muss  'ich  das  vollständige  Kostüm  der  Pfalzgräfin 
Dorothea  Sabina  fgeb.  1576  f 1598)  hervorheben,  es 
besteht  aus  einem  offenen  Ueberkleid  mit  langer 
Schleppe  und  Mieder  von  dunkelgrünem  Sammet,  mit 
Stehkragen  und  mit  Wülsten  auf  den  Achseln,  langen 
offenen  Hängeärmeln,  die  mit  gelbem  „verhacktem“ 
Seidenstoff  gefüttert  sind.  Das  Unterkleid  von  starkem 
gelben  Seidenstoff  hat  vielfach  gepuffte  Aermel  und 
ist  durchaus  mit  Silberlitzen  besetzt.  Alle  Theile  von 
Leinwand  existirten  nicht  mehr. 

Ausserdem  fand  ich  noch  das  Glied  einer  pracht- 
vollen breiten  goldenen  Kette,  einer  sogenannten  Um- 
lege, und  unter  den  Kleidern  in  der  Gegend  der 
Brust  ein  kleines  Herzchen  von  Gold,  in  dessen  Mitte 
ein  S auf  durchsichtigem  Grunde  eingesetzt  war,  es 
hing  an  einem  schwarzen  Seidenschnürchen,  wahr- 


314 


scheinlich  hatte  dieses  die  Pfalzgräfin  bei  ihrer  Taufe 
erhalten.  Diese  Gegenstände  legte  ich  zu  dem  Schmuck, 
der  schon  früher  aus  demselben  Grabe  gekommen  war. 

Die  Zinnsärge  waren  meistens  von  kolossaler  Grösse 
und  reich  ornamentirt,  auf  jeder  der  zwei  Seiten  be- 
fanden sich  drei  Löwenköpfe  mit  Ringen  in  den  Ra- 
chen zum  Tragen  des  Sarges ; ausserdem  waren  sie 
mit  Gravirungen  von  Meisterhand  versehen,  bestehend 
in  Inschriften  mit  den  Namen,  Titulaturen,  Crucifixen 
und  in  reichhaltigen  Wappen,  welche  an  ähnliche  Ar- 
beiten von  Lukas  Kilian  und  Mathias  Merian  sehr  er- 
innern. Die  Kostüme,  der  Schmuck,  wie  auch  diese 
Särge  geben  sprechendes  Zeugniss  für  die  Pracht-  und 
Kunstliebe,  durch  welche  die  Menschheit  hohen,  und 
nach  Verhältniss  auch  niederen  Standes  im  Leben  wie 
auch  über  das  Leben  hinaus  sich  verherrlichte.  Daher 
stellte  ich  auch  von  diesen  Särgen  12  in  dem  National- 
museum auf. 

Mein  Drang,  über  wie  unter  der  Erde  Erinner- 
ungen an  unsere  Vorfahren  aufzusuchen,  wäre  mir 
diesmal  beinahe  theuer  zu  stehen  gekommen.  Die 
Gruft  war  seit  1781  nicht  mehr  eröffnet,  ich  Hess  die 
grosse  Steinplatte  heben,  unter  welcher  die  Treppe 
in  die  Gruft  führte,  durch  diesen  einzigen  Eingang 
konnte  keine  Luftströmung  geschafft  werden.  Ich  ver- 
brachte darin  von  früh  10  bis  l und  den  Nachmittag 
von  2 bis  8 Uhr  mit  Untersuchen  der  Leichen  zu, 
ohne  dabei  an  etwas  anderes  zu  denken. 

Nach  Waschen  und  Kleiderwechsel  begab  ich 
mich  in  das  Gastzimmer,  wo  eine  Gesellschaft,  be- 
sonders von  geistlichen  Herren,  mich  erwartete,  welche 


315 


von  mir  Neues  aus  alten  Zeiten  erfahren  wollten  ; 
wenn  ich  auch  Manches  bieten  konnte,  so  erfuhr  auch 
ich  Dinge  von  Interesse  über  Land  und  Leute,  wie 
man  es  fast  nur  in  einer  solchen  gemüthlichen  Gesell-  * 
schalt  eines  kleinen  Städtchens  erfahren  kann.  Nach- 
dem ich  bis  1 1 Uhr  in  dieser  heiteren  Gesellschaft 
und  in  bestem  Wohlsein  zugebracht  hatte  und  mich 
zu  Bette  begeben  wollte,  überfiel  mich  ein  Sturm 
gleich  dem  vollständigen  Ausbruch  der  Cholera.  Ich 
dachte  an  Frau  und  Kinder  zu  Hause,  wollte  tele- 
graphiren,  war  aber  zu  schwach  dazu,  ich  schlief  er- 
mattet ein,  erwachte  des  Morgens,  fand  mich  wohl 
und  frühstückte  con  amore.  Als  ich  mich  aber  wieder 
in  die  Gruft  begab,  um  das  Werk  fortzusetzen,  über- 
fiel mich  nach  kaum  zwei  Minuten  eine  grosse  Uebel- 
keit,  während  ich  fast  den  ganzen  Tag  vorher  darin 
zugebracht  hatte.  Die  kleineren  noch  nicht  unter- 
suchten Särge  Hess  ich  herauftragen,  den  Rest  meines 
Geschäftes  besorgten  die  Herren  Bürgermeister  und 
Physikus  und  deren  Frauen  ; letzteren  gruselte  es  nicht 
mehr  davor,  nachdem  sie  mich  über  Zweck  und  Wich- 
tigkeit der  Sache  sprechen  gehört  hatten.  Aerzte, 
welche  von  der  Geschichte  erfuhren , lobten  meine 
gute  Natur,  die  sich  selbst  geholfen  und  ohne  welche 
eine  Blutvergiftung  eingetreten  wäre. 

Im  Uebrigen  habe  ich  wenig  Erfolge  von  meiner 
Stellung  als  Generalconservator  der  Kunstdenkmale 
Bayerns  zu  verzeichnen.  Das  Comite,  welches  mir, 
oder  welchem  ich  , zur  Berathung  beigegeben  wurde, 
Hess  der  Minister  nach  der  ersten  Sitzung  nie  wieder 
Zusammenkommen,  auch  Hess  er  es  nicht  ergänzen. 


316 


obgleich  es  bis  auf  einen  Mann  ausgestorben  war. 
So  oft  ich  wegen  Erhaltung  von  Kunstdenkmalen 
einen  Bericht  an  das  Ministerium  gelangen  Hess,  er- 
hielt ich  entweder  keine  oder  eine  unpassende  und 
unwürdige  Antwort,  so  z.  B.,  als  ich  berichtete,  dass 
gegen  geistliches  und  weltliches  Verbot  aus  einer 
Kirche  ein  höchst  merkwürdiger  Kelch , vom  Her- 
zog Arnulf  stammend,  verkauft  worden  sei  , den 
man  noch  rechtzeitig  zurückfordern  könne,  war  die 
Antwort:  „Was  einmal  fort  ist,  kann  man  nicht 

wieder  haben,  und  ich  sei  Schuld  daran,  weil  ich  es 
nicht  rechtzeitig  für  das  Museum  angekauft  habe“, 
während  ich  diesen  Kelch  vorher  nie  sah  und  über- 
haupt kein  Recht  hatte,  der  Kirche  etwas  feil  zu 
machen. 

Einst  berichtete  ich,  man  gehe  damit  um,  auf 
der  Burg  zu  Nürnberg  einen  alten  malerischen  IIolz- 
und  Fachwerkbau  aus  dem  16.  Jahrundert,  welchen 
schon  Albrecht  Dürer  aufgenommen  hatte,  abzubrechen, 
darauf  erhielt  ich  die  Antwort,  er  muss  hinweg,  weil 
er  aus  dem  16.  Jahrhundert  stammt.“  (!  ?) 

Durch  alle  diese  Dinge  wurde  mir  meine  Stelle 
immer  mehr  verleidet. 

Als  ich  meine  zweite  Eingabe  um  Quiescirung 
am  28.  Februar  1884  selbst  in  das  Ministerium  trug, 
rieth  mir  daselbst  der  betreffende  Referent  mit  freund- 
lichster Miene,  an  meiner  Stelle  zu  verbleiben,  es  sei 
dem  Herrn  Minister,  der  meine  Verdienste  hoch- 
schätze (?),  sehr  unangenehm,  wenn  ich  mein  Amt 
niederlege,  ich  solle  nur  mit  Energie  Denjenigen  ent- 
gegentreten, welche  mir  in  meiner  Stellung  Wider- 


317 


wärtigkeiten  bereiten  u.  s.  w.,  und  zwar  das  alles,  wäh- 
rend ich  wusste , dass  man  schon  das  Möglichste  ge- 
than,  mir  meine  Stelle  unmöglich  zu  machen,  und 
sich  schon  umgesehen  hatte,  einen  Nachfolger  zu  fin- 
den, und  man  mich  nur  noch  so  lange  hinhalten  wollte, 
bis  man  einen  solchen  gefunden  habe.  Ich  erhielt 
meine  Quiescirung  unter  dem  2.  April  1885  in  meinem 
75.  Lebens-  und  33.  Dienstjahre.  Damit  wurde  zu- 
gleich mit  meiner  Direktorstelle  die  eines  Generalcon- 
servators  der  Kunstdenkmale  Bayerns  meinem  Nach- 
folger übergeben,  wiewohl  vorher  beide  Stellen  in 
keinem  direkten  Zusammenhang  standen. 

Dass  es  mir  schwer  fiel,  mich  von  dem  zu  tren- 
nen, wofür  ich  viele  Jahre  hindurch  mit  Liebe,  glück- 
lichem Erfolg  und  so  vielen  Anstrengungen  wirkte, 
ist  wohl  natürlich,  doch  was  meine  Person  betrifft, 
so  hatte  ich  keine  Ursache,  mich  darüber  zu  grämen, 
denn,  abgesehen  von  dem  Gewinn  meiner  Zeit,  wurde 
mir  in  der  Nähe  und  besonders  aus  der  Ferne  weit 
mehr  Lob,  Anerkennung  und  Dank  zu  Theil,  als  ich 
verdiente  und  als  ich  hätte  erwarten  können. 


XL.  Zweck  und.  Einrichtung  des  National- 
museums. 

Wenn  ich  hier  versuche,  einen  kurzen  Ueberblick 
dessen  zu  geben,  was  ich  bei  Organisirung  des  Natio- 
nalmuseums erreichte,  oder  auch  nur  plante,  so  bin 
ich  weit  entfernt,  mich  eines  besonderen  Talentes  zu 
rühmen.  Ich  möchte  nur  damit  bezwecken,  dass  das, 
was  mir  gelungen  ist  und  sich  bisher  als  praktisch  er- 


318 


wiesen  hat,  auch  noch  fernerhin,  wie  bisher,  Nutz- 
anwendung linden  möge.  Auch  will  ich  jener  Männer 
gedenken,  welche  schon  vor  mir  in  dem  Museumsfach 
viel  geleistet  und  mir  Zweck  und  Nutzen  desselben 
besonders  dadurch  klar  und  einleuchtend  gemacht 
haben,  dass  sie  mir  durch  ihre  Museen,  Bibliotheken 
etc.,  wie  durch  ihre  Kenntnisse  so  vieles  Material  und 
so  reiche  Belehrung  boten  und  mir,  oft  unter  misslichen 
Verhältnissen,  Muth  und  Kraft  aufrecht  erhielten. 

Als  ich  die  Direktion  des  Nationalmuseums  über- 
nahm, waren  die  30  Säle  des  Mittelstockwerkes  leer, 
sie  sollten  auch  so  bleiben  und  nur  die  Geschichte 
des  bayerischen  Herrscherhauses  repräsentiren.  1 )ie 
Wandmalereien  zeigten  Scenen  aus  der  bayerischen 
Geschichte,  und  nur  in  der  Mitte  eines  jeden  Saales 
sollte  die  lebensgrosse  Statue  eines  bayerischen  Fürsten 
aufgestellt  werden : eine  Anzahl  derselben  war  schon 
im  Gipsmodell  vollendet.  Die  schon  vorhandene  ausser- 
ordentlich grosse  Masse  der  unschätzbarsten  Kunst- 
werke war  in  dem  Erdgeschoss  und  dem  obersten 
Stockwerke,  das  nicht  einmal  die  Breite  des  ganzen 
Baues  einnahm,  zusammengedrängt,  so  dass  ich  ge- 
zwungen war,  diese  30  Säle  zur  Aufstellung  der 
Sammlungen  ohne  Beeinträchtigung  der  Wandgemälde 
zu  benutzen.  Ich  erkannte  darin  einen  wesentlichen 
Vortheil,  dass  die  Säle  einer  jeden  der  drei  Etagen 
mit  nur  ganz  wenig  Seitengemächern  in  gerader  Linie 
aufeinander  folgten,  wodurch  ganze  Rubriken  in  ihrer 
Zusammengehörigkeit  überblickt  wurden,  und  Studien 
daran  leicht  gemacht  werden  konnten,  was  auch  in 
einem  jeden  Museum  rasche  Orientirung  und  leichtere 


319 


Ueberwachung  ermöglicht.  Solche  Vortheile  vermisst 
man  leider  nur  zu  sehr  im  Musee  de  Cluny  zu  Paris 
und  in  dem  Germanischen  Museum  in  Nürnberg,  in 
denen  man  durch  Anheften  von  Wegweisern  und 
Aufschriften  den  Klagen  über  ein  Labyrinth  nach 
Möglichkeit  entgegenzuwirken  sucht.  Bei  diesen  Mu- 
seen war  aber  auch  die  Sachlage  eine  ganz  andere, 
denn  hier  sind  die  Gebäude  selbst  interessante  ge- 
schichtliche Denkmale,  die  nicht  für  Museen  berechnet 
waren. 

Durch  meine  Studien,  welche  ich  an  so  manchen 
älteren,  wie  neueren  Museen  für  den  Zweck  meiner 
eigenen  Arbeiten  machte,  musste  ich  wohl  schon  längst 
mit  mir  über  Zweck  und  Nutzen  eines  Nationalmuseums 
im  Reinen  sein;  denn  es  ist  menschlich,  dass  alles, 
was  man  in  seinem  eigenen  Interesse  als  nützlich  oder 
schädlich  erkannt  hat,  am  besten  im  Gedächtniss 
bleibt.  Meine  Freunde,  wie  ich  selbst,  glaubten  da- 
her, dass  ich  ein  leichtes  Spiel  haben  würde,  meine 
Erfahrungen  in  Anwendung  zu  bringen,  das  wäre  aber 
nicht  ohne  das  Handschreiben  des  Königs  Ludwig  II. 
vom  Juli  1868  möglich  gewesen. 

Es  existirten  bisher  wenige  Museen , die  allen 
jetzigen  Anforderungen  entsprachen ; sie  bestanden 
meistens  in  sogenannten  Kunstkammern  auf  Burgen 
und  Schlössern,  in  welchen  man  allerlei  Curiositäten 
zur  Unterhaltung  der  Freunde  und  Gäste  aufbewahrte, 
in  Salons , die  man  mit  Kunstsachen  dekorirte , oder 
Raritätenkabinetchen  , in  denen  der  Arrangeur  die 
Kunstgegenstände  zur  malerischen  und  dekorativen 
Ausschmückung  benutzte. 


320 


Jetzt  sind  dieses  nicht  mehr  Spielsachen  und 
Unterhaltungsgegenstände . sondern  Dinge  für  ernstes 
Studium , welche  uns  einen  Blick  über  menschliche 
Befähigung  durch  Jahrhunderte  hindurch  gewähren. 

Um  den  jetzigen  Anforderungen  zu  genügen,  ist 
bei  Ordnung  und  Aufstellung  in  einem  Museum  in 
erster  Linie  die  chronologische  Reihenfolge  zu  be- 
achten , denn  alles  menschliche  Bilden  und  Schaffen 
ist  durch  den  Geist  der  Zeit  beeinflusst.  Doch  sind 
die  Werke  der  Kunst,  wie  jene  des  Handwerkes  in 
gleicher  Periode  und  gleicher  Geschmacksrichtung 
nach  Material,  Zweck  und  Bestimmung  oft  sehr  ver- 
schieden. Wollte  man  daher  ohne  Zwischenabtheil- 
ungen nur  allein  auf  die  Zeitfolge  sehen,  so  würden 
oft  sehr  verschiedenartige  Dinge  in  störender  Weise 
neben  einander  zu  stehen  kommen.  Ungeachtet  solcher 
Abtheilungen,  die  in  der  zeitlichen  Reihenfolge  neben 
einander  herlaufen,  bietet  das  ganze  bayerische  National- 
Museum,  dem  Wesen  nach,  eine  ununterbrochene  Ueber- 
sicht  über  Wirken  und  Schaffen  vom  frühesten  Mittel- 
alter  bis  zur  neueren  Zeit,  wodurch  etwas  hergestellt 
wurde,  wie  es  vorher  in  München  nicht  zu  linden 
war.  Dem  gegenüber  muss  ich  lebhaft  bedauern,  dass 
die  herrlichen  Schätze  des  Griechen-  und  Römer- 
thums, welche  für  sich  eine  ebenso  abgeschlossene 
Kulturperiode,  wie  das  christliche  Mittelalter  bilden, 
in  München  noch  unter  verschiedenen  Verwaltungen 
und  an  verschiedenen  Orten  untergebracht  sind. 
Obenan  steht  die  Glyptothek,  eine  grossartige  Schöpf- 
ung Königs  Ludwig  1.  Als  wesentlicher  Bestandtheil 
dazu  gehört  das  jetzt  noch  weit  davon  entfernt  ge- 


321 


legene  „Gipsmuseum“,  welches  unter  so  bescheidenem 
Titel  durch  den  bedeutenden  Archäologen  Heinrich  von 
Brunn  ins  Leben  gerufen  wurde.  Es  ersetzt,  besonders 
zum  Zweck  des  Studiums,  die  klassischen  Sculpturen, 
die  in  Original  um  keine  Summen  mehr  zu  haben 
sind.  In  gleicher  Weise  die  unschätzbare  Vasensamm- 
lung, auch  durch  das  hohe  Interesse  des  Königs  Lud- 
wig I.  herbeigeschafft,  die  einen  tiefen  Blick  in  das 
Volksleben  und  die  Geschmacksrichtung  des  klassischen 
Alterthums  gewährt,  ebenso  das  davon  entfernte 
Antiquarium,  so  reich  an  Lehrmitteln  durch  herrliche 
Terrakotten  und  Broncearbeiten.  Auch  wäre  dabei 
die  antike  Münzsammlung  von  höchster  Wichtigkeit 
zum  Studium  der  griechischen  und  römischen  Ge- 
schichte und  Kunst. 

Mein  Vorgänger  im  Amte,  Aretin,  dem  darum 
zu  thun  sein  musste,  in  kurzer  Zeit  das  Nationalmuseum 
möglichst  reichhaltig  zu  gestalten,  hatte  in  demselben 
eine  sogenannte  römische  Abtheilung  hergestellt,  wo- 
zu das  Material  meistens  dem  ehemaligen  Antiquarium 
in  der  alten  Residenz  entnommen  wurde.  Ich  glaubte 
nicht,  dass  dadurch  das  Studium  der  klassischen  Kunst 
und  Kultur,  oder  das  Ansehen  des  Nationalmuseums 
gehoben  werde,  und  benahm  mich  daher  mit  dem 
Kabinetsrath  des  Königs  Ludwig  I.,  Hüther,  der  die 
Glvptothek  zu  verwalten  hatte,  um  vielleicht  für  die 
Zukunft  eine  Vereinigung  der  klassischen  Kunstschätze 
anzubahnen.  Dieser  war  auch  bereit,  das  Seinige 
dazu  beizutragen ; er  zeigte  mir  in  der  Glvptothek 
geräumige  Säle,  welche  fast  noch  leer  standen,  einen 
geräumigen  Hof,  der,  mit  Glas  überdeckt,  noch  viele 

21 


322 


Kunstschätze  hätte  aufnehmen  können.  Ausserdem 
wäre  noch  leicht  an  der  Rückseite  der  Glyptothek 
eine  Kunsthalle  anzubauen,  so  dass  hier  alle  auf  die 
Antike  bezüglichen  Kunstwerke  untergebracht  werden 
könnten.  Wie  ich  schon  voraus  wissen  konnte,  wurde 
aus  der  Sache  nichts,  doch  reute  es  mich  nicht,  dazu 
beigetragen  zu  haben,  dass  vielleicht  in  der  Zukunft 
eine  solche  Idee  wieder  aufgegriffen  werde.*)  Ich  ver- 
wendete daher  das  so  schwach  vertretene  Römerthum, 
von  dem  auch  vieles  dem  frühen  Mittelalter  angehörte, 
zur  Einführung  in  die  Sammlung  der  Terrakotten, 
der  Glasfabrikation  u.  s.  w.  Dass  mir  dieses  von 
manchen  Seiten  als  Missachtung  der  Antike  ausgelegt 
wurde,  darauf  konnte  ich  g’efasst  sein. 

I >ie  umfangreichste  Abtheilung  im  Nationalmuseum 
ist  die  der  häusliche  n Ei  n rieht  ungen,  wobei  alles  das 
inbegriffen  ist,  was  in  Wohnungen,  Rurgen,  Schlössern, 
I lauskapellen  etc.  zum  Gebrauch  wie  zur  Ausschmück- 
ung diente.  Dabei  ist  auch  die  religiöse  oder  kirch- 
liche Kunst  reich  vertreten;  denn  im  Mittelalter  ist 
nicht  eine  Wohnung  ohne  I lausaltärchen  und  Heiligen- 
bilder. in  Sculptur  wie  in  Malerei,  zu  denken,  was 
gegen  Schluss  des  1(>.  Jahrhunderts  allmählich  abnahm. 
In  dieser  Abtheilung  befinden  sich  Kunstwerke  ersten 
Rangs,  darunter,  wie  in  allen  Abtheilungen,  auch  Ge- 
schenke von  Privaten,  denen  man  zum  Dank  ver- 

*)  Auch  Heinrich  von  Brunn  hatte  später  den  (jedanken 
angeregt,  alle  antiken  Kunstsammlungen  mit  der  Glyptothek  zu 
vereinigen,  ebenso  sein  Schüler  Dr.  Paul  Arndt.  Vergl.  die  Bro- 
schüre des  Letzteren : Münchener  Kunstsammlungen.  Pläne  und 
Vorschläge.  München  189/.  8". 


323 


pflichtet  ist,  und  deren  Namen  ich  an  betreffender 
Stelle  anheften  Hess. 

Die  zweite  grosse  Abtheilung  ist  jene  der  Trachten, 
Waffen  und  des  Schmuckes;  sie  besitzt  einen  be- 
sonderen Werth  für  Geschichte,  denn  man  hat  in  ihr  die 
unmittelbare  äussere  Erscheinung  der  Menschheit  ver- 
schiedener Jahrhunderte  vor  Augen.  Ich  hatte  immer 
den  Eindruck,  als  könne  sich  ein  Freund  des  Ge- 
schichtsstudiums nicht  allein  mit  den  geschichtlichen 
Thatsachen  begnügen,  sondern  müsse  auch  das  Ver- 
langen haben,  eine  bildliche  Vorstellung  der  damit 
verbundenen  äusseren  Erscheinungen  zu  gewinnen. 
Besonders  zu  solchem  Zwecke  stellte  ich  diese  Sepa- 
ratsammlung her,  die  mit  der  frühchristlichen  Periode 
beginnt  und  sich  bis  in  das  Jahr  18/1  erstreckt. 

Die  Waffen,  vorzüglich  Harnische,  welche  Aretin 
aus  dem  ehemaligen  Militärzeughause  holte,  und  jene, 
welche  ich  auf  dem  Schlosse  Hohenaschau  erwarb, 
sie  waren  zwar  sehr  kostbar,  reichten  jedoch  nicht 
aus,  um  ihre  Entwicklungsgeschichte  anschaulich  zu 
machen.  Ich  stellte  daher  die  Bitte , dass  der  Inhalt 
des  alten  bürgerlichen  Zeughauses  in  das  National- 
museum gegeben  werde,  worauf  der  Magistrat,  an 
dessen  Spitze  der  vortrellliche  Bürgermeister  Erhardt, 
in  der  dankenswerthesten  Weise,  mit  Vorbehalt  des 
Eigenthumsrechtes,  einging.  Dadurch  ward  der  Be- 
sitz der  Stadt,  wie  der  des  Museums  um  das  Dop- 
pelte an  Werth  erhöht,  denn  es  wurde  etwas  Grosses 
und  Lehrreiches  geschaffen. 

Von  dem,  was  durch  den  Besitz  der  Stadt  Mün- 
chen im  Allgemeinen  gewonnen  wurde,  will  ich  vor- 

2 1 * 


324 


erst  nur  das  erwähnen,  was  besonders  bei  den  Aeltesten 
unserer  Zeitgenossen  interessante  Jugenderinnerungen 
wachrufen  kann.  Möge  dabei  an  das  gedacht  werden, 
was  damals  unser  Vaterland  war,  und  was  wir  den 
Männern  zu  danken  haben , welche  ein  einiges  deut- 
sches Vaterland  geschaffen  ! 

Es  ist  die  Gruppe  der  Erinnerungen  aus  dem 
Schlüsse  des  vorigen  Jahrhunderts  bis  zum  Entstehen 
des  neuen  deutschen  Reiches.  Sie  wurde  besonders 
dadurch  ermöglicht,  dass  König  Ludwig  I.,  schon  in 
jungen  Jahren  den  Werth  solcher  Erinnerungen  er- 
kennend, Material  dazu  aufbewahrte.  Ich  hatte  es 
schon  als  Conservator  der  vereinigten  Sammlungen 
in  Verwahr,  konnte  es  aber  damals  in  Befürchtung 
mancher  moquanter  Bemerkungen  noch  nicht  öffent- 
lich aufstellen,  was  mir  alsdann  im  Nationalmuseum 
gelungen  ist.  Ich  will  hier  nur  die  eigenthümlichen 
und  eigenhändigen  Aufschriften  des  Königs  erwähnen  : 

„Dieses  rothe  goldgestickte  Kleid  trug  Herzogin 
Therese  von  Sachsen  - Hildburghausen , als  Bayerns 
Kronprinz  Ludwig  (der  ihr  Gemahl,  später  König 
wurde  und  sie  Königin)  sie  das  erste  Mal  sah,  was 
stattgefunden  zu  Ilildburghausen,  wenige  Tage  vor 
Weihnachten  1809.“ 

„Dies  rothe  silbergestickte  Kleid  trug  die  1 lerzogin 
Therese  von  Sachsen-Hildburghausen  bei  ihrem  feier- 
lichen Empfang  in  München  als  Braut  des  Kronprinzen 
Ludwig  von  Bayern  den  10.  Oetober  1810.“ 

„Das  ist  das  Hochzeitkleid  gewesen  meiner  viel- 
geliebten. verewigten  Gemahlin,  der  Königin  Therese, 


geb.  Prinzessin  von  Sachsen.  München,  den  8.  April 
1855.“ 

„Diese  rothen  Schuhe  meiner  Braut  Therese, 
nachmalige  Königin  von  Bayern,  welche  ihre  Amme 
an  unserer  Vermählung  übergab.“ 

„Diese  Mappe  trug  unterm  Arm  in  Collegien 
gehend  in  Göttingen  der  Churprinz  von  Pfalzbayern, 
der  unter  dem  Namen  eines  Grafen  von  Werdenfels 
im  October  1803  diese  Universität  bezog,  sie  gegen 
Ende  August  1804  verliess.“ 

„Degen,  welchen  Napoleon  bei  Ulm  trug,  dem 
Kronprinzen  Ludwig  von  Bayern  im  Jahr  1806  in 
München  gab.“ 

„Uniform,  von  Kronprinz  Ludwig  von  Bayern 
bei  der  Schlacht  von  Eckmühl  den  22.  April  1809 
getragen.“ 

„Diesen  Feldmarschallwaffenrock  nebst  den  dazu 
gehörigen  langen  blauen  Hosen  trug  Ludwig  I.,  König 
von  Bayern,  im  1.  Fünftheil  des  19.  Jahrhunderts.“ 
„Diese  Uniform  für  das  bayerische  Leib-Infanterie- 
Regiment  trug  Ludwig  L von  Bayern  während  der 
Empörung  im  März  1848,  äls  derselbe  am  6.  ob- 
genannten Monats  die  Proklamation  Unterzeichnete, 
welcher  diese  eigenhändig  schrieb.“ 

„Mit  dieser  Feder  Unterzeichnete  Ludwig,  König 
von  Bayern,  im  fahr  1848  am  6.  März  die  Prokla- 
mation , am  20.  des  nehmlichen  Monats  seine  an  die 
Bayern  gerichtete,  dessen  Kronentsagung  begleitenden 
Worte  und  diese  selbst,  was  derselbe  hiemit  schrieb.“ 
Dabei  befinden  sich  ferner  manche  Gegenstände, 
wie  Hüte,  Kappen  etc.  der  wunderlichsten  Form,  mit 


326 


welchen  ich  mich  noch,  aus  meiner  Kindheit,  erinnere, 
den  König  gesehen  zu  haben.  Diese  Gruppe  der 
Erinnerungen  an  jene  für  uns  so  wichtige  Zeit  wurde 
noch  durch  nachstehende  Gegenstände  zureichend  er- 
gänzt : 

„Uniform  eines  Todtenkopfhusaren,  Regiment  des 
Herzogs  von  Braunschweig.  1813 — 14,  Geschenk  des 
Freiherrn  von  Bothmer.“ 

„Uniform  des  Feldmarschalls  Fürst  Wrede,  welche 
derselbe  in  der  Schlacht  bei  Wagram  den  6.  Juli  1809 
trug,  mit  sichtbarer  Stelle,  an  welcher  ihn  eine  Kugel 
traf.“ 

„Uniform  König  Max  Joseph  I.“ 

„Uniform  König  Max  II.,  des  Gründers  desNational- 
museums.“ 

Letztere  drei  Gegenstände  mit  den  dazu  gehörigen 
Waffenstücken  sind  Eigenthum  der  Stadt  München. 

Das  Prachtnationalkostüm  des  Königs  Otto  von 
( mechenland,  wie  dessen  goldgesticktes  Pferdegeschirr, 
ein  Geschenk  des  türkischen  Sultans. 

liier  will  ich  auch  bemerken,  dass  sogleich  nach 
dem  Tode  der  Königin  von  Griechenland  zwei 
griechische  Hofdamen  sämmtliche  Kostümstücke  der 
Königin , darunter  auch  den  Thronornat,  an  einen 
Juwelenhändler,  den  sie  von  München  nach  Bamberg 
kommen  Hessen,  verkauften.  Leider  konnte  ich,  da 
mir  nur  wenige  Mittel  zu  Gebote  standen , nur  einen 
kleinen  Theil  davon  für  das  Nationalmuseum  erwerben, 
den  ich  in  einer  Gruppe  dem  Kostüm  des  Königs  Otto 
gegenüber  aufstellte. 


327 


Eine  Uniform  unseres  bayerischen  Feldherrn  Lud- 
wig Freiherrn  von  der  Tann-Rathsamhausen  (f  1881), 
die  ich  mir  von  dessen  Gemahlin  erbat,  habe  ich  auch 
in  dieser  historischen  Reihenfolge  aufgestellt 

Zum  Schluss  dieser  Serie  stellte  ich  zwei  reich- 
haltige Gruppen  französischer  Waffen  verschiedenster 
Art  aus  dem  deutsch-französischen  Krieg  auf,  wie  es 
damals  noch  leicht  war  und  jetzt  kaum  noch  mög- 
lich wäre. 

Wie  wir  durch  solche  Zusammenstellungen  das 
Bild  aus  einer,  uns  noch  nahestehenden  Periode  ge- 
winnen konnten,  so  musste  es  auch  unser  Streben 
sein , ein  gleiches  aus  früheren  Jahrhunderten  zu 
erhalten.  Dass  uns  das  Material  dazu  nicht  mehr  so 
reichlich  erhalten  blieb , ist  wohl  natürlich  ; wir  müssen 
deshalb  zu  gleichzeitigen  Bildwerken  jeder  Art  greifen, 
um  den  Zusammenhang  des  uns  noch  in  Original  Er- 
haltenen zu  erkennen.  Dazu  dienen  in  erster  Linie 
als  die  sichersten  Anhaltspunkte  die  Grabsteine ; denn 
wir  wissen,  wie  es  in  jenen  Zeiten  der  Stolz  und  die 
Pietät  der  Familie  verlangte,  dass  sogleich  nach  dem 
Ableben  des  Angehörigen  dessen  Bildniss  mit  der 
möglichsten  Genauigkeit  in  Stein  ausgeführt  wurde. 
Deshalb  erscheinen  uns  in  den  Grabmonumenten  des 
Mittelalters  auch  Ritter,  Frauen,  Geistliche  und  andere 
Stände  in  ihrer  ganzen  äusseren  Erscheinung.  Da  sie 
auch  mit  Inschriften,  Namen,  Jahrzahlen  und  Wappen 
versehen  wurden , bieten  sie  uns  sichere  Belege  und 
viele  Anhaltspunke  zum  Forschen  in  Kunst-  und  Kul- 
turgeschichte. Das  Aufsuchen  derselben  brachte  auch 
mir  bei  meinen  Arbeiten  schon  vielen  Nutzen.  Es 


328 


kommt  wohl  auch  in  seltenen  Fällen  vor,  dass  Grab- 
denkmale erst  geraume  Zeit  nach  dem  Tode  des  Be- 
treffenden errichtet  wurden,  diese  können  uns  jedoch 
nicht  irre  führen,  da  nur  wenig  Erfahrung  dazu  ge- 
hört, um  dieselben  als  nicht  massgebend  zu  erkennen. 

Die  wichtige  und  lehrreiche  Abtheilung  der 
Waffen,  Trachten  und  des  Schmuckes  be- 
gann mit  der  Alba  des  Kaisers  Heinrich  II.  des  Hei- 
ligen, einer  Inful  des  11.  Jahrhunderts  und  dem 
Schmuck  der  frühesten  christlichen  Perioden  und  er- 
streckte sich  bis  zur  Uniform  König  Max  II.  und  den 
Gruppen  der  Waffen  aus  dem  Krieg  1870/71.  Sie 
erhielt  manche  werthvolle  Beiträge  durch  Geschenke, 
von  denen  ich  nur  nenne  den  Helm  eines  Dogen  von 
Venedig  aus  dem  1(>.  Jahrhundert  von  Herrn  Felix 
von  Pausinger,  eine  Turnierlanze  zum  „Rennen  im 
Krönlin“  von  dem  Grafen  Vieregg,  von  einem  seiner 
Vorfahren  stammend,  zwei  deutsche  Stechhelme  aus 
dem  16.  Jahrhundert  von  Herrn  Bouton,  Seidenfabrik- 
Besitzer  in  Lyon. 

Eine  höchst  merkwürdige  Sammlung  von  Kostü- 
men vornehmer  Frauen  erhielt  ich  von  dem  hervor- 
ragenden Juristen  und  Universitätsprofessor  Paul  Roth. 
Sie  zeigt  noch  die  Prachtliebe  und  die  Ueppigkeit 
aus  der  ersten  I lälfte  des  18.  Jahrhunderts  im  Gegen- 
satz zu  der  darauf  folgenden  Nüchternheit  und  Ge- 
schmacklosigkeit in  der  zweiten  Hälfte  desselben 
Jahrhunderts. 

In  der  Geschichte  menschlicher  Thätigkeit  ist  die 
Keramik  von  besonderer  Bedeutung,  da  sie  als  ge- 
meines Töpferhandwerk  zu  allen  Zeiten  der  Mensch- 


329 


heit  diente  und  dabei  auch  mit  dem  Fortschritt  der 
Kultur  zu  Kunstwerken  und  Luxusartikel  ausgebildet 
wurde. 

Wenn  ich  auch  gewiss  die  grossartigen  Leistungen 
des  Auslandes  auf  diesem  Gebiete  nicht  unterschätze, 
so  waren  es  doch  besonders  die  Werke  unseres  deutschen 
Vaterlandes,  denen  ich  eine  besondere  Berücksichtig- 
ung zuwendete,  und  zwar  nicht  nur,  weil  ich  ein  guter 
Deutscher  bin,  sondern,  weil  ich  längst  die  Ueber- 
zeugung  gewonnen  hatte,  dass  unser  Vaterland  auf 
diesem,  wie  auf  so  manchen  anderen  Gebieten  bis 
jetzt  zu  wenig  Anerkennung  gefunden  hat. 

Es  freute  mich  besonders,  zu  sehen,  wie  im  16. 
Jahrhundert  unsere  bedeutendsten  Künstler  Muster- 
blätter für  Ornamentirung  der  Krüge,  Fokale,  Humpen. 
Ofenkacheln  etc.  nicht  nur  für  Deutschland,  sondern 
auch  weithin  für  das  Ausland  fertigten. 

Die  Technik  der  Keramik  gipfelt  besonders  in 
der  Porzellanfabrikation  verschiedener  Länder.  Es 
machte  mir  grosse  Freude,  noch  zur  rechten  Zeit  im 
Stande  gewesen  zu  sein,  eine  reichhaltige  Gruppe  der 
schönsten  Arbeiten  des  schon  genannten  vortrefflichen 
Künstlers  Johann  Peter  Melchior  aus  den  Porzellan- 
fabriken blochst  und  Frankenthal  für  das  bayerische 
Nationalmuseum  zu  erwerben. 

Hier  möchte  ich  noch  eine  Bereicherung  des 
Nationalmuseums  erwähnen,  die,  wenn  sie  auch  keine 
eigene  Abtheilung  bildete,  doch  für  diese  Anstalt  von 
höchstem  Werthe  war.  Es  sind  Limoges-Geschirre 
in  Maler-Email  auf  Kupfer,  welche  König  Ludwig  1. 
seiner  Zeit  in  Nürnberg  von  der  Familie  Tücher  er- 


330 


worben  hatte.  Ich  hatte  sie,  die  Privateren thum  des 
Königs  blieben,  schon  als  Conservator  der  vereinigten 
Sammlungen  in  meinem  Verwahr,  damals  war  es 
schon,  dass  Anselm  von  Rothschild  eine  hohe  Summe 
dafür  bot.  Aretin  konnte  sie  vom  Könige  nicht  für 
das  Nationalmuseum  erhalten.  Nach  des  Königs  Tode 
hielt  es  Hofrath  Hüther  für  seine  Pflicht,  sie  im  Interesse 
der  königlichen  Familie  zu  veräussern.  Mit  Aufwand 
meiner  ganzen  Beredsamkeit  gelang  es  mir  (1871 ),  dass 
dieser  grosse  Schatz  dem  Nationalmuseum  zugewiesen 
wurde. 

Abgesehen  von  der  Technik,  die  gerade  hier  in 
München  viel  weniger  als  an  anderen  Orten  vertreten  ist. 
haben  diese  Stücke  für  Bayern  ein  ganz  besonderes  Inter- 
esse, weil  sie  der  Nürnberger  Losunger  Lienhart  Tücher*) 
von  dem  berühmten  Kmailleur  Pierre  Reymond  (Rexmon) 
in  Limoges  anfertigen  und  mit  seinem  und  seiner  Frau, 
einer  geborenen  Nützel,  Wappen  schmücken  Hess.  Wie 
mir  ein  Nachkomme  des  für  die  Nürnberger  Stadtge- 
meinde bedeutsamen  Mannes,  Herr  Ch.  Freiherr  von 
Tücher,  mittheilte,  wurde  das  zu  Gefässen  verarbeitete 
Kupfer  von  Nürnberg  nach  Limoges  gesandt,  um  es  dort 
mit  Darstellungen  nach  italienischen,  deutschen  und 
niederländischen  Kupferstichen  emailliren  zu  lassen. 
Darunter  befindet  sich  eine  Platte  mit  der  Schöpfungs- 
geschichte nach  Lukas  von  Leyden;  die  dazu  gehörige 

*)  Die  Losunger,  deren  es  immer  zwei  waren,  hatten  die 
grösste  Gewalt  und  die  höchste  Würde  in  der  Republik.  — Siehe 
hierüber  wie  über  Lienhart  Tücher:  Sieben  und  dreissigster  Jahres- 
bericht des  historischen  Vereins  von  Mittelfranken  LS69  und  1K70 
Ansbach  4°.  Seite  53  und  125. 


331 


Kanne,  mit  Jagdscenen  nach  niederländischen  Meistern, 
wurde  in  Nürnberg  von  Wenzel  Jamnitzer  mit  Henkel 
und  Schnauze  versehen. 

In  der  Sammlung  der  Glasfabrikation,  be- 
ginnend mit  Werken  der  Römerzeit,  des  frühen  Mittel- 
alters und  aufsteigend  bis  zur  neuen  Zeit,  ist  jede 
Technik  des  Glasblasens,  -Schleifens  und  -Malens  ver- 
treten. Der  Uebergang  zur  neuesten  Zeit  ist  besonders 
durch  Geschenke  der  Herren  Salviati  in  Venedig  und 
Lobmevr  in  Wien  u.  a.  anschaulich  gemacht. 

Die  Sammlung  der  textilen  Arbeiten,  d.  h. 
dessen,  was  in  jeder  Richtung  mittelst  der  Nadel  und 
des  Webstuhls  gefertigt  wurde,  beginnt  mit  den  Werken 
des  neunten  Jahrhunderts  und  geht  bis  zur  neueren 
Zeit ; sie  nimmt  acht  Säle  ein  und  besteht  in  Stoffen  aus 
Leinen,  Wolle,  Seide  von  dem  Einfachsten  bis  zur 
höchsten  Pracht,  zu  verschiedenen  Zwecken  des 
Lebens  aus  den  verschiedenen  Ländern.  Zu  dieser 
Sammlung'  erhielt  ich  als  Geschenk  Seiner  Durchlaucht 
dem  Fürsten  Leopold  von  Fugger-Babenhausen  ein 
Stück  Leinwand,  das  1461  in  der  Weberei  von  Marx 
Fugger  gefertigt  wurde.  Damit  verbunden  ist  eine 
reiche  Sammlung  von  Spitzen  in  Leinen,  Gold  und 
Silber.  Auch  sie  wurde  durch  Freunde  der  guten 
Sache  reich  beschenkt. 

Es  hat  sich  alsbald  erwiesen,  dass  diese  Abtheilung 
des  Museums  in  der  Jetztzeit  besondere  Nutzanwendung 
fand.  Zeichner,  und  noch  mehr  Zeichnerinnen,  kopirten 
stets  daraus  zu  Zwecken  für  Schulen,  Seiden-,  Teppich- 
und  Tapetenfabriken,  Stick-  und  Nähanstalten  u.  s.  w. 
Es  war  daher  zweckmässig,  dass  sämmtliche  Stoff- 


332 


muster  unter  Glas  in  chronologischer  Reihenfolge  über- 
sichtlich aufgestellt  wurden,  wodurch  man  das  zu 
einem  bestimmten  Zweck  Dienende  leicht  auffinden  und 
zum  Kopiren  herausnehmen  konnte. 

Die  Sammlung  der  Werke  der  Schmiedekunst 
und  des  Schlosserhandwerkes,  wofür  kaum  nennens- 
werthes  Material  vorhanden  war,  als  ich  das  National- 
museum übernahm,  erhielt  bald  durch  Vielseitigkeit 
und  Reichthum  eine  besondere  Bedeutung.  Um  dafür 
gehörig  zu  wirken,  fand  ich  schon  frühzeitig  den  Weg 
dadurch,  dass  ich  in  den  verschiedensten  Gegenden 
Material  für  meine  Publikation  Eisenwerke  etc.  auf- 
gesucht hatte.  Dieses  Kunsthandwerk  zeigt  uns,  wie 
man,  besonders  im  Mittelalter,  praktischen  Zweck  mit 
Schönheit  der  Formen  zu  vereinigen  wusste. 

Der  kunstsinnige  König  Ludwig  II.  machte  bei 
Anlage  dieser  besonderen  Sammlung,  in  Folge  meiner 
Bitte,  ein  Prachtwerk  zum  Geschenk,  nämlich  einen 
kolossalen  Schlüssel  mit  reichhaltiger  Ornamentirung 
aus  dem  1“.  Jahrhundert,  der  einst  die  Zunftstube 
der  Schlosser  in  Nürnberg  geziert  hatte. 

Ebne  andere  Separatsammlung,  bei  welcher  ich  keine 
Mühe  scheute,  weil  ich  deren  Wichtigkeit  erkannte, 
ist  jene  der  Ornamentik  in  Holzsculptur.  Als  (Grund- 
lage dazu  benützte  ich  Trümmer  der  reichgeschnitzten 
Wandvertäfelungen  aus  den  Prachtgemächern  der  alten 
Residenz,  welche  bei  dem  Neubau  hinausgeschafft 
worden  waren,  alles  andere  fügte  ich  aus  Geschenken 
und  glücklichen  Erwerbungen  dazu.  Diese  Abtheilung 
enthält  800  Gegenstände.  Ich  stellte  sie  in  chrono- 
logischer Reihenfolge,  40  Gruppen  vom  Jahre  1450 


333 


bis  1820  enthaltend,  auf,  und  jeder  Gegenstand  er- 
hielt einen  schwarzen  Hintergrund,  damit  die  Umrisse 
gehörig  ins  Auge  fielen.  Um  diese  Sammlung  in 
weiteren  Kreisen  bekannt  zu  machen,  Hess  ich  sie  aut' 
photographischem  Wege  vervielfältigen  und  gab  sie 
im  Buchhandel  heraus.*)  Diese  Publikation  erhielt 
eine  grosse  Verbreitung,  da  sie  von  mehreren  Regier- 
ungen empfohlen  und  für  Schulen  wie  Werkstätten  als 
Bedürfniss  anerkannt  wurde. 

Eine  nicht  minder  werthvolle  Abtheilung  besteht 
in  ungefähr  3000  Originalmodellen  aus  Silber,  Kupfer, 
Messing  und  Blei  für  Gold-  und  sonstige  Metall- 
arbeiter aus  der  Zeit  von  1550  bis  1820;  sie  war 
in  einer  alten  Augsburger  Goldschmiedefamilie  Jahr- 
hunderte hindurch  angesammelt  worden.  Se.  Durch- 
laucht Fürst  Leopold  von  Fugger-Babenhausen , der 
schon  mehrfach  ein  Wohlthäter  des  bayerischen  National- 
museums gewesen  war,  erwarb  sie  und  machte  sie  dem 
Museum  zum  Geschenke.  Sie  enthält  Modelle  für 
Miederhacken,  Schnallen,  Kettenglieder,  Fassungen 
für  Edelsteine,  Buchbeschläge,  Messerstiele,  Scheiden 
für  Messerbestecke,  Rosenkranzanhängsel  u.  s.  w.  Ich 
heftete  sie  auf  kleine  schwarz  überzogene  Tafeln,  und 
stellte  sie  in  möglichst  chronologischer  Reihenfolge  in 
zwei  Gruppen  unter  Glas  auf.  Auch  diese  Sammlung 
Hess  ich  in  Lichtdruck  veröffentlichen.  **) 

*)  Ornamente  der  Holzsculptur  von  1450  bis  1820  aus  dem 
bayerischen  Nationalmuseum.  Frankfurt  a.  M. , Heinrich  Keller. 
1881.  Fol. 

**)  Original-Modelle  in  Silber,  Kupfer,  Messing,  Blei,  einer 
Goldschmiedewerkstätte  in  Augsburg  aus  den  Jahren  1550  bis  1800. 
München,  bei  Obernetter. 


Eine  andere  Abtheilung  besteht  in  Werken  der 
Zinngiesse  rei  von  1500  bis  zur  neueren  Zeit.  Sie  ent- 
hält als  besonders  hervorragend  die  Werke  des  Kaspar 
Enderlein,  Modelleur,  Graveur  und  Zinngiesser  aus 
Nürnberg.  Ferner  vier  (Truppen  von  Kinderspiel- 
vvaaren  von  1560  bis  1820.  So  kindlich  hier  auch  die 
Bezeichnung  lautet,  so  bietet  diese  Aufstellung  doch 
für  die  Geschichte  des  häuslichen  und  öffentlichen 
Gebens  manches  Interessante,  da  sich  die  Sitten  und 
Moden  verschiedener  Zeiten  häufig  in  den  Spielsachen 
der  Kinder  abspiegeln. 

Eine  Sammlung  von  Werken  der  Nürnberger 
Becken  sch  läge  rei  aus  dem  Zeitraum  von  1400  bis 
1650.  Es  sind  grössere  und  kleinere  Becken  und 
Schüsseln  mit  erhaben  getriebenem  Bildwerk,  häufig 
die  Verkündigung  Mariae,  den  heiligen  Georg,  eine 
Jungfrau  mit  dem  Einhorn,  Simson  mit,  dem  Löwen 
u.  A.  darstellend.  Randverzierungen  und  Buchstaben 
sind  meistens  mit  Stempeln  eingeschlagen.  Ein  Haus 
in  einer  deutschen  Reichsstadt  ist  kaum  ohne  jenen 
Artikel  zu  denken,  wo  er  zu  verschiedenem  Ge- 
brauch und  besonders  zur  Ausschmückung  der  soge- 
nannten Schauküchen  diente ; nicht  weniger  häufig 
fanden  die  Becken  aber  auch  ihre  Verwendung  als 
Kirchengeräthe. 

Zwei  reiche  Gruppen  von  Werken  der  Nürnberger 
„ Wismuthmalerei“,  ein  Industriezweig  von  grosser 
Verbreitung.  Er  besteht  in  verschiedenartigen  be- 
malten Arbeiten  aus  Buchenholz;  als  Ersatz  für  Gold 
und  Silber  wurde  Wismuth  angewendet,  um  den 
Grund  für  die  Malerei  zu  bilden,  wodurch  die  Farben 


335 


eine  eigenthümliche  Leuchtkraft  erhielten.  Sollte  das 
weis.se  Wismuth  nicht  Silber,  sondern  Gold  vorstellen, 
so  wurde  es  mit  einer  gelben  Lasurfarbe  überzogen. 
Das  reichhaltige,  figürliche  und  ornamentale  Bildwerk 
darauf  war  mit  einer  handwertes-  oder  fabrikmässigen 
Fertigkeit  hergestellt,  wozu  besonders  die  Holzschnitte 
und  Kupferstiche  von  der  Zeit  Albrecht  Dürer’s  bis 
)ost  Amman  benutzt  wurden.  Diese  Erzeugnisse  der 
Nürnberger  Industrie  bildeten  ebenso  wie  die  der 
Beckenschlägerei  weithin  verbreitete  Handelsartikel. 

Eine  höchst  interessante  Sammlung  ist  jene  der 
Musikinstrumente  vom  14.  Jahrhundert  an  bis 
zur  neueren  Zeit.  Sie  enthält  grosse  Seltenheiten  und 
ist  für  die  Geschichte  der  Musik  von  hohem  Werthe. 

Eine  wichtige  Abtheilung  stellte  ich  in  zwei 
( iruppen  auf  und  gab  ihr  die  Aufschrift  „U  t e n s i 1 i e n 
zum  israelitischen  Gottesdienst.“  Es  er- 
scheinen darunter  höchst  bedeutsame  Dinge  aus  dem 
frühen  Mittelalter  bis  zur  neuen  Zeit.  Früher  wären 
sie  nicht  leicht  in  christlichen  Besitz  gekommen.  Es 
unterstützte  mich  aber  dabei  der  sehr  gelehrte  Rab- 
biner Dr.  Perles,  dem  ich  besonders  die  erklärenden 
Aufschriften  zu  danken  hatte.  Durch  glücklichen 
Zufall  konnte  ich  die  daraul  Bezug-  habenden , schön 
gestochenen  Blätter  aus  dem  berühmten  Werke  von 
Bernard  Picart *)  erhalten,  die  ich  als  beste  Erklärung 
bei  dieser  Gruppe  aufheftete. 

*)  C'eremonies  et  coutumes  religieuses  de  tous  les  peuples 
du  monde,  representees  par  des  figures  dessinees  par  Bernard 
Picart.  8 tomes.  Amsterdam  1723  — 43.  Fol.  — Picart,  der  überaus 
geschickte  und  Heissige  Zeichner  und  Kupferstecher,  ist  geboren 
zu  Paris  16/3  und  gestorben  zu  Amsterdam  1733. 


Dieses  ist  das  Wesentlichste  der  verschiedenen 
Gruppen  oder  Rubriken,  das  ich  hier  nur  deshalb  er- 
wähnte, um  dadurch  vielleicht  bei  Anlagen  von  grösseren 
oder  kleineren  Sammlungen  für  praktische  Zwecke  eine 
Anregung  zu  geben. 

Wenn  solche  Anstalten  ihren  Zweck  erfüllen 
sollen,  so  muss  der  Zutritt  aufs  Möglichste  erleichtert 
und  das  Kopiren  nicht  nur  erlaubt,  sondern  auch  auls 
Möglichste  gefördert  werden.  Ausserdem  ist  es 
dringend  nöthig , dass  alle  Kunstwerke  in  möglichst 
genauen  Reproductionen,  durch  Stiche,  Photographien 
oder  plastischen  Abtormungen  in  der  Anstalt  bei  den 
Originalen  selbst  zu  beziehen  sind. 

Wie  überhaupt  in  der  Kunstgeschichte,  so  stehen 
auch  hier  die  Werke  der  Sculptur  oben  an.  Ich  er- 
wähnte bereits,  dass  ich  schon  bei  meinem  Umzug 
nach  München  vom  Generaldirektor  von  Olfers  in 
Berlin  ersucht  wurde,  für  das  dortige  Museum  gute 
Abgüsse  von  grösseren  oder  kleineren  plastischen 
Werken  zu  besorgen.  Dem  stand  leider  damals  noch 

c> 

entgegen,  dass  fast  an  allen  Sammlungen  des  Staates 
das  Kopiren,  und  um  so  mehr  das  Abformen,  verboten 
war.  Ich  konnte  daher  vorerst  nur  an  Dinge  im 
Privatbesitz  und  an  wichtige  Grabdenkmale  in  Kirchen 
denken;  allein  wie  erstaunt  war  ich,  in  München  keinen 
Formator  zu  finden , der  seiner  Zeit  entsprach.  Sie 
formten  alle  nicht  mit  der  feineren  und  testen  Gips- 
masse und  meistens  noch  in  der  alten  Art  mit  Stück- 
und  Keilformen,  wobei  der  Gips  direkt  auf  das 
Original  gebracht  wurde  und  häufig  die  Gussnähte 
sichtbar  blieben.  Als  ich  mir  erlaubte,  dies  zu  tadeln, 


musste  ich  mir  manche  unhöfliche  Worte  gefallen 
lassen,  nur  der  Formator  Kreittmayr  gestand  zu,  dass 
er  nicht  mit  den  Abformungen,  die  ich  ihm  aus  Frank- 
furt und  Paris  zeigte,  konkurriren  könne.  Auf  seine 
Frage,  wo  er  noch  lernen  könne,  empfahl  ich  ihn  an  den 
Bildhauer  Sommer  in  Frankfurt  a.  M.  Er  erhielt  von  dem- 
selben mit  grosser  Bereitwilligkeit  im  Formen  mit  elast- 
ischer Masse  Unterricht,  und  er  brachte  es  hernach  darin 
zu  einer  ausserordentlichen  Geschicklichkeit. 

Als  Vorstand  des  Museums  hielt  ich  es  für  dringend 
nöthig,  dass  in  einem  Lokal  daselbst  eine  permanente 
Ausstellung  von  Abgüssen  der  bedeutendsten  Kunst- 
werke des  Museums  veranstaltet  wurde,  aus  welcher  von 
Künstlern  wie  Gewerbetreibenden  das  zu  ihrem  Zwecke 
Brauchbare  jeder  Zeit  bezogen  und  das  noch  nicht 
Vorhandene  bestellt  werden  konnte.  Nothwendig 
damit  verbunden  war  die  Werkstätte  des  Formators 
im  feuerfesten  Souterrain  des  Museums.  Sämmtliche 
Abgüsse,  die  von  dem  Museum  ausgingen,  trugen  den 
Stempel  dieser  Anstalt. 

Andere  Museen  ähnlicher  Richtung  lassen  die 
Reproductionen  in  Abgüssen  und  Photographien  auf 
eip-ene  Kosten  anfertmen  und  deren  Verkauf  oder 

o o 

Austausch  durch  ihre  eigene  Verwaltung  besorgen, 
was  aber  bei  uns  nicht  thunlich  erschien,  einmal,  weil 
es  sich  mit  den  vielen  Verwaltungsgeschäften  des 
Museums  nicht  wohl  vereinen  Hess,  und  ferner,  weil 
wir  in  diesem  Punkte  nur  das  einzige  Interesse  des 
Museums  darin  erkannten,  dass  die  Reproductionen 
der  Kunstschätze  durch  hohe  Vollendung,  wie  durch 
Billigkeit  der  Preise  die  möglichste  Verbreitung  er- 

22 


hielten  ; dies  wäre  aber  in  solchem  Masse  nicht  möglich 
gewesen,  wenn  das  Museum  selbst  das  Verkaufsgeschäft 
übernommen  hätte.  Die  Verwaltung  stellte  sich  nur  die 
Aufgabe,  das  Reste  und  Nützlichste  zur  Reproduction 
auszusuchen,  über  gute  Arbeit  und  niedere  Preise,  wie 
darüber  zu  wachen,  dass  beständig  eine  übersichtliche 
Ausstellung  aller  Reproductionen  im  Nationalmuseum 
unterhalten  wurde. 

Ueber  solche  Grundsätze  in  Betreff  des  Kopirens, 
Vervielfältigens,  Verbreitens  u.  s.  w.  wird  wohl  mancher 
Privatbesitzer  von  Kunstsachen  und  Alterthümern , wie 
Antiquar  und  Kunsthändler  ausrufen  : „Da  werden  ja 
die  Kunstschätze  etc.  nacho-ebildet  und  verlieren  da- 
durch  ihren  hohen  Werth  der  Seltenheit.“  W as  aber  un- 
richtig ist,  denn  je  mehr  ein  Meisterwerk  durch 
Kopien  und  Beschreibungen  bekannt  wird,  umso- 
mehr steigt  der  materielle,  d.  h.  der  Geldwerth  des 
Originals.  Der  Vorstand  eines  Staatsmuseums  oder  über- 
haupt einer  Staatsanstalt  hat  die  Verpflichtung,  nur  für 
das  zu  sorgen,  was  der  Menschheit  im  Allgemeinen 
zur  Bildung-  und  zum  Fortschritt  nützlich  sein  kann. 

Es  bleibt  hier  nur  noch  die  bei  allen  Museen  und 
Sammlungen  so  wichtige  Frage  eines  gründlichen,  be- 
lehrenden Katalogs  zu  besprechen  übrig 

Ein  Katalog,  welcher  nachträglich  gelesen  wird, 
prägt  die  Sache  nicht  so  sehr  ins  Gedächtniss  ein, 
als  wenn  mit  der  Betrachtung  der  Sache  selbst  zur 
gleichen  Zeit  das  Wichtigste  der  Erklärung  auf  einem 
beigefügten  Täfelchen  ins  Auge  fällt.  Ein  Katalog 
mit  sachgemässer  Erklärung  alles  Einzelnen  ist  von 
Wichtigkeit,  jedoch  würde  er  bei  einem  grossen 


— 339  — 


Museum  so  umfangreich  sein,  dass  er  von  den  Be- 
suchern des  Museums  nicht  leicht  gekauft  würde,  zu- 
mal da  die  meisten  derselben  sich  vorzugsweise  nur 
für  die  eine  oder  andere  Abtheil  uns1  des  Museums 
speziell  interessiren.  Daher  habe  ich  es  für  wichtig 
gefunden,  ausser  einem  allgemeinen  „Führer“,  den  ich 
im  Jahre  1881  herausgab,  und  der  alsbald  mehrere 
Auflagen  erlebte  und  der  auf  alle  Ilauptgegenstände 
des  Museums  in  chronologischer  Reihenfolge  aufmerk- 
sam machte,  noch  Monographien,  d.  h.  ausführliche 
Beschreibungen  der  einzelnen  Sammlungen,  herstellen 
zu  lassen,  welche  separat  von  den  Besuchern  zu  be- 
ziehen waren,  und  zusammengefasst,  einen  Katalog 
des  Ganzen  gebildet  hätten;  eine  Arbeit,  deren  Durch- 
führung natürlich  geraume  Zeit  in  Anspruch  nimmt. 

Etwas  ganz  Anderes  als  ein  Führer  oder  be- 
schreibender Katalog  ist  das  Inventar;  es  ist  nicht 
für  das  Publikum  bestimmt,  verbleibt  bei  den  Akten 
der  Vorstandschaft  oder  auch  an  einer  höheren  Stelle. 
Das  Inventar  hat  keinen  anderen  Zweck,  als  den  Be- 
sitz des  Museums  zu  sichern,  und  ermöglicht,  dass 
man  an  der  Hand  desselben  jeden  Gegenstand  an 
seinem  bestimmten  Orte  rasch  auflinden,  und  jede 
Lücke,  welche  durch  Entwendung  oder  Umstellen 
entsteht,  leicht  entdeckt  werden  kann.  In  demselben 
muss  der  Gegenstand  nur  insoweit  bezeichnet  sein, 
dass  ihn  jeder  Aufseher  erkennt.  Jeder  Saal  beginnt 
mit  Nr.  1,  jede  Gruppe  darin  ist  nummerirt;  so  z.  B. : 
„Saal  16,  Gruppe  6,  Nr.  11,  ein  Glaspokal“;  diese 
Bezeichnung  reicht  aus ; eine  wissenschaftliche  Be- 
schreibung ist  hier  vollständig  überflüssig.  Und  da 

22* 


340 


der  Inhalt  eines  jeden  Saales  mit  Nr.  1 beginnt,  so 
kann  eine  jede  neue  Erwerbung  an  die  letzte  Nummer 
des  betreffenden  Saales  angefügt  werden.  Ein  der- 
artiges Inventar  einer  Kunstsammlung  unterscheidet 
sich  in  nichts  von  jenem  eines  kaufmännischen  Maga- 
zins, eines  Militärdepots  etc.  etc.  Das  Inventar  des 
Nationalmuseums  ist  unter  meiner  Leitung,  besonders 
durch  den  Fleiss  des  Oberaufsehers  und  einiger  Auf- 
seher, vollständig  hergestellt  worden. 

Am  Beginn  des  Jahres  1882  übersandte  ich  nach 
der  vorgeschriebenen  Dienstordnung  dem  1 Ierrn  Minister 
die  Glückwünsche  nebst  Inventar.  Seine  Antwort  darauf, 
die  am  12.  Januar  erfolgte,  hat  mich,  nach  seinem 
sonstigen  Benehmen,  in  hohem  Grade  überrascht,  wes- 
halb ich  mich  gedrungen  fühle,  sie  hier  wieder  zu  geben  : 

„München  den  12.  Januar  1882.  Euer  Hochwohl  - 
geboren  haben  in  Ihrem  geschätzten  Schreiben  vom 
1.  dieses  Monats  mir  Ihre  freundlichen  Glückwünsche 
zum  neuen  Jahre  ausgesprochen  und  bei  dieser  Ge- 
legenheit zugleich  nähere  Mittheilung  über  den  gegen- 
wärtigen Stand  der  Inventar-  und  Katalogsarbeiten  bei 
dem  Nationalmuseum  beigefügt. 

Ich  habe  aus  dieser  Veranlassung  durch  meinen 
Ministerialreferenten,  wie  Ihnen  bekannt,  unmittelbar 
Einsicht  und  Kenntniss  über  den  Stand  dieser  Arbeiten 
nehmen  lassen  und  aus  dem  Ergebniss  dieser  Einsicht- 
nahme mit  Befriedigung  die  Ueberzeugung  gewonnen, 
dass  das  so  wichtige  Inventar  des  Nationalmuseums 
in  der  Hauptsache  vollständig  durchgeführt,  dass  die 
Bibliothek  des  Museums  geordnet  und  katalogisirt,  und 
dass  auch  die  Geschäftsregistratur  nunmehr  eingerichtet 


341 


und  geordnet  ist,  sowie  ferner  durch  den  von  Ihnen 
bearbeiteten  „Führer“,  wie  durch  die  für  einzelne 
Fächer  bereits  hergestellten  Spezialkataloge  die  Be- 
nützung der  Sammlung  für  jeden  Besucher  nunmehr 
ermöglicht  erscheint. 

Unter  Anerkennung  dieser  Leistungen  drücke  ich 
Ihnen  meinen  Dank  für  die  mir  zum  Jahreswechsel 
dargebrachten  Wünsche  aus  und  verbinde  hiermit  die 
Versicherung  ausgezeichnetster  Hochachtung,  mit  der 
ich  die  Ehre  habe  zu  sein 

Euer  Hochwohlgeboren  ergebenster 

Dr.  von  Lutz.“ 

Schon  vor  Jahren  wurde  ich  durch  den  Minister 
des  Innern  Freiherrn  von  Pfeufer  aufgefordert,  die 
auf  das  bayerische  Nationalmuseum  Bezug  habenden 
Stellen  des  Protokolls  der  Wiener  Weltausstellung  von 
1873  zu  veröffentlichen,  da  ihm  viel  daran  lag,  dass 
dieses  Museum  durch  die  gewonnene  Anerkennung 
auch  weiterhin  Nutzen  stifte,  und  weil  er  sich  auch 
besonders  bemüht  hatte,  dass  jene  grossartige  Aus- 
stellung von  Bayern  aus  gefördert  und  reichlich  be- 
schickt wurde.  Dass  das  segensreiche  Gewerbemuseum 
zu  Nürnberg  ins  Leben  trat,  ist  auch  hauptsächlich 
das  Verdienst  dieses  Ministers. 

Bei  der  Wiener  Weltausstellung  1873  führte  die 
Gruppe  22  den  Titel:  „Die  Wirksamkeit  der  Museen.“ 
Das  bayerische  Nationalmuseum  war  dabei  nur  durch 
seine  Reproductionen  in  Abgüssen  und  Photographien 
und  durch  Vorlage  seines  Organismus  vertreten.  Die 
Jury  stellte  die  Wirksamkeit  desselben  nach  jener  des 


342 


South-Kensingtonmuseums  in  erste  Linie  und  hätte  ihm 
das  grosse  Ehrendiplom,  d.  h.  den  ersten  Preis,  zuer- 
kannt, wenn  nicht  dessen  Vorstand  selbst  Jurymitglied, 
und  daher  das  bayerische  Nationalmuseum  hors  Con- 
cours gewesen  wäre.*) 

Eines  der  Jurymitglieder,  Hofrath  Dr.  von  Baum- 
hauer aus  Haarlem,  besuchte  infolge  dessen  gleich 
nach  der  Wiener  Weltausstellung  unser  Museum  in 
München,  nahm  genaue  Ivenntniss  von  allen  Einricht- 
ungen und  stellte  diese  für  andere  Museen,  besonders 
für  solche,  welche  im  Entstehen  begriffen  sind,  als- 
bald in  Rede  wie  in  Schrift  als  Muster  auf. 

Die  Photographien  unseres  Museums  erhielten  auf 
Jener  Weltausstellung  grosse  Anerkennung,  der  Photo- 
graph selbst  wurde  in  einer  anderen  Gruppe  prämiirt. 

Die  Werke  des  Formators  des  Nationalmuseums 
wurden  in  Anbetracht  ihrer  Reinheit  und  Schärfe,  wie 
der  vollständigen  Gefahrlosigkeit  für  die  Originale, 
allen  anderen  Leistungen  dieser  Art  des  In-  und  Aus- 
landes vorgezogen,  und  der  Formator  Joseph  Kreitt- 
mayr  erhielt  den  höchsten  Preis,  welcher  für  reprodu- 
cirende  Künste  ertheilt  wurde.  Seine  Majestät  König 
Ludwig  II.  von  Bayern  ehrte  ihn  ausserdem  noch  durch 
eine  Ordensverleihung. 

Im  Jahre  1878  wurde  Herr  Lucien  Solvay  als  Ex- 
perte von  dem  Kultusministerium  in  Brüssel  nach 
Deutschland  und  Oesterreich  gesandt,  um  Einsicht  in 
den  verschiedenen  Museen  zu  nehmen  und  seinem 
Ministerium  über  Zweck  und  Einrichtung  derselben 

*)  Protokoll  der  neunten  Jurysitzung,  Gruppe  22 , am  4.  Juli 

1873. 


zu  berichten.  Wir  theilen  aus  seinem  Bericht,  der 
uns  im  Separatdruck  zugesandt  wurde,  wörtlich  das 
mit,  was  er  über  das  bayerische  Nationalmuseum 
sagte  : 

„A  tous  egards,  le  Musee  bavarois  de  Munich 
est  le  plus  parfait  et  celui  qui  peut  fournir  le  plus 
d'indications  en  cette  matiere.  C’est  un  modele  d’ordre, 
d’organisation,  d’installation,  de  richesse,  et  il  ne  s’en 
trouve  nulle  part  qui  soit  aussi  complet. 

Ce  musee  occupe  le  rez-de-chaussee  et  les  deux 
etages  superieurs  d’un  vaste  et  magnifique  bätiment, 
ou  il  est  löge  dans  la  Maximilianstrasse.  On  a probte 
de  cette  disposition  pour  etablir  dans  le  musee  une 
triple  division  logique  des  objets  qui  y sont  conserves. 
Et,  pour  que  le  visiteur  trouve  immediatement  sa 
direction,  on  a place  sous  le  portique  d’entree  un  plan 
general  de  l’etablissement,  avec  ses  grandes  divisions 
et  ses  subdivisions.  Le  visiteur  embrasse  ainsi  d’un 
coup  cl’oeil  tout  l’ensemble,  dont  la  clarte  eclate  ä ses 
yeux  des  le  premier  pas  qu’il  fait.  Puis,  ä mesure 
qu’il  avancera  dans  les  salles  du  musee,  il  trouvera 
d’autres  indications  generales  et  speciales , qui  seront 
pour  lui  un  guide  sür  et  un  maitre  precieux. 

L’aile  gauche  du  rez-de-chaussee  et  le  deuxieme 
etage  tout  entier  nous  presentent,  pour  ainsi  dire, 
vivante  et  palpable , l’histoire  complete  des  arts  de 
l’ameublement  et  de  la  decoration  interieure  civils  et 
religieux,  depuis  les  premiers  temps  du  Christianisme 
jusqu’ä  nos  jours.  L’aile  droite  du  rez-de-chaussee 
et  le  premier  etage  sont  reserves  aux  branches  speciales 
des  „arts  industriels“,  ä celles  qui,  dans  tous  les  musees 


.■544 


de  ce  gen  re,  occupent  chacune  une  place  distincte 
c’est-a-dire  aux  ouvrages  de  serrurerie  et  de  fer  forge, 
aux  armes  et  armures,  aux  instruments  de  musique, 
ä la  ceramique  et  ä la  verrerie. 

Examinons  en  detail  ces  differentes  parties  du 
Musee  bavarois. 

}e  ne  parlerai  tout  d'abord  que  pour  memoire  de 
deux  petites  salles  ofi  sont  conservees,  en  dehors  de 
de  cet  ordre  general,  quelques  antiquites  romaines, 
dont  le  nombre  est  relativement  tres  restreint.  II  im- 
porte  cependant  de  ne  pas  les  oublier,  car  elles  for- 
ment  en  realite  la  premiere  etape  dans  la  route  a 
parcourir  a travers  l'histoire  des  arts  appliques  ä l’in- 
dustrie,  et  c’est  ici , avant  tout  le  reste,  qu’elles  ont 
leur  place  marquee. 

Comrae  j'ai  eu  rhonneur  de  vous  le  dire.  Mon- 
sieur le  Ministre,  la  partie  reservee  aux  arts  de  l’ameub- 
lement  et  de  la  decoration  commence  au  rez-de-chaussee 
et  continue  au  second  etage.  II  est  necessaire  de 
suivre  cette  marche  pour  se  rendre  bien  compte  de 
l’ordre  dans  lequel  on  a dispose  les  collections  et  pour 
que  le  public  retire  un  probt  reel  de  ses  visites.  C'est 
ä quoi  precisement  ont  vise  les  organisateurs  du  Musee 
bavarois;  ils  n’ont  neglige  aucun  moyen  de  mise  en 
scene  pour  que  la  lecon  presentee  soit  aussi  prompte, 
aussi  nette  et  aussi  pratique  que  possible. 

L’ordre  general  adopte  ici  et  dans  chacun  des 
subdivisions  speciales  est  l’ordre  chronologique.  Le 
public  en  est  immediatement  averli  par  des  ecriteaux 
suspendus  ä l’entree  de  chaque  salle  et  qui,  en  quel- 


cj lies  mots,  signalent  les  specimens  qui  s’y  trouvent  et 
l’epoque  ä laquelle  ils  appartiennent. 

C’est  a la  grande  periode  du  moyen  age,  du  VIC  au 
XVe  siede  exclusivement,  comprenant  le  style  des 
premiers  temps  du  Christianisme  et  les  s t y 1 e s 
b y z a n t i n , romanetgothique,  que  les  salles  du  rez- 
de-chaussee  sont  consacrees.  Les  premieres  contiennent 
les  travaux  les  plus  anciens  datant  du  VIe  siede : 
sculptures,  fresques,  ivoires,  bronzes,  mosai'ques;  puis, 
dans  les  suivantes,  ce  sont  des  pierres  tumulaires,  des 
manuscrits,  des  ivoires,  des  vitraux,  des  sculptures  sur 
bois,  des  tapisseries,  des  meubles,  des  joyaux;  puis, 
enfin,  des  retables,  des  autels,  des  Stalles  d’eglise,  des 
ornements  religieux,  etc.,  dont  les  moins  anciens  ne 
datent  que  de  la  fin  du  XV7Ie  siede.  Naturellement, 
dans  cette  partie  du  musee  ce  sont  surtout  les  arts 
religieux  qui  sont  representes,  la  societe  ecclesiastique 
avant  pratique  presque  seule,  pendant  la  plus  grande 
partie  de  cette  periode,  la  culture  des  arts. 

Ces  dix  salles  du  rez-de-chaussee  forment  donc 
un  enseignement  graduel  et  complet  de  cette  brauche 
de  „l’art  industriell  au  moyen  äge,  dans  son  ensemble 
et  dans  ses  details.  Dans  ses  details,  dis-je : en  effet, 
chaque  objet  porte  une  etiquette  soigneusement  et 
minutieusement  redigee,  disant  quelle  est  sa  nature, 
le  nom  de  l’auteur,  s’il  est  connu,  la  date  et  le  lieu 
de  provenance.  Ce  n'est  pas  tont : pour  que  la  lecon 
soit  plus  frappante  encore,  l’architecture  et  l’ornemen- 
tation  des  salles  sont  eiles-  niemes  en  rapport  avec 
l'epoque  dont  eiles  abritent  les  richesses.  La  forme 
des  voütes,  des  portes,  des  fenetres,  le  dallage  meine, 


346 


rappellen  t successivement  les  differentes  phases  du  style 
roman  et  du  style  gothique. 

Cette  mise  en  scene  est  encore  plus  scrupuleuse- 
ment  reglee  au  deuxieme  etage , qui  contient  les  tra- 
vaux  de  la  Renaissance  et  des  temps  modernes. 
Chacune  des  dix-neuf  salles  dont  il  se  compose,  porte 
dans  son  architecture,  dans  ses  boiseries,  dans  sa  de- 
coration  , le  caractere  exact  et  iidde  , non-seulement 
de  l’epoque  en  general,  mais  aussi  des  nombreux  styles 
qui  ont  lleuri  les  uns  apres  les  autres  depuis  le  XVIC 
siede. 

Des  ecriteaux  avertissent  le  visiteur  du  chemin 
qu’il  doit  suivre  et  le  mettent  brievement  au  fait  de 
tout  ce  qu’il  va  voir  dans  les  dix-neuf  salles  de  ce 
deuxieme  etage.  Ces  dix-neuf  salles  sont  subdivisees, 
non  plus  en  une  seule  periode,  comme  celles  du  moyen 
äge,  mais  en  quatre  periodes  distinctes. 

Dans  les  salles  I ä VII,  disent  les  ecriteaux,  se 
trouvent  les  objets  d’art  industriel  (Kunst  und  Ge- 
werbe) appartenant  au  X\rIe  siede  (1500  — 1600), 
c’est-ä-dire  ä la  premiere  periode  du  style  Renaissance, 
depuis  le  „retour  de  l’antique“  ou  l’imitation  des  oeuvres 
de  l’art  grec  et  de  l’art  romain,  qui  se  substitua  au 
style  gothique. 

Puis,  plus  loin  : Dans  les  salles  VIII  ä XV  se  trou- 
vent les  objets  „d’art  industriel“  appartenant  au  XVIP 
siede  (1600 — 1/00),  c’est-ä-dire  ä la  deuxieme  periode 
de  la  Renaissance  et  ä l’avenement  du  style  Rococo 
ou  Rocaille. 

Plus  loin  encore:  Les  salles  XVI  ä XVIII  com- 
prennent  les  annees  1726  ä 1799,  c’est-ä-dire  la  deuxieme 


347 


periode  du  style  Rococo  et  le  commencement  du  style 
Empire. 

Et  cnfin  : La  salle  XIX  comprend  les  annees  1800 
a 1825,  dans  lesquelles  la  mode  s’inspira  des  goüts  en 
vogue  pendant  le  regne  de  Napoleon  Ier,  et  crea  le 
stvle  Empire. 

Ainsi,  quelques  mots  suffisent  pour  instruire  le 
public  et  guider  ses  recherches.  Les  details  relatifs 
aux  objets  exposes  se  trouvent  en  outre  resumes  d’une 
facon  aussi  complete  que  possible  sur  les  etiquettes 
dont  ils  sont  tous  munis.  De  plus , les  gardiens  des 
salles  sont  tenus  de  fournir  tous  les  renseignements  et 
toutes  les  explications  qu’on  leur  demande;  il  ne  leur 
faut  pour  cela  qu’un  peu  d’intelligence  et  un  peu  de 
memoire. 

Quant  au  classement,  il  est  simple  et  naturel. 
Les  meubles  sont  ranges  generalement  autour  des  salles 
affectees  a l’epoque  ä laquelle  ils  appartiennent.  Au 
milieu,  dans  des  armoires  vitrees  de  tous  cötes,  sont 
reunis,  ordinairement  d’apres  la  matiere  dont  ils  sont 
faits  ou  l’usage  auquel  ils  sont  destines,  les  objets 
precieux  ciseles  en  or,  en  argent,  en  ivoire,  les  emaux, 
les  bijoux,  les  manuscrits , les  objets  de  parure  et  de 
toilette,  et  mille  autres  menues  curiosites.  Enfin,  le 
long  des  murs  pendent  les  tentures  historiees,  les  ta- 
pisseries  de  haute  et  de  basse-lisse,  ainsi  que  des  por- 
traits  et  des  tableaux  interessants  sous  le  rapport  des 
costumes  ou  de  l’amenagement  interieur  des  habi- 
tations. 

Fassons  au  premier  etage  du  Musee  bavarois. 


348 


Cet  etage  renlerme  les  armes  et  amures,  les  In- 
struments de  musique,  les  tissus,  la  ceramique, 
la  verrerie  et  quelques  autres  objets  d'un  interet 
principalement  historique. 

La  ceramique  et  la  verrerie  sont  rangees  par 
ordre  de  lieu  de  fabrication  et,  en  meine  temps,  au- 
tant  que  possible,  par  ordre  chronologique,  c’est-ä-dire 
que  les  produits  des  fabriques  qui  ont  prospere  dans 
un  temps  plus  eloigne  figurent  les  premieres;  les  plus 
recentes  sont  les  dernieres.  Ainsi,  les  poteries  romaines, 
grecques  et  etrusques  viennent  d’abord  ; puis  les  faiences 
de  Nuremberg,  les  faiences  rhenanes  (1500 — 1600),  les 
majoliques  italiennes,  les  porcelaines  de  Delft,  de  Co- 
logne , de  Saxe,  de  Nymphenbourg,  de  Sevres,  de 
Paris,  de  Berlin  et  enfin  de  Vienne.  Chacune  de  ces 
collections  occupe  separement  une  ou  plusieurs  vitrines, 
et  dans  chacune  d’elles  les  specimens  sont  disposes  ä 
leur  tour  dans  l’ordre  chronologique.  De  meine  pour 
la  verrerie:  les  verreries  romaines  sont  les  premieres, 
puis  celles  de  la  Renaissance  , puis  celles  de  Venise, 
puis  les  verreries  bavaroises. 

Le  classement  des  armes  et  arm u res,  des  i nstr  u- 
ments  de  musique  et  des  arts  textiles  pouvait  etre 
soumis  a un  ordre  chronologique  plus  rigoureux. 
C’est  ce  qui  a ete  fait.  Dans  la  premiere  salle , on 
voit,  par  exemple,  des  dalmatiques  des  epees,  des 
casques,  des  fers  de  lances,  etc.,  du  IX1'  siede 
jusqu’au  Xl\re  , et  l’on  passe  ainsi  successivement, 
a mesure  que  l’on  avance  dans  les  sallcs  suivantes, 
par  toutes  les  varietes  d’armes  et  d’amures  qui  ont 
precede  et  suivi  l’invention  de  la  poudre  jusqu’au 


XIXe  siede.  Les  canons  sont  representes  par  de 
petites  reductions  en  bois  et  en  fer. 

Les  instruments  de  musique  occupent  une 
salle  du  musee.  Les  produits  des  arts  textiles  en 
occupent  plusieurs ; les  plus  anciens  sont  des  tapisseries 
et  des  habits  sacerdotaux,  soit  entiers,  soit  en  frag- 
ments,  datant  de  1380  ä 1400.  Ensuite  viennent  des 
echantillons  de  tapissseries , d’etoffes  et  d’autres  tissus, 
toujours  disposes  chronologiquement  et  conserves 
chacun  sous  verre  comme  une  simple  gravure.  La 
serie  se  termine  par  les  broderies  d’or  et  enfin  par 
les  dentelles,  dont  il  y a des  pieces  originales  ou  des 
photographies. 

C’est  principalement  dans  les  collections  du  premier 
etage  que  le  mobilier  qui  sert  ä la  Conservation  et  ä 
l'exposition  de  toutes  ces  richesses  merite  une  attention 
speciale,  non  pour  leur  luxe,  mais  pour  leur  simplicite, 
leur  confortable  et , par  cela  meine,  leur  utilite  pratique. 
Les  objets  de  petites  dimensions,  les  objets  precieux, 
nous  l’avons  vu  dejä,  sont  places  dans  de  petites 
armoires  ou  vitrines,  ouvertes  aux  regards  de  tous 
cotes,  tres- legeres,  tres-simples  et  tres-pratiques.  Ces 
trois  conditions  ont  ete  partout,  en  cette  matiere,  la 
regle  absolue.  Toutes  les  pieces  du  mobilier,  quelle 
que  soit  leur  forme,  sont  en  bois,  blaue,  peint  en 
imitation  de  chene,  sans  sculptures  ni  ornements,  et 
il  s’en  degage  comme  un  parfum  de  proprete  et  de 
confortable  qui  plait.  On  a tenu  avec  raison  ä ce 
que  les  frais  du  mobilier  n’absorbassent  point  les  res- 
sources  mieux  employees  ä augmenter  les  collections; 
on  a voulu  aussi  que  ce  mobilier  füt  facilement  trans- 


350 


portable  d’un  Heu  ä un  autre,  quand  les  besoins 
frequents  de  deplacement  l’exigeraient. 

Ainsi , les  casques,  les  cuirasses,  les  dalmatiques 
sont  accroches  le  long  des  barres  transversales  de 
grands  chässis  places  contre  les  murs.  Au  milieu  des 
salles,  les  lances  et  les  epees,  puis  plus  loin,  les  Instru- 
ments de  musique  et  les  echantillons  de  tissus,  encadres 
comme  je  Hai  dit  plus  haut,  sont  poses  sur  des  especes 
de  chevalets  non  moins  simples  et  non  moins  legers. 
Seuls,  les  armes  de  luxe  et  les  tissus  riches  reposent 
dans  les  armoires  vitrees.“ 

In  gleichem  Sinne  sprach  sich  Herr  Marius  Vachon 
in  Paris  aus,  der  in  amtlichem  Aufträge  unser  Museum 
im  fahre  1881  besuchte. 

In  welcher  Weise  die  wichtigsten  Kunstwerke 
unseres  Museums,  welche  in  Sculpturen  und  plastischen 
Arbeiten  jeder  Art  bestehen,  nach  allen  Gegenden 
ihre  Wirksamkeit  entfalteten,  zeigen  die  Namen  der 
Bildungs-  und  Lehranstalten,  welche  sie  bereits  in 
grösseren,  mitunter  sehr  bedeutenden  Sendungen  be- 
zogen haben.  Der  Raum  würde  nicht  ausreichen,  auch 
die  Kunstwerkstätten  zu  erwähnen,  welche  sie  eben- 
falls zu  Zwecken  des  Studiums  anschafften. 

Die  Wirksamkeit  eines  Museums  ist  ferner  aus  der 
Stärke  seines  Besuches  zu  ermessen. — Das  nur  ober- 
flächlich schaulustige  Publikum  bildete  hier,  wie  bei 
allen  ähnlichen  xUistalten,  den  grösseren  Theil.  Doch 
ist  auch  dieses  nicht  zu  unterschätzen;  denn  wir  sehen 
in  auffallender  Weise,  wie  oft  die  niedere  Volksklasse 
durch  den  Besuch  des  Museums  von  gemeinen  Unter- 
haltungen abgezogen  und  dem  Interesse  für  das  Schöne 


351 


und  der  Achtung  vor  dem , was  menschlicher  Geist 
und  Fleiss  leistet,  zugeführt  werden.  Selbst  unter 
jener  Masse  ist  es  besonders  die  Jugend,  bei  welcher 
durch  Betrachtung  des  Vielen  und  Vielseitigen  oft 
schlummernde  Talente  geweckt  werden,  die  für  den 
künftigen  Lebensberuf  entscheidend  sein  können. 

Der  andere  Theil  der  Besucher  besteht  in  jenen, 
welche  studiren  und  kopiren,  theils  in  den  Sälen  der 
Sammlung,  theils  im  Kopirzimmer,  oder  in  der  Fach- 
bibliothek. Diese  Klasse,  nach  Verhältnis  auch  in 
grosser  Zahl,  ist  die  wichtigste,  weil  sie  nicht  nur  den 
Nutzen  aus  dem  Museum  schöpft,  sondern  ihn  auch 
weiterhin  verbreitet.  Ausserdem  ist  es  für  die  Besucher 
des  Museums  eine  oft  wiederkehrende  Erscheinung, 
dass  ganze  Kurse  von  der  Universität  und  den  Militär- 
lehranstalten beginnend  bis  zu  den  Elementarschulen 
herab  unter  Leitung  der  Professoren  und  Lehrer  ihre 
Studien  in  dem  Nationalmuseum  durchmachen,  und 
häufig  werden  auch  Schüler  und  Schülerinnen  aus- 
wärtiger Lehranstalten  durch  die  Sammlungen  geführt. 

Ferner  hat  es  sich  schon  oft  wiederholt,  dass  her- 
vorragende Industrielle  aus  manchen  deutschen  Städten, 
und  insbesondere  aus  Frankreich,  England  und  Russ- 
land, wie  auch  auswärtige  Verleger  von  Kunstjournalen, 
Zeichner  auf  längere  Zeit  zu  uns  schickten,  um  gute 
Muster  für  ihre  Zwecke  zu  erhalten. 

Da  nach  der  oben  beschriebenen  Aufstellung  die 
Kunstgegenstände  leicht  an  Ort  und  Stelle  zu  kopiren 
waren,  so  konnte  man  selten  durch  die  Räume  gehen, 
ohne  Kopisten  anzutreffen;  es  war  daher  die  geringste 
Zahl , welche  sich  die  Gegenstände  in  das  dafür  be- 


stimmte  Zimmer  bringen  liess,  und  dennoch  stand  das- 
selbe selten  leer. 

Alle  Einrichtungen  waren  nur  darauf  berechnet, 
ein  solches  Resultat  zu  erzielen , doch  dachten  wir 
dabei  nicht,  dass  diese  Einrichtungen , welche  wir  als 
Mittel  zum  Zwecke  betrachteten,  selbst  eine  Wirk- 
samkeit nach  aussen  erhalten  würden.  Aber  es  wurden 
Organisation  und  Pläne  unseres  Museums  vielfach  von 
grösseren  und  kleineren  Museen  des  In-  und  Auslandes 
verlangt,  und  was  die  von  mir  konstruirten  Glasbehälter 
und  Gestelle  zum  Aufstellen  und  Ordnen  der  einzelnen 
Gruppen  betrifft,  so  begnügten  sich  die  meisten  Museen 
nicht  mit  deren  Aufzeichnung  oder  Skizzirung  allein, 
sondern  es  mussten  für  sie  die  Modelle  zu  München  in 
Orififinalsfrösse  und  Ilolz  zum  Auseinandernehmen,  Zu- 
sammenlegen  und  Versenden,  angefertigt  werden. 

Wir  nennen  hier : South-Kensingtonmuseum  und 
Fabrik  Elkington  in  London,  Industriemuseum  in  Haar- 
lem, Museum  in  Darmstadt,  Museum  in  Philadelphia,  in 
Moskau,  Stockholm,  Cincinnati,  Dresden,  Frankfurt 
am  Main,  Hanau,  das  paläontologische  Museum  in 
Wien  und  noch  eine  Reihe  kleinerer  Städte  und 
Privatsammlungen. 

Da  sonach  Einrichtungen  und  Pläne  unseres  Natio- 
nalmuseums schon  vielfach  von  auswärtigen  Museen 
und  ähnlichen  Anstalten  in  Anerkennung  und  Wohl- 
wollen als  Vorbild  benutzt  wurden,  so  möchte  ich 
doch  noch  Folgendes  hervorheben.  Bei  einem  Museum, 
welches  künstlerischen  und  wissenschaftlichen  Zwecken 
dienen  soll,  ist  es  Hauptsache,  dass  man  schon  beim 
Eintreten  den  Eindruck  erhält,  dass  alles  darauf  be- 


— 353  — 

rechnet  ist,  in  erster  Linie  dem  Zweck  zu  dienen,  dass  die 
Kunstschätze  klar  übersichtlich,  zugänglich,  nach  Mög- 
lichkeit im  günstigsten  Licht  aufgestellt  sind,  dabei  aber 
ein  jeder  Anschein  dekorativer  Wirkung  oder  künst- 
lerischer Genialität  vermieden  wird.  Der  Zweck  und  die 
Aufgabe  eines  Museums,  wie  einer  jeden  Lehranstalt, 
ist  Lehren  und  Lernen,  Wahrheit  und  Klarheit  zu 
fördern.  Wie  das  daraus  Gewonnene  und  Erlernte  der 
Geschichts-  und  Kunstforscher,  der  Künstler  und  Ge- 
werbsmann  für  seine  Zwecke  benutzt,  das  ist  seine 
Sache. 

Nach  dieser  sachlichen  Abschweifung  kehre  ich 
wieder  zu  meinen  persönlichen  Angelegenheiten  zurück. 


XLI.  Das  Jahr  1870  und  die  folgenden  Jahre. 

Bei  Herannahen  des  Krieges  war  ich  in  grosser 
Aufregung  zwischen  Hoffen  und  Fürchten  für  das 
theuere  Vaterland  und  meine  Familie.  Mein  ältester 
Sohn  Franz  war  Jurist,  mein  zweiter,  Emil,  Ober- 
lieutenant bei  der  8.  Batterie  des  2.  Artillerie-Regiments 
„Brodesser.“  Mein  dritter  Sohn  Friedrich  war  damals, 
als  Leiter  der  Konstruktions- Abtheilung  der  Firma 
Siemens  und  Halske  in  Berlin,  vielfach  in  der  Her- 
stellung von  Apparaten  für  Vaterlandsvertheidigung 
thätig. 

Mein  Sohn  Emil  war  bei  Anfang  des  Krieges  mit 
seiner  Batterie  in  der  Reserve  ; viel  lieber  hätte  er  in 
vollem  Feuer  gekämpft,  als  das  Elend  und  den  Jammer 
auf  den  Schlachtfeldern  anzusehen,  über  welche  er 
ziehen  musste,  ohne  viel  helfen  zu  können. 


23 


Hei  dem  Schlusskampfe  vor  Sedan  griff  die  ganze 
bayerische  Artillerie  des  zweiten  Armeecorps  auf  das 
Wirksamste  ein.  Mein  Sohn  kommandirte  dabei  die 
achte  Batterie,  da  sein  Hauptmann  Hausmann  krank  war. 

Napoleon  ergab  sich.  I )ie  Zusammenkunft  zwischen 
König  Wilhelm  und  Napoleon  fand  im  Schlosse  Bel- 
levue bei  Donchery  vor  Sedan  statt.  Mein  Sohn  rief 
seinen  Leuten  zu:  „Eilet  herbei.  Ihr  werdet  sehen, 
was  keiner  mehr  .sehen  oder  erleben  kann.“ 

Sogleich  nach  diesem  grossartigen  historischen 
Ereigniss  schrieb  mein  Sohn  u.  A. : „Vom  höchsten  bis 
zum  gemeinsten  Mann  hat  bei  uns  die  Verehrung  und 
Begeisterung  für  König  Wilhelm  keine  Grenzen  mehr.“ 
Obschon  der  Krieg  damit  noch  nicht  beendet  war, 
stieg  in  mir  ein  Gefühl  auf,  wie  ich  es  bisher  noch 
nicht  kannte,  da  ich  fast  von  meiner  Kindheit  an  bis 
in  mein  Alter  in  dem  Jammer  über  mein  misshandeltes 
Vaterland  lebte,  wobei  ich  immer  mehr  begriff  und 
fühlte,  was  es  sein  könnte  und  sein  sollte.  Ich  konnte 
die  Wahrheit  des  Geschehenen  kaum  fassen.  König 
Wilhelm  mit  Bismarck  und  allen  seinen  Bundesgenossen 
und  Helden,  welche  ihn  mit  der  Macht  des  Geistes 
und  des  Schwertes  unterstützten,  schwebten  mir  Tag 
und  Nacht  als  überirdische  Retter  vor  Augen. 

Es  folgte  darauf  die  Belagerung  von  Paris;  die 
Bayern  lagen  im  Süden  der  Stadt  und  besonders  vor 
den  Forts  Issy,  Vanves,  Montrouge  und  Bicetre,  mein 
Sohn  hatte  sein  Quartier  in  Chatilion.  Die  Belagerung 
war  anfangs  sehr  Nerven  aufregend,  denn  last  täglich 
flogen  einige  Granaten  aus  Paris,  welche  von  Seiten 
der  Unserigen  noch  nicht  erwidert  werden  konnten. 


355 


Erst  mit  dem  5.  Januar  1871  begann  die  allgemeine 
Beschiessung  von  Paris;  mein  Sohn  hatte  dabei  den 
Schmerz,  einen  Kameraden  und  Landsmann,  den 
Oberlieutenant  Helfreich  aus  Aschaffenburg  betrauern 
zu  müssen , dem  am  17-  Januar  eine  Granate  den 
Kopf  zerschmetterte.*)  Die  Uebergabe  erfolgte  am 
28.  Januar.  Nachdem  der  Friede  geschlossen  war, 
blieb  mein  Sohn  vorläufig  bei  der  Besatzung  in  Frank- 
reich, zuletzt  verweilte  er  in  Sabloniere.  Bei  Rück- 
kehr der  Truppen  war  er  so  nervenleidend,  dass  er 
sein  Pferd  nicht  mehr  besteigen  konnte ; sein  älterer 
Bruder,  der  stets  mit  inniger  Liebe  an  ihm  hing,  kam 
ihm  in  Wiirzburg  entgegen  und  brachte  ihn  zu  uns 
nach  München. 

Die  Bayern,  an  deren  Spitze  Friedrich,  der  Kron- 
prinz des  deutschen  Reiches,  zogen  am  16.  Juli  18/1 
in  Triumph  mit  Jubel  empfangen  zu  München  ein. 

Von  nun  an  führte  das  von  König  Ludwig  I.  er- 
baute Siegesthor  mit  Recht  seinen  Namen. 

Der  Anblick  war  für  mich  erhebend  und  ergreifend  ; 
dabei  die  schweren  Sorgen  um  meinen  Sohn , es  war 
mir,  als  verliere  ich  meine  Sinne;  die  Hoffnung,  welche 
die  Aerzte  gaben,  wurde  schwächer.  Generallieutenant 
Excellenz  vonBrodesser,  Inhaber  des  zweiten  Artillerie- 
regiments, in  seinem  76.  Jahr  noch  aktiv,  erschien  in 
voller  Uniform  bei  meinem  Sohne  und  verkündete  ihm, 
dass  er  das  eiserne  Kreuz  2.  Classe  erhalten  habe. 
Das  war  meines  Sohnes  letzte  Freude;  er  starb  den 

*)  Vergl.  Schlaginweit,  Geschichte  des  königlich  bayerischen 
2.  Fuss  - Artillerie-Regiments  und  seiner  Stamm  - Abtheilungen 
München  1892.  Seite  162. 


23* 


356 


11.  August  1871  in  seinem  32.  Lebensjahre  an  einge- 
tretener Lungenlähmung.  Um  diesen  Jammer  noch  zu 
vergrössern,  starb  auch  mein  ältester  Sohn  drei  Jahre 
später,  an  einem  Lungenleiden,  als  Landgerichts-Assessor 
in  Aiblino-.  Nur  wer  Kinder  besitzt,  oder  war  Aehn- 
liebes  erlebte,  kann  sich  meinen  und  meiner  armen 
Frau  jammer  vorstellen. 

Wir  hatten  Erholung  dringend  nöthig  und  reisten 
daher,  in  Begleitung  einer  Nichte,  nach  Tirol,  ln 
Bruneck  hielten  wir  uns  einige  Tage  auf  und  be- 
suchten von  da  aus  manche  schöne  Gegend  und  be- 
stiegen gegen  20  Burgruinen,  welche  mir  viel  Interes- 
santes boten.  Die  wenigen  noch  darin  erhaltenen 
Räume  sind  meistens  von  ganz  armen  Leuten  bewohnt ; 
ich  nenne  davon  nur  Sonnenburg,  Georgenburg,  Lam- 
brechtsburg, Täufers.  Letztere  überraschte  mich  in 
hohem  Grade,  sie  gab  mir  vielen  Stoff  zum  Nach- 
denken und  zwar  in  architektonischer  wie  geschicht- 
licher und  malerischer  Hinsicht.  Ich  war  im  Stande, 
zur  Erinnerung  einzelne  Bautheile  aus  den  verschie- 
denen Entstehungsperioden  zu  skizziren.  Der  Eindruck 
der  Burgen  und  Schlösser,  einst  in  Glanz  und  Bracht 
von  stolzen  Geschlechtern  bewohnt,  jetzt  in  Trümmern 
und  ringsum  Todesstille,  stimmte  ganz  mit  den  Ge- 
fühlen, von  welchen  unser  Innerstes  durchdrungen  war. 

Das  Schloss  Edelsberg,  nahe  bei  Franzensfeste, 
blieb  in  dem  Besitz  einer  alten  adeligen  Familie  er- 
halten. Den  jetzigen  Besitzer  Grafen  Kinigl  besuchte 
ich  und  fand  freundliche  Aufnahme,  er  ist  im  Besitz 
sehr  wichtiger  Urkunden  für  die  Geschichte  'Tirols. 


357 


Eine  für  mich  sehr  interessante  Bekanntschaft 
machte  ich  in  Innsbruck  an  Grafen  Enzensberg,  einen 
Mann  mit  vielen  Kenntnissen,  er  war  K.  K.  Conser- 
vator  der  Alterthümer  und  Kunstdenkmale  von  Nord- 
tirol. Derselbe  lud  mich  mit  Frau  und  Nichte  auf 
sein  herrliches  Schloss  Tratzberg  nahe  bei  Jenbach 
ein.  Auch  dieses  Schloss  war  schon  dem  Verfall  an- 
heimgegeben, der  Graf  stellte  es  aber  mit  vieler  Sach- 
kenntniss  in  seinem  ursprünglichen  Zustande  wieder 
her,  es  enthält  manche  mittelalterliche  Kunstschätze 
und  gewährt  einen  wundervollen  Blick  in  die  Ferne; 
es  bildet  einen  Glanzpunkt  Tirols.  Auf  dieser  Burg 
fühlte  ich  mich  ganz  in  das  Mittelalter  versetzt,  jedoch 
nur  in  die  poetische  Seite  desselben,  da  ringsum  Ruhe 
und  Friede  herrschte.  Graf  Enzensberg  besuchte  mich 
später  im  Nationalmuseum,  wo  er  an  meinem  Schaffen 
grossen  Antheil  nahm. 

Von  hoher  Wichtigkeit  für  mich  war  Brixen,*) 
daselbst  der  Dom  mit  seinen  merkwürdigen  Decken- 
malereien aus  dem  14.  Jahrhundert,  die  vielen  für 
tiroler  Ritterthum  und  Heraldik  so  interessanten  Grab- 
steine, unter  ihnen  der  des  Oswald  von  Wolkenstein. 
Besonders  sprach  mich  auch  der  Domschatz  an,  dar- 
unter der  „Adlerornat“  aus  dem  10.  Jahrhundert,  der- 
selbe besteht  in  einem  Messgewand  („Casula  oder  pla- 
neta“),  von  starkem  violettem  Seidenstoff  mit  4 grossen 
eingewirkten  schwarzen  Adlern,  der  Schnitt  in  Rad- 
form ; bei  den  kirchlichen  Verrichtungen  wurde  es 
auf  beiden  Seiten  in  die  Höhe  gezogen  und  bildete 

*)  Vergl.  Riehl,  Berthold.  Die  Kunst  an  der  Brenner-Strasse. 
Leipzig  1898.  8°.  Seite  126—156. 


358 


dann  reichen,  malerischen  Faltenwurf.  Die  sehr  ge- 
fällige Geistlichkeit  gab  mir  diese  Kostbarkeit  mit  in 
das  Gasthaus,  wo  ich  sie  in  voller  Ruhe  mit  grösster 
Genauigkeit  kopiren  konnte.*) 

Ebenso  war  für  mich  von  grösstem  Interesse  Neu- 
stift, Kloster  und  Burg  zugleich,  für  die  Geschichte 
Tirols  von  hohem  Werth.  Es  befinden  sich  daselbst 
höchst  merkwürdige  Grabsteine,  mit  dem  14.  Jahr- 
hundert beginnend.  In  dem  Gartenraum  daselbst  steht 
eine  gothische  Kapelle  wohl  aus  dem  Anfang  des  14. 
Jahrhunderts,  und  zwar  in  Form  einer  Rotunde,  in 
baulicher  Hinsicht  eine  grosse  Seltenheit.  Ich  sah  auch 
in  dem  Kloster  Rüstungstheile  und  Waffenstücke  aus 
dem  14.  Jahrhundert,  welche  jetzt  sehr  selten  sind 
und  zu  den  historischen  Kostbarkeiten  gehören ; sie 
dienten  im  Mittelalter  der  Mannschaft,  welche  Kloster 
und  Burg  zu  vertheidigen  und  zu  schützen  hatte. 


XLII.  Die  Wiener  Welt-Ausstellung  1873. 

Was  ich  früher  von  der  Wiener  Weltausstellung 
gesagt  habe,  betrat  nur  das  bayerische  Nationalmuseum, 
dem  füge  ich  noch  Anderes  bei.  Ein  Jahr  vor  jener 
Weltausstellung  wurde  eine  Versammlung  von  Fach- 
leuten nach  Berlin  berufen,  die  über  eine  Kunstge- 
werbe-Ausstellung des  deutschen  Reiches  in  Wien  zu 
berathen  hatte.  Diese  sollte  entweder  in  einem  be- 


*)  Trachten,  Kunstwerke  und  Gerathschaften.  2. Aull.  Bd.  1. 
Frankfurt  a.  M.  18/9.  Tafel  20.  Ebenda  Tafel  40  das  Chorgewand 
des  Mainzei  Erzbischofs  Willegis. 


359 


sonderen  Raum  der  allgemeinen  Ausstellung  oder  in 
einem  eigens  zu  erbauenden  Glaspalast  stattfinden. 

Vorsitzender  dieser  Versammlung  war  Oberregier- 
ungsrath  und  Ministerialdirektor  Moser,  welcher  auch 
das  Jahr  darauf  bei  der  deutschen  Jury  in  Wien  einen 
Vorsitz  erhielt.  Die  Vertreter  ihrer  Staaten  waren 

a)  für  Preussen:  die  Direktoren  des  Kunstgewerbe- 
museums in  Berlin,  Grunow  und  Dr.  Julius  Lessing; 

b)  für  Bayern : meine  Wenigkeit ; c)  für  Nürnberg 
allein:  Direktor  Dr.  Essenwein  ; d)  für  Sachsen:  Hof- 
rath Dr.  Zahn;  e)  für  Württemberg:  Dr.  Wilhelm 
Lübke.  Bei  den  Berathungen  betonte  ich  die  deutschen 
Erfindungen,  welche  zu  oft  dem  Auslande  zugeschrieben 
werden,  und  sprach  den  Wunsch  aus,  dass  man  an 
diese  die  einzelnen  Zweige  der  Kunstindustrie  an- 
schliessen  möge,  wobei  ich  lebhaft  unterstützt  wurde. 
Die  Beschlüsse  der  Sitzungen  waren  mir  von  hohem 
Interesse,  wenn  sie  auch  auf  andere  Weise  in  An- 
wendung kamen,  da  in  Wien  weder  ein  eigener  Raum 
vorhanden  war,  noch  die  Kürze  der  Zeit  es  zuliess 
einen  besonderen  Palast  zu  bauen. 

Bei  jenen  Sitzungen  und  Berathungen  war  auch  der 
reiche  Kunstfreund  Ravene  betheiligt,  derselbe  lud 
uns  vor  der  Abreise  von  Berlin  in  seinem  Palais  zu 
einem  glänzenden  Souper  ein.  Wir  sahen  daselbst  in 
allen  Räumen  Kunstschätze.  In  einem  Salon  befand 
sich  eine  Sammlung  von  Gemälden  moderner  Meister. 
Ich  erwähne  davon  nur  „Die  Weinprobe“  von  Hasen- 
clever, sie  erinnerte  mich  an  frühere  Zeiten,  wo  ich 
dieselbe  bald  nach  ihrem  Entstehen  in  Düsseldorf  sah. 


360 


Als  ich  nach  Wien  z.ur  Ausstellung  reiste,  be- 
gleitete mich  meine  Frau  dahin,  wir  kamen  daselbst 
mit  unserem  Sohne  Friedrich  zusammen,  welcher  da- 
mals Vorstand  der  Konstruktionsabtheilung  der  gross- 
artigen Anstalt  von  Siemens  und  Ilalske  in  Berlin  war. 
In  der  Gruppe  dieser  Firma  stellte  er  auch  Produkte 
seiner  eigenen  Erfindungen  aus  und  erhielt  er  von  der 
Jury,  die  aus  Vertretern  aller  Nationen  zusammenge- 
setzt war,  hohe  Anerkennung  und  Ehren.  Der  Professor 
der  Physik  an  der  technischen  Hochschule  in  München, 
Dr.  von  Jolly,  war  auch  Juror  bei  dieser  Gruppe,  der- 
selbe interessirte  sich  schon  von  früher  Zeit  an  für 
das  Studium  meines  Sohnes  und  gab  bei  dieser  Ge- 
legenheit der  Freude  über  den  Erfolg  desselben  in 
Begeisterung  Ausdruck.  Ich  musste  dieses  um  so  mehr 
in  Dankbarkeit  und  Rührung  anerkennen,  als  Jolly 
selbst  einen  Sohn  verloren  hatte,  der  Fachgenosse 
meines  Sohnes  gewesen  war,  was  doch  bei  dieser 
Veranlassung  schmerzliche  Erinnerungen  in  dem  Vater- 
herzen wachruten  musste.  Ich  hoffe,  dass  man  mir 
es  nicht  verübeln  wird,  wenn  ich  bei  dieser  Gelegen- 
heit noch  eine  andere  Ehrung  meines  Sohnes  erwähne, 
die  ihm  bei  der  internationalen  elektro- technischen 
Ausstellung  in  Paris  im  Jahre  1881  zu  Theil  wurde. 
Hier  waren  ebenfalls  seine  Erfindungen  von  der  Firma 
Siemens  und  Ilalske  ausgestellt.  Nach  den  Statuten 
konnten  aber  nur  die  Aussteller  und  nicht  die  Erfinder 
prämiirt  werden.  Da  dieses  die  französische  Jury  als 
ungerecht  erkannte,  bemühte  sie  sich,  einen  Modus 
zu  finden,  durch  welchen  mein  Sohn  als  deutscher 
Erfinder  den  ersten  Preis,  d.  h.  die  grosse  goldene 


361 


Medaille,  erhielt.  Ich  sah  also  auch  hier  aufs  Neue, 
wie  Männer  von  Bedeutung-  in  Kunst  und  Wissen- 
schaft, das  Verdienst  ihrer  Fachgenossen  einer  jeden 
anderen  Nation  vorurtheilsfrei  und  wohlwollend  an- 
erkennen. 

Ich  komme  nun  wieder  auf  Wien  zurück.  Nicht 
nur  in  meiner  Jury  der  Gruppe  22,  sondern  auch  in 
der  allgemeinen,  machte  ich  in  hohem  Grade  interes- 
sante Bekanntschaften  und  Beobachtungen.  Vieles 
Merkwürdige  boten  mir  auch  die  Feste  in  der  Kaiser- 
burg, in  dem  Schlosse  zu  Schönbrunn  und  bei  einigen 
Erzherzogen.  Auch  diesmal  gab  Ravenc  der  Jury  für 
Kunst  und  Museen  ein  Abschiedsfest,  an  dem  auch 
die  Damen  theilnahmen ; ich  traf  daselbst  Karl  von 
Piloty  aus  München,  Ludwig  Knaus  aus  Berlin,  Pro- 
fessor Reuleaux  und  Andere. 

Viele  Jurymitglieder  besuchten  mich  auf  ihrer 
Heimreise  über  München  im  Nationalmuseum,  darunter 
ein  Japaner  und  Perser,  die  in  ihrer  Ileimath  Minister- 
stellen einnahmen.  Besonders  als  mich  die  beiden 
Letzteren  mit  „mon  eher  College“  ansprachen,  empfand 
ich  aufs  Neue , wie  die  Weltausstellungen  die  Völker 
einander  näher  führen. 


XLIII.  Kaiser  Friedrich  und  Gemahlin. 

Einem  jeden  guten  Deutschen  sind  die  hohen  Ver- 
dienste und  edlen  Eigenschaften  unseres  Kaisers  Fried- 
rich wohl  bekannt;  ich  will  daher  nur  Einiges  von 
dem  berichten,  was  ich  in  seiner  und  seiner  Gemahlin 
nächster  Umgebung  erlebte. 


362 


Schon  von  dem  Jahre  1SJ0  an  zeigte  mir  das  hohe 
Fürstenpaar  grosse  Theilnahme  und  herzliches  Wohl- 
wollen, und  erwies  mir  nur  Angenehmes  und  Ehrendes, 
wohl  auch  in  Folge  seines  hervorragenden  Interesses 
für  Kunst  und  Kunstgewerbe  aller  Zeiten,  insbesondere 
für  deren  Nutzanwendung  in  unseren  Tagen.  Mit 
Vorliebe  besuchten  sie  das  bayerische  Nationalmuseum. 
1 Iauptsächlich  war  der  Kaiserin  daran  gelegen  , dass 
das  reiche  Material  als  Lehrmittel  für  die  weibliche 
lügend  verwendet,  und  diese  dadurch  in  den  Stand 
gesetzt  werde,  sich,  ihren  verschiedenen  Befähigungen 
angemessen,  eine  Existenz  zu  verschaffen.  Das  war 
ein  Thema,  welches  die  hohe  Frau  vielfach  beschäftigte, 
auch  trug  sie  Sorge , dass  die  Prinzen  und  Prinzess- 
innen des  kaiserlichen  Hauses  Interesse  an  Museen, 
oder  vielmehr  an  menschlicher  Thätigkeit  der  Gegen- 
wart wie  der  Vergangenheit,  gewannen. 

Als  Prinz  Wilhelm,  unser  jetziger  Kaiser,  das 
Nationalmuseum  zum  ersten  Mal  besuchte , zeigte  er 
grosses  Interesse  und  verliess  es  nicht  vor  einbrechen- 
der Dunkelheit.  Er  forderte  mich  besonders  auf,  in 
meinem  Streben , deutsche  Kunst , Erfindungen  und 
Gewerbe  zu  Geltung  zu  bringen,  nicht  nachzulassen. 
Ich  war  sehr  überrascht,  als  er  später,  noch  daran 
denkend,  mich  durch  eine  hohe  Auszeichnung  an 
meinem  80.  Geburtstag  ehrte. 

Kaiser  Friedrich  bewies  auch  grosse  Theilnahme 
an  meiner  Stellung  als  Landesconservator  und  zeigte 
mir  durch  Beispiele,  wie  er  in  eigener  Person  erfahren 
habe,  mit  welchen  Schwierigkeiten  man  dabei  gegen 
Dummheit,  Zerstörungswut!!  und  Modesucht  zu  kämpfen 


363 


habe.  Er  hörte  auch  oft  darüber  die  Klagen  meines 
Freundes  und  Kollegen  Ferdinand  von  Quast,  mit 
welchem  er  sich  über  Vieles  und  besonders  über  die 
Restaurirung  der  berühmten  Marienburg  benahm.*) 
Einst  wünschte  Kaiser  Friedrich  Notizen  über 
Kunstwerke  in  Bezug  auf  Brandenburg  in  meiner 
Vaterstadt  Aschaffenburg,  da  er  dahin  reise.  Ich  er- 
füllte diesen  Wunsch;  als  er  wieder  nach  München 
zurückkam,  staunte  ich.  dass  er  in  so  kurzer  Zeit  so 
viel  gesehen  hatte,  nicht  minder  war  ich  aber  auch 
über  dessen  ausserordentliches  Gedächtniss  erstaunt.  Er 
bewunderte  die  schönen  Monumente  der  Stiftskirche,  das 
des  Kurfürsten  Albrecht  von  Brandenburg,  des  Georg 
von  Liebenstein,  des  Brendel  von  Ilomburg,  des  Melchior 
von  Grönroth,  des  Künstlers  Hieronymus  Hack  und 
untersuchte  den  Sarkophag  (Reliquienschrein)  der 
heiligen  Margaretha,  der  auf  einem  Unterbau  von  vier 
Säulen  ruht,  eine  Gussarbeit  des  Hermann  Vischer, 
eines  Sohnes  des  Peter  Vischer.  In  der  Schlossbibliothek 
interessirten  ihn  besonders  unter  den  vielen  Pergament- 
Manuscripten  mit  Miniaturen  von  dem  10.  bis  in  das 
16.  Jahrhundert  das  grosse  Missale  des  Albrecht 
von  Brandenburg  mit  den  Gemälden  des  Nikolaus 
Glockendon  und  die  beiden  Gebetbücher  desselben 
Kurfürsten  mit  wunderbaren  Gemälden  des  Hans  Se- 
bald Beham. 


*)  Vergl.  Stein  brecht:  die  Wiederherstellung  des  Marien- 
burger Schlosses  1896;  Tepsdorf:  die  Wiederherstellung  der 
Marienburg  1895;  Pederzani:  die  Marienburg  1886;  Hergau: 
das  Ordenshaupthaus  Marienburg  1 87 1 : Witt : Marienburg  etc.  1854. 


364 


Unter  dem  5.  November  1875  wurde  ich  durch 
Ministerialrescript  aufgefordert,  ein  Gutachten  über 
einen  Plan  zur  Restaurirung  der  Stiftskirche  zu 
Aschaffenburg,  welchen  ein  Architekt  Dr.  Schwarz 
entworfen  hatte,  abzugeben.  Nach  diesem  Plane  wäre 
die  schöne  Stiftskirche  vollständig  ruinirt  worden,  da 
der  Architekt  nach  demselben  vor  hatte  , die  ganze 
Kirche  in  romanischem  Stil,  von  welchem  verhältniss- 
mässig  nur  noch  wenige  Reste  in  ihr  vorhanden  sind, 
herzustellen  und  alle  Monumente,  welche  aus  späterer 
Zeit  stammen  und  in  denen  der  Hauptwerth  und  die 
Bedeutung  dieses  Bauwerkes  besteht,  hinauszuschaffen. 
Mein  Gutachten,  in  welchem  ich  mich  mit  aller  Ent- 
schiedenheit gegen  diese  Barbarei  aussprach,  Hess  ich 
autographiren  und  schickte  ein  Exemplar  an  Ferdi- 
nand von  Quast,  der  in  allem  Aehnlicheti  mein  Ge- 
sinnungsgenosse war,  derselbe  erklärte,  dass  es  auch 
anderwärts  Anwendung  fände,  und  übergab  es  daher 
in  Berlin  dem  Kronprinzen  Friedrich,  der  mir,  als  er 
wieder  nach  München  kam,  grosse  Befriedigung  darüber 
äusserte  und  den  Wunsch  aussprach,  dass  es  veröffent- 
licht werde,  weil  man  nicht  oft  und  eindringlich  ge- 
nug die  darin  enthaltenen  Wahrheiten  wiederholen 
könne.  In  gleichem  Sinne  sprachen  sich  Quast,  wie 
die  geschickten  Architekten  Gottlieb  Neureuther  und 
Denzinger  in  München  aus.  Das  Wesentlichste  meines 
Gutachtens  gegen  jenen  Ruinirplan  habe  ich  bereits 
in  Bezug  auf  die  Kirche  in  Rimpar  bei  Würzburg 
und  die  Restauration  der  Frauenkirche  in  München 
ausgesprochen.  Das  vollständige  Gutachten  lasse  ich 
im  Archiv  meiner  Vaterstadt  aufbewahren. 


365 


Im  Jahre  1879  war  ich  mit  meiner  Frau  in  Berlin 
auf  Besuch  bei  unserm  Sohne  Friedrich.  Es  waren 
die  Feierlichkeiten  zur  goldenen  Hochzeit  des  Kaisers 
Wilhelm  I.  Kurz  vorher  war  der  12jährige  Prinz 
Waldemar  gestorben.  Das  Elternpaar,  Kronprinz 
Friedrich  und  Gemahlin,  war  in  tiefer  Trauer. 

Als  mich  der  Hofmarschall  Graf  Seckendorf  in 
Potsdam  zur  Tafel  geleitete,  fragte  ich,  ob  ich  den 
Trauerfall  berühren  dürfe,  worauf  er  erwiderte  : „Sorgen 
Sie  nicht  dafür,  das  hohe  Paar  nannte  oft  ihren  Namen, 
indem  es  sagte:  „nur  ein  Mann,  der  ähnlichen  Jammer 
erlebte,  kann  unsern  Schmerz  begreifen.“  Ich  wurde 
in  grosser  Rührung  empfangen.  Nach  der  Tafel  lud 
mich  die  Kronprinzessin  ein,  ihre  Kunstsammlung  im 
Prinzenpalais  anzusehen,  sie  werde  nächsten  Freitag 
nach  Berlin  fahren  und  mir  dieselbe  zeigen.  Sie  hatte 
diese  Räume  seit  dem  Tode  des  Prinzen  Waldemar 
nicht  mehr  betreten  und  sagte,  wenn  sie  mich  daselbst 
empfange  und  über  Kunst  mit  mir  spräche,  so  würde 
ihr  der  erste  schmerzliche  Eindruck  gemildert. 

Als  sie  erfuhr,  dass  auch  meine  Frau  in  Berlin 
sei,  lud  sie  dieselbe  ebenfalls  zu  der  Kunstbeschauung 
ein.  Nachdem  wir  eine  Stunde  daselbst  verbracht 
hatten  und  uns  verabschiedeten,  übergab  sie  meiner 
Frau  ihre  Photographie,  worauf  sie  in  Trauer  erscheint, 
mit  den  Worten:  „Wenn  Sie  an  Ihren  schmerzlichen 
Verlust  denken,  so  schauen  Sie  dieses  Bildniss  an  und 
denken,  unter  allen  Verhältnissen  des  Lebens  gibt  es 
Mütter,  welche  ähnlichen  Jammer  erlebt  haben.“ 

Während  dieses  meines  Aufenthaltes  in  Berlin  traf 
ich  auch  wieder  mit  dem  Kommandanten  des  könig- 


liehen  Zeughauses,  Excellenz  Generallieutenant  von 
Ising,  zusammen.  Dieser  hatte  im  Feldzuge  des 
Jahres  1864  den  linken  Arm  verloren,  und  zeigte 
sich  später  als  ungemein  rühriger  und  thätiger  Vor- 
stand dieser  reichen  Sammlung  in  dem  herrlichen  Bau 
des  berühmten  Architekten  und  Bildhauers  Andreas 
Schlüter.  Ich  hatte  ihn  bei  einem  früheren  Aufent- 
halte in  Berlin  kennen  gelernt,  wo  er  äusserst  freund- 
lich gegen  mich  war  und  mir  seinen  werthvollen 
Katalog  der  Sammlungen  des  Zeughauses  verehrte. 
Er  blieb  mir  bis  zu  seinem  Ende  freundschaftlich 
gesinnt.  Zwei  Jahre  vor  seinem  Tode,  im  Jahre  1896, 
traten  wir  noch  in  nähere  Beziehungen  zu  einander  und 
zwar  in  dem  damals  von  ihm  neu  gegründeten  Verein 
für  historische  Waffenkunde,  dessen  erster  Vorstand 
er  wurde,  während  man  mich  als  einen  der  ersten, 
der  sich  ernstlich  mit  der  Geschichte  der  Waffenkunde 
beschäftigt  habe,  über  Verdienst  so  hoch  ehrte,  dass 
ich  zum  Mitglied  der  Direktion  und  zum  ersten  Ehren- 
mitglied ernannt  wurde.  Ising  hatte  sich  als  Vor- 
sitzender bei  der  Hauptversammlung  dieses  Vereins 
im  Jahre  1898  sehr  angestrengt,  so  dass  er  bald 
darauf  starb.  Ich  hatte  ihm  noch  Zeichnungen  von 
Waffenstücken  des  14.  Jahrhunderts  gesandt,  um 
Näheres  darüber  zu  erfahren,  leider  aber  konnte  er 
nichts  mehr  darüber  schreiben. 

Später  im  Jahre  1885  kam  ich  wieder  nach  Ber- 
lin zu  meinem  Sohn.  Mein  erster  Gang  war  in  das 
Kunstgewerbemuseum,  an  dem  ich  stets  vielen  Antheil 
nahm.  Es  war  gerade  daselbst  in  dem  Parterre-Raum 
eine  Ausstellung  von  Zeichnungen  und  Aquarellen  der 


Schüler,  welche  die  Vorbilder  dieses  Museums  zu  ihren 
Studien  und  Kompositionen  benützt  hatten.  Da  sah 
ich  schon  von  Ferne  den  Kronprinzen  Friedrich;  er 
durchwanderte  mit  mir  die  Räume,  um  die  Kunst- 
schätze  zu  besichtigen.  Als  ich  mich  verabschiedete, 
sprach  der  hohe  Herr;  „Diesmal  werden  Sie  nicht 
mich,  aber  doch  meine  Frau  in  Potsdam  sehen,  denn 
ich  werde  nach  Sigmaringen  reisen,  da  der  Fürst 
Karl  Anton  von  Hohenzollern  im  Sterben  liegt.“  Ich 
konnte  mich  eines  Ausrufes  des  Schmerzes  nicht  ent- 
halten. Bald  darauf  erhielt  ich  mit  meinem  Sohne 
von  der  Kronprinzessin  Friedrich  eine  Einladung  nach 
Potsdam,  wir  trafen  daselbst  auch  den  Direktor  des 
Kupferstichkabinets , Dr.  Friedrich  Lippmann,  den  ich 
schon  in  Wien  kennen  gelernt  hatte , wo  er  für  das 
dortige  Kunstgewerbe-Museum  thätig  war. 

Wie  die  Kaiserin  schon  von  früh  an  Theilnahme 
und  Interesse  für  Erfindungen  zum  Nutzen  der  Mensch- 
heit und  deren  Fortschritt  zeigte,  so  bewies  sie  auch 
grosse  Theilnahme  an  dem  Schaffen  meines  Sohnes. 
Es  wurde  nun  gerade  um  diese  Zeit  die  elektrische 
Beleuchtung  der  Leipziger  Strasse  und  des  Potsdamer 
Platzes  nach  dem  System  und  unter  der  Leitung  meines 
Sohnes  hergestellt.  Als  die  hohe  Frau  bald  darauf 
nach  München  kam,  sprach  sie  uns  Eltern  ihre  grosse 
Freude  au  dem  Gelingen  jenes  bedeutenden  Werkes 
aus  und  sagte  unter  Anderem:  „er  macht  uns  ja  allen 
Ehre“,  denn  sie  wusste,  dass  dieses  den  Elternherzen 
wohlthun  musste. 

Im  September  des  Jahres  1885  kam  Kronprinz 
Friedrich  wieder  nach  München,  er  wünschte  bei 


dieser  Gelegenheit  die  Abformungen  deutscher  Meister- 
werke aus  Spanien  zu  sehen  , welche  Kreittmayr  ge- 
fertigt hatte. 

Der  junge  König  Alfons  XII.  von  Spanien  hatte 
den  Formator  bei  seiner  Arbeit,  für  welche  er  viel 
Interesse  zeigte,  zweimal  besucht  und  ertheilte  ihm 
die  Erlaubniss,  auch  Kunstschätze  in  seinen  Wohn- 
zimmern abzuformen ; er  ehrte  ihn  durch  den  Isabellen- 
orden und  sagte  zu  ihm:  „Sie  werden  gewiss  in  Ihrer 
1 leimath  mit  Freuden  und  Ehren  empfangen,  weil  Sie 
so  viel  zur  Ehre  Ihres  Vaterlandes  mitbringen.“ 

Nun  war  ich  dem  Kronprinzen  Friedrich  gegen- 
über in  Verlegenheit ; meine  Stelle  als  Direktor  des 
Nationalmuseums  hatte  ich  kurz  vorher  nieder  (feiert, 
und  Kreittmayr  musste  seine  Werkstätte  im  Museum 
verlassen  und  durfte  nicht  mehr,  wie  bisher,  jeder 
Zeit  auswärtige  Museumsvorstände  und  Kunstfreunde 
zu  seinen  Werken  führen,  und  zwar  nachdem  er,  wie 
bereits  gezeigt,  so  viel  zur  Zweckerfüllung  und  Ehre 
des  Museums  beigetragen  hatte  , auch  wurde  ihm  nicht 
gestattet,  die  herrlichen  Werke,  welche  er  aus  Spanien 
mitgebracht  hatte,  im  Museum  aufzustellen.  Er  war 
gerade  damit  beschäftigt,  diese  Abgüsse  in  den  Keller- 
räumen, des  Auszuges  wegen,  zu  verpacken.  Dessen 
ungeachtet  führte  ich  den  Kronprinzen  durch  den 
Garten  zu  den  Kellerräumen ; Kreittmayr  wollte,  des 
Staubes  und  des  Schmutzes  wegen,  die  Abgüsse  ins 
Freie  schaffen.  Der  hohe  Herr  aber  sagte:  „Da  bin 
ich,  einer  guten  Sache  halber,  schon  über  anderen 
Schmutz  gestiegen.“  Er  zeigte  grosses  Wohlgefallen 
an  den  schönen  Werken  und  sprach  seine  Verwunder- 


369 


ung  darüber  aus,  dass  man  bisher  von  diesen  deutschen 
Meistern  bei  uns  so  wenig  gehört  habe  und  dass 
deren  Werke  noch  so  häufig  den  Italienern,  Franzosen 
oder  Spaniern  zugeschrieben  würden. 

Das  letzte  Mal  weilte  Kaiser  Friedrich  noch  als 
Kronprinz  in  München  bei  der  Beerdigung  unseres 
unglücklichen  Königs  Ludwig  II.  Damals  ahnte  er 

o o ö 

wohl  nicht,  dass  man  ihn  selbst  zwei  Jahre  später  in 
der  Gruft  seiner  Väter  beisetzen  werde.  Sein  früh- 
zeitiger Tod  erweckte  in  mir  die  tiefste  Trauer. 
Schmerzlich  berührt,  wie  auch  freudig  bewegt,  war 
ich,  als  mir  an  meinem  SO.  Geburtstage  zum  Andenken 
an  den  edlen  Verstorbenen  die  Kaiserin  mit  einem 
ausserordentlich  liebenswürdigen  Schreiben  zwei  Me- 
daillen zusandte,  die  sein  und  ihr  Bild  von  Künstler- 
hand gefertigt  trugen. 


XLIV.  Ende  König  Ludwig  II. 

Wie  ich  bereits  geschildert,  war  der  grossartig 
angelegte  König  für  Kunst,  Geschichte  und  alles 
Schöne  noch  geraume  Zeit  empfänglich,  als  sein  (Geist 
für  so  manches  Andere  schon  umnachtet  war.  Ueber 
sein  tragisches  Ende  habe  ich  nichts  mehr  zu  berichten, 
da  Allen,  welchen  es  in  dieser  Sache  um  die  Wahr- 
heit zu  thun  ist,  die  darauf  Bezug  habenden  Umstände 
längst  bekannt  sind. 

Im  Mai  1886  hielt  unsere  „zwanglose  Gesellschaft“, 
wie  alljährlich,  in  Feldafing  am  Starnbergersee  ein 
Frühlingsfest  zum  Schlüsse  unserer  Zusammenkünfte, 
welche  im  Winter  stattgefunden  hatten.  Vorstand  der 

Gesellschaft  war  um  diese  Zeit  Dr.  Gudden.  Direktor 

24 


370 


der  Irrenanstalt;  bei  der  Heimfahrt  sass  ich  an  seiner 
Seite,  er,  wie  die  ganze  Gesellschaft  war  in  der 
heitersten  Stimmung. 

Es  erschütterte  uns  alle  aufs  Tiefste,  als  bald 
darauf  am  13.  Juni  die  Kunde  von  dem  beklagens- 
werthen  Ende  des  Königs  und  Gudden’s  zu  uns  drang. 
Der  traurige  Zustand  des  Königs  hatte  uns  schon  längst 
mit  schmerzlicher  Betrübniss  erfüllt.  Tief  zu  Herzen 
ging  uns  der  Verlust  Gudden’s,  er  war  noch  in  vollster 
Lebenskraft,  ein  Mensch  der  edelsten  Art,  mit  grossem 
Wissen,  ein  wahrer  Freund  und  Wohlthäter  der  Mensch- 
heit, der  aus  Pflichtgefühl  in  den  Tod  ging. 

Bald  nach  jenem  unglückseligen  Ereigniss  befragte 
ich  Professor  Dr.  Rüdinger,  der  die  Sektion  der  könig- 
lichen Leiche  in  Gegenwart  mehrerer  Aerzte  vorge- 
nommen hatte,  nach  dem  Resultat.  Er  sagte:  „Ich 
bin  mit  grosser  Bangigkeit  an  das  Werk  gegangen, 
denn  es  kam  schon  oft  vor,  dass  man  bei  vollständig 
Wahnsinnigen  gar  kein  Symptom  ihres  Zustandes  in 
dem  Gehirn  fand;  wäre  das  hier  der  Fall  gewesen, 
so  hätte  Dummheit  und  Bosheit  aufs  Neue  das  Gerücht 
verbreitet,  der  König  sei  nicht  irrsinnig  gewesen, 
sondern  man  habe  ihn  erst  dazu  gemacht.  Statt 
dessen  habe  ich  aber  im  Gehirn  und  an  der  Hirn- 
schale fünf  Symptome  gefunden,  wovon  eines  schon 
hinreichend  gewesen  wäre,  einen  Menschen  wahnsinnig 
zu  machen.“  Dadurch  erhielt  ich  den,  wenn  auch  trau- 
rigen 'Frost,  dass  durch  keine  andere  Lebensweise,  wie 
durch  keine  menschliche  Kunst  und  Weisheit,  das 
geistige  Unglück  des  Königs  hätte  ferne  gehalten 
werden  können. 


371 


Ich  fühle  mich  hier  veranlasst , über  das  Kunst- 
verständnis und  den  Kunstsinn  des  Monarchen  meine 
Ansicht  auszusprechen,  zumal  nur  zu  oft  falsche  Ge- 
rüchte darüber  verbreitet  werden,  und  zwar  von 
Menschen,  welche  von  Kunst  nichts  verstehen,  oder, 
auch  glauben,  es  müsse  Alles,  was  von  dem  unglück- 
licken König  ausgehe,  absonderlich  sein.  In  seinem 
Kunststreben  nahm  erst  nach  und  nach  die  Vorliebe 
für  die  Periode  Ludwig  XIV.  zu.  Wenn  ihn  auch 
dabei  der  Luxus  und  Glanz  eines  absoluten  König- 
thums zu  sehr  anzog,  so  erkannte  er  doch  auch  in 
dieser  Richtung  das  wirklich  Schöne.  In  der  Stilart 
einer  jeden  Periode  unterscheidet  man  wohl,  was  nur 
nach  einer  Modeschablone  der  Zeit  oder  unter  Ein- 
fluss eines  bedeutenden  Künstlers  seinerZeit  geschaffen 
wurde.  Dass  der  König  bei  seinen  Kunstschöpfungen 
nicht  einseitig  war,  zeigt,  dass  er  auch  Kunstwerke 
älterer  Zeit  anschaffte,  welche  ebenso  in  einem  Museum 
sein  könnten,  dafür  spricht  ferner  das  Schloss  Neu- 
Schwanstein , wobei  ihm  die  Poesie  des  deutschen 
Mittelalters  und  die  Romantik  einer  Ritterburg  vor- 
schwebte. *) 

Für  die  vielseitige  Kenntniss  des  Königs  in  Kunst 
und  Geschichte  spricht  auch  vorzüglich  die  kolossale 
Masse  kleinerer  Kunstwerke  in  einer  jeden  Stilart 


*)  Siehe  „Romanische  Wandmalereien  der  k.  b.  Burg  Neu- 
sehwanstein,  nach  den  Entwürfen  von  Julius  Hofmann,  k.  Ober- 
baurath. 40  Tafeln  in  Lichtdruck  von  J.  Albert,  Kunstverlag, 
München.  Ferner  „König  I.udwig  11.  und  die  Kunst“  von  Louise 
von  Kobell.  München  1898.  8". 


24  * 


jeder  Technik,  wie  in  einem  jeden  Material,  welche 
er  durch  vorzügliche  Künstler  und  Gewerbetreibende 
ausführen  liess.*)  Es  ist  auch  gewiss  nicht  zu  ver- 
kennen, dass  die  vielen  Aufträge,  welche  der  König 
ertheilte,  wesentlich  zur  Hebung  des  Kunstgewerbes 
beitrugen.  Ich  konnte  nichts  Anderes  erwarten,  als 
dass  nach  dem  Ableben  des  Königs  diese  Meister- 
werke eine  Fortsetzung  des  Nationalmuseums  oder  ein 
Museum,  etwa  unter  dem  Namen  Ludovicum,  bilden 
würden,  was  für  den  unglücklichen  König,  den  wir 
ebenso  bewundern  wie  bedauern  müssen,  ein  bleibendes 
geistiges  Denkmal  gewesen  wäre,  allein  es  geschah, 
was  ich  nicht  für  möglich  gehalten  hätte;  Alles  bis 
auf  ein  Minimum  wurde  aufs  Eiligste  verkauft.  Ich 
wie  Andere,  konnten  nicht  erfahren , ob  diese  Schätze 
vorher  einem  Fachmann  zur  Begutachtung  oder  Schätz- 
ung vorgezeigt  wurden.  Bis  heute  werden  fortgesetzt 
damit  im  Auslande  grosse  Geschäfte  gemacht. 


XLV.  Schluss  und  Rückblick. 

Im  Jahre  1881  besuchten  wir  manche  Städte  Ober- 
italiens, wobei  uns  unser  Sohn  aus  Berlin  begleitete.  Es 
war  gerade  um  diese  Zeit  in  Venedig  der  internationale 
geographische  Congress,  wobei  ich,  wie  mein  Sohn 
manche  Bekannte  trafen.  Auf  das  viele  Herrliche,  das 
wir  in  Kirchen,  Museen  und  Gallerien  mit  grossem 
Interesse  sahen,  hier  näher  einzugehen,  wäre  nicht  der 

*)  Vergl.  hierüber  das  vortreffliche  Buch  von  Louise  von 
Kobell,  König  Ludwig  II.  und  die  Kunst. 


3 73 


Platz;  auch  sind  mir  darin  schon  bedeutende  Fach- 
leute vorausgegangen.  Ich  konnte  wohl  noch  meine 
Erfahrungen  bereichern,  aber  doch  nicht  mehr,  wie  in 
früheren  Jahren,  Vieles  davon  für  meine  Arbeiten  be- 
nützen. 

Als  natürliche  Folge  der  vielen  Drangsale  und 
Unglücksfälle,  welche  über  mich  hereingebrochen  waren, 
überfiel  mich  eine  schwere  Krankheit,  welche  im  Nach- 
lass aller  Kräfte  bestand;  vier  Monate  konnte  ich  das 
Bett  nicht  verlassen , die  Aerzte  betrachteten  meinen 
Zustand  als  sehr  bedenklich.  Meine  Frau  hatte  ein 
schweres  Herzleiden,  dem  sie  am  31.  Mai  1887  zu 
meinem  namenlosen  Jammer  erlag. 

Mein  einziger  mir  gebliebener  Sohn  Friedrich, 
der  mir  durch  sein  Schaffen  Freude  und  Ehre  macht, 
wohnt  in  Berlin,  wo  er  seinen  Wirkungskreis  und  sein 
Haus  besitzt,  mit  seiner  Frau  Johanna,  Tochter  des 
verstorbenen  Direktors  der  Akademie  der  bildenden 
Künste,  Karl  von  Piloty  und  seinen  vier  Kindern,  drei 
Mädchen  und  einem  Knaben. 

Wenn  ich  auch  meine  amtlichen  Stellen  aufgegeben 
habe,  so  bin  ich  doch  in  München  durch  meinen  Wirkungs- 
kreis so  eingewöhnt,  dass  ich  es  nicht  mehr  leicht 
verlassen  könnte.  Leider  ist  das  Zusammensein  mit 
meinen  Kindern  und  Enkeln  nur  jährlich  auf  kurze 
Zeit  beschränkt,  wo  ich  mich  alsdann  an  deren  Ge- 
deihen und  Fortschritten  erfreue. 

Für  mich  in  meinem  hohen  Alter  sorgt  die  Tochter 
eines  Freundes  meiner  Familie;  sie  war  schon  die  treue 
Pflegerin  meiner  Frau;  sie  ist  mir  jetzt  Stütze  und  nimmt 
warmen  Antheil  an  meinen  Interessen  und  Arbeiten. 


3/4 


Nach  meiner  Wiedergenesung  arbeitete  ich  mit 
verdoppeltem  Eifer,  wobei  mich  auch  die  Sorge  an- 
trieb,  dass  mein  Werk  über  mittelalterliche  Kunst  un- 
vollendet bleiben  könnte ; glücklicherweise  gelang  es 
mir,  dasselbe  im  Jahr  1889  mit  dem  10.  Bande  ab- 
zuschliessen,  wie  auch  den  2.  Band  meiner  Eisenwerke 
des  Mittelalters  und  die  Goldschmiedwerke  der  Renais- 
sanse,  welche  einen  Band  umfassen. 

Ich  empfand  dabei  aufs  Neue , dass  Arbeit  das 
Einzige  ist,  was  Kummer  und  Schmerz  erträglich 
machen  kann. 

Minister  von  Lutz  starb  im  Jahre  1890,  sein  Nach- 
folger wurde  Ludwig  August  von  Müller.  Bald  nach- 
dem derselbe  das  Kultusministerium  übernommen  hatte, 
und  ich  ihn  persönlich  noch  gar  nicht  kannte,  über- 
raschte er  mich  durch  einen  Besuch.  Er  zeigte  vieles 
Interesse  an  meinen  Arbeiten  und  sprach  sich  überaus 
günstig  über  mein  langjähriges  Wirken  für  das  bayer- 
ische Nationalmuseum  aus.  Ich  erkannte  darin,  dass 
er  sich  mit  dem.  was  schon  vor  seiner  Amtsthätigkeit 
geschehen  war,  in  der  kurzen  Zeit  bekannt  gemacht 
hatte,  was  nicht  genug  anzuerkennen  ist.  Sogleich  nach 
diesem  Besuche  wurde  ich  zu  meiner  Ueberraschung 
am  3.  Februar  1891  von  S.  K.  II.  dem  Prinz-Regenten 
zum  k.  Geheimen  Rath  ernannt. 

Am  20.  Mai  1891  war  mein  80.  Geburtstag;  da 
ich  so  vieles  Traurige  erlebt  und  die  meisten  meiner 
Freunde  überlebt  hatte,  dachte  ich,  diesen  Tag  im 
Stillen  zuzubringen,  allein  er  wurde  durch  die  Eeder 
des  Freundes  Carriere  bekannt.  Einige  hohe  I lerren, 


375 


welche  sich  schon  früher  für  mein  Schaffen  interessirt 
hatten,  ehrten  mich  durch  hohe  Auszeichnungen,  und 
viele  Freunde  und  Bekannte  erfreuten  mich  durch  den 
Ausdruck  herzlicher  Theilnahme. 

An  dem  Abend  des  20.  Mai  erhielt  ich  in  der 
,, Zwanglosen  Gesellschaft“,  deren  ältestes  Mitglied  ich 
bin,  ein  prachtvolles  Album  mit  den  Bildnissen  der 
60  Mitglieder  mit  Namensunterschriften  , sinnigen 
Mottos  und  guten  Wünschen.  Der  Einband  dieses 
Albums  ist  ein  Meisterwerk  feinsten  Geschmackes, 
auf  demselben  steht  in  goldenen  Buchstaben  : „Ihrem 
lieben  Hefner- Alteneck  zum  80.  Geburtstag  die  zwang- 
lose Gesellschaft.“  Diese  einfache  Widmung,  besonders 
von  solchen  Männern  ausgehend,  musste  mich  aufs 
Innigste  erfreuen. 

Am  1.  Januar  1804,  nachdem  ich  schon  42  Jahre 
Aschaffenburg  verlassen  hatte,  wurde  ich  zum  Ehren- 
bürger dieser  meiner  Vaterstadt  ernannt.  Das  Diplom 
ist  ein  wahres  Kunstwerk  in  der  Form  eines  Trip- 
tychons, in  der  Mitte  die  Schrift,  d.  h.  das  Dekret, 
daran  hängend  das  Stadtsiegel,  darüber  die  Total- 
ansicht der  Stadt  Aschaffenburg,  auf  der  einen  Seite 
die  Ansicht  der  Stiftskirche , in  welcher  ich  oft  ge- 
arbeitet, auf  der  andern  mein  Wappen  mit  dem  Ritter 
Georg  von  Liebenstein  als  Schildhalter,  in  den  beiden 
Seitenflügeln  rechts  das  kurfürstliche  Schloss,  auf- 
genommen von  dem  Fenster  meines  ehemaligen 
Arbeitszimmers,  links  das  frühere  alte  malerische 
Ilerstallthor.  Die  vortreffliche  Aquarellmalerei  auf 
Pergament  ist  ein  Werk  von  der  Hand  meines  ge- 
schickten Landsmannes  Adalbert  Hock,  der  Einband 


376 


in  gepresstem  Leder  u.  s.  w.  mit  dem  Stadtwappen 
ein  Meisterwerk  des  Buchbindermeisters  Friedrich, 
der  sich  schon  viele  Verdienste  um  die  Denkmale  und 
Geschichte  meiner  Vaterstadt  erworben  hat.  Das 
Ganze  begleitete  ein  sehr  ehrendes  Schreiben  des 
Herrn  Bürgermeisters  Hofrath  Medicus.  Abgesehen 
von  der  Ehre,  welche  mir  dadurch  erwiesen  wurde, 
freute  es  mich  sehr , dass  meine  Vaterstadt  solche 
Kräfte  besitzt. 

Am  Ende  meiner  Darstellung  angelangt,  möchte 
ich  nur  noch  in  einem  kurzen  Rückblick  verschiedener 
Männer  gedenken.  In  meine  Jugendzeit  zurückgehend, 
sei  bei  dem  schon  genannten  Dompropst  Dumetz 
(Dumeix)  erwähnt,  dass  dieser  würdige  Mann  derselbe 
ist,  mit  welchem,  als  er  noch  Propst  des  Leonhard- 
stiftes in  Frankfurt  a.  M.  war,  der  junge  Goethe  ver- 
kehrte.*) Johann  Peter  Melchior  hat  von  ihm  ein 
Medaillonportrait  angefertigt,  dessen  Thonmodell  sich 
jetzt  im  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin  befindet.**) 

Von  meinen  Freunden  aus  früherer  Zeit  möchte 
ich  noch  nennen  meinen  Landsmann  Kaspar  Braun, 
den  nachmaligen  Mitbegründer  der  ,, Fliegenden  Blätter, 
ferner  Christian  Brentano,  den  Bruder  von  Clemens 
und  Bettina.  Letzterer  war  mir  während  meines  Auf- 
enthaltes in  Aschaffenburg  ein  wahrer  und  wohlwollen- 
der Freund,  der  mir  in  vielen  Angelegenheiten  treu 
zur  Seite  stand.  Durch  ihn  lernte  ich  in  Frankfurt 
noch  andere  Angehörige  dieser  genialen  Familie 

*)  Goethe’s  sämmtliche  Werke.  Berlin,  Hempel.  Bd.  XXII. 
Seite  130  und  381. 

**)  Zais,  Ernst.  Die  Porzellan-Manufaktur  zu  I lochst.  Seite  111. 


377 


kennen , die  mir  mit  ausserordentlicher  Liebens- 
würdigkeit Einblick  in  ihre  reichen  Kunstschätze 
gewährten.  Unter  diesen  sind  namentlich  die  herr- 
lichen 40  Miniaturen  zu  nennen*),  die  Jean  Fouquet 
von  Tours,  Hofmaler  des  Königs  Ludwig  XL,  für  den 
Schatzmeister  Estienne  Chevalier  gemalt  hatte.  Be- 
kanntlich wurden  „diese  Perlen  altfranzösischer  Kunst“ 
vor  einigen  Jahren  von  Dr.  Louis  Brentano  an  den 
Herzog  von  Aumale  um  eine  hohe  Summe  verkauft. 

In  Frankfurt  lernte  ich  ausserdem  noch  kennen 
den  Kupferstecher  Eugen  Schäffer , ferner  Johann 
David  Passavant , den  verdienstvollen  Inspektor  des 
Städel’schen  Kunstinstituts  , und  dessen  Nachfolger 
Gerhard  Malss.  Von  den  dortigen  Malern  zählten  zu 
meinen  Bekannten  und  Freunden  Alfred  Rethel,  Moritz 
Oppenheim,  Otto  Cornill,  der  jetzige  Conservator 
des  städtischen  historischen  Museums  , der  originelle 
Karl  Ballenberger,  und  Carl  Theodor  Reiffenstein. 
Letzterer  war  ein  um  Frankfurt’s  Topographie  hoch 
bedeutsamer  Künstler;  seine  mit  grösster  Genauig- 
keit, dabei  aber  auch  mit  künstlerischem  Verständ- 
nisse , aufgenommenen  Zeichnungen  und  Aquarelle 
von  Bauten  und  Bautheilen  aus  dem  alten  Frankfurt 
bilden  heute  einen  werthvollen  Bestandtheil  des  oben 
genannten  Museums.  In  weiteren  Kreisen  machte 
er  sich  durch  seine  „Bilder  zu  Goethe’s  Dichtung 
und  Wahrheit“  bekannt,  von  denen  er  auch  mir  ein 
Exemplar  in  freundschaftlicher  Gesinnung  zusandte. 

*)  Vergl.  Gwinner , Ph.  Friedrich.  Kunst  und  Künstler  in 
Frankfurt  am  Main  etc.  Frankfurt  a.  M.  1862.  8°.  Seite  544. 


378 


Von  den  dortigen  Kunstfreunden  wären  zu  nennen 
der  bekannte  Dürer-Sammler  Heinrich  Anton  Cornill- 
d’Ürville,  der  Vater  des  oben  erwähnten  Otto  Cornill, 
ferner  Georg  Wittemann  und  Karl  Anton  Milani. 

Unter  anderen  hervorragenden  Persönlichkeiten, 
die  ich  im  Laufe  meines  langen  Lebens  kennen  lernte, 
möchte  ich  vor  allen  noch  den  Dichter  Ludwig  Uhland 
erwähnen,  dessen  Bekanntschaft  ich  der  Versammlung 
deutscher  Geschichtsforscher  in  Ulm  im  Jahre  1857 
zu  danken  hatte. 

Von  denjenigen,  die  ich  zu  meinen  Fachgenossen 
zählen  konnte,  nenne  ich  den  Verwalter  der  Waffen- 
sammlung des  Prinzen  Karl  von  Preussen,  den  sehr 
kenntnissreichen  Schauspieler  und  Romanschriftsteller 
Georg  Iiiltl,  der  mir  die  Beschreibung  der  Waffen  des 
Prinzen  Karl  in  einer  Prachtausgabe  verehrte.  Dann 
wären  noch  die  beiden  hervorragenden  Wiener  Quirin 
von  Leitner  und  Wendelin  Boeheim  zu  nennen.  Von 
weiteren  Freunden,  denen  ich  zu  Dank  verpflichtet 
bin,  möchte  ich  den  Grafen  von  Meran  und  den 
Grafen  Hanns  von  Wilczek  erwähnen.  Beide  hohe 
Herren  sind  Freunde  und  Kenner  des  Lebens  der 
deutschen  Vorzeit , von  denen  der  Erstere  es  durch 
seine  Beschreibung  des  Landes-Zeughauses  zu  Graz 
und  der  Letztere  durch  Wiederaufbau  der  Burg 
Kreuzenstein  bewiesen  hat.  Beide  übersandten  mir 
in  freundlichster  Weise  die  darüber  erschienenen  Ver- 
öffentlichungen.*) 

*)  i)ie  Waffen  , des  Landes-Zeughauses  zu  Graz  von  F.  G.  v.  M. 
(Grafen  von  Meran).  Graz  1880.  4".  — I’aukert,  Johann.  Kretizen- 
stein.  Historisch -topographische  Skizze.  Wien  1899.  8°. 


379 


Zu  den  angenehmsten  Erinnerungen  meines  Lebens 
rechne  ich,  dass  es  mir  vergönnt  war,  den  Traum 
meiner  Jugend,  ein  einiges  deutsches  Vaterland,  ver- 
wirklicht zu  sehen,  ferner  zähle  ich  dazu  die  fort- 
schreitende Entwicklung  des  germanischen  National- 
museums in  Nürnberg,  das  ich  unter  Leiden  und 
Sorgen  seines  Gründers  Hans  von  Aufsess  entstehen 
sah.  Zu  meiner  grossen  Freude  konnte  ich  noch 
erleben , dass  es  nicht  nur  nach  dem  Wunsche 
seines  Stifters  ein  wirklich  germanisches  Museum  ge- 
worden ist,  dass  es  von  allen  deutschen  Staaten  unter- 
stützt und  erhalten  wird , sondern  auch , dass  man  es 
jetzt  ein  Museum  für  die  ganze  gebildete  Welt  nennen 
kann.  Seit  seinem  Entstehen  dem  Verwaltungsaus- 
schuss angehörend,  bin  ich  alljährlich  zu  dessen  Sitz- 
ungen erschienen  und  habe  dort  viele  bedeutende 
Männer  kennen  gelernt,  unter  ihnen  in  den  letzten 
Jahren  einen,  welchen  ich  schon  längst  als  einen  her- 
vorragenden Freund  aller  Kunstbestrebungen  rühmen 
hörte,  den  ehemaligen  preussischen  Kultusminister  und 
jetzigen  Oberpräsidenten  von  Gossler,  der  als  eines 
der  thätigsten  Mitglieder  im  Ausschüsse  waltet.  Ebenso 
wie  ich  dem  germanischen  Nationalmuseum  noch  meine 
Dienste  widmen  kann,  freue  ich  mich,  noch  im  Stande 
zu  sein , soweit  als  thunlich  manchem  Vereine,  trotz 
meiner  hohen  Jahre,  meine  Thätigkeit  zuwenden  zu 
können. 

Obwohl  ich  in  meinem  Leben  gar  manchmal  die 
trübsten  Blicke  in  die  Abgründe  der  Menschheit  werfen 
musste,  habe  ich  doch  bei  allem  dem  Traurigen  und 
Schmerzlichen,  das  ich  erlebte,  die  Beruhigung,  dass 


380 


ich  stets  als  Freunde  Männer  von  Bedeutung-  gefunden 
habe;  denn  die  wahre  Freundschaft  entsteht  nur  durch 
Arbeit,  wie  auch  das  höchste  Verdienst,  das  sich  der 
Mensch  erwerben  kann,  nur  durch  Arbeit  zu  erringen 
möglich  ist.  Arbeit  ist  der  Genuss  des  Lebens,  ohne 
Arbeit  ist  das  Leben  todt. 

Meinen  Enkeln  und  Enkelkindern  möchte  ich 
deshalb  als  Merkwort  Zurufen: 

„Arbeit  gibt  Muth,  verscheucht  alle  Sorgen, 

Fleiss  schafft  die  Lust,  am  Leben  sich  zu  freu’n.“ 


Namen-  und  Ortsregister. 


Aachen 

Abensberg 

Adam.  Albrecht  .... 

Adamo,  Max 

Adelgunde,  Herzogin  von 

Modena 

Afinger,  Bernhard  . . . 

Aibling 

Albert,  Herzog  von  Sachsen 

— Prinz-Gemahl 

Albini,  Franz  Joseph  Frei- 
herr von  

Albrecht  Achilles  . . . 

III.,  Herzog  von  Bayern 

— V'.,  Herzog  von  Bayern 

107,  108,  132,  223, 

— von  Brandenburg,  Kur- 
fürst von  Mainz  . 61, 

Alcantara.  Graf  . . . . 

Siehe  auch:  Stillfried, 
R.  Freiherr  von. 
Aldegrever,  Heinrich  . 
Alexanderschlösschen  bei 

Jugenheim  

Alfons  XII.,  König  von 
Spanien  ....  305. 
Altdorfer,  Albrecht 
Altenburg  bei  Bamberg  . 


Amalie,  Königin  von  Grie- 
chenland   326 

Amman,  Jost  . 254,  255,  335 

Anderloher,  geistlich.  Rath  52 
Angermaier,  geistlich.  Rath  230 
Anna  von  Oesterreich  . . 107 

Ansbach 167 

Antwerpen  . . 198,  231 — 233 

Appiani,  Joseph  . . 12,  13 

Aretin , Karl  Maria  von 
152—154,  168,  171,  179 
bis  181,  185.  186,  188, 

199,  200,  212—214.  217, 
227—231,  263,  281,284, 

294,  295,  321,  323,  330 

Ark,  Stadtbaumeister  . . 103 

Arndt,  Paul  Dr 322 

Arnswald,  Bernhard  von, 
Kommandant  . . 129,  260 

Arnulf,  Herzog  von  Bayern  3 1 6 
Artaria,  Verlagsbuchhänd- 
ler . 95 

Asbeck,  Freiherr  von, 

Staatsrath 51 

Aschaffenburg  1,2,  19 — 21, 

24,  26,  28,  33,  35,  36,38. 

39,  41—43,  46—64,  67, 

70,  75,  79,84,  87,  91—93, 


103 

72 

256 

290 

145 

134 

356 

144 

247 

12 

274 

185 

247 

363 

131 

246 

114 

368 

246 

65 


1 08,  1 09,  1 1 4, 

116,  119. 

Babenhausen  

1 16 

120.  135,  139. 

141.  142, 

Baden  bei  Wien  . 78.  79, 

80 

160,  190,  192, 

269.  270. 

Baier,  Holzhändler  . 

66 

355. 

363,  375, 

376 

Baisch,  Hermann 

312 

Aschaffenburg . 

Agathen- 

Bakhuvsen,  Ludolf  . 

193 

kirche 

63 

Ballenberger,  Karl  . . 

377 

— Gaugasse 

36 

Bamberg  1.  2,  53,  65  — 68, 

1 lerstallthor 

269,  270. 

375 

107.  160,  210—212.  214. 

Hexenthurm 

270 

216—219,  294. 

326 

Kapuzinerkloster  20, 

25 

— Dom 

65 

— Kostthurm 

270 

Barbarossa  

104 

Lyceum 

37 

Barth,  Franz  Xaver 

290 

Schloss 

. 43-  48, 

375 

— von,  Domherr  . 

223 

Schlossbibliothek  39, 

— von  Harmating.  Frei- 

61. 

62 

herr 

223 

Schöner  Busch  . 31, 

40 

Bartsch,  Adam  von 

78 

Schönthal 

47 

Friedrich  von  . 

78 

Stiftskirche 34,  55,  364. 

375 

Basel,  Gemäldegallerie 

159 

Aschenb  enner, 

Professor 

Bassenheim,  Grafen 

3 

86. 

93 

Baumgartner.  Gabriel  . 

256 

Athen 

119,  120. 

162 

Baumhauer,  Dr.  von 

342 

Auerswald,  General 

109 

Bayern  - Neuburg  . Pfalz- 

Aul'sess,  Hans  Freiherr  von 

grafen  von  .... 

140  -143,  151.  i 77,  178. 

289. 

Augsburg  73.74.  160,251 
292 

Dom 

Goldschmiedskapelle 

— Katharinenkloster 
Rathhaus 

— St.  Ulrichskirche  . 
Weiserhaus  . 

Aumale,  Herzog  von 
Aventinus  (Thurmayr) 
Axthelm,  von 
Babenberg,  Adalbert  von 


379 

333 

73 

74 

73 
7 4 

74 
74 

377 

72 

120 

65 


Beaute,  Professor  . . . 101 

Beck,  Jakob  Samuel  . . 1 3q 

Becker,  Karl  . . . 107,  243 

Beckere,  Pieter  de  . . . 195 

Beham,  1 lans  Sebald  61,246.  363 
Beichlingen  in  Thüringen 

252,  253 

Bellevue,  Schloss  bei  Sedan  354 
Benedetti,  Graf  ....  242 
Bensheim  an  der  Berg- 
strasse ....  52,  54 

Bentzel-Sternau,  Christian 
Ernst  Graf  von  ...  11 

Berg.  Professor  . . 28,  29 


— 383  — 


Hergen roth  , Geschichts- 
forscher   25 

Berger,  Matthias  . 147,  220 

Bergiilüller,  Johann  Georg  74 

Berkholz,  von  ....  81 


Berlin  39,  86,  122,  130, 
l.U—138.  141,  168.  1/6, 


188,  201,  234.  242,  279 
bis  281,  336,  353,  358 
bis  361,  364—366,  372.  373 

— Bibliothek  ; . . . 131 

— Kunstgewerbemuseum 
277,279,280,305.359,366  376 

— Leipzigerstrasse  . . 367 

— Museum  . . . 71»  135 

— Potsdamerplatz  . . 367 

— Raczynski'sches  Palais  134 

— Schlosskapelle  . . . 136 

Bern  100 

Bernauer,  Agnes  . . 185,  186 

Bernhard,  Herzogin  . 125.  126 

Bezold.  von,  Ministerial- 

rath 298,  301 

Bibra.  Baron  von  . . . 236 

Bicetre 354 

Bickenbach,  Conradus  de  209 
Heinricus  de  209 

Birch-Pfeiffer  Charlotte  . 28 

Birgi,  Maler 13 

Bismarck 354 

Blondeel,  Lancelot  . 196.  197 

Bock,  Franz 165 

Bodenmüller,  Alphons  . 312 

— Friedrich 312 

Bodensee 167 

Bodenstedt,  Friedrich  von 

145,  148 


Boeheim,  VVendelin  . . 378 

Boisseree,  Gebrüder  . . 47 

Bol,  Hans 247 

Bolz,  Franziska  ..  . 27,  28 

Bopp,  Franz,  Professor  . 38 

Boshart,  Wilhelm,  Maler  . 311 

Bosshardt,  C.,  Maler  . . 311 

Bothmer,  F reiherr  von  . 326 

Boulogne 101 

Bouton,  Seidenfabrikant  . 328 

Brandt,  Joseph  von  . . 311 

Braun.  Kaspar  . . . . 376 

Breidbach-Biirresheim,Em- 
rich  Joseph  Freiherr  von  92 
Brendel  von  Homburg  . 363 

Brentano,  Bettina  . . . 376 

— - Christian 376 

— Clemens 376 

— Louis,  Dr 377 

Brixen,  Dom 357 

Brodesser,  von,  General- 
lieutenant   355 

Bronnbach  2 

Brouwer,  Adriaen  . . . 161 


Bruckmann,  Friedrich  166  250 

Brügge  193,  194,  196.  197 

— Kathedrale  (St.  Sau- 


veur) 196,  197 

— Liebfrauenkirche 

(Notre  Dame)  ....  195 

— Palais  de  Justice  . . 197 

— St.  Johannisspital  . . 194 

Brüssel  . . .195,  198,  342 

Bruges,  siehe  Brügge. 

Bruneck . 356 

Brunn,  Heinrich  von  321,  322 

Bubu,  Bartel  . ...  41 


384 


Huchau,  Schloss  . 

181 

Cronberg.  Joh.  Schweick- 

Huirette,  Freiherr  von 

202 

hard  von 

43 

Burgkmair,  1 lans  . 73 

74, 

163 

— Hartmud  von  . . . 

1 15 

Burg-Milchling 

273, 

274 

Dalberg,  Karl  Freiherr  von 

Burgschmiet,  Bildhauer  , 

71 

1,  11,  24,  27,  29,  32-41, 

Burgund,  Maria  von 

195, 

198 

43—45,  47,  62,  72,  92, 

Cadolzburg 

273, 

274 

93,  99, 

293 

Cahier,  Charles  . . 

103 

Damm  bei  Aschaflfenburg 

49 

Canneel,  Theodor  . 

234 

Darmstadt  . 80,  113,  116, 

118 

Canova,  Bildhauer  . 

72 

— Museum 

352 

Caracci,  Annibale 

85 

David,  Jacques  Louis  . 

83 

Carriere,  Moritz  145, 

148, 

374 

Dechbetten  b.  Regensburg 

271 

Castell,  Gustav  Graf 

ZU  . 

168 

Degen,  Oberbaurath 

147 

Cellini,  Benvenuto  . 

126 

Dehrn,  G 

312 

Celtes,  Konrad 

77 

Delbrück,  von  Ministerial- 

Chalkis,  Veste  . . 

119 

direktor  

281 

Charlottenburg  . . 

131, 

132 

Demmin,  August  234,  238, 

240 

Chatilion  .... 

354 

Denzinger,  Joseph  72,  281, 

364 

Chevalier,  Estienne  . 

377 

Destailleur,  Baumeister  24 1 . 

249 

Chodowiecki,  Daniel 

130, 

257 

Detmold,  J.  H.  Dr.  . 

109 

Cincinnati.  Museum 

352 

Diana  von  Boitiers  . 239, 

250 

Coburg.  Veste 

176 

Didron,  aine 

240 

Colmann,  Desiderius 

251 

Dietterlin,  Wendel  . 43, 

217 

Compiegne 

163, 

164 

Dietz,  Feodor  .... 

290 

Constanz,  siehe  Konstanz. 

Diez,  Wilhelm  .... 

312 

Cornelius,  Beter  von  38,  39, 

Dingelstedt.  Franz  . 

148 

134, 

146 

Döbner,  Baurath 

» 77 

Cornill,  Otto  . 

377, 

378 

Döllinger,  Ignaz  von  93, 

149 

-d’Orville,  Heinrich 

Doepler,  Karl  Emil 

290 

Anton  .... 

378 

Donchery  bei  Sedan 

354 

Correns.  Erich 

31 1 

Dorothea  Sabina , I’falz- 

Costniz 

07 

grätin  von  Bayern-Neu- 

Coudenhove  Gräfin 

40 

bürg 

Courajod,  Louis  . 

240 

Dresden  . 138,  142,  188, 

302 

Cranach,  Lukas  . 

128 

Museum 

352 

Crequi 

81 

Droste  zu  Vischering,  Cie- 

Creve,  Dr.  . . . 

22, 

32 

; mens  August  Freiherr 

385 


von , Erzbischof  von 

Köln  100 

Druffel,  August  von  . . 149 


Düfflipp,  Kabinetschef  . 269 

Dürer,  Albrecht  61,  71,  77, 

157,  158,  184,  197,  203, 

218,  219,  223,  247,  258, 

262,  316,  335 


Düsseldorf  . . 69,  165,  359 

Dumetz  (Dumeix),  Dom- 
probst   9,  376 

Dyck,  Hermann  ....  147 

Eberhard,  H.  W.  ...  18 

— Maler 130 

Eberle,  A.dolf  . . . . 312 

Ebert,  Karl 311 

Ebrach 294 

Echter,  Michael  ....  290 

Edelsberg 356 

Effner,  von,  Oberhofgarten- 
direktor   270 

Eisenach  . . 129,  130,  259 

Augustinerkloster  . . 130 

— Peterskirche  . . . 129 

Eisenhart,  von,  Kabinets- 

sekretär  ....  264,  304 

Eisentraut,  Stubenmaler  . 43 

Eitelberger  von  Edelberg, 
Rudolf  ....  277 — 279 
Eifeld  (Eltville)  ....  3 

Elisabeth , Königin  von 

Preussen  136 

— Kurfürstin  von  Bran- 
denburg , geb.  Herzogin 

von  Bayern  . 170 — 172,  274 

Ellenrieder  , Maria  , Ma- 
lerin   99 


Else,  die  schöne,  siehe  Eli- 
sabeth, Kurfürstin. 

Eltester,  Fabrikbesitzer  . 280 

Eltzholz,  von 148 

Elz,  Grafen  zu  ...  . 3 

Emilie  von  Sachsen,  Ge- 
mahlin des  Markgrafen 
Georg  des  Frommen  . 172 

Emmerich  Joseph,  Kurfürst 
von  Mainz  . . 41,  92 

Enderlein,  Kaspar  . . . 334 

Engel,  H.,  Professor  und 
Bibliothekar  ....  63 

Englert,  Georg,  Professor 
und  Bibliothekar  . . 63 

Entres,  Otto  . . . 157 — 159 

Enzenberg,  Graf  von  . . 357 

Epp,  L 312 

Erbach  im  Odenwald  . . 64 

Theodorich  von  . . 64 

— -Erbach,  Graf  zu  . . 64 

Erbstein,  Archivar  . . . 138 

Erfurt 129,  130 

Erhardt,  Bürgermeister  . 323 

Erlangen 75 

Ernst,  Herzog  von  Bayern  185 

— Herzog  von  Sachsen  144 


— II.,  Herzog  von  Sach- 
sen-Coburg   176 

Erthal , Friedrich  Karl 
Joseph  Freiherr  von  1, 

41,  62,  293 

— Lothar  Franz  Frei- 


herr von 62 

Essenwein,  Direktor  .281, 

293,  296,  297,  359 
Esterhazy,  Fürst  ...  76 


Ettersburg  .... 

125 

Ewald,  Maler  . 

281 

Eyk,  van  Gebrüder  . 

234 

— Hubert  van  . 

233 

— Jan  van  . 

187. 

233 

Falke,  Jakob  von 

265 

Fallmeraver,  Jakob 
UPP 

Phi- 

109 

Fechenbach  - Laudenbach 
Friedrich  Karl  Freiheri 


von  ...  109.  110,  193 


— Karl  Freiherr  von  . 110 

Feldafing  am  Starnberger- 

See  369 

Ferdinand  von  Aragonien  198 

— I.,  König  von  Böhmen  248 

Erzherzog  ....  223 

Ferett,  von,  Fräulein  . . 40 

von,  Hofmarschall  42,  43 

Feyerabend,  Sigmund  . . 255 

Fick  von,  Oberst  . . 30,  31 

Flandern,  Graf  und  Gräfin 

von 166 

, » 

flüggen,  Joseph  ....  290 

Förster,  Ernst  . . 14“.  148 

Foltz,  Ludwig  14“.  175,  224 

— Philipp  . . 161,  162,  281 

Forn,  W 312 

Förster,  Landrichter  . . 1/3 

Fould,  Finanzminister  . . 245 

Fouquet,  Jean  ....  37“ 

Fourment.  Helene  . . . 161 

Frank,  L.,  Hofmaler  . . 102 

Frankenstein,  Johann  Phi- 
lipp Anton  von,  Fürst- 
bischof   21" 

Frankcnlhal  ...  14,  329 


Frankfurt  am  Main  11,  14, 
22.  23,  33,  38,  65,  92, 
94,  95,  10“,  109,  115. 
122,  158,  163,  249,  252 


258,  337,  377 

— Gutenberg-Denkmal  . 109 

— Historisches  Museum 

352.  377 

— Leonhardstift  . . . 376 

— Paulskirche  . . 108.  129 


— Städel’sches  Kunstin- 
stitut . . 38,  65,  310,  377 

— Städtische  Gemälde- 
sammlung   158 

Franz  I.,  Kaiser  ....  77 

— II.,  Kaiser  . . . 70,  78 

— 1.,  König  von  Frank- 
reich . . . 247,  248.  250 

Joseph,  Kaiser  . . . 278 

Franzensfeste 356 

Freiburg  i.  Br.  . . .80,  81 

Münster 81 

Freund,  Lorenz  ....  21 

Freyberg,  Freiherr  von  . 201 

2 — Herren  von  225,  227,  242 

Frey  tag,  Gustav  . . . . 176 

Friedemann,  Geschichts- 
forscher   251 

Friedrich  111.,  deutscher 
Kaiser  (f  1493)  ...  77 

111.,  deutscher  Kaiser, 
König  von  Preussen  132, 

166,  176,  274,  305,  306, 

355,  361 — 369 
der  Grosse  . 134,  135 

1.,  Kurfürst  von  Bran- 
denburg . . . .170,  274 


387 


Friedrich,  Grossherzog  von 
Baden  ....  166,  1 67 

— August , König  von 

Sachsen  ....  138,  143 

— Buchbindermeister  . 3/6 

— Karl  Joseph,  Kurfürst 
von  Mainz  1,  2,  16,  1/, 

27,  33,  35,  41,  43,  44, 

92,  93 

(Siehe  auch  : Erthal) 
Leopold,  Herzog  von 


Anhalt-Dessau  . . . 166 

Wilhelm  IV.  136,  168, 

169,  1/2 

Fröhlicher,  Otto  . . . 311 

Fürer,  Moritz  ....  256 

— von  Haimendorf,  Chri- 
stoph   236 


Fürst  Primas  des  Rhein- 
bundes. Siehe:  Dalberg. 
Fürstenberg,  Karl  Egon 


Fürst  von 102 

— Wilhelm  Graf  von  . 102 

Fugger,  die /4 

— Marx 331 

— -Babenhausen.  Leopold 

Fürst  von  . . .331,  333 

Gärtner,  von,  Oberbaurath  1/4 
Gassner,  Baron  von  . . 239 

Gebier,  Otto 312 

Geerts,  Karel  Hendrik  . 197 

Gegenbaur,  Joseph  Anton 

von 302 

Gehring,  Bürgermeister  . 299 

Geibel,  Emanuel  . . 145,  148 

Geisenheim  ....  3,  4 

Gemünden  ....  208,  210 


Gent  . . . .231,  233,  234 

Kathedrale,  St.  Bavo  . 234 

Georg  der  Fromme.  Mark- 
graf von  Brandenburg  172 

Georgenburg 356 

Gerhard,  Hubert  . . 224.  292 

Gerhardt,  Eduard  . . . 311 

Gerome,  Leon  ....  266 

Gersdorf,  Hofrath  . . . 1.39 

Geuder,  Kunsthändler  236, 

237,  263 

— Philipp 256 

Giech,  Barbara  von  . . 182 

Franz  Friedrich  Karl 
Graf  von 181 

— Schloss 181 

Giehrl,  von,  Ministerialrath  229 
Giesebrecht,  Wilhelm  von  149 

Giessen 91 

Girardet,  Edouard  . . . 266 

Glanzner,  Valentin  . . 52  — 56 


Glattbach 54 

Gleichen  , Ernst  Graf  von 

129,  130 

Glockendon,  Nikolaus  61,  363 

Göbhardt,  Heinrich  . . 2 

— Margaretha  ....  1 

(Siehe  auch  : Hefner) 

Gössenheim 208 

Goethe  . . . 47,  127,  376 

Göttingen  ....  163.  325 

Goltzius,  Heinrich  . 56,  71 

Gombart 109 

Gossler,  v.,  Cultusminister  379 
Gottgetreu,  Gottfried  . . 147 

Gräfle,  Albert  . . . . 312 

Grässe,  Dr.,  Hofrath  . . 302 

'25* 


388 


Graz,  Landes-Zeughaus 
Gregorovius,  Ferdinand 

149. 

Gresser,  von,  Cultusmi- 
nister  . 270.  281.  283, 
Grönroth.  Melchior  von  . 
Gropius,  Martin  . . 280, 

Gruben,  Baron  . . . 29. 

Grünenwald,  Jakob  . 
Grumbach.  Familie  von 
Dorothea  von  . 206, 
Eberhard  von 
Wilhelm  von 

Grunow,  Karl  . . 281, 

Gudden,  Bernhard  von  369, 
Guffens,  Godfroid  . 

Gugel,  Balthasar  Christoph 
Gutenstein  in  Niederöster- 
reich   78, 

I laarlem 

— Industriemuseum  . 
Habel,  Archivar  .... 
Haberkorn,  Kunz 
Hack,  Hieronymus  . 

Hacke , Generallieutenant 
53,  67, 

Hackländer.  Wilhelm  . 
Hafner.  Siehe:  Hofner. 
Hagen.  Philippine  Freiin 

von 

(Siehe  auch  : Pauli) 
Hairidl  (1  leindel) , Profes- 
sor   

Haller  Christoph  Joachim 

von 

Ham,  Citadelle  . . * . 

Hanau  


Hanau,  Museum  ....  352 

— Grafen  von  . .116,  118 

— -Lichtenberg,  Johann 

Philipp  Graf  von.  . 117 

— Susanna  Margaretha 

Gräfin  von 117 

Hans,  Meister  von  Augs- 
burg   251 

Harless,  von,  Ober-Kon- 
sistorial-Präsident  . . 145 

Harrer,  Ludwig,  Professor 
und  Bibliothekar  ...  63 

Harri ch,  Jobst  ....  158 

Hartmann,  Ludwig  . . . 312 

Hasenclever,  Johann  Peter  359 
Hassler,  Konrad  Dietrich  178 
Hauschild,  Wilhelm  Ernst  290 


Hauser,  Aloys  . . . 161 

Hausmann,  Hauptmann  . 354 

Heckei,  August  von  . . 290 

Hefner,  Elisabeth  von  . . 75 

(Siehe  auch  : Mitis) 


Elise  von  , geb.  Pauli 
91,  189,  360,  365.  372,  373 

— Emil  von  . 189,  353 — 356 

— Franz  von  189,  241,353,  356 

— Franz  Ignaz  Heinrich 
von  1,  10,  16.  20—25, 

27,  28,  31.32,35,38,45. 

49 — 55, 60,65, 69,  70 — 72, 

75,79—81,84,112,  139 

— Frau  von,  geb.  von 

Tinti 75 

Friedrich  von  189.  267, 

353,  360,  365,  367,  373 
Jakob  ...  2,  3,  23,  25 

Johann  1 


378 

253 

284 

36.3 

281 

30 

31 1 

205 

207 

206 

206 

359 

370 

232 

256 

79 

342 

352 

176 

204 

363 

68 

302 

92 

88 

262 

101 

19 


389 


Hefner,  Johanna  von.  geh. 


Piloty  373 

Josepha  von  ...  75 

— Ludwig  (Grossvater) 

1,  3,  41 

— Ludwig  (Vetter-)  . . 23 


— Ludwig  von  (Bruder)  2 

— Margaretha,  geb.  Göb- 
hardt  1,  2,  16,  19,  20. 

21,  24,  27,  31 

— Margaretha  (Cousine) 

23,  70 

— Margaretha  von 

(Schwester)  2,  28 — 31,  52 

(Siehe  auch:  Sensburg) 

— Peter,  Joseph  von  3,  6, 

7,  70,  75,  78,  79 

— Philippine  von  ...  2 

— Therese  von  2,  28,  29, 


31,  52,  70 

Hehl,  Bildhauer  ....  205 

Heidelberg  ....  40,  1 1 3 

— Schloss 81 

Heideloff,  Karl  von  . 88,  140 

Heiligenberg,  Schloss  . . 101 

Heilmayer,  Karl  . . . . 312 

Heindel.  Siehe  : Haindl. 

Heinel,  Eduard  . 312 

Heinlein  Heinrich  . . . 311 

Heinrich  II.,  Kaiser  . 65,  328 


— II.,  König  von  Frank- 
reich . 239,  247,  248,  250 

— IV.,  König  von  Frank- 


reich   244 

— VIII.,  König  von  Eng- 
land   247 

— Landgraf  v.  Thüringen  124 


Heinrich.  Prinz  von  Preus- 

sen 306 

Heinse,  Wilhelm  ....  63 

Helfreich,  Oberlieutenant  355 
Heller,  Joseph  . . . 68,  218 

Heimle,  Andreas  ....  81 

— Lorenz 81 

Henneberg,  Berthold  von  204 

— Fürst  von  . . . . 111 

Hennings,  Johann  F riedrich  3 1 1 
Herder,  Johann  Gottfried 

von 35 

— von,  Forstmeister  35,  36 

Heres,  von,  Staatsrath.  . 189 

Herrad  von  Landsperg  . 82 

Herrmann,  v..  Baudirektor  287 
Herzog,  Tanzmeister  . . 27 

Hess,  Heinrich  von  155,  189 

Heyden,  August  von  . . 106 

Heyse,  Paul  ....  145,  148 
Hill,  Hof-Fechtmeister  . . 42 

Hiltl,  Georg 378 

Hirsvogel,  Veit  ....  203 

Hochberg,  Dieter  von  . 209 

Hocheder,  Professor  56,  63 

Hock,  Adalbert  ....  375 

Höchst  am  Main  . 14,  329 

Hoff,  Conrad 311 

— Heinrich  96,  97,  121,  122 

Hoffmann,  V.,  Lehrer  . . 116 

Hoffstadt,  Friedrich  . . 95 

Hofmann,  Buchhändler  . 121 

Hofner,  J.  B 311 

Hohen- Aschau  202,  225, 

242,  323 

Hohenburg  bei  Gössenheim  208 
Hohenlohe,  Familie  . . 275 


Hohenlohe  , Sophia  Ele- 
onora,  Gräfin  von,  geh. 
Herzogin  zu  Schleswig- 
Holstein  . ....  275 

- Wolfgang,  Julius,  Graf 

von 2/5 

Hohenschwangau  . 264  — 266 

Hohenzollern , Friedrich 
Graf  von,  Bischof  von 


Augsburg 

74 

— Siehe  auch:  Karl  und 

Karl  Anton,  Fürst  von 

Hohenzollern. 

Holbein,  Hans,  der  ältere 

73 

• — der  jüngere  130,  247. 

258 

Holl,  Elias 

7-4 

Holzer,  Johann.  Evangelist 

74 

Holzschuher  Hieronymus  . 

71 

von 

71 

1 lom bürg.  Siehe:  Hohen- 

bürg. 

Hondekoeter,  Melchior 

160 

Hopfer,  Daniel  .... 

73 

Hieronymus  .... 

73 

Lambert 

73 

Hotho,  Direktor  .... 

132 

Hüther,  Kabinetsrath  321, 

330 

Hüetlin,  Bürgermeister 

99 

Hügel,  Spänglenneister 

23  7 

Humboldt,  Alexander  von 

132, 

137 

Hundt,  Graf  von 

281 

Jäger,  J.,  Maler  .... 

312 

Jägersburg,'  Schloss  bei 

Düsseldorf 

165 

Jahn,  Friedrich  Ludwig  . 

109 

Jamnitzer,  Wenzel  . 

331 

Jarwart,  Sixtus  124,  168, 

171,  1/2  178 

Jean  Paul 34 

Jeetze,  Freiherr  von  . . 164 

Jenbach 357 

Imhoff,  von,  Familie  203, 

235,  260 

— Johann  von  ....  261 

Imst  in  Tirol 143 

Ingelheim,  Grafen  von  . 3 

Innsbruck  . . 223,  248,  357 

Jörg,  Pfarrer 209 

Johann,  Herzog  von  Sachsen 

(später  König)  138,  142 

bis  144,  176 

— Georg  I.,  Kurfürst  von 

Sachsen 107 

— Schweickhard  v.  Cron- 

berg , Erzbischof  von 
Mainz 43 

Johanna,  Königin  von  Ca- 

stilien 184 

Johannisberg,  Schloss  . . 11 

Johannisburg  (Schloss  zu 

Aschaffenburg)  ...  40 

Jollv,  von,  Professor  145, 

148,  360 

Jongelincx,  Jakob  . . . 196 

lsabella  von  Castilien  . . 198 

Ising,  von,  Generallieute- 
nant   366 

Isselburg,  Peter  ....  236 

lssy 354 

Jugenheim 112 

Kalkreuth,  Graf,  Direktor  259 
Käppis,  Albert  . . . 312 

Karl  der  Grosse  ....  104 


Karl  V.,  Kaiser  184.1 96, 1 98,  25 1 

— der  Kühne  . . 195.  196 

Erzherzog  ...  76,  78 

— Fürst  von  Hohenzollern  166 

— Prinz  von  Preussen  133,  378 

— Alexander,  Grossher- 
zog von  Sachsen-Weimar 

125,  126,  128,  258 

Anton  Fürst  von 
Hohenzollern  137,  162 

bis  167,  263,  367 

— Theodor,  Kurfürst  von 

Bayern 249 

Karoline,  Königin  von 

Bayern 183 

Kasimir,  Kapuzinerpater  8,  9 

Kassel 34,  139 

Kaufmann,  Hofmaler  . . 38 

Kaulbach,  Wilhelm  von 

146,  148,  155,  161,  249,  307 

Keller,  Graf,  Hofmarschall  137 

— Heinrich,  Verlagsbuch- 
händler . 107,  H4,  122,  163 

Kemble,  John  Mitchell  . 142 

Kesselstadt,  Franz  Graf 

von 17 — 19 

Kilian,  Lukas 314 

Kinigl,  Graf  von  . . . 356 

Kirchberg 292 

Kirchner,  Emil,  Maler  . 311 

Kirchscheidungen  bei  Frei- 
burg a.  d.  Unstrut  . . 144 

Kirschbaum,  von,  Staats- 
rath   160,  249 

Kittel,  Rektor  ....  87 

Klarwasser.  Helene  . . 42 

Kleeberger.  Hans  . . . 261 


Klein,  Johann  Adam  254 

Kleinschrod,  Freiherr  von, 
Justizminister  ....  67 

Klemm,  Hofrath  ....  138 

Klenze,  Leo  von  88,  175, 

201,  228,  229 

Klipphan,  Johann  . 84.  190 

Kloster  Heilsbronn  . 167  — 178 

— Münsterkirche  . 167—175 

— Primizkapelle  . 1/5,  1"6 

— Ritterkapelle  . . . 172 

Klosterneuburg  „ . 78 

Klumpp,  Regierungs-  und 

Baurath 288 

Knabl,  Joseph  . . 147,  220 

Knaus,  Ludwig  ....  361 

Knod,  Dr 93 

Kobell,  Franz  von  . . . 148 

Köckert  Julius  . . . . 312 

Köln  . 47,  104,  160,  231,  260 
Konrad , Landgraf  von 
Thüringen  . . . 124,  125 

Konstanz  . . 97 — 100.  102 

— Margarethakapelle  . 98 

— Münsterkirche  ...  97 

— Rathhaus 98 

— Rosgarten-Museum  . 99 

— St.  Mauritiuskapelle  . 97 

Korn,  Kammerlakei  . . 37 

Kotsch,  Theodor  . . . 312 

Kourisse,  von  . . . . 158 

Krauchenwies  . . .-  . 166 

Kreittmayr  , Joseph  337, 

342,  368 

Kreimer  in  Regensburg  . 73 

Kreuzenstein.  Burg  . . . 378 

Kreuzlingen 103 


392 


von 100 

— Freifrau  von. geb. Freiin 
zu  Droste- Vischering 

Laudenbach  am  Main  . 
Lauingen  . . 307,  312 

— Kirche  .... 
Launitz,  Eduard  von  der 

Laxenburg  

Leber,  Freiherr  von 
Ledebur,  Freiherr  vo 

Direktor 

Lehfeld,  Assesor 


— 102 

100 
110 
-3 1 5 
312 
100 
77 
76 


135 

281 


Krieg  von  Hochfelden 

95 

Leipzig,  Gewandhaus 

138 

Kröttendorf,  Schloss 

181 

Universitätsbibliothek 

138 

Kronacher,  Leo,  Antiquar 

107 

Leitner,  Quirin  von 

378 

Kronberg  

46 

Lenoir,  Alexandre 

243 

Kühlmann.  Rentamtmann 

210 

Leopold,  Grossherzog 

von 

Kugler,  Franz  .... 

105 

Baden  .... 

101 

Kuhn  heim  . Kommerziell- 

Lessing,  Julius  Dr.  . 

359 

rath 

281 

Levita,  Dr.,  Rechtsanwalt 

239 

Kunigunde,  Gemahlin  Kai- 

Leyden.  Lukas  von  . 

330 

ser  Heinrich  II. 

65 

Lichnowskv,  Fürst  . 

109 

Labarte,  Jules  .... 

240 

Liebenstein  . Georg 

von 

Lacroix,  Paul 

239 

363. 

375 

Lafenestre,  Georges 

240 

Liebig , Justus  von 

145, 

Lambrechtsburg  .... 

356 

148, 

149 

Landshut  . . 251,  298, 

299 

Liechtenstein,  Fürst  von  . 

76 

— St.  Jodocuskirche  . 

298 

Liegnitz  .... 

280 

St.  Martinskirche  . . 

298 

Lier,  Adolf  . . 

311 

Lange,  Friedrich,  Dr.  Pro- 

Ligsalz,  Benno 

224 

fessor 

222 

Limburg  - Styrum  , F 

erdi- 

Langen  von  

138 

nand  Fürst  von 

275 

Langenzenn  . . . 273, 

274 

Limoges  .... 

Langko,  Dietrich 

311 

Lindenschmit,  Johann 

18 

Laroche,  von,  Hofmarschall 

190 

— Ludwig 

1 65 

Lasaulx,  Ernst  von  . 109, 

148 

— Wilhelm  . . . 

31 1 

Lassberg.  Joseph  Freiherr 

Linder,  L„  Maler 

311 

Lingg  und  Lingk , siehe 
Link. 

Link,  Bartholomäeus 

Leonhard  . . . . 

— Lorenz  

Lintorf  im  Herzogthum 

Berg 13, 

Lipowsky,  von,  Kabinets- 
chef  . . . 264,  265, 

Lippmann,  Friedrich  Dr.  . 
T 
I 


Lisberg.  Burg 
-obmeyer  . 


66 


83 

83 

83 

14 

304 

367 

-68 

331 


— 393  — 


Loderer 66 

Löchner,  Kunsthändler  . 
LötTelholtz,  Matthes  . 256 

London  . . . 142,  160,  277 

— Fabrik  Elkington  . . 352 

Kensington  - Museum 
277,  278.  304,  342.  352 
Lorch,  Melchior  ....  256 

Lorum,  Wundarzt  ...  93 

Lossen,  Max 149 

Lotze,  Moritz  . . . . 311 

Louis,  Professor  . . 68,  87 


Louise,  Gemahlin  Napo- 
leons 1.  Siehe:  Marie 
Louise. 

— Grossherzogin  von  Ba- 
den   166,  167 

Ludwig  der  Bayer,  Kaiser  18 

— I.,  König  von  Bayern 
12,  29—31,  39,  63.  72, 

75,  82,  89,  91,  94,  107, 

116,  120,  121,  145,  149, 

150,  163 — 165,  175,  187, 

190.  310,  320,  321,  324. 

325,  329,  355 

— II.,  König  von  Bayern 
120,  155,  217,  263,  264. 

279,  319,  332.  342,  369-72 

— Grossherzog  von  Ba- 
den   99 

— III.,  Grossherzog  von 
Hessen  112,  116,  118, 

119,  191 

— Ludwig  IX.,  d.  Heilige  244 

— XL,  König  von  Frank- 
reich   377 

— XIV.  . 81,  184,  266,  371 


Liibke,  Wilhelm  von  106, 


248,  302, 

359 

Luitpold,  Prinzregent  von 

Bayern 

374 

Luther,  Martin  Dr.  . 

130 

Lutz,  Freiherr  v.,  Minister 

71,  296,  297,  304,  305, 

341, 

374 

Lux,  Philipp 

256 

Lyon  ....  237,  261, 

CO 

to 

OO 

Madrid  . .94,250,  251, 

305 

Magd,  Maurerpalier 

174 

Magdalena  Sibylla,  Kur- 

fürstin  von  Sachsen  . 

107 

Majer,  Gustav  .... 

311 

Mailand 

12 

Mainau.  Insel  im  Bodensee 

167 

Mainberg  bei  Schweinfurt 

110, 

1 1 1 

Mainz  1,  3—8,  10 — 13,  15 

bis  18,  34,  36,  38,  54,  60, 

64,  70.  92,  115,  165,  194, 

293, 

309 

— Kaufhaus 

18 

— Stephansthurm  . . . 

15 

Malchus,  Karl  Freiherr  v. 

311 

Malecki,  W 

312 

Mali,  Christian  .... 

31 1 

Malss,  Gerhard  .... 

377 

Mannheim  . . . 95,  96, 

121 

Marburg  in  Hessen  . 123, 

125 

— Elisabethenkirche  123 

bis  125, 

222 

Marc  Anton 

246 

Maria  von  Hohenzollern. 

Gräfin  von  Flandern 

166 

— Königin  von  Sachsen 

143 

Maria  Theresia,  Kaiserin  . 77 

Marie  Louise , Gemahlin 

Napoleon  1 78 

Marienburg 363 

Markart,  Bauinspektor  . 205 

Marschalk  von  Ostheim. 

Freiherr  von  ....  68 

Martin,  Arthur  ....  103 

Martinengo,  Regierungs- 
rath   231 

Martins,  Karl  Friedrich 

Philipp  von  . . 146.  150 

Massys,  Quentin  ....  233 

Mathilde,  Grossherzogin 

von  Hessen  . . 112,  145 

Maurer  von,  Staatsrath  . 149 

Max  I.,  Kaiser  74,  77,  195 
bis  198,  216,  248,  262, 

— I.j  König  von  Bayern 

34,  121,  183, 

— II,,  König  von  Bayern 
2,  121.  145,  150  — 153, 

155,  172,  174,  175,  178, 

180,  232,  263,  264,  286, 

289,  326, 
Maximilian  I.,  Kurfürst  von 
Bayern  152,  158,  159, 

— Emanuel,  Kurfürst  von 

Bayern  

May,  Karl  ....  39.  40 

— Georg 40 

Mayenfisch,  Karl  von  119, 

162,  177 

Mayer,  Friedrich,  Antiquar  280 

Mecheln 198 

Medicus,  Bürgermeister  . 376 

Meersburg  ....  100 — 102 


Meissen 1 38, 

Albrechtsburg  . 138, 
Meit,  Konrad  . . 184. 

Melac 

Melchior,  Johann  Peter  13, 
bis  15,  329. 
Memling,  Hans  184,  187. 
Menzel,  Adolf  . . . . 

Meran,  Graf  von 
Mergenbaum,  Freiherr  von 
Merian,  Mathias  .... 
Merkel,  Joseph,  Professor 
und  Bibliothekar  62,  63, 
Mermann,  Thomas  . 223, 

Messmer,  Dr.  . . 294, 

Metternich,  Fürst  Lothar 

Metz 

Metz,  Cäsar 

Metzger,  Hans,  Schlosser 

Michelangelo 

Mielich,  Hans.  . . 107, 
Milani,  Karl  Anton 
Milchling,  Freiherren  von 
274, 

Miller,  Ferdinand  von,  In- 
spektor d.  k.  Erzgiesserei 
147,  160,  292,  300, 

Joseph  

Miltenberg  . . . 292, 

Minutpli,  von  . . . . 

Mitis,  Ritter  von,  k.  k.  Sek- 
tionsrath . . 75,  78, 

— Elisabeth  von  , geh. 

von  llefner  . . 75, 

Ferdinand  von  . . 

— Jenny  von  . 

Lina  von  ... 


302 

3'26 

328 

243 


144 

144 

404 

81 

376 

194 

133 

378 

64 

314 

192 

224 

295 

11 

84 

312 

223 

196 

247 

378 

275 


301 

312 

293 

279 

79 

79 

76 

76 

76 


395 


Mitis,  Peter  von 

76 

214.  215,  219.  222— 

224, 

— Xaverine  von  . . . 

76 

229.  234,  237,  240, 

241. 

Molk,  Abtei 

78 

247,  248,  250—253, 

263 

Mohl,  Robert 

109 

bis  268,  270,  277. 

280. 

M obere 

266 

282,  283,  285,  291, 

293, 

Molitor,  Polizeikommissär 

35 

301,  302,  304,  320, 

323. 

Moll,  Balthasar  .... 

77 

325,  326,  330,  336, 

342, 

Molsheim  i.  Eis 

83 

352,  355,  361,  363, 

364, 

Mone,  Friedrich  .... 

140 

367, 

369, 

373 

Montalembert,  Graf 

145 

— Akademie  der  bilden- 

Montmorillon.  Ludwig  Al- 

den  Künste  . . . 

249. 

307 

bert  von  

75 

— Akademie  der  Wissen- 

Montrouge  

354 

schäften  149,  150, 

158, 

253 

Moscron,  Peter  .... 

196 

— Antiquarium 

1 55 

Moser,  Ministerialdirektor 

359 

Bayerischer  Hof 

150 

Moskau,  Museum 

352 

— Dienersgasse 

146 

Moy,  Graf  Karl  von  168, 

264 

Elfenbein-Kabinet 

75, 

Muck,  Pfarrer  . . 173, 

179 

154, 

183 

Müelich,  siehe  Mielich. 

— Frauenkirche  175, 

219, 

364 

Müller,  Andreas  . . 80, 

165 

Galleriestrasse  . 

1 54 

— August,  Maler  . . . 

311 

Gewehr-  und  Sattel- 

— Daniel  Ernst  Dr.  . 

2 

kammer  .... 

1 55 

— Franz  Hubert  Dr. 

80 

— Glyptothek  . . 

320- 

322 

— Johannes,  Professor  . 

80 

— Herzog  Maxburg 

75, 

Karl 

80 

154,  180,  183,  187, 

214, 

228 

Konstantin  .... 

— Ludwig  August  von, 
Cultusminister 

Marcus  Joseph  . . 

— Therese , geb.  von 

Hefner 

München  48,  63,  75.  82, 
87,  88,  90,  109,  113,  120. 
139 — 142,  144,  145.  156 
bis  158.  166,  167,  175, 
179,  183,  187,  188.  190, 
198,  200,  205,  211,  212, 


80 

374 

150 


Herzogspitalkirehe  . 299 

Technisch.  Hochschule  360 
Hofgarten  . . . . 310 

Hof-  und  Staatsbiblio- 
thek   265,  289 

Hoftheater  ....  89 

- Hotel  Schafroth  . 146 

Ehemaliges  Jesuiten- 
kollegium   149 

Kunstgenossenschaft 

146,  311 

Kunstgewerbeverein  . 147 


— 3%  — 


München,  Kupferstich-  und 
Handzeichnungs-Kabinet 
18,  185,  243,  245—248, 

253—258,  268 

— Leuchtenbergische 


Gemäldesammlung  . 75 

- Maximilianeum  . . 162 

Maximiliansstrasse  229,  343 

- Miinzkabinet  . . . 312 

— Nationalmuseum  14, 


73,  121,  151,  179,  252, 

263,  264,  271,  277,  279, 
281—284,  289  —294  , 293, 

294.  296—299.  301,  304, 

308,  312—314,  317—322, 

324,  326,  329,  330,  332, 

333,  338,  340—344,  347, 

351,  352,  357,  358,  361, 

362,  368,  372,  374 

Alte  Pinakothek  154, 

159,  161,  183 

Neue  Pinakothek  155,  310 


— Rathhaus  ....  254 

Rathhaussaal  . . . 150 

Rathhausthurm  . . 270 

— Residenztheater.  150,  175 

— Königliche  vereinigte 

Sammlungen  . 154,  155.  324 

— Stubenvoll  . . . . 146 

Verein  zur  Ausbildung 

der  Gewerke  ....  147 

— Vogelbergische  Samm- 
lung   154 

Zwanglose  Gesell- 
schaft . 147 — 149,  369,  375 

Münzenberger,  Hot’-Silber- 
schliesser 42 


Münzenberger  , I lelene 

(Siehe  auch : Klarwasser)  42 
Murr,  Christoph,  Gottlieb 

von 262 

Muttenthaler,  Anton  . . 290 

Nagler,  Georg  Kaspar  13,  15 

Nancy 196 

St.  Georgskapelle  . . 196 


Napoleon  I.  16,  26,  33,  78, 

104,  325,  347 

— Louis  (Napoleon  111.) 

101,  163—165,  239,  241,  354 

Nau,  Hofrath 25 

Netto,  Goldarbeiter  132,  135 

Neubauer,  Friedrich  Lud- 
wig   18 

— Johann  Kaspar ...  18 

Neumann,  Woldemar  . . 271 

Neureuther,  Eugen  . . . 147 

Gottfried  . . . 147,  364 

Neuschwanstein  ....  371 

Neustift 358 

Nieder-Aschau  ....  226 

Niederwald  ....  3,  19 

Nieuwenkerke,  Graf  . . 242 

Nilkheim 64 

Nilson , Johann,  Esaias 

74,  256,  257 

Noe,  Heinrich,  Schrift- 


steller  192 

Schlossverwalter  . . 192 

Noll,  Lehrer  . . . 50,  51 

Nürnberg  70,  7L  140,  141, 


143, 160,  167,  1 68,  176  bis 
178,201—203,  219,  236, 
242,  254—256.  316,  329 
bis  335, 


359 


— 397  - 


Nürnberg,  Egydienplatz  . 

— Gewerbemuseum  306, 

— Germanisches  National- 
museum 140 — 142,  1/6 
bis  1/8,  289,  293,  296, 

297,  319, 

— Johanniskirchhof  71> 

— Karthause  177,  178, 

— Reformirte  Kirche 

— Rochuskirchhof 

— Thiergärtner  Thor 

Nymphenburg  . . .14, 

Oberkamp,  Baronin  von, 

Gesandtenwitwe  . 

Obernau 

Odessa 

Oettingen-  Wallerstein,  Fürst 
Ludwig  von  85  — 88,  90, 

Offenburg 

Ohmacht,  Landolin  . . 

01fers,von,  Generaldirektor 
131  — 135,  175,  177. 
Oppenheim,  Katharinen- 
kirche   

Oppenheim,  Moritz  . . 

Ortenberg 80, 

Ortlieb,  Friedrich  . . . 

Ostein,  Graf  ....  3, 
Ostende  . . . 193,  194, 

Otto  111..  Kaiser  .... 

— König  von  Griechen- 
land . . 30,  119,  121, 

— III.,  Markgraf  von  Ba- 
den-Hochberg,  Bischof 
von  Konstanz  .... 

— Heinrich,  Pfalzgraf  von 
Bayern  ....  235, 


260 

341 


379 

202 

289 

202 

202 

141 

15 


193 

53 

158 

150 

80 

15 

336 

80 

377 

81 

312 

19 

232 

104 

326 


98 

238 


Owen,  Conliffe,  Direktor 

Pabst,  Arthur 

Paris  86,  104.  145,  160, 

202,  231,  234,  235,  239. 

240,  241,  243—245.  249. 

250,  337,  350,  354,  355, 

— Kathedrale  Notre 

Dame 

— Kathedrale  in  St.  Denis 

— Louvre  234.  235,  23 7, 

242. 

— Musee  d’artillerie  234, 

— Musee  de  Cluny  234, 

289. 

— Musee  Sauvageot  . 

— Musee  des  Souverains 

234, 

— Pere  la  Chaise  . . . 

— Sainte  Chapelle 

— Tuilerien 

— Weltausstellung  1867. 

163, 

Passavant,  Johann  David 
Pauli,  Anton  . . . 91. 

— von,  Dr.  med..  Staats- 

rath ....  92. 

— Elise 

(Siehe  auch  : Hefner, 

Elise  von,  geb.  Pauli.) 

— Philippine  . . . . 

— Oberbaurath .... 
Paulsdorf,  Familie  . 
Pausinger,  Felix  von  . 
Pechtold.  Maler  . 

Peesten,  Schloss  . 

Peeters,  Bonaventura  . 

— Jan 


304 

106 


360 


238 


243 


248 

248 

319 

237 


235 

245 

244 

235 

241 

377 

92 


93 

91 


92 

88 

271 

328 

42 

181 

193 

193 


Peking 236 

Pelkhoven,  von,  Staatsrath  168 
Pencz,  Georg  . . . 56,  246 

Perger,  Sigmund  von  . . 78 

Pergier  von  Perglas  . . 239 

Perguillv  l’Haridon,  Con- 
servateur  du  Musee  d’ar- 
tillerie  ....  235  — 237 

Penkles 162 

Perles.  Dr„  Rabbiner  . 335 

Peter,  Meister  von  Mün- 
chen   251 

Petitot,  Jean 184 

Pettenkofer,  Franz  von  . 149 

Petzl,  Ferdinand  . . . . 311 

I’faff  von  Pfaffenhofen  . 102 

Pfeiffer,  Anna  ....  28 

— Charlotte  ....  28 

Pfeufer,  Freiherr  von,  Mi- 
nister   341 


Pfistermeister,  von,  Staats- 
rath . . . 180,  198,  199 

Pfordten,  von  der,  Minister- 
präsident   132 

Philadelphia.  Museum  . . 352 

Philipp  II.,  von  Spanien 


196,  227,  251 

— Erzherzog,  später  Kö- 
nig von  Castilien  . . 196 

— der  Gute,  Herzog  von 

Burgund 302 

Picart,  Bernard  ....  335 

Pickert,  Antiquar  . 201,  242 

Pilgram,  Anton  ....  7,7 

Pillnitz 143 

Piloty,  Ferdinand  . . . 290 

— Karl  von  . 311,  361,  373 


Pirkheimer,  Crescentia 

203 

— Felicitas 

261 

— Willibald  . 203,  261 

-263 

Pixis,  Theodor  . . . . 

290 

Pocci,  Graf  Franz  29,  95. 

148,  151.  152,  168.  179, 

187,  198.  220, 

281 

— Graf,  der  Vater 

29 

Polonius,  Marcellius 

216 

Pommersfelden  . . . . 

217 

Poschinger,  Richard  von 

311 

Ij’otsdam  ....  365, 

367 

Preger,  Wilhelm  .... 

149 

Preller,  Friedrich 

127 

Prestel,  Kunsthändler  . 

249 

Preysing,  Grafen  von  22 1, 

225. 

227 

Quast,  Ferdinand  von  102 

bis  104,  177,  22 2,  363, 

364 

Radowitz  , Joseph  Maria 

von  ....  94,  95. 

129 

Rafael 254, 

258 

Raimund,  Ferdinand 

89 

Ramberg , Arthur  von 

31 1 

Rastatt 

12 

Ratibor,  Herzog  von 

280 

Rauch,  Christian 

134 

Rauheneck,  Schloss 

78 

Rauhenstein.  Schloss 

78 

Raumer,  Friedrich  von 

134 

Ravene 359, 

361 

Ravenna  

104 

Reber.  Franz  von 

158 

Redwitz,  Oskar  von  . . 

1 92 

Regensburg  . 72,  73,  216, 

271 

— Dom 

72 

— St.  Fmmeramskirche  . 

72 

Regensburg,  St.  Jakobs- 
oder Schottenkirche  . 

— Minoritenkirche  . 73, 
Regnier,  Charles 
Reichenberg  bei  Würzburg 
Reichenthal,  siehe  Richen- 
thal. 


/ & 
271 
84 
203 


Rosenthal,  Dr 

Rotermundt 

Roth,  Paul  Dr.. Universitäts- 
professor   

Rothenberg,  der.  bei  Gei- 
senheim   

Rothschild.  Anselm  von  . 


281 

176 

328 


330 


Reichstadt,  Herzog 

von  . 

78 

— Mayer  Anselm  . 36. 

37 

Reider,  Martin  von 

. 210- 

-215 

Rottmann.  Karl  . . 309- 

-311 

— Professor 

52 

Rubens.  Peter  Paul  74,  159, 

Reiffenstein,  Carl  Theodor 

377 

161,  231,  232, 

254 

Reinherz,  Conrad 

311 

Rücker,  Thomas 

252 

Reininger.  Ernst 

312 

Rudhart,  von 

150 

Rembrandt  . . . . 

246 

Rudolf  II..  Kaiser  . 247, 

252 

Retberg.  Ralf  von 

70, 

177 

Rüdesheim 

3 

Rethel,  Alfred 

377 

Rüdinger,  Dr.,  Professor  . 

370 

Reuleaux,  Professor 

281, 

361 

Ruhl.  von,  Direktor 

139 

Reuss,  Dr.  med.  . . 

69 

Rumford,  Graf  .... 

20 

Reymond  (Rexmon)  Pierre 

330 

Rupprecht,  Karl  .... 

65 

Richenthal.  Ulrich  von  98, 

99 

— UI.,  Pfalzgraf  . 

115 

Ridinger  (Riidinger), 

Joh. 

Ruysdael,  Salomon  . 

160 

43 

-45 

Sabloniere 

355 

Riehl,  Wilh.  Heinr. 

von  . 

145 

Sack,  Georg  von 

169 

Riemenschneider,  Tilmann 

206 

Sagan,  Herzogin  von  . 

109 

Rimpar  bei  Wiirzburg  205. 

Salm,  von 

5 

207, 

364 

Salviati 

331 

Ringseis,  J.  N.  von 

145, 

146 

St.  Goar 

12 

— Bettina 

1 45 

Sattler,  Katharina,  geh. 

— Emilie 

145 

Geiger 

1 10 

— Marie  . . . . 

145 

— Wilhelm , Fabrikant 

Ritter,  Karl  . . . 

134 

1 10, 

1 1 1 

Robert-tornow  . . 

253 

Sauvageot  ....  237, 

238 

Rohde,  Carl  . . . 

312 

Schaffer,  Eugen  .... 

377 

Rollet,  Dr.  med. 

79 

Schaezler,  Johann  Lorenz 

Roos.  Johann  Heinrich 

161 

Freiherr  von  ... 

292 

Rom 

253 

Schanzenbach,  Dr.  . 

189 

Roritzer,  Baumeister 

216 

Schaumann,  Heinrich  . 

312 

400 


Scherer.  Georg  Dr.  . . 148 

— Sektionsingenieur  . . 293 

Scherr,  Ignaz  von,  Erz- 
bischof . . 145,  175,  219 

Scheurl,  Christoph  . . . 256 

Schilcher  von,  Kabinets- 

rath 108 

Schinkel,  Karl  Friedrich  . 201 


Schleich,  Eduard 

146 

Schleissheim  75,  151. 

157, 

162, 

228 

Schlüter,  Andreas  . 

366 

Schmittmer,  Endres. 

256 

Schneider,  Georg  16,1/ 

, 19, 

29, 

61 

— Johann  Kaspar  . 

15, 

16 

Schöll,  Hofrath 

125, 

126 

Schönborn,  Karl  Lothar 

von,  Fürstbischof 

217 

Schönbrunn  bei  Wien 

77, 

361 

Schönburg  .... 

223 

Schönherr.  von.  Dr.,  Archiv- 

direktor  .... 

248 

Schönleber,  Gustav 

312 

Schönstein  am  Rhein 

4 

Scholl,  Joseph 

34 

Schongauer,  Martin 

246 

Schorn.  Ludwig,  Kunst- 

schriftsteiler 

133 

— Direktor  . 

133 

Schraudolph,  Johann  von  . 

157 

Schreiber,  Antiquar 

254 

Schrottenberg,  von  . 

67 

Schuchardt,  Christian 

Dr. 

127, 

128 

Schütze,  W. 

312 

Schulz,  Regierungsrath  . 138 


Schutzbar,  genannt  Milch- 
ling Familie  ....  274 

Schutzpere,  siehe  Schutz- 
bar. 

Schwabe,  Hermann  Dr.  . 281 

Schwarz,  Christoph  . . 24? 

Dr.,  Architekt  . . 364 

Sehweinfurt 111 

Schwind,  Moritz  von  220. 

258,  259 


Seckendorf,  Graf  von,  Hof- 


marschall   365  • 

Sedan 354 

Seehof 294 

Seghers,  Daniel  . . . . 161 

Seidel,  Franz 311 

Seitz.  Franz 147 

— Hofgärtner  ....  25 

Semper,  Gottfried  . 267,  268 

Sensburg,  Freiherr  v.  2.80,  97 

— Margaretha  von.  geh. 

von  Hefner  . . 2,  30,  97 

Sepp,  Professor  ....  109 

Sere,  Ferdinand  ....  239 

Sevres,  Porzellanfabrik . . 238 

Sickinger,  Bildhauer  . . 147 

Siebold,  von.  Professor  . 148 

Siemens  und  Halske  353.  360 

Sigismund,  Kaiser  . . . 300 

— Herzog  von  Bayern  . 221 

Sigman,  Georg  ....  252 

Sigmaringen  162.  163,  166,  367 

Simancas 251 

Soldan,  Kunsthändler  . . 219 

Solis,  Virgil 56 

Solvay,  Lucien  ....  342 

Sommer,  Philipp  Friedrich  34 


401 


Sommer,  Philipp  Friedrich, 
dessen  Sohn  . . . 

Sonnenburg  

Sophie,  Grossherzogin  von 
Sachsen  . . 258 — 260, 

Sotzmann,  von,  Geheimer 

Rath 106, 

Speier 

Spitzer,  Kunstsammler 
Spix,  Johann  Baptist  von 
Stalburg,  Margaretha  . 
Stanz  Pr.,  Glasmaler  . 
Starnberger  See  . . . 

Staudigl,  Graveur  . 
Steffan,  Johann  Gottfried 
Steinbach,  Erwin  von 
Steinbeis,  von 
Steinle,  Eduard  . . . 

Stieler,  Eugen  . . . 

Stieve,  Felix  .... 
Stillfried  Freiherr  Rudolf 
von  131,  132,  135  — 137, 
151,  168—173, 


337 

356 

263 

133 

115 

249 

146 

38 

100 

148 
111 

311 
47 

301 

95 

312 

149 


179 


Stuttgart,  Bibliothek  . 
Styrum,  Fürsten  von  . 
Sündermahler , Forst- 
meister ....  55, 

Sussmann-Hellborn , Bild- 
hauer   280, 

Swerts,  Jean,  Maler 
Tann , Heinrich  Freiherr 
von  der  . . . 12,  91, 

— Ludwig,  Freiherr  von 

der 12, 

Tannenberg  . 110,  112 

Täufers 

Tegernsee  ....  164. 

Thausing,  Moritz  Pr.  . 
Therese,  Königin  v.  Bayern 
30,  91,  190—192,  324, 
Thiersch,  Friedrich  Wil- 
helm von  144,  145.  148- 

— Ludwig  .... 
Thurmayr,  Johannes 
Thurnau,  Pfarrkirche  . 

— Schloss  .... 


Stimmer,  Tobias  56, 

74, 

159 

Tieck,  Christian  Friedrich, 

Stockholm,  Museum 

352 

Bildhauer 

133 

Stoll,  Schullehrer. 

49, 

50 

Tinti,  Freiin  von  . . . . 

75 

Stoss,  Veit  . . . 

203 

Tours 

3 77 

Strack,  Pr.  . . . 

9 

Traner,  Wilhelm  .... 

256 

Strassburg  i.  Eis.  15, 

43, 

Tratzberg 

357 

81—83, 

101, 

217 

Treppner,  Landrichter  . 

210 

— Aubette 

83 

Trier 

115 

— Bibliothek 

82 

Tücher,  Familie  .... 

329 

— Kleberplatz  . 

83 

— Gabriel 

266 

— Münster  . 

81 

— Lienhart 

330 

Straubing  .... 

185 

— — dessen  Frau,  geb. 

Strauch,  Lorenz  . 

202 

Nützel 

330 

Stüler,  Oberbaurath  . 

134, 

136 

Tücher,  Ch.  Freiherr  von 

330 

Stuttgart  . 75,  121, 

301, 

302 

Tunis 

244 

301 

275 

56 

281 

232 

94 

327 

-115 

356 

254 

218 

325 

-150 

290 

72 

182 

181 


26 


402 


Ueberlingen 

Uhland,  Ludwig  .... 

Ulm 325, 

Urach,  Herzog  von.  Siehe  : 
Wilhelm,  Graf  von  Würt- 
temberg. 

Urlaub,  Frau 

Vachon,  Marius  . . 240, 

Valencia,  Graf,  Direktor 
der  Armeria  real 

Vanves  

Veit,  Philipp  . . . 95, 

Velde,  Willem  van  de 
Venedig  . . 262,  331, 

Victoria,  deutsche  Kaiserin 
361,  362,  365,  367, 
Vieregg,  Graf  von  . 
Vincent,  Kunstsammler 
Vinci,  Leonardo  da  . . 

Viollet-Le-Duc , Architekt 
Vischer,  Herrmann  . 

— Peter  ....  202, 
Vlieger,  Simon  de  f . 
Volk,  von,  Ministerialrath 

154,  179,  306, 
Vogel,  Friedrich  . ... 

Vogt,  Nikolaus  . . II, 

Voit,  von,  Oberbaurath 
147,  177,  281, 
Vollmar,  Ludwig 
Voltaire  ....  42, 

Vos,  Martin  de  ... 
Waagen,  G.  F.von,  ( fallerie- 
direktor  ....  132, 

— Geheimer  Rath  . . 

— Karl 

Wagner,  Alexander  . . . 

— Richard 


Wagram 326 

Waldemar,  Prinz  von  Preus- 

sen  365 

Walhalla  bei  Regensburg  63 


Walhalla  bei  Regensburg  63 


Wallerstein , Fürst  von. 

Siehe  : Oettingen  - Wal- 

lerstein. 

Wambold  von  Umstadt, 

Freiherr 

42 

Wartburg  . 129.  258—260, 

263 

Watty,  Joseph  . . . . 

311 

Weale,  James 

196 

Wehrmannn,  Geheim.  Rath 

281 

Weidenhaupt,  Prediger 

103 

WTeigel,  Oswald  . . . . 

139 

— Rudolf 

139 

Weimar  125,  127  — 129,  258- 

-260 

Weininger,  Hauptmann 

271 

Weiss,  Herrmann,  Maler 

und  Professor  . . 1 35, 

280 

Welte,  Gottlieb  .... 

13 

Weiter,  Dekorationsmaler 

260 

Wendland,  Freiherr  von  . 

232 

Wenglein,  Joseph 

311 

Wenns  in  Tirol  .... 

143 

Wenzel,  Kaiser  .... 

115 

Werdenfels,  Graf  von  . 

325 

Werff,  Adrian  van  der 

184 

Wertheim 

2 

Werthern,  Georg  Freiherr 

(Graf)  von  . 251,  252, 

305 

Wessenberg  Ignaz  Hein- 

rieh  Karl  Freiherr  von 

99 

Wien  70,  75,  79,  80,  1 10, 

188,  218,  277.  279,  331, 

358—361, 

367 

Albertina 

76 

— Ambraser  Sammlung 

76 

102 

378 

378 

29 

350 

305 

354 

310 

193 

372 

369 

328 

98 

126 

244 

363 

363 

193 

307 

311 

63 

287 

312 

47 

82 

133 

281 

159 

290 

268 


403 


Wien,  Antikenkabinet  . 

76 

— Gemäldegallerie  des 

Belvedere 

76 

— Gemäldegallerie  des 

Fürsten  Esterhazy  . . 

76 

— Gemäldegallerie  des 

Fürsten  v.  Liechtenstein 

76 

— Kapuzinergruft  . . . 

77 

— Kunstgewerbemuseum 

277-279,  306, 

367 

— Paläontologisches 

Museum 

352 

— Schatzkammer  . . 

76 

— Stephansdom  . . . 

76 

— Weltausstellung  241, 

341,  342, 

358 

— Bürgerliches  Zeughaus 

76 

— Kaiserliches  Zeughaus 

76 

Wiesenfels,  Schloss  . . 

181 

Wilczek,  Hanns  Graf  von 

378 

Wilhelm  I.,  deutscher  Kaiser 

132,  133,  354, 

365 

— II.,  deutscher  Kaiser 

306, 

362 

— V.,  Herzog  von  Bayern 

223,  235, 

247 

— I.,  Markgraf  von  Baden 

98 

— Graf  von  W ürttemberg 

(Herzog  von  Urach)  177, 

222 

Wilhelmsthal 

260 

Wilhermsdorf  . . . 273— 

-277 

— Herren  von  .... 

274 

— Wolfgang  von  . 

274 

Willers,  Ernst  .... 

312 

Willich,  Cäsar  .... 

311 

Windischmann,  Karl,  Bib- 

liothekar  

63 

Windsor  Castle  . . 

247 

Winterheld  .... 

16, 

17 

Wittemann,  Georg  . 

378 

Wittislingen  . . 

307 

Wolf,  J.  W.  Dr. 

113, 

114 

Wolfaden,  Junker  von 

4 

Wolfskeel,  Freiherr 

von 

203, 

204 

Wolkenstein,  Oswald 

von 

357 

Worms 

115, 

184 

Wrede,  von,  Bischof 

von 

Mainz  .... 

54, 

309 

— Fürst,  Feldmarschall  . 

326 

Württemberg.  Siehe : Wil- 
helm, Graf  von  Württem- 
berg. 

Würzburg  2,  23,  51,  52, 

111,  203—205,  207,  208. 

231,  294,  355 

— Deutschordenskirche  . 205 

— Marienkapelle  . . . 208 

Wurster,  Familie  von  . . 275 

Zahn,  Dr.,  Hofrath  . . 359 

Zenetti,  Oberbaurath  . . 147 

— Staatsrath  ....  147 

Zimmermann,  Clemens  160,  183 

— Julius 312 

— Richard 290 

Zügel,  Johann  Heinrich  . 312 

Zürich  ....  83,  255,  267 

Polytechnikum  . . . 267 

Zwehl,  Theodor  von,  Mi- 
nister 154,  168,  179,  181, 

188,  201,  212,  218,  225, 

228,  230,  231.  239,  288, 

292,  306 

Zwirner,  Dombaumeister  104 


Zusatz  e. 


Zu  Seite  181  wäre  als  Anmerkung  hinzuzufügen : 

Lebschee,  G.  A.  Thurnau  und  seine  Umgebungen.  40  Blätter 
in  Lithographie.  München,  gedruckt  bei  S.  Minsinger.  Quer 
Folio. 

Zu  Seite  184  ebenso: 

Vergl.  Bode,  W.  Geschichte  der  deutschen  Plastik,  Berlin 
1885,  gr.  8°  Seite  214,  wo  Konrad  Meit  zu  Mainz  (sic!)  erwähnt, 
und  dabei  bemerkt  wird : „Die  gleiche  Behandlung  und  dieselbe 
Formengebung  (wie  dessen  Judith  im  Nationalmuseum)  zeigen 
die  mit  Recht  so  berühmten,  früher  dem  Dürer  zugeschriebenen 
Buchsbaumstatuetten  von  Adam  und  Eva  im  Museum  zu  Gotha, 
die  ich  deshalb  für  Arbeiten  desselben  Meisters  halte.“