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HARVARD COLLEGE
LIBRARY
Ei
FROM THE BEQUEST OF
MRS. ANNE E. P. SEVER
OF BOSTON
Widow of Col. James Warren Sever
(Class of 1817)
I i
Beiträge
zur
A
Gefchichte der biftorifchen Runftieuue:
Don.
Wilhelm Nofder,
Doctor der Philofophie und Privatvorenten der Geſchichte
- and Staatswiffenfchaft in Göttingen.
Erſter Band.
PBrolegomena Thukydides.
m —
Göttingen,
bei Bandenhboed und Ruprecht.
184 2-
No gm
Leben, Werk und Zeitalter
de s
hukydides.
Mit einer Einleitung zur Aeſthetik der hiſtoriſchen
Kunft überhaupt.
Von
Wilhelm Nofder,
Doctor der Philofophie und Privatdocenten der Geſchichte
und Staatswiſſenſchaft in Göttingen.
O degli altri poeti onore e lume,
Vaglia mi !’lungo studio e') grand’ amore,
Che m’ han fatto cercar lo tuo volume!
Tu se’ lo mio maestro ce’! mio autore!
Dante.
ö— — U⏑ —— ———
2Göttingen,
bei Vandenhoeck und Ruprecht.
15842 _
GE
59,686
JAN
Ä 26
n = 1883
CH - /
and
——
Meinen geliebten Lehrern,
evopold WNanke
und
einrich Nitter,
in ehrfurchtsvoller Dankbarkeit
zugeeignet.
Vorrede.
)ie vorliegende Schrift kundigt ſich als den erſten Theil
es größern Werkes an Der zweite Theil, jo Gott
fü, fol in abgefonderten Monographien den Herodot
d Kenopben behandeln; der dritte in zufammenhängen-
tGeſchichte die fünf großen roͤmiſchen Hiftorifer. Meine
vtarbeiten zum zweiten Bande finds zwar größtentheils
on beenvigt; allein es wirb doch bis zu deſſen Her-
gabe eine längere Zeit vwerftreichen müſſen. Mancher⸗
iUmflände nämlich veranlaſſen mich, als nächftes grö-
13 Werk ein Syſtem der Staatswirthſchaft auszuar-
tert.
Diejenigen, welche den Berfaffer nur aus feiner afa-
miichen Wirffamfeit Tennen, werden über den Gegen-
nd dieſes Buches vielleicht verwundert fein. Meine
erlefungen haben fih bisher auf Geſchichte der politi=
kn Theorien, Staatöwirthichaft, Politik und GStatiftif
ngeichränft; fie werden fi erſt von jebt an auf die
imtliche Hiftorie ausdehnen. ch betrachte aber die
olitik als die Lehre von den Entwicklungsgeſetzen des
taates; die Staatöwirthichaft und Statiftif ala beſon⸗
8 wichtige und daher beſonders detaillirt ausgearbeitete
veige und Seiten der Politik. Jene Entwicklungsgeſetze
nfe ich durch Vergleichung der mir bekannten Vollsge—
ichten zu finden. An mikroſkopiſchen Unterfuchungen,
viii Vorrede.
an Sectionen ꝛc. fehlt es dem Hiſtoriker ebenſo
wie dem Naturkundigen. Ja, er hat vor dieſem voraml
bag die Selbftbeobachtung des Körpers ſehr beichränil
bie des Geiftes aber beinah unbeſchränkt if. Andere
jeit3 hat e8 wieder der Naturforfcher bequemer. WII di
eine Gattung kennen lernen, fo Tann er Hunderte, Ü
Taufende von Individuen dazu benugen. Da controlie
fiih jede Beobachtung leicht; jede Ausnahme fcheibet fid
leicht von der Regel. Wie viele Völker dagegen ftchel
und zur Vergleichung offen? Deſto unerläßlicher nat
lich, dieſe wenigen alle zu vergleichen, in allen Stüdt
zu vergleichen. Meine Staatöwifjenfchaft gründet f
durchaus auf univerfalhiftorifche Vorſtudien. In den ft
‚beren Zeiten der göttinger Univerfität, von Schlöger I
Dahlmann, find Gefchichte und Staatswiſſenſchaft
auch immer von demfelben Manne vertreten worden.
Die meiften jüngeren Gelehrten, die ſich heutzutag
der Gefchichte widmen, haben mit dem Studium des P
telalter8 begonnen, Das Alterthum, mit welchem ich a
fange, ift jeit Iängerer Zeit als ein faft ausjchlieglid
Beſitz der Philologen, allenfalls auch der Suriften I
trachtet worden. Allein die alte Geſchichte ift für fi
ſchon verftändlich, während fie zum völligen Verſtaͤndniſſi
der neuern immer voraudgejeßt werden muß. Gie ik
den großen DVortheil, fchon beendigt zu fein, alfo gar
überjehen werden zu können, .. während bie neueren Völ
fer, Italien etwa audgenommen, noch in voller Kraf
fortleben. Unzählige Dinge, deren Beurtheilung in de
neuern Gejchichte immer noch Parteifrage ift, liegen de
Vorrede. IX
rthumsforſcher Flar und zweifellos vor. In demfelben
yältniffe, wie der Länderraum der alten Gefchichte be-
zter, gleichartiger iſt, und die ganze Entwicklung, na-
tlich durch das Aufeinanderfolgen der politifch be
mden Voͤlker, einfacher erjcheint, find auch die Quel⸗
leichter zu bewältigen. Wreilich ift es fchön, daß für
neuere Zeit in Bibliotheken und Archiven faft fo. viel
len fließen, wie der Forfcher nur fuchen darf: :aber
Anfänger kann in dee Menge des Stoffes leicht hin⸗
jerifien werden und unterfinfen. Endlich noch ein
in, das mich befonders geleitet bat. Fuͤr einen jun⸗
Siftorifer, der nicht bloß zu lernen, fondern fich erft
ubilden hat, — und dieBildung tft für ihn noch wichti-
als das Willen, — fcheint e8 unendlich wünfcheng-
h, in jenen Quellen Mufter zugleich für. Geift und
; zu finden. Studien nach der Antike find für den
hichtfchreiber ebenfo unerläßlich, wie für den bilden-
Künſtler. Was mürde mir in dieſer SHinficht die
fermanderung oder dad neunte Jahrhundert geboten
m? Jetzt aber waren Thufydides und Herodot, Ari
hanes, Sophofles und Platon meine Hauptquellen.
on die Lectüre derjelben, von aller Forſchung abges
n, war Entzüden für mid. Ich batte als Knabe
funden, daß ein tägliches Trinfen aus dieſem unſterb⸗
m Borne der Menfchlichfeit und Schönheit zum wah-
eben nothwendig fei; daß bier ein Brunnen eiwiger
undheit und Jugend fließ. So habe ic den größ-
Meifter meiner Kunft zum Gegenftande meines Wer-
erforen. Was wohl in anderen Fächern hemmt, was
x Vorrede.
z. B. die guten Geſchichtſchreiber der Philoſophie fo f
ten macht, daß nur wenige Hiftorifer Philoſophen gen
find, um anderen Philoſophen ganz nachenpfinden
fönnen, und wenige Philofophen SHiftorifer genug, ı
unbefangen darüber zu flehen: das konnte bier nicht hi
bern 1).
Thukydides war der Hifkoriferdes perikleiſch
Athens. Was nun den praktiſchen Werth dieſes Muſt
anbetrifft, jo iſt zwar Vieles, ſehr Vieles daran zu bewu
dern, aber nur Weniges nachzuahmen. Zu dieſer Ne
beit und Tiefe der Beobachtung, dieſer Freiheit des X
theils, dieſer Größe her Geſinnung, dieſer Klarheit u
Stärke der Form muß die Ankage angeboren fein;
kann entwicelt, niemals aber gelernt werde. W
man aber lernen foll, aus dem Thukydides lernen kar
das find etliche unſcheinbare, oft übertretene Geſetze
wiſſenſchaftlichen Gewiſſens. Keinerlei Muͤhe zu ſcheu
und ſeine Arbeit hoͤchſtens Für halb gethan zu acht
wenn man dad Materiqal dazu gewonnen bat. Niema
weder im groͤßten Buche, noch im kleinſten Worte, me
ſcheinen zu wollen, als man iſt. Endlich den Rul
und die Freiheit hoch zu halten, das Vaterland hoͤh
aber die Wahrheit über Alles. Bei wen die Lectü
bes Thukydides nicht Diete drei Cniſchlüſſe Ke
haft erneuert bat, — mag er no fo vi
" ]
4, Ich will den 2efer vorläufig noch aufmerkſam machen, daß me
Prolegomenen nichts weniger als philofophildy fein wollen, fondern
fireng, nad) der ©. 27 ff. gegebenen Definition, auf biftorifchem €
biete halten,
Borrebe. xı
grammatifche Regeln oder hiſtoriſche Thatſa—
den daraus gelernt haben, — der hat den Thu
Indides umſonſt gelefen.
Wenn ed einen Unterſchied giebt zwiſchen Philos
Inge und alter Gefchichte, To ſtehe ich natürlich auf
der Iehtern Seite. Die Berbalphilologie bat ſich um den
Dulydides Fein geringes MVerdienft erworben. Sowohl
‚für die kritiſche Feſtſtellung des Tertes, als für die Er⸗
Irung der Spracdeigenthümlichfeiten ift reichlid Sorge
getragen. Aber Thukydides ſelbſt hat fein Werf als ein
yolititches betrachtet; er hat für Hiſtoriker, für Staats⸗
männer gejchrieben. In diejer Hinficht birgt ee unend⸗
liche Schäbe, die von dem bloßen Philologen kaum ge
ahnt werden; die nur derjenige heben Tann, welcher dur
lauges und tiefed Studium mit Berfaffungdgejehen und
Stantöreden, mit Parteifämpfen und Feldfchlachten ver-
traut geworden if. Niemand wird bezweifeln, daß die
Erflärung des Hippokrates nicht bloß der Phikologen,
fondern auch der Aerzte bedarf. So die Thufhlydideser⸗
Hörung der Hiſtoriker. Das vorliegende Buch ſoll einen
Beitrag dazu Kiefern.
Ich Habe mich noch über zwei Punkte auszufpre
ber. Der Lefer wird bemerken, daß meine Arbeit an
hiſtoriſchen Parallelen, ſ. g. Analogien, reih if. Mit
Analogien wird in unferer Zeit viel Mißbrauch getrichen.
Mancher Schriftfteller hat fie ald ein Bequemlichkeitsmit⸗
tel angejehen, um der ernftern Arbeit überhoben zu fein.
Statt ihrem Leſer die Wahrheit felbft gleihfam zu
(denken, pflegen Viele ihn nur rund umbherzufüh-
xu Vorrede.
ren, damit er fie von verſchiedenen Seiten betaſten
fönne. Aber ein Werkzeug, mit dem ſich der Unge—
ſchickte nicht verlegen Fan, . wird auch dem Gejchicten
niemald große Dienfte leiſte. Und nur ald Werkzeug
darf. die Analogie gebraucht werden, nicht als Selbſt⸗
zweck. Sie leitet und an, durch Vergleihung mit möge
lichſt viel ähnlichen Gegenftänden die vorliegende Materie.
vieljeifiger und gründlicher Tennen zu lernen. Ich ver
gleiche daher immer nur in zwei Beziehungen: einmal
die eorrefpondirenden Entwidlungäftufen verjchiedener Na⸗
tionen, aljo die griechifche Wölfermanderung mit der ger-
maniſchen Völkerwanderung, die griechijche Ritterzeit mit
der germanifchen Mitterzeit ꝛc.; fodann aber die verfchiedes
nen Lebensrichtungen deſſelben Volkes, alfo die Politik
z. B. des perikleifchen Zeitalterd mit feiner Religion, ſei⸗
ner Poeſie, feiner Plaſtik N). — Was die Gitate
anbetrifft, fo hat man ehedem mit ihrem Ueberflufle zur
prunfen gejucht, heutzutage mit ihrer Seltenheit. Ich
glaube, daß fie zum Prunfen überhaupt nicht da find,
Entweder find fie geradezu nothwendig, des Beweiſes
halber, oder um dem Erfinder einer Wahrheit die Ehre
zu laſſen; oder aber fie find geradezu vom Uebel.
Ich fage jchlieglich noch meinen philologifchen Freun⸗
den, die mir mit Rath und That mehrfach geholfen ha—
ben, Herrn Director Ranfe in Berlin und Herrn Pro=
feſſor Wiefeler in Göttingen, meinen herzlichſten Danf.
) ©. unten ©. 19 fg.
Göttingen Ende Zulius 1842.
Der Verfaſſer.
Inhaltsverzeichniß.
Prolegomena.
iſtes Kapitel: Verſchiedenartige Stufen und Aeu⸗
ßerungen des Kunſttriebes im Allgemeinen......
weites Kapitel: Unterſchied des hiſtoriſchen Kunſt⸗
triebes nom poetiſchen und philoſophiſchen.......
rittes Kapitel: Werth der hiſtoriſchen Kımfl ...
ierted Kapitel: Entwidlungsftufen der hiſtoriſchen
| uf... 00er 00er een ern eree ne.
Fünftes Kapitel: Zur Charakteriſtik des helleniſchen
Doltes überhaupt.
Thukydides.
J Erſtes Kapitel: Aeußere Lebensumſtäͤnde des Thu⸗
kydides. EEE
5. 1. Quellen S. 81. 8. 2. Geburt und Herkunft bes
Thukydides ©. 85. $. 3. Jugend und Erziehung des
Thukydides S. 92. $. 4. Mannesalter des Thukydides
© 95. $. 5. Letzte Schidfale und Tod des Thukydides
6.100. $.6. Aeußere Perfönlichkeit bes Thukyd, ©. 106.
81.
xıv Vorrede.
Zweites Kapitel: Quellen und Quellenkritik des
Thukydides. EEE
$.1. Autopſie S. 110. $.2. Geſchriebene Quellen S. 112.
$. 3. Mündliche Ueberlieferung ©. 123. $. 4 Thukydi⸗
des angebliche Widerlegungsfudht S. 126.
Drittes Kapitel: Sagenkritif des Tchukypines . . . »
$. 1. Borbereitung auf Thukydides ©. 129. $. 2. Kri-
tifhe Grundfäße des Thukydides S. 132. $. 3. Schein-
bare Ausnahmen ©. 136. $. 4. Schlußbetradhtungen
©. 139. $.5. Yumerkung über die Chronologie des Thu:
tydides ©. 141.
Viertes Kapitel: Reden des Thukydides......
$. 1. Menge ber thukydideiſchen Reden ©. 146. 8. 2.
Borfragen über das Verhältniß der thufybideifchen Re⸗
den zu den wirklich gehaltenen ©. 149. $. 3. Wahres
Berhältniß der thulydideifchen Reden zu den wirklich ge⸗
haltenen S. 151. $. 4. Stellung des Reben ©. 164.
$. 5. Schingberzachtungen ©. 160.
ünftes Kapitel: Pragmatiemus des Thukybides)
$.1. Zwack ker thulnbiheifchen Geſchichtſchreibung ©. 177.
$. 2 urſacherklärungen des Thukydides ©. 187.
Sechſtes Kapitel: Charakteriſtik der perikleiſchen Zeit
im Allgemeinen...................
Siebentes Kapitel: Religion des Thukydides....
S. x. Vorbereitung auf Thukydides S. 2M. $. 2. Thu⸗
kydides „Wucht non der griechiſchen Religionsgeſchichte
überhaupt ©. 219. 8. 3. Naturereigniſſe und Orakel
©. 220. $. 4. Götter ©. 226.
Achtes Kapitel: Hiftorifche Unparteilichkeit des Thu⸗
53) 111112
di Gemeine Unparteitichkeit ©. 230. $. 2. Bewunde⸗
⸗ rung, Freude und Schmerz; ©. 233. $. 3. Thukydides
und die politifchen Iheorien ©. 239. $. 4. Thukydides
und die Sophiften ©. 253. “
Neunted Kapitel: Thukydides und bie gleißgeitigen
Hiftorilr . 2.2 000er er er eenee ne
©.
©.
zn
a0
a.
Inhalts verzeichniß.
$. 1. Lezte Logographen S. 276. 8. 2. Hetodot S. 281.
$. 3. Memoirenſchreiver S. 291.
Zehntes Kapitel: Thukydides und Ariftophanes „ .
$.1.Eiterarifche Stellung bes Ariftophanes im Allgemeinen
©. 295. $. 2. Parteiftellung bes Ariftophanes S. 300.
$. 3. Poetifche Methode des Ariftophanes ©. 316. $. 4.
Plebejifcher Charakter des Ariftophanes &. 332.
Elftes Kapitel: Sprache des Thukydides......
$. 1. Altattiſcher Charakter ber thukydideiſchen Sprache
6. 336. $. 2. Eharakteriftifche Beifpiele der Oratio va-
riata ©. 344. $. 3. Kürze des Thukydides ©. 318.
Bwölftes Kapitel: Einheit des thukydideiſchen Werkes
$. 1. Abfaffungszeit ©. 353. $. 2. Gegenftand des Wers
Teen des Thukydides bei der Auswahl feines Gegenftans
des S. 366. $. 5. Anordnung der Materie S. 370.
Dreizehnte8 Kapitel: Analyfe des erflen Buches. .
$. 1. Vorrede ©. 376. $. 2. Einleitung ©. 379. $. 3.
Vorbereitungen zum Kriege ©. 396.
Vierzehntes Kapitel: Erfter Hauptfaden — Ume
wandlung der politifchen Gefinnung . 2... 2200...
: & 1. Ende des Perikles ©. 406. $. 2. Kleon ©. All.
$.3. Revolution in Kerkyra S. 413. $.4. Nikias ©.415.
$. 5. Allibiades ©. 422. $. 6. Revolution ber Bierhuns
dert ©. 437. $. 7. Lakedämon ©. 447.
Bunfzehntes Kapitel: Zweiter Hauptfaden — Um⸗
wandlung der auswärtigen Poltif . . 2... 0.0.0...
$. 1. Archidamiſcher Krieg ©. 451. $. 2. Frieden bes
Nikias. Innere Reform des lakedämoniſchen Bundes
©. 458. 8. 3. Krieg in Sicilien ©. 465... $. 4. Deke⸗
feifcher Krieg ©. 480.
Sechzehntes Kapitel: Dritter und vierter Sauptfa-
den — Seemacht und Bundedharfchaft . .......
$. 1. Seemadt ©. 483. $. 2. Bundesherrſchaft S. 488.
kes ©. 356. $. 3. Epifoben ©. 359. $. 4. Leitende
xV
©. 295.
SG. 935,
©. 353.
©. 373.
©. 406.
©. 451.
©. 483.
xvi Inhaltẽverzeichniß.
Beilagen.
Erſte Beilage: Vergleichung von Thukydides II, 35
— 46. mit den übrigen Leichenreden und Panegyriken
des Aiterthums...................
Zweite Beilage: Ueber Zeitalter, Verfaſſer und Ge⸗
legenheit ver angeblich xenophontifchen Schrift vom
Staate der Ahner 022 00 000er ren. .
Dritte Beilage: Ueber die Aufführungdzeit von Curi⸗
pides Herakliden............
Vierte Beilage: Literariſche Schickſale des thukydidei⸗
ſchen Werkes im Alterthume.............
©, 503.
©. 556.
Brolegomena.
— — — — —
Erftes Kapitel.
erfchiedenartige Stufen und Heuferungen des
Eunſttriebes i im Allgemeinen.
— — — — *
Ide Reihe von gleichmäßig wiederkehrenden Handlungen ſind
ir gewohnt einem zu Grunde liegenden Triebe des Han-
Anden azuzufchreiben, Alle geiftigen Triebe nım laſſen fich in
ki große Kategorien theilen: in praktiſche und in poeti-
he Triebe. Vollkommen ſcharf ift diefe Eintheilung nicht,
ie es intheilungen der wirklichen Welt überhaupt niemals
a tünnen. Aber als wefentlich tritt doch bei den praftifchen
ieben ein Eingreifen in die Wirklichkeit hervor, ein Geſtal⸗
wollen unfers Verhältniffes zur Außenwelt. So beim Fa—
lientriebe, welcher die Familie, beim politifchen Triebe, wel—
e den Staat, beim religiöſen Triebe, welcher die Kirche mit
ihren Anftalten erfchaflen hat. Die poetifchen oder Kunſt⸗
be Dagegen wollen zunächt nur darftellen, Die Stimmungen
: Seele an den Tag legen; fie find erhaben über die Be
vftigfeit Des Lebens; fie wollen ſich mittheilen, nicht aber
richen. Während jene vornehmlich auf den Willensvernd-
n des Menfchen begründet find, fo find es diefe auf dem
xtenntniß⸗ und Empfindungsvermögen.
Ich will den Kunſttrieb noch ausführlicher betrachten.
en allen Seiten her dringt die Erfahrung auf unſere Seele
1
A | Prolegomena. Kay. 1.
ein, Wie unfer Leib innerlich von Luft erfüllt und äußeih
bon Luft umgeben it, ohne Luft nicht leben Tann: fo
Geiſt nicht ohne Erfahrung: innere und Äußere Erfahre
Selbſt die eigenen Handlungen, fobald fie vworgeftellt werk
find Erfahrungen, — Wie nun der Körper fortwährend |
Bedürfniß fühlt, Luft und andere Speife in fich aufzunehng
innerlich zu zerfeßen, und nach Abſcheidung der unbrauchb«
Beſtandtheile in lebendiges Fleiſch und Blut umzugeftalten:
auch der Geiſt mit der Erfahrung. Dieſes Bedürfniß fühß
Kind und Greis, Mann und Weib; jeder lebendige Seit,
friedigt es unaufhörlich. Es ift Das menſchlichſte aller Bediſ
niſſe: die Welt zu erkennen, zu humaniſiren und zu übern
den 1). |
Dabei giebt es aber verſchiedene Arten und veſchic
Stufen dieſer Befriedigung. Auf der erſten Stufe begeg
wir dev Gebärde, dem Tone und dem Worte, Dil
hie allgemeinfte, aber auch die nichrigfte Stufe. Cie fekt i
eine geringe Erfahrung voraus, eine noch viel geringere |
arbeitung derfelben,
Gleichwohl ift bei allen Aeuferungen dieſer Het der
ſammenhang, der zwiſchen Stimmung im Innern und D
ſtellung nach Außen hin obwaltet, cin allgemein gültiger
gemein menſchlicher, oder wenigſtens doch ein nationaler. M
ein Blindgeborner plötzlich fein Geſicht, ein Taubgeborner
Gehör erhielte: ich zweifle nicht, daß fie Lachen und Wein
Jauchzen und Wehklagen auf der Stelle unterſcheiden Ed x
Sie finden, was die Grundlage alles Verſtändniſſes ift,d”
finden Aehnliches in fich felber. Ziehet eine weibliche Na
gall im Zimmer auf, fen von aller Gefellfchaft ihres G
hen; wenn der Frühling kommt, fo tragt ihren Käfig in-
Wald hinaus, ob fie nicht im erſten Augenblicke die Lo’
der männlichen Nachtigallen verſtehen wird! Dieß iſt —2
— — — — ——— — —
) Bol. Hegel's Werke, Band X. Th. 1. ©. 42.
N
%
re
rn
- Gebärbe, Ton, Wort, | 5
ammenhang, der zwiſchen den Geſichtszügen, der Körper-
ltung, ja den Sprachtone felbit, und andererfeitd der See⸗
werfaſſung Statt findet; der heller oder dunkler einem Je⸗
k effenbar iſt; worauf. ale Bhyfiognamit und Deelamation,
iterhin alles Ausdrucksvolle der Malerei und Muſik beruhet.
Abit in der Sprache iſt dieß der Fall. Von den eigentlich
omatopoetiſchen, oder, wie Humboldt. fie nennt, unmit⸗
far nachahmenden Wörtern verſteht es ſich von felbit. Aber
men wir jedes Wort. vor, das einen ſinnlichen Gegenſtand
tet! Liegt in. den Worten Meer oder Sec nice ſchon
Unermeßlichkeit des Gegenftandes ausgedrückt? un Worte
ald nicht etwas Dunkles, Geheimuißvolles, aber Friſches,
uftendes und Hallendes? liegt nicht in den Warten Schmet⸗
Hing, Nachtigall das ganze Thum und Treiben Diefer
Khöpfe. angedeutet? . Wenn Die Sprache nachher abstracter.
dw, wohl gar in andere Sprachen fih umgeſtaltet, wie Die
einiiche z. B. in Die romaniſchen, ſo verwindert fich Diefer
Inliche Ausdruck. Aber im Ganzen, kaun man doc fagen,
jedes Wort gleichfam ein Kleines Gedicht auf feinen Gegen⸗
ad. — Maan hut wielfach: gejtritten, ob die Sprache unmit—
bar won Gott gelehrt, oder willkürlich von den Mienfchen
Igefebst worden. Auch in Bezug auf den Staat iſt bekannt⸗
h diejelbe Frage anfgeworfen. Vom Lirfprunge der Sprache
jt aber Schon Herder ſehr ſchön, Sie koͤnne nicht durch Les
trinkunft entſtanden ſein, weil jede Uebereiukunft Sprache
keit. vorausſetze; uach auch von Gott gelehrt, weil nur die
ernunft lernen könne, und Vernunft ohne Sprache unmög—
bj). Wort und Begriff find vielmehr gleichzeitig, find
8 tem ander unentbehrlich. Beide werben durch Ein Dez
kinig hervorgerufen : ein Vedürfniß, Dad jeden Menſchen
reißt, feiner Erfahrung fich bewußt zu. werden, und dieß
> _ - U
— — — — ——— —
y Werke zur Philoſophie und Geſchichte, Bd. 2.
xu Vorrede.
ren, damit er fie von verſchiedenen Seiten betaj
fönne. Aber ein Werkzeug, mit dem fich der Un
ſchickte nicht verlegen fann, wird auch dem Gejchid
niemald große Dienfte leiften. Und nur ale Werk;
darf die Analogie gebraucht werden, nicht ald Sell
zweck. Gie leitet und an, durch Vergleihung mit m
lichſt viel ähnlichen Gegenftänden die vorliegende Matı
vieljeifiger und grünbdlicher Tennen zu lernen. Ih x
gleiche daher immer nur in zwei Beziehungen: einn
die eorrefpondirenden Entwicklungsſtufen verſchiedener 9
tionen, alſo die griechifche Volkerwanderung mit der go
maniſchen Völkerwanderung, die griechifche Nitterzeit ı
der germanifchen Ritterzeit 20.5; ſodann aber die verjchie
nen Lebensrichtungen beffelben Volkes, alfo die Pol
3 B. des perikleiſchen Zeitalter8 mit feiner Religion,
ner Poefie, feiner Plaſtik ꝛc. )J. — Was die Gü
anbetrifft, fo bat man ehedem mit ihrem Weberfluffe
prunfen gefucht, Heutzutage mit ihrer Seltenheit |
glaube, daß fie zum Prunfen überhaupt nicht da fi
Entweder find fie geradezu nothwendig, des Bewei
halber, oder um dem Erfinder einer. Wahrheit die €
zu Iaflen; oder aber fie find geradezu vom Uebel.
Ich Tage fchlieplich noch meinen philologifchen Frei
ben, die mir mit Rath und That. mehrfach geholfen |
ben, Herrn Direetor Ranfe in Berlin und Herrn P
feflor Wiefeler in Göttingen, meinen berzlichiten Da
) S. unten ©. 19 fe.
Göttingen Ende Julius 1842.
Der Verfaſſer.
Inbaltsverzeichniß.
Prolegomena.
iſtes Kapitel: Berfchlenenartige Stufen und Aeu⸗
ferungen des Kunfttriebes im Allgemeinen . 2... .
weites Kapitel: Unterſchied des hiſtoriſchen Kunſt⸗
triebes vom poetifchen und philofophlichen . .. .. ..
rittes Kapitel: Werth ver hiſtoriſchen Kunfl . . .
Wiertes Kapitel: Entwicklungsſtufen der hiſtoriſchen
| Kunſt.............
Minftes Kapitel: Zur Charakteriſtik des helleniſchen
Volkes überhaupt...
Thukydides.
iſtes Kapitel: Aeußere Lebendumflänne des Thu⸗
£.1. Quellen S. 81. $. 2. Geburt und Herkunft bes
Thukydides ©. 85. $. 3. Jugend und Erziehung bes
Thukydides ©. 92. $. 4. Mannesalter des Thukydides
€. 9. 8. 5. Letzte Schidfale und Tod des Thukydides
6.100. $.6. Aeußere Perfönlichleit bes Thukyd, ©. 106.
81.
xıv Vorrede.
Zweites Kapitel: Quellen und QOuellenkritik des
5111103111
$.1. Autopfie S. 110. $.2. Gefchriebene Quellen S. 112.
$. 3. Mündliche Weberlieferung S. 123. $. 4. Thukydi⸗
des angebliche Widerlegungsfucht S. 126.
Drittes Kapitel: Sagenkritik des Thufypived . .. .
$. 1. Borbereitung auf Thukydides ©. 129. $. 2. Kris
tifche Grundfäße des Thukydides S. 132. $. 3. Schein
bare Ausnahmen ©. 136. $. 4. Schlußbetrachtungen
S. 139. $.5. Yumgrkung über die Chronologie des Thu:
tydides ©. 141. j
Viertes Kapitel: Reden des Thukydides.......
$. 1. Menge der thukydideiſchen Reden S. 146. $. 2.
Borfragen über das Verhältniß der thukydideiſchen Re⸗
den zu den wirklich gehaltenen ©. 149. $. 3. Wahres
Verhältniß der thukydideiſchen Neben zu ben wirklich ges
baltenen ©. 151. $. 4. Gteltung des Reben ©. 164.
8. 5. Schingbernachtungen S. 169.
-ünftes Rapitel: Pragmatiamus des Thukybides
$. 1. Iwed ker thulpbikeifchen Gefchichtichreibung ©. 177.
$. 2 urſachertlärungen des Thukydides S. 187.
Sechſtes Kapitel: Charakteriſtit der perikleiſchen Zeit
im Allgemeinen........... .....
Siebentes Kapitel: Religion des Thukydides....
g. 1x. Vorbereitung auf Thukydides S. 2M. $. 2. Thu⸗
kydides ‚Bucht von der griechiſchen Religionsgeſchichte
überhaupt ©. 219. $. 3. Naturereigniffe und Orakel
©. 220. $. d. Götter S. 225.
ante Kapitel: Siftorifche Unparteilichkeit des Thu⸗
311 ] 112 EEE
„3. Gemeine unparteilichkeit S. 230. $. 2. Bewunde-
‘
⸗ rung, Freude und Schmerz S. 233. $. 3. Thukydides
und die politiſchen Theorien ©. 239. 8. 4. Thukydides
und die Sophiften ©. 253. ER
Neuntes Kapitel: Thukydides und bie gfeeitigen
N 3] 1 11) 1 12 .5.
©.
©.
as
an
Inbaltöperzeichniß,
$. 1. Leste Logographen S. 276. $. 2. Hetodot S. 281.
$. 3. Memoirenfchreiver ©. 291.
Zehntes Kapitel: Thukydides und Ariftophanes . .
$.1. Eiterarifche Stellung des Ariftophanes im Allgemeinen
©. 295. $. 2. Parteiftellung des Ariftophanes S. 300.
$. 3. Poetifche Methode des Ariftophanes S. 316. 8. 4.
Plebejiſcher Charakter des Ariftophanes &. 332.
Elftes Kapitel: Sprache des Thukydides......
$. 1. Altattifcher Charakter ber thukydideiſchen Sprache
6. 336. $. 2. Charafteriftifche Beifpiele der Oratio va-
riata ©. 344. $. 3. Kürze des Thukydides ©. 348.
Bwölftes Kapitel: Einheit des thukydideiſchen Werkes
$. 1. Abfaffungszeit ©. 353. $. 2. Gegenfland des Wer⸗
Ideen des Thukydides bei der Auswahl feines Gegenftans
des ©. 366. $. 5. Anordnung der Materie S. 370.
Dreizehntes Kapitel: Analyfe des erften Buches. .
$. 1. Vorrede ©. 376. $. 2. Einleitung ©. 379. $. 3.
Borbereirungen zum Kriege ©. 396.
Tierzehntes Kapitel: Erfter Hauptfaden — Um⸗
wandlung der politiichen Gefinnung » 22.0.0...
: & 1. Ende deö Perikles S. 406. $. 2. Kleon ©. all.
8.3. Revolution in Kerkyra S. 413. $.4. Niliad ©.415.
$. 5. Alkibiades ©. 422. $. 6. Revolution der Bierhuns
bert ©. 437. $. 7. Lakedämon ©. 447.
Bunfzehntes Kapitel: Zweiter Hauptfaden — Uns
wandlung der auswärtigen Politit ... rc. 0 0...
$. 1. Acchidamifcher Krieg S. 451. $. 2. Frieden des
Nikias. Innere Reform des tafedämonifchen Bundes
©. 458. $. 3. Krieg in Sieilien S. 465, $. 4. Deke⸗
leifcher Krieg S. 480.
bechzehntes Kapitel: Dritter umd vierter Hauptfa⸗
den — Seemacht und Bundeöherrfchaft . 2... +.
J. 1. Seemacht ©. 483. $. 2. Bundesherrihaft S. 488.
te ©. 356. $. 3. Epifoden ©. 359. $. 4. Leitende
xV
©. 295.
G. 935.
©. 353.
©. 3 73.
©. 406.
©. 451.
©. 483.
xvi Inbaltsverzeichnig.
Beilagen.
Erfte Beilage: Vergleichung von Thukydides IL, 85
— 46. mit den übrigen Leichenreden und Panegyrifen
des MÜltertbum® ..oo0 or oe ner erregen.
Zweite Beilage: Ueber Zeitalter, Verfaſſer und Ges
legenheit der angeblich xenophontiſchen Schrift vom
Staate ver Ahener . vor 00 000000000 0.
Dritte Beilage: Ueber die Aufführungszeit von Curi⸗
pides Seraflien . oo. 0000. .........
Vierte Beilage: Literariſche Schickſale des thukydidei⸗
©. 505.
©. 540,
©. 526,
ſchen Werkes im Altertfume. . or oo r0nc. ©. 556]
h
vi un um . ..- _
.uu m
Prolegomena.
— — —— — — —
Erftes Aapitl.
Berfchiedenartige Stufen und Heuferungen des
Kunſttriebes im Allgemeinen.
de Reihe von gleichmäßig wiederkehrenden Handlungen ſind
gewohnt einem zu Grunde liegenden Triebe des Sans
den zuzuſchreiben. Alle geiftigen Triebe nun Taffen fich in
große Kategorien theilen: in praftifche und in poeti-
be Triebe. Vollkommen ſcharf ift dieſe Eintheilung nicht,
ie es Eintheilungen der wirklichen Welt überhaupt niemals
können. Aber ald weſeutlich tritt doch Bei den praftifchen
ieben ein Singreifen in die Wirklichkeit hervor, ein Geſtal⸗
vollen unſers Verhältniffes zur Außenwelt. So beim Fa—
ientriebe, welcher die Familie, beim politifchen Triebe, wel—
re den Staat, beim religiüfen Triebe, welcher Die Kirche mit
ihren Anstalten erfchaffen hat. Die poetifchen oder Kunfts
jebe Dagegen wollen zunächit nur darftellen, die Stimmungen
Seele an den Tag legen; fie find erhaben über die Be—
igkeit des Lebens; fie wollen ſich mittheilen, nicht aber
ſchen. Während jene vornehmlich auf den Willensvermö⸗
des Menſchen begründet find, fo find es diefe auf dem
ntnig= und Empfindungsvermögen.
Ich will den Kunfttrieb noch ausführlicher betrachten,
en allen Seiten her dringt die Erfahrung auf unfere Secle
1 *
A Prolegomena. Kay. 1.
ein. Wie unſer Leib innerlich won Luft erfüllt und äußerb
bon Luft umgeben it, ohne Luft nicht Ichen kann: fo
Geiſt nicht ohne Erfahrung: innere und Äußere Erſahrn
Selbſt Die eigenen Handlungen, fobald fie vergeftellt werd
find Erfahrungen, — Wie nun der Körper fortwährend f
Bedürfniß fühlt, Luft und andere Speife in fi) aufzunchr
innerlich zu zerfeßen, und nach Abſcheidung der unbrauchbe
Beftandtheile in lebendiges Fleiſch und Blut umzugeſtalten: 4
auch der Geiſt mit der Erfahrung. Dieſes Bedürfniß fühß
Kind und Greis, Mann und Weib; jeder lebendige Geiſt
friedigt es unaufhörlich. Es iſt das menſchlichſte aller Der,
niſſe: die Welt zu erkennen, zu humaniſiren und zu über,
den 1).
Dabei giebt es aber verſchiedene Arten und ver
Stufen dieſer Befriedigung. Auf der erſten -Stufe beg
wir der Gebärde, dem Tone und dem Worte, Die N
hie allgemeinjte, aber auch die niedrigfte Stufe. Cie ieh, F
eine geringe Erfahrung voraus, eine noch viel geringene h:
arbeitung derfelben. y
Glleichwohl ift bei allen Aeußerungen diefer rt ver ä
ſammenhang, der zwiſchen Stimmung im Immer amd Ü i
ſtellung nach Außen Hin obwaltet, ein allgemein gültiger
gemein menfchlicher, oder wenigstens doch ein nationaler.
ein Blindgeborner plöglich fein Gefiht, ein Taubgeborner
Gehör erhielte: ich zweifle nicht, dag fie Lachen und Weil _
Jauchzen und Wöchklagen auf der Stelle unterfcheiden Ed ha
Sie finden, was die Orundlage alles Verſtändniſſes ad N "
finden Aehnliches in fich felber. Ziehet eine weibliche Na
gall im Zimmer auf, fern von aller Gefellfchaft ihres —
chen; wenn der Frühling kommt, fo tragt ihren Käfig in;
Wald hinaus, ob fie nicht im seiten Augenblide die Tod %.
der männlichen Nachtigallen verſtehen wird! Dieß iſt de
— — — — — — — — \
1) Bol. Hegel's Werke, Band X. Th. 1. ©. 42.
- Gebärbe, Ton, Wort, ' | 5
ſammenhang, der zwifchen den Gefichtözügen, der Köryer-
tung, ja dem Sprachtone felbit, und andererfeitd der See⸗
werfaſſung Statt findet; der beller oder dunkler einem Je⸗
a offenbar iſt; worauf. ale Phyſiognamik und Declamation,
iterhin alles Ausdrucksvolle der Malerei und Muſik beruhet.
Abit in der Sprache iſt dieß der Ball. Von den eigentlich
wmatopoetifchen, oder, wie Humboldt fie nennt, unmit⸗
bar nachahmenden Wörtern verſteht es fich von felbit. Uber
Amen wir jedes Wort. vor, das einen finnlichen Gegenſtand
deutet! Liegt in. den Worten Micer: oder Sec nicht fchon
e Vinermeßlichfeit des Gegenſtandes ansgedrüdt? un Worte
ſald nicht etwas Dunkles, Geheimnißvolles, aber Friſches,
uftendes und Hallendes? liegt nicht in den Worten Schmet⸗
eling, Nachtigall das ganze Thun und Treiben dieſer
eſchöpfe augedeutet? Wenn die Sprache nachher abstracter
kb, wohl gar in andere Sprachen fih umgeſtaltet, wie Die
kinische z. B. in die romaniſchen, ſo vermindert fich dieſer
Kinliche Ausdruck. Aber im Ganzen, kaun man doch fagen,
‚jenes Wort gleichſam ein kleines Gedicht auf jenen Gegen—
md. — Mian hat vielfach: geritten, ob die Sprache unmit⸗
ar von Gott gelehrt, eder willkürlich von ‚den Mienfchen
Rgefetgt worden. Auch in Bezug auf den Staat if Lefannts
h diejelbe Frage anfgeworfen. Vom Urfprunge der. Sprache
M aber ſchon Herder ſehr ſchön, ſie fünne nicht durch Ue—
keinfunft entſtanden ſein, weil jede Uebereinkunft Sprache
its. vorausſetze; unch. auch. von Gott gelehrt, weil nur Die
kmunft [lernen könne, und Vernunft ohne Sprache unmög—
je). Wort und Begriff find vielmehr gleichzeitig, find
ſe dem andern unentbehrlich. Beide werden durch Ein Des
einig hervorgerufen: ein. Bedürfniß, Dad jeden Menſchen
heit ‚ feiner Erfahrung ſich bewußt zu werden, und die
ö— — — —— — —
1) Werke zur Philoſophie und Geſchichte, Bd. 2.
6 Prolegomena. Kap: 1.
Bewußtſein, wenigſtens für ſich ſelbſt, wiederum auczu
chen !).
Ich gehe weiter, Derſelbe Trieb nämlich, welcher
Gebärden, die Töne und Worte ſchafft, Bringt auch die Kä
hervor, die Blaftik, die Mufit und Boefie. Wie
Plastik zur Gebärde, fo verhält ſich bie Diufit zum Font;
Poeſie zum Worte, i
Det jedem Kunſtwerke nım. find dieſelben drei Stadien
unterſcheiden, von welchen ich oben geredet habe. Der Ki
ler nimmt Erfahrungen in ſich auf, innerliche und äußer
Bald iſt os Liebe, oder Haß, oder Andacht, oder Patrit
mus, oder Kriegsfeuer, was ihn entzündet; bald find: ei
tinfeenen , oder menschliche Begebenheiten. Schon diefe:
fahrungen. macht er anders, als der gewöhnliche Dienfch, TI
fogar das gemeine Seh nicht Bloß körperlich iſt, Fon
wefentlich mit einer Anftrengung der Phantaſie verbunden: |
viel mehr nicht das künſtleriſche Schen! Der Maler,
Novalis, malt eigentlich mit dem Auge ;. feine Kunft WE
Kımft, regelmäßig und ſchön zu fchen. Sehen tft hie
aetiv, durchaus bildende Thätigkeit 2). Dieß iſt die F
die Conti erortern will, ob Rafael, ohne Hände ge
dennoch ein Maler wäre, — Hat nun der Künſtler auf.
Art gleichfam den Stoff gefammelt, fo drängt ed ihn
ftee Seele, denjelben zu verarbeiten, geiftig zu verdauen, ib
eine menſchliche, gemüthliche Seite abzugewinnen 3). :
er fertig ift mit feiner Verarbeitung, ſo reproducitt er —2
he.
) Vol. With. Humboldt: Ueber bie Kawi⸗ Erde,
&. LXVIII fo.
2) Werke Th. 2. &.127. "Allac yoiw Oenpeitu In zei,
Kos Ind driyvon. (Ed. Müller Geſch. der Theorie ber Sud,
den Alten, Th. 2. ©. 256). Bol. Merds Ausgewählte She,
©. 320. und vor Allen Goethe in ber neueften Ausgabe , Bh.-
©. 17.
?) gl. Aristot. Poet. II, 2 sqq. III, pr. Mi
2
Eigentlich fogenannte sühfte 7
img in feinen Kunſtwerke 1); Deeſes Kunfnverk iſt · im höch⸗
Sinne feine Schöpfung geworden. Es M das Wort, wie
ndar fpricht, welches die Zunge mit der Muſen Gunſt
den Tiefen der Seele geſchöpft hat. Es trägt in allen
zen den Stempel ſeines Geiſtes an ſich; es iſt ein Stück
es? Lebens felber.:- Wie eine reifgewordene Frucht iſt es von
abgefallen. Jeden Veſchauer, Höret oder Leſer zwingt eB
eine ähnliche Stimmung hinein, wie ſie der Künſtler wäh⸗
d feiner Arbeit Hatte, MDieſe Stliumung nennt man die
ie bed Kunſtwerkes. Vem Anfange der Arbeit an bis zum
Huffe Begleitet‘ ſie Ben Künſtler, und es gehört zu den vor⸗
iften Kennzeichenwes wahren Gentüßy: daß gleich In der
m dinkeln Totalidee nle'Ziige des Nhniniigen vollendeien
Be als Keime verborgen liegen 2). Völlig klar wird ſich
Künſtler ſelbſt erſt Dei der Vollendunig werden.So ge⸗
ltig treibt ihn die Net Darum Hit Shen Oemokriß
zgelehrt, daß jeder große Dichter von einer Art Wahnſinn
fen fei 3). Mh Platon gedenkt einer alten Sage, daß
Dichter, wenn er auf dem Dreifuße der Muſen fit, nicht
Sinnen fei, umd einer Quelle gleich, was immer herbei⸗
N Mas ich hier Reproduction genannt habe, das pflegen bie alten
Bhetiter mit dem Worte ninnoss zu bezeichnen. Auch die vielen
igramme auf berühmte Kunitwerte Iprechen immer von einem Rad
| bei Hera, dem Praritele®! bei Aphrodite. gelungen fei. Parrhafios
it rühmt ſich, den Herakles im Traume geſehen zu haben. Von dem
heimniſſe der geiſtigen Erzeugung ſelbſt, wie Ed. Müller meint,
mite ſich der antike Sinn mit ehrfurchtsvouer een hinweg (a. a. O.
2. ©. 260.). Ä
1N Bol. Schiller's und Goethe's Briefwechle, Th. 6. S. 34.
9 Cicero De div. I, 34. De orat. II, 46. Horat. A. P.
ueber den göttlichen und menfihtichen Wahnfinn des Empedokles vgl. H.
ter Sefch.d. Phil. I, S. 537. Auch Jamblichos unterfcheibet eine ſchlechte
‚ die mit Unverftand erfüllt, und eine edle, welche köſtlichere Gü⸗
serährt,, als bie menfchliche Befonnenheit (De myst. 25.). Aehnlich
eukian die höhere Liebe eine ooggem nawia (Demosth. encom. 13.).
8 Prolegouiena. Kap. 1.
kommt, willig dahiuſtrömen lafie !). So it auch die Anrz
fung der Dinfe bei den ältern Hellenen, des heiligen Geify
in unferm Mittelalter: in der Regel vollkommen ernſlich
weint 2).
Welche Verſchiedenheit es nun aber fe, wodurch eine |
diefelbe Erfahrung, etwa der Anblick eines Gewitters, bei
nem DVecthoven zur Symphonie, bei einem Ruysdael zur 2
ſchaft, Bei einem Klopfto zum Gedichte wird: das läßt
wohl näherungsweiſe und in Bildern andeuten, niemals
zur Genüge und in Begriffen auseinanderfeßen. Jeder ſchöp
riſche Yet iſt dem Menſchen ein Geheimgiß. Wir können)
Operationen des Künſtlers mit dem Thun der Biene
hen 3). Gleichwie die Biene, durch Natur gelehrt, aus c
Blumen das Köſtlichſte ſammelt, es in ihrem Innern p
beitet, und als Honig wieder an's Licht bringt: ſo gehan
Menſchen In der Welt der Erjahrınıgea umher, ſammeln
wad ihnen der Geiſt gebeut, und ſtrömen es aus in Ku
ken. — Oder mit der Fortpflanzung Des wenfchlichen Seil
tes 9. Die allmählige Vorbereitung des Kunſtwerkes, 7
Bekannterwerden mit dem Stoffe, der. Durſt nach inuuerf.
terem Fortſchreiten, würde hier den Freuden und Schweg,
der auffeimenden Liche eniprechen .Der erſte Blitz. des Gi:
y Plato De lege. IV, p. 9. 2 )
2) Doch bat ſowohl Homer (Od..VIII, As. 1. XXI, 347.),
Pindar, bie freie Schöpfung des Poeten mit feiner vermeintlichen Ipf.
ration volllommen vereinigt gedacht (Ol. 3, 5. 9, 30. 7,.7. J—
4, 6.). Vgl. Ed. Müller a. a. O. Th. l, S. 8 ff.
) Ein den Alten ſehr geläufiger Vergleich: Eurip. Hercul. pP
437 sqq. Aristoph.: Aves 748 sqq;, Platon Ion p. 634... 4
Biene, als begeiftertes, Apoll und den Mufen. geweihetes hier, wi
mit der Infpiration der Dichter fogar in materielle Verbindung gebrag
4) Bgl. PIato Conv. p. 209. Aristoph. Ranae 92810 N
bes 530 sqq. Tr
5) Ein herrliches Gemälde von diefer Epannung hat uns sur
ler entworfen: SBriefwechfel mit Wild, Humboldt, S. 329 ff: .
Eigentlich jogenannte Künfte, 9
WB, welcher aus. dem Wuſte der Erfahrung die dunkle Tos
Widee hervortreten läßt, iſt der Empfängniß zu vergleichen,
m den höchſten und entzückteiten Aufregungen der ganzen
Brele Begleitet 2). Das langſame Heranwachſen und Beſtimm⸗
Rwerden des Kunſtwerkes, Der Außenwelt verborgen, oft: un⸗
r Mühſal und Schmerzen, ift die Schwangerfchaft. Endlich
ie Bollendung und Anslichtitellung des Kunſtwerkes die Ger
int, mit dem feligen Gefühle, einen Menſchen, ein Ebenbild
hettes zur Welt gebracht zu haben. — Der mit der Schö—
hing der Welt 2). Es iſt noch Dämmerung in der Seele des
Ninftlers. Hier und da nur fieht er ſelbſt einen Felſen, cine
kergreie hervorragen. Denn das Waſſer ſteht noch zu hoch;
nö Licht iſt noch nicht mächtig genug geworden. Doch fühlt
E.fhon die Keime der Sträucher und Bäume ſchwellen; er
mt ſchon von den Thieren, die einft, mie er hofft, in feis
er Meinen Welt erblühen, athmen und finger geben. Welch
Augenblick wird es fein, wenn ex ſelbſt als neugeſchaffener
kenſch ſein Paradies im. Morgenglanze betreten kann 3) !
ı Eine dritte Stufe bildet die pofitive.. Wiſſenſchaft. Se
aichdem fie vorzugsweiſe mit dem ‚materiellen . oder nit dem
Kiligen Leben zu thun bat, kann fie in Die großen Hauptkate⸗
erien der Naturwiſſenſchaften und der hiſtoriſchen
tiheilt werden Y. Es leuchtet ohne Weiteres ein, daß die
1) Bgl. Klopſtock' 8 Gelehrtenrepublik, ©. 134. |
2) Aus einem Briefe meines Freundes ‚ des Heren Dr. Hermann
tühry.
I) Kant ift indeffen ohne Zweifel zu weit gegangen, wenn er als
eſentliche Eigenſchaft des Genius die Unfähigkeit betrachtet, ſeine Pro⸗
ictionsweiſe ſelbſt beſchreiben zu können (Kritik d. Urtheilskraͤft I,
» 46.).
Die Mebdicin, Zechnologie u. f. w., fo weit fie wiſſegſchaftich
ud, gehören zur Naturwiffenichaft 3 die Theologie, Jurisprudenz u. ſ.
zur Hiſtorie im weiteren Sinne. Soweit ſie praktiſch ſiud, ſoweit
B. die Theologie beſtimmte Einzelweſen bekehren, die Medicin ſie hei⸗
10 Prolegomena. Kap. 1.
Naturwiſſenſchaft eine enge Verwandiſchaft hat mit der plaſi
ſchen Kunſt, die Geſchichte mit der poetiſchen. In der Tha
wenn wir z. B. Leſſing's Laokoon ſtudierene, der auf B
wunderungswürdige Weiſe das Verhältniß der Plaſtik zur Vai
fie erbrtert, ſo werden wir faft alle dort bemerkten Unterſchie
eum-grano- salis af: das Verhäliniß der Natunwiſſenſcha
air Geſchichte übertragen koönnen.
*Alle dieſe Wiſſritſchaften nun, wie ſich bon ſelbſt verſch
tuhen wefentlich auf dem Boden der Erfahrung. Freilich ſpie
die Erfahrung hier eine weit größere Rolle, als bei den a
gentlich ſ. g. Künſten. Während- derKikiftler: fie nur ſo b
Wege lang mitnimuint, ſucht ſie der wiſſeiiſchaftliche Mann M
in die tiefſten Schatht fs währendſie jenem eigentlich mM
Stoff iſt, iſt fie dieſem zugleich anch-Gegenftand. Nut: d
wir fiber der einen ·Srite nicht Die andere Seite vergeſſen:
der: Gelmmdenheit an dei Stoff nicht De Freiheit der Schl
pfung, über dent Verſenken in die Erfahrungswelt nicht [|
Bedürfniß, die Geheimtiiſſe Der eigenen · Seele: aͤusziiſprechen
Auch in der pofiliveri Wiſſenſchaft · kommen die ſchonſten Geu
übbiicke unbewußßt wtf einmal) 5 die erſte dumkle SM
fer wird bon Junen ber almähug heller, mb, inden’f
. 122 To. Q
ten, die Zerisprudeirz Hefkimmie" Reditsftröitigkeiten Thlichten will, 2 |
fie Praxis und keine Wiffenfhaft. Jede Wiffenfchaft wird um ihrer fe
willen getrieben.
1) So fagt Goethe fehr fchön von Newton: bie Mathematif d
ihm. als das Organ gegebeh, durch das er feine innere Belt‘ aufzubgul,
und bie äußere zu gewältigen fudite.
2) &o klagt 5. B. Windelmann, daß nah bem vierzig
Jahre ein gewiffer feiner Geiſt zu verrauchen anfange, mit dem er
ſonſt auf mächtigen Schwingen zur Betrachtung des Schönen echöh,
babe. Dieß fei die Seele der ganzen Kunftfenntniß (Briefe IF 118
Auch Niebuhr fchreibt: Du wirſt nicht glauben, daß man zu einer’ fi
hen Arbeit ſich nur mit Fleiß und Vorfag Hinzufenen braucht; dag nt’
da, wo Anfchauung ‘in das Dunkel ber untergegangenen Zeit bringt, #
ganze Leben in feinen höchften Momenten bafein muß! (Briefe 2
©. 158. Dal. ©: 136 ff. und ©. 159).
Bofitioe Wifenfihaften. 4
heller wird, lernt der Künſtler nicht allein feinen Gegenſtand,
fondern vor Allem auch fein eigenes Selbſt klarer erkennen I).
Diefe unbewußte, zwingende Macht des Genius, diefer wiſſen⸗
ſchaftliche Schöpfungötrieb ift Das vornchmite Kriterium, worau
fih Der wiſſenſchaftliche Künftler vom wiſſenſchaft⸗
lihen Handwerker unterfcheiden läßt.
Um diefen Linterfchied noch etwas näher zu verfolgen,
ftelle ich den Biftorifchen Handwerker dem Biftorifchen Künſtler
gegenüber. Auch ſolche Handiverker, fofern fie das Ihre nur
gehörig leiſten, ſind ehrenwerth und nothwendig, ſowie e8 im
Staatödienfte die Subalternen und Schreiber find, in der. Bau⸗
kunſt die Handlanger, im Volksleben überhaupt der ſ. g. Nähv⸗
ſtand. Nur dürfen ſie keinen Anſpruch machen auf ven Nas
men eines Hiſtorikerss. Das klingt in ihrem Munde eben fo
lächerlich, ala wenn die Schneider Draperiefünftler, Die Schreis
‚ ber Staatsmänner heißen wollen, So nothivendig fie als Gat⸗
|
|
|
|
|
tung find, fo entbehrlich find fie als Individuen. „Sie ſter⸗
ben an ihrer Rachkommenſchaft, wie. jedes Leriton am befe
fern” 2), Der Hiftorifche Handwerker befitzt in der Regel gute,
gründliche Kenntniſſe, wenigitend im Einzelnen; er hat: ein
belles Auge, ..ein goldened Gedächtniß und ein eiſernes Sitz⸗
fleiſch; er arbeitet. zwar eigentlich nur um des täglichen Brotes
' er um der Ehre willen, findet. jedoch immer eine: gewiſſe
Luſt in Der .&rfüllung feines Berufes, Aber er Bleibt Stehen
rm.
—— og
bei der bloßen Sammlung des Stoffe. Eine verfchimmelte
und unleferlich gewordene Urkunde abzufchreiden und auf ſchönes
Papier abdruden zu lafien, das ift feine Freude. Geiſt und
Herz haben menig Arbeit Davon, aber auch wenig Gewinn.
) Bol. die Schilderung von Johännes Voigt, wie bas Ges
ſchichtswerk im langſamen Wachsthume immer fchärfere Umriffe, immer
lebhaftere Karben erhält, und dem Künſtler ſelbſt immer Tieber wird:
Geh. von Preußen, Bb.1, & VIL Berner das fchöne Bild von Nie
buhr 8. 8. II, ©, 16.
2) Jean Paul Vorfchule der Aeſthetik, Ih. I, ©. 41.
12 Prolegomena. Kap. 1.
In dieſer Sammlung ift ee gründlich, wie eine Ameife flı
Big; aber zu einer weitern Verarbeitung, die in der That eba
fo . viele Sründlichkeit vorausſetzt, Hat er Feine Zeit übri—
Hier begnügt er ſich mit einer ofen, unorganlichen Sufamıma
ftellung,, höchſtens mit einer ünßerlichen, ſaubern Anordnim/
Finden kann er, aber ſchaffen nicht, trennen kann er, aber 4
ſammenfügen nicht. Was Die DQuellen liefern, das gicbt
uns treu; aber ein Weiteres, ein Tieferes niemals. Nur ıı
dem Einzelnen verjtcht er umzugehen; das allein zieht ihn ag
das Beſte In der Gefchichte Bleibt ihn ewig verborgen. @
giebt und auf das Genaueſte an, wo Kaifer N. N. in Dief
oder jenem Monate refidirt babe: jedoch. ein lebendiges S
mälde des Helten zu entwerfen, Ihm feine Heldens und Heu
ſcherthaten nachzuempfinden, Andere dadurch zu großen Geht
sungen anzufeuernt das iſt ihm niemals auch meiim Trandl
- eingefallen. Weil er in. der eigenen Bruft nichts Aehnlich
findet,. jo weiß ex nirgends einen Maßſtab für das: Bitter
berzunehmen 1). Er iſt immer Pedant, d. h. ver hält wd
Große für klein und das Kleine für groß, Niemand hat fol
Handwerker treffender verſpottet, ala ber. Kaiſer Tiberius,
feinen Hofgrammatikern nad Sueton's Bericht die Fragen Wk,
legte, wie die Mutter der Hekabe geheißen, welchen —*
Achillcus unter den’ Mäddjer von Skyros geführt habe,
ches, Lied die Sirenen zu frigen gepflegt Senera Ar
von ‚ähnlichen Gelehrten, Wie über Anakrcon disputirten, h
er den Wein oder die Mädchen höher geſchätzt habe ). %,
di,
17 Ehe man ed unternimmt, fagt Schiller, bie Sortrefflichen 2
rühren, foll man ed zu feinem erften und wichtigften Gefchäfte mad. |
feige Individualität felbft zur reinften, herrlichften Menſchheit binauf,
läutern.
2) Suet. Tiber. 70. Seneca Epist. 88. Vgl. bie aus bt
Leben gegriffene Schilderung Lord Bolingbrokes: Letters on f
study of histery V, p. 88. Ebenſo den vortrefflichen Brief von Wi
ckelmann: Werke Bd. X, ©, 67 ff. “
;
Hiſtoriſche Handwerker und Künftler. 15
Schon in zarter Jugend läßt ſich der Künſtler gar wohl
som Handwerker unterſcheiden. Freilich das Aeußere ihrer Stu⸗
dien haben Beide mit einander gemein. Große Dichter, Mu⸗—
ter, Philofopken u. ſ, w. mögen im Knabenalter fire träg
oder ſtumpf gelten können; der große Hijtorifer wird ſich auch
da ſchon durch den Ernſt und die Sauberkeit ſeiner Arbeiten
auszeichnen. Was aber das Innere bemtrifft, fo pflegt fi
die hiſtoriſche Unparteilichkeit bein Kinde als Widerſpruchsgeiſt
zu entwickeln: jeder Einſeitigkeit will der Knabe ſchon entge⸗
gentreten, ſollte er oberflächlichen Beobachtern auch mitunter
dadurch inconſequent erſcheinen. Das Talent, bei der Beur⸗
theilung der Menſchen Unweſentliches vom Weſentlichen abzu⸗
ſendern, äußert ſich am früheſten in der geſchickten Erfindung
jugendlicher Beinamen, deren trefſende Kraft durch ihre Ver⸗
breitung und Dauerhaftigkeit vwerbürgt wird. Die Gabe der
abrundenven, nachſchaffenden Darſtellung endlich wird an dem
Drange des Knaben erkannt, jede Perſon feiner Umgebung
mit ihren Geſichtszügen, ihrer Redeweiſe, ihrer Kleidung, ‘ja
Ihrem Namen fogar als ein Ganzed zu faſſen, und Eins das
kei ans den Andern herzuleiten. Beim jungen Handwerker
natürlich Nichts von dem Allen. "
Sch möchte dieſe Handwerker dem gemeinen Bergmanne
vergleichen, der ewig nur in den Eingeweiden der Erde her⸗
ummwühlt , ftatt Der freien Himmelsluft nur die dumpfige
Schwüle ſeines Schachted einathntet, ftatt Der Sonne nur bein
Schimmer ſeines Grubenlichtes ficht, und am Ende mit den
Erzen, die er zu Tage fürdert, felber Nichts anfangen kann.
Auch Der Künſtler muß fich diefen Arbeiten unterzichen, dieſen
Bauten unter der Erde, wie Niebuhr jagt !); find fie aber
gethaun, fo weiß er die Schladen aus dem Erze heranszus
Ihmelzen, das edle Metall gediegen darzuftellen, und fich ſelbſt
und die Welt in Wahrheit Dadurch zu bereichern, Wir dürfen
) Briefe, Th. 2, S. 321.
4A Prolegomens. Kap. 1.
daher ja nicht allzu fehnell bereit fen, den Gefchichtäf
für einen ſolchen Handwerker zu erklären. Alle Arbeiten Y
Handwerkers liegen auch dem Künftler ob, ebenfo mühfug
ebenfo detailliert: nur freilich iſt der Letztere mit diefen Arche
noch lange nicht zufrieden. Aber felbit die mechanifchten
ſchäfte, Das Copiren von Handfchriften, ‚die Herausgabe fo
Copien kann dem echten Hiftorifer Pflicht werden. Hat
Niebuhr felbit die Byzantiner herauögegeben. Es mar
mals nothwendig, Ander einen Impuls zu bringen.
die Zeit drängt, jagt Lord Bolingbrote, fo mag e8
dem Feldherrn ziemen, Bade und Spaden in die Hand;
nehmen. Für gewöhnlich aber. werden dergleichen Arbeiten NJ
nen überlaffen , welche dazu beitimmt find, nämlich den
meinen Soldaten und Bauern 1). 4
Jeder ſchöpferiſche Act, ſagte ich oben, jeder künſt
Aet ſei dem Menſchen ein Geheimniß. Bei den poſitiven
ſenſchaften beſteht dieß Geheimniß vornehmlich darin, daß
Kunſtwerk derſelben freies Product des menſchlichen Geiſtes fd:
fol, und doch zu gleicher Zeit in jedem Punkte mit dev Wi
lichkeit congruiren 2). Ohne die erſte Bedingung würde |.
der mifjenfchaftliche Künftler nicht vom Handwerker, ohne J
zweite nicht vom Phantaften unterfcheiden. Auf den nächſi
Blick fcheint bier ein Cirkel obzuwalten: erſt wenn ich den
genftand- vollig durchdrungen ‚habe, Tann ich an feine 4
Duction denken, und umgekehrt, die völlige Durchdringung dag.
ſelben iſt an ſich ſchon etwas Productives. Erſt von
Theilen aus kann ich das Ganze erobern, erſt von dem
zen aus die Theile beherrſchen. Alles beruhet hier auf eing,
#
1) Letters on the study and use of history, I, p. 3.
2) Kav äpa ovupf, fagt Ariftoteles, wenn auch unãchſt feeh
li nur von poetifchen Werken, yevönesa roıiv, oldev rrov one
dor’ Tür yap yeroutıav ivın oVölv zwlves Towira zwar, ol® Av ea
yeviodar zai Öuvara yerlodar, xa9’ 6 Exeivos avrüy zromtns dorı (Poeh,
X,92.).
Hiſtoriſche Handwerker und Kuͤnſtler. 15
zeiſtesverwandtſchaft zwiſchen dem Hiſtoriker -und feinem Ge-
milande. Wie der Dichter jagt,
Mit dem Genlius fleht die Natur Im ewigen Bunde:
Was ber Eine verfpricht, Teiftet die Andre gewiß.
Diefes ganze Vexhältniß ift jedoch nicht ohne Analogie. ch
rinnere nur ap Pie Borträtinalerei. Auch das Porträt. foll
Bunkt für Punkt feinem Originale parallel laufen. Gleichwohl
ſber ſoll es freies Product feines Malers fein; widrigenfalls
iR die Todtenmaske, das Daguerrotyp die vollfommenften Por⸗
eät5 wären. Man kann die Bilder eines Gian Battiſta Mo⸗
koni mit Denen von Tizian, die eines Balthaſar Denner mit
Denen des Vandyk vergleichen. Jene ſind treu; ſo treu, als
wenn das Original ſich im Spiegel ſähe: jeder "zufällige Zug,
Ber im Augenblicke des Abmalens vorhanden war, ift wieder⸗
begeben; es iſt nicht der ganze Menfch, den fie darftellen, ſon⸗
Bern im beſten Falle der Menſch einer einzigen Stunde, ohne
haß man doch einen Grund weiß, warum gerade diefe Stunde
gtgewählt worden. Die Lebteren dagegen vereinigen die Treue
mit der Schöpfungskraft. Aus den Zufülligfeiten des Augen-
Mlicks willen fie das Wefentliche des Charakterd herauszuleſen.
Man kann fagen, fie ftellen den Menſchen treuer dar, als er
fich ſelbſt in jedem einzelnen Augenblicke darſtellt. — Wir dür⸗
“en die pofitive Wifjenjchaft in diefem Stücke auch noch mit
dandern, mit Nebenkünften vergleichen, die freilich infofern tie—
kfer ſtehen, als fie nur die Werke einer höhern Kunft dem Bus
Blium wollen genießbar machen. So foll ter Schaufpieler
z. B. durchaus frei produciren; aber doch muß feine Leiftung
Punkt fir Punkt mit den Werke des Dichters zuſammenfal⸗
Im. So verhält fi) der Virtuofe zum Componiften, der Ku⸗
gieritecher zum Maler, der Ueberſetzer zum Driginal, Auch
der Hiſtoriker, der Naturforfcher, könnte man fagen, über
fetten nur in die menfchlihe Sprache; ihr Original aber iſt
das Höchſte, die Werfe der ewigen Weltregierung felber,
16 Prolegomena. Kap. 1. °
Noch eine vierte Stufe endlich, worauf fich der Kr
Äußert, von den frühen ſpecifiſch umterſchieden, iſt bie
loſophie. Der phyſiſche Theil derſelben läuft den !
wiffenfchaften parallel, der ethiſche Theil ben hiſtoriſchen
ſenſchaften. — Auch die Philoſophie beruhet auf dem
die Erfahrung zu verarbeiten, dem Geiſte gerecht zu n
und als Kunſtwerk zu reproduciren. Dabet Platon
nem Phädros neben dem wahrſagenden, zeichendeutende
poetiſchen Wahnſinne auch den philoſophiſchen Wahnſir
nannt hat. Wenn er an andern Stellen die Wirklichk
das Abbild feiner Ideen erklärt, die Kunſt hiuwicderu
für das Abbild jenes Abbildes, ſo drückt er auch dam
Verhältniß zwiſchen Erfahrung, Philoſophie und Km
treffend aus, freilich mit philoſophiſcher Geringſchätzung
Nichtnhilofophifchen,
| | Zweites Kapitel.
Unteofchied des biftorifchen Bunfttriebes vom
poetifchen und philoſophiſchen.
L, ⸗ |
’ .
f
RB. wollen zuvor unterfichen , worin dieſer - Unterfchieh
Richt beitehe. Es herrfchen nämlich gar vierlerlei Mißverſtänd⸗
Kifle hierüber, weil es wenig. Menfihen giebt, welche den einen
* Kunſttriebe wirklich beſitzen, und zugleich den andern
beiden unbefangen nachempfinden können. So hat namentlich
Ne Anmaßung der Boeten, ihre Kunft fei die einzige Kunft,
md der Philoſophen, Ihre Wilfenfchaft ſei die einzige Wiljenz -
Khaft, unendliche Begriffsverwirrungen angerichtet 1).
Der erfte Vorwurf nım, welchen Poeten und Philofophen
emeinfchaftlich dem Hiftorifer zu machen pflegen, beſteht in
dr Abhängigkeit bed Lehten von feinem Stoffe,
Bir haben jedoch ſchon aud andern Beifpielen geſehen, dat
Bine folche Abhängigkeit bei eigenthümlich organifirten Naturen
geht wohl vereinbar fei mit völliger Kreiheit der Production. |
Und der Dichter, wie der Philofoph täufchen fih gar fehr,
) Ich brauche hier das Wort Philofophie durchaus nur im engern
Binne, alfo für dasjenige, was den Platon z. B. vom Thukydides und
Sophokles unterfcheidet, nicht aber, wie man fo häufig thut, für das,
was fie alle drei gemein haben.
2
18 Prolegomena. KB. 2.
wenn ſie ihre Arbeit für ganz unabhängig von ber Erfahr
Halten, Davon ſehe ich einſtweilen ab, daß mittelbar |
jeder Menfch durch die Erfahrung gebifbet wird, taufend
fogar, ohne es zu wiſſen. Aber ſelbſt unmittelbar giebi
auferordentlich wenige Dichter, welche den Stoff ihres |
dichtes wirklich erfunden hätten, Faſt alle bedeutenden &
pöen, Romanzen, Schaufpicle Haben ihren Stoff der My
‚ber Gefhichte oder der gemeinen Wirklichkeit entlehnt,
Lyriker und Romanfchreiber behandeln fait ohne Ausnal
Selbſterlebtes. Wenn dee Poet ſeinen Stoff erfinden, um
wie es im. Alterthume von Agathon !), "in- neuerer }
von manchen Ritterromanen und Schaufpielen gefchehen iſt:
Hat ed immer große Mühe gekoftet, einerfeit3 die übertriche
Phantafterei 2), andererſeits eine chen fo übertriebene conk
tionelle Nüchternheit zu vermeiden. Und was die, Philoſop
betrifft, fo Haben dieſe mit Erfolg immer nur über fü
Dinge philofophirt, mit denen: fie erfahrungsmäßig vollkr
men vertraut waren. Aus diefem Grunde find Die Logil
die Speculationen über Seele, . Recht und andere Gegenſtä
der allgemeinjten Erfahrung. in ber ‚Regel weit glücklicher. a
gefallen, als die Nature und Geſchichtsphiloſophien, zu
wenn ſie irgend tiefer ins Detail herabſteigen wollten.
von der Erfahrung losgeriſſen, wird der Philoſoph nufcht
zum Sophiſten oder Myſtiker,
Die Philoſophen ſind ferner gewohnt, ihrer Wiſſ enfe
ausfchlieglih dad Pradicat der Univerfalität beige
Und es ift allerdings nicht zweifelhaft, wenn der Philoſ
3. B. den Begriff Schönheit denkt, daß er alles Schöne ül
) Es ift ſehr harakteriftifch, daß gerade Agathon hierauf verfe
ift: dieſer nüchterne, begeifterungsiofe Kunftpoet, wie ihn Ariſtoph
in ſeinen Thesmophoriazuſen ſchildert.
2) Man denke nur an Producte, wie die Reiſen des beitigen Bi
dan u. A.!
Freiheit der Production. Umniverfalität. 19
mpt vollftändig darunter begriffen Hat. Mit dem Begriffe
8 Seins hat er natürlich alles Wirkliche, mit dem Begriffe
8 reinen Denkens oder des Abfoluten natürlich alles Den
we, Alles, mas iſt und was nicht iſt, vollſtändig zuſammen⸗
ffaßt. Jede enntradictorifche Eintheilung muß erſchöpfend
in. Allein tänfchen wir uns nicht! Es ift ein großer Unter⸗
d zwifchen dem Denken eines Begriffes als ſolchen und
Denken feines Inhalte. Wenn etwa Dahlmanı ne
ie einem Jungdeutſchen ficht, und Beide denken den Begriif
Nnemark, oder, wenn man lieber will, Danismus: wie une
Vieles wird dabei Dahlmann durch den Kopf ger
‚ wie unendlich Wenige bem jungen Deutſchen! Und
‚ kann man doch fagen, haben vollſtändig Alles gedacht,
8 in Dänemark iſt, geweſen iſt ober Künftig nach fein wird.
EGs Kat alfo mit der philofophifchen Univerfalität eine eis
Bewandtniß. Und alle wahrhaft kunſtmäßigen Hiftoriker
e Dichter beſitzen gleichfalls. Univerſalität, nur in anderer
fe. Der hiſtoriſche Handwerker Freilich. ſcheut ſich nicht,
icht vom Aufange der afadentifchen Jahre an fein ganzes
iudium auf das zehnte Jahrhundert zu beſchränken; won der
en Welt in Gegenwart und Vergangenheit lernt er gar
t8 kennen. Wer wollte da wohl nach Univerſalität fra⸗
? Ganz anders aber verhält es fich mit dem hiſtoriſchen
. Wenn der auch fein Werk auf den engſten Raum
zt, vielleicht Nichts weiter ſchreibt, als die Gejchichte
catilinariſchen ober wenetianifchen Verſchworung ‚ fowird
Doch, was er irgend geleſen, irgend erfahren bat,
t oder unbewußt, in einen Brennpunkt gleichſam concen⸗
en, um den Gegenftand feines Werkes Darunter beleuchten
kennen 1). Geſetzt 3. B., er wollte eine Literaturgejchichte
y ine unendlich feltene Geſchicklichkeit! Es giebt unzählige Den:
‚bie ſehr Vieles und Vielerlei wiffen, aber niemals im Stande
„es auf ben gerade vorliegenden Zweck wirklich zu concentriren.
Q*
20 Prolegomena. Kap. 2.
von Deutfchland im dreizehnten Jahrhundert ſchreiben,
wird er zuvor natürlich auch Die frühere und fpätere Literaief
auf dad Genaueſte zu erforfchen fuchen. Wie nun aber? ih
die Literatur eined Volkes zu verfiehen, muß er das I
felbft Eennen. Kennen aber lernt man Niemand, wofern mg
ihn nicht in allen wichtigern Lebensverhältniffen beobach
dat. Bei feinem Volke alfo muß er auch die Staats⸗ 9
Kuiegägefchichte, die Religions⸗ und Nechtögefchichte, die Kıy
Sitte und Wiſſenſchaft defjelben. aud dem Grunde ftudier f
ben, Und weiter noch. : Beim Studium eined jeden Dir
ift die Vergleihung: mit ähnlichen, doch aber: werfchiebe
Dingen der einzige Weg zum tiefen Verftändnig. Mii J.
deutſchen Literatur müßte alfo die griechifche, Die vömtfche, A
engliſche u. ſ. w. verglichen werben. .. Dieß führte dann
griechiſchen, römiſchen, engliſchen Geſchichte überhaupt u. ſ. hj
u. ſ. w. Wir fehen:fhon ein, wie dieß am Ende zur U
verſalgeſchichte hinauswächſt; wie die Univerſalgeſchichte 3
nothwendigen Grundlage wird einer jeden tüchtigen Speck
gefchichte ‚oder Monographie 1). Jedes wahrhaft Hifi
Urtheil beruhet auf unzähligen Analggien. Der Hiſtoriker nl
ſich wohl hüten, dieſe Analogien gerades Weges in fein. Sf.
herüberzunchuien. ber Der Kemer muß fie doch, -gleichfig:
zwifchen den Zeilen: lefen können... Es müffen fich ihm Auf
fichten eröffnen in; die ganze weite Weltgeſchichte. Sein hug
rifches Meiſterwerk, daB ‚nicht im engſten Raume die Geſch
der. Menfchheit wiederfinlieget,i;-— Und was ben Poeten auf:
trifft, fo. hat e8 Schil Lex bereit. fir Den Zweck aller Bag:
erklärt, der Mienfchheit:. ihren möglichſt vollftändigen AusdriJ
—
— en
) So iſt es u % zu erllären, daß im deutſchen Vaterlande ;f
Philologie und Rechtögefchichte durchaus früher geblühet haben, als |
eigentliche Hiftorie Den Philologen trieb fchon das Herfommen zu f
ner vielfeitigern Bearbeitung des Altershumes und zu einer Vergleichug-
zwiſchen Griechen und Römern an. Dem Zuriften lag wenigftens Fe
Paralleliſirung des germanifchen Rechts mif dem, römifchen fehr nahe. F
x
Univerfalität. 2
n geben 1). Dem Homer wenigitens hat auch das. Alterthum
won jeber eine folche Univerfalität zugefchrieben 2). J
AOhne fie wird in der That jeder tiefere, jeder dauerhaftere Eins
ende dem Poeten wie dem Hiitorifer unmöglich fallen. Wer würde
DM z. B. in Goethe's Hermann irgend nur. Interefficen können
Ir das Stillfeben einer kleinſtädtiſchen Gaſtwirthöfamilie 3);
Wer im Thukydides für das Hinundherreden einiger längſt ver⸗
Dnebenen Marktredner und Hauptleute: wenn es diefen Künfts
Bm nicht gelungen wäre, das Hauptfächlichfte der ganzen
Weenfchheit, wie es zu allen Zeiten, unter allen Völkern und‘
Ballen Herzen wiederkehrt, in ihre Gemälde zufammenzubräns
en? Jeder Menſch, behaupte ich, jeder gebildete Menſch
at einen Kleon und einen Berikles, einen Nikias und einen
Mlibiabes, einen Spartaner und einen Athener, einen Con⸗
Reativn und einen Liberalen, einen Hellenen und einen Bar⸗
)) Werke Bd. XI, ©. 198. Auch in einem Briefe an Goethe
es: Der volllommene Dichter fpricht das Ganze der Menfchheit
(8b. VI, ©. 36.). Bol: Goethe's Lehrjahre, II, 2. III, 11.
3) Xenoph. Conv. IV, 6. Max. Tyr. Diss. 32, p. 116.
Beioft die abötrufeften Philofopheme hat man bekanntlich, im Homer
| ifen wollen. |
2) Man hat nicht Telten gefragt, ob Voffens Luife den Vorrang
Ixbiene ‚ oder Goethe’d Hermann und Dorothea. Die Fünftigen Jahr⸗
werben nicht fo fragen. Ich weife hier nur auf die wunderbare
idtichkeit Hin, mit welcher ©. in feinen wenigen Figuren alle be=
ern Berfchiedenheiten des menfchlichen Charakters zu repräfentiven,
feiner einfachen Handlung und Geſprächsführung alle wicdhtigern Erz
iffe des menfchlichen Lebens, Kindheit Ehe und Tod, Glück und
ck, Krieg und Frieden, Staat und Familie zu berühren verfteht.
i Boß dagegen Nichts weiter, ald das Nächftliegende, das liebliche
eines Dorfpredigere. Selbſt die Perfonen darin, Vater und Eis
m, Mutter und Tochter, Braut und Freundinn: fie find dem Wefen
volllommen eins, nur durch Alter oder Verhältniffe unterfchieden.
ie ſchön hat ©. in feinem Pfarrer das allgemein Geiftliche, allgemein
iche zu fchildern gewußt; während V. dagegen, felbft in feiner be:
Petruslegende, wie die Erfahrung zeigt, nur ein fehnell veral-
lendes Zagesinterefle eingeflochten hat.
4A Prolegomena. Kap. 1.
‚daher ja nicht allzu fehnell bereit fein, den Gefchichts
für einen ſolchen Handwerker zu erklären. Alle Arkei
Handwerkers liegen auch dem Künſtler ob, ebenfo m
ebenſo detailliert: nur freilich ift der Letztere mit dieſen 2
noch lange nicht zufrieden. Aber ſelbſt die mechanifchft:
ſchäfte, das Copiren von Handfchriften, ‚die Herausgabe
Copien kann dem echten Hiftoriter Pflicht werden. Sc
Niebuhr felbit die Byzantiner herausgegeben. Es m
mals nothiwendig, Andern einen Impuls zu bringen.
die Zeit drängt, fagt Lord Bolingbrote, fo mag ı
dem Feldherrn ziemen, Bade und Spaden in die He
nehmen. Für gewöhnlich aber. werden dergleichen Arbei
nen überlafien ‚ welche dazu Keitimmt find, nämlich d
meinen Soldaten und Bauern 1).
Jeder ſchöpferiſche Act, ſagte ich oben, jeher Eünfi
Aet ſei dem Menſchen ein Geheimniß. Bei den pofitiweı
fenfchaften beſteht dieß Geheimniß vornehmlich darin, d
Kunſtwerk derſelben freies Product des menſchlichen Geiſt
ſoll ‚, und doch zu gleicher Zeit in jedem Punkte mit der
lichkeit eongruiren 2), Ohne bie erfte Bedingung wür
der miffenfchaftliche Künstler nicht vom Handwerker, ol
zweite nicht vom Phantaften unterfcheiden. Auf den n
Blick fcheint hier ein Cirkel obzumalten: erſt wenn ich d
genftand völlig Ducchbrungen ‚habe, kann ich an feine |
duetion denken, und umgefehrt, die völlige Durchdringin
felben ift an ſich ſchon etwas Productives. Erſt vo
Theilen aus kann ich das Ganze erobern, erſt von dem
zen aus die Theile beherrſchen. Alles beruhet hier au
1) Letters on the study and use of history, I, p. 3.
2) Kav apa ovußäf, fagt Ariftoteles, wenn auch zunäd
lich nur von poetifhen Werken, yevönera mrosiv, oudev zrrov :
dor’ Tür yap yeroutıwv Evın oVölv awÄvss Towira zwar, ola ä
\ x ’ ’» a > * > ' 2
yeriodas za Övyara yeviodan, ExEivog aVTuy TOnTng dor
X,92.).
Siftorifche Handwerker und. Kuͤnſtler. 415
ſtesverwandtſchaft zwifchen den Hiſtoriker und feinem Ge⸗
ande. Wie der Dichter jagt, Ä |
Mit dem Genius fteht die Natur Im ewigen Bunde:
Was ber Eine verſpricht, leiſtet die Andre gewiß.
eſes ganze V rhältniß iſt jedoch nicht ohne Analogie. Ich
mere nur on ie Borträtinalerei. Auch. das Porträt _foll
net für Punkt. feinem Originale parallel laufen. Gleichwohl
r foll es freies Product feines Malers, fein; widrigenfalls
die Todtenmaske, das Daguerrotyp die vollkommenſten Bor-
8 wären. Man kann die Bilder eines Gian Battiſta Mo⸗
i mit denen von Tizian , die eines Balthaſar Deuner mit
en des Vandyk vergleichen. Jene ſind treu; ſo treu, als
un dad Driginaf fi im Spiegel ſähe: jeder "zufällige Zug,
im Augenblide des Abmalens vorhanden war, iſt wieder
ben; es iſt nicht der ganze Menſch, den fie darftellen, fon=
m im beften alle der Menfch einer einzigen Stunde, ohne
ß man doch einen Grund weiß, warum gerade diefe Stunde
wählt worden. Die Lehteren dagegen vereinigen die Trene
der Schöpfungskraft. Aus den Zufülligkeiten des Augen
Kt wiſſen fie das Weſentliche des Charakters herauszuleſen.
kann fagen, fie ftellen den Menſchen treuer dar, als er
ſelbſt in jedem einzelnen Augenblicke darstellt. — Wir dür-
die pofitive Wiſſenſchaft in Diefem Stücke auch noch mit
en, mit Nebenkünſten vergleichen, die freilich infofern tie
ftehen, als fie nur die Werke einer Höhern Kunft dem Pu⸗
wollen genießbar machen, So foll der Schaufpieler
.durchaus frei produeirenz aber Doch muß feine Leiftung
für Punkt mit den Werfe des Dichters zuſammenfal⸗
Eon verhält fi) der Virtuofe zum Componiſten, der Ku—
er zum Maler, der Ueberfeßer zum Driginal, Arch
Hiſtoriker, der Naturferfeher, könnte man fagen, über—
me im die menfchlihe Sprache; ihr Original aber ijt
Höchfte, Die Werke der ewigen Weltregierung felber.
16 Prolegomena. Kap. 1.'
Noch eine vierte Stufe endlich, worauf fich der Kn
äußert, von den früher ſpecifiſch unterſchieden, fit Die
loſophie. Der phyſiſche Theil derfelben Läuft den '
wiffenfchaften parallel, der ethiſche Theil ben hiſtoriſcheꝛ
ſenſchaften. — Auch die Philoſophie beruhet auf dem :
die Erfahrung zu verarbeiten, den Geifte gerecht un
"und ald Kunſtwerk zu veproduchen. Dahet Platon
nem Phädros neben dem wahrſagenden, zeichenbeutende
poetifhen Wahnfinne auch den philoſophiſchen Wahnſi
nanıt hat. Wenn er an andern Stellen die Wirklichk
das Abbild feiner Ideen erklärt, die Kunſt hinwiederu
für das Abbild jenes Abbildes, fo drüdt er auch dam
Verhaältniß zwifchen Erfahrung, PHllofophie und Kun
treffend aus, freilich mit philoſophiſcher Geringſchätzuns
Nichtphitofopfifehen.
Bweites Kapitel
Intevfchied des biftorifchen Runfttriebed ve vom
poetifchen und philofophifchen,
Rı- wollen zubor unterſuchen, worin dieſer - Unterfchied
icht beſtehe. Es herrſchen nänılich gar vierlerlei Mißverſtänd⸗
iſſe hierüber, weil es wenig Menſchen giebt, welche den einen
fer Kunſttriebe wirklich beſitzen, und zugleich den audern
eiden unbefangen nachempfinden können. So hat namentlich
e Anmaßung der Poeten, ihre Kunſt ſei die einzige Kunſt,
nd der Philoſophen, ihre Wiſſenſchaft ſei die einzige Wiſſen⸗
haft, unendliche Begriffsverwirrungen angerichtet 1).
Der erfte Vorwurf nun, welchen Poeten und Philofophen
emeinfchaftlih dem Hiftorifer zu machen pflegen, beiteht in
a Abhängigkeit des Lchten von feinem Stoffe.
Bir Haben jedoch ſchon aud andern Beifpiclen gefehen, daß
ine ſolche Abhängigkeit bei eigenthümlich organifirten Naturen
echt wohl vereinbar fei mit völliger Sreiheit der Produetion.
And der Dichter, wie der Philoſoph täufchen ſich gar fchr,
—
) Ich brauche hier das Wort Philoſophie durchaus nur im engern
inne, alfo für dasjenige, was den Platon 3. B. vom Thukydides und
hokles unterfcheidet, nicht aber, wie man fo häufig thut, für das,
fie alle drei gemein haben.
2
16 Prolegomena. Kap. 1. '
Noch eine vierte Stufe endlich, worauf ſich der Km
äußert, von den frühern fpecififch unterſchieden, iſt Die Ph
loſophie. Der phyſiſche Theil derſelben läuft den N
wiſſenſchaften parallel, der ethiſche Theil den hiſtoxiſchen
ſenſchaften. — Auch die Philoſophie beruhet auf dem T
die Erfahrung zu verarbeiten, dem Geiſte gerecht zu mach
und als Kunſtwerk zu reproduciren. Dahet Platon In
nem Phädros neben dem wahrſagenden, zeichendeutenden
poetiſchen Wahnſinne auch den philoſophiſchen Wahnſinn
nannt hat. Wenn er an andern Stellen die Wirklichkeit
das Abbild ſeiner Ideen erklärt, die Kunſt hinwiederum
für das Abbild jenes Abbildes, ſo drückt er auch damit
Verhältniß zwiſchen Erfahrung, Philoſophie und Kunſt ſi
treffend aus, freilich mit philoſ ophiſcher Geringſchãtung
Nichtnhilofophifchen, |
F
Te
b | Zweites Kapitel,
ſchied des hiſtoriſchen Kunſttriebes vom
poetiſchen und philoſophiſchen.
r wollen zuvor unterſuchen, worin dieſer Unterſchied
cht beſtehe. Es herrſchen nämlich gar vierlerlei Mißverſtänd⸗
e. hierübet, weil es wenig Menſchen giebt, welche den einen
her Kunfttriebe wirklich beſitzen, und zugleich den andern
en unbefangen nachempfinden können. So Bat namentlich
Anmaßung der Poeten, ihre Kunſt jet die einzige Kunft,
der Philoſophen, ihre Wiſſenſchaft ſei die einzige Wiſſen⸗
aft, unendliche Begrifſsverwirrungen angerichtet 1).
Der erſte Vorwurf nım, melden Poeten und Philoſophen
einſchaftlich dem Hiftorifer zu machen pflegen, beſteht im
Abhängigkeit des Lebtern von feinem Stoffe.
ir haben jedoch ſchon auß andern Beifpielen geſehen, daß
ne folche Abhängigkeit bei eigenthümlich organifirten Naturen
t wohl vereinbar ſei mit völliger Freiheit der Produetion.
nd der Dichter, wie der Philoſoph täufchen fih gar fehr,
1) Ich brauche hier das Wort Philofophie durchaus nur im engern
Sinne, alfo für dasjenige, was den Platon z. B. vom Thukydides und
Sophofles unterfheidet, nicht aber, wie man fo häufig thut, für das,
as fie alle drei gemein haben.
2
20 Prolegomena. Kap. 2.
von Deutſchland im dreizehnten Jahrhundert ſchreiben,
wird er zuvor natürlich auch die frühere und ſpätere Liter
auf das Genaueſte zu erforſchen ſuchen. Wie nun. aber?
bie Literatur eined Volkes zu werfiehen, muß er das X
felbft Eennen. Kennen aber lernt man Niemand, wofern u
ihn nicht in allen wichtigern Beßensverhältniffen beobad
Lat. Bei feinem Volke alfo muß er auch die Staats= 3
Kriegsgeſchichte, die Neligiond= und Nechtögefchichte, die Ku
Sitte und Willenfchaft. deſſelben aus dem Grunde ftubiert |
ben. Und weiter noch. ' Beim Studium eincd jeden Dim
ft die Vergleichung mit ähnlichen, doch aber verfchiebe
Dingen der einzige Weg zum tiefen Verſtändniß. Mit |
deutſchen Literatur müßte alſo die griechiſche, die römiſche,
engliſche u. ſ. w. verglichen werden. Dieß führte dann ı
geichiſchen, „ctnnifchen, engliſchen Geſchichte überhaupt u.
nf, Wir ſehen ſchon ein, ‚wie dieß am Ende zur U
verfalgefchichte :hinausmächftz : wie Die Univerſalgeſchichte
nothmwendigen : Grundlage mird einer jeden tüchtigen Speci
geſchichte oder Monographie 1). Jedes wahrhaft hiſtori
Urtheil beruhet auf unzähligen Anakpgien. - Der Hiſtoriker m
fich wohl hüten, dieſe Analogien gerades Weges in fein B—
herüberzunchuien: Aber der Kemier muß fie doch gleichfi
zwiſchen den Zeilen leſen können. Es müſſen ſich ihm A
ſichten eröffnen im. die ganze weite Weltgeſchichte. Kein bi
rifches Meiſterwerk, das nicht Im engſten Raume die Gefchli
ber; Menſchheit wiederflegelt,hir—. Und was den Ppeten au
trifft, fo. hat es Schilken bereits für Den. Zweck aller Po
erklärt, der t Menſchheit, chreu waslichſt vollſtändigen Ausdꝛt
I) So riſt es u. A. zu erllären,. af im deutſchen Vater lande
Philologie und Rechtsgeſchichte durchaus früher geblühet haben, als
eigentliche Hiftorie Den Philologen trieb ſchon das Herkommen zu
ner vielfeitigern Bearbeitung des Altershumes. und zu einer Vergleich
zwiſchen Griechen und Römern an. Dem Juriſten lag wenigftens .
Parallelifirung des germanifchen Rechts mit ‚dem, römifchen fehr nahe.
Univerfalität, 2
geben 1). Dem Homer wenigitend bat auch das. Alterthum
jeher eine folche Univerfalität zugefchrieben 2). .
Ohne fle wird in der That jeder tiefere, jeder dauerhaftere Ein-
dem Boeten wie dem Hiftoriker unmöglich fallen. Wer würde
z. B. in Goethe's Hermann irgend nur: intereffiren können
dad Stillleben einer kleinſtädtiſchen Gaftwirthäfamilie 3);
im Thukydides für das Hinundherreden einiger längſt ver⸗
Marktredner und Hauptleute: wenn e3 diefen Künſt⸗
nicht gelungen wäre, das Hauptfächlichite der ganzen
heit, wie es zu allen Zeiten, unter allen Völkern und‘
‚allen Herzen mwiederkehrt, in ihre Gemälde zufammenzudrän-
en? Leder Menſch, behaupte ich, jeder gebildete Menſch
kögt einen Kleon und einen Perikles, einen Nikias und einen
Wfibindes, einen Spartaner und einen Athener, einen Con-
erbativen und einen Liberalen, einen Sellenen und einen Bar⸗
1) Werke Bd. XII, ©. 198. Auch in einem Briefe an Goethe
ft es: Dee volllommene Dichter fpricht das Ganze der Menfchheit
u (Bd. VI, ©. 36.). Vgl. Goethe's Lehrjahre, II, 2. III, 11.
2) Xenoph. Conv. IV, 6. Max. Tyr. Diss. 32, p. 116.
zelbſt die abötrufeften Philofopheme bat man bekanntlich, im Homer
achweiſen wollen.
3) Man hat nicht Telten gefragt, ob Voffens Luiſe den Vorrang
erdiene, oder Goethe’8 Hermann und Dorothea. Die künftigen Jahr⸗
underte werden nicht ſo fragen. Ich weiſe hier nur auf die wunderbare
zeſchickklichkeit hin, mit welcher ©. in feinen wenigen Figuren alle be⸗
entendern Berfchiedenheiten des menfchlicdyen Charakters zu repräfentiven,
u feiner einfachen Handlung und Gefprähöffhrung alle wichtigern Er—⸗
kgniffe des menfchlichen Lebens, Kindheit Ehe und Zod, Glück und
nslüd, Krieg und Frieden, Staat und Familie zu berühren verfteht.
Bei Voß dagegen Nichts weiter, als das Nächftliegende, das Liebliche
eben eines Dorfpredigers. Selbſt die Perfonen darin, Vater und Eis
am, Mutter und Zochter, Braut und Freundinn: fie find dem Wefen
ad volllommen eins, nur durch Alter oder Verhältniffe unterfchieden.
Bie fhön hat ©. in feinem Pfarrer das allgemein Geiftliche, allgemein
hriftliche zu fchildern gewußt; während ®. dagegen, felbft in feiner be=
ihmten Petrustegende, wie bie Erfahrung zeigt, nur ein ſchnell veral-
mdes Tagesinterefle eingeflochten hat.
93 Prolegemena. Kay. 2.
baren in feiner eigenen Sede beiſammen. Dieſe Saiten
Thukydides zu treffen gewußt. Weil ex felbft ein Mikr
mus war, fo Sonnte er feinen Gegenftand auch als Mir:
mus barftellen. — Es giebt eine fubjective Univerfalität
eine objective. Die letztere will erſchöpfend fein in der Au
fung der Welt überhaupt; die erſtere dagegen iſt ſchon zı
den, wenn der Künſtler nur den ganzen Inhalt feines (
ftes im Kunſtwerke niederzulegen weiß. Die objective Un
falität, am birerteften exfirebt von den Philofophen und f
Univerſalhiſtorikern, iſt für uns, bei der Beichränftheit
menſchlichen Natur, entweder Icer, oder nur in fehr gerin
Grade erreichbar. Nur die fubfeertive Univerfalität ift ein n
wendiges Erforderniß der künſtleriſchen Vortreſſlichkeit:
dem Dichter und Geſchichtſchreiber vollkommen ebenſo zug
lich, wie dem Philoſophen.
Man hat ferner geſagt, den hiſtoriſchen Kunſtwerken
es an der gehörigen Einheit. So meint Ariſtoteles,
Epes müſſe Einheit der Handlung haben, die Geſchichte d
gen nur Einheit der Zeit, ohne wirkliches Ende, wie
fchlechten Poeten. Die Schlachten von Salamis und (
u. A. feien an Einem Tage vorgefallen, aber ohne Innern
fammenhang 1). — Daß jedes wohlgebaute philofophiiche
ftem eine ſolche Einheit beſitzen müſſe, Teuchtet won ſelbſt
Jeder Begriff deffelben enthält ja wirklich alle fpäteren,
darans entwickelt werden. Jeder niedere Begriff wird
durch den höhern, und fo weiterhin Durch den Höchften
dacht. Der höchſte Begriff iſt alfo nicht bloß der Aus,
und Gipfel des ganzen Syſtemes, fondern der Inbegriff
felben. — Aber auch den Hiſtorikern und Dichtern iſt die
beit keinesweges abzufprechen. Es iſt freilich Kein oberfter
griff, welcher ihr Werk zufammenhält, wohl aber cine
— t —
) Poet. XXIV,1sq. Ariſtoteles hat hierbei offenbar nur a
ſchlechten Hiſtoriker feiner Zeit gedacht.
41
Einheit. 23
mmtanfchamung. Von dieſer Geſammtanſchauung iſt der
erfaſſer ausgegangen; er bat fie bei der Arbeit foöͤrnilich ent⸗
net und in alle Theile feines Werkes durchdringen Iafien.
ver Lefer empfängt fie erft, wenn er fein Studium des Wer-
8 beendigt bat. Das Werk darf in dem idealen Leſer keine
age aufregen, die e8 nicht auch beantwortete, keinen Wunſch,
m es nicht auch befriedigt... Man Hat nicht felten verſucht,
e Sefammmtibee eines ſolchen Kunftwerkes in Worte zu faflen.
Ran bat 3. DB. gefagt, die Geſammtidee, folglich die Einheit
z Odyſſee beruhe auf dem Siege, welchen männliche Klug⸗
it und Tapferkeit, weibliche Treue und göttlicher Beiſtand
er alle Hinderniſſe zuletzt davontrügen. Die Einheit der he⸗
dotiſchen Geſchichte foll in Dem Triumphe der freien Huma⸗
it über Die ſtlaviſche Barbarei beſtehen. Alle Dergleichen
asdrücke find immer fehr mangelhaft, weil es für eine An-
auung Tein vollfommen zutreffendes Wort giebt, Wer fich,
bei beruhigt, der fällt nur zu leicht In den Irrthum, das
nze Werk für den Commentar irgend eines Lehrſatzes anzufes
n. — Wie fehr übrigens in allen wirklich Hiftorifchen Mei⸗
werfen jeder einzelne Theil von dem Ganzen bedingt werde,
von nur ein Paar bedeutende Zeugniſſe. So ſchildert und
kontesquieu, wie unficher ex ſelbſt im Anfange feiner For⸗
mngen geivefen ſei: tanfendmal habe er dad Begonnene den
zinden preiögegeben, habe die Wahrheit nur gefunden, um
: wieder aus dem Gefichte zu verlieren, Bis er endlich Die
rineipien entdeckt: da fei ihm Alles, gleichwie won felber,
gefleifen ). Was er hier Prineipien nennt, das ift die Ein>
it feine Werkes. Auch Windelmann verfichert in feiner
izenden Naivetät, er könne Fein richtiges Kunfturtheil abge-
m, wenn er nicht alle erhaltenen Kunſtwerke der Alten und
le Nachrichten dariiber fich im Geiſte ald ein Ganzes gegen-
en — —
1) Vorrede zum Esprit des loix.
2A Prolegomenn. Kap. 2.
wärtig mache 2). Dieß ging fo weit, daß er z. B. die S
heit des bekannten Torſo anfänglich nur auf Glauben hinn
Wirklich empfinden konnte er fie erſt, nachdem er fich
Did auf feine Weiſe, im Zuſammenhange ſeines eigenen‘
kes, kunſthiſtoriſch erklärt Hatte 2).
Noch ein letzter Vorzug endlih, den die Philoſophit
ihren Schweſtern zu prätendiren pflegt, ft die Nothwen
keit ihred Zufammenhanges 2%): Sch muß Hier vor Allen
zwei wefentlich werfchiedene Begriffe aufmerkfam machen, ı
die Sprache mit dem gemeinfchaftlichen Worte Nothwend
bezeichnet. Ihre Verwechfelung bat von jeher zu den Hei
ſten Irrthümern geführt. Es giebt nämlich eine Nothwe
feit, etwas zu thun oder zu leiden, und eine andere, ı
zu denken oder zu empfinden: jenes nenne ich Die phyſ
dieſes Die logiſche oder Afthetifche Nothiwendigkeit. Die ı
entfpringt aus der realen Ueberlegenheit eines fremden Wil
entweder eines menfchlichen, — da wird natürlich nur dei
zwungene von Nothwendigkeit ſprechen — oder eines
menfchlichen. Diefe Nothmendigkeit Tann ebenſo gut vo
Hiftorie und Poefie, mie von der PhHilofophie behandelt
den. — Ganz anders aber ſteht es mit der Ingifchen
äfthetifchen Nothwendigkeit. Sie waltet nicht in der wirt
Belt, fondern im Kunftwerke ob, des Hiſtorikers ſowohl
des Dichterd und Philoſophen. Hier ift der Künſtler glei
1) Kunftgefhichte IV, 2, 3. .
2) Vorrede zu ben Anmerkungen. — Auch Niebuhr war
zerſtückelte Eindruck, den er nicht in einen einzigen Punkt geiftig c
triren Eonnte, "zur höchften Lafl. Aus diefem Grunde mochte er
Muſik hören (Briefe Th. 2, ©. 46 ff.).
3) Hegel ſpricht der Hiftorie diefe Nothwendigkeit ab (Aefthı
&. 13.): obwohl er anderswo doch einräumt, fie Eönne fo erfaßt
den, daß durch die einzelnen Begebenheiten und Individuen thre n
liche Bedeutung und nothwendiger Zufammenhang heimlich hindurd
tet (Werke X, Bd. 1. ©. 167.).
Nothwendigkeit. 25
öpfer einer Kleinen Welt: mer diefe Welt betreten will,
m fich ihren Geſetzen fügen. .: Während die phyſiſche Nothe
endigkeit in der That eine Beſchränkung der menfchlichen Frei⸗
eit bildet, iſt die äfthetifche Nothwendigkeit ihre herrliche
leußerung. Dan kann freilich Immerhin aus einem’ Syſteme
janze Degrifföreihen, aus einer Tragddie ganze Scenen, auß
mer Geſchichte ganze Charaktere und Entwidelungen heraus:
weißen, umgeftalten; aber die Strafe folgt fogleich: das unan⸗
denehme Gefühl, unlogifch gedacht, unäfthetifch, zuſammen⸗
hangswidrig empfunden zu haben. Was bier alfo zufällig,
kellküxlich erfcheint, was den Lefer nicht zu einer ſolchen Nach⸗
Felge zwingt, das kann nur fehlerhaft fein. Dieß ift aber im
Thukydides z. B. vollkommen ebenſo ſehr der Fall, wie im
Eophokles oder Platon. — Es verſteht ſich übrigens wohl
Don ſelbſt, daß dieſe Nothwendigkeit im Kunſtwerke factifch
hargeſtellt, niemals aber vom Künſtler bloß mit Worten ver-
ſichert werden fol. Welche Mißbräuche find aber gegenwärtig
Bein eingerifien! Wie oft findet man in Hiftorifchen oder
Bhilofophifchen Büchern ganz naiv behauptet, zwiſchen diefer
ind jener Erſcheinung beftehe ein nothwendiger Zufammen-
Bang, fie ſeien nothwendiges Product der Zeit u. |. w. Der
Weichen Urtheile follten billig dem Lefer überlaffen Bleiben,
enn ex die Erklärung des Verfaffers, Die nun freilich
Fehlt, gelefen Hätte, von diefer Erklärung logifch oder äfthe-
ich zu denſelben Refultaten gezwungen wäre. Wo ein Hiftes
riker von dieſer Art Nothwendigkeit ſpricht, da zeigt er an,
daß er die Erklärung feines Gegenftandes allerdings dunkel ge—
Ihn, aber entweder des Talentes ermangelt, oder die Mühe
geſcheut Hat, fie wirklich auszuarbeiten. Was würde man
Bon einem Poeten denken !), der und, ftatt ein Gedicht zu
) Wie z. 8. Euripides fo häufig die Rathfchläge u. ſ. w. feiner
Derfonen mit dem Selbſtlobe einleitet, wie Elug, wie erfahren, wie Eurz
x rede.
26 Prolegomma.. Kay. 2.
liefern, bloß mit. ber Verficherung abfpeifte, ex habe poe
Gefuͤhle mid in einer Form auögefprochen, die Jedermann
reißen müßte? Und das tft doch ganz daſſelbe! 1).
Wir find zu dem wirklichen Unterfchiche unferer drei K
triebe gelangt. ever von ihnen, der. biftorifche ſowohl,
ber poetiſche und philofophifche, ftrebt nach, Wahrheit.
behaupten aber die beiden letztern, nach einer Höhen U
beit zu fireben, als die gemeine Wirklichkeit der Extahrum,
Bon den Philofopben find mir deſſen gewohnt. Aber
Die Dichter, fobald fie fich klar darüber ausgeſprochen hi
find ganz derfelben Anſicht. So behauptet Schiller
Poeten: |
Ihn gaben vie Götter das reine Gemüth,
Wo die Welt ſich, bie ewige jpiegelt.
Er hat Alle gejehen, was auf Erven gefchieht,
Und was und die Zukunft veritegelt.
Er ſaß in der Götter urälteftem Rath,
Und behorchte der Dinge geheimfte Saat.
In feiner vortrefflihen Vorrede zur Braut von Meſſina
er gerade heraus, die Dichtkunſt fei wahrer, als alle Wir
feit, und realer, als alle Erfahrung. — Wir erkennen
. Weiteres, daß Poct und Philoſoph etwas ganz Anderes '
der Bezeichnung Wahrheit verfichen, als was man im gen
lichen Leben darunter meint, Im gewöhnlichen Leben, ur
1) Ich bemerke fehließlich noch, daß ſelbſt unter ben Philoſ
bie ebenerwähnten Prädicate der Unabhängigkeit, Univerfalität, €
und Nothwendigkeit durchaus nur den vollfommenften Syſtemen be
gen find. Unter den Neuern 3. B. warnt Gartefius fogar ausbrı
vor dem Streben nad) Univerfalität. Bon firenger Einheit bes €
mes kann man auch erft feit dem Verlaffen der mathematifchen Me
alfo nicht vor Tode, reden. Was die Nothwendigkeit des Zufamme
ges anbetrifft, fo Läßt felbft Spinoza hier noch unendlidy Vieles zu
ſchen übrig.
Unterfchlen ver Philoſophie und Gefchichte, 97
ug in der hiſtoriſchen Kunſt, Braucht man dieſen Ausdruck
we von Urtheilen, die etwas über die Erfahrung audfagen.
An ſolches Urtheil ift wahr, wenn es mit. der Wirklichkeit
Mgruirt. Nennen alfo Dichter und Philoſoph auch audere
Darftellungen wahr oder unmwahr, die mit der gemeinen Wirl⸗
Weit gar Nichts zu thun haben, fo können fie darunter, ſtatt
ner Viebereinitinunung ‚mit dee Wirklichkeit, nur eine Ueber⸗
aſtimmung mit den Iogifchen Denk⸗ oder den äſthetiſchen Em⸗
Bndungdgejegen X) verfichen. Es find folglich drei ganz ver
Biedene Sphären gleichfam, worin die philofophifche, die poe⸗
ſche und hiſtoriſche Wahrheit ihren Wohnfig haben, Die. nos
live Wifgenfchaft, kann man fagen, errichtet ihr Gebäude :auf
jener Erde, die Dichtlunft unter den Wolfen ımd Sternen
8 Himmels, die Philoſophie im luftleeren Raume 2).
Der Unterfchied zwiſchen Philoſophie und Geſchichte
egt hauptfüchlich in der Form, weniger im Inhalte. Das
lecht z. B., der Staat, die Kunſt: fle können philofophiich,
e können Hiftorifch behandelt werden, - Aber der Zweck dieſer
handlung, wie auch die Methode find von Grund aus ver
hieden. Was will der Philoſoph? Der Philoſoph will ein
duftem aufitellen won Begriffen oder Lirtheilen, möglichit
Bötract, d. 5. möglichſt entkleidet von allen Zufülfigkeiten des
laumes und der Zeit. Der Hiftoriker Dagegen will eine
dhilderung geben menfchlicher Entwicelungen nnd Verhält⸗
iiſſe, möglichſt getreu dem wirklichen Leben nachgebildet. Beide
een fich mit Erklärung von TIhatfachen ab. Sie nennen eine
chatſache erklärt, wenn fie Diefelbe mit andern, ſchon bekaun⸗
m Ihatjachen in eine ihnen genügende Verbindung gebracht
— —— —
1) Bgl. u. A. Spinoza in feinem Werke De emend. intell. an
mãhligen Stellen.
2) Aristot. Poet. XXVI, 3.: ’Avydyan mueishes Tgriy dvruw
waoıduor iv ti dei .yap oa nv 7 Eorw' 3) old yacı nai doxei'
u ciras dei.
28 - Prolegomena. Kap. 2.
Baben. Den gemeinfamen Ausdruck, gleichfam den Schlöf
zu einer ganzen Reihe von Erklärungen nennen fle beide Gefaf
Aber fle erlären nach ganz verfchiedener Methode. Der M
Iofoph Kat eine Thatfache erklärt, wenn er fie definirt hat, u
num kein Begriff mehr in feiner Definition vorkommt,
nicht an frühern Stellen des Syſtems bereits erbrtert w
Der Hiſtoriker dagegen, wenn er die Menſchen geſchildert Ba
von denen und an denen fie gefchehen iſt. Was dieſe Dali
gedacht, gewollt und empfunden; mas fie dabei erſtrebt
was fie erreicht; warum fie e8 erfixebt und warum fie eb
reicht Haben; wie jenes geiftige Bebürfnig und diefe beginf
genden Umftände almählig gekommen, allmählig wieder u
ſchwunden find. — Beide, Philoſoph und Hiſtoriker,
gen von zivei Thatfachen, die fie mit einander verbunden habt
die wichtigere oder frühere die Urſache der minder wichtig
oder fpätern zu nennen. Man unterfcheide aber wohl!
Philofophen ift der Höhere, allgemeinere Begriff die Urſal
des niedern, fpeciellern : freilich nicht fo, al8 ob der Geget
fand des nicdern Begriffes in feiner realen Exiſtenz vi
den Gegenftande des höhern bedingt wäre, fondern
höhere Begriff ift die Urfache des niedern, die Urfache fer
philoſophiſchen Exiſtenz, d. h. feines Gedachtwerdens #
Syſteme. Beim Hiſtoriker dagegen iſt von einem Zuſamme
hange die Rede nicht der Begriffe !), ſondern der Gegenſtän
ſelbſt. Ihn kümmert nicht das höhere, philoſophiſche Sch
Im Syſteme, ſondern nur das gemeine, reale Sein in b
wirklichen Welt, Um es kurz zu fallen, jede philoſophiſch
Erklärung ift eine Definition, jede Hiftorifche Erklärung eb
Schilderung. Jene tendirt nad) Abftreifung der Merkmale E
zur Einfachheit des höchften Begriffes hinauf; dieſe nach Oel
Au}
2,4
|
I) Leider hat die Epradje für zwei fehr verfchiedene Geiftesverrichtun
gen, dad gemeine und das philofophifche Begreifen, nur das. eine Worl
Ohne das Erftere ift natürlich gar Feine menfchlicye Erfahrung denkba
Unterfchie der. Bhllofophie und Geſchichte. 29
ehrung der Merlmale bis aut Fülle des. wirklichen: Tehend
runter.
Jede Kunſt teitt u am. bnlitammenften auf, ‚mo. fie. am
inſten auftritt. Die architektoniſche Malerei der. Aegyptier iſt
jenſo wenig muſterhaft, wie bie maleriſche Banart ſo vpieler
Btterburgen;. philoſophiſche Poeſien ebenſo wenig, wie poe⸗
ſche Philoſopheme. Wir koͤnnen deßhalb auch erwarten, daß
je Philoſophie immer verlieren : muß, wenn ſie hiſtoriſche
Pehilderungen, und die Geſchichte, wenn fie philoſophiſche
Marifisentwickelungen aufnehmen will. Dergleichen; macht. in;
den immer denſelben Eindruck, den .eine urwerarkeitete Schla⸗
ge macht, die im gediegenen. Metollguife haften. „geblichen,.
Bit müſſen hierauf. um ſo gchtfamer fein, als. Heutzutage eine
nhlreiche Schule von Gelehrten, die fogar vorzugämeife das
noße Wort führt, in einem barbariſchen Miſchmaſch, einer .
hiloſophiſchen Hiftorie oder einer hiſtoriſchen Philofophie das
nahe Heil der Wiffenfchaft zu fuchen frheintı), _ Wenn man
a unumterbrochen räfonniren hört von einem Principe Frank⸗
richs, Defterreihd, von .einer Idee der Reformation; wenn,
Ne Slaven und Germanen ſelbſt ſich zu den Schattenbildern
we Slavismus und Germanismus verflüchtigen müfjen: fo
pird einem geift= und geſchmackvollen Dianne in der That uns
er zu Muthe. Echte Philoſophie ift das nicht: denn fa
ive, detaillirte Sachen, wie 3. B. ein beſtimmter, hiſtori⸗
Staat, ein beſtimmtes, hiſtoriſches Ereigniß, werden ſich
pn und nimmermehr einem philoſophiſchen Syſteme orgauiſch
inverleiben. Echte Hiſtorie iſt es auch nichts denn auch ab⸗
wihen davon, daß ſolche abstracte Definitionen einem Leſer,
ke die Sache noch nicht vollkommen kennt, — und ſolche find
Beh urſprünglich und eigentlich die Leſer Hiftorifcher Werke,
da die Geſchichte ja die Thaten der Vergangenheit überlicfern
fl — niemals ein wirkliches Bild gewähren künnen, fo zeugt
1) Bol. unten Kap. V, 8.1.
50 Prolegomena. Ray. 2 5
ſchon der bloße Gedanke, ein Ereigniß, wie. die Neformatioil
einen Staat, wie Delterreich, durch eine einzige Tendenz wirf
lich charakteriſiren zu Können, von der genügſamſten U
wiſſenheit. Der vortrefflihe Windelmann, tn dein 3
fich Freilich weder die Bhilofophie, noch die Geſchichte zu 1
nachmaligen Höhe entiwidelt Hatte, beklagt fih, weil er
ſpät damit begonnen habe, fo fet ihm das Weſen der Sch
heit Immer dunkel. geblieben I, ehr begreifliht Den 9
griff Schönheit zu definiren, und danach die einzelnen Aut
wierfe zu behandeln, iſt eine eigenthümlich philefophifche 8
beit: - Zu einer ſolchen aber hatte Winckelmann, als vein 9
ſtoriſcher Kopf, natürlich keine Anlage; mıd es mar Selbſto
kennung, daß er in dieſcs Gebiet uberhaupt mut. hineiny J
wollte 9J
Der Unterſchird zwiſchen Borfie und Geſchichte se
get: vornehmlich auf. den: Inhalte. Nicht allein die äußerlich
Form kann diefelbe fein, -— +8 giebt Reimchroniken und iR:
fiegmane — fondern auch die ganze Methode der Darftellunf
An jeden guten Schaufpiele, jedem guten Romane gebt M
Schilderung der Charaktere, die Vorbereitung der Haupteſſech
die ganze Plaſtik Der Darftellung fafl auf dieſelbe Weife v
ſich, wie im hiſtoriſchen Kimftwerte. Hier Tann wechteiiel
unendlich Vieles gelerut werden. Der vadicale Un
zwiſchen beiden beſteht nun darin, daß es dem Dichter
nicht darauf ankommt, ob feine Darſtellung mit der Wirklich
keit eongruire. Dem Hiftorifer iſt diefe Eongruenz nothwe
dig, Wenn eine Dichtung in manchen Stüden hiſtorifch
Tteue beſitzt, wie 3: B. Goethes Egmont und Gig, Schill
ler's Wallenftein’d Lager, Shakeſpeare's Cäſar u. A. m., ſi
AR das für den Dichter ſelbſt weniger Zweck, ale Earichn
rung. Er muß feinen Charakteren innere Wahrheit verleihen
muß die Umstände rings umher mit ihnen in Einklang ſ
.
1) Kunftgefchichte, IV, 2, 6.
Unterfchien der Poefle und Gefchichte, 31
immt er bier nun die hiſtoriſche Wirklichkeit zu Hülfe, fo
st er die ſicherſte Controle, daß ex nichts Unnatürliches, nichts
uumdgliches gewählt haben kann ). Der Dichter Halt ſich in
chen Fällen gerade ebenjo an die Natur, wie ber Bildende
Binftler. Beide nehmen die Naturformen, fofern fie Feine
ern erfinden köͤnnen. Im Ganzen jedoch werden wir ges
Die bei den Höchften Kunſtwerken inımer jchen, daß die Welt,
Welcher fie ſich bewegen, eine ganz andere ift, als die wirt
e Welt. Wie ja auch Sophokles von fich ſelber urtheilt 2),
nehme die Menſchen, --wie fie fein follten, Euripides, mie
wirklich ſind. Selbſt wo er hiſtoriſche Perſonen in fein
ſtwerk herübernimmt, da pflege ‚dev Dichter ihre Haupt⸗
immer zit verſtärken, ihre Nebenzüge dagegen voͤllig ſchwin⸗
zu laſſen. Es entſteht dadurch eine Einſeitigkeit und Vor⸗
ſirfung der Charaktere, wodurch ſie in die abgeſchloſſene
des Kunſtwerkes vortrefſlich hineinpaſſen, im wirklichen
aber niemals eriftiten koͤnnten )). — Die Erfahrung
Einem Worte, die Sammlung des Stoffes ſpielt beim
eine weit geringere Rolle, als beim Hiſtoriker. Wem
Poet ſie verarbeiten will, ſo kann er von dem Seinigen
Natur. Auch der Hiſtoriker wird das Menſchenähuliche
aufſuchen, wird die wechſelſeitigen Beziehungen ſchildern
en Land umd Volk, zwiſchen Natur und Geſchichte. - Der
hingegen trägt kein Bedenken, die Natur gerades We⸗
1 Bol. Hegel's Aeſthetik (Werke Bd. X, Th. 1. S. 328.).
) Aristot. Poet. XXVI.
2) Richt anders die Volksſage, wo fie an hiſtoriſche Perſonen ſich
liegt. „Es iſt auffallend⸗, ſagt Leopold Ranke, »daß die Hi⸗
ie, ſowie ſie in das Gedächtniß der Menſchen übergeht, allemal das
iet der Mythologie berührt. Die Perſönlichkeiten werden ſchroffer,
; fie nähern ſich auf irgend eine Weiſe einem faßlichen Ideal; die
irtenden Urfachen vergeſſen⸗ (Päpfte ILI, ©. 322.).
freier hinzuſetzen. Es handelt ſich z. B. um die materi⸗
ebenheiten werden bezeichnender ausgebildetz die Nebenumſtände und
50 Prolegomena. Kap. 2.
ge8 zu humaniſiren; Himmel und Erde, Feuer und 3
durch menfchenähnliche. Dämone zu bevölkern; ja, die X
felbft, die Bäume und Steine mit menſchlichen Zungen wi
zu laſſen. Oder es handelt fich um vergangene Zeiten. %
der Hiſtoriker wird die Brüde zu ihnen aus feiner. eigen
Zeit hinüberſchlagen. Nur was er nahe gefehen, kann fi
duch Analogie das Verftändnig des Entfernten auffchliek
Den Boeten Hingegen iſt es unverivehrt, fobald die Schüuß
feines. Werkes nicht darunter leidet, die vergangene Zeit ge
des Weges zu mobernifiren. Was kümmert es den Calden
ob. ſein Ulyfjes einem fpanifchen Caballero gleicht? ner N
Racine, ob feine Zrojghelden dem Hofe Ludwig's XIV.
nen? Haben. doch felbit die Hellenifchen Tragikes kein Bcy
ten gehabt:, die alte Heroenmelt ihres Volkes mit den F
benſchmucke der perikleiſchen Zeit auszumalen !). Oder en
eö handelt ſich um ein großes Individuum. Auch der SE
riker freilich wird ſich zum Helden feiner Gefchichte nur ei
geifteöverwandten Mann auswählen: nur. für einen folk
kann er fich ganz intereffien, nur ihn ganz verftehen, ud
lebendige Geſtalt der Nachwelt überliefern. Dem Dichter 1
gegen, wer hat es ihm wohl verargt, wenn er weiter gin
wenn er, fich felbft feinen Helden fubftituirte? wenn feine A
ther ung Meifter, feine -Zauft-und Mephiftopheles, feine Te
und Antonio, einheitlich aber dualiſiſch „ immer nur Ex fd
waren ?, .. 4
Auch wo zwiſchen Preſie und Geſchichte die Sränje ,
wifcht wird, da kann es, ebenſo wie zwifchen PBhilofophie ı
Gefchichte, "Immer nur entincher jugendliche Unreife, oder 3
ginnender Verfall fein. Selbſt in dem Aeußerlichſten der Kat
ſchon. Der Profaroman, wie das bürgerliche Su
— — — — — —*
1) Selbſt von Shakeſpeare, der bei dem großen Haufen in ein
ganz anderen Rufe ſteht, bemerkt Goethe ſehr fein, daß ſeine Rög
3: 8. lauter eingefleifchte Engländer feien; Werte Bd. 35, ©. 370.:
Unterſchied der Poeſie und Geſchichte. | 33
en vor in den Zeiten dee noch nicht vollendeten, und
als wieder der fchon gefunfenen Poeſie. So hat fih
torifche Wiſſenſchaft aller Orten mühſam und allmähliz
er Sage, die gleichfam eine Poeſie des ganzen Volkes
und aus der Reimchronit u. f. w. in ihre eigentlichite
emaneipirt. Im Zeitraume ihrer Alteröfchmäche wird
n dahin wieder zurückkehren, wie die Griechen z. B. in
ider's Zeit beweiſen. Mit Hiftorifchen Epopöen haben
dmer in Ennius Zelt begonnen und in Silius Stalicus
ucan's Zeit geſchloſſen. Unſere deutſche Hiſtorie ift Gott⸗
sch nicht fo weit. Bei unſerer heutigen Poeſie dagegen
wir durchaus ſchon, daß fie entweder ſich mit den ges
n Federn hiſtoriſcher und philofophifcher Wiſſenſchaft
ober aber in der flachen Alltäglichkeit des gemeinen Se
uitergeht. Iſt es bei den Heilcuen anders geweſen, unter
achfolgern des Euripides bis zur neuern Komddie ‚herab?
die vielen Ucherfebungen ausländiſcher Poren, die in
ueſten Zeit unſere Literatur charakteriſiren, haben immer
zedenkliche, daß ſie deu ‚poetifchen Intereſſe unvermerkt
ſtoriſches, ethnographiſches. unterſchieben. Auqh. der Ver⸗
ng zweier von Grund aus verſchiedenartigen Geiſtesrich⸗
1.ijt. zu keiner Sei ein. When Drittes hetzergegaugen.
32 J 4 Prolegomena. Kap. 2.
ges zu humaniſiren; Himmel und Erde, Feuer und Men
Durch menſchenaͤhnliche Dämone zu bevölkern; ja, die Thien
ſelbſt, die Bäume und Steine mit menſchlichen Zungen reden
zu laſſen. Over es handelt. ſich um vergangene Zeiten. Audi
der Hiſtoriker wird die Brücke zu ihnen. aus ſeiner eigenen
Brit hinüberſchlagen. Nur was er nahe geſehen, kann ihn
durch Analogie. das: Verſtändniß des Entfernten aufichliehen,
Dem Poeten hingegen. iſt es unyexwehrt, ſobald die Schoͤnhh
ſeines Werkes nicht darunter leidet, Die vergangene Zeit. gerag
des Weges zu moderniſiren. Bas kümmert 48.ben Calderam
ab ſein Ulyſſes eigene ſpaniſchen Caballero gleicht? ‚oder vg
Rarine,. ob feine Zrojghelden. dem Hofe Luduig's XIV. üb
neln.?.. Haben. dach: felbft die hellenifchen Tragikes Kein. Bedin
ten gehabt;, die alte Heroenwelt ihres Volkes mit dem. Far
benſchmucke der. perikleifchen Zeit auszumalen !). Oder end
es handelt ſich um ein großes Individuum. ‚Auch der Säle
yifer freilich wird ſich zum Helden feiner Gefrhichte nur eis
geifteöverivandten Mann auswählen: nur für, einen ſolch
hann er ſich ganz inzereſſiren, nur ihn. ganz verſtehen, uud. af
lebendige: Geftalt der, Nachwelt überliefern. Dem Dichter Hi
gegen, mer hat es ihm wohl verargt, wenn er weiter, gings
wenn en, fich jelbft feinen Helden. ſubſtituirte? wenn feine Da
ther un Meiſter, feine: Fauſt und Mephiftopheles, jene Tan
und, Antonfe, , einheitlich Pie: dualiſiſch „ Semmer nur Er ..
warm}...
Auch wo wwiſchen Prefie und Geſchicht. die Bramze vo
wiſcht wird, da kann cd, ebenfo wie zwiſchen Philofophie url
Geſchichte, Immer nur entweder jugentliche Untelfe, oder ben
ginnender Verfall fein. Selbſt in dem Aeußerlichſten der Korg
1 on. Der E Profaroinan , wie das birgeiche Sau
Be:
N . PR von Shakeſpeare „der bei dem geoßen„Banfen .in einen
ganz anderen Rufe fteht, - bemerit Goethe jehr fein, --daß feine RömMGE
3. 8. lauter eingefleifhte. Engländer ſeien: Werte Bd. 35, S. 370. —
w
_——
unterſchied der Poeſie und Geihlhte. 33
hen vor in den Zeiten der noch nicht vollendeten, und
nald wieder der ſchon gefuntenen Poeſie. So Hat fih |
iſtoriſche Wifjenfchaft aller Orten mühſam und allmählig
der Sage, die gleichfam eine Poeſie des ganzen Volkes
und aus der Reimchronit u. f. w. in ihre eigentlichite
ı emaneipirt. Im Zeitraume ihrer Alteröfchmäche wird
ven dahin wieder zurückkehren, wie Die Griechen z. B. in
inder's Zeit beweiſen. Mit hiſtoriſchen Epopðöen haben
Römer in Ennius Zeit begonnen und in Silius Italicus
ducan's Zeit geſchloſſen.Unſere deutſche Hiſtorie ift Gott⸗
ioch nicht fo weit. Bei unſerer heutigen Poeſie dagegen
ı wir durchaus ſchon, daß fie entweder ſich mit den ge⸗
en Federn hiſtoriſcher und philoſophiſcher Wiſſenſchaft
„Ober aber in der. flachen Alltäglichkeit des gemeinen He
untergeht. Iſt es bei den —— anders geweſen, unter
tachfolgeın des Euripides be zur neuexn Komdie herab⸗
t die vielen Lcherfegungen ausländifcher, Poeſien . die in
noſten Zeit unſere Literatur darakterifiseu, haben mer
edenkliche, daß: fie. den ypetiſchen Jitereſſe unveryierff
ſtexijches, eihnographiſches unterſchieben. . Yag.Der. Ver
ng zweier von Grund auß verſchiedenartigen Weiſtesrih
hf tee Zeit ein n, hüheres Drittes herzargegangen.
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Drittes Kapitel.
"Werth der biftorifchen Runft.
Fur dem Biſtoriker ſelbſt iſt dieſe Kunſt der eingige
feine hoͤchſten Kräfte vollkontmen auszubilden; der einzige
die Außenwelt und das eigene Herz klarer zw verſtehen
völliger beherrſchen zu ternen. Sie iſt "Die Aufgabe uni
Freude ſeines Libens. Mag er Gott, feinen Nächſten,
ſich ſelbſt lieben: fe it der eigenthümbiche Boden, ati we
ex feine Liebe am herrlichſten entſulten kann i). "Sitte x
wie Heg el ſagt, find das Beſte des Künſtlers.
Es llegt ſeht nahe, den üblichen Rangſtreit zwiſchen
ſie, Philoſophie und Hiſtorie objectiv entſcheiden zu wi
Don den Poeten und Philoſophen iſt man ſchon gew:
daß fie ihre Kunſt, ihre Wiſſenſchaft für. die hoͤchſte überh
ja für die einzige erklären. Vielleicht iſt es ein eigenthüm
Vorzug des Hiſtorikers, die Subjectivität dieſer Frage er
hen. — Suchen wir uns aber auf dem exoteriſchen S
punkte feſtzuhalten, fo läßt ſich durchaus nicht läugnen,
die Poeſie der Hiſtorie überlegen iſt an Allgemeinheit des
—
I!) C'est en cherchant & instruire les hommes, que Pon
pratiquer cette vertu generale, qui comprend l’amour de
Montesquieu.
Objectivität ber hiſtoriſchen Wahrheit. 57
ab. E vinculis quasi, wie Baeo Ipriht, e vincnlis
aocinantur. Die einzige Anönahme von dieſer Regel bil
die Eklektiker, die and den Dlüthen allerlei fremder Sy—
e ihr eigenes zufammenpflücen: ein Syſtem freilich ohne
rzel, das eben deßhalb auch gar bald vertrocknen muß.
terhin auch ſolche Originalphiloſophen, die ſich immer nur
en höch ſten Regionen des Denkens aufhalten, in einer
emeinheit, wo jedes Detail verſchwindet. Dieſe natürlich
freier im Stande, fih über tie Schranken ihrer Zeit, ih⸗
Volkes emporzufghteingen.
Sm Ganzen aber, wie kann es anderd fein? Die wirk-
n Bedürfniſſe eines Volkes, mögen fie Staat oder Kuuſt
Recht betreffen, find auf die Dauer noch zu allen Zeiten
edigt worden, Niemals bat fich ein Volk weder durch
in und Scholaftiter, noch durch Nabuliften und Tyran—
in eine unnatürliche Richtung hineinzwängen laſſen: eben—
venig, wie die Grammatiker allein die Sprache Hilden.
follte das auch, felbft abgefehen von alfer menschlichen
heit und aller güttlichen Vorſehung, wie follte es nur
lich ſin? Jene angeblichen Zwingherren, ſie ſind doch
Beſtandtheile des Volkes ſelbſt; alle ihre Hülfsmittel, ſie
eln doch nur im Volke ſelbſt: es müßten Archimedes fein,
mierhalb ihrer Welt ſtänden! Spricht ein Philoſoph deß—
die wirklichen Bedürfniſſe ſeines Zeitalters aus, — und je—
greße Philoſoph hat es gethan — ſo kann es nicht feh—
ſeine Speculationen müſſen in der Gegenwart ſelbſt oder
sten Zukunft ihr praktiſches Ebenbild finden. — Freilich,
n durch das Nachwachſen der Generationen das Volk all—⸗
ig ein anderes wird, da können die veränderten Menſchen
veränderter Inſtitute bedürfen. Es wird fich ein Streit
ann erheben zwiſchen Den Alten und den Jungen: jene
en Das Bewährte noch ferner bewahren, dieſe die neuen
irfnijfe auch mit neuen Mitteln befriedigen. Solche Kris
wenn fie auf friedlichen Wege durchgeführt werden, hei—
3b Vrolegomena. Kap. 3.
gen Reformen; bei gemwaltfamer Durchführung Revolution
Und wie das Meer ewig ſchwankt zwifchen Ebbe und Fli
fo die Weltgefchichte zwifchen Auhezeiten und Kriſen. Nu
zeiten, wo die Form dem Inhalte vollkommen entſpricht;
fen, wo der veränderte Inhalt eine veränderte Form zu eg
gen ſucht. Wenn nun zwei Philofophen das verfchiedenag
politijche, oder äſthetiſche, oder juriftifche Glaubensbeke
zweier folcher Parteien zum Syſteme verarbeiten: fo wi
fprechen fie, richtig verftanden, einander nicht. Jeder von;
nen faßt die lebhafteſten Wünfche, die tiefften Bedürfniſſe
ner Partei in Worte. Beide pflegen diefe zwar für abſe
Wünſche, abfolute Bedürfnifje audzugeben, allen darin &
fie Beide. Mag der Todefche Staat vom platonifchen Di;
noch fo verfehieden fein: philoſophiſche, fubjeetine Wake
können fie beide haben.
Aber der Menfh, wie Jacobi fagt, bedarf nie
einer Wahrheit, die fein Geſchöpf ift, fondern einer Wat
zugleih, deren Gefchöpf er if. Dieſe Wahrheit, ' ud 9
Zeiten und an allen Orten gültig, Tann ihm die poſitive A
ſenſchaft, kann ihm Die Gefchichte geben. Erkläre ich 2. |
die Jury aus einem Nechtöprincipium für unvechtmäßig q
tadelnswerth, fo mag das für Deutfchland wahr fein,
England ijt es gewiß nicht wahr. Sage ih aber: Sie
aus dieſer und jener Zeitrichting hervor, fie befördert %
und jene andere Zeitrichtung, fie iſt nur unter diefen und:
nen Bedingungen möglich, fie fteht mit der Volkövertreig
der Preßfreiheit in diefem und jenem Zuſammenhange:
habe ich bei gehüriger Beſchränkung auf das mir Delay
entweder ſchlechthin wahr, oder fchlechthin falſch geurthe
Während im erſtern Falle Parteiwünſche, Nationalvorurth
u. ſ. w. unvermeidlich einwirken, ja als weſentliche Pofte
die Rechnung aufgenommen werden müffen, und alles Su
ben des Forfchers nur dahin gehen kann, perfünliche Rückſt
ten auszufchließen ; fo find fie im letztern alle Dura
Objectiv. b. hiſt. Wahrheit, Werth. Geſch. fd. Menſchh. im Allg. 39
me Irrthum und der Sache felbit nach keinesweges noth-
Imbig.
Ircdem menſchlich gebilbeten Manne iſt die Frage natür⸗
„ was der Idealmenſch denken, thun und fühlen würde.
dieſer einen Frage beruhen alle Moral⸗, alle Rechts⸗, alle
fs und alle Staatslehren. Wenn fie der Philoſoph uns
iwortet, fo pflegt er, bewußt oder unbewußt, fich felbit
ufchieben; feine eigenen Ideen, feine eigenen Wünſche
BVorfchriften für die des Idealmenſchen auözugeben. Der
ee ift frei von Diefer Verwechfelung. Was in Staat
Kirche, in Krieg und Frieden, in Kunſt und Wiſſenſchaft
vortrefflichſten Köpfe, Theoretiker fowohl als Praktiker,
eine ſowohl als ganze Völker, gedacht, gewollt und em⸗
haben, das ift feine Aufgabe aus allen Zeitaltern,
Im Welttheilen zufammenzuarbeitn. Einen Idealmenſchen,
BB er, Hat ed außer dem Herrn in der Wirklichkeit nie-
BIS gegeben. Dem alfo forfcht er auch nicht weiter nach,
bonach er ftatt deiten fragt, ſind Die Gedanken, die Forde⸗
Ingen und Empfindungen der ganzen Mienfchheit.
Denn die Geſchichte, um auf den zweiten Punkt zu kom⸗
en, iſt nicht allein Bedürfniß für den einzelnen Hiſtoriker,
dern Bedürfniß zugleich für die ganze Menfchheit.
Ne jeder Menſch wohl einen Trieb beſitzt, alle größern Be-
eiten feined eigenen Leben, weiterhin feiner Väter und
Bnberen im Gedächtniſſe zu behalten, Tagebücher und Stamm⸗
kune darüber zu führen, um folchergeflalt den flüchtigen Au—
mblik in die Kette des ganzen Lebens, Dad einzelne Famili—
lied in die Kette des ganzen Haufed einzufügen: fo befigen
1b die Inſtitute, die Völker und die ganze Menfchheit benz
len Trieb. Der Begriff Menfchheit ift ein Product der
kihichte. „Schon vor Agamemnon“, fpriht Horaz,.
Schon: vor Agamemnon haben Helven gelcht,
Diele Helden; doch alle, unbeweint *
Werth der Biftorifchen ‚Runft.
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‚Dritten Sattel. 0%
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Bir den Sifioriter ſelbſi in viſ⸗ Shut der anzige ZU
. feine hoͤchſten Kräfte "volkontmen andzublfven; der einzige
die Außenwelt und das eigene "Herz klarer zu verſichen i
vblliger beherrſchenzu fernen. ‚St Mi die Aufgabe And
Freude ſeinch Libend. Mag er Gott, ſeinen Nähten;
ſich ſelbſt lieben: fie iſt der eigenthümliche Boden, aif welchi
er feine Liebe am herrlichſten entſulten kann 1). Seine Wer
wie ‚Hegel fagt, find das Bete des Künſtlers. i
Es llegt ſehr nahe, den blicken Rangſtreit zwiſchen Bel
fie, Philoſophie und Hiſtorie objectiv entſcheiden zu wollen
Bon den Poeten und Philoſophen iſt man ſchon gewohnt
daß ſie ihre Kunſt, ihre Wiſſenſchaft für die höchfte überhaugg
ja für die einzige erklären. Vielleicht ift ed cin eigenthlmlichl
Vorzug des Hiſtorikers, Die Subjectivität dieſer Frage einzufl
ben. — Suchen wir und aber auf dem eroterifchen Staud
punkte feftzubalten, fo läßt ſich durchaus nicht läugnen, da
die Poeſie der Hiftorie Überlegen iſt an Allgemeinheit des Ja
—
) C'est en cherchant & instruire les hommes, que l’on pei
pratiquer cette vertu generale, qui comprend l’amour de 10
Montesquieu. |
Objectivitaͤt der biftorifchen Wahrheit. 35
8 fir alle Verhältniffe ), alle Stände, Lebensalter und
hlechter; die Philofophie dagegen an Unabhängigkeit von
Sfahrung, an Untverfalität des Inhalts, an Einheit und
wendigkeit der Form. Wenn auch Beides nicht in dem
e, wie fie ſelbſt zu behaupten pflegen. Dagegen hat aber
die Hiftorie wieder eigenthirmliche Vorzüge. Die Höchiten
iſſe Deider finden ſich in ihr vereinigt. Mit dem Poeten
fie die Seligkeit, lebendige Perfonen in’® Dafein zu ru⸗
mit dem Philofophen Die andere Seligkeit, das fcheinbar
Iofe nach allgemeinen Grundfäßen anzuordnen. Und wei⸗
och | Ste allein fann eine Wahrheit geben,
ür alle Völker, alle Zeiten in gleichem Grade
kommen gültig iſt.
Bei den poetiſchen Werfen hat man von jeher eingeſehen,
re Wahrheit Feine ausſchließliche fit, mit andern Wor⸗
daß die verſchiedenartigſten Kunftlefftungen einander nicht
derfprechen brauchen. Aber auch jedes philoſophiſche Sy⸗
fofern es nit Erfahrungsfähe, etwa über das
liche Denkvermögen,, enthält, kann wirkliche Wahrs
ur für die Geiftesverrwandten des Berfaſſers behaupten.
ser daſſelbe Syftem gleichſam im Keime mit fich herumi⸗
wird feine Erklärungen als folche gelten laſſen. Halten
18 zunächft an die praktiſche Philofophie, ſo finden wir
Regel wenigftend, daß bier aprioriſch eonſtruirt wird;
e Staat, das Recht, die Sitte, die Kunſt befchaffgn
olle. Man bat fchr berſchiden⸗ Ausdrücke für dieſes
llen aufgebracht. Sp’ redet man⸗ wohl z. B. davon,
: Staat wahrhaft ſei, dem Rechte nach fei, von Natur
fprünglich geweſen fei u. |. w.; allein bei näherer Un:
ng findet fich doch immer ein mehr oder weniger aus⸗
Einem glücklich oder anglucuch Liebenden z. B. kann die poeti⸗
ſprache ſeiner Gefühle Genuß bringen 3 eine hiftorifche Aus ſprache
t wird ſelten möslich ſein.
3 *
32 | Prolegomena. Kap. 2.
ge3 zu humaniſiren; Himmel und Erde, Fener und ik
durch menfchenäßnliche. Dämone zu bevölkern; ja, Die Tij
ſelbſt, Die Bäume und Steine mit menfchlichen Zungen x
zu lajien. Oder c8 handelt ſich um vergangene Zeiten. U
der Hiſtoriker wird die Brüde zu ihnen aus feiner. eig
Zeit hinüberſchlagen. Nur was er nahe gefehen, kann ii
duch Analogie das Verſtändniß des Entfernten auffchlieh
Den Poeten Hingegen ijt es unverwehrt, ſobald die Schi
feines. Werkes nicht darunter leidet, die vergangene Zeit. ge
des Weges zu modemifiren. Was kümmert es den Calden
ob fein Ulyſſes einem fpanifchen Caballero gleicht? oder \
Marine, . ob feine Trojahelden dem Hofe Ludwmig's XIV.
nein? Haben doch felbit die Hellenifchen Tragikes Tein Bea
ten gehabt, die alte Heroenmwelt ihres Volkes mit dem Fi
benſchmucke der perikleifchen Zeit auszumalen ’). Der end
es handelt fih um ein großes Individuum. Auch der Gi
riker feeilich wird ſich zum Helden feiner Geſchichte nun ci
geiftesverwandten Mann auswählen: nur für einen fold
kann er fich ganz intereſſiren, nur ihn ganz verfichen, und.
lebendige Geſtalt der Nachwelt überliefern. Dem Dichter E
gegen, wer hat e8 ihm wohl verargt, wenn er weiter gie
wenn .ex, fich jelbft feinen Helden fubftituirte? wenn feine I
ther und Meifter, feine Fauſt und Mephiftopheles, feine %
und Antonio , einheitlich ober dualiſiſch ‚, immer nur Er — —
waren?
Auch wo zwiſchen Preſe und Geſchichte die Gränze
wiſcht wird, da kann es, ebenſo wie zwiſchen Philofophie ı
Geſchichte, "immer nur entineber jugendliche Unreife, oder |
ginnender Verfall fein. Selbft in dem Aeußerlichſten der Fe
ſchon. Der Profaroman, wie das bürgerlihe Schauſp
1) Selbſt von Shakeſpeare, der bei dem großen Haufen in eim
ganz anderen Rufe fteht, bemerkt Goethe fehr fein, daß ‚feine Rög
3: B. lauter eingefleifhte Engländer feien: Werte Bb. 35, ©. 370. \
Unterfchied der Poeſie und Geſchichte. | 3)
jen vor in den Zeiten der noch nicht wollenketen, und
al wieder der ſchon gefunfenen Poeſie. So Hat fih
ſtoriſche Wiſſenſchaft aller Orten mühſam und allmählig
er Sage, die gleichſam eine Poeſie des ganzen Volkes
und ans der Reimchronik u. ſ. w. in ihre eigentlichite
enaneipirt. Im Zeitraume ihrer Alteröfchmäche wird
m dahin wieder zurückkehren, wie die Gricchen z. B. in
nder’8 Zeit beweiſen. Mit Hiftoriichen Epopden haben
dmer in Ennius Zeit Begommen und in Silius Stalicus
ucan’3 Zeit geſchloſſen. Unſere deutſche Hiſtorie ift Gott⸗
och nicht ſo weit. Bei unſerer heutigen Poeſie dagegen
wir durchaus ſchon, daß ſie entweder ſich mit den ge⸗
n Federn hiſtoriſcher und philoſophiſcher Wiſſenſchaft
ober aber in der flachen Alltäglichkeit des gemeinen Le⸗
untergeht. Iſt es bei den, Helfenen, auders geweſen, unter
tachfolgern des. Euripides bis zur neuer Komddie ‚herab?
: Die vielen Ueberſetzungen auslandiſcher Poeſien die in
ueſten Zeit unſere Literatur charakteriſiren, haben immer
zedenkliche, daß fie Deu pyetiſchen Juntereſſe uuvermerkt
ſtoriſches, ethnographiſches. unterſchieben. Auqq. der Ver⸗
ng zweier von Grund aus verſchiedenartigen Geiſtesrich⸗
iſt zu keiner Zeit ein hen Sp genen.
r u. ir
Far .. 4125* N .
0: 2
— ———— —— ern 2.
32 Bu . Prolegomena. Kap. 2.
ges zu humaniſiren; Himmel und Erde, Feuer und
durch menſchenähnliche Dämone zu bevölkern; ja, Die
ſelbſt, die Bäume und Steine mit menſchlichen Zungen
zu laſſen. Oder es handelt. ſich um vergangene Zeiten. A
der. Hiſtoriker wird die Brücke zu ihnen. aus ſeiner eig
Zeit. hinüberſchlagen. Nur was cr nahe. geſehen, kann
durch Analogie das Verſiändniß des Entfernten aufſchließen
Den Poeten Hingegen. iſt es unvexwehrt, ſobald Die Schüuf
ſeines Werkes nicht darunter leidet, Die vergangene Zeit. gerag
des Weges zu modexniſiren. Bas kümmert eb den Calderonh
ab, ſein Ulyſſes einenn ſpaniſchen Caballero gleicht? oder ben
Racine,ob feine Trojahelden dem Hofe Ludwig's XIV. aß
neln 72. Haben. doch: felbft. Die Hellenifchen Tragskeg Kein. Beden
Een gehabt,, Die, alte Hexoenwelt ihres Volkes mit dem Yayı
benſchmucke per: perifleifhen Zeit auszumalen ). Oder endlih
es handelt ſich um ein großes Individuum. Auch der Hifleg
riler freilich wird ſich zum Helden feiner Geſchichte nur einch
Kann. ee fi) gang.ingereftsen, uur ihn gang verfiehen, un al
lebendige Geftalt der Nachwelt: überliefern. Dem Dichter Hin
gegen, mer hat e8 ihm wohl ;verargt, wenn er weiter ging]
wenn -er,fich ſelbſt feinen Helden. fubftituite ?, wenn feine Wen
ther und Meifter,. feine-Zauft-und Mephiftopheles, feine Taſſo
und, Antonlo ' einheitlich ede dualiſiſ a , nmer nur Er ſelbſ
waren 2
Auch wo wiſchen Peeſe und Geſchichn bie Gränze ver
wicht wird, da kann es, ebenfo wie zwiſchen Philoſophie unt
Geſchichte, Immer nur entweder jugendliche Unreife, oder be
ginnender Verfall fein. Selbſt in dem Aeußerlichſten der Forn
ſchon. Der Profaroman , wie das birgeruighe Sqhauſpi⸗
1) PR von Shakeſpeare „der bei dem geoßen,.Banfen..in einem
ganz anberen Rufe fteht, : bemerit Goethe jehr fein; daß ‚feine Röme
3 B. lauter eingefleifhte: Engländer ſeien: Werke Bd. 35, ©., 370.
Unterſchied der Poeſte und Geſchichte. | 53
errfchen vor in den Zeiten der noch nicht vollendeten, und
achmals wieder der ſchon gefuntenen Poeſie. So Hat fi
e hiſtoriſche Wiſſenſchaft aller Orten mühſam und allmählig
8 der Sage, die gleichfam eine Wocfie des ganzen Volkes
, und aus der Reimchronit u. f. w. in ihre eigentlichite
orm emaneipirt. Im Zeitraume ihrer Altersſchwäche wird
eben dahin wieder zurückkehren, wie die Griechen z. B. in
lerander's Zeit beweiſen. Mit hiſtoriſchen Epopden haben
Römer in Ennius Zeit begonnen und in Silius Italicus
d Lucan's Zeit geſchloſſen. Unſere deutſche Hiſtorie iſt Gott⸗
noch nicht fo weit. Bei unſerer heutigen Poeſie dagegen
den wir durchaus ſchon, Daß fie entweder ſich mit den ges
tgten Federn Hiftorifher und philoſophiſcher Wiſſenſchaft
bt; „ober, aber in der flachen Alltäglichkeit des gemeinen Pe
— untergeht. Iſt es bei den Helleuen auders geweſen, unter
Nachfeigern des. Euripides bis zur neuexu Komdie herab⸗
It die vielen Ueberſetzungen ausländiſcher. Poeſien . die in
neueſten ‚Zeit unfere Literatur charakteriſiren haben bnmner
Bedenfliche, "daß. fie. deu hpetiſchen Jutereſſe uuvernierk
hifqrijſes, ethnographiſcheg uuterſchiebenn. „ Yag.der. Ver:
—F zweier von Gruud auß wverſchiedenartigen Geiſtesriha
gen iſt zu Keine See ein aber Dyitted Fo
De ae Te Zr u a. dm eyfai:
AO ' * SBrolegomena; ‚Rap. 3.
Und unbekannt, werben fie bedeckt von ewiger
Nacht, weil fie des heiligen Sängers entbehren.
Diefer Hellige Sänger foll der Stftoriter werden! Sp gicht
Herodotos den Zweck feiner Geſchichte dahin an, daß die
bewunderungswürdigen Thaten der Hellenen und Barbaren
nicht ohne Ruhm blieben (I, prooem.). Plinius verſichert:
Mir ſcheint es wor allem Andern fh zu fein, dasjenige nicht.
untergehen zu laſſen ,was bie Unſterblichkeit verdient hat!)
Wenn gerade die edelſten Männer um des Nachruhmes nl
len gearbeitet haben, fo foll die Geſchichte ihre Beloh⸗
nung fein, ſoll die Strafe fein für die Schlechten. Praeci-
puum, fügt Zarituß, manus annalium reor, ne virtutes
sileantur, utque pravis dietis factisque ex posteritate et
infamia metus sit 2), '
Dieß führt mich hinüber auf den Nutzen der Geſchicht⸗
ſchreibung für den einzelnen Leſer. Man pflegt bier
wohl auf den unmittelbar praktiſchen Vortheil aufmerkſam
zu machen, den die Betrachtung hiſtoriſcher Beiſpiele mit ſich
führte. Dionyfios nennt die Gefchichte deßhalb eine Phi⸗
Iofophie in Beifpielen: ein Ausdruck freilich, der eben fo nie⸗
drige Ideen von der Philoſophie verräth, wie von der Ges
ſchichte. Viele Hiſtoriker jedoch, von den Alten befonderd Po⸗
lybios, von den Neuern Guicciardini und die Engländer, Has
‚ben ihre Werke allerdings hauptſächlich auf die praktiſche Be
Ichrung eingerichtet. Hier follte der Leſer aus dem Erfolge
bergangener Maßregeln lernen, wie ex felbit einmal unter ähn⸗
lichen Umftänden zu verfahren Hätte Sp ſpricht Livinsin
feiner Vorrede: Hoc ıllud est praeeipue in cognitione re
rum salubre ac frugiferum, omnis te exempli documenta
1) Ep. V, 8.
?) La historia es la madre de la verdad, emula del tiempo,
depe"ito de las acciones, testigo de lo pasado, ejemplo y aviso de
lo presente, advertencia de lo porvenir (Don Quixote Cap. 9.)
Objectivitat der hiftorifchen Wahrheit. 35
teſſes fie alle VBerhältniffe ), alle Stände, Lebensalter und
eſchlechter; Die Philofophie dagegen an Unabhängigkeit von
t Erfahrung, an Univerſalität des Inhalts, an Einheit und
othivendigkeit der Korn. Wenn auch Beides nicht in dem
ade, wie fie felbft zur behaupten pflegen. Dagegen hat aber
ch die Hiftorie wieder eigenthinmliche Vorzüge. Die höchſten
nüffe Beider finden fich in ihr vereinigt. Mit dem Poeten
ilt fie die Seligkeit, lebendige Perfonen in's Dafein zu ru⸗
; mit dem Philoſophen die andere Scligkeit, das fcheinbar
zellofe nach allgemeinen Grundſätzen anzuordnen. Und weis
noch! Sie allein Tann eine Wahrheit geben,
für alle Völker, alle Zeiten in gleichem Grade
llkommen gültig ifl. |
Bel den poetifchen Werken hat man von jeher eingefehen,
ihre Wahrheit Feine ausſchließliche ift; mit andern Wor⸗
‚ daß die verſchiedenartigſten Kunftleiftungen einander nicht
viderfpreihen brauchen. Aber auch jeded philofophifche Sy⸗
„ſofern es nit Erfahrungsſätze, etwa über das
ſchliche Denkvermögen, enthält, kann wirkliche Wahr
nur für die Geiftesverwandten des Berfaſſers behaupten.
wer dafjelbe Suftem gleihfam im Keime mit ſich herum⸗
t, wird feine Erklärungen als folche gelten laſſen. Halten:
uns zunächft an die praktiſche Philofophie, ſo finden wir
er Regel wenigftend, daß bier apriorifch confirufet wird,
der Staat, das Recht, die Sitte, die Kunſt beſchaffn
ſolle. Man bat ſehr verſchiedene Ausdrücke für dieſes
ſollen aufgebracht. : So’ redet man wohl z. B. davon,
der Staat wahrhaft ſei, dem Rechte nach ſei, von Natur
urſprünglich geweſen ſei u. |. w.; allein bei näherer Un⸗
hung findet ſich doch immer ein: mehr oder weniger auß-
‚ Einem glüdlidy ober ungrüdtid) Liebenden z. 8. tann bie poetis
usſprache feiner Gefühle Genuß bringen 3 eine hiſtoriſche Ausſprache
Art wird ſelten möglich fein.
3 *
38 Prolegomena. Kap. 8.
pen Reformen; bei gewaltſamer Durchführung Revolution
Und wie das Meer ewig ſchwankt zwifchen Ebbe und Fin
fo die Weltgefchichte zwifchen Nuhezeiten und Kriſen. Pub
zeiten, wo die Form dem Inhalte vollkommen entfpricht, 4
fen, wo der veränderte Inhalt eine veränderte Form zu mg
gen fucht. Wenn nun zwei Philoſophen das verfchiedenuci
politifche, oder äſthetiſche, oder juriftifche Glaubensbekenn
zweier folcher Barteien zum Syſteme verarbeiten: fo will
fprechen fie, richtig verftanden, einander nicht. Jeder von;
nen faßt Die lebhafteften Wünſche, die tiefiten Bedürfniſſe
ner Partei in Worte. Beide pflegen diefe zwar fiir abfoß
Wünſche, abfolute Bedürfnijfe auszugeben, allein darin
fie Beide. Mag der lodefche Staat vom platonifchen dd
noch fo verfehieden fein: philoſophiſche, ſubjective Wake
können fie beide haben. |
Aber der Menfh, wie Jacobi fagt, bevarf nicht E
einer Wahrheit, die fein ©efchöpf ift, fordern einer Wahre
zugleich, Deren Gefchöpf er iſ. Diefe Wahrheit, ' zu a
Zeiten und an allen Drten gültig, kann ihn die pofitive X
ſenſchaft, kann ihm Die Oefchichte geben. Erkläre ich z.
die Jury aus einem Rechtöprincipium für unvechtmäßig
tadelnswerth, fo mag das für Deutjchland mahr fein, ,
England ijt ed gewiß nicht wahr, Sage ich aber: Sie
aud dieſer und jener Zeitrichtung hervor, fie befördert
und jene andere Zeitrichtung , fie tft nur unter dieſen und
nen Bedingungen möglich, fie fteht mit der Volksvertr
der Prepfreiheit in dieſem und jenem Zufammenbange ::
habe ich bei gehüriger Befchräntung auf dad mir B
entiveder fehlechthin wahr, oder ſchlechthin falſch gem
Während im erftern Falle Parteiwünſche, Nationalvo
u. f. w. unvermeidlich einwirken, ja als weſentliche Bo
die Rechnung aufgenommen werden müffen, und alles ©
ben des Forfchers nur dahin gehen kann, perfünliche NRücl
ten audzufchließen ; fo find fie im letztern Falle durche
Objectivität ber hiſtoriſchen Wahrheit. 37
ngab. E vinculis quasi, wie Baeo Ipriht, e vinculis
»rmoeinantur. Die einzige Anönahnte von diefer Regel bil
m die Eklektiker, die and den Blüthen allerlei fremder Sy—
eme ihr eigenes zufammenpflücen: ein Syſtem freilich ohne
Surzel, das eben deßhalb auch gar bald vertrocknen muß.
Beiterhin ach folche Originalphilofophen, die fich immer nur
ıden höchſſten Regionen des Denkens aufhalten, in einer
Mgemeinheit, wo jedes Detail verſchwindet. Dieſe natürlich
nd freier im Stande, fich Über Die Schranken ihrer Zeit, ih⸗
3 Volfed emporzufehtuingent,
Im Ganzen aber, wie kann es anders fein? Die wirk-
hen Berürfniffe eines Volkes, mögen fie Staat oder Kunſt
se Recht betreffen, find auf die Dauer noch zu allen Zeiten
friedigt worden. Niemals hat fich ein Volk weder durch
faffen und Scholaftifer, noch durch Rabuliſten und Tyran⸗
n in eine unnatürlihe Richtung hineinzwängen laſſen: eben=
wenig, wie die Orammatifer allein die Sprache Kilken.
ie follte das auch, ſelbſt abgefehen von aller menfchlichen
eiheit und aller göttlichen Vorſehung, wie follte c3 nur
sglich fein? Jene angeblichen Ziwingherren, fie find Doch
r Beitandtheile des Volkes ſelbſt; alle ihre Hilfsmittel, fie
mein doch nur im Volke ſelbſt: e8 müßten Archimedes fein,
außerhalb ihrer Welt jtänden! Spricht ein Philoſoph deß—
[6 tie mirflichen Bedürfniſſe feines Zeitalters aus, — und je-
: große Philofoph Hat es gethan — fo Fan c8 nicht feh—
„ feine Speeulationen müſſen in der Gegenwart ſelbſt oder
hiten Zukunft ihe praftifches Ebenbild finden, — Freilich,
un durch Das Nachwachſen der Generationen das Volk all
hlig ein. anderes wird, da können Die veränderten Menſchen
h veränderter Inſtitute bedürfen. Es wird fih ein Streit
dann erheben zwiſchen den Alten und den Jungen: jene
len. da8 Bewährte noch ferner bewahren, Dieje die neuen
dürfniſſe auch mit neuen Mitteln befriedigen, Solche Kri⸗
, went fie auf friedlichen Wege durchgeführt werden, het
AR Prolegomena. Kap. 3
auch langſam zum Verwerfen 1). Weil ex die Menſchen kennt,
ſo hütet er ſich, Uebertriebenes von ihnen zu fordern. „Das
Element, worin ſich die Geſchichte bewegt, iſt der Sinn für
die Wirklichkeit, und hierin liegen zugleich das Gefühl der
Flüchtigkeit des Daſeins in der Zeit und der Abhängigkeit von
vorhergegangenen und begleitenden Urſachen, dagegen das Be⸗
wußtſein der innern geiſtigen Freiheit und das Erkennen der
Vernunft, daß die wirkliche Welt, ihrer ſcheinbaren Zufällig—
keit ungeachtet, dennoch durch innere Nothwendigkeit gehunden
it’ u 2),
Solche Gefühle ergreifen und unwiderſtehlich ſchon bet der
Betrachtung jeder Wirklichkeit. Das Studium großer Hiſtori—
Fer fol fie Läutern und ordnen. Aus ihnen foll der Lefer ein-
feben, daß ed auch in der Vergangenheit eine Gegenwart ges
geben Hat, und auch in der Gegenwart eine Gejchichte gicht:
ex foll die Gegenwart durch die Vergangenheit erleuchten, die
Vergangenheit durch die Gegenwart lebendig machen. Indem
die Geſchichte, ſagt Schiller, den Menſchen gewohnt, ſich
mit der ganzen Vergangenheit zuſammenzufaſſen, und mit fciz
nen Schlüſſen im die ferne Zukunft vorauszueilen: jo verbirgt
fie Die Gränzen von Geburt und Tod, Die das Leben des
Menfchen jo eng und fo drückend umſchließen; fo breitet jie
optiſch täuſchend fein kurzes Dafein in einen unendlichen Raum
and, und führt das Individuum nuvermerkt in die Gattung
Ginüßer 5). — Wenn er mu Klar erkennt, Daß alles Große
und alles Kleine im Leben nur den Grade nach verfihieden iſt;
dag dieſelben Gefühle, diejelben Ideen und Leidenſchaften, Die
1) Grundzüge der Hiſtorik, S. 86.
2) Aus einer fchönen Abhandlung von Wilhelm Bumboldt:
Berliner Akademie 1520, ©. 309.
2) Werke, Bd. X, S. 334. (dev neuen Duodezausgabe).
Objectin.b. HR. Wahrheit. Werth d. Geſch.f. d. Menfihh. im Mg. 39
se Irrthum und der Sache felbit nach keinesweges noth⸗
endig.
Jeden menschlich “ gebildeten Manne if die Frage natür-
5, was der Idealmenſch denken, thun und fühlen würde.
uf diefer einen Trage Keruhen alle Moral=, alle Rechts⸗, alle
unfts und alfe Staatölehren, Wenn fie der Philofoph und
antwortet, fo pflegt ex, bewußt oder unbewußt ſich ſelbſt
nterzuſchieben; feine eigenen Ideen, feine eigenen Wünſche
nd Vorfehriften für Die des Idealmenſchen auözugeben. De
iſtoriker ift frei von dieſer Verwechſeling. Was in Staat
dd Kirche, in Krieg und Frieden, in Kunft und Wiſſenſchaft
e vortrefflichften Köpfe, Theoretiker ſowohl als Praktiker,
inzelne ſowohl als ganze Völker, gedacht, gewollt und em⸗
unden haben, das ift feine Aufgabe aus allen Zeitaltern,
m Welttheilen zufammenzuarbeiten. Einen Idealmenſchen,
a er, hat es außer dem Herrn in der Wirklichkeit nie
8 gegeben. Dem alfo forfcht er auch nicht weiter nad).
zonach er ftatt defjen fragt, ſind die Gedanken, die Farde⸗
ngen und Empfindinigen der ganzen Menſchheit.
Denn die Gefchichte, um auf den zweiten Punkt zu kom⸗
n, iſt nicht allein Bedürfnig für den einzelnen Hiftoriker,
idern Bedürfniß zugleich für Die ganze Menſchheit.
ie jeder Menfch wohl einen Trieb beſitzt, alle größern Be⸗
enheiten feines eigenen Lebens, weiterhin feiner Väter und
nherrn im Gedächtniſſe zu behalten, Kagebücher und Stamm⸗
sme darüber zu führen, um folchergeftalt den flüchtigen Au⸗
iblick in die Kette des ganzen Lebens, das einzelne Famili⸗
lied in die Kette des ganzen Haufes einzufügen: fo Befigen
4 die Inſtitute, die Völker und die ganze Menfchheit den⸗
sen Trieb. Der Begriff Menfchheit ift ein Product dei
ſchichte. „Schon vor Agamemnon“, fpriht Horaz,.
Schon vor Agamemnon haben Helden gelebt,
Diele Helden; doc) alle ‚ unbeweint u —
46 Prolegomena. Kay. 3.
gen in die Stille des Landlebens: nicht in ein reizendes Hoe
erat in votis, fondern in eine arınfelige, ſchmutzige Bauern:
welt, die den Staliener, den Diplomaten doppelt anckeln
mußte. Um des täglichen Brotes willen denkt er fogar daran,
Schreiber oder Dorfichulmeifter zu werden! Des Vormittags,
fo berichtet er an Vettori, fit er im Vogelheerde; nach der
Mahlzeit ſpielt er im Wirthshauſe Karten mit gemeinen Bau⸗
een, zanft mit ihnen, und denkt wohl mitunter, ob fich das
Schickſal nicht ſchämen wird, ihn Immer fo zu behandeln,
Wenn dann der Abend fommt, fo fährt ex fort, da kehre ich
nach Haufe zu meiner Studierftube zurüd, Vor der Thüre
werfe ich den bäuerifchen und ſchmutzigen Anzug ab; ich lege
Feierkleider an, und alſo, anfländig geſchmückt, erfcheine-ich
am: Hofe jener Alten, mo. ich, liebevoll aufgenommen, mich
an der. Speiſe erquicke, für die ich einzig geboren bin; wo ich
‚mich nicht ſcheue, wit ihnen zu veden, fie um die Urſachen
ihrer Thaten befrage, fie ‚aber. voll von Humanität mir aut
worten. - Und vier Stunden. hindurch fühle ich Keinen Kum⸗
mer, vexgeffe jeder Sorge, fürchte die Armuth nicht, und felbft
der Tod hat Feine: Sqhrecken Mi mich. 3“ verliere mich ganz
in n ihren N, an. in
Ich komme auf denſelben Punkt Au, v von wo ich aus⸗
gegangen bin. Wir ſahen, für den Hiſtoriker ſelbſt war dag
Geſchichtswerk ein: Mittel, ‚feinem hiſtoxiſchen Kunſttriebe Ge⸗
nuͤge zu leiſten. Nunhat aber jedweder, irgend vollſtäudig
organiſirte Mari hoc. wenigſtens »etwas von hiſtoriſchem
Kunſttriebe; wie ſer auch euyas von poetiſchem, etwas bon mu⸗
filaltfchem, etwas von philoſophiſchem Kuuſttriebe Hat. Nicht
in. dem Grade, wie der Künſtler von, Fach, daß er ſich zu
eigenen Schöpfungen. begeiftert fühlte, . Aber doch fo viel, day
er an der Hand des wirklichen Künſtlers fein Bedürfniß nach
ı) Machiavelli Lett. famil. JM 26.
Werth der Geſchichte für den Einzelnen. 47
pfinden, fein Werk nachfchafien, feine Freude nachgenießen
nn’), Wie alle Bildung überhaupt in der Erweckung und
friedigung neuer Bebürfniffe befteht, fo tft alle Kunit= und
iſſenſchaftsbildung inäbefondere Hierauf berechnet.
.
1) Verſtehen und Sprechen find nur verfchiebenartige Wirkungen
elben Sprachkraft: Wild. Humbelbt, neder die Kawis Sprache,
1, ©. LXX.
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50 Prolegomena. Kap. 2. |
fehors der bloße Gedanke, ein Ereigniß, wie die Neformation,
einen Staat, wie Defterreich, durch eine einzige Tendenz wirk—
Fe charakteriſiren zu können, von der genligfamften Un⸗
wiſſenhrit. Der vortreffliche Windelmann, in deifen Zeit
fi freilich weder die Philoſophie, noch die Geſchichte zu ihrn
nachmaligen Hohe entwickelt haite, beklagt ſich, weil er zu
[HER damit Begounen habe, fo ſei ihm. das Weſen der Schi
helt immer dunkel geblichen iy. Schr: begreiflicht: Den BE
geiff Schönheit zu definiren, und danach die einzelnen Kunſ
we Ki behandeln, iſt eine eigenthümlich philoſophiſche Ars
BZu ceiuer ſolchen aber hatie Winckelmann, als rein his
—* Kopfnatuͤrlich beine· Aulagennd · es war Selbſtver
konaung/ vos er. in Dies Bon Abetpatipt nur hineinpfuſchen
weilte... u
1... Der nteiſchlid. wiſchen⸗ Beetie u. Geſchichte 5
Gr vornehmlich auf. dem Yerfpalte, Nicht allein · die ap
Fotm iann Diefelbe: fein, 4-48 giebt Reimchtoniken - und
finumans: — ſondern auch Die’ ganze Methode der Därftellung!‘
In jedem guten Schauſßietet, jevem- guten Romane geht d
Schilderung der Charaktere Die Borbeteitung ber Haupteffecte;
bie ganze Plaſiit Zer Darſtellung faft auf dieſelbe Weiſe une
ſichwie im hiſtoriſchen Kimſtwerke. : Ster Tann wechfelſeih
unenblich Vieles gelernt werden. : Dei radicale Un
zwiſchen beiden beſteht nen darin, daß“ es dem Dichter‘ af
nucht darauf ahfeinmt-, vb ſeine Darſtellung mit der Wirklich⸗
kei eongruire. Dem Hiſtoriker iſt dieſe Congruenz nothwen⸗
dr Wenn eine Dichtung in manchen: Stücken hiſtoriſche
Ttene beſitzt, "wie zB. Goethe's Egmont und Gi, Schil⸗
lers Wallenſtein's Lager, Shakeſpeare's Cäſar u. A. m., fe
AR das für den Dichter ſelbſt weniger Zweck, ala Erleichte⸗
‚ring. Er muß feinen Charakteren innere Wahrheit verleihen,‘
muß die Umſtände rings umiher mit ihnen in Einklang fehen::
1) Kunftgefhichte, IV, 2, 6.
Praftiicher Werth ver Geſch. für den Einzelnen. - Ad
m Homer einft, im Sokrates und Alerander die Welt entzück,
Heuchtet und bezwungen haben, auch in ihm jetzt thätig find,
md wäre er der Geringiten Einer; Daß alles Dienjchliche dein-
ben Geſetze des Werdens, Blühens und VBergehend gehorcht:
seh ein Gefühl won Schmerz und Luft, von Demuth und
Stolz wird feine Bruft exheben, ihn zu edlem Entfchluffe, zu
sännlicher That erglühen laſſen! Wie Hein, wie beſchränkt
md vergänglich wird er fich felber fcheinen dem Ganzen gegenz
ker; wie groß, wie frei und unſterblich im Wirken durch und
ir das Ganze!
Jedes edle Herz noch hat won Der Kunſt ein Mittel bes
chrt, „die Angſt des Irdiſchen won ſich zu werfen, ſich aus
em engen, dumpfen Leben in das Reich der Ideale hinauf⸗
nflüchten.“ uch die Htitorie gewährt dieß Mittel. Sie rüt⸗
bh den Leſer heraus aus dem Schlafe der Gewöhnlichkeit: er er
M Auge und Urteil an großen Dingm: üben; er ſoll abfe
ka non den Staube und Schmutze feiner nächſten Umgebung,
die Glieder feines Geiftes in der freien Luft großer Hijte-
ſcher Gefilde umhertummeln. Gier kommt es darauf an,
anf eine Hoͤhe zu ſtellen, wo ‚Die Reiche der Erde zu feinen
üben Liegen, wo die Völker in Heerſchau an ihn vorüberzie—
‚wo die Heroen der Vergangenheit mit ihm Geſpräche hal
Bon hier aus wird er freier in Die Beſchränkungen feines
ſes, reicher im ſich felbit zurückkehren 1). So verſichert
lutarchos, als er feine Lebensgeſchichten abgefaßt, da ſei
durch den täglichen Umgang mit ſo viel großen und guten
ännern ſelbſt auch größer und beſſer geworden. Am herr⸗—
Bhften redet hiervon das Zeugniß des Machiavelli. Ma—⸗
kivelli war feiner Aemter entſetzt, : verbannt. und gefoltert.
erden. Von bitterer Noth gequält, hatte ex fich zurückgezo—
1) Bol. die fehr verwandten Betrachtungen, welche Schiller über
e Macht des Gefanges anftellt.
32 0 be Prolegomena. Kap. 2.
ges zu humaniſiren; Himmel und Erde, : Bener und Mien
durch menfchenähnliche. Dämone zu bevölkern; ja, die Thin
ſelbſt, die Bäume und. Steine. mit .menfchlichen Zungen reden
zu laſſen. Oder es handelt fih um vergangene Zeiten, : An
der. Hiſtoriker wird Die.Brüde zu ihnen. auß feiner. eigen
Zeit! hinüberſchlagen. Nur. wa3 er nahe gefchen, kann ihn
durch Analogie, da8:: Verſtändniß des Entfernten aufichlicheng
Dem Poeten hingegen iſt es unvexwehrt, fobald die Schünkd
feines. Werkes nicht. darunter leidet, Die vergangene Zeit. geng
des Weges zu moderniſiren. Was kümmert es den Calderor
ab, fein Ulyſſes einem ſpaniſchen Caballero gleicht? aber b
Rarine,. ob feine Trojahelden dem Hofe Ludwig's XIV.
neln 7. Haben. dach: felbit. die helleniſchen Tragiko kein er
ten :gehabt;,,. die, alte Hegvenmelt ihres Volkes mit dem. 7—
benſchmucke der. perikleiſchen Zeit auszumalen ). Oder endt
es handelt ſich um ein großes Individuum. Auch der Hi
viker freilich wird ſich zum Helden feiner Geſchichte nur ein
geiſtesverwandten Mann auswählen: nur für einen ſolch
Sam. er ſich ganz intereſſiren, nur ihn, ganz verſtehen, uud —
lehendige Geſtalt der. Nachwelt überliefern. Dem Dichter hi
gegen, mer hat es ihm wohl verargt, wenn er weiter, ginz
wenn exnſich ſelbſt feinen Helden ſubſtituirte7 mern feine Tg
ther und Meifter,. feine Fauſt und Mephiftopheles, feine. Ta
und Anianle einheitlich oder dualiſtiſch Jemen nur Er r 7
waren 7.
Auch wo wiſchen Prefie und Geſchicht. bie Seänie
wifcht wird, da kann c8, ebenfo wie zwiſchen Philofophie um
Gefchichte‘, mer nur entweder jugendliche Unreife, ober 1
ginnender Verfall ſein. Selbſt in dem Aeußerlichſten der Kon
ſhe on. Der Proſaroman, wie Das birgeliche Sqeuſt
J 5 - Selbſt von Shakeſpeare, der bei dem grehen Ganfen..in e
ganz anderen Rufe ſteht, bemerkt Goethe ſehr fein, daß, feine Ror
3: B. lauter eingefleiſchte: Engländer ſeien: Werte Bd. 35, S. 370.4
Werth ver Geſchichte für ven Einzelnen. 47
inden, fein Werk nachfchafien, feine Freude nachgenießen
1). Wie alle Bildung überhaupt in der Erweckung und
fedigung neuer Bedürfniffe beſteht, fo tft alle Kunft= und
enfchaftöbildung insbeſondere hierauf berechnet.
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) Berfichen und Spredhen find nur verichiebenartige Wirkungen
en Sprachkraft: Bi Humboldt, Ueber bie Kawi⸗ Spraqhe,
S. LXX.
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Werth der Biftorifchen Kunſt.
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Hr ven Siföritir fetsf m Dee Shunf der Ariige
Ä feine höchften Kräfte vollkontmen audzubilden; der einzige R
die Außenwelt md das eigene Herz klarer zu verſtehen
vblliger beiherrſchen nu fernen. Ste Mt die Aufgabe und
Freude fehreg Ehbchd. Mag er Gott, feinen Nächften, ı
ſich ſelbſt lichen: fie N der egenithüniliche Boden, auf meld
er Teine. Liebe amrhecrlichſten ehtfalten kann i). Seine We
wie Hegel ſagt, find’ das Bett des Künſtlers.
SE Mege ſeht nahe; den Üißlichen Rangfteeit zwiſchen —
ſie, Philoſophie und Hiſtorie objectiv entſcheiden zu wol
Von den Poeten und Philoſophen iſt man ſchon gewol
daß fie ihre Kunſt, ihre Wiſſenſchaft für. die höchſte überhan
ja für bie einzige erklären, Vielleicht iſt es ein eigenthümli
Vorzug des Hiftoriterd, die Subjectivität dieſer Frage einz
ben. — Suchen wir und aber auf dem eroteriichen Sta
punkte feitzuhalten, fo läßt fih durchaus nicht läugnen,
die Poefie der Hiftorie Überlegen ift an Allgemeinheit des
—.
') Cest en cherchant à instruire les hommes, que Fon |
pratiquer cette vertu generale, qui comprend l’amour de ıt
Montesquieu.
Obiectivitat der hiſtoriſchen Wahrheit. 35
ſſes für alle Verhältniffe !), alle Stände, Lebensalter und
chlechter; Die Philoſophie dagegen an Unabhängigkeit von
Srfahrung, an Univerfalität des Inhalts, an Einheit und
thwendigkeit der Form. Wenn auch Beides nicht in dem
ade, wie fie felbft zu behaupten pflegen. Dagegen hat aber
h die Hiftorie wieder eigenthinnliche Vorzüge. Die höchſten
nüſſe Beider finden fich in ihr vereinigt, Mit dem Poeten
It fie die Seligkeit, Lebendige Berfonen in's Dafein zu ru⸗
; mit dem Philofophen die andere Scligkeit, das fcheinbar
jellofe nach allgemeinen Grundſätzen anzuordnen. Und wei⸗
noch! Sie allein kann eine Wahrheit geben,
für alle Völker, alle Zeiten in gleihem Grade
(kommen gültig if.
Del den poetifchen Werten hat man von jeher eingefehen,
ihre Wahrheit Feine ausſchließliche iſt; mit andern Wors
daß die verſchiedenartigſten Kunftleiftungen einander nicht
überfprechen brauchen. Aber auch jedes philofophifche Sy⸗
‚ fofern es nit Erfaprungsfäge, etwa über das
liche Denktvernögen, enthält, Tann wirkliche Wahr
nur für die Geiſtesverwaudten des Berfaſſers behaupten.
wer daſſelbe Syſteni gleichſam im Keime mit ſich herum⸗
wird feine Erklärungen als ſolche gelten laſſen. Halten
ms zunächſt an die praktiſche Philofophie, fo- finden wir
e Regel wenigſtens, daß Hier aprioriſch conſtruirt wird;
er Staat, das Recht, die Sitte, die Kunſt befchaffgn
folle. Man bat ſehr verſchiedene Ausdrüucke für dieſes
ollen aufgebracht. So’ redet man⸗ wohl z. B. davon,
x Staat wahrhaft ſei, dem Rechte nach fei, von Natur
efprünglich geweſen fei u. ſ. w.; allein bei näßerer Un-
ung findet ſich doch immer ein: mehr oder weniger aus⸗
Einem glücklich oder anglucuch Liebenden 3. B. kann die poeti⸗
zſprache ſeiner Gefühle Genuß bringen; eine hiſtoriſche Aus ſprache
rt wird ſelten möglich fein.
3 *
30 Prolegomena. Kap. 4.
geiftlichen Wurzeln erwächſt, jo knüpfen ſich auch Die Anna
urſprünglich an religieje Seite, religiöje Mionumente an. 4
Griechenland 3. DB. an die Sieger in ten großen Spielen, ;
die Weihgeſchenke Der großen Tempel; zumal feit es i
wird, jenen Siegen BVildſäulen zu errichten, dieſe We
Schenfe mit Inſchriften zu verſehen. Solche Dionumente Si
Haltpunkte für die flüchtige Ueberlieferung. In Aegypten
fi die Gejchichte niemals über eine ſelche Dionumentalde
erheben können. Bei dar Römern ſchloß ſich Die Famil
tradition der adligen Geſchlechter vorzugoweiſe an die M
bilder an. Der oberſte Bentifer führte Die Annalen des S%
tes, wobei religiöſe Feierlichkeiten, Jahreswechſel u. dal,
den Anlaß gaben. Ju der germanischen Welt haben die &
lichen Feſtbücher, worin Oſtern, Pfingjten u. f. w. calen
riſch verzeichnet jtanten, die Örundlage der Aunalen gebif
— Jede Geſchichtſchreibung Diefer Art kann natürlich bloß fü
mentariſch fein. Cie flichet das Detail, das nun von,
unfihern Mythe ergänzt werden muß. Sie ift auf das Ey
an Drt und Tag gebunden, ohne Plan, ohne Auswahl, |
ber die geringfügigjten Kleinigkeiten, Gewitter, Feuerökrig
denfelben Raum einnchnen, wie die wichtigiten Schlach
Die Annalen find getreu, denn eine Verarbeitung der Er
niſſe iſt kaum werfucht. Der perfünliche Charakter des Be
ferö leuchtet noch beinahe nirgends hervor. |
Aus diefen Annalen entwickelt fih De Chronik,
in der hifterifchen Literatur dieſelbe Nolle ſpielt, wie in
poctifchen Das Epos, Sie ift überall die erfte Stufe der kr
mäßigen Geſchichte geweſen. — Die Chroniſten, wie
cero ſpricht, ſind non exornatores rerum, sed tantumm
narratores, d. h. fie denken lediglich am treue, wenn's:
kommt, geſchmackvolle Ueberlieferung des Geſchehenen,
irgend einen praktiſchen Nutzen zu beabſichtigen, oder in
Tiefen der Dinge hinabſteigen zu wollen. Wie es geſcheh
ſt, das erzählen ſie; das Wozu, das Warum liegt jenß
Praftiicher Werth der Geſch. jür den Einzelnen. AB
omer elnft, im Sokrates und Alerander die Welt entzückt,
chtet und bezwungen haben, auch in ihm jet thätig find,
wäre er der Geringiten Einer; Daß alles Menſchliche dans
n Geſetze des Werdens, Blühens und Vergehens gehorcht:
y ein Gefühl ven Schmerz und Luſt, von Demuth und
z wird feine Bruſt erheben, ihn zu edlem Entfchluffe, zu
tliher That erglühen laſſen! Wie Hein, wie bejchräntt
vergänglih wird er ſich felber fcheinen dem Ganzen gegen
; wie groß, wie frei amd unsterblich im Wirken durch und
a3 Ganze!
Jedes edle Herz noch hat won der Kunſt ein Mittel bes
, „die Augſt des Irdiſchen ven ſich zu werfen, fich and
engen, dumpfen Leben In dag Reich der Ideale hinauf⸗
chten.“ Auch die Hiſtorie gewährt dien Mittel. Sie rüt⸗
ven Lefer herans and dem Schlafe ver Gewöhnlichkeit: ‚er
Auge und Urtheil an großen Dingen üben; er Toll abfe
son den Staube und Schmutze Feiner nächſten Umgebung,
die Glieder feines Geiſtes in der freien Luft großer hiſto⸗
t Gefilde umbertinnnieln. - Hier kommt e3 darauf an,
nf eine Hehe zu ‚stellen, wo die Reiche der Erde zu feinen
ı liegen, wo die Völker in Heerſchau an ihm woräberzire
wo die Herden der Vergangenheit mit ihm Geſpräche hal
Bon hier aus wird er freier in. die Beſchränkungen feines
8, reicher in fich felbit zurückkehren ). So verfichrrt
tarchos, alö er feine Lebensgeſthichten abgefaßt, da ſei
rch Den täglichen Umgang mit jo. viel großen und gutoi
nern ſelbſt auch größer und beſſer grworden. Aut. herr⸗
n redet hiervon das Zeugniß des Muchiavelli. Mas
Mi war feiner Aemter eutſetzt,: verbaunt. und gefoltert;
en. Bon bitterer Neth gequält, ‚hatte: ex ſich zurückgezo—
Vgl. die ſehr verwandten Vetrachtungen,— weiche Schitter über
acht des Geſanges anſtellt. ,
A6 Brolegomenn. Kay. 3.
gen in die Stille des Landlebens: nicht in ein reiendes Hoe
erat in votis, ſondern in eine armſelige, ſchmutzige Bauern⸗
welt, die den Italiener, den Diplomaten doppelt anckeln
mußte. Um des täglichen Brotes willen denkt er fogar daran,
Schreiber oder Dorfichuhmeifter zu werden! Des Vormittags,
fo berichtet er an Vettori, fit er im Vogelheerde; nach der
Mahlzeit fpielt er im Wirthähaufe Karten mit gemeinen Bau⸗
ern, zankt mit ihnen, und denkt wohl mitunter, ob fich dad
Schickſal nicht ſchämen wird, ihn immer fo zu behandeln,
Wenn dann der Abend fommt, fo fährt er fort, da Eehre ih
nach Haufe zu meiner Studierftube zurück. Vor der Thüre
werfe ich den bäuerifchen und ſchmutzigen Anzug ab; ich lege
Feierkleider an, und alfo, anſtändig geſchmückt, erſcheine ich
am Hofe jener Alten, mo. ich, liebevoll aufgenommen, mich
gn der. Speife erquicke, für die ich einzig geboren bin; wo ich
mich nicht fchene, mit ihnen zu reden, fie um die Urſachen
ihrer Thaten befrage, fie aber. vol von Humanität. mir auts
worten.. - Und vier Stunden ‚hindurch fühle ich keinen Kum⸗
mer, ‚vergeffe jeder Sorge, fürchte die Armuth nicht, und felbft
"der Tod hat Feine: Sieden für mid. 3“ verliere nich ganz
in n ihren N) in Fi
Ich komme auf denſelben Punkt aut, von wo ich ans⸗
—8 bin. Wir ſahen, für den Hiſtoriker ſelbſt war das
Geſchichtswerk ein Mittel, ‚feinen hiſtoxiſchen Kunſttriebe Ge
nũge zu leiſten. Nun hat aher jedineder, irgend vollſtäudig
erganificte. Menſch doch weuigſtens »etwas von hiſtoriſchem
Kunſttriebe; wie ſer ach euyas von poetiſchem, etwas von ums
ſikaliſchem, etwas von lien Seunfttriche Hat. Nicht
in.dem Grade, wie der Künftler von, Zach, daß er fich zu
eigenen Schöpfungen. begeiftert fühlte, . Aber doch fo viel, daß
er an der Hand des wirklichen Künftlers fein Bedürfniß nach
ı) Machiavelli Lett. famil. /M 26.
Werth der Geſchichte für den Einzelnen. 47
inden, fein Werk nachfchaften, feine Freude nachgenießen
1). Wie alle Bildung überhaupt in der Erweckung und
edigung neuer Bedürfniſſe beiteht, fo tft alle Kunft= und
mfchaftöbildung inöbefondere Hierauf berechnet,
%
) Berfiehen und Sprechen find nur verichiebenartige Wirkungen
en Sprachkraft: Wild. Humboldt, Heber die Kawis Gpradye,
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30 Briolegomena. Kap. 2.
ſchotr der bloße Gedanke, ein Ereigniß, wie die Reformation,
einen Staat, wie Oeſterreich, durch eine einzige Tendenz wirk
boch charakteriſiren zu. können, von der genügſamſten Un⸗
wiſſenhrit. Der vortreffliche Windelmann, in deſſen Zeit
fig: freilich weder die Philoſophie, noch die Geſchichte zur ihrn
nachmaligen Hohe eutwickelt halte, beklagt ſich, weil er zu
ER damit begonnen habe, fo fe ihm das Weſen der Schoͤn—
helrrimmer dunkel geblieben 1); . - Schr: begreiflicht Den Be
geiff Dchonheit zu definiren,“ und danach die einjelnen Kumfle
werke zu behandeln, iſteine eigenthümlich phileſophiſche Ars
beit = Zar ten ſolchen· aber hatte Winckelmann, als rein hi
ſtoriſcher⸗ Kopf/tiatürlich beine· Aulagee· und es war Selbſtoer⸗
konaung va er: in dieſes Geblet abethaupt nin hineinpfuſche
weilte.‘ FREE PB For BER U are FE Po Bere:
. Der atewſhlid zwlfegeh:B defse und Seſchichte Ger
herr vornehmlich auf-Dene Inhalte. Nicht allein sie aͤußerlichſte
"Ya Eann dieſelbeſein, 4-48 giebt Reimchroniken und Pro⸗
finumane: — ſondern auch Die ganze Methode der Darftellung:
In jedem guten Schaufpiele,: jedem guten Romane "geht die
Schilderumg der Charaktere‘; die Vorbeteitung ber Haupteſſecte,
vie ganze Plaſtik 2er Darſtellung faſt Auf: dieſelbe: Weife vor
fig, Wie im hiſtoriſchen Kimſtwerke. . Hier kann wechfetfeittg
unendlich Vielts gelernt· erden Det radieale Uuterſchi⸗
zwiſchen Heiden beſteht num datin, daß“ es dem Dichter: gan
nicht darauf ankommt, ob ſeine Darſtellung mit der Wicklich⸗
Fer: eongruire. Dem Hiſtoriket iſt dieſe Eongruenz nothwen⸗
bie Wenn eine Dichtung in manchen Stücken hiſtoriſche
Treue beſitzt, wie zuo B. Goethe's Egmont und Götz, Schil⸗
[3 Wallenſtein's Lager, Shakeſpeare's Ehfar u. A. m., fo
iſt das: für. den Dichter felbft weniger Zweck, als Erleichtes
‚ring. Er muß feinen Eharakteren innere Wahrheit verleihen,
muß die umſinde rings imiher mit ihnen in Einklang ſetzen.
13) Kunſtgeſchichte, IV, 2, 6.
Unterfchiev der Poeſte und Geſchichte. 31
mb er hier nun die hiſtoriſche Wirklichkeit zu Hülfe, ſo
er die ſicherſte Controle, daß ex nichts Unnatürliches, nichts
nögliches gewählt haben kann !). Der Dichter halt ſich in
yon Fällen gerade ebenfo an die Natur, wie der bildende
ler. Beide nehmen die Naturformen, fofern fie keine
ın finden koͤnnen. Im Oangei jedoch erden wir. ges
bei den höchſten Kunſtwerken immer ſehen, daß die Welt,
yelcher fie ſich bewegen, eine ganz andere iſt, als die wirb⸗
Welt. Wie ja auch Sophokles won ſich ſelber urtheilt 3),
chme die Menſchen, wie fie fein ſollten, Curipides, wie
birklich ſind. Selbſt mo: er. hiſtoriſche Perſonen u ſein
tat herübernimmt, da pflegtder Dichter ihre Haupt⸗
immer zw erſtarken, ihre Rebenizüge dagegen voͤlig ſchwi⸗
zu laſſen. Es entſteht dadurch eine Ginjeitigkeit iund Wind
ung der Charaktere, wodurch ſie in die - abpefchluffend
des Kunſtwerkes vortrefſlich hineinpaſſen, im wirklichen
aber niemals exiſtiten könnten ). — Die. Erfahrung
kinem Worte, die Sammlung des Stoffes ſpielt beint
m eine weit geringere Rolle, als beim Hiſtoriker. Wenn
oet-fie verarbeiten will, fo kann er von dan Seinigen
reier hinzuſetzen. Es handelt fh. z. B. um die makeri⸗
Rate. ':: Auch -der Hiſtoriker wird dab Menſchenahuliche
auffuchen ;: wird die wechfelfeitigen: Beziehungen fihilverk
en- Laud imd: Volk, zwiſchen Natur md Geſchichte. Der
© hingegen trägt kein Bedenken, die Natur gerades We⸗
2. 2 575 BB ’ „eh:
Vol. begele Keftpetit Werte Bd. x, 2%. 1.8. 388).
Aristot. Poet. XXVI. .
Richt anders bie Beitäfage, wo fi e an biftorifche Perfonen fi ch
ßt. Es iſt auffallend⸗, ſagt Leopold Ranke, "daß die His
fowie fie in das Gedächtniß der Menfchen übergeht, allemal das
der Mythologie berührt. Die Perfönlichkeiten werden fchroffer,
fie näheen:fich auf irgend eine Weife einem faßlichen Ideal; die
ıheiten werben: bezeichnender - ansgebilbet; - die Nebenumftände 4 und
enden Urfachen vergeffen« (Päpfte III, ©. 322.).
A6 Prolegomena. Kay. 3.
gen in die Stille des Landlebens: nicht in ein veizendes 1
erat in votis, fondern in eine armfelige, ſchmutzige Bau
welt, die den Staliener, den Diplomaten Doppelt ane
mußte. Um des täglichen Brotes willen denkt er fogar dat
Schreiber oder Dorfihulmeifter zu werden! Des Vormitts
fo berichtet er an Vettori, fit er im Vogelheerde; nad
Mahlzeit pielt er im Wirthshauſe Karten mit gemeinen B
ern, zanft mit ihnen, und denkt wohl mitunter, ob fich
Schickſal nicht fhämen wird, ihn immer fo zu behandı
Wenn dann der Abend kommt, fo fährt er fort, da kehre
nach Haufe zu meiner Stubierftube zurück. Vor der Th
werfe ich den bäuerifchen und ſchmutzigen Anzug ab; ich |
Feierkleider an, und alfo, anſtändig geſchmückt, erſcheine
am Hofe jener Alten, wo ich, liebevoll aufgenommen, u
an der. Speife erquicke, für die ich einzig geboren bin; wo
mich nicht ſcheue, wit ihnen zu veden, fie um die Urfad
ihrer Thaten befrage, ‚fie aber. voll von Humanität. mir a
worten. Und vier Stunden hindurch fühle ich Feinen Ku
mer, ‚vexgeffe jeder Sorge, fürchte die Armuth nicht, und fel
der Tod hat Feine Sehreclen Hi mich. Ich verliere mich gi
in ‚Amen N...
Sch komme auf denſelben Punkt zwei, von wo ich au
gegangen bin. Wir ſahen, „für deu Hiſtoriker felbft war }
Geſchichtswerk ein Mittel, feinem Hiftorifchen Kunfttriebe €
nüge zu.leiften. - Nun hat aber jedweder, irgend wollitän
organiſirte Menſch doch weuigſtens »ctwas von hiſtoriſch
| Kunfttriebe ; wie sen auch etwas von poetiſchem, etwas von u
ſikaliſchein, etwas von philoſophiſchem Kunſttriebe hat. Ni
in dem Grade, ‚wie der Künſtler von, Fach, daß er ſich
eigenen Schöpfungen begeiſtert fühlte. Aber doch fo viel, d
er an der Hand des wirklichen Künſtlers fein Bedürfniß na
ı) Machiavelli Lett. famil. N? 26.
Werth der Geſchichte für ven Einzelnen. A7
wpfinden, fein Berk nachfchafien, feine Freude nachgeniehen
kan ı). Wie alle Bildung überhaupt in der Erweckung und
ung neuer Bebürfniffe befteht, fo tft alle Kunft= und
enſchaftsbildung insbeſondere hierauf berechnet.
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1) Berſtehen und Sprechen find nur verfchiebenartige Wirkungen
Sprachkraft: Wild. Humboldt, Ueber bie Kawis Sprache,
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Entwicklungsſtufen der biftorifchen Kunſt
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38, müfjen und gewöhnen, die Gefammtliteratur des
ſiſchen Alterthumes als Ein großes Ganzes zu betrachten,
mit der Oefanmtliteratur der romaniſchen und german
Völker unabläſſig zufammenzuftellen. Aus der Vergleit
diefer beiden großen Maſſen, die fich im Wefentlichen fehr
log entwickelt Haben, werden die ſchönſten Einfichten mi
in die Entwicklungsgeſetze der Literatur überhaupt.
Die erften Keime jeder ſpätern Wifjenfchaft, Der. Hi
ſchen ſowohl, als der philofophifchen, Tiegen im Epos
borgen. Zuerſt im theologijchen Epos ?), dann im beroi;
Hat der gefammte epifche Liederftoff eines Volles, Die 9
fodien der Alten, die Balladen und Romanzen der Neuern
nen vollendeten Drdner gefunden, wie den Homer, den Of
den Samund Sigfuſſon: fo pflegt Kei ſelbſtändig entwid
1) Bol. die mehrermähnte geiftvolle VBrofchüre von Gervi
Grundzüge der Hiftorit (1837), die ich im Anfange diefes Paragr
fleißig benußt habe.
2?) Dlen, Pamphos, Orpheus und Muſäos; die ältere Edda
deutfchen Evangelienharmonien. Auch bei den Sndiern find die $
älter, als die Heldengedichte.
Chronik. Xeltefte Philoſophie. 35
dee Gegenwart in möglichfter Ausführlichfeit und vom
tiihen Standpunkte aus niederzufchreiben, eriftirt zu als
ten, Died Bedürfniß hat bei dm Römern die acta
1, Bei den Neuern die Zeitungen erſchafſen; es bleibt
beim äußerſten Verfalle des Volles, wenn alle eigents
iſtorie ſchon verſtummt ift, allein:nnch übrig... : =
uch die Philofophie, der Alten wie der Neuern, bat.
pos und Chronik entſprechende Anfangsſtufe. Mit cife-
Verſenken in überlieferte Syſteme hebt ſie an, wie es
cholaſtik unſers Mittelalters am deutlichſten beweiſet.
un Römern gedenke ich des Lueretind, und bei den Hel—⸗
ogar it in der myſterioſen Weisheit der Orphiker ein
nder Einflug des Morgenlandes unverkennbar. Auch)
ilofephie Hat fih nur allmählig von der Theologie
sirt, und eben Daher jener myſtiſche Charakter, der bei
en Kosmogonifern bis auf Thales, bei den Neuern vor
fo entfchieden durchblickt. Bänder, wie Spanien, die
Geſchichte fait nur Chroniften befigen, Haben es auch
Philoſophie niemals weit über die Scholaftit hinaus ges
und am Echluffe der. hiſtoriſchen Entwicklung, wo fin
alter eines Volkes die Hiftorie wieder alır Chronik zu⸗
ſchrumpft, da pflegt auch die Philoſophie in’ Scholaſtik
yſtik wieder auszuarten.
enn das Epos zu verfallen beginnt, ſo tritt die lyri⸗
ichtung allmählig In den Vordergrund, Das Epos
vodirt, und geht zulegt in die fürmliche Satire über.
le dieſe Dichtungdarten ‚eine didaktiſche Farbe an
gen, fo entftehen auch mit am Früheſten ‚eigentliche
ichte. Die guomifche Poefie blühet Diefe ganze kin
durch 1). — De mehr die epiſche Reproductien den
Eh . 5 :y
margites, Batrachomyemathie, Aeſopz bie ganze gReinhardefagr,
Waldis u. f. w. — Archilochos, Simonides "son Amorgos;
3 die Volksbücher in Eulenſpiegel's Art, Scaftian Brandt
30 Prolegomena. Kap. 4.
geiftlichen Wurzeln erwächſt, jo knüpfen fich auch die Am
urfprünglich an religiöfe Feſte, veligiöje Monumente an,
Griechenland z. B. an die Sieger in den großen Spielen,
die Weihgejchente der großen Tempel; zumal feit es üb
wird, jenen Siegen Vildſäulen zu errichten, dieſe Wei
Schenke mit Inſchriften zu verſehen. Solche Dionumente bi
Haltpunkte für Die flüchtige Ucherlieferung. In Aegypten f
ſich Die Gejchichte niemals über eine ſolche Monumentalcht—
erheben können. Bei den Römern ſchloß fi Die Famil
tradition der adligen Gefchlechter vorzugsweiſe an die Al
bilder an. Der oberfte Bontifer führte die Annalen des Sl
tes, wobei religiöje Feierlichkeiten, Jahreswechſel u. dgl. 4
den Anlag gaben. In der gerinanifchen Welt haben die Ei.
lichen Feſtbücher, worin Oftern, Pfingſten u. ſ. w. calciJ
riſch verzeichnet ſtanden, die Grundlage der Annalen gebll .
— Jede Geſchichtſchreibung diefer Art kann natürlich bloß fh.
mentariſch fein. Cie fliehet das Detail, das num von.
unfihern Mythe ergänzt werden muß. Sie iſt auf das Er .
an Drt und Tag gebunden, ohne Plan, ohne Auswahl, J.
her die geringfügigiten Kleinigkeiten, Gewitter, Feuersbrig
denfelben Raum einnehmen, wie die wichtigiten Schlahl
Die Annalen find getren, denn eine Verarbeitung der CE
niſſe ift kaum verfucht. Der perfünliche Charakter des 2
ſers leuchtet noch beinahe nirgends hervor.
Aus dieſen Annalen entwickelt ſich die Chronit, m
in der hiſtoriſchen Literatur dieſelbe Rolle ſpielt, wie inſ
poetiſchen das Epos, Sie iſt überall die erſte Stufe der ig"
mäßigen Geſchichte geweſen. — Die Chroniſten, wie
cero fpricht, find mon exornatores rerum, sed tantummij
narratores , d. 5. fie denken lediglich an treue, wenn's9
kommt, geſchmackvolle Ueberlieferung des Gefchehenen,
irgend einen praktiſchen Nutzen zu beabſichtigen, oder in h
Tiefen der Dinge hinabfteigen zu wollen. Wie es geſchch
ft, das erzählen fie; das Wozu, dad Warum Liegt jenſg
Lyrik. Memoire. 35
an beinahe über feinem Buches der Memoirenſchreiber
yandelnde Berfon, ja, ex pflegt fich-felber in den Mit⸗
t feines Werkes zu ftellen, Alles auf ſich zu bezichen,
: Auswahl des Erzählten nad der engern oder weitern
dung mit feinem eigenen Leben einzweichten. . Nechtfertis
yrer felbit, Anklage ihrer Gegner, wo nicht gar directe
kung auf die praßtifche Welt, iſt von jeher das Motiv
iſten Memoirenſchreiber geweſen. Der Ehronift blieb
zei der Erzählung der äußerlichſten Begebenheiten; wenn
ren wollte, ſo nahm er ſeine Zuflucht gleich zu einem
x machina: der Memoirenſchreiber gebt überall auf
e Delchrung aus; er deutet Die Begebenheiten felbft
anz was ihn intereffirt, daB find die Motive, Die
hen Motive der Handlungen, . Diefe. verfolgt er bis in
borgenften Quellen zurüd, Nur läuft er bier, freilich
entgegengefeßten Seite her, dieſelbe Sefahr, wie der
t, über der Maſſe des Kleinen das Große zu überſe⸗
> größten geiftigen Revolutionen aus den Ränken eines
iters, den Plaudereien einer Kammerzofe, den Launen
liniſters herzuleiten. Der Memnoirenfchreiber, weil er:
Regel ald Augenzeuge berichtet, iſt nicht fo leichtgläus.
e der Chroniſt, aber dafür parteiliher: Er ſteht den.
Kreifen näher, ‚aber dafür dem Volke ferner. Sein
mfagt kaum fo viel Sahrzehende, wie die Chronik
iderte; daher ex die Gegenwart, nach Art jeder Diode,
intereffirt, von der Nachwelt aber ſchneller vergeffen wird.
zerk iſt gefchloffener, einheitlicher,. aber dafür auch en⸗
oftmal3 Heinlicher. In fremde Zuftände kann er fi
neinverfeßen.
8 Memoire iſt natürlich am ausgebildetiten in Zeiten
wickelten, ränkevollen, auf Berfönlichkeiten Geruhenden
Es hat daher bei den Römern von Sulla bis Cäſar,
Stalienern des fechzehnten Jahrhunderts, bei den
n der neuern Zeit feine höchſte Blüthe getrieben. Cä⸗
52 Prolegomena. Kap. 4.
lich gewiß, daß er den Anfang vieler Begebenheiten yiebe
fhrieben Hat, ohne noch das Ende zu kennen. ” Daher fu
Autoren, gerade iwie die einfachiten Annalen, ohne Stie
fönnen fortgefeßt werden. Sie wollen Herolde des Natig
ruhmes fein, Daher pflegen fie denn einerfeits alles
mag es mit der vaterländiichen Gefchichte in noch fo e
Zufammenhange ftehen, unbeachtet zu laſſen, wie z. B. J
vius über Die puniſchen, helleniſchen, ja ſelbſt die itali
Verhältniſſe außerhalb Roms beinahe ignorant iſt; and
ſeits, wo es die Heimath ſelbſt betrifft, können fie in
nahme der unbedeutendſten Kleinigkeiten nicht Maß Hal.
Jeder irgend angeſehenen Familie, jeder irgend merkwürdige
Localität, jedes irgend noch vorhandenen Inſtitutes muß
führlich Erwähnug geſchehen. Ein Hauptgrundſatz der W.
riſchen Kunſt, dag man in jeden Theile das ganze Wr,
jedem Werke die ganze Menfchheit wiederfinden müſſe, W;
hier natürlich gar nicht Beachtet werden. - Alles formelle
Ben des Verfaſſers beſchränkt fich auf ſchöne, Effeet mal
Darſtellung der Einzelheiten. Daher foldhe Volkshiſt
fo leicht Gefahr laufen, im Widerfpriche mit der erhal.
Einfalt der ältern Chronik, eine vhetorifivende Farbe 4.
nehmen.
Die Dauer dieſer Entwiclungsftufe ift bei den verke "
nen Völkern unendlich verfchieden. Bei den Sellenen
fie bald überfehritten: in etwa hundert Jahren find bie L
nen vom erften Anfange Der profaifchen Hiftorie zum S_
und Thukydides emporgeftiegen. Bei den Römern Bat fl.
währt bis zum Eindringen der Hellenifchen Literatur; beiſ
nenern Völkern, fo lange ihre Jugendzeit, das f. g. DE
alter, dauerte. Einige Nationen, wie die meiften Des U
genlandes, auch die Venetianer und Spanier, haben ſich
gentlich niemals über dieſe Stufe zu erheben vermocht,
in einer niedern Sphäre zieht ſich Liefelbe Stufe vurdk
ganze Gefchichte jede! Volkes Yin: das Bedürfniß, die N
ee .
Sa2
Gnomiſche Philofophie. Drama. Liſtor. Kunftiwet, 37
Auf die Zeiten der Igrifchen Bochle folgt dad Drama,
ich bei Alten und Neuen aus der religidjen Proceſſion
vet Bänkelgefange allmählig entwickelt hat. Hier ijt der
laller poetiſchen Kunftbildung. - Im Drama, fo bes
dr Schlegel, kündigt ſich ſchon durch die Geftalt
Jaritelung, in welcher das Entfernteſte ald unmittelbar
pürtig erfcheinen Toll, die Freiheit des Dichters am lau⸗
an 1). Epiſches und Lyriſches, Plaſtiſches und Muſi⸗
es, Hiſtoriſches und Philoſophiſches ſind im Drama zur
en Harmonie in einander verſchmolzen. Wie bei den
en das ganze fünfte Jahrhundert wor Chriſto durch das
a beherrſcht wird, fo in neuerer Zeit das ſechzehnte und
nte Jahrhundert: zuerit bei den Deutſchen, darauf in
nd und Spanlen, zuletzt in. Frankreich. Diefe Kunft
ı Alterthume, wie in der neuern Zeit, mit einem ſchwa⸗
(nfange begonnen, iſt darauf Durch kühne Genialität zu
ter Schönheit übergegangen, zuletzt aber in flache Nas
feit und Unpoeſie ausgeartet. — Der dramiatiſchen Dich-
mft das eigentliche Hiftorifche Kunſtwerk parallel.
8 fünfte Jahrhundert vor Chrifte fallen Herodot und Thu⸗
35 in das ſechzehnte und fiebzehnte Jahrhundert der neuern
Nachiavelli, Guieciardini, Paolo Sarpi md Davpila.
edeutendfte Geſchichtſchreiber unſers Volkes bis auf Win⸗
m herunter, Sohann Sleidanus, iſt der Zeitgenoffe von
Sachs. in der neneften Periode unferer Literatur kön⸗
e Winckelmann, Niebuhr und Ranke den Lerjing, Schil⸗
> Goethe .entiprehen. ine Charafteriftif Diefer eigents |
KunftHiftorifer Darf ich hier um fo mehr erſparen, als
Fr. Schlegel Geſchichte der griechiſchen Poefie, I, I. S. 146.
. Wilhelm Humboldt fchreibg dem Drama vorzugsweife die
der Einbildungsfraft zu, die Alcs auf Einen Punkt hinführt,
igteit, auf einen gewaltigen Effect binzuarbeiten, die höchſte
ng in der Wirflichleit hervorzubringen, und die erhabenfte Lö-
der Idee daran zu knüpfen Griefwechſel mit Schiller, S. 76.).
58. * Beofegomena. Kap. 4.
\
nicht allein meine Darftellungen zu Anfang der Prolegomena
anf. dieſe Hiftorifer berechnet waven, ſondern auch der ganze
nachfolgende Theil. meines. Buches ſich mitbent höchſten Miu
fer diefer Gattung, dem Thukydides, beſchäftigen wird, —
Auf philofophifchem Gebiete‘ Täuft dieſer Entwicklungsſtufe das
wirkliche Syſtem parallel, Wirflihe Syſteme Haben deßhalb
nur in folchen Zeiten und unter ſolchen Volkern gedeihen tin
nen, die cin felbftändiges Drama und eine felbftändige
Kunfthiftorie befeifen haben. Selbſt die Römer und. Stalie
ner, die in der Gefchichte fo groß find, haben Feinen bedeus
tenden Philoſophen gehabt, weil fie auch das Drama, we⸗
nigſtens in feinen höhern Gattungen, nicht eultiviren Eonnten,
Sch will Hier nun vom Gipfel herab auf den bisherigen:
Gang einen Blick zurückwerfen. In der Chronik, -faher wir,
berrfchte Die Ueberlieferung vor, im Memoire die Perfünlich-
keit Des Verfaſſers: Die vollkommene Kunſthiſtorie follte beide
Seiten vereinigen. - Es find dieß, mit Einem Worte, unfere
wohlbefaunten drei Stadien einer jeden Kunftthätigkeit: die
Chronik entfpricht der Einfammlung des Stoffes, das Mies
moire der innen Alfimilation, die Kunftbiftorie endlich der
vollendeten Reproduction. Che nicht die beiden eriten Stadien
durchgemacht find, ift das dritte unmöglich.
Daun aber noch Eins. Derfelbe Gang beinahe, den
ih an der Poeſie, der Philofophie und Hiftorie fo eben nach⸗
gewiefen habe, ſcheint aller Kunſt und Wiſſenſchaft überhaupt
gemeinfam zu fein. In der Chronit war gewiffermaßen das
ganze Volk thätig: Die Berfünlichkeit der Verfaſſer trat in
Schatten hinter einem berfümmlichen Typus, das eine Werk
glih dem andern, nur der Volks- und Zeitcharakter bildete
Unterfchiede; aber bei aller Einfachheit und Monotonie war
eine gewiſſe Orofartigkeit Doch unverkennbar, Beim Mempire
Alles umgekehrt. Das Volk fteht im Hintergrunde, Die Per:
fon und nächfte Umgebung des Verfaſſers oft viel zu fehr im
Vordergrunde. Statt eined eintünigen Herkommens der bunte
Drama. Hiſtoriſches Aunfnwerk. Syſtem. 39
Mel der Mode; ftatt eines frommen Wunderglnubend das
ältige, oft in's Kleinlihe fallende Suchen nad) natürli>
Erflärungdgründen, Endlich die Kunfthifterie, Die bei=
i Einfeitigkeiten auf das Schönfte zufammenfüigte. — Ganz
rfelben Art Hat ſich die plaftiiche Kunſt entwickelt. Ich
ike der Chriſtus⸗ und Miarienbilder vor dem vierzehnten
hundert, und der vollig entiprechenden alt hellenifchen
e, wovon und Die Alten wenigitend Bericht eritatten.
Hellenen fowohl, als die Neuern haben mit einer ſtreng
entionellen, durch unveränderliche Tradition fortgepflanzten
tperiode angefangen: wo fich der eine Künftler von aus
faft nur durch den höhern oder niedern Grad feiner tech⸗
en Wertigkeit unterfcheidet. Die Kunftiverke dieſer Zeit,
eligiöſem Schalte reich, Liegen der Auperlichen Natur fehr
. Der Goldgrund, worauf bier gemalt wird, erinnert
ı an den wirklichen Himmels; die Chriftuöfinder, welche
mit feierlicher Grandezza, die Arne ſchon in Kreuzesform
ebreitet, die Huldigung der Heiligen empfangen; die Ma⸗
welche Zaufende von Gläubigen unter Die Fittige ihres
jeöfineten Mianteld nehmen: in der Wirklichkeit find fie
öglih. Bei dem Allen aber fpricht ein tief religiöſer, ein
ich erhabener Charakter aus dem Ganzen 1). Auf Diele
Periode folgt eine zweite, naturaliftifche, wo der Außer
Naturtrene nachgeftrebt wird. Dieſe Richtung herricht in
ieuern Kunft vom vierzehnten Jahrhundert bis zur Mitte
funfzehnten vor, Der goldene Hintergrund verivandelt
n einen deeorativen oder landſchaftlichen; Die Chriſtuskin⸗
verden zu wirklichen Kindern; die Maria Betet ihr Kind
) Auch jene althellenifchen koava hatten oxdin ovußeßnrora, yei-
Lapatstauivas, Onuara neuunora (K. D. Müller Archäologie der
: ©. 47.). Doch verfihert Paufanias von Dädalos Bildern:
nreon niv ınv Oyıw, Önergener db Ouug Ti nal Erdeov tous (II,
Es wird ihnen anderswo ein gewifles. dewor zugejchrieben.
60 + Prolegomena. Kap. 4.
nicht mehr an, fondern beſchaut es in mütterlicher Zärtlichkeit;
die umherſtehenden Heiligen fcheinen von seiner wirklichen Kir⸗
chengemeinde porträtirt zu fein, ja, fie ſchwatzen und lachen
mit einander, Das Religiöfe, Ideale ijt Hinter einer derben,
natürlichen individualität verſchwunden. Zur Zeit des Per
ſerkrieges müſſen auch die Hellenen eine ſolche Kunſtperiode
durchgemacht haben. Die äginetifchen Gichelgruppen find der
Beweis dafür. Nach diefen beiden Stadien tritt alsdaun bie
höchfte Stufe der Vollendung ein, die Zeit won Pheidias bis
Lyſippos, von Lionardo bis Tizian, welche. die getrennten
Borzüge der beiden frühern zur Herrlichiten Eintracht verbindet,
Wie ſehr ich bei der Sonderung diefer drei Perioden wirklic
das Dedeutendite, das Wefentlichite getroffen babe, kann auch
Danach ermeſſen werden, daß fih im Leben Der meiften gro-
Ben Künftler diefelben drei Berioden wiederfinden. Vor Allen
bei Rafael)! ; |
Wir gehen weiter, Die Blüthe einer jeden Kunſt, , eines
jeden Volkes kann nur kurze Zeit dancın. Auf Thukydides
fowohl, wie auf Machiavelli folgt eine Zeit der tiefften reli⸗
giöfen und politiihen Barteifämpfe, wo die Siftoriker,
ohne von der Schönheit ihrer Darftellung viel einzubüßen, Die
parteilofe Unbefangenheit der größten Mieifter beinahe gänzlich
aufgeben. Die Iafonifhen und antilafonischen, Die philofo-
phiſchen und antiphilofophifchen, die makedonifchen und anti-
mafedonifchen Schriftiteller des Alterthums; die pioteftantifchen
und Fatholifchen, die päpftlichen und antipäpftlichen, die Fai-
1) Auch unfere neuere beutfche Literatur mußte erft das Zraditio:
nelle der Italiener, Spanier, Branzofen und Engländer durchmachen,
darauf eine wild naturaliftifhe Zeit, — Sturm- und Drangperiode,
Leſſing's Diderot, Goethes und GSchiller’s Zugendwerfe — ehe fie die
Meiſterwerke von Goethe und Schiller hervorbringen konnte. Wie fi
ferner in der Geſchichte des Staates und in allen Übrigen Lebensrichtun:
gen, der Einzelnen und der Völker, diefelben drei Perioden wiederholen,
das überlaffe ich dem Nachdenken des Leſers.
Zeit der Parteikämpfe. Zeit ver alerandrin. Gllehrſamkeit. GI
hen und landesherrlichen Autoren der nern Zeit ſinken
haus wieder in die Ginfeitigkeiten de8 Memoires zurüd.
Diele Parteienwuth freilich läßt dann nach; aber nur,
einer noch viel troftlofern Gelehrſamkeit Blak zu ma=
Dei den Hellenen feit Alexander's d. Gr. Zeit, ja,
ı Kann fagen, feit den Ausgange des Zenophon, wird die
ye Lchendigkeit der Auſchauung, der feine Sinn für menſch⸗
Verhältniſſe, Die großartige Beſeelung des Stoffes, die
» Vortrefflichkeit der Yorm mehr und mehr durch ein ſkla⸗
es Berfinfen im gelchrten Detail verdrängt. Wie. alle
ur von gemäßigter Arbeitötgeilung auögcht, fo ift über
ene Arbeitstheilung ihre ſicherſte Verderberinn. Das Mas
I des Hiftorifchen Wiſſens hatten die Alexandriner unend-
eriveitert: in Länder= und Völkerkunde, in Geſchichte und
urwiſſenſchaft waren Die fchoniten Entdeckungen gemacht,
eſaßen die koloſſalſten gelchrten Apparate im ganzen Als
nme, fie zählten eine Menge der kenntnißreichſten Poly:
ven, fie ſchrieben zehumal größere Büchermaſſen, als die
genoſſen des Perikles; aber fie waren eben wit wenig Aus⸗
nen bloße Buchgelehrte, ohne höheres Intereſſe für fich
Andere, dabei uniforın, chne den Charakter ihrer Perſon
hrem Studium abzufpiegeln und fortzubilden, nur durch
Grad ihrer Gelehrſauikeit von einander verfchieden. Ganz
{be Geiſt findet fich in den meiſten Gefchichtfchreibern des
ehnten und achtzehnten Jahrhunderts. Dieß ift die Zeit
gelehrten Zunftweſeus, wo fih die Wilfenfchaft vornehm
ibgeſchloſſene Kreiſe, meiſtens Hofakademien zurüczicht,
zugleich damit ihre Wurzeln im Volke, d. h. ihre ei⸗
liche Nahrungsquelle, abgräbt. Auch die Poeſie wird in
en Zeiten eine kalte, gekünſtelte, ſteife, vornehme Gelehr⸗
und Hofpoeſie. Das didaktiſche, alſo am mindeſten poe⸗
: Element, waltet auch hier vor. Die Philoſophie, zu
ver Zeugung unfühig, wirft fih auf das gelehrte Stu:
ı der frühern Syſteme. ‚Aus dieſer Gelehrſamkeit zimmer
62 Prolegomena. Kap. 4
fie dann wohl das haltungsloſe Gebäude eines Eklekticismus
oder Skeptieismus zuſammen.
Wie aber im Alterthume mitten unter dieſer allgemeinen
Erſchlafſung die römiſche Literatur ihre höchſte Blüthe
erreichen kann, ſo in neuerer Zeit die deutſche. In beiden
Fällen ſehen wir die Nationalität eines literariſch bis dahin
noch wenig entwickelten Volkes Durch weiſe Benutzung aus—
ländiſcher Muſter zur herrlichſten Reife gebracht. Die Römer
hatten in dieſer Hinſicht keinen Irrweg zurückzumachen. Sie
waren ohne Weiteres auf die Hellenen gewieſen. Der Deut⸗
ſche dagegen hat ſich, ehe er auf den richtigen Weg gerieth,
erſt an italieniſchen, darauf an ſpaniſchen, zuletzt an franzöſi—
ſchen und engliſchen Muſtern verbilden müſſen. Vielleicht iſt
er eben dadurch um fo vielſeitiger geworden. Die neuere
deutfche Literatur hat mit der altrömifchen die Eigenthümlich⸗
feit gemein, daß fie beide mehr den gebildeten Ständen, als
dem Volke angehören, daß fie mehr profaifh, als poetiſch
find, und dag man ſelbſt bei den poctifchen Erzeugniſſen, fo
herrlich fie auch fein mögen, kaum vecht angeben kann, ob
die Epopöe, die Lyrik oder das Drama im Ganzen vorherrſcht.
Daher auch die Gefchichte Diefee Zeiten ſowohl Chronik und
Miemoire, als eigentliche Kunfthiftorie bearbeitet hat. Die
altrömifche, wie die neudeutfche Literatur tragen in vieler Bes
ziehung einen kosmopolitiſchen Anſtrich. Nur daß freilich dem
Raume nach die römiſche Welt eine viel geringere war. Beide
haben daher auf die gefunkenen nder noch unentiwickelten 1)
Literaturen der Nachbarvölker einen befebenden Einfluß gehabt.
In der Zeit des Anguftus treibt auch der abgeftorbene Baum
der griechiſchen Hiſtorie neue Blüthen hervor, Straben vor
Allen und Dionyſios. Späterhin beſonders Arrianos und
Plutarch. So hat auch die deutſche Hiſtoriographie eine ganz
1) Man denke namentlich im Alterthume an bie fpanifche und gal⸗
liſche Literatur, in der neuern Zeit an die ruſſiſche!
Römiſche und beutfche Literatur. Ende. 65
: Schule franzöfifcher Geſchichtſchreiber in's Dafein gerufen.
vornehmſte Linterfchied, der in den hiſtoriſchen und poe⸗
en Werken auch deutlich genug zu Tage liegt, beſteht in
philoſophiſchen Meiſterſchaft der Deutfchen, in der politis
ı und militärischen Meifterfchaft der Römer.
Bon der alten Literatur liegt denn au das Ende ſchon
und. Die großartige Zeit von Salujtius bis auf Taci-
‚ die fih den griechiſchen Meiftern an die Seite ftellt, iſt
zwei entgegengefehten Abwegen zum Verfall gekommen.
der einen Seite, ein mühſeliges Ercerptenfammeln, ohne
eirn Geift, ohnt edlere Form, ein troſtloſes Verſinken im
fſe, wie es ſich bei Plinius und Suetonius ankündigt.
der andern Seite ein flaches, aufgeputztes, bellettriſtiſches
onnement, dem jede ſolidere Grundlage, jedes ernſthaftere
reifen, jede Reife und Männlichkeit abgeht: eine Manier,
uns Florus und Curtius repräſentiren. Sobald in der
hſchaftlichen Welt die Arbeitstheilung ihren Gipfel über⸗
tten hat, ſo pflegt ſie den Unternehmer zum Tyrannen
ublähen, den Arbeiter zum Sklaven zu erniedrigen. Nicht
anders in der Titerarifchen Welt. Wo die harmonische
Ichmelzung des Allgemeinen und des Befondern verſchwun⸗
it, da bilden fich auf der einen Seite übernrüthige Ty—
ven, auf der andern Seite elende Sklaven der Wilienfchaft.
e wollen den Ballaſt, wie man ed nennt, den Ballaft der
hrjamfeit über Bord werfen; frei und mit vollen Segeln
an fie auf den Decan hinauszufahren: aber, mie e8 denn
ich nicht anders fein kann, fie fteuern ewig in der Irre
er, ein leichtes Spielzeug für den Wind und die Wogen.
Andern dagegen, wenn die Kleinlichkeit ihres Tagewerkes
u Boden drückt, pflegen fih der Hoffnung zu getröften, |
ein künftiger Meſſias ihrer Wiſſenſchaft die von ihnen
nmelten und gefeilten Steinchen zu einem unterblicyen
pel vereinigen werde. Eitele Hoffnung! Die Ariftoteles
Humboldt find zu jeder Zeit den Alexandrinern voran—
60 Prolegomena. Kap. 4.
nicht mehr an, fondern befchaut es in mütterlicher Zartlich
die umherſtehenden Heiligen fcheinen von “einer wirklichen
chengemeinde porträtixt zu fein, ja, fie fehmagen und k
mit einander, Das Religidfe, Ideale it Hinter einer dei
natürlichen Individualität verſchwunden. Zur Zeit ded
ſerkrieges müſſen auch Die Hellenen eine ſolche Kumjtpa
Durchgemacht haben. Die äginetifchen Gichelgruppen find
Beweis dafür. Nach dieſen beiden Stadien tritt alddann
höchſte Stufe der Vollendung ein, die Zeit von Pheidias
Lyſippos, von Lionardo bis Tizian, welche. die getren
Borzüge der beiden frühern zur herrlichiten Eintracht verbir
Wie ſehr ich bei der Sonderung dieſer drei Berioden wir
das Bedeutendfte, Das Wefentlichite getroffen babe, Tann ı
danach ermeſſen werden, daß fich im Leben der meiften
Ben Künftler diefelben drei Perioden wiederfinden. Vor %
bei Rafael 1)!
Wir gehen weiter. Die Blüthe einer jeden Kunſt, e
jeden Volkes kann nur kurze Zeit dauern. Auf Thukyd
fowohl, wie auf Machiavelli folgt eine Zeit der tiefiten
giöſen und politischen Barteitämpfe, wo die Hilter
ohne von der Schönheit ihrer Darftellung viel einzubüßen,
parteilofe Unbefangenheit der größten Meiſter beinahe gan
aufgeben. Die Iakonifchen und antilafonifchen, die phil
phiſchen und antiphilofephifchen, Die matedonifchen und ı
makedoniſchen Schriftiteller des Alterthums; die proteftanti|
und Eatholifchen, die päpftlichen und antipäpftlichen , die
1) Auch unfere neuere deutfche Literatur mußte erft das Zrai
nelle der Staliener, Spanier, Franzoſen und Engländer durchma
darauf eine wild naturaliftifche Zeit, — Sturm- und Drangpa
Leſſing's Diderot, Goethe’s und Schiller's Zugendwerfe — ehe fi
Meifterwerke von Goethe und Schiller hervorbringen konnte. Wi
ferner in der Gefchichte des Staates und in allen Übrigen Lebengric
gen, der Einzelnen und der Völker, diefelben drei Perioden wiebert
das überlaffe ich dem Nachdenken des Leſers.
Zeit der Parteikaͤmpfe. Zeit ver alerandrin, Gllehrſamkeit. 6
ſerlichen und landesherrlichen Autoren der neuern Zeit ſinken
"Incchaus wicher in die Einfeitigkeiten de Memoires zurück.
Diele Parteienwuth freilid, lapt dann nach; aber nur,
m einer noch viel troftlofeen Gelehrſamkeit Blak zu ma⸗
‚den. Bei den Hellenen feit Alexander's d. Gr. Zeit, ja,
han’ kann fagen, feit dem Ausgange des Xenophon, wird die
Heiiche Lebendigkeit der Anſchauung, der feine Sinn für menſch⸗
Ache Verhältnifje, die großartige Beſeelung des Stoffes, die
Hohe Vortrefflichkeit der Korm mehr und mehr durch ein ſkla⸗
viſches Verſinken im gelchrten Detail verdrängt. Wie. alle
Kultur von gemäßigter Arbeitötheilung ausgeht, fo ift über-
Kiebenne Arbeitstheilung ihre ficherite Verderberinn. Das Mas
ein! des Hiftorifchen Wiſſens Hatten die Alerandriner unend⸗
U eriveitert: in Länder- und Völkerkunde, in Gefihichte und
Naturwiſſenſchaft waren die fchönften Entdesfungen gemacht,
fie beſaßen die Eolofjaliten gelehrten Apparate im ganzen ls
lerthume, fie zählten eine Menge der kenntnißreichſten Poly:
hiſtoren, ſie jchrieben zchimnal ; größere Büchermafjen, als die
Zeitgenoſſen des Perikles; aber fie waren eben mit wenig Aus⸗
nahmen bloße Buchgelehrte, ohne höheres Intereſſe für fich
und Andere, dabei uniform, chne den Charakter ihrer Perſon
Rt ihrem Studium abzufpiegeln und fortzubilden, nur durch)
Ben Grad ihrer Gelehrſamkeit von einander verſchieden. Ganz
herſelbe Geiſt findet fich in den meiſten Gefchichtfchreibern des
Webzchnten und achtzehnten Jahrhunderts. Dieß ift die Zeit
Bes gelehrten Zunftweiens, wo fich die Wiſſenſchaft vornehm
in abgefchlojjene Kreiſe, meiſtens Hofafademien zurüczicht,
Aber zugleich damit ihre Winzeln im Volke, d. h. ihre ei⸗
tliche Nahrungsquelle, abgräbt. Auch die Poeſie wird in
Ihen Zeiten eine kalte, gefünftelte, fteife, wornehme Gelchr-
= und Hofpoefie. Das didaktiſche, alfo am mindeſten pres
e Element, woaltet auch hier vor. Die Philoſophie, zu
peiterer Zeugung unfühig, wirft fih auf das gelehrte Stu—
ham Der frühen Syſteme. ‚Aus dieſer Gelehrſamkeit zimmert
—
62 Prolegomena. Kap. A.
fie dann wohl das Baltungslofe Gebäude eines Eklek
oder Skepticismus zufammen.
Wie aber im Alterthume mitten ımter diefer allgemelt
Erſchlafſung die römische Literatur ihre höchſte Blüt
erreichen kann, fo in neuerer Zeit die dentfche. In heile
Fällen fehen wir die Natlonalität eines literariſch bis dag
noch wenig entwickelten Volkes durch weife Benutzung a
ländiſcher Mufter zur herrlichiten Reife gebracht. Die Rom
Hatten in dieſer Hinſicht keinen Irrweg zurückzumachen. SM
waren ohne Weiteres auf die Hellenen gewieſen. Der Den
ſche dagegen hat ſich, che er auf den richtigen Weg geriethp
erſt an italienifchen, darauf an fpanifchen, zuletzt an franzt
fchen und englifchen Muftern verbilden müſſen. Vielleicht P
er eben dadurch um fo wichjeitiger geworden. Die nem
deutjche Literatur hat mit der altrömifchen die Eigenthümlich
feit gemein, daß fie beide mehr den gebildeten Ständen, all
dein Volfe angehören, daß fie mehr profaifh, als poetiſch
find, und dag man felbft bei den poetifchen Erzeugniſſen, fl
Herrlich fie auch fein mögen, kaum vecht angeben kann, BF
die Epopöe, Die Lyrik oder Das Drama im Ganzen vorherfät. $
Daher auch die Gefchichte Diefer Zeiten ſowohl Chronik und
Memoire, als eigentliche Kunfthijtorie bearbeitet hat. Die
altrömiſche, wie Die neudeutſche Literatur tragen in vieler Bes
ziehung einen fosmopolitifchen Anſtrich. Nur daß freilich don
Raume nach die römifche Welt eine viel geringere war. Beide
haben Daher auf Die gefunkenen oder noch unentiwickelten 1)
Literatiren der Nachbarvölker einen belcbenden Einfluß gehabt,‘
In der Zeit des Anguſtus treibt auch der abgeftorbene Baum
der griechiſchen Hiſtorie neue Blüthen hervor, Straben ver.
Allen und Dionyſios. Späterhin befonderd Arrianos md |
Plutarch. So hat auch die deutſche Hiftoriographie eine ganz !
') Man denke namentlich im Alterthume an bie fpanifche und gal⸗
lifche Literatur, in der neuern Zeit an die ruſſiſche!
Nömifche und deutſche Literatur. Ende. 65
Schule franzöſiſcher Gejchichtjchreiber in's Dafein gerufen.
Der vornehmſte Unterfchied, der in den Hiftorischen und poes
Bien Werken auch deutlich genug zu Tage liegt, beficht in
ber philofophifchen Meifterfchaft der Deutfchen, in der politie
Ken und militärischen Meiſterſchaft der Römer. |
Bon der alten Literatur liegt denn au das Ende ſchon
vor und. Die großartige Zeit von Salluſtius bis auf Taci-
x, Die ſich den gricchifchen Meiftern an die Seite jtellt, iſt
mif zwei entgegengefehten Abwegen zum Verfall gekommen.
Auf der einen Seite,.ein mühjeliged Ercerptenfammeln, ohne
öhern Geift, ohng / edlere Form, ein troſtloſes Verſinken im
Stoffe, wie es ſich bei Plinius und Suetonius ankündigt.
Auf der andern Seite ein flaches, aufgeputztes, bellettriſtiſches
Räfonnenent, dem jede folidere Grundlage, jedes ernfthaftere
Ergreifen, jede Reife und Männlichkeit abgeht: eine Manier,
Ne und Florus und Curtius vepräjentiren. Sobald in der
birthfchaftlichen Welt die Arbeitötheilung ihren Gipfel über
chritten hat, fo pflegt fie den Unternehmer zum Tyrannen
rufzublähen, den Arbeiter zum Sklaven zu erniedrigen. Nicht
rel anderd in der literarischen Welt, Wo die harmoniſche
Berfchinelzung des Allgemeinen und des Befondern He
ven iſt, da Bilden fich auf der einen Seite übermüthige T
annen, auf der andern Seite elende Sklaven der ——
Jene wollen den Ballaſt, wie man es nennt, den Ballaſt der
Belehrſamkeit über Bord werfen; frei und mit vollen Segeln
joffen fie auf den Decan hinauszufahren: aber, wie es denn
Teilich nicht anders fein kann, fie feuern ewig in der Irre
ımber, ein leichtes Spielzeug für den Wind und Die Wogen.
Tie Andern dagegen, wenn die Kleinlichkeit ihres Tagewerkes
ie zu Boden drückt, pflegen fih der Hoffnung zu getvöften,
zaß ein künftiger Meſſias ihrer Wiſſenſchaft Die von ihnen
ſeſammelten und gefeilten Steinchen zu einem unſterblichen
Eempel vereinigen werde. Citele Hoffnung! Die Ariftoteles:
mo Humboldt find au jeder Zeit den Alexandrinern voran—
64 Ä Prolegomene. Kap. 4. “*
gegangen — Wir ſchauen nah Rom zurück. Was
jeßt wohl, bei dem allgemeinen Berfalle des National
ters, was Fonnte Anderes noch übrig Bleiben, als die 1
wieder zur dürftigſten Chronik, ja, zur Miythenge
ſelbſt ), wovon die Hiſtorie urſprünglich ausgegangen
Die Bhilofophie kehrte gleichzeitig zur Myſtik und Cd
zurück. Was von poetiſchem Triebe noch Abrig war,
flüchtete fich in das Profaepos, den Noman, oder in di
erwachende Volksſage. Wie in allen menſchlichen Ding
ift auch Hier jenes Geſetz wirkſam, wonach Das Greij
zur Schwäche der Kindheit zirücktehren nut. |
1) Diktys und Dares. |
Sprache und Korperbeſchaffenheit der Hellenen. 69
‚ die felbft im Verfalle noch gewürdigt fit, der höchſten
lichen Offenbarung ald Gefäß zu dienen. Die feierliche
ndezza des Spanierd, Die feine Süßigkeit des Stalieners,
Franzoſen geläufige Anmuth, des Engländers pathetifche
t, des Deutſchen unergründlicher Reichthum, ja, ſelbſt
Würde der römiſchen Senatorenſprache: hier ſind ſie ver⸗
t, ſind geläutert im Feuer des Geiſtes und zum edelſten
zuſammengeſchmolzen. In dieſer einen Sprache ſind die
ametentöne des Pindar und die Flötenſpiele des Anakreon,
die gaukelnden Scherze des Ariſtophanes und die Erin⸗
höre des Aeſchylos gedichtet. Sie hat dem Thukydides
Schildern gedient, dem Demoſthenes zum Reden, dem
teles und Platon zum Speculiren. Die helleniſche Weis⸗
yedurfte niemals einer fremden Terminologie.
Daß die Hellenen körperliche Schönheit befeiten, würde
ſchon aus ihren Bildwerken vermuthen dürfen. Wenn
time Dem voös entipricht, Die Nafe dem Hunos, der
der Zmidupian),. fo beruhet das Charakteriftifche des
ichen Brofil3 auf dem Uebergewichte der geiftigen Stirn
ven ſinnlichen Munde. Die gerade Nafe, weder zum,
nuthe des aduneus erhoben, noch zur Siunlichkeit des si-
yerabgedrückt, Scheint auf geregelte Mäßigung des Willens
euten. In der nationalen Größe des Kinnes kann der
gnomiker Großartigkeit des ganzen Weſens Anden. Die
ng der Hellenen vwernachläffigte den Leib nicht Über der
‘wie es die unfere thut; die Schönheit und Anmuth
ber der Stärke, wie es unſer Mittelalter that 2). Bes
Männer noch, wie Sofrated, befuchten die Ringfchule.
n Lakedämoniern waren felbft bie Jungfrauen non der
Aehnliche Räfonnements über das Verhältniß von Kopf, Bruft
ıh am menfdlichen Körper bei Platon: Timaeus p. 44. D.
Vgl. die vortveffliche Gharakteriftil der alten und neuern Bes
in Hegel's Arftpetit: Werke Bd. X, Th. ! ©. 312 ff.
66 Brolegomena. Kap. 3.
tiger Schöpfer das Hellenifche Land zur Wohnftätte der edeh
Dildung audgerüftet. Die Heiterkeit des Himmels, die #
heit umd Helligkeit der Luft 2), die edeln und ſcharfgezeich
Formen der Gebirge, die Nähe des Meeres, die Lebe
der Ströme: alles diefes verleiht der helleniſchen Lanıif
einen Charakter, welcher befeitigend, reinigend und erlan
auf den Geiſt der Bewohner einwirken müßte Die W
von Griechenland nimmt überall die ſchönſte Mitte ein. |
Klima iſt gefund: weder erflarrend, wie der Norden,
ansbörrend, wie der Süden, oder erfchlaffend , wie der M.
umher 2). Der Boden ift fruchtbar genug, um an all
Gütern reich zu fen 3); aber nicht fo üppig, daß er
Schweiß ernähren künnte 2). Die Gebirge find Hoch gei
um durch großartige Naturfchönheit zu imponiren — mal
darumter find mit ewigem Schnee bedeckt — ; hoch genug, il,
das Land in eine bunte Mannichfaltigfeit einzelner Landi
ten zu gliedern: aber doch nievrig genug, um ben Vi
nicht abzubrechen. Welch ein Unterſchied zwiſchen dem ſ
gen Attifa und dem fetten Vöotien; zwifchen dem
1) gl. Eurip. Medea 820 sqq. W. Gell Journey’ pi,
Castellan Lettres sur la Moree, III, p. 266. Kruſe Hd
©. 327.
2) Bol. fhon Herod. III, 106. Eurip. 1.1. Plate
maeus p. 24 C. Plut. De exsil. p. 599. — Hippokrates fü;
zieht der Annehmlichkeit nach das Kleinafiatifhe Klima vor, abe
bellenifche, meint er, bildet tapferere Menfhen: Hippocr Dei
p. 71 sqq. (Foesius). Auch Ariftoteles rühmt an ben ‚Helle
fo fchöne Mifchung der nordifchen Rauhheit und orientalifchen We
keit, daß fie, zu Einem Staate verbunden, die Welt müßten a
tönnen (Polit. VII, 7.. — Befonders reich find die Alten an Cl.
fungen der Natur von Attila: Plato Critias p. 111. Xenoph
vecit: 1. Cicero De fato 4. Aristides Vol.IJ, p.305. (Di:
Dio Chrysost. p. 334. (Reiske),. Cassiodor. Var. XII, I
2) Welche Begüinftigung liegt nicht 3. B. in dem Marmorreit
von Griechenland für die Baukunft und Plaftil der Hellenen!
) Aristot. Pol. VII, 5.
Körperbefchaffenheit und. Geiſtesbilbung der Hellenen. 71
der Republiken, die in Wahrbeit nur große Gemeinden
en, geſtattete dieß. Wir fehen freilich überall, je mehr
ein Staat der reinen Demokratie nähert, deito mehr wird
ganze Leben feines Volkes von üffentlichem, won politis
n Geifte durchzogen. Aber was find unfere Zeitungen,
n das Beſte doch immer werheimlicht wird, gegen die alten
ksreden? unfere Landftände, die doch nicht den tauſendſten
l der Gebildeten und kaum etliche Monate im Jahre an
Staatöverwaltung Theil nehmen lafien, gegen die alten
ksverſammlungen ? unfere Eonferibirtenheere gegen jene als
Bürgerfrieger, welche Jugend und Manneskraft unter den
fen verleben, und jedweden Kampf in unmittelbarfter Nähe
Heerd umd Altar führen mußten? Welch eine Schule der
feitigfeit, der lebendigen Welt- und Menſchenkenntniß für
Hiſtoriker I Wer das Leben nicht nach Stunden mißt,
ern nach Thaten und Erfahrungen, der muß geftehen, jene
ı haben länger gelebt. Es war damals noch nicht fo üb⸗
wie heutzutage, dag Die Sünglinge als Weisheitsverkün⸗
, die Greiſe ald Feldherren und Minifter auftraten, - Mit
zig Jahren wurden Iphikrates und Aratos, mit ein und
zig Jahren Hannibal, mit drei und zwanzig Sahren
pejus, mit fieben und zwanzig Jahren Ecipio die Ober
erren ihres Vaterlandes. Sophokles Dagegen, Herodot,
ydides, Sokrates haben ihre Meiſterwerke erft im Alter
ieben. Nach einer glühenden, .aber naturgetrenen Ju⸗
,‚ einen flürmifchen, aber gemäßigten Mannesalter zog
er Greis in den Hafen der Muffe zurück, das vergangene
ı Wie innig die Literatur ber Hellenen mit ihrer Staatsverwal⸗
zufammenhängt, beweifen u. %. die Lyriker, obwohl die Blüthe
riſchen Poefie noch in die ariftofratifche Periode fällt. Tyrtäos
: Spige des Heeres; die meiften Gefege in Verſen; Alkäos, The⸗
Steſichoros im heftigften Strudel des Parteientampfess Bakchy⸗
yerbannt, Simonides durch feine Staatsgedichte weltbexühmtz auch
ros endlich auf das Zieffte durchdrungen von politifchem Geifte.
72 Prolegomena, Kap. d.
Leben zu befhauen, und feine Erfahrungen der Enkelmwelt zu
überliefern. Der Hellene lernte weniger, als wir; er hatte
wenig andere Prüfungen zu beſtehen, als auf dem Schladt
felde und in der Rathöverfammlung : aber mad er mußte, dad
wußte er tief, Bar und lebendig. „Gelehrt fein”, ſpricht
Winckelmaun, „das iſt, zu willen, was Andere gemuft
“ haben, wurde fpät gefucht; gelehrt im heutigen Verftande zu
fein, war in ihrer beiten Zeit leicht, und weiſe Eonnte ein
Jeder werden. Denn ed war eine Eitelkeit weniger in der
Welt, nämlich die, viele Bücher zu kennen.“
Statt in Archiven und Bibliotheken herumzukriechen, ging
der Hiſtoriker des fünften Jahrhunderts auf Reifen. Frei⸗
lich dem Raume nach find jene Reifen Elein: wenn es hoch
kam, vielleicht von Karthago bis nach Babylon, vom Nil bis
. zum Pontos. Aber wad macht die Reifen Ichrreih? Nur
die Abwechfelung . fremdartiger Landesnaturen, frenidartiger
Volkscharaktere. Und auf jenem engen Gebiete waren Völker
beifammen von jeglicher Kulturftufe „Damals fand der He
ftorifer hier ebenfo viel zu lernen, wie Heutzutage auf einer
Reife um den Erdfreis. Das Perſerreich trug ſchon damals
die ſtereotypen Charakterzüge des Morgenlandes an fich. Eine
Theokratie war in Judäa kennen zu lernen; abgelebte Hans
delöftaaten in Phönikien, eine blühende Handelsnacht in Kar⸗
thago. Aegypten war das China des Alterthumes. In Klein⸗
aflen und Großgriechenland ftudierte man bie einfachen Raturge
“ee der Kolonialftanten. Unter den Sellenen ſelbſt Athen auf
dem Gipfel aller politiichen, wirthichaftlichen und literariſchen
Ausbildung; Lakedämon impofant Durch die conſervative Größe
feiner Verfaſſung; Netolien und Akarnanien tief zurück im
Mittelalter ; Jonien jchon verweichlicht und altersſchwach; Ars
kadien die Schweiz der Hellenenwelt, Wie man heutzutage
durch Ungarn und Rußland zu den Nomadenvölfern der Wüſte
gelangt, fo damals über Theſſalien und Makedonien zu den
Darbaren am Iſtros und im Skythenlande. Welcher Neuere
Bildungsvortheile ber hellen, Geſchichtſchreiber. 75
ſich rühmen, fo viele Völker perfönlich befucht zu has
Und bei all Diefer großen Mannichfaltigkeit des dama⸗
Völkerverkehres zu gleicher Zeit Die vollkommenſte Con⸗
rung. Alljährlich Beinahe Famen die Hellenen an den
n Spielen zufammen, um über der Vielhelt ihrer Stänime
inbeit ihre Volkes nicht einzubüßen. Während unfere
: nur die Gewerbetreibenden herbeizieht, waren es die
en der Nation, die fi) dort vereinigten. Mit einem
e, da fih Kultur und Gefchichte der neuern Zeit auf fo
liche Räume erweitert Haben, fo wird ſelbſt die Außerfte
llkommnung unferer Communicationsmittel an wirklichen
hume ver Anfchauungen den griechifchen Verkehr wohl
lich übertreffen können 1).
ind nicht bloß .ein enger Länderraum vereinigte damals
ndlich viel hiſtoriſch Merkwürdiges, fordern ebenfo fehr
in enger Zeitraum. In das neunte Jahrhundert vor
iſtlichen Zeitrechnung füllt die Blüthezeit des hellenifchen
jedichtes, und im Anfange des zweiten Jahrhunderts
das lebte Abendroth der helleniſchen Selbitändigkeit.
ben Jahrhunderte alfo drängt fich Die ganze reiche. Ent⸗
g des Volkes zuſammen. Die neuern Völker wachfer
rfallen langſamer. Ariſtoteles konnte faſt zu gleicher
tücke der neuern Komödie, Werke der drei großen Tra⸗
nd die phalliſchen und dithyrambiſchen Urdramen aufs
fehen ). Bon Kimon zu Kritiad, von Aeſchylos zu
eirakyllien des Ariſtephanes 3), von Ageladas zu Sko—
Käme es hier bloß auf. maffenhafte Räume an, fo wären bie
der alerandrinifchen oder gar der trajantichen Zeit unendlich
r geftelt, "als die Zeitgenoffen des Perikles. Allein bei ber
införmigteit, bie in jenen Perioden ben orbis terrarum bes
‚ war eine Reife von derſelben Meilenzahl damals viel weniger
‚Ze bequemer bas Reiſen wird, deito weiter muß man geben,
3 noch denfelben Gewinn davon zu haben.
Aristot. Poet. 2.
sröfche 92 ff.
62 Prolegomena. Kap. 4.
fie dann wohl das Haltungslofe Gebäude eines Eklektieismus
oder Skepticismus zufammen.
ie aber im Altertfume mitten unter diefer allgemeinen
Erſchlafſung die römiſche Literatur ihre höchſte Blüthe
erreichen kann, ſo in neuerer Zeit die deutſche. In beiden
Fällen ſehen wir die Nationalität eines literariſch bis dahin
noch wenig entwickelten Volkes durch meife Benutzuug aus
ländifcher Muſter zur herrlichiten Reife gebracht. Die Römer
hatten in dieſer Hinficht Feinen Irrweg zurückzumachen. Cie
waren ohne Weiteres auf die Hellenen gewiefen. Der Deut
ſche dagegen hat fih, che er auf. den richtigen Weg gerieth,
erft an italienischen, darauf an fpanifchen, zuletzt an franzöſi⸗
ſchen und englifhen Muftern verbilden müſſen. Vielleicht it
‚er eben dadurch um fo wicheitiger geworden. Die neuere
deutfche Literatur hat mit der altrömifchen die Eigenthümlich⸗
keit gemein, daß fie beide mehr den gebildeten Ständen, als
dem Volke angehören, daß fie mehr profaifch, als poetiſch
find, und daß man felbft bei den poetifchen Erzeugniſſen, fo
herrlich fie ah fein mögen, kaum recht angeben kann, ob
die Epopöe, die Lyrik oder das Drama im Ganzen vorherrſcht.
Daher auch die Gefchichte Diefer Zeiten ſowohl Chronik und
Memoire, als eigentliche Kunfthiftorie Bearbeitet hat. Die
altrömifche, wie Die neudeutſche Literatur tragen in vieler Be⸗
ziehung einen fosmopolitifchen Anſtrich. Nur daß freilich dem
Raume nach die römische Welt eine viel geringere war. Beide
haben daher auf die gefuntenen oder noch unentwickelten 1)
Literaturen der Nachbarvölker einen belcbenden Einfluß gehabt.
In der Zeit des Anguſtus treibt auch der abgeftorbene Baum
der griechiſchen Hiftorie nene Blüthen hervor, Straben vor
Allen und Dionyſios. Späterhin beſonders Arrianod und
Plutarch. So hat au) die deutfche Hiftoriographie eine ganz
) Man denke namentlich im Alterthume an bie fpanifche und ‚gals
lifche Literatur, in der neuern Zeit an die ruffifche!
‘
Nömifche und beutfche Literatur. Ende. 65
schule franzöfifcher Gejchichtichreiber in’ Dafein gerufen.
ornehmſte Unterſchied, der in den hiſtoriſchen und poes
Werfen auch deutlich genug zu Tage liegt, beficht in
iloſophiſchen Meiſterſchaft der Deutjchen, in der politi=
md militärischen Mteisterfchaft der Römer.
son der alten Literatur liegt denn auch dad Ende jchon
8. Die großartige Zeit von Salujtius bis auf Taci-
die fih den griechischen Meiftern an die Seite ftellt, iſt
sei entgegengefehten Abwegen zum Verfall gekommen.
v einen Seite, gin mühſeliges Ercerptenfanmeln, ohne
Geift, ohng;adlere Form, ein troſtloſes Verjinken im
‚ wie cd fih Bei Plinius und Suetonius aukündigt.
r andern Seite ein flaches, aufgepugte® bellettriſtiſches
aement, dem jede folidere Grundlage, jedes ernfthaftere
ſen, jede Neife und Männlichkeit abgeht: eine Manier,
8 Florus und Curtius repräſentiren. Sobald in der
haftlichen Welt die Arbeitötheilung ihren Gipfel über
n bat, fo pflegt fie den Unternehmer zum Tyrannen
lähen, den Arbeiter zum Sklaven zu erniedrigen, Nicht
iders in der literariſchen Welt. Wo die harmonifche
melzung des Allgemeinen und des Befondern verſchwun⸗
‚ da bilden fih auf der einen Seite übermüthige Ty—
„ auf der andern Seite elende Sklaven der Wilfenfchaft.
vollen den Ballajt, wie man es nennt, den Ballaſt der
ſamkeit über Bord werfen; frei und mit vollen Segeln
jie auf den Ocean hinauszufahren: aber, wie e8 den
nicht anders fein kann, fie fteuern ewig in Der Itre
, ein leichtes Spielzeug für den Wind und die Wogen.
ndern dagegen, wenn die Kleinlichkeit ihres Tagewerkes
Boden drückt, pflegen fi der Hoffnung zu getröften,
n künftiger Meſſias ihrer Wiſſenſchaft die von ihnen
nelten und gefeilten Steinchen zu einem unjterblichen
[ vereinigen werde, Eitele Hoffnung! Die Ariftoteles
umboldt ſind zu jeder Zeit den Alexandrinern voran—
6A .: Peolegomene. Kap. 4.
gegangen. — Wir fchauen nah Rom zurück. Was Forte
jet wohl, bei dem ‘allgemeinen Verfalle des Nationalcharak
ters, was konnte Anderes noch übrig Bleiben, als die Umkchr
wieder zur dinftigften Chronik, fa, zur Miüthengefchichte
ſelbſt !), wovon die Hiſtorie urſprünglich ausgegangen mar,
Die Philofophie Pehrte ‚gleichzeitig zur Myſtik und Scholaftif
—zurück. Was von- poctifchem Triebe noch übrig war, das
flüchtete fich in das Proſaepos, den Roman, oder in die nei
erwachende Volksſage. Wie in: aller -menfchlichen Dingen, fo
iſt auch Hier jenes Geſetz wirkſam, wönach das Greiſenalter
zur Schwäche der Kindheit zurũcktehren ni, |
1) Diktys und Dares. |
Füunftes Kapitel.
Charakteriftit des helleniſchen Volkes
überhaudt.
om
iebt vielleicht Fein Land in der Welt, das bei einem fo
Flächenraume, wie ihn Griechenland befikt, eine
ıtende Küftenlänge und einen fo großen Reichthum an
däfen hätte), Diefe innige Verbindung mit dem
pflegt ein treffliches Beförderungömittel jeder Arbeitd-
und höhern Kultur zu fein. Was Europa gegen die
Welttheile, das ift Griechenland in dieſer Hinficht ges
übrige Europa. Es kommt noch Hinzu die eigen⸗
e Beſchafſenheit des griechiichen Dicereö, das durch
zleeichen Inſeln und Halbinfeln, feine nahgelegenen
ben Gontinente ebenfo früh zur Schifffahrt anreizen
wie es durch feine Klippen und Sandbänfe, feine
md Strömungen eine ftrenge Schule für den Seemann
v auch in andern Stücken, fo ſcheint e8, Hat ein gü⸗
—· — —
zährend die Größexvon Griechenland kaum ein Neuntel iſt von
eis, iſt feine Küſte 720 geogr. Meilen lang, die franzöſiſche
Ichwedifche 390, die italienifhe 580. Bal. Geogr. Ephes
179, Ih. II, ©. 364. K. Kr. Hermann Eehrbudy $. 7.
5
7A Prolegomena, Kap. 3.
pas Lehrern, von Empedokles zu Platon, endlich von Ha
zu Thukydides: welcher Neuere hätte bei Binem Volke f
Beränderungen erlebt? Glückſeliger Thukydides!
Evdaruov nroiledoo» Adnvalng ayelsing,
TIoila id0y xal nolla nador zul nolla uoynoar,
Aistös Ev vepeAnor yarı)asas juara navra.
Wollen wir den ganzen Unterſchied zwiſchen he
nifhher und neuerer Gefhichtfhreibung in den
zeiten Ausdruck zuſammenfaſſen, fo ift bei den Neuern die
winnung, bei den Alten die Verarbeitung des Stoffed
Vorherrſchende. Dei der Neuern alfo das erfte, bei den.
lenen das zweite Stadium einer jeden hiſtoriſchen Thätig
Wir kennen Heutzutage faft ebenfo viele Welttheile, wie
Alten Länder; ebenfo viele Sprachfamilien, wie die 9
Sprahen Die Möglichkeit der Analogie tft für uns bei
unbegränzt. ine Menge von Zweigen der Gefchichte,
Sprach⸗, das Kunſt⸗, das Rechts⸗, das Mythenſtudi
haben ſich bei und zu ſelbſtändigen Bäumen entvickelt. U
ed auf hiſtoriſche Geſetze ankommt, fo mußte fie Thukyt
faft allen von feinem Vaterlande abötrabiren , deſſen
Tchichte noch Lange nicht vollendet war. Uns dagegen
eine Menge abgefchloffener Völkergefchichten offen. Aber ı
bloß vielfeitiger ift die Stoffgewinnung der Neuen, fon
auch im Einzelnen weit gründliche, Wo hätte das Altert
auf vergleichende Quellenkritik, auf Herausgabe der verborg
Quellen, auf Bennutzung felbit der indirecteften Quellen,
Urkunden, Münzen, Gedichte, fo erjtaunlichen Fleiß ver
det? Aber es war fleifjiger in der Verarbeitung diefes €
fes. Weil man weniger las, fo Konnte man das Gele
viel tiefer in Geift und Herz dringen laffer. Weil man
iger fchrieb, fo konnte man die Vollendung der Norm |
finniger im Auge haben. Weil das leſende Publicum
Eleiner war, fo war es auch viel ausgewählter, Die Hell
ſchen Hiſtoriker haben zum tiefen Eindringen in die Geſch
Zandesnatur und Sprache der Hellenen. 67
and dem trockenen Argos, zmifchen dem rauhen Alpen
von Arkadien und der Tieblihen Ebene von Meſſene!
md der Welt vereinigt ſolche Mannichfaltigfeit auf fo
Gebiete. Auch in Flimatifcher Bezichung. Gell fand
rz bei den Meffeniern Sommer, bei den Lakoniern
g, bei den Arkadiern Winter 1). Weil überall Küfte,
Gebirge dicht neben einander fichen, — mehr als neun
des hellenifchen Feſtlandes find Gebirge — fo mußte
rauhe, beſchränkte, naturgetreue und confervative Sinn
völker mit dem feinen, offenen, kulturfähigen und progreſ⸗
me der Küſtenvölker auf das Schönfte verfchmolzen werden.
e das Land die Pflegemutter des Leibes it, fo iſt
rache die Pflegemutter der Seele. Und welch eine
die helleniſche! Vollkommen original, ift fie freunden
3 doch vollkommen zugänglid. Was fie aber irgend
Eigennamen und Oattungsnamen, das Feidet fie ein
sche Formen, um es organisch mit fich felber verbin⸗
innen. Dazu ihre mohlgeregelter, ſcharfbeſtimmter
n an Biegungen und Ableitungen : ſchön in der Dlitte
vifchen dem geilen Wachsthume der ſprachlichen Kind⸗
der dürren Nüchternheit des höhern Alters. Wie K.
ler ſehr richtig ſagt, im der griechiſchen Sprache tres
dorte, mit Flerionen wie mit Muskeln und Sehnen
als lebendige Körper hervor voll Ausdruck und Cha⸗
ährend fie in den neuern Sprachen zu Gerippen zu⸗
fchrumpft find. Weiterhin eine Mannichfaltigkeit
kelweſens, und eben dadurch, Bei der großen Frei⸗
Bortftellung, eine Feinheit der Nünneirungen, wie
er Sprache wohl ihres Gleichen findet. Die Hellenifchen
1 find fchon an fich fat. alle wohlklingend ; jede häß-
bination wird mit der äußerſten Sorgfalt verniieden.
zuſammenfügung der Sylben findet Die größte bs
Gell Journey p. 355. vgl. p. 162.
. 5 *
76 Prolegomena. Kap. 5.
nungen, ihren Altären und ihren Gräbern; die Säuleumengg:
erhebt fih, wie ein Wald; das Gewölbe ruhet darüber, ir
der Himmel, Die gauze unendliche Polymetrie der Pflanze
und Thierwelt ift zu Ornamenten auögebeutet, Alles auf iM
Wirkungen der Perſpective berechnet, Durch Die gemalten Talk:
fter in ein zauberiſches Zivielicht eingehüllt. Der belleniige-
Baumeiſter fucht weniger zu erreichen; er ift minder reich
- ander bedeutungsvoll, minder unendlich; aber fein Wenig
erreicht er ungleich wollfommener 1). Wührend die hellentichen
Tempel nur einen beiten, ſchönen Eindruck zurücklaſſen, fi
die gothifchen, mit ihrer unvollendeten, unbezwungenen Di
ſenhaftigkeit, ebenſo ſehr ein Denkmal der menfchlichen Kleid
heit, als der menſchlichen Größe geblieben. |
So herrſcht in der bildenden Kunſt bei den Alten Wi
Plaſtik vor, bei den Neuern die Mialerei. Jene Hält fich bei
nahe ansfchliehlich an das Nächitliegende, aber auch Höch
zugleih, an die Geſtalt des Menſchen. Sie iſt in der Aub—
wahl und in der Maffe ihrer Gegenftände eng befchräntt ;
muß überall rund, völlig. beſtimmt und völlig klar arbeiten
Die Malerei dagegen iſt mit dem Scheine der Geſtalten zu
frieden; nur für einen einzigen Standpunkt arbeitet fie: vn
bier aus aber gelingt es ihr, den Kreis ihrer Darftellung ini
Unendliche zu erweitern, Ihre Gruppen find zahlreicher r X
die der Plaſtik; fie kann Erhabenes und Gemeines 2), Ente
ſerntes und Nahes, faſt möchte ich ſagen, Ruhiges und Ber
wegtes zugleich ſchildern. Sie kann geiſtig und körperlich gar
1) Die fentimentale Kunſt, ſagt Schiller, iſt auf dem Wege “
einem höhern poetifdyen Beariffe, aber die naive hat einen nicht fo deu
hen wirklich erreicht (Briefe an Wild. Humboldt, ©. 377.).
2) Es ift bekannt, wie die neuere Kunft, felbft wo fie Maria mit)
dem göttlichen Kinde ſchildern will, immer Stall und Krippe, Ochs und;
Tel umperzuftellen liebt. — Das ganze Reich der Karritatur iſt dem“
Bildhauer beinahe völlig verſchloſſen. Vgl. Kant Kritik ber Urtheils⸗
fraft, 1, $. 48. d
Sprache und Körperbefchaffenheit der Hellenen. 69
die felbft im Verfalle noch gewürdigt fit, der höchſten
‚hen Offenbarung als Gefäß zu dienen. Die feierliche
idezza des Spanierd, Die feine Süßigkeit des Stalicners,
sranzofen geläufige Anmuth, des Engländers pathetifche
, des Deutſchen unergründlicher Reichthum, ja, ſelbſt
Zürde der römiſchen Senatorenſprache: hier find- fie ver⸗
, find geläutert im Feuer des Geiſtes und zum edelſten
zuſammengeſchmolzen. In diefer einen Sprache find die
metentöne des Pindar und die Flötenfpiele des Anakreon,
Ye gaukelnden Scherze des Ariſtophanes und die Erins
Dre des Aeſchylos gedichtet. Sie Hat den Thukydides
Schildern gedient, dein Demoſthenes zum Neden, dem
eles und Platon zum Speenliren. Die hellenifche Weis:
durfte niemal3 einer fremden Terminologie. .
aß die Hellenen körperlich e Schönheit beſeſſen, würde
bon aus ihren Bildiverfen verinutben dürfen, Wenn
irne dem voös entfpriht, Die Nafe dem Hunos, der
der Enıduniat),,. fo beruhet das Charakteriftifche des
hen Profild auf dem Uebergewichte der geiftigen Stirn
m finnlichen Munde. . Die gerade Nafe, weder zum.
ıtbe des aduncus erhoben, noch zur Sinnlichkeit des si-
rabgedrückt, fcheint auf geregelte Mäßigung des Willens
ıten. In der nationalen Größe des Kinnes kann der
nomiker Großartigkeit des ganzen Weſens finden. Die
ig der Hellenen vernachläffigte den Leib nicht über der
‘wie es Die unfere thut; die Schönheit und Anmuth
er der Stärke, wie es unſer Mittelalter that). Bes
inner noch, wie Sokrates, Befuchten die Ringfchule.
Lakedämouiern waren ſelbſt Die Jungfrauen non der
ehnliche Räfonnements über das Verhältniß von Kopf, Bruft
am menfdlichen Körper bei Platon: Timaeus p. 44 D.
ji. die vortveffliche Charakteriſtik der alten und neuern Bes
Hegel's Aeſthetik: Werke Bd. X, Ih. 1. ©. 212 ff.
18 Prolegomena. Kap. 3.
einander geſtellt. Selbſt die Maſſe der Handelnden fell
Abbild der großen Wirklichkeit geben. Bei Sophofles ı
Allem das Gegentheil: die einfachite und gefchloffenfte Ha
lung, Ort und Zeit auf das Steengfte begränzt, wenig P
fonen, die tragifche Majeftät Feinen Augenblick aus dem €
fihte verloren. Es ift Derfelbe Unterfchied , wie zmifchen eh
antifen Statuengruppe und einem neuern Gefchichtägemäl
Dei dem viel geringern Umfange der fophokleifhen Sti
konnte die Form des Einzelnen weit vollendeter fein. Sam
doch überhaupt bei den Alten auf die Form mehr an. 8
fehr hei den Neuern der Suhalt überwiegt, flieht man-ı.
fhon aus dem allgemein verbreiteten. und vorherrſchenden |
tevefje an der Babel des Stückes, mogegen die Alten |
ftet3 in einem engen, wohlbefannten Fabelkreiſe umherdrehet
. Wie derfelbe Unterfchied auch zwifchen den philofophifd
Kunftwerken der Alten und der Neuern zu finden fit, kann
Vergleichung der platonifchen Republit mit der Hegelfihen €
cyklopädie am beiten zeigen. Das nähere Detail dieſer V
gleichung überlaſſe ih dem Nachdenken des Leſers.
ir find unter Diefen Betrachtungen unvermerft an |
Thor gelangt, welches und den Tempel des thukydidelfd
Geiſtes erfchliegen fol. Ein ergreifender Moment! Wie;
ben unfere Schuhe aus, denn es ift heiligen Boden, den !
Betreten wollen 1).
’ 3) uUnſere Betradytung des Thukydides wird ſich ganz nad)
drei Hauptftadien einer jeden Kunftthätigleit ordnen. Nah €
kurzen GCrörterung feiner äußern Lebensumftände werden wir bie
und Weife Eennen lernen, wie er feinen Stoff gefammeltz weiter:
wie er ihn im Innern verarbeitet hat. Den Belchluß wird die Zerz
derung feines Kunſtwerkes felbft machen, worauf id) dann noch über
literarifchen Scidfale deffelben das Nöthige beizubringen habe.
DThukudides.
Bilvungsoortheile ber hellen. Geſchichtſchreiber. 73
ſich rühmen, ſo viele Völker perſönlich beſucht zu ha⸗
Und bei all dieſer großen Mannichfaltigkeit des dama⸗
Völkerverkehres zu gleicher Zeit die vollkommenſte Con⸗
ung. Alljährlich beinahe kamen die Hellenen an den
Spielen zuſammen, um über dev Vielheit ihrer Stänime
nheit ihres Volkes nicht einzubüßen. Während unſere
nur die Gewerbetreibenden herbeizieht, waren es die
n der Nation, die ſich dort vereinigten. Mit einem
‚ da fih Kultur und Gejchichte der neuern Zeit auf fp
iche Räume erweitert Haben, fo wird felbft die Außerfte
llkommnung unferer Communicationsmittel an wirklichen
yume der Anfchauungen den griechiſchen Vertehr wohl
ich übertreffen können 1).
nd nicht bloß ein enger Länderraum vereinigte damals
adlich viel hiſtoriſch Merkwürdiges, fondern ebenfo ſehr
n enger Zeitraum. In das neunte Sahrhundert vor
iſtlichen Zeitrechnung fallt die Blüthezeit des helleniſchen
edichtes, und im Anfange des zweiten Jahrhunderts
das letzte Abendroth der helleniſchen Selbſtändigkeit.
sen Jahrhunderte alſo drängt ſich die ganze reiche Ent⸗
g des Volkes zuſammen. Die neuern Völker wachſen
rfallen langſamer. Ariſtoteles konute faſt zu gleicher
tücke der neuem Komödie, Werke der drei großen Tra⸗
nd die phallifchen und dithyrambiſchen Urdramen aufs
ſehen ), Bon Kimon zu Kritiad, von Xefchylos zu
eirafyflien des Ariftephanes 3), von Ageladas zu Sko⸗
Käme es hier bloß auf. maffenhafte Räume an, fo wären bie
der alerandrinifchen oder gar ber trajaniichen Zeit unendlich
er geftellt, “als bie Zeitgenoffen des Perikles. Allein bei der _
sinförmigkeit, die in jenen Perioden ben orbis terrarum bes
‚ war eine Reife von berjelben Meilenzahl bamals viel weniger
. Se bequemer das Reiſen wird, deflo weiter muß man geben,
g noch denfelben Gewinn davon zu haben.
Aristot. Poet. 2.
Fröſche 92 ff.
7A | Prolegomena, Kap. 3.
pas Lehrern, von Empedofles zu Platon, endlich won Herodot
zu Thukydides: welcher Neuere hätte bei Einem Volke folde
Beräinderungen erlebt? Glückſeliger Thukydides!
Evdoınov nroAledoo» Adnvalng ayelsing,
IIoila iöov xal nolla nadov xal noAla uoynoa»,
Aicròę Ev vepehmai yEynosas juara navra.
Wollen wir den ganzen Unterſchied zwifchen Helle
nifher und neuerer Gefhichtfchreibung in den für
äeften Ausdruck aufammenfaffen, fo tft bei den Neuern die Ge
witmung, bei den Alten die Verarbeitung des Stoffes das
Vorherrſchende. Bei den Neuern alfo das erfte, bei den Hels
lenen das zweite Stadium einer jeden hiſtoriſchen Thätigkeit.
Wir kennen heutzutage fait ebenfo viele Welttheile, mie die
Alten Länder: ebenfo viele Sprachfamilien, wie die Alten
Sprachen. Die Möglichkeit der Analogie iſt für und beinahe
unbegränzt. ine Menge von Ziveigen der Gefchichte, das
Sprache, das Kunſt⸗, das Rechts⸗, das Mythenſtudium,
haben ſich bei und zu ſelbſtändigen Bäumen entwwickelt. Wenn
es auf hiltorifche Gefeke ankommt, ſo mußte fie Thukydides
faft allein von feinem Vaterlande abötrahiren, deſſen Ge
fchichte noch Tange nicht‘ wollendet war. Uns dagegen Liegt
eine Menge abgefchloffener Völkergefchichten ofſen. Aber nicht
bloß vielſeitiger iſt die Stoffgewinnung der Neuern, fondern
auch im Einzelnen weit gründlicher. Wo hätte das Alterthum
auf vergleichende Quellenkritik, auf Herausgabe der verborgenen
Quellen, auf Benutzung ſelbſt der indirecteſten Quellen, der
Urkunden, Münzen, Gedichte, ſo erſtaunlichen Fleiß verwen⸗
det? Aber es war fleißiger in der Verarbeitung dieſes Stof-
fes. Weil man weniger lad, fo Eonnte man das Gelefene
viel tiefer in Geift und Herz dringen laffer. Weil man we
niger fchrieb, fo konnte man die Vollendung der Form weit
finniger im Ange haben. Weil das leſende Publicum viel
Fleiner war, fo war ed auch viel ausgewählter. Die helleni⸗
fen Hiſtoriker Haben zum tiefen Eindringen in die Gefchichte
Unterjchied der alten und neuern Gefchichtfchreibung. 23
’» gut iwie wir den Weg der Analogie betreten, . Nur
chen fie den Gegenſtand ihres Studiums nicht ſo ſehr
udern Studien, ſondern mit dem, was fie im Lehen zus
umringte; nicht fo fehr mit den Erlebniſſen fremder
r und ferner Zeiträume, fondern mit den Erſcheinungen
eigenen Staates, ihrer eigenen Zeit, ihrer eigenen Wirk⸗
it. So mußte denn ihre Menſchen⸗ ımd Weltkenntniß
iell ziwar geringer, aber dem Weſen nach Ichendiger, kla⸗
id tiefer werden 1). Ihre Werke felbit find nicht fo reich,
endlichen Fernſichten, aber geichloffener und einheitlicher,
e unfern.
5s iſt ganz derſelbe Unterſchied, welcher das helleniſche
überhaupt von dem germaniſchen trennt; jener Unter⸗
‚ welchen man verfchiedentlich durch die Worte naiv und
ental, elaſſiſch und romantiſch, plaftifch und muſikaliſch,
v und ſubjectiv hat bezeichnen wollen.
zergleichen wir z. B. den Bau eines doriſchen Tempels
ner Kirche des deutſchen Mittelalters! Dort überall die
e Harmonie der geraden Linie, Die ruhige Feſtigkeit der
s nirgends animdlifcher, felten vegetabilifcher Zierrath ;
I are Heiterkeit; der Himmel durch's Dach, wie durch
tterenlumnien hereinblickend; jeder Standpunkt beinahe
zenuſſe des Ganzen gleich fehr geeignets Hier dagegen
mtefte Mannichfaltigkeit der Formen. Der Geift des
hters wird an den ſchlanken Pfeilern, die durch ihre
nbündel uoch ſchlanker ſcheinen, zum Gewölbe empor,
weit von der Erde hinweggehoben. Alle Reiche der Nas
id zufammengerafit, um dieſem Gebände Schmud zu
en. Das Schiff ftellt Die Erde vor, mit ihren Woh—
So haben bie Hellenen das Aeußere bes menfchlichen Körpers
ıauer ftudiert, als wir, in Gymnaſtik, Tanz und Plaftik viel,
Uer verarbeitet. Sectionen dagegen, Erperimente u. |. w. haben.
4 unternommen. Shre Bibliotheken find darum an Büchern är:
vefen, als. die unfern, ihre Staaten aber reicher an Männern.
8ga ghulhdides. Kap. 1.
der andere von 54 bis zum Schluſſe: die nur ganz oberfle
lich durch die letzte Redaction verbunden ſind. Beide |
Haben durchaus die nämliche Auordnung, wie die Fe
erſt werden die Außen Lebensumftände des Thukydides add
handelt, darauf die Charaktetiftik feiner Schreibwelfe.
drei: ſcheinen aus Vorlefungen über den Thukydides entfin
zu feins- von:dem zweiten {ft es gewiß (51). Daß Auf
des im ſpätern Alterthume beinahe. einftinmig für das M
aller Geſchichtſchreibung gehalten wurde, wiſſen wir aus S
nyfios 1). — Idhrem literariſchen Werthe nach ſtehen I
Aufſãtze giemlich auf derſelben Stufe, wie der eigentliche M
cellinus. Doch iſt der mittlere Autor viel weniger Beni
feine Dürftigkeit hinter Hochtrabende Nedensarten zu verſt
viel detaillirter in feinen Beifpielen, viel mehr gerichtet‘
grammatifche Wortkritik. Wo er ſchildern will, da geling
ihm. unglaublich ſchlecht (51). Der dritte Verfaffer u
geſchmackvollſte von allen, auch: in feiner heutigen Geftalt
kuͤrzeſte. Was den Inhalt betrifft, fo gehen fle in vielen €
cken dem Marcellinus völlig parallel, * Doch Steht 6 mi
5. mit 32 im directem Widerfpruche,
- Der anonyme Biograph giebt md meiter Mia,
eine wüſte;, ſchlecht verarbeitete Exeerptenſammlung. Sc
der einfachen Geſchichte von Thukydides makedoniſchen Falk.
gen richtet er die heilloſeſten Verwirrungen an (3). ie
Bringt er Rova bei; aber dieſe Nova find offenbar nur WE
verſtandene Nachrichten von dem ältern Thukydides, M
Sohne, und ſelbſt auf dieſen nicht ohne bie größe‘ D
ſambeit anzuwenden. | "a
- Der Artikel des Suida iſt, wie deffen ganzes £
zum Theil aus guten Quellen gefchöpft, aber mit großer
gerieten gearbeitet. Neues enthält er wenig.
u ):-Dionye i De Thucyd. iud. 2. eig), But Lucien be
modo sit hist. -conscr. N: >=
Landesnatur und Sprache der Hellenen. 67
and dem trodenen Argos, zwiſchen den rauhen Alpen-
von Arkadien und der Tiebliden Ebene von Meſſene!
and der Welt vereinigt ſolche Mannichfaltigkeit auf fo
Gebiete. Auch in Himatifcher Beziehung. Gell fand
irz bei den Meffeniern Sommer, bei den Lakoniern
g, bei den Arkadiern Winter 1). Weil überall Küfte,
Gebirge dicht neben einander ftchen, — mehr als neun
de3 Hellenifchen Feitlandes find Gebirge — fo mußte
raube, beſchränkte, naturgetreue und confervative Sinn
jölfer mit dem feinen, offenen, kulturfähigen und progrefs
ne der Küſtenvölker auf das Schünfte verfchmolzen werden.
ie dad Land die Pflegemutter des Leibes iſt, fo iſt
rache die Pflegemutter der Seele. Und welch eine
die helleniſche! Vollkommen original, ift fie fremden
n doch vollfommen zugänglich. Was fie aber irgend
Eigennamen und Gattungsnamen, das kleidet fie ein
tifche Formen, um ed organifch mit fich felber verbin-
fünnen. Dazu ihr mohlgeregelter, fcharfbeftimmter .
m an Biegungen und Ableitungen: ſchön in der Mitte
zwiſchen dem geilen Wachsthume der fprachlichen Kind⸗
ı der dürren Nüchternheit des höhern Altrd. Wie K.
Iler fehr richtig fagt, in der griechifchen Sprache tre=
Worte, mit Slerionen wie mit Muskeln und Sehnen
, als lebendige Körper hervor voll Ausdruck und Cha⸗
während fie in den neuen Sprachen zu Gerippen zu⸗
jefchrumpft find. Weiterhin eine Mannichfaltigkeit
tikelweſens, und eben dadurch, bei der großen reis
Wortftelung, eine Zeinheit der Nüancirungen, wie
ner Sprache wohl ihres Gleichen findet. Die hellenifchen
ven find ſchon an fich faft.alle wohlklingend; jede häß—
mbination wird mit der äußerſten Sorgfalt vermieden,
Zufammenfügung der Sylben findet die größte Abs
W. Gell Journey p. 355. vgl. p. 162.
. 5 *
18 Prolegomena. Kap. 3.
einander geitellt. Selbſt die Maſſe der Handelnden fol
Abbild der großen Wirklichkeit geben. Bei Sophofles '
Allen das Gegentheil: die einfachite und gefchlofjenite Ha
lung, Ort und Zeit auf das Strengfte begränzt, wenig I
fonen, die tragiſche Majeſtät keinen Augenblid aus dem (
fihte verloren. Es ift Derfelbe Unterfchied , wie zwifchen di
antiken Steiuengruppe und einem neuen Geſchichtsgemäl
Dei dem viel geringern Umfange der fophofleifchen Chi
Fonnte Die Fyrm des Einzelnen weit wollendeter fein. Sam
doch überhaupt bei den Alten auf die Form mehr an. ?
fehr bei den Neuern der Inhalt überwiegt, ſieht man-u.
fhon aus dem allgemein verbreiteten und vorherrfchenden X
terefje an der Babel des Stückes, wogegen die Alten
ftet8 in einem engen, wohlbefannten Fabelkreiſe umherdrehei
Die derfelbe Unterfchied auch zwiſchen den philoſophiſe
Kunftwerken der Alten und der Neuern zu finden fit, kann
Vergleihung der platonifchen Republik mit der Hegelfihen (
cyklopädie am beften zeigen. Das nähere Detail dieſer V
gleichung überlaſſe ich Dem Nachdenken des Leſers.
Dir find unter diefen Betrachtungen unvermerkt an
Thor gelangt, welches und den Tempel des thukydideiſc
Geiſtes erjchliegen fol. Ein ergreeifendee Moment! Wie,
hen unfere Schuhe aus, denn es ift heiliger Boden, den
Betreten wollen !).
—
1) Unſere Betrachtung des Thukydides wird fich ganz nad)
brei Hauptſtadien einer jeden Kunftthätigkeit ordnen. Nah €
kurzen Crörterung feiner äußern Lebensumftände werben wir bie
und Weife Fennen lernen, wie er feinen Stoff gefammelt; weiter:
wie er ihn im Innern verarbeitet hat. Den Beſchluß wird die Bert
derung feined Kunſtwerkes felbft machen, worauf ich dann noch über
literarifchen Schickſale deſſelben das Nöthige beizubringen babe.
Thukydides.
Körperbefchaffenheit und. Geiſtesbildung der Hellenen. 71
e Republiken, die in Wahrheit nur große Gemeinden
geftattete dieß. Wir fehen freilich überall, je mehr
. Staat der reinen Demokratie nähert, deito mehr wird
nze Leben feines Volles von Bffentlihem, von politis
Seifte Durchzogen. Aber was find unfere Zeitungen,
das. Beſte doch immer verheimlicht wird, gegen die alten
eden? unfere Landftände, die doch nicht den tauſendſten
der Gebildeten und kaum etliche Monate im Jahre an
aatövertwaltung Theil nehmen Taffen, gegen die alten
erfammlungen ?_ unfere Eonferibirteniheere gegen jene als
xgerkrieger, welche Jugend und Manneskraft unter den
; verleben, und jedweden Kampf in unmittelbarfter Nähe
rd und Altar führen mußten? Welch eine Schule der
igkeit, der lebendigen Welt und Menſchenkenntniß für
ſtoriker )I Wer das Leben nicht nah Stunden mißt,
ı nach Thaten und Erfahrungen, der muß geftehen, jene
yaben länger gelebt. Es war damals noch nicht fo üb⸗
ie heutzutage, dag die Sünglinge als Weisheitsverkün⸗
die Greiſe als Yeldherren und Minifter auftraten. - Mit
j Jahren wurden Iphikrates und Aratos, mit ein und
z Jahren Hannibal, mit drei und zwanzig Jahren
jus, mit fieben und zwanzig Jahren Scipio die Ober⸗
en ihres Vaterlanded. Sophofles Dagegen, Herodot,
ides, Sokrates haben ihre Meiiteriverke erft im Alter
ben. Nach einer glühenden, .aber naturgetrenen Ju⸗
einen ftürmifchen, aber gemäßigten Mannesalter zog
Greid in den Hafen der Muffe zurück, das vergangene
Wie innig die Literatur der Hellenen mit ihrer Staatsverwal⸗
ammenhängt, beweifen u. %. bie Lyriker, obwohl die Blüthe
hen Poefie noch in die ariftokratifche Periode fällt. Tyrtäos
Spige des Heeres; die meiften Gefege in Verſen; Alkäos, The⸗
Stejihoros im heftigften Strudel des Parteienkampfes; Bakchy⸗
bannt, Simonibes durch feine Staatögebichte weltbegühmt; auch
3 endlich, auf das Zieffte durchbrungen von politifhem Geiſte.
89 Chulhdides. Kap. 1.
hängigen Beſitze von Dalmatien zu erhalten mußte,
Freund des Salluftius würde er dann auch Zeitgenoffe
Simplifios fein müffen 1). Anſprechender noch iſt bie!
muthung von Konrad Geöner, der ihn für den befannten
ftoriter Ammianus Mareellinud Hält, Ammianus ſchrieb
Gefchichte zwar Inteinifch; aber am Schluffe des ganzen 2
kes 2) nennt er fich felbft einen Griechen, und es find d
leiſe Spuren bei ihm ‚vorhanden von Ngcahmung bed Th
dides. Jedenfalls “ME der Verfaſſer umferer Diegraphi⸗
Grammatiker, ein Rhetor der ſpätern Kaiferzeit 2),..
Marcellin hat ſehr gute Quellen benutzt: den Sell
Herodot, Kratippos und Timäos, die Atthidenfchreiber An
tion und Philochoros, Demetrios Phalereus umd Prart
ned, die Alerandriner Hermippod und Polemon, weiterhin
Commentarien, welche Didymos und Antyllos zum Thul
des gefchrieben. hatten. Was jedoch Die Benutzung dieſer
{en anbetrifft, JP: leidet M. an allen, Fehlern feines: Seital
des nur in den Herfämmlichen Diftinetionm her Rhetornn
auszudrücken: ob feine, Sprache dem. Öynrör, dem jogwär
dem ueoov . angehöre 39), feine, Darſiellung der Rhe
oder Poeſie (41) „al feine Reden demegqriſch ſeien, odq
kaniſch, oder panegyriſch (42). Weil die Rhetoren jener
Immer gewiſſe Muſien Bor Augen hatten,: ſo maß num!
— Sonn... nkomd
FF y, Suidas v. Zulioion. Amp! Hommas. —
J xxXl, 16, 9. ,
Üg wäre, fo müßte Marcellinds "had dem Tode des eek
gelebt haben. K. W. Krüger will in ber drprBele —XX
Marcellinus $.1. eine Nachahmung finden von Ariſtides “Yrdp rar:
P- 200. Sant. — Nah 3. G. Voffius Vermuthung (De hist. 4
- eis p. 302. West.) würde der Biograph identiſch fein mit dem &
fee des Commentars zum Hermogenes. ine gelehrte Zufammenſte
der bekannten Marcelline giebt Claude Chifflet in ſeiner Vie!
miani: bei Wagner Vol. I, p. LXXXV sqq:
Bildungsvortheile der hellen. Gefchichtichreiber. 25
fi) rühmen, fo viele Völker perſoͤnlich befucht zu has
Und bei al dieſer großen Mannichaltigkeit des dama⸗
Völkerverkehres zu gleicher Zeit die vollfommenfte Con⸗
rung. Alljährlich Beinahe kamen die Hellenen an den
n Spielen zufammen, um über der Vielheit ihrer Stänime
finheit ihres Volkes nicht einzubüßen, Während unfere
e nur die Gewerbetreibenden herbeizieht, waren es die
ten der Nation, die fi) dort vereinigten. Mit: einem
e, da fih Kultur und Gefchichte der neuern Zeit auf fo
liche Räume erweitert Haben, fo wird felbft die äußerſte
ollkommnung unferer Communicationdmittel an wirklichen
hume der Anfchauungen den griechiſchen Verlehr wohl
lich übertreffen können 1).
Ind nicht bloß .ein enger Länberrasm vereinigte damals
indlich viel hiſtoriſch Merkwürdiges, ſondern ebenſo ſehr
in enger Zeitraum. In das neunte Jahrhundert vor
riſtlichen Zeitrechnung fällt die Blüthezeit des helleniſchen
zedichtes, und im Anfange des zweiten Jahrhunderts
das letzte Abendroth der helleniſchen Selbſtändigkeit.
ben Jahrhunderte alſo drängt ſich Die ganze reiche Ent⸗
ig des Volkes zuſammen. Die neuern Völker wachfen
fallen langſamer. Ariſtoteles konnte faſt zu gleicher
ztücke der neuern Komödie, Werke der drei großen Tra⸗
md die phalliſchen und dithyrambiſchen Urdramen aufs
fchen ). Bon Kimon zu Kritiad, von Aeſchylos zu
eirakyllien des Ariſtephanes 3), von Ageladas zu Sko-
Käme es hier bloß auf. maffenhafte Räume an, fo wären bie
der alerandrinifchen oder gar ber trajanifchen Zeit unendlich
er geftellt, “als bie Zeitgenoffen des Perikles. Allein bei ber R
Einförmigkeit, bie in jenen Perioden den orbis terrarum bes
‚ war eine Reife von berjelben Meilenzahl damals viel weniger
. Je bequemer das Reifen wird, beito weiter muß man geben,
ig noch) denfelben Gewinn davon zu haben.
Aristot. Poet. 2.
Fröſche 92 ff.
8A char KLhulydldes. Kap. 1.
der andere won 54 bis zum:Schhiffer Die iur ganz ob
Ih durch die letzte Redaction verbunden find: Belbe 2
Haben Kurhaus die nämliche Anordnung, wie Die Hauptf
erſt werden "die Aufern Lebendumſtände des Thukydides
hanbelt,: darauf die Charakteriftik feiner Schreibweiſe.
drei: ſchelnen aus Vorlefungen’ über den Thukydides entf
zu feits: vorl’dem-zieiten- iſt es gewiß (51). Daß I
des im ſpätern Alterthume Beinahe: einftimmig für das $
ailler Gefchichtfchreibung gehalten wurde, wiſſen wir aus
nyſtos 1), — Idhrem literariſchen Werthe nach fiehen
Affäre leimlich auf derfelben Stufe, wie ber eigentliche
celluus. Doch‘ tft der mittlere Autor wiel weniger ba
feine Dürftigkeit hinter hochtrabende Nedendarten zu ver]
viel detaillirter in feinen Beifpielen, viel mehr gericht
grammatiſche Wortkritil, Wo er fchildern will, da geft
Ihm. unglaublich Tchleht (51). Der dritte Verfaffer |
geſchmackvollſte von allen, auch: in feiner Heutigen Geſte
kuͤrzeſte. Was den Inhalt betrifft, fo gehen fle in vieler
cken dem Marcellinus völlig parallel, : Doch ſteht 6 m
w mit 32 in directem Widerſpruche.
Der anonyme Biograph giebt ind weiter ih
eine wüſte;, ſchlecht verarbeitete Excerptenſammlung. Se
der einfachen Geſchichte von Thukydides matedoniſchen F
gen richtet er die heilloſeſten Verwirrungen an (3). F
Bringt: er Rova bei; aber dieſe Nova find offenbar nur
verſtandene Nachrichten won dem ältern Thukydides, SM
Sohne, und felbſt auf dieſen nicht ohne die größte X
ſaunkent anzuwenden. |
Der Artikel des Suidas iſt, wie deſſen ganzes Ley
zum Theil aus guten Quellen geſchöpft, aber mit große
gemietet gearbeitet, Neues enthält et wenig.
2 1).-Dionys. De Thucyd: iud. 2. (Rei) aut Lucien
modo sit hist. conscr.
Unterjchied der alten und neuern Geſchichtſchreibung. 785
zut wie wir ben Weg der Analogie betreten. . Nur
n fie den Geganftand ihres Studiums nicht fo fchr
ern Studien, fondern mit dem, . was fie im Leben zus
mringte; nicht fo fehr mit den Erlebniſſen fremder
und ferner Zeiträume, fondern mit den Erſcheinungen
jenen Staates, ihrer eigenen Zeit, ihrer eigenen Wirk⸗
So musste denn ihre Menſchen⸗ und Weltkenntniß
zwar geringer, aber dem Weſen nach lebendiger, kla⸗
tiefee werden 1). Ihre Werke felbit find nicht fo veich,
dlichen Fernſichten, aber gefchlofjener und einheitlicher, .
ınfern. Ä Ä
ift ganz derfelbe Unterſchied, welcher das helleniſche
serhaupt von dem germanifchen trennt; jener Linters
welchen man verfchiedentlich durch, die Worte naiv und
tal, elaffifch und romantiſch, plaſtiſch und muſikaliſch,
und fubjectin Hat bezeichnen wollen.
‚gleichen wir 3. B. den Bau eines dorifchen Tempels
: Kirche des deutſchen Mittelalters! Dort überall die
Harmonie der geraden Linie, Die ruhige Feſtigkeit der
nirgends animelifcher, felten vegetabilifcher Zierrath 5
lare Heiterkeit; Der Himmel durch's Dach, wie Durch
reolumnien hereinblickend; jeder Standpunkt beinahe
nıffe des Ganzen gleich ſehr geeignets Hier dagegen
eite Mannichfaltigkeit der Formen. Der Geift des
3 wird an den fchlanfen Pfeilen, Die durch ihre
ündel uoch ſchlanker fcheinen, zum Gewölbe empor,
it von der Erde hinweggehoben. Alle Reiche der Nas
zufammengerafit, um dieſem Gebäude Schmuck zu
Das Schiff ftellt die Erde vor, mit ihren Woh—
zo haben die Hellenen das Aeußere des menſchlichen Körpers
er ftudiert, als wir, in Gymnaftil, Tanz und Plaftil viel
: verarbeitet. Sectionen dagegen, Experimente u. |. w. haben.
unternommen. Shre Bibliothefen find darum an Büchern är⸗
:n, als die unfern, ihre Staaten aber reicher an Männern.
86 Rue apa: no .;
hal’ auch Gellius ſriner gangen Angabe ein: ut! videter 9
ſetzt. — Krüger hat deßwegen. die andrre Augabe morgey
die ſich bei Marcellinus findet (34), wonach Thukydides
funfzig Jahre alt geworden ˖ wäde. WIN man hierin
wirklich poſitive Angabe ſeines Alters finden, fo würde er
fein Tod, in DE: 94 fällt, etwa DE. 80 nder 81 geboren
Allein die Gründe, welche Krüger zur Unterftikkung
führt‘, ſind? nach meinen: AUnfichti nichts weniger als Be
ſend 15 5: Ihrunbloße Anzahl Exun: dieſen Mangel: nicht
vn Br z. BrrKrüger aus dem Asyazoı. nes 3
cellinus, dag mehrere feiner Quelleu diefelbe Angabe⸗
tayi- Die Alnbefhiendheit det ahrerzchl; foll ein günf
Borurtbeilinaflie exregen, „mel das. Wert des Thube
erſt lange: nach; bern Tode deſſelben berühmt wurde, um
alſo wahrſch ein bich wicht mehr möglich mar, . hun
nciues über das Geburtsjahr des Verfafſſers zu . exist
Welch ein ntficherev. Boden!Konnite Da nicht ebenſo gi
folgert werden, : weil Pamphila die Geburtsjahre des Her
und Hellanikos zugleich angiebt, daß fie aus einer. fchägk
Rauelle Läher:: alle drei Hiſtoriker zuſammen geſchoͤpft Bi
Könnte nicht die ganze Angabe des Mareellinus nur auf ı
eigenen Rechnung beruhen, wobei das Feldherrnjahr des 9
kydides und das Ende des Krieges als Poſten benutzt wi
wären?’ Die Stelle des Aphthonios, den ich et
* auf einzelne Worte hin als Geſchichtoquelle premiren
wird vollkommen aufgewogen durch Die Notiz des Suiddl
die nach Krüger „gar Feine Beachtung verdient,“ - Wer
cero ichenbwo 7 Themißtocles aligyot fake annis J
J.
EEE BE Zr a Bu PR oo. ; on
y Unterfudhungen ©. 7 e BR el
2, rue nord ri⸗ ne’ Olvuzuide. Eine Reihe von
Stellen, die gleichfalls gehen Krüger Iprecjen, wird „als gar ke
rücfichtigung verdienend“ S. 40. aufgeführt. Warum ſtehe ven
Aphthonios fo viel höher, als die Ariſtidesſcholien und Phlloſtratot
Tl
)
Unterſchied der alten und neuern Kumft überhaupt. 77
ndenten, Tann auch Disharmonien im Einzelnen für
nze auflöſen. Dieſer Lnterfchied zivifchen Anti⸗
Modernem mird am deutlichjten, wenn man die Art
„wie fie Beide den Eindruck der materiellen Natur
sen, Den Seeſtücken, den Waldſtücken und Land -
der neuern Zeit ftchen bier die Zritonen und Nereiden
cthbums, die Bane, Nymphen und Satym auf das
gegenüber.’
hat ferner die Muſik, die von allen Künſten ihres
3, der Tone, am wenigſten Meifter ift, die am uns
eiten ausdrückt, und ſich eben Daher für unklare, uns
e Gefühle am beiten eignet, fie bat bei den Hellenen
zen eine viel geringere Stelle eingenommen, als bei
er. In der Muſik felbit Haben Die Hellenen wie
ie klare, zeichnende Melodie höher eultivirt, als die
, malende Harmonie 1).
gleichen wir endlich ein Trauerſpiel von Shakeſpeare
m ſophokleiſchen! Wie it Shakefpeare bemüht, Die
Belt in den Kreis feiner Dichtungen hereinzuziehen!
a bunter Wechtel der Scenen, der Zeiträume, oft in
zen Stücke, nun gar in dem ganzen Kyklos feiner _
Scherz und Ernſt; Burleskes und Gewaltiges; Men⸗
8 den verſchiedenartigſten Geburtsſtänden und Lebens—
Himmel, Erde und Hölle ſind hier gefliſſentlich neben
Wie ja auch, ganz dem entſprechend, in der helleniſchen Metrik
hmus vorherrſcht, in der neuern Metrik der Klang der Worte.
Reiche der neuern Künſte ſpielt die Muſik eine ganz ähnliche
ie die Bildhauerkunft bei den Alten. Weide haben filh auch auf
ıloge Art entwidelt. Pheidias und Polykleitos würbe man uns
idel, unferm Sebaft. Bach und Gluck vergleihen müſſen; Sko⸗
Prariteles unferm Haydn und Mozart, felbft in ber Vereinis
Lieblichen mit dem Furchtbaren, des Komiſchen mit dem Tra⸗
Lyſippos würde mit Beethoven, die Laokoons⸗ und Fechterpes
it unſerer neueften Muſik feit 8. M. von Weber parallel
18 Prolegomena. Kap. 5.
einander geſtellt. Selbſt die Maſſe der Handelnden foll ein
Abbild der großen Wirklichkeit geben. Bei Sophokles von
Allen das Gegentheil: Die einfachfte und gefchloffenjte Hand-
lung, Drt und Zeit auf das Steengfte begränzt, wenig Bear
fonen, Die tragifche Majeftät Eeinen Augenblick aus dem Ge
ſichte verloren. Es ift Derfelbe Unterſchied, wie zwifchen eine
antiken Statuengruppe und einen neuern Geſchichtsgemälde.
Bei dem viel geringern Umfange der fophokleifhen Stüde
Konnte die Form des Einzelnen weit vollendeter fein. Kam «
doch überhaupt bei den Alten auf die Korm mehr an, Wie
fehr bei den Neuern der Suhalt überwiegt, fleht man- u. A.
fhon aus dem allgemein verbreiteten und vorherrſchenden In⸗
tereſſe an der Fabel des Stückes, wogegen die Alten ſich
ſtets in einem engen, wohlbekannten Fabelkreiſe umherdreheten.
Wie derſelbe Unterſchied auch zwiſchen den philoſophiſchen
Kunſtwerken der Alten und der Neuern zu finden iſt, kann die
Vergleichung der platoniſchen Republik mit der hegelſchen Er
cyklopädie am beſten zeigen. Das nähere Detail dieſer Ver:
gleichung überlaſſe ich dem Nachdenken des Leſers.
ir find unter Diefen Betrachtungen unvermerkt an dad
Thor gelangt, welches und Den Tempel des thukydideiſchen
Geiſtes erfchlichen ſoll. Ein ergreifender Moment! Wie zie
ben unfere Schuhe aus, denn es ift heiliger Boden, den wir
Betreten wollen 1),
. 2) Unfere Betrachtung des Thukydides wird ſich ganz nach ben
drei Hauptſtadien einer jeden Kunftthätigleit ordnen. Nady einer
kurzen Crörterung feiner äußern Lebensumftände werden wir bie Art
und Weife Eennen lernen, wie er feinen Stoff gefammelt; weiterhin,
wie er ihn im Innern verarbeitet hat. Den Beſchluß wird die Berglies
derung feines Kunftwerkes felbft machen, worauf ich dann nod) über bie
literarifchen Scyickfale deffelben das Nöthige beizubringen habe.
hu kyudides.
— — — — —
Erftes Kapitel.
ußere Lebendumftände des Thukydides.
8. 1.
Quellen
dides ſelbſt redet mıe wenig von feinen Verhältniſ⸗
einer Verbammmg fogar wird nur beiläuflg erwähnt, .
ern fie auf feine wiſſenſchaftliche Thätigkeit influirt
— Die Scholien, fo groß ihr exegetiſcher Werth
doch in diefer Hinficht Beinahe ganz ohne Aus⸗
Unfere Hauptquelle müffen daher die Lebensbeſchrei⸗
en Markellinos, von einem Ungenannten und von
en, ZZ 5 I
: de Perſon des Markellinos find wir durchaus
eln 2). Eitirt wird feine Schrift zuerſt bei Sui⸗
Anfer Autor ift vieleicht der Freund des Philoſophen
„ deſſen Suidas s. v. Magxellivog gedenkt: ein
zogener, gelehrter, auch in der Mantik erfahrener
ver ſich Durch Geſchicklichkeit und Tapferkeit im unab-
2 |
. W.H. Grauert Ad Marcellini vitam Thucydidis ob-
criticae: in Niebuhr's NRheinifhem Muſeum.
anmlavce und arolavew.
6
92 Ahulydides. Kap. 1.
gen dem Demos nad ein Halimuſier, Dem Genos
Philaide. Das Geſchlecht der Philaiden iſt aber wohl
terſcheiden von dein. philgibifchen Demos, --. Auch red
mippos nach Schol. I, 20, nur von einer Berwandtfc
Thukydides mit dem Peiſiſtratidenhauſe. Auf eine fol
wandtſchaft möchte ſich denn auch Thukydides ſelbſt bezi
wo er beſondere Ueberlieferungen anführt, die Kom vo
ſtratos Sähnen zu. Gebote ſtanden. er
& 3.
Jugend und Erziehung des Thukydides.
Aus der Kindheit des Thukydides wird uns nur
ziger Zug überliefert. Ex ſoll einer Vorleſung bei
doteiſchen Werkes?) beigewohnt, und von Entzü
rührt nie; von. dem Stachel der Nachelferung , Thrän
über: vergoffen haben: Herodot, dieß bemerkend, hätt
Vater Oloros Glück gewünfcht ; mit den, Worten: *
eo "ORoge, 6.005 007W0av £yaı Tir ylaw no05 nad
— Dieſe Nachricht ift von manchen Neuen, zuerſt vı
Dom; in Zweifel gezogen; ganz zu befeitigen geſucht
mein Lehrer Dahlmann, mit großem Scharflinne und
derung&würbiger Gelehrfamkeit: ). Die ‚Vertheidigu
Tradition Hat vornehmlich Krüger unternommen, mit
großem: Aufwande von Mitteln 5). Dahlmann argı
dabei auf. folgende Art. Borläufig- geigt er aqus me
Beiſpielen, dag Lukian durch Charakter. und Abſicht zu
1) VI, 55.
2) Wie fie Lukian uns fhildert: Herodotus s. Aetion.
®) Marcell. 54. Phot. Bibl. 60. Sui das s. v. &
und öoyw. Tzetzes in Yoppos Thukydides I, p. 321.
*) Dahlmann Forihungen auf. dem Gebiete der Gefchicht
©. 12 ff. Ex ift zunächſt beflritten worden von Heyse Qu
rodd. p. 27.
5) Unterfuhungen ©. 11 ff.
$. 1. Quellen zun Biogrenhichnars Thukydides. M
ed: bald den Dom br en Pinder / chalde dier Spt
achahmen (3i:fg.):; 1 Mm ae Dlirre Krosfandeit: fen
ig fu etwas aufzufriſchene,Animmt ulen:Blntar zu al⸗
nſtmitteln ſeine Zufſhen Mitteln aler, dia, ſenng Ar⸗
t noch deutlicher bemkuehen, Sp: zrenneinplatzen.
inthier z. DB. wenden Sich, in. ihrex Noth, u dad Qua⸗
idem fie. wußten,n fährt Mareellinus fFortinu daß Poht
3 dem Elende alyen Ugıpeg finden): Bea Auch Da
zufolge find die Gütter allnädhtigi walls #7 Ernie
aunyavov &3 Yalznüz..dvag uͤneg/ te —RWW
segekor door (d).. Oder. zu Worſſpielcu,n Ment
—RX md: meorove einander gegeoüiheritelit. 16h
xaxoy woznv (23): Bon Seinen ertihirnZtöncht
und ‚zmanzigite Paxagraph ain wahrhaft nlfcheecieee
de, Doch hat er im Einzelnen wianchegi:kreilandg
nag es rk viclleicht wicht immer Feen
8 er inohzefondere; vorn achten Buche / dahi gchukud iqeß
kann nicht genug bcherzigt werden ide Nano
I unge ee Fate
iemlich gleihgülggen Uwftand nin Ar Meishichte: [da
Hhren nimmt zaih, Priktel des ganze am: weg
abi hufydiea· fen rn Alina, perkeit- ham
edanbenlos: Min ee rn ehren nd
‚ganıg Aufſſatz Hein and. Arm. Orhan hiogna
ie Birke engtlehmt zu ſein; Inmigteſbax, narhey
Dempſthenes gehſendelt woxden lan. Gleichphl
Zchrift ia. den. pprlisgenben, „Dfprenlliguämafie ms
4. Was darauf folgt, find armen
zrxidenſelen Hegenſſand, Bez. eing ya rhiß 53,
Fe sn Head 152 mi an IdR rg
0’ in r Ion 85 bi „tin. b }
a lee. DR anlkelae Ribhee®
aus im Stile des Anfanged, und $. 1. erklärt ja Marcel:
eradezu, ‚daß, äpine Biographie den epflenz , ſeina Pepetit
ſheil bilden folle. ‚19-109 sei sie obom
*
98 ers. zung Zpukgeiprd,;. ‚Raps In
die, as Dem Thukydides Hhetrifft, hiexrbei hͤchſt nahe
alla ans dem Marcellin geſchopft haben, „und, den Char
Web Geſchichte fellf, wig, gauig mad. gar Amer ¶ grammati
Schulaneldote 2), aͤhnlich ſieht, wie ja die Spätgen fa: gem
maſßfen Männex; der Meargangeuheit: perſönlich zufamımenk
gen; :al8) Lehrer and Schäles zu. ſ, m, fo.-bfeiht auch
nieder Das Bekenntniß der Uugemwißheit: daseinzig -;fld
MRöglich AR: Die Sache, aber ichlecht genug. werbürgt, .:.'&
lenchtet, von ſalbſt eindaßſie mit dev: marceltiniſchen Bei
mung: hen. Thukydideq Lebensalter, wonach Herodot d
drtißig ·ahre früher geboren, ungleich heſſer harmonixt,
mit der Angabe der Pamphila, welche Be, beiden Sie
mim. ‚bypizchn, Jahre aus einander rückt ).
sie AR Sehrer. orü <hufgdibes ‚wird vor: Alien der }
Philoſpph An aragoras- ‚ermähnt 3). : Wegen: feines U
Zea mit; dieſem Manne ſoll Thukydideg als Atheift verdi
werden: ſein. Dieſe Nachricht enthält nichtz Mm
ſcheinlicheßz; wir werden tiefes, unten Die, freifinnigen Er |
des Thukydides über Matunhänemene, tonen, leruen,
fir; beſtätigt merden dürftee.. -
11. Mipper. guverläffig it-eine, andere Angabe, 1. “ce,
Ahuludideb zum Schüler des Redners Antiphon dl,
Kanye: hat. mit. gläckfichem;: Scharffinne.. gwzeigt, daß
gan⸗ — van wer nur ale einer: *
ME... i Don. R
nen nano‘ —8
347% al: Jun Hrugen un rommen ber. tieben , Zugent, "wie Ben
meint; Bu Heitmann’ Shutgbibes ©. 6. N
WR Rad) Krüger’s Rechnung würde Spubinee im, er
ehtda 10-218 Sabre damals gezäßtt haben (©. 9.)."" Jin erh
geräth Herodot leicht etwas zu jung. u
e Marcell. 22, nad) Antyllos Angabe. „T
. Mardell. 22. Anon. 2. Hermog, De. idee ı
Said. v. Aycıgay und Bovavdiöns.. !Schol. Arist,. De.quat,; '@
Vgl. Ruhnken De Antiph. in Reiske's Rednern VII, p. 8Ol««-
$. 2. Geburtöert und Gehnrtsgelt des Thukydides. 88
zu endlich noch zerſtreute Notizen bei ehe Pin
phthonios, Photios u. a |
8. 2,
Grhurt und Herkunft bes, Thukybibes...
war Thukydides geboren ? wann war er geboren?
her Familieiy?
kydides iſt geboren in dem ettifen Demos Halle
der zur Phyle Leontis gehörte und eine Heine deutſche
m Athen an der Küfte Ing, zwiſchen Kolias und
3), " oo |
x die Geburtszeit des Hiſtorikers haben mir zwei
biedene Angaben. Nach der Pamphila wäre Hella
n Ausbruche des peloponnefifchen Kriege 65, Hero⸗
Thukydides 40 Sahre alt geweſen y. Dieß würde
urtözeit in das Jahr 472 v. Chr, verfeßen. Allen
iphila war ſchwerlich eine ſehr glaubwürdige Auctori⸗
verfaßte unter Kaiſer Nero ein. großes, plauloſes
verk, worin ſie allerhand Notizen, hiſtoriſche Leſe⸗
mt zuſammenſtellte. Dieß mag der Grund fein, weß⸗
ie die ganze fußere Lebensgeſchichte des Thukydides habe ich
: Arbeiten von 8. W. Krüger zu erwähnen: Unterfuchuns,
as Leben des Thukydides (Berlin 1832. 4%.) und Epikritiſcher
um Leben bes Thukydides (1839.-8%). Wie Alles, was Krür
t, im höchſten Grabe ausgezeichnet durch gründliche Gadı- -
ad durch vielfeitigen, umfichtigen, mitunter glänzenden Scharfs
wieder zu breit, und bei der großen Dürftigkeit der Quellen
ad Gewiffe vor dem minder Gewiffen! hervorhebend. Wie
uhr vortrefftich bemerkt: Bei unfichern Dingen ift es bie
ee den Grad ber eigenen Gewißgeit anzugeben
.3, ©. 161 ff.).
ißer der Infhrift bei Marcel. 18 6565. und. Anon. 10.
. Cimo 4. Krüger unterſuchungen 8. 2. en
emosth. adv. Eubul. p. IM... nr Be
ellius N. 4, XV, 23. ;,. el Re spe
86 ee pure © 3
halt auch Gellius Feier. gangen Angabe ein: ut Vdeter vora
ſetzt. — Krüger hat deftwegen. bie andre Angabe: nergezgi
bie ſich bei Mareellinus findet (34), wonach Thukydides ü
funfzig Jahre alt gemorden-Ioike. Will man Hierin ci
wirklich pofitive Angäbe ſeines Alters finden, fo würde er, 1
fein Tod mn DL: 94: fällt, etwa DE. 80 ober 81 geboren: {di
Allein die Gründe, welche Krüger ‚zur Unterfkügung:
führt‘, ſind Znachmeinen:: Anfichtr nichts weniger ala Bet
fend 2); 2: Ihrenbloßen: Auzahl kaun dieſen Mangel: nicht eh
Ken: sr. DBirfiriger: aus dem Asyarnı:ed |
cellinus, daß mehrere feiner Quellen dieſelbe Angabe M
tag Die Unbeſtinicheit der Dahvezahl; ſoll ein günſt
Vorurtheildafli erregen, „mel das Werk des Thubedl
erſt lange: ansh;,iberu Zoe deſſelben berühmt wurde, dr
alſo wahrlich ein bich nicht. mehr möglich war, etwaßcl
nciues über:.da8:. Geburtsjahr des Verfaſſers . zu ermitteh
Welch ein uficheren Boden! :Kintte da. nicht ebenſo gut
folgert werben, weil Pamphila die Geburtsjahre des Her
und Hellanikos zugleich angiebt, Daß fie aus einer. fchät
quelle, Läher:: alle drei Hiſtoriker zuſammen gefchipft £
‚Könnte nicht Die ganze Angabe des Marcellinus nur auf 6
eigenen Rechnung beruhen, wobei das Feldherrnjahr ve 8
kydides · und das Ende des Krieges als Poſten benutzt wi
wären? Die Stelle des Aphthonios, den ich nimmerme
bis auf einzelne Worte hin als Gefchichtäquelle premiren m
mird vollfommen aufgewogen burch "Die Notiz des Su
die nach Krüger „gar Feine Beachtung verdient. Men
cern o rgeibino ſagt, Themistoeles aligyot anfe ; annis |
vd .
on ae En Ber FRE zu
y unterſuchungen ©. 7 ff.
2)' "Huuake Roco eur ne’ Oluuzuide, Eine Reihe von
Stellen, die gleichfalls geden Ktäger ſprechen, wird „als gar ke
rüdfichtigung verbienend” S. 10. aufgeführt. "Barum ſteht venn J
Aphthonios fo viel höher, als die Ariſtidesſcholien und Yhiloftrk
2..Geburtezeit des Thukfydides. 87
das, ſo darfeman daraus noch nicht mit Krüger
daß feine Angabe, 'Thucydides paullo aetate po-
am Themistorles , völlig ungenmt fein müfſe 1).
mnis heißt eine teihe von Jahren ſchlechthin, paulle
m ein Wenige. — Aber Krüger meint, die Arts
Marcellin aus einem Zeugniſſe des Thukydides ſelbf
ı.zu können. Thukydides ſagt nämlich 2), er Habs
ug.deä peloponnefiſchen Krieges um, fo ſchärfer beob⸗
I ec iahuvonmwag 77 nluxig; verm oͤge feines Al⸗
Im Stande geweſen ſei. Hierin liegt natürlich fos
er weder. als unreifer Jüngling, noch als abgelebtet
m gejehrieben haben. . Dad Erſtere, urtheilt num
bedurfte. feines‘ Worteß, da Th. fon im achten,
Krieges als Feldherr auftritt. Wäre m Dagegen,
phila's Angabe, beim Schluffe des Krieges ſchon 67
geweſen: er Hätte anders fprechen müſſen. Mit 67
itte er, nach Krüger's — u höchftens unges
ined Alters fagen dürfen. Allein jene Verſicherung
ypides geht ja keinesweges bloß auf die legte *
3 Buches, die nach dem Kriege erfolgte, ſondern
lehmlich auf Die zu "Grunde liegende Beobachtung,
Ereigniſſen ſelbſt parallel lief. Iſt es ferner ſo
, frage ich, daß ein Greis, zumal im Vollgefühle
ft,‘ vielleicht allzu ſehr jedes jüngere Lebensalter für
Art)? Freilich entgegnet Krüger, Thukydides habe
Anfange des peloponneſiſchen Krieges den Entſchluß
eſſen Geſchichtſchreiber zu werden; er habe die Dauer
ſes vorausgeſehen, und als viersigjäßriger Mann
icero Brutus 11.
„ 26.
e Ydızia für den Krieg, ſagt K. D. Müller, war fkeilidh
e, aber für Geiftesarbeiten fchien den Alten im Ganzen ein
‚ter geeignet, als und (Gef. der griech. Literatur, Bd. 2,
88 | Thukydides. Kap. 1. .
kaum erivarten können, beim Schluffe befielben noch in v
ler Kraft zu ſtehen. Allein konnte Thukydides auch, we
er einmal den Conflict der beiden großen Parteien feiner 3
ſchildern wollte, — und diefen Conflict hat er für das geb
Ereigniß der ganzen Gefchichte angefehen — Tonnte af
Her.anfangen? Konnte jenes Bedenken ihn alfo beſtimme
Siftorifche Arbeiten Hat er gewiß ſchon früher gemacht, i
keine folche, Die ex auf die Nachwelt bringen wollte, — 9
einem Worte, fo lange es nicht gelingt, neue Quellen auf
decken, bleibt die wirkliche Entfcheidung über das Gehurtäl
des Thukydides ein Ding der Unmöglichkeit, nd
Thukydides Vater Hat Oloros geheißen. So nennt
der Hiſtoriker ſelbſt 1); fo nennen ihn, mit einer einzigen ð
nahme, auch die Übrigen Schriftfteller de8 Alterthums 2).
der eigentliche Marcellinug fcheint flatt deſſen Orolos zu le
(16.). Er beruft fih Dafür auf die pon Didymos ci
Grabſchrift des Thukydides. Allein abgefehen davon, daß
rade Inſcriptionen diefer Art von Schreibfehlern wimmeln,
wird ganz dieſelbe Grabſchrift von andern Gewährsmänn
mit dem Namen Oloros beigebracht 3). Marcellin fe
ſchreibt Übrigens Immer Oloros. Wir werden gleich ſeh
dag der Ahnherr des Thukydides ebenfalls Oloros He
Wenn man hierzu noch Die große Verwirrung betwichtet,
in der angeführten Stelle des Mareellinus herrſcht, fo m
man gewiß die fehöne Emendation von Grauert billig
or "ORogog, oüx "Ogokos, 6 narng ara Eorl, zäg,
noaıng ovMlaßrs TOA Eyovang, ng ÖE Ötvrepag zo 0° au)
q ypagn , ws xul Audvum doxsi, nuagınraı " örı yag“O
1) IV, 104.
2) Photius Bibl. 60. hat "OAoveos.
3) Bol. den dritten Marcellinus 55. und den Anon. 10.
$. 2: ‚Herkunft des Xhufypives. 88
w, 7 ormin dnlor 7 Eni Tov Tapov avrod KEuEyn,
rapaxıms Govxvdidns "ORögov x. T. A. 1).
8 die weitere Herkunft des Thukydides anbetrifft, fo
nd folgende Daten zur Stütze dabei dienen:
Thukydides iſt ein Verwandter des Miltiades ge
ed Siegerd von Marathon 2). Einige geben ihn für
ſterſohn deſſelben 3) aus,
Jedenfalls, berichtet Suidas, iſt er von mütterlicher
n Nachkomme des Miltiades, von väterlicher Seite
fiichen Könige Oloros +). Schon früher hatten
den Familien in Verbindung geſtanden. Des alten-
Tochter, Hegefipyle, hatte den marathonifchen Miltias
rathet, zu derfelben Zeit noch, wo biefer als Tyrann
kiſchen Cherſynnes beherrſchte 5).
Die Mutter des Thukydides hieß gleichfalls Hegeſi⸗
Nach diefen Daten num entwerfe ich folgende Stamm:
de geftrichenen Linien find gewiß, die punktirten beru⸗
Vermuthung 7).
rauert]l. 1. p. 176 sqq.
lut. Cimo 4. Marcell. 2.
larcell. 15.
gl. Marcell. 2. Dod sieht ed bei Suibas auch et, ums
esart.
[arcell. 5 qq. Herod. v1,» sqg-
[arcell, % rm |
ch vermuthe alfo, daß ber König Dloros einen Sohn hat in’s
Bürgerrecht aufnehmen laſſen.“ Bei dem großen Anfehen bes
war das eing Kleinigkeit. . Der Sohn biefes neuen Bürgers,
Sroßvater Dloros genannt, heirathete feine Couſine, Hegeſi⸗
Tochter des Miltiades, und erzeugte mit ihr den Thukydides.
einftimmend K. D. Müller a. a. D. ©. 34l.
“r
4.
BER Ahukydides. Kap. bh .;
* Mi Zu Kr 8 Zı DE —
S—tammtafel.
—— Fu gimon 1. u ” E . | Oloros E.
| | am She, Salbiube Ditiche 1. J ſönis von Thrakien.
—
>.
-
..
.
— Segefipyle E. Sohn,
— — vielleicht Thukydides 1.
N genannt , der attifcher Bür⸗
u ger geivorben fein mag.
; ariabes ir.
Siezer von Daten,
#
Etpintte. Aimen nm. Gegeſipyle IE. oloros II.
— nn Sieger am Eurymedon.
* 2
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v 22 —*
* er . ..
.. .v . Ss ’ ..
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* 2 .r „„s . « 2 2 . .
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_ Bag _. .. Lage] . ‘.. — .. . J
22 .. .. — .
— - pn > ” 5 2 —
4 2 u 2. 7
. .> “ - ü [5 “ . -
$. 2.1 Gerlinft and: Ahalydldes.
dieſer ’ Anordnungiſtinmut Bas politiſche Verhaltuiß
kydides vortrefſlich zuſaurmen Ware Thulydideß
Mannsſtamm ein Enkel des Miltiades gerufen‘, ı fa
zu: demſelben Demos gehötin,- dem Demos der Bas
Er war jedoch, wie oben: geſagt, Hallinufle, : Wie
m Genos- :nach- gehörte Miltiades, wie Thukybibes/
zhilaiden. Chukydides / frirhe-Megrabet: in. hem Erb⸗
ie der kimoniſchen Faniliid, 8 Tuch die ſchoͤne Elpl⸗
te). Dazu aber, tie mein feligee Lehrer, K. O.
‚ gegen mid geäußert‘ hat, kamen wohl nur Ge
wandte. Es war gewöhnlich, dag ein neuer Bür-
eine Altbürgerinn heirathete, ſeine Kinder tn And Ge
Mutter aufnehmen eg M. — Wir ſehen alfa jeven⸗
aß Thukydides zum höchſten atheniſchen Adel gehörte?
Hauſe, das nicht bloß. auf: Ajas konnte zurückgefuͤhrt
ſondern das fich- auch ſeit Peifiſttatos Zeiten durch
es Anſehen, kriegeriſchen Ruhm -und confervative
g ausgezeichnet hatte.
einer Angabe des alexandriniſchen Crammiuten
8 wäre: Thukydides ‚uch mit den Peiſiſtrativen
gewefen 2), Aus biefer: Verwandtſchaft wollte Her⸗
ygar die angebliche. Porstellichkeit. des Thukydides ge⸗
nodios und: Ariſtogelion erklären? eine Partellichteit
l, die auch von Herodot vollkommen getheilt wird:
che Abftammung) wie Marcellin behauptet, Aſt mußt
cht zu denken. Peiſiſtratos war dem Demos ach
ide, dem Genos nach ein Nelide; Thukydides hinge⸗
er . I. J
BE BET 77 6*
arcell. 17. 65. Anon. 10. Plut ‚Gimo' 4.5. Herod.
Mr von
ʒt. Boeckh. C. I. 1 p. 0: Platner wenige. 2 fi.
: Staatsalterth. $. 100: . Meisr De gent. -p. ES, “un
arcell. 3. Schol. Pind. Nem. I, 19, 7 P 5
arcell. 18. Schol. Thuc. I, 230 : .: ns Ü
9” . he. Rabe 1.
gen dem Demos nad ein Halimuſier, Dam Genos nach ein
Philaide. Das Geſchlecht der Philaiden iſt aber wohl zu un⸗
terſcheiden von dem. philaidiſchen Demos. Auch redete Her⸗
mippos nach Schol. I, 20, nur von einer Verwandtſchaft des
Thukydides mit dem Peiſiſtratidenhauſe. Auf eine ſolche Ver⸗
wandtſchaft möchte ſich denn auch Thukydides ſelbſt beziehen 1),
wo er beſondere Ueberlieferungen anführt, die Bm von n Peiſ⸗
ats Sohnen zu Gebote * Banden, 3.
us 3,
Jugend und Erziehung des Thukydides.
5 Yard der. Kindheit, des. Thukydides wird und nur ein ein⸗
ziger Zug überliefert. Ex ſoll einer Vorleſung des hero⸗
doteiſchen Werkes?) beigewohnt, und von Entzücken ge
rührt mit: von. dem Stachel: der Nacheiferung, Thränen day
üher: vergofien haben. Herodot, dieß bemerkend, Hätte feinem
Water Oloros Glück gewünſcht, mit den, Worten: . 0O zeig,
ed "Oroge, 6.005 Öpywoav iysı Tir.gvaw Tgds padnugee’?),
— Diefe Nachricht iſt von manchen Neuern, zuerſt vor Bre
Rom, in Zweifel gezogen; ganz zu befeitigen geſucht Hat fie
mein Lehrer Dahlmann, mit großem Scharffinne und bewun⸗
derungswürdiger Gelehrfamkeit: ). Die Vertheibigung der
Tradition Hat vornehmlich Krüger unternommen, mit. cbenfo
großem: Aufwande von Mitteln 5). Dahlmann argumentirt
dabei auf. folgende Art. Vorläufig- geigt er aus mancherlei
Veiſpielen daß Lukian u Charalier und non ht zum Mir⸗
ı) VI, 66.
3) Wie fie Lukian uns ſchildert: Herodotus s. Aetion.
) Marcell. 54. Phot. Bibl..60. ‚Suidas s. v. Govzrdidg
und öoyav. Tzetzes in Poppos Thukydides I, p. 321.
9) Dahlmann Forſchungen auf dem Bebiete der Gefchichte, Bd.2,
© 12 ff. & iſt zunächſt beſt itten worden von Hayse Quaestt. He-
rodd. p. 27.
5) unterſuchungen S. 11 ff. en E »
3. Jugend und Etzlehung des Thufpbive, 8
chr unzuverläſſige Quelle iſt. Und mit vollkom⸗
te, wie ich glaube; ſo wenig dieß Krüger auch
wills ein flüchtiger Bellettriſt, sole Lulianos, wich
mie als brauchbarer Gewaͤhrsmann -eitiet werben
Zenn Dahlmann indeß ferner behauptet, bie ganze
yon- dem Vortrage des Herodot ſei pure Erfindung
fo gebt: er ba ofſenbar zu weit. Er muß vergeſ⸗
daß Auch‘: de Biographen des Thukydides, daß
Suidas und Tzetzes dieſelbe Nachricht enthalten,
chwohl irgendwie ans den Lukian zu entlehnen.
ſteht ukydides im Vordergrunde. , während Lu⸗
n gar'nicht erwähnt. * Auch folgett Krüger ſchr
der lexikaliſchen Notig, wodurch Suidas den Aue
jguoes erklären zu muͤſſen glaubt, daß dieſe Res
Spätern nichts weniger als geläufig war, lalſo
cheinlich auf eine Ältere Quelle zurückweiſet. Daß
mg des herodoteiſchen Werkes, natürlich nur aus⸗
(bfchnitte und vor einem ausgewählten Publicum,
: unmöglich geweſen, zeigt Krüger ©. 22 ff. Ha⸗
Sophiften doch notoriſch ſolche Vorleſungen gehal⸗
Herodot III, 80. und VI, 43. läßt ſich ſogar
daß Serobot die Eimärfe, die ihm bei ſolchen
n gemacht worden, nachher in der Ausarbeitung.
beruht Habe. Deffentliche Vorträge des Herodot
verden beftimmt erwähnt !): warum follte ihnen
hukydides nicht beigewohnt haben? warum Tonnte
(8 Sohn eines vornehmen Mannes, die beſondere
eit des Herodot erwecken? — Halten mir dage⸗
ser. die große Schwäche unſerer Gewährsmänner,
udoplut. De Herod. mal. 26. Euseb. Ol. 83, 3.
ımlungen ber athenifchen Volksbeſchlüſſe gab es ein Pfes
Inytos, wonach Herodot aus dem Staatsfchage sehn Bar
en follte.
9a ER TT FLUR; Zpnkgainre,;. Kap. —8
die, was Dem Thafkydides Ketuifft „. Hierher hoͤchſt Mahrſchein
elle, and Rem Maretllin gefchünft:;habar, und, Dep. Ehara
Ben Geſchichte Felt, Win.dang zud gar einer. grammatiſi
Echulaneldote 3), Ahntir-Heht,:rpie jarbie Spätgen fa: gem
gunfien: Männer; der Dergangenheit: parlönlich- zuſammenb
gr; #8) Lehrer and Schulex Mr, fi w,r. fo. -bfeibt auch ‚|
wieder das Belennimiß, der, Ungewißheit; ‚dg8. einzig: ſich
Moglich. iſt die Sache, aber ſchlecht genug. verbürgt,Sol
lengaen non; ſalbſt ein/ Roi „ſie mit ben; marceltiniſchen DE
* * früher — y: — heſſer hormonhe, Fa
mit der Yngabe der Pamphila, welche Be beiden Se
m. ‚dyplaehn, ‚Sabre qus einander; ruckt ).
it AR Sehrer bei Thulhd des wird vor: ‚Allen der Pr
Philoſpph ‚An arag 0298. erwähnt 3). : Wegen: ſeines Umg
gerimit dceſem "Manne ſoll⸗ Thukydideg als Atheiſt. verdäch
wordenn ſein. Diefe, Nachricht ‚enthält nichtg Uuma
ſchirtlicheß 3. win werden tiefes, unten Die freiſinnigen Anfich
RX. Thykydides Über ‚Motunhänemeng, Tonnen. eu, y „wol
fr: beſtätigt merden dürfte ..
11. Minder guverläflig tt -gine, andere Angabe, 1. wach⸗ |
Ahuludides zum Schüler, des Redners Antiphon ‚macht.
Sehgen. hab. mit. glucklichem Sharffiune, ¶ gheigt + daß .D
Bau. Beus höchſt Mr nur aufe einer: er: gelehnin V
Rivalen N en. - . Lila.
u ORION ——
ne:
echt Herodot leicht etwas zu jung.
e Marcell. 22, nad) Antyllos Angabe.
u). Maroell. ‚22. Anon. 2. Hermog. De. ideie 4
Said. N. Aycıpäar und @ovrvdidns. Schol. Arist, De,quat. p.4
Bal, Ruhnken De Antiph, in Reiske's Rednern VIE p- 804.
$. 4. Anklage und Eril des Thukydides. 99
Der erſte Marcellin (23.) redet mıe im Allgemel-
t, daß man ihn fein aruynua eig uaprınua anges
be. Der letzte Maveellin (55.) fpricht von noodeote.
Anonymus verfihert: aislav EZoye noodooiag 2x
Ss ze xal olıympiag (Z.). — Die volle Strafe die
hend hat der Hiſtoriker indeſſen nicht erduldet: ex
ſt, dem Geſetze des Kanonos zufolge, ſelbſt hinge⸗
fein Vermögen eonfiscirt worden fein!) Ob er
3 aus irgend einem Grunde Milderung der geſetz⸗
ıfe erwirft, oder fih durch die Sucht dem Urtheile
at, muß dahin ſtehen 2). Er ſelbſt erzählt nur,
inzig Jahre im Erile gelebt 2).
ind wie mag Thukydides dieſes Exil beſtanden ha⸗
Rerſte Marcellin ſowohl (24.), wie der Anonymus
ihn zuvörderſt nach Aegina flüchten, wo er mit
mögen gewuchert hätte). Beides iſt wohl ganz
, wenn nicht völlig aus der Luft gegrifſen, fo doch
n Altern Thukydides zu bezichen. In der Zeit, wo
ikydides fein Vaterland meiden mußte, war Aegina
athenifche Kleruchie, einem Manne aljo in Thuky⸗
änden gewiß vollkommen werfchloffen. Weiterhin
y Thrafien gezogen fein, und in Skaptehyle na⸗
ne Geſchichte verfaßt Haben. Dieß verſichert außer
oph. Hell. I, 7. 21.
er zur Strafe verbannt geweien, ift die Meinung bes
orat. II, 13, 56), Plinius (N. H. VII, 31.), und
n. Wenn der Anonymus übrigens von Oftratismos redet
28 offenbar eine Verwechfelung mit dem ältern Thukydides,
her Unfenntniß deffen beruhet, was der DOftralismos eis
en wollte.
6.
Anonymus will fogar willen, daß der Wucher des Thuky⸗
n Inſulaner zur Auswanderung genöthigt habe!
*
Be Kabe 3.20
fügen Dis. Höchft: wahrſcheinlich Tochter einer: atheniſchen
niſtenfamilie, weil: Ihre. Verbindung ifonftiehne ifge
ihre Kinder bes voller Bürgerrechtes unfähig geweſen war
DOG Thukydides übrigens: Die thrakiſchen Güter von feinen
führen geerbt 3), : ober. als Mitgift duch: feine: Frau m]
Babe 9), läßt fich: nufifeine:MBeife ausmachen. Ex fall:
Sohn,:.. Namens Timotheos, hinterlaſſen haben, .. von
fonft weiter Nichts bekannt iſt 5). ‚Seine Tarhter ſchein
deutender, mehr in des Waters Geiſte gewefen zu fein:
nigſtens haben. .ihr: Mehrere hie Abfaſſung⸗ des achten B
von Thukydides zugeſchrieben ).
Ueber das politiſche Leben des Thuth dides Ai
Quellen voll Widerfprüce. Was der Anonymus (6.)
feiner redneriſchen Thätigkeit zählt, wie er namentlid
Porilampes gegen: Her: Mordanklage des Perxikles. vexch
habe,' iſt vermuthlich sumieine Verwechſelung mat. dem
Thukydides, Mileſias Sohne. Schon der. Name: des Pr
als ⸗Gegner. dentet darauf: hin; mehr noch der Ausdruf
ſotv rν MOMYuarmv, MyNnegEn Tod. Önkgv, „Der, bier
senutgeiben gehemchta win. rel Brei Magelin
Zei Yu Marcell. 19.
HENYMIBEL dem Berge des Pealtles, das au ‚son milktertiäee.
ber das Bürgerrecht erforderte: Plut. Pericl. 7. Aelian, \
VI, 10. |
>) Plut. Cimo 4. Marcell. 14. Krüger (©: 42) ve
bie Siege des Kimon als Erwerbungsgrund. Dee Anonymus.(3.) fi
fogar zu glauben, daß Thukydides nur die ‚ebeigteistihe Auffiht
bie thrakiſchen Bergwerke gefuͤhrt habe.
4) Marcell. 19.
5 Suidas v. Bovuvdidng. Die Lücke in Marcell. 17.
Krüger mit Stephanus und Gafaubonus fo aus: Tınödeos vios
yeyernodas.
6% Marcell. 43.
2. .!Gstamtözch. dee Mbüküdibee. 87
indas,: fo. darfeman daraus noch ‚nicht mit Striiger
‚.haß feine Asigabe,. Thucydides. paullo aetate .po-
mam Tbemistorles , völlig ungenmt fein müſſe 1).
annis heißt eine Reihe von Jahren ſchlechthin, paulls
im ein Weniged. — Aber Krüger: weint, die Ans
Marcellin aus einem Zeugniife des Thukhdides ſelbf
m zu können. .. LThukydides ſagt nämlich 2), ‚ex: habe
ang des peloponneſiſchen Krieges um, ſo ſchärfer beob⸗
[8 er aiohuvoumag ra nina, vermöge feines We
x Im Stande geweſen ſei. Hierin liegt natürlich ſo⸗
er weder. als unreifer Jüngling, noch als abgelebtet
nn geſchrieben haben. Das Erſtere, urtheilt nun
bedurfte keines Wortes „da Th. ſchon im achten,
; Krieges als Feldherr auftritt. Wäre ex dagegen,
iphila's Angabe, beim Schluſſe des Krieges ſchon 67
geweſen: er hätte anders ſprechen müſſen. Mit 67
ätte er, nach Krüger's Meinung, höchfteng unges
ined Alters fagen dürfen. Allein jene Verficherung
yſdides geht ja keinesweges bloß auf die letzte Abfaf⸗
3 Buches, die nach dem Kriege erfolgte, fondern
ıchmlich auf bie zu Grunde liegende Beobachtung,
Exeigniſſen ſelbſt parallel lief. Iſt es ferner ſo
, frage ih, daß ein Greis, zumal im Vollgefühle
ft,‘ vielleicht allzu ſehr jedes jüngere Rebendalter für
Art 3)? Freilich entgegnet Krüger, Thukydides habe
Anfange des peloponneſiſchen Krieges den Entſchluß
ffen Geſchichtſchreiber zu werden; er habe die Dauer
8 vorauögefehen, und als biergigjähriger Mann
icero Brutus 11.
, 26.
e nAıio für den Krieg, fagt K. DO. Müller, war freilich
>, aber für Geiftesarbeiten fchien den Alten im Ganzen ein
ter geeignet, als uns (Gefch. ber griech. Literatur, Bd. 2,
98 J Thulkydides. Kap, 1...
erreichen, jedenfalld aber Doch das wichtige Eion zu re
die Hafenftadt der Amphipoliten. Uber auch Braſidas
auf das Genaueſte von allen Verhältniffen unterrichtet.
Abend ſchon konnte Thukydides eingeteoffen fein; es galt
ber, noch an demfelben Tage die Stadt zu geminneit.
diefem Ende bat er den Einwohnern die günftigften Bi
‚gungen an; die Athener follten mit ihrer ganzen Habe fi
Abzug erhalten, ja, wenn fie wollten, fogar als Gleichbe
‚tigte in der Stadt wohnen bleiben. Auf diefe Bedingu
hin gelang es den Lakedämoniſchgeſinnten, die Stadt
fehleunigen - Uebergabe zu veranlaſſen. Obgleich Thuky!
noch denfelben Abend ſpät in Eion -anlangte, ſo konnt
Doch nur dieſe Hafenftabt den Athenern erhalten 2).
Se fhmerzlicher der Verluft von Amphipolis dem atl
fhen Staate fallen mußte 2), deſto fehlimmere Folgen li
ſich jet bei dem reizbaren und mißtrauifchen Charakter
Volkes für den Thukydides erwarten. Sn unfchuldig er
fo leicht Fonnte ev ſchon als Adliger, als Reicher, als ©
Bigter verdächtigt werden. ben damald fand der berü
Kleon, als Schatieifter der Repuklit und mit. den fri
Lorbeeren von Pylos bedeckt, auf dem Gipfel feiner M
fülle: Kleon, der überhaupt jede Niederlage der Athene
dem unglücklichen Feldherrn zu ahnden pflegte 2). T
Kleon foll denn auch den Thukydides werleumderiich Ange
haben 9. In Ariftophaned Wespen, die an den Lenäen
Diymp. 89, 2. gegeben find, freute fi) der Richterchor
den Prozeß der thrakifchen Verräther (288 fſ.). Die ei
liche Natur der Anklage ift nicht mehr mit Sicherbei
— — — — — —
) Thucyd. IV, 103 sqg.
2) Ibid. IV, 108.
3) Ibid. IV, 27. Arist. Equites 288 sqq. 355 sqq.
') Marcell. 46.
$. 2: ‚Herkunft des Thukydides. 88
» 3% oenın dnlos n Ini roũ zapov avrod xeutvn,
oaxıas Bouxvdldng "ORogov w. r. 4. i).
bie weitere Herkunft des Thukydides anbetrifft, fo
8 folgende Daten zur Stütze dabei dienen:
hukydides iſt ein Verwandter des Miltiades ges
3 Sieger von Marathon 2). Einige geben ihn für
john deffelben 3) aus.
sedenfall8, berichtet Suidas, iſt er von mütterlicher
Nachkomme des Miltiades, von väterlicher Seite
[chen Königs Oloros +). Schon früher Hatten
n Familien in Verbindung geftanden. Des alten-
ochter, Hegeſipyle, hatte den marathonifchen Miltia⸗
ıthet, zu derfelben Zeit noch, mo diefer ald Tyrann
(hen Cherſynnes Beherrfchte 5).
Ye Mutter des Thukydides hieß gleichfalls Hegefi-
Nach diefen Daten nun entwerfe ich folgende Stamm:
geſtrichenen Linien find gewiß, die punktirten beru⸗
zermuthung 7).
auert l. 1. p. 176 sqq.
ut. Cimo 4. Marcell. 2.
‚rcell. 15. |
. Marcell. 2. Doch giebt es bei Suidas aud) ums
art.
‚rcell. 5 8qq. Herod. VI,» sqg-
‚rcell, 2.
vermuthe alfo, daß ber König Dloros einen Sohn hat in’s
ürgerrecht aufnehmen laſſen. Bei dem großen Anfehen bes
ar das eing Kleinigkeit. Der Sohn dieſes neuen Bürgers,
roßvater Oloros genannt, heirathete feine Couſine, Hegeſi⸗
ochter des Miltiades, und erzeugte mit ihr den Thukydides.
nftimmend 8. D. Müller 2%. a. ©. ©. 341.
0. Mhufgniveh.. Kap. 1: .;
. St am. m t a fel.
—8 2 > un
. - , .
. tr
_
5 Zr : Rimion L on \ Bu . Oloros 1.
Opa Sehr 1 Salbbrıbe: Miliadet 1J. .. König von. Thrakien.
— ı 2
..
Ey
m Segefipyle E | Sohn,
ZN vielleicht Thutydides 1.
genannt, der attifcher Bürs
Vol ger geworden fein mag. -
n . ...
atiabes ir.
Sieger von ann, 5
Erſte Frau
aus Athen.
*
‚ni Kimon IE: 27 Segefipple IE. Oloros zu.
” ur . - Sieor.am Eurymebon. F & ' ” or .
= B
2 -. . ...
* .- x - - 2 »- 9 v
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um. . .. 28 * .. .. L . x Pr
. m — 2* u. —8 < Pau x. .. »z = J Pr
. 22 . - u ” 170 vn “ “
.
$. 2.1 Beelnfe nd Ahalydldes.
dieſer · Anordnungſtiumut: vas politiſche Verhaltuiß
ide vortrefflich zufanmnen! - Ware Thulydideß
Mannsſtamm ein Enkel dos: Miltiades gewiſea,ſo
u demſelben Demos gehören, dem Demos der Bas
fx war jedoch, wie oben geſagt, Halimuſier.“ Mä⸗
Genos nach: gehörte Miltſades, wie Thukydides
ilaiden. Chukydides / wurde degraben / in dan Gebe
der kimoniſchen Familie, RE wuch die ſchoͤne Elpl⸗
1). Dazu aber, wie mein ſeliger Lehrer, K. O.
gegen mich geäußert‘ hat, kamen wohl nur Ge
wandte. Es war gewöhnlich, daß ein neuer Bür⸗
me Altbürgerinn heirathete, ſeine Kinder it aus Ge
Rutter aufnehmen ließ . — Wir Sehen: alfa jeben⸗
3 Thukydides zum höchſten atheniſchen Adel gehörte?
dauſe, das nicht bloß. auf Lijas konnte zurückgefuͤhrt
ſondern das ſich auch⸗ſeit Peifiſtratos Zeiten‘ dunch
3 Anſehen, kriegeriſchen Rahm -und confervative
ausgezeichnet hatte.
einer Angabe des alexandriniſchen Graumiacikers
wäre Thukydides auch mit den Peiſiſtrativden
geweſen ). Aus dieſer Verwandtſchaft wollte Her⸗
gar die angebliche. Päxtellichkeit. des Thukydides ge⸗
odies und Ariftogeltan: erklären: eine Bartellichkeit
‚ die auch von Herodot vollkommen getheilt wird.
he Abſtammung, wie Marcellin behauptet, if wohl
yt zu denken. Peiſiſtratos war dem Demos nach
de, dem Genos nach ein Nelide; Thukydides hinge⸗
—* 1 %
DeeL De EEE 77 GE eo
ırcell, 17. 55. Anon. 10. Plut. Cimo 4. ‘Hetod.
4
l. Boeckh C. I. Lp 100. piatner —2 — 1 fi.
Staatdalterth. $. 100. . Meier De geit. -p. 26. ..
ırcell. 3. Schol. Pind. Nem. II, 19. be F
ircell. 18. Schol. Thuc. T, 23& :: .: nlinull
4106 | Thukhdides. Kay. 1.
lögen.den Tod des Hiſtorikers nach Athen. Soviel man aus
einer fehr verdorbenen Stelle des Marcellinus (32- fg.) ſchlie—
gen kann, fcheinen auch Zopyros und Kratippos derfelben An-
ficht gewefen zu fein; was um fo wichtiger ift, weil Kratip⸗
pos ein Zeitgenoffe und Fortſetzer des Thukydides war. Ih—⸗
nen ſtimmt auch Pauſanias bei; ſo daß die letzte Angabe, un⸗
geachtet der Polemik des Marcellin, doch wohl die glaubwür⸗
digſte iſt.
Thukydides Grabmal , wie gefagt, befand ſich in dem
Familienbegräbniffe des Fimonifchen Hauſes, unmittelbar neben
dem ber [hönen Etpintke, ſeiner Tante 1).
oro⸗ ti ol EWG Ommeras, , ode nv eulal
”Eo90v0” ® ® . ® ® U}
m. r ’ - ..
Ds To andorraı uaxapes Heol .
‘Kal vexvog neo Eövros.
g. 6.
Yeußere verlnlichtet des Thukydides.
So gern ſich der theilnehmende Leſer auch ein körperliches
Bild des geliebten Meiſters möchte entwerfen können, fo dürf
tig oder zweifelhaft find Doc, die Hülfsmittel, welche das AL
terthum Dazu an die Hand giebt, Wir bejiken eine Schilde
rung von Marcellinud (34), die aber nur allzu deutliche
Spuren trägt, daß fie nach den Bilde des thukydideiſchen
Geiſtes, wie ihn feine Gefchichte kennen lehrt, erfunden iſt.
— — — ee
'!) Plut. Cimo 4. Ueber die Localität des Grabes vgl. bie
Abhandlung von Krüger, Ueber Melite, in den Unterfuchungnn
©. 85 ff.
, 3. Jugend und Grolefemg-beb Thukyhoides. 88
ſehr unzuverläſſige Qurlle iſt. Und mit vollkom⸗
hte, wie ich glaube; ſo wenig dieß Krüger auch
nit: ein flüchtiger Bellettriſt, wie Luklanos, ich
mie als brauchbarer Gewaͤhrsmann citirt werden
Wenn Dahlmann indeß ferner behauptet, die ganze
von ˖ dem Vortrage des Herodot fei pure Erfindung
, fo geht er Da offenbar zu weit, Ex muß vergeſ⸗
daß äuchDdie Bibgraphen des Thukydides, daß
Suidas und Tzetzes dieſelbe Nachricht enthalten,
eichwohl irgendwie ans dem Lukian zu entlehnen.
ſteht ukydides im Vordergrunde ‚ während Lu⸗
en garnicht erwähnt. Auch folgett Krüger fehr
der lexikaliſchen Notig, wodurch Suidas den Aub⸗
7 göoıg erklären zu muſſen glaubt, daß dieſe Re
ı Spätern nichts weniger als geläufig war, 'alfo
efcheinlich auf eine ältere Quelle zurückweiſet. Daß
jung des herodoteifchen Werkes, natürlich nur aus⸗
Abſchnitte und vor einem ausgewählten Publicum,
et unmöglich geivefen, zeigt Krüger S. 22 fl. - Has
Sophiften doch notorifh ſolche Vorlefungen gehal«
3 Herodot III, 80, und VI, 43. läßt ſich fogar
‚ daß Serodet die Eimüre, die Ihm Bei. folchen
ten gemacht worden, nachher in der Ausarbeitung.
n benutzt habe, Deffentliche Worträge des Herodot
werden beſtimmt erwähnt1): warum ſollte ihnen
Thukydides nicht beigewohnt haben? warum konnte
als Sohn eines vornehmen Mannes, die beſondere
nkeit des Herodot erwecken? — Halten wir dage⸗
iber. die große Schwäche unſerer Gewährsmänner,
eudoplut. De Herod. mal. 26. Euseb. Ol. 83, 3.
mmlungen der athenifchen Volksbeſchlüſſe gab es ein Pfes
Anytos, wonach Herodot aus dem Staatsfchage sehn Yar
‚gen follte.
104 Shukhdlbes. Ray. 1.
als man Kiäher gewöhnlich zu ahnen pflegt. Allein wohl
flanden! es find immer nur Begebenheiten des pelopon:
ſchen Krieges, die dabei zur Sprache kommen: alfo ſtreng
geichlofien Durch Die Gränzen des ganzen Kunſtwerkes.
Wo ift Thukydides geftorben? — Auf diefe Frage
ten und die Quellen vier verfehledene Antworten dar.
einzige wäre natürlich angenehmer.
a) Nah Timäos und einigen Andern, die vermull
wieder aus Timäos gefchöpft haben, wäre Thukydides in I
lien begraben, d. h. alſo auch wohl in Stalien geftorben
Marcellin findet dieß höchſt Läicherlich. Un eine Verwechſel
mit Herodot zu denken, würde bei. einem Schriftiteller, -
Timäos, allzu gewagt fein. Wir werben tiefer unten fe
daß Thukydides einen Theil feines Exils wahrſcheinlich in!
lien verlebt hat. Da mochte dem die Eitelkeit irgend ı
italiotifehen Stadt dem großen Fremdlinge nachmals ein K
taphion errichtet, und dieſes wieder den Irrthum des Tin
veranlaßt haben, Denn fehr glaubwürdig Klingt die g
Angabe nicht.
b) Dagegen erzählt Apollodor im zweiten Buche fi
Chronik, daß Thukydides in Barparon, auch Perine
nannt, einer äoliſchen Stadt von Kleinafien, geftorben fe
ie kommt er dahin? Kine glückliche Conjectur von ©:
Ler Befeitigt unfere Verwunderung. Unweit Skaptehyle,
Inſel Thaſos gegenüber, Tag cin Ort Namens Berne 3). !
!) Marcell. 33.
?) Steph. Byz. v. Ilapzagur.
°®) Ibid. v. Ilsevn.
3. Jugend unb Erziehung nes Thukydldes. 8
fer Dee. Zube. Caciline/ ein berliämter, ohe
hi: teichtfertiger Kritiker und: Freund des Dionkfind
af ,..hatte ans denugrofeit Lobe, welches Thukyr
Antiyhon angebeihen: Iäßt.,... dei. Schluß . gevagh,
tere: Thulydides Lehrer geweſen 2). Dieſe Vermu⸗
n die: Spätern nun für Gewißheit, obgleich nech
der ganzen Sache Nichts ar willen ſcheint, und
‚Beiden großen Männer nur für Freunde erlädi.?);
8 Menexenos tbenigftens den Antiphon micgt: fir
des Thukydides ausgiebt,:. Hat. Krüger, wie *
eine vollkommen überzengende Weiſe dargechen. —
He 3. & 2 PIERRE . nz
m Wonnedalter des Ei. : u ?.u
Peſt In Athen wlthete, iſt/ auch Thukydides date
vefen. Er ſelbſt etzühlt davon II, 48. :i und
des hielt es für die. Pflicht eines guten Aigen,
ſinge, eine Familie zwiigrlinden %).r.1:,MBle Ex
em Königsblute ftammte, fo muß ev: fortwährend
raklen in ‚Verbindung geblieben fein, .-. Ex; berichtet
e Thaſos gegenüber Goldminen befeffen, und eben
der ganzen Umgegend bebeutendeö Anfehen be
5) Auch feine Frau war eine Thrakerinn, aus
fapte Hyle gebürtig, mo Thukydides Befitzungen
ichungen SB, alt.
bon in Vitis X Oratorum. - | ee J
ro Brot. 12. Aristid. De quat. p. air, & Z
ſehr bedeutende Geifted =’ und Sprachverwandtſchaft der
‚ auf die fih K. DO. Müller beruft, Tann: natüllrlich
tRigts beweiſen (Geſch. der griech. kiteratut⸗ Re 2.
ya. n, 44. | | ——
yd. IV, 108. ‘ er
106 Thukydides. Kay. 1.
legen. den Tod des Hiſtorikers nah Athen, Soviel mar:
einer ſehr verborbenen Stelle des Marcellinus (32 fg.) ſch
fen kann, fcheinen auch Zopyrod und Kratippos derfelben Us
ficht gewefen zu fein; was um fo wichtiger ifl, weil Kra
pos ein Zeitgenoffe und Fortfeßer ded Thukydides war. She
nen ftimmt auch Pauſanias Bei; fo Daß Die Ichte Angabe,
geachtet der Polemik des Marcellin, doch wohl Die glaub
bigite it.
Thukydides Grabmal, wie gefagt, befand ſich in
Familienbegräbniſſe des kimoniſchen Hauſes, unmittelbar
dem der ſchönen Elpinike, ſeiner Tante i).
OvdE Ti ol yoWg anmeras, ovde mv Eule
"Eodovo’ .
"Rs Tor andovraı uaxaoes Hell. . . .» h
Kal vexvog neo Eövrog. | j
1
£
[-
8. 6. E
Aeußere Perfönlichteit des Thukydides.
Sp gern fich der theilnehmende Lefer auch ein Fürperlicheh:
Bild des geliebten Meisters müchte entwerfen künnen, fo dürfe
tig oder zweifelhaft find Doc) die Hülfsmittel, welche das Abs,
terthum dazu an die Hand giebt. Wir bejiken eine Schildes
rung von Marcellinus (34), die aber nur allzu deutliches
Spuren trägt, daß fie nach dem Bilde des thukydideiſchen
Geiſtes, mie ihn feine Gefchichte Fennen Ichrt, erfunden iſt.
') Plut. Cimo 4. Ueber die Localität des Grabes vgl. ji |
Ken von Krüger, Ueber Melite, in den Unterfuchungns
. 85 ff.
F. 6. Aeußere Berfönlichkeit ves Thukydides. 407
chukydides ſoll ein finniges Antlitz gehabt Haben, Kopf und
haar nach Dben gerichtet, und auch übrigens eine Haltung;
m; feiner Darftellungsweife angemeſſen. Das. hätten wir
mi Immerhin felbft fagen können. on
Außerdem tft jedoch ein wirkliches Bild niß des Thuky⸗
* auf und gekommen, eine Doppelherme, welche nach Art
ines Januskopfes die Büſten des Herodot und des Thukydi⸗
des zuſammen enthält. Die Namen der beiden Hiſtoriker find
Krunter gefchrieben, Diefes Werk ift aus der Sammlung
deß Fulvio Orfini in das -farnefifche Mufeum übergegangen.
Reuerdings hat man die beiden Hermen getrennt, um fie als
hautreliefs in die Wände eines mit rafaeliſchen Frescen ges
ſchmückten Veſtibulums der Farneſina einzumauern. Vis⸗
tonti hält das Ganze für die Copie eines griechiſchen Wet⸗
les, aber nur für eine ſchlechte Copie 1). Deſſenungeachtet
hat ſie auch jet. noch viel Charakteriſtiſches. Beim Thukydi⸗
bei find alle Züge ſchwerer und gedrungener. In der Mitte
dr Stimm, von der Seite aus betrachtet, findet fich ein tiefer
kinſchnitt; was darunter Tiegt, ft nur mäßig mit Fett gepols
ſiert, Der obere Theil Dagegen ſtark gebogen. Bekanntlich
pflegt man in der unten Stirn den Ausdruck des Willens,
Mm der obern Stirn den Ausdruck des Verſtandes zu ſuchen.
Die Schläfen rund und voll, während fie bei praktifchen
Männern, insbeſondere bei großen Feldern, tiefe Höhlunz
gen zu bilden pflegen. Seine Augen find länger, als bei
herodot, wo fie faft eine kindliche Rundung Kefigen. Die
Laſenſpitze ſinnend herabgezogen; der Rüden der Nafe von
Impofanter Breite. Die Lippen feit gefchloffen. Das Kinn
im höchften Maße grandios. Der Bart breit und kurz ge
ki. In der That, man Eönnte fi) den Thukydides im⸗
— — — — *—
ı) Visconti Iconografa Greca, Vol. 1. p. 296. (Opere,
asse 2.).
4108 . chuthdidet. Kap. 1.
merhin fo worftelen! — Nur drängt fich uns leider bei
Porträtbüſten aller Altern helleniſchen Schriftiteller Die bei
liche Frage auf: Sind fie wirklich nach der Natur oder
glaubwürdiger Tradition gebildet; oder aber find fie nur
dem äſthetiſchen Eindrude wiedergegeben, den die 2er
jener Schriftitellee auf Die Phantafie eines geiſtvollen B
ners machen mußte? ine Frage, die fi auch im vo
genden Yalle auf Feine Weife beantiworten laßt.
$. 2: ‚Herkunft des Xhufyoines. 88
3 osmin Onlor N dni ToU zapov avrod neiuevn,
axsas Bouxvöldng "Olögov «. r. A.1).
ie weitere Herkunft bes Thukydſdes anbetrifft, fo
folgende Daten zur Stütze dabei dienen:
ukydides iſt ein Verwandter des Miltiades ge
Siegers von Marathon 2). Einige geben ihn für
john deſſelben 3) aus,
denfalls, berichtet Suidas, iſt er von mütterlicher
Nachkomme des Miltiades, von väterliher Seite
ben Königs Oloros 1). Schon früher Hatten
Familien in Verbindung geftanden. Des alten-
hter, Hegefipyle,, hatte den marathonifchen Miltia-
het, zu derſelben Zeit noch, wo diefer als Tyrann
yen Cherſynnes beherrſchie 5).
e Mutter des Thukydides hieß gleichfalls Hegeſi⸗
Tach Diefen Daten nun entmerfe ich folgende Stamm⸗
zeitrihenen Linien find gewiß, die punktirten beru⸗
rmuthung 7).
uert l. 1. p. 176 sqq.
„ Cimo 4 Marcell. 2.
cell. 15.
Marcell. 2. Doch giebt es bei Suidas auch in um
t.
cell. 5:5qq. Herod. v1,
cell. 2. mu
ermuthe alfo, daß der König Dloros einen Sohn hat in’s
gerrecht aufnehmen laflen. : ‚Bei dem großen Anfehen bes
das eine Kleinigkeit. Der Sohn biefes neuen Bürgers,
Buater Dloros genannt, heirathete feine Couſine, Hegeſi⸗
‚ter des Miltiades, und erzeugte mit ihr ben Thukydides.
immend 8. O. Müller a. a. O. ©. 34l.
.*4 Auutydides. Kap. 1: .;
— Stammtafel.
|
- .
28*
20T. oe. — Oloros J2.
Steſagoras Sohn, Halbbruder Miltiades 1. König von Thrakien.
De Pe BE . — ur = 5. es
—
—X
—— -
—R8
ar)
-.
fe Bra) Rutiades ER.
aus Athen. | - Sieger'von Marathon.
m Segefipyle E. Sohn,
— * vielleicht Th ukydides I.
No genannt, der attifcher Bür⸗
N ger geworden fein mag. .
: rn - “ N
> En a 5 : . u N , J | !
Elwintke. Kimon II; Gegefipyle IH. Oloros IE:
non no: Bieger. am Eurymebon.
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7 7 — 6 — .
[7 . — .. 5 “ vn f 4 1
.
6, 2. Bertunft v0 Ahalydldes. 3
diefer ’ Anordnungſtiummt:vas politiſche Vethaltuiß
kydides vortrefſlich zuſaummen Ware Thulevldeß
Mannsſtamm ein Enkel des: Miltiades gewiſen,ſo
zu: demſelben Demos gehören, ben Demos ber Bas
Er war jedoch, wie obengeſagt, Halimuſier.“ Mä⸗
n Genos nach: gehörte Miltſades, weile! Thukroibrs
hilaiden. CThukydides / wurde hegraben· Im: bean: Eeb⸗
e der kimoniſchen Familie, 8 much vie ſchͤne Clpl
eN). Dazu aber, wie mein feliger Lehrer, K. OD.
gegen mid) geäußert‘ hat, kamen wohl nur Ges
wandte. Es war gewöhnlich, daß ein neuer Bür-
ine Altbürgerim heirathete, ſeine Kinder An Aus Ge⸗
Nutter aufnehmen ließ . — Wir Sehen: alfo. jeben⸗
ß Thukydides zum höchſten atheniſchen Adel gehörte;
Hauſe, das nicht bloß auf; Ajas konnte zurückgefüͤhrt
ſondern das ſich auch ſeit Peifiſtraros Zeiten‘ tun
Anfehen;,- triegeriſchen Rahm und ‚eomfersatiet
; audgezeichnet hatte, ' A
einer Angabe des alexanbriniſchen eammiauters
wäre Thukydides ‚much niit den Belfifteativen
zewefen. %), Aus dieſer Verwandtſchaft wollte Her⸗
gar die angebliche. Vrretellichkeit. des: Thukydides ge⸗
odies und Ariſtogelnon erklären: eine Parteilichkeit
‚ die auch von Herodot vollkommen geteilt: wirt;
ye Abftammung; wie Marcellin behauptet, iſt wohl
t zu denken. Peiſiſtratos war dem Demos. nach
de, dem Genos nach ein Nelide; Thukydides hinge⸗
NE Are Era CE
EEE — ann ui GE ja aß
rcell. 17. 65. Anon. 10. Plut- Cimo 45. Herod.
Dr LTR |
Boeckh C. I. Lp. 140: platner wenige. I ff.
Staatäalterth. $. 100. Meisr' De gent. p. 28. ..
rcell. 3. Schol. Pind. Nem. II, 9. 7T F [a
rcell. 18. Schol. Thuc. I, 230 : . tinzll (
A2aghuthdhees. Kay. 2.
wenn er in Italien den Herodot beſucht Hätte, der in $
Damals ein den Muſen geweihtes Alter führte. Die I
Sage, welche die Aiche der beiden Hiftoriter in Einem (
male ruhen läßt, mag. auf folchen Gedanken beruhen 1).
Daß Thukydides die ſikeliſche Sprache. veritanden
vermuthe ich, ohne eö behaupten zu wollen 2). Die il
vefte des pelnögifchen 3) und Ielegifchen Dialektes +) fd
ihm Dagegen unverſtändlich geweſen zu fein 5).
8. 2.
Geſchriebene Quellen.
WEäigentliche Urkunden ſtanden ihm wenig zu G
Die Warfenftillftandg-, die Friedens⸗ und Bundesve
theilt er ohne Zweifel im Originale mit, wie ſchon die
ſche Form der unter Doriern geſchloſſenen anzeigt. Die‘
des Pauſanias, des Keryed und Themiſtokles Tennt ex
nur von Hörenſagen 9), — Die Felöheren feiner Zeit
ten zwar mitunter nah Haufe Bericht erftatten: beſo
häufig that es der vorfichtige Nikias; aber. felten fchriftlid
der Regel durch Abgeordnete 7). Man büte fi) dahe
—
) Marcell. 17. Suidas v. “Hoodorog.
) VI,
3) II, 68.
1) III, 94.
5) Hatten ja auch Hekatäos (Strabo p. 494. 629.) und
dot, vermuthlich aus demſelben Grunde, die Pelasger für Ba:
erktärt.
% 1, 128, 129. 137. Dafür vebet fchon bie ‚attifche Mund
Paufanias Briefe. Das Schreiben des Xerres war vielleicht nod
handen; wenigftens erzählt Plutard) von den Papieren des Pauſ
die nad) beffen Zode u. A. den Themiſtokles verbächtigten (Themist
) VII, 8.
5. 2. Herodot. 4117
te begreifen follen, kann ich niemals zugeben. Frei⸗
fen, kunſtmäßigen Plan deſſelben, wonach es nicht
Anfang, ſondern auch ein organiſches, wohl
es Ende beſitzt, muß ich der ausfuͤhrlichen Be⸗
es Herodot zu entwickeln überlaffen. .
alſo Herodot's Werk ſchon im Jahre. 414 wäre
um gelangt, fo iſt keine Schwierigkeit meht, daß
des hätte benutzen können. Dieß würde auch noch
Fall fein, wenn es ſelbſt mit dem Jahre 408 feine
zätte. Thukydides iſt ja nicht vor dem Ende bes
eigentlichen Ausarbeitung gefchritten. — Ohnehin
aus nicht unwahrſcheinlich, daß Herodot einzelne
einer Geſchichte ſchon früher publicirt Bat. - Linters
och ſelbſt an vielen Stellen die einzelnen Adyos,
ie zufammengefeht worden, ganz nach after Logo⸗
e. Noch das fpätere Alterthum citirt ihn nach ſol⸗
y. Die vielbeſprochenen Vorleſungen an den
ind Panathenäen, mern etwas. Wahred. dabei. zu
it, könnten natürlich nur einzelne Abfchnitte bes
r. Aber noch in fpäterer Zeit, in Alexandrien,
t unerhört, einzelne. Stücke des Herodot im Thea⸗
miren 2). Das erinnert doch ganz an die Rhapſo⸗
iker, und ſtimmt wicht übel mit den Ausodrücken
8, der ein ads und Juve von unſerm Hits
3). Wirklich find die Fugen dieſes Werkes nicht
—
tus Emp. Pyrrh. Hyp. III, 231: & z6° — r Age
doy . Der Rhetor Menander De encomiis p: 49.
Tois Aiyunticxotc.
ıb. Athen., XIV, p. 307. ..
d. s. Aetion: Opp. Vol, IV, p. 117 sq. Bip. — Auf
> e8 denn aud) möglich, bie entgegengefeßten Angaben bes
II, 4.), wonad Herodot in Zhurii fein Werk gefchrieben
ed Suidas zu vereinigen, wonach bie Ausarbeitung in
it wäre.
-
106 Thukydides. Kap. 1.
legen. den Tod des Hiſtorikers nad) Athen. Soviel ma
einer fehr verdorbenen Stelle des Marcellinus (32- fg.)
fen kann, feheinen auch Zopyros und Kratippos Derfelbe
ficht geiwefen zu fein; was um fo wichtiger it, weil K
pos ein Zeitgenoffe und Fortſetzer des Thukydides war.
nen ſtimmt auch Pauſanias bei; fo daß die letzte Angabe
geachtet der Polemik des Marcellin, doch wohl die glaul
digſte iſt. |
Thukydides Grabmal, wie gefagt, befand fich ir
Familienbegräbniffe des fimonifchen Haufes, unmittelbar
dem der fchönen Elpinike, feiner Tante 1).
Ovde Ti ol yoWg omneras, ovdE mv Eilel
"Eodovo’ . ..
"Ns Tos andovreı uaxapeg Heol .
Kal vexvog neE Eovrog.
8. 6.
Aeußere Perſönlichkeit des Thukydides.
Sp gern ſich der theilnehmende Leſer auch ein körpe
Bild des geliebten Meisters möchte entwerfen künnen, fo
tig oder zweifelhaft find Doch die Hilfsmittel, welche da:
terthum dazu an die Hand giebt, Wir Befiken eine Sch
rung von Marcellinus (34), die aber nur allzu de
Spuren trägt, daß fie nach den Bilde des thukydide
Geiſtes, wie ihn feine Gefchichte kennen lehrt, erfunde
!) Plut. Cimo 4. Ueber die Localität des Grabes we
Abhandlung von Krüger, Ueber Melite, in den Unterfudh
S. 85 ff.
$. 2. Herodot. 419
. — Konnte aljo Hellanilod den Herodot benutzen,
mehr nicht der beträchtlich jüngere Thükydides!
lich dürfte Mancher die Glaubwürdigkeit meines Ge
nned, des Porphyrios, in Ziveifel ziehen. War es
den Fetten Zeiten des Altertbumd, befonderd unter
envätern — und ein Kirchenvater citirt den Porphyrios,
e guter Ton geworden, den großen Alten ettvad anzu⸗
namentlich Plagiate Schuld zu geben. Aber unfere
an fih nicht unwahrſcheinlich. Dieſes Ausfchreiben
artien ift dem jugendlichen Alter der hiſtoriſchen Kunjt
natürlich. . Bon den Chroniften unſers Mittelalters
richt einmal reden. Uber auch Die guten Wlorentiner
und 15. Jahrhunderts, die Franzoſen, Deutſchen
länder im 16. und 17, tragen nicht das mindeite
, was fie nicht ſelbſt erlebt oder geſehen haben, maſ⸗
and beinahe unverändert aus Fremden zu entlehnen,
anere fih nur an die Thuanud und Khevenhüller.
wie auch die Epiker die beiten Leiſtungen ihrer Vor⸗
ne Weitered als Gemeingut zu benußen pflegen. —
ja doch Herodot kaum anderd mit dem Hekatäos.
om Nilpferde, won der Krofodiljagd, vom Phönix
I), Mt mit wenig Zuſätzen und Ahkürzungen aus
täos 3). Im Greifenalter der hiſtoriſchen Kunſt fer
ine verwandte Erſcheinung wiederkehren: nur wird
xcerpirt, in her. vorliegenden Period mehr unyerho⸗
chrieben.
denke man fich "den Thukydides: vol breunenden
h der Wahrheit ſtrebend, überall umherreiſend, wo
; andern Gründen hat auch D. bereits erwieſen, daß Heros
anikos fchwerlid) gelefen bat: a. 4. O. S. „127 ff-
70. 71. 73.
phyrios b. Euseb. Pr. Ev. X, 3,
P
108 Thukydides. Kap. 1.
merhin fo vorſtellen! — Nur drängt ſich uns leider bei
Borträtbüften aller Altern hellenifchen Schriftiteller die be
liche Frage auf: Sind fie wirklich nach der Natur oder
glaubwürbiger Tradition gebildet; oder aber find fie nur
dem äſthetiſchen Eindrucke wiedergegeben, den Die %e
jener Schriftftellee auf die Phantafie eines geiftuollen 2
ners machen mußte? ine Frage, die fih auch im vı
genden Falle auf Feine Weiſe beantworten läßt.
6. 2. Herodot. 131
m fucht! Ganz dafjelbe muß ich auf Note. 68 erwi⸗
Wenn Thukydides und Herodot dad Ende des Ari
verfchieden erzählen, fo möchte ich darum allein, meil
e3 bier nur beiläufig, Herodot aber direct berichtet,
e größere Glaubwürdigkeit des letztern annehmen !).
äge nur den langedauernden Aufenthalt und die Bas
bindungen des Thukydides in der Gegend diefed Er⸗
wie leicht konnte er da beſſer unterrichtet fein. —
tüller 2) führt noch als Beweis an, daß Thukydi⸗
8 delifche Erdbeben feiner Zeit für das erſte über
che. Herodot aber berichtet von einem frühern 9).
wie leicht Fonnte Thukydides, felbit wenn er den Hero-
inden hatte, eine einzelne Notiz deſſelben vergeſſen
ne Notiz zumal, die fir Ihn, für feine freiere Anficht
Intereſſe befaß! Ihm kommt es ohnehin, went
under erzählt, auf die Thatfache felbit nicht eben viel
den Eindruck beachtet er, den es auf die Menſchen
nd Die Menfchen, von denen er fpricht, — ſoviel
geht aus II, 8. hervor, — haben das zweite Erd⸗
das einzige gehalten, Es fragte fih auch noch, ob
erite Erdbeben zu den mancherlei Fabulosis Der
e zu rechnen, und eben vom Thukydides ſtillſchwei⸗
orfen wäre. — Man künnte noch einige Stellen
. Thukydides nimmt I, 18. die ſikeliotiſchen Ty⸗
3, wenn er behauptet, alle Tyrannen feiern durch
geſtürzt worden. Bei Selinus aber, wie Herodot
ar derfelbe Tall >). Ebenſo Hätte Thukydides, wenn
— —
Dahlmann Note 70 thut.
tier, Th. II, ©. 102.
8. |
‘od. VI, 9.
rod. V, 46.
122 Thukydides. Kap. 2.
er fich Defjen erinnert, I, 14. gewiß die große Menge Trieren
erwähnt, welche die Sonier bei ihrem Aufftande nach Herodot
beſaßen ). Aber vergleichen Heine Vergeßlichkeiten beweiſen
nicht viel. — Darin bat übrigens D. gewiß vollkommen
Net, daß Herodot's Gefchichte zur Zeit des peloponneſiſchen
Krieges noch durchaus Fein Volksbuch iwar 2). |
Sollte nun meine Beweisführung gegründet fein, fo
wiirde weder im Thukydides ſelbſt, noch in den Zeitumftän-
den irgend eine Urfache Liegen, weßhalb Thukydides den He
xodot nicht benutzt haben könnte. Einige Zweifel, die aus
Der angeblichen Härte ſeines Urtheils über dieſen erhoben find,
ſowie die Frage, ob er im Großen. und Ganzen ihm gefolgt
el, Hoffe ich tiefer umten zu erledigen d). Und zivar zum
Vortheile der beiden großen Siftorifer. — Nun ift es frei⸗
Th wahr, Thukydides nennt den Herodot niemald Bei Na
men), Er fpricht immer nur von Logographen, von der
Menge u. |. mw. Iſt ed nicht aber auffallend, daß von den
‚einzigen drei Beiſpielen, Die er aus deren Irrthümern aufführt,
wenigſtens zwei ohne Frage auf den Herodot paffen 5)7 Und
zwar find fie beide gewiß nicht von der Art, daß fie im
Munde des Volkes ſehr eirenlicen konnten.
Endlich hat Thukydides auch In ſchriften bemukt, doch
nur für diejenige Zeit, wo ſie wirklich noch die einzige Ge⸗
Ichichtsquelle Bilden 69). Das iſt nämlich die Zeit, wo man
1) VI,8.
98. 219 ff.
3) Kap. 9. $. 2.
*) Thukydides nennt Überhaupt nicht gern- Namen, wo er es wer
meiden Tann. Etwas diplomatifh! So verfchweigt er VI, 60. den
Namen des Anbolides.
°) Thuc. I, 20: Her. VI,57.1X,53. Ohnehin werben die Iegtern
durch den Vorfag oo &A dos "Ellmves von dem Irrthume der athenifchen
Menge abaefondert.
6) VI, 54 ff.
!
. 2. Inſchriften. $. 3..Mündliche Ueberlieferung. 425
sen gelernt Hatte, ohne nach Gefchichte zu fehreiben,
riode, welche Thukydides im Ganzen wenig berück⸗
kann. Er kann auch von den Inſchriften eben dar⸗
wenigen Gewinn ziehen. Ganz auders war es bei
ographen, ſelbſt noch bei Herodot geweſen; wurde es
der bei den Schüleru des Iſokrates und bei den Ver⸗
er. Atthiden. Bel dieſen Autoren war dieInſchriften⸗
dauptgegenſtand. Philochoros arbeitete ein förmliches
der. attiſchen Inſeriptionen aus. — Mit welchem
zrigens Thukydides ſolche Quellen zu vermeiden ſuch⸗
umir am deutlichſten aus dem berühmten Widerſpru⸗
in fo manche Epigramme des Simonides mit der Ge⸗
5 Herodot ſtehen. Wer etwa noch zweifeln könnte,
Recht zu geben fei, vielleicht durch Plutarch verlei⸗
bedenke nur, daß die bekannte Inſchrift des Pauſa⸗
senfalls-von Simonides iſt verfaßt worden.
8. 3. |
Mündliche Ueberlieferung.
lid erzählt (20 fg.), mit welchen Linkoften
dides die Berichte der Augenzeugen erkauft habe.
Mangelhaftigkeit Folcher Berichte iſt Thukydides
iger als verblendet (VII, 44.). Daher werden im⸗
für den ſiciliſchen Krieg (1. 1.), die Angaben bei⸗
en als Quelle benutzt. Die widerſprechenden Aus-
leicht er mit einander (I, 22.), und wo er feine
reichen kann, da führt ex fie Beide an, um wenig⸗
thümlichteit des Thukydides, Die zuerſt genannte
t Meinungen in der Regel für diejenige hal
— —
ıc. I, 132. ‘
‚4.8.4.
‚412 Thukydides. Kap. 2.
wenn er in Stalin den Herobot befucht Hätte, der in Thurk
Damals ein ven Muſen geweihtes Alter führte. Die lieblich
Sage, welche die Aſche der beiden Hfftoriker in Einem Graf
male ruhen läßt, mag auf folden Gedanken berufen Yy. 4
Daß Thukydides die ſikeliſche Sprache verſtanden habe
vermuthe ich, ohne es behaupten zu wollen 2). Die
vefte des pelasgiſchen 3) und Ielegifchen Dialektes +) fact
ihm Dagegen unveriiimdlich geweſen zu fein 5).
z
8. 2, q
Gefchhriebene Quellen. :
X
Eigentliche Urkunden ſtanden ihm wenig zu Gebo
Die Waffenftillftandge-, die Friedens⸗ und Bundesvertraͤg
theilt ex ohne Zweifel im Driginale mit, wie fihon die vopk
fhe Form der unter Doriern ‚gefchlofjenen anzeigt. Die Brich
des Pauſanias, des Xerxes und Themiſtokles kennt ex wo
nur von Hörenfagen 9), — Die Feldhern feiner Zeit ung
ten zwar mitunter nah Hauſe Bericht erſtatten: befonderf
häufig that es der vorfichtige Nikias; aber felten fchriftlich, 4
der Negel durch Abgeordnete 7). Man hüte ſich daher, fi
ı) Marcell. 17. Suidas v. ‘Heodoros.
2) VI, 4.
5) II, 68.
*) III, 94.
5) Hatten ja auch Helatäos (Strabo p. 494. 629.) und Ha
dot, vermuthlidy aus bemfelben Grunde, die Pelaöger für Barbarad
erktärt. |
% J, 128. 129. 137. Dafür redet fchon die attiſche Weundart i
Paufanias Briefe. Das Schreiben des Xerres war vielleicht noch '
handen; wenigftens erzählt Plutard) von den Papieren des Paufaniad;k
die nad) deſſen Zode u. A. den Themiſtokles verdächtigten (Themist. 23.)
) VIL, 8.
$. 2. Herodot. 445
t Dareios die Rede iſt i), und IH, 15, die vom
myrtäos handelt, Num iſt es freilich, was die
anbetrifſt, gewiß, der Tod eines Amyrtäos wird
s in das Jahr 408 geſetzt. Dem Synkellos zu⸗
derſelbe Amyrtäos 408 ſogar erſt zur Regierung
Allein durch Krüger und Göller 2) iſt hinreichend
en, daß der von Herodot erwähnte Amyrtäos ein
iſt; derſelbe, der nah Thucyd. I, 112. ein
hundert früher mit Inaros zuſammen den Auf
guptier geleitet Hatte. — Und aud) von der ers
Hat K. W. Krüger bereitd eine Interpolation
inlich gemacht 3). Sollte das aber auch unbe
‚ die Einfhaltung wirklich vom Herodot herrüh⸗
fie jedenfalls fo loſe und fchlecht angefügt, daß
araus eine Vollendung des Werkes vor 408 ver⸗
Man bedenke nur! Wegen der Tyrannei des
gen fih Die Meder umter die perfiiche Herrfchaft.
wen fie, dieß gethan zu haben, und fallen
ab. Die Rue, wie K. bemerkt, wäre 150
ver That gekommen; und das Ganze würde nicht
auten, ald wenn man heute fagen wollte: die
hre ſchlechte Vertheidigung im 15. Sahrhunderte
len von den Türken ab. Jedenfalls würde man
ſer an einen andern, uns vielleicht unbekannt ge⸗
fitand der Meder denken, der unter Dareios I.
ı läßt fih aber nachweifen, daß Herodot's Ge-
em Sjahre 414 bereits erfchienen jein mıng. Aus
Cenoph. Hell. I, 2, 19.
Krüger Unterfuhungen ©. 23. Goeller Thucyd.
tifcher Nachtrag zum geben des Thukydides, ©. 39 ff.
8 *
114 | Thukydides. Kap. 2.
Ich Bin durch die Gründe des vortrefſlichen Mannes
überzeugt worden. Gehen wir daher auf eine nähere Prüf
derjelben ein. Wo es fih um Oegenftände handelt, wie 2
fydides und Herodot, und um Widerfacher, wie D.,
jede Ausführlichkeit gern entfchuldigt werden.
Die Gründe des Herrn D. find vornehmlich drei: Zı
nacht er aus verfchiedenen Stellen des herodoteiſchen Bu
wahrfheinlih, daß e8 im Sabre 408 noch im Bulte fe
Verfaſſers geweſen. Da fei denn Benukung von Seiten
Thukydides nicht füglich mehr anzunehmen ). Sodann fi
er aus dein Thukydides ſelbſt mehrere Stellen an,. mi
diefer bei einiger Bekanntſchaft mit Herodot, nach DE
fiht, würde geändert haben 2). Endlich aber ſei der bi
Tadel feines großen Vorgängers mit der Gerechtigkeit
Thukydides unvereinbar 3).
Daß Herodot noch im Verlaufe des peloponneſiſchen
ges an feinem Werke gearbeitet hat, iſt von D. unwider
lich bewieſen. Die Stellen VII, 233. 137. 151 9 und
160 gehen unzweifelhaft auf Begebenheiten der Jahre
430 und 425. Und fie könnten immerhin noch vermehrt ı
den. So wird IX, 37. des lakedämoniſchen Seezuges
Zakynthos gedacht, welcher in's Jahr A430 fiel; IV, 148.
Belagerung von Lepreon, welche 421 vor ſich ging 5). $
aus würde fich Denn ergeben, daß Herodot's Gefchichte
Fahre 421 noch nicht erfehienen war. — Wie fteht es
aber mit dem Jahre 4087 D. glaubt, zwei Anfpielungen
anf gefunden zu haben: 1, 130, wo von einem Aufſtande
) ©. 38 ff. 216 fg.
2) ©. 219 ff.
3) ©. 219.
9 Bgl. Forſchungen u. f. w., Ih. I, ©. 113 ff.
°) Thucyd. II, 66. V, passim.
5. 2. Herodot. 117
tte begreifen follen, kann ich niemals zugeben. Frei⸗
fen, kunſtmäßigen Plan deſſelben, wonach es nicht
Anfang, fondern auch ein organiſches, wohl
tes Ende Befikt, muß ich der ausfuhrlichen Be⸗
es Herodot zu entwickeln überlaſſin.
: alfo Herodot's Werk ſchon im Jahre 414 wäre
um gelangt, fo iſt keine Schwierigkeit meht, daß
ide8 hätte benutzen können. Dieß würde auch noch
Fall fein, wenn e3 felbft mit den Jahre 408 feine
hätte. Thukydides iſt ja nicht vor dem Ende des
eigentlichen Ausarbeitung gefchritten. — Ohnehin
aus nicht unwahrſcheinlich, daß Herodot einzelne
einer Gefchichte ſchon früher publicirt Hat. - Unter⸗
och ſelbſt an vielen Stellen die einzelnen Aoyos,
ie zufamumengefett worden, ganz nach alter Logo⸗
2. Noch das fpätere Alterthum citixt ihn nach ſol⸗
), Die vielbeſprochenen Vorleſungen art. den
nd Panathenäen, wenn etwas. Wahres. dabei zu
t, konnten natürlich nur einzelne Abſchnitte bes
t. : : Aber noch in fpäterer Zeit, in Werandrien,
unerhört, einzelne. Stücke des Herodot tm Thea⸗
airen 2). Das erinnert Doch ganz an die Rhapſo⸗
ker, und ſtimmt nicht übel mit den Ausdrücken
}, der ein &dsw und Juve» von unferm. Stat
) Wirklich find die Fugen diefes Werkes nicht
us Emp. Pyrrh. Hyp. III, 231: iv zo zeob dis ’Ao-
loya. Der Rhetor Menander De encomiis p: 49.
üs Alyuarmaois.
b. Athen., XIV, p. 307.
. s. Aetion: Opp. Vol, IV, p. 117 sq. Bip. — Auf
e8 denn auch möglich, die entgegengefehten Angaben des
[, 4.), wonach Herodot in Thurii fein Werk gefchrieben
> Suidas zu vereinigen, wonach die Ausarbeitung in
wäre.
116 tukhdldes. Kap. 2.
VII, 170 1) folgert bereits D., daß vie Niederlage der AN
ner vor Syrakus damals noch nicht erfolgt fein könne. Ad
gewiß mit Recht. Wie dann aber, frage ich: Herodot, A
fo manche Hleinere Notizen nachtrug, der den ferne liegende
und erfolglofen Aufftand der Meder fol nachgetragen Haba
der Hätte dieſes ungeheuere Ereigniß, daB größte der. Helle
fehen Gefchichte 2), das noch dazu recht in feiner nächte
Nähe wor fich gegangen war, nicht bloß verſchweigen, forkag
beinahe läugnen können? — Ich zmeifle ferner Dırchung
nicht, hätte der Hiftoriker Die Feftfehung der Lakedämonier
Dekelea. gefanıt, ex hätte nimmermehr, fowie Der ganze
rakter feiner Erzählung tft, eine Andeutung Derfelben in
73. zu unterdrücken vermocht. Die Erflärung, welche
von dieſem Weglaſſen verfucht, ift allerdings hoͤchſt ſch
nig, aber nad) meinem Dafürhalten durchaus ‚nicht
reine Hypotheſe 3). D. fcheint Hierbei zu ausſchließlich ‚am
Verwüſtungen des: peloponnefifchen Krieges gedacht
haben: während doch fchon im Jahre 445 Einfälle dee X
dämonier in Attifa erwähnt werben ). Auch Bann id
der Lebhaftigkeit des politifchen und mereantilen Verl
im damaligen Griechenland nicht glauben, daß nad
Sahre 413 das Gericht zwiſchen Athen und Thurii eine
ungeheuer entjtellende Kraft follte gehabt haben, wie D.
nimmt 5). — Hiernach würde Das Werk des Herodot J
fhen 421 und 414 erfchienen fein. Denn daß eb!
vollendet Hinterlaffen wäre, wohl‘ gar noch die Thaten
— — —2— —
1) Bat. Diod. XI, 52.
2) Thuc. VII, 87.
5 S. 43 ff.
*) Thuc. I, 115. Diodor. XII, 6.
5) ©. 45.
$. 2. Herodot. 449
— Konnte aljo Hellanikod den Herodaot benuken,
ehr nicht der beträchtlich jüngere Thukydides!
ch dürfte Dancer die Glaubwürdigkeit meines Ge
108, des Porphyrios, in Zweifel ziehen. War es
n letzten Zeiten des Altertbumd,. befonderd unter
wätern — und ein Kirchenvater eitirt den Porphyrios,
guter Ton geworden, ‚den großen Alten etwas anzu⸗
amentlich Plogiate Schuld zu geben,.. Aber unfere
n fich nicht ummwabrjcheinlih. Dieſes Ausſchreiben
tin iſt dem jugendlichen Alter der hiſtoriſchen Kunſt
atürlich. Von den Chroniften unferd Mittelalters
ht einmal reden, Aber auch Die guten lorentiner
nd 15. Jahrhunderts, die Franzoſen, Deutſchen
mder im 16. und 17. tragen nicht das mindeſte
was fie nicht felbft erlebt oder gefehen haben, majs
id beinahe unverändert aus Fremden zu entlehnen.
ıere fih mr an die Thuanus und Khevenhüller.
sie auch die Epiker die beiten Leiſtungen ihrer Vor⸗
e Weiteres ald Gemeingut zu benutzen pflegen. —
ja doch Herodot kaum anderd mit dem Hekatäos.
m Nilpferde, von der Krofodiljagd, vom Phönix
. at mit wenig Zuſätzen und Abkürzungen aus
108 3), Im Greifenalter der hiſtoriſchen Kunſt ſe⸗
ie verwandte Erſcheinung wiederlehren: nur wird
cerpirt, in der vorliegenden Periede mehr unverho⸗
yrieben.
denke man fich den Thukydides: voll lrennenden
der Wahrheit ſtrebend, überall umherreiſend, wo
—
andern Gründen hat auch D. bereits erwiefen, daß Hero:
nikos ſchwerlich gelefen hat: a. a. O. S. 127 ff-
0. 71. 73.
ıhyrios b. Euseb. Pr. Ev. X, 3.
4118 Thukydides. Kap. 2.
allethalben fo: verſtrichen, dag man das Früher nder
einzelner Bauſteine nicht noch ;beftimmen koͤnnte. Val
VII, 61 und I, 7: I, 98. und VD, 9%. 1, 175 wi
104. — Auch einige Stellen ſophokleiſcher Trauerſp
fen nicht ohne Wahrfcheinlichkeit eine Benukung des
vermuthen..So. Hat 3. B. die Schilderung der. ve
Welt der. Aegyptier im Poloneifchen Dedipus 1) eine
chende Aehnlichkeit mit Herodot H, 35. So auch die
der Antigone 836 fi. mit der Novellette bei
dot III„ 119 2). — Me dieſe Stellen geben nicht
ger, als Gewißheit. Ich will es aber auch nur al
Bar hinſtelleu, daß Thukydides, noch che die Geſchi
Herodot vollendet war, einzelne Reſultate derſelben
konnte. Een
Zum Glück aber Haben wir noch ein Zußereb 3
Hellanikos Hat wirklich den Herodat benut
erzählt Porphyrios beim Euſebios 2). Er hat ganze '
aus dem Herodot entlehnt. Wirklich finden ſich auch F
ſtellen zwiſchen beiden ). — Aber, denkt: man viellei
konnte fa eben Herodot der Entlehner fein, Nicht wal
lich: Herodot verfichert an zwei Stellen 5), etmas zuerſl
zählen, was doch Hellanikos bereits erzählt hatte,
folgt wenigſtens ſoviel, daß Herodot diefe Schriften
Eollegen nicht kannte. Denn einer Lüge wird ihn 9
—
—
1) 302 ff.
2) Bgl. Plutarch. An seni etc. 3. Bol. auch Elektra
Herodot I, 108.
3) IX, 39, p. 466.
4) Bol. Suidas s. v. Zanolfıs: Auch Athen. XI, p
Valckenaer z. Herodot IV, 190.
5) IV, 95 und VI, 55.
6) Sırabo 1, 43 C.
6. 2. Gerodot. 431
ſucht! Ganz dafjelbe muß ich auf Note. 68 erwi⸗
Benn Thukydides und Herodot dad Ende des Art
ſchieden erzählen, fo möchte ich darum allein, weil
bier nur beiläufig, Herodot aber dirert berichtet,
rößere Glaubwürdigkeit des Leitern annehmen !).
: nur den langedauernden Aufenthalt und Die Fa⸗
dungen des Thukydides in der Gegend dieſes Er⸗
vie leicht konnte ex da beſſer unterrichtet fein. —
[Lex 2) führt noch ald Beweis an, daß Thukydi⸗
deliſche Erdbeben feiner Zeit für das erjie über
». Herodot aber berichtet von einem frühern 9.
: leicht konnte Thukydides, felbft wenn er ben Hero⸗
en hatte, eine einzelne Notiz deſſelben vergeſſen
Notiz zumal, die fire ihn, für feine freiere Anficht
intereffe befaß! Ihm kommt e8 ohnehin, wenn
der erzählt, auf die Thatfache ſelbſt nicht eben viel
n Eindruck beachtet er, den es auf die Dicnjchen
‚ die Menſchen, von denen ex fpriht, — ſoviel
ebt aus IL, 8. hervor, — haben das zweite Erd⸗
3 einzige gehalten. Es fragte fih auch nach, ob
rſte Grobeben zw den mancherlei Fabulosis der
zu rechnen, und eben vom Thukydides ſtillſchwei⸗
fen wäre. — Man könnte noch einige-Stellen
Thukydides nimmt I, 18. Die fifeliotifchen Te
wenn er behauptet, alle Tyrannen ſeien durch
jeftürzt worden, Bei Sclinus aber, wie Herobot
derfelbe Ball 5). Ebenſo Hätte Thukydides, wenn
Dahlmann Note 70 thut.
r, 2.11, ©. 102.
id. VI, 98.
cd. V, 46.
4120 <hufybies. Kap. 2,
er Belehrung hoffte, den Greigniffen des Kampfes nahe,
leicht fogae während des ſyrakuſiſchen Krieges in Itallr
weſend. Hier wäre ihm das Werk des Hexodot verborgen
blieben? — Wir dürfen und die Lebhaftigkeit des
Bücherverkehrs nicht zu geringe denken. Aus 2
ned ficht man, wie allgemein verbreitet bie Leetüre
Durch Platon's Phädros iſt die wißbegierige Ungeduld
Tannt, mit welcher ſchon damals Die Werke berühmter
ven erwartet wurden. Der Buchhandel des Hermodoros iſt ſpri
wörtlich geworben, und eine ziemlich große Wohlfellheit d
cher läßt ſich aus Platon's Apologie 2) folgen. Selbſt
das Meer Hin wurden Maſſen von Büchern geſendet 3). .
Iuftige Aufteitt mit dem Geſehzhändler in Ariſtophanes
gen 4) kann zum Beweiſe dienen, wie ſchnell damals
neue Volksbeſchluß zu Athen auf dem Wege des DB:
in bie zinspflihtigen Städte zu gelangen pflegte. —
wäre denn die Möglichkeit, daß Thukydides den Herobot g
fen Hätte, wie ich meine, ſicher geftellt.
Aber D. führt noch einige Stellen des Thukydides
welche factifh von einen Nichtk ennen des Herodot
gen follen. Was find das für Stellen? — Diejenigen,
e ©. 221, Note 71. beibringt, Laufen ſämmtlich nur d
Hinaus, daß Thukydides hier und da, wo er aus dem $
Dot eine beiläufige, für feinen Zive durchaus er
Notiz hätte anwenden können, dieß nicht gethan Hat, ®
für bedenke man aber doch, wie ſtrenge fih Thukydides
den eigentlichften und nächſten Gegenftand feines Werkes
2) Fröſche 1114 ff.
2) p. 26.
?) Xenoph. Anab. VII, 5, 14. Bgl. Krüger Epikrit. Nad
trag, ©. 37 fa.
y 1083 ff.
Inſchriften. $. 3.. Mündliche Licherlieferung. 325
eleent hatte, ohne nach Gefchichte zu fchreiben,
‚ welche Thukydides im Ganzen menig berück⸗
+ Er fan auch non den Inſchriften chen dar⸗
gen Gewinn ziehen, Ganz auderd. war ed. bei
ben, felbit noch bei Herodot geweſen; wurde es
sei den Schülern des Sokrates und bei den Ver⸗
ithiden. Bel dieſen Autoren war die: Inſchriften⸗
tgegenftand. Philochoros arbeitete ein förmliches
attiſchen Inferiptionen aus. — . Mit welchen
98. Thukydides folche Quellen zu vermeiden fuche
ix am deutlichſten aus dem berühmten Widerſpru⸗
o manche Epigramme des Simonides mit der Ge⸗
serodot ſtehen. Wer etwa noch zweifeln könnte,
ht zu geben ſei, vielleicht durch Plutarch verlei⸗
yenfe nur, dag Die bekannte Inſchrift des Pauſa⸗
alls von Simonides it verfaßt worden,
8. 3. |
. Mündliche Ueberlieferung.
inus erzählt (20 fg.), . mit welchen Unkoſten
deö Die Berichte Der Augenzeugen erkauft habe.
Mangelhaftigfeit folcher Berichte iſt Thukydides
‚ex als vwerblendet (VII, 44.). Daher werben im⸗
für den fieilifhen Krieg (1. 1.), Die Angaben bei-
ı als Quelle benußt. Die. widerfprechenden Aus-
icht ex mit einander (I, 22.), und. wo ex Feine
ichen kann, da führt er fie beide an, um wenig⸗
mden Unrecht zu thun XI, 5. V. 60.). Doc
fer auch hier, nach einer unten 2) zu befprechen-
hümlichkeit des Thukydides, die zuerft genannte
: Meinungen in der Regel für diejenige Hal
ıc. I, 132. j
4.8.4.
124 Adhukhdides. Kap. 2.
ten, welche dem Verfaſſer am glaubwürdigſten erſchien 1).
Die Höchfte Behutſamkeit wendet ex an, wo · Parteimänner
von den Motiven ihrer Gegner urtheilen (VIII, M.). — Wo
durch andere Gründe eine entſchiedene Gewißheit verhindert
wird, da giebt er dieß allemal ofjen zu erkennen. So ſchweigt
er 3. B. von der Stärke des argiviſchen Bundesheeres (nor
Mantinea): weil er. die Prahlerei feiner Landsleute In vater
ländiſchen Dingen würdigt (V, 68.). - Nicht viel anders ft
es, wenn von der Zahl der thrafifchen Streitkräfte nur dis
Akyeraı berichtet wird (II, 98.): den Barbaren. kann 'man
Hierüber niemals trauen. Auch die Stärke. neB lakedämoni⸗
ſchen Heere8 wagt er nicht genau zu beſtimmen, weil übers
haupt die Staatsverwaltung der Lakedämonier verborgen zu
fein pflege (V, 68. 74.). Hier waren nämlich diefelben Urſa⸗
Ken wirkfam, Die in unferer Zeit die Politik der ſ. g. com
ferwativen Mächte mit Dunkel umbüllen 2, — So erzählt
er von Archidamos Planen bei dem Angriffe auf Acharnä (II,
20.), 0 von den Roheſſern in Xetolien (III, 94.) nur as
Aeyeraıd), Am häufigften kommt diefe Claufel im achten
Buche vor, bei deiten Ausarbeitung er vom. Tode überraſcht
minde td). — Er entfchulbigt fich ferner bei der vorletzten
Niederlage der Athener vor Syrakus, wegen der Unficherheit
N) In II, 5. ift dieß ziemlich direct zu erweifen. "Die Thebaner
wärden nicht fo-ftill abgezogen fein, wenn ihnen nicht etwas verſprochen
wäre. — Hiernach 'würde VI, 60. ein günftiges Zeugniß für die Glaube
wöürbigfeit bes Andokides ablegen (De myst.). Doc hätte dem Thuky⸗
dides zufolge Andokides ſich ſelbſt mit unter den Hermokopiden angeges
ben, was ber Redner, freilich aus nahe liegenden Gründen, hartnädig
leugnet. ZZ ' on
2) Bgl. namentlih V, 54.
3) Rot. II, 48.
ı Man fieht daraus, wie langfam er fein Urtheil abſchloß. 3.8.
56. 64. 87. 94. Bier und ba ſteht indeffen auch Ar wo er nicht
eben zweifelt: II, 77.
6. 3. JFamillentrabition. 4128
ichtes, worin fie erfolgt ſei, konne auch der Be
nfiher ausfallen (VII, 4.) In ſolchen Fällen
), allzu tief in's Detail zu geben. Da läßt er
itweder nur auf ungefähre Angaben ein (V, 68.) ;
x eine auöführlichere Darſtellung nöthig findet, da
1: zoadın xal örs.Eyyurara rovrev Eyevero (V,
Scheint ihm eine Angabe geradezu unglaublich,
e doch Mittel hat, fie zu berichtigen, fo verſchweigt
ganz (III, 113.). Mit befonderer Vorſicht vers
i allgemeineren Behauptungen. Wenn er 3. B.
agerung von Platäa dad große Feuer, welche die
er zur Einnahme der Stadt anzündeten, das größte
6, welches bis dahin gebrannt Habe, fo fügt er
leich beſchränkend Hinzu, das größte von Mienfchens
: auf Bergen freilich feien mitunter wohl von felbit
tigere Brände vorgefommen (Il, 77: vgl VI,
ie frühere Bergangenheit benutzt Thukydides auch
ien= und Stammestradition. So iſt a VI,
zurch Die Ueberlieferungen feiner eigenen Familie
Berhältnifien des Beifiitratidenhaufes unterrichtet,
pricht er von der ficherften Tradition der Pelopon⸗
). — Hier Fam es natürlih wor Allen darauf
ugfte Kritik zu handhaben. So will ee im erſten
‚ daß nicht Hipparchos, wie man glaubte, ſon⸗
3 Erſtgeborner und Nachfolger des Peififtratod ges
Da beweifet er nun zuerft durch Inſchriften, daß
vei Söhnen des Peiſiſtratos Hippias allein Kinder
n dieß laſſe feine Erjtgeburt vermuthen, Sodann
ıf denfelben Infchriften fein Name unmittelbar nes
3 Vaters. Endlich fei e8 unmahrfcheinlih, daß
Sohn nah den gewaltfamen Tode des Al
r und fchnell die Regierung hätte übernehmen kon⸗
124 Thukydides. Kap. 2.
ten, welche dem Verfaſſer am glaubwürdigſten erchie
Die höchſte Behutſamkeit wendet er an, wo - Parteim
von den Motiven ihrer Gegner urtheilen (VIII, 90). —
durch andere Gründe eine entſchiedene Gewißheit verh
wird, da giebt er dieß allemal ofſen zu erkennen. So fd
er 3. B. von dee Stärke des arginifchen Bundesheeres
Mantinen): well er die Prahlerei feiner Landsleute in
ländiſchen Dingen würdigt (V, 68.). Nicht viel ande
eö, wenn von der Zahl der thrakiſchen Streitkräfte n
Aeyeroı berichtet wird (II, 98.): den Barbaren. Tann
hierüber niemald trauen. Auch die Stärke deblakedä
ſchen Heeres wagt er nicht genau zu ‚beitimmen, 'iweil
haupt die Staatsverwaltung der Lakedämonier verborg
fein pflege (V, 68. 74.). Hier waren nämlich dieſelben
Gen wirkfam, vie in unferer Zeit die Politik der f. g.
ferwativen Mächte mit Dunkel umbüllen 2. — So ı
er von Archidamos Planen bei dem Angriffe auf Acharnı
20.), fo von den Noheffern in Aetolien (III, 94.) m
Aeyeraı 3), Am häufigsten kommt diefe Claufel im
Buche vor, bei deſſen Ausarbeitung er vom Tode übe
wurde 9. — Er entſchuldigt ſich ferner bei der vor
Niederlage der Athener vor Syrakus, wegen der Unſich
) In II, 5. iſt dieß ziemlich direct zu erweiſen. Die If
würden nicht ſo ſtill abgezogen fein, wenn ihnen nicht etwas verfj
wäre. — Hiernach würde VI, 60. ein günftiges Beugniß für die ı
würdigfeit bes Andokides ablegen (De myst.). Doc, hätte dem i
dides zufolge Andokides ſich felbft mit unter ben Hermokopiden c
ben, was ber Redner, freilich aus nahe liegenden Gründen, har
leugnet. —
2) gl. namentlich V, 54.
3) Bgl. II, 48.
°) Man fieht daraus, wie Tanafam er fein Urtheil abfchloß.
56. 64. 87. 94. Hier und ba fleht indeffen auch Asyeraı, wo eı
eben zweifelt: II, 77.
$. 2. Herodot. 117
e begreifen follen, kann ich niemals zugeben. Frei⸗
en, kunſtmäßigen Plan. deſſelben, wonach es nicht
Anfang, ſondern auch ein organifches, wohl
8 Ende beſitzt, muß ich der ausführlichen De
8 Herodot zu entwideln überlafſen.
alſo Herodot's Werk fchon im Jahre 414 wäre
m gelangt, fo iſt keine Schwierigkeit mehr, daß
‚e8 hätte benuken können. Dieß würde auch noch
fall fein, went es felbft mit den Sabre 408 feine
itte. Thukydides iſt ja nicht vor dem Ende des
eigentlichen Ausarbeitung gefchritten. — Ohnehin
ud nicht unwahrfcheinlih, daß Herodot einzelne
ner Gefchichte ſchon früher publicirt Hat. - Unters
ſch ſelbſt an vielen Stellen die einzelnen Aoyos,
e zufammengefelst worden, ganz nach alter Logo⸗
Noch das fpätere Altertum citirt ihn nach ſol⸗
1), - Die vichbefprochenen Vorlefungen art. den
id eher mat wenn etwas. Wahre. dabei. zu
kuönnten natürlich nur einzelne Abſchnitte bes
- Aber noch in fpäterer Zeit, in Merandrien,
merhört , einzelne Stüde des Herodot im Thea⸗
iren 2). Das erinnert doch ganz an die Rhapſo⸗
ler, und ſtimmt nicht übel mit den Ausdrücken
‚ der ein &ösıs und Juvers von unſerm Hill
. Wirklich find die Fugen dieſes Werkes nicht
—
us Emp. Pyrrh. Hyp. III, 231: à 7& mob ci; Ao-
ya. Der Rhetor Menander De encomiis p. 49.
5 Alyuarmnois.
b. Athen., XIV, p. 307.
8. Aetion: Opp. Vol. IV, p. 117 sq. Bip. — Auf
:8 denn auch möglich, bie entgegengefehten Angaben bes
, 4.), wonach Herodot in Thurii fein Werk gefchrieben
Suidas zu vereinigen, wonach die Ausarbeitung in
wäre.
4118 Thukydides. Say. 2.
allethalben ſo verſtrichen, daß man das Früher oder Späte
einzelner Bauſteine nicht noch beſtimmen konnte. Vgl. z. B
VII, 61 und J, 7. II, 98. und VD, 95. 1,1475 und VII,
104. — . Auch: einige Stellen ſophokleiſcher Trauerſpiele laſ⸗
fen nicht ohne Wahrfcheinlichkeit: eine Benutzung des Herodot
beimmihen.s. So: hat. z. B. die Schilderung der. verkehrten
Welt der Aegyptier Im tolsneifchen Dedipus 1) eine überra⸗
ſchende Hehnlichkeit niit Herodot U, 35. So: andy, Die, Worte
der Antigone 836 fi. mit Der. Novellette bei ‚Here
dot 111,119 9)... — ° Alle ‚Diefe. Stellen geben nichts weni⸗
ger, als Gewißheit. Ich will es aber auch nur ala denk
Bar Hinftellen,; dag Thukydides, noch ehe die Geſchichte des
Herodot vollendet war, einzelne Reſultate derſelben erfahren
konnte. Won ge
Zum Ste aber haben wir noh ein Zuferes, DZeugniß.
Hellanikos Hat wirklich den Herodat benutz, fü
erzählt Porphyrios beim Euſebios ). Er hat: ganze. Partien
aus dem Herodot entlehnt. Wirklich finden ſich auch Parallel⸗
ſtellen zwiſchen beiden ). — Aber, denkt; man. vielleicht, da
koͤnnte ja eben Herodot der Entlehner ſein. Nicht wahrſchein⸗
lich: Herodot verſichert an zwei Stellen 5), etmas zuerſt zu er
zählen, was doch Hellanikos bereits erzählt Hatte —). _ Hieraus
folgt wenigſtens ſopiel, daß Herodot dieſe Schriften ſeines
Collegen nicht kannte. Denn einer Lüge wird th Niemand
) 302 ff.
2) Bgl. Plutarch. An seni etc. 3. Bol. au) Eiekton 417 mit
Herodot I, 108.
3) IX, 39, p. 466.
4) Bot. Suidas s. v. Zanollıs, Auch Athen. XI, p. 462 B.
Valdenaer 5. Herodot IV 190. |
5) IV, 95 und VI, 55.
6) Strabo I, 43 C.
$. 2. Herodot. 419
— Konnte aljo Hellanikod den Herodot benuken,
iehr nicht Der beträchtlich jüngere Thukydides!
ch dürfte Mancher tie Glaubwürdigkeit meines Ge
nes, des Porphyrios, in Zweifel ziehen. War es
n letzten Zeiten des Altertbumd, befonderd unter
wätern — und ein Kirchenvater citirt den Porphyhrios,
guter Ton geworden, den großen Alten etwas anzu⸗
amentlich Plagiate Schuld zu geben,. Aber unfere
n fich nicht unwahrſcheinlich. Dieſes Ausfchreiben
tien iſt dem jugendlichen Alter der. hiſtoriſchen Kunit
atürlich. Von den Chroniiten unferd Mittelalters
ht einmal reden. Uber auch die guten lorentiner
ad 15. Jahrhunderts, die Franzoſen, Deutſchen
nder im 16. und 17. tragen nicht das mindeſte
was fie nicht felbft erlebt oder gefehen. haben, maj-
d beinahe unverändert aus Fremden zu entlchnen.
ere fih me an Die Thuanus und- Khepenhüller.
ie auch die Epiker die beiten Leiſtungen ihrer Vor⸗
: Weiteres als Gemeingut zu benußen pflegen. —
a doch Herodot kaum ander mit dem Hekatäos.
n Nilpferde, von der Krofodilfagd, vom Phönix
iſt mit wenig Zuſätzen und Ahkürzungen aus
83). Im Greifenalter der hiſtoriſchen Kunft fer
e verwandte Erfcheinung wiederkehren: nur wird
erpirt, in her. vorliegenden Periode mehr unverho⸗
rieben.
enke man ſich den Thukydides: voll brennenden
der Wahrheit ſtrebend, überall umherreiſend, wo
—
ndern Gründen bat auch D. bereits erwieſen, daß Heros
ikos ſchwerlich gelefen hat: a. a. D. ©. ‚127 ff-
J. 71. 73.
yrios b. Euseb. Pr. Ev. X, 3.
„
120 Xhukgblies, Kap. 2.
er Belehrung hoffte, den Ereigniffen des Kampfes nahe, vie
leicht fogar. mährend bes fyrakufifchen Krieges in Italien an
mefend. Hier märe ihm daB Werk des Hegodot verborgen ge
blieben? — Wir dinfen uns die Lebhaftigkeit des damaligen
Bücherverkehrs nicht zu geringe denken. Aus Ariftopha-
nes ficht man, wie allgemein verbreitet bie Leetüre mar !),
Durch Platon's Phädros ift die wißbegierige Ungebulb be
kannt, mit welcher ſchon Damals die Werke berühmter Aute-
zen erwartet wurden. Der Buchhandel des Hermodoros iſt ſprüch⸗
wörtlich geworben, und eine ziemlich große Wohlfeilheit der Bü⸗
cher läßt fi) aus Platon's Apologie 2) folgen. Selbſt über
das Meer hin wurden Maſſen von Büchern gefendet 3). . Der
Iuftige Aufteitt mit dem Geſetzhändler in Ariſtophanes Vö—
geln 9 kann zum Beweiſe dienen, wie fchnell damals jeder
neue Volksobeſchluß zu Athen auf dem Wege des Buchhandels
in die zinspflichtigen Städte zu ‚gelangen pflegte. — Hiermit
wäre denn die Möglichkeit, daß Thukydides den Herodot gele⸗
fen Hätte, wie ich meine, ficher geftellt. Ä
Abber D. führt noch einige Stellen des Thukydides auf,
welche faetiſch von einem Nichtk ennen des Hero dot zeu⸗
gen ſollen. Was find das für Stellen? — Diejenigen, die
er ©. 221, Note 7%. beibringt, laufen ſämmtlich nur Darauf
hinaus, daß Thukhdides Hier und da, wo er aus dem Here
Bot eine beiläufige, für feinen Zweck durchaus entbehrliche
Notiz Hätte anwenden können, die nicht gethan hat. Da
für bedenke man aber doch, wie ſtrenge fich Thukydides auf
den eigentfiäften 1 und nächften Gegenitand feines Werkes zu
1) Fröoſche 1114 ff.
.3) p. 26. | |
3) Xenoph. Anab. VII, 5, 11. Bol. Krüger Epikrit. Rad:
trag, ©. 37 fo. Ä
$) " 1035 ff.
6. 2. Gerodot. 431
ſucht! Ganz daſſelbe muß ich auf Note. 68 erwi⸗
Wenn Thukydides und Herodot das Ende des Ari
efchieden erzählen, fo möchte ich darum allein, weil
hier nur beiläufig, Herodot aber direet berichtet,
zrößere Glaubwürdigkeit des letztern annchmen 1).
je nur den langebauernden Aufenthalt und bie Fa⸗
idungen des Thukydides in der Gegend dieſes Er⸗
wie leicht Konnte er da beffer unterrichtet fein. —
iller ) führt noch als Beweis an, daß Thukydi⸗
deliſche Erdbeben feiner Zeit für das erſte üben
e. Herodot aber berichtet von einem frühern ).
e leicht konnte Thukydides, ſelbſt wenn ex den Hero⸗
ben hatte, eine einzelne Notiz deſſelben vergefien
Notiz zumal, die fire Ihn, für feine freiere Anficht
Intereffe befaß! Ihm kommt es ohnehin, went
der erzählt, auf die Thatfache felbft nicht eben viel
en Eindruck beachtet er, den es auf die Menfchen
d die Menfchen, von denen ex fpriht, — ſoviel
ht aus II, 8. hervor, — haben das zweite Erd⸗
18 einzige gehalten. Es fragte fih auch nach, ob
rſte Erdbeben zu den mancherlei Fabulosis der
zu rechnen, und eben vom Thukydides ſtillſchwei⸗
fen wäre. — Man könnte noch einige.Stellen
Thukydides nimmt I, 18. die fileliotifchen Ty⸗
wenn er behauptet, alle Tyrannen feien durch
jeftürzt worden. Bei Selinus aber, wie Herodot
derfelbe Ball 5). Ebenſo Hätte Thukydides, wenn
Dahlmann Note 70 thut.
r, Th. 11, ©. 102.
:d. VI, 98
rd. V, 46.
122 ‚Shukydides. Kap. 2.
er ſich deſſen erinnert, J. 14. gewiß die große Menge Trieren
erwähnt, welche die Jonier bei ihrem Aufſtande nach Herodet
hefagen ). Aber dergleichen kleine Vergeßlichkeiten beweiſen
nicht viel. — Darin bat übrigens D. gewiß vollkommen
Net, daß Herodot's Gefchichte zur Zelt bed peloponneifihen
‚Krieges noch durchaus kein Volksbuch war 2).
‚Sollte nun meine Beweisführung gegründet fein, fo
würde weder im Thukydides ſelbſt, noch in den Zeitumſtän⸗
den irgend eine Urſache liegen, weßhalb Thukydides den He
robdot nicht benutzt haben köunte. Einige Zweifel, die aus
der angeblichen Härte ſeines Urtheils über dieſen erheben find,
ſowile die Frage, ob er im Großen. und Ganzen ihm gefolgt
fe, Hoffe ich tiefer unten zu erledigen 2). Und zivar zu
Vortheile der beiden großen Hiſtoriker. — Nun ift es frei
Ih wahr, Thukydides nennt den Herodot niemald Bei Na—
men). Er fpricht immer nur von Logographen, von der
Menge u. |. w. Iſt es nicht aber auffallend, dag won ben
‚einzigen drei Deifpielen, die er aus deren Irrthümern aufführt,
wenigſtens zwei ohne Frage auf den Herodot paffen 5)? Und
zwar find fie beide gewiß nicht von der Art, Daß fie im
Munde ded Volkes fehr eireulicen konnten.
Endlich Hat Thukydides auch In ſchriften benutzt, doch
nur für diejenige Zeit, wo fie wirklich noch die einzige Ge
Ichichtsquelle bilden 65), Mas iſt nämlich die. Zeit, wo man
t . . .
5) VI, 8.
18. 219 ff.
3) Kap. 9. $. 2.
2) Thukydides nennt überhaupt nicht gern- Namen, wo er es ver:
meiden Tann. Etwas diplomatifh! So verfchweigt er VI, 60. den
Namen bed Andolides.
5) Thuc. 1,20: Her. VI,57.1X,53. Ohnehin werden bie letztern
durch den Vorſatz oi &440, Eddnves von dem Irrthume der atheniſchen
Menge abgefondert.
6, VI, 54 fi.
!
2. Inſchriften. $. 8. Mundliche Ueberlieferung. 425
ı gelernt Hatte, ohne nach Geſchichte zu ſchreiben.
de, welche Thukydides fin Ganzen. wenig berück⸗
un. Er kann auch ‚non den Inſchriften chen bar-
enigen Gewinn ziehen, Ganz auders war ed. bei
sapben, felbit noch bei Herodot geweſen; wurde es
: bei den Schülern des Iſokrates und bei den Ver⸗
Arthiden. Bel dieſen Autoren war die Inſchriften⸗
uptgegenſtand. Bhilnchoroß arbeitete ein förmliches
e. attifehen Inſeriptionen aus. — . Mit welchen
gens Thukydides ſolche Quellen zu vermeiden fuche
wir am deutlichſten aus dem berühmten Widerſpru⸗
ſo manche Epigramme des Siwmonides mit der Ge⸗
Herodot ſtehen. Wer etwa noch zweifeln koͤnnte,
decht zu geben fei,, : wielleicht durch Plutarch verlei⸗
edenke nur, daß Die befannte Inſchrift des Pauſa⸗
ıfalls- won Simonides ir verfaßt worden.
8. 3.
Mündliche ueberlieferung.
liuus erzählt (20 fg.), . mit welchen Unkoſten
des die Berichte der Augenzeugen erkauft habe.
Mangelhaftigfeit folcher Berichte iſt Thukydides
jſer als verblendet (VII, 44.). Daher werden im⸗
für den ſieiliſchen Krieg (1. 1.), die Angaben bei⸗
ı als Quelle benußt. Die widerſprechenden Aus-
icht er mit einander (I, 22.), und. wo ex feine
schen kann, da führt er fie beide an, um wenig⸗
nden Unrecht zu thun Xu, 5. V. 60.). Def
yümlichkeit des Thukydides, Die zuerſt genannte
Meinungen in der Regel für diejenige hal
132 Tchulhydides. Kap. 9.
die Sophiſten warfen Alles um; Euripides ſah fie als
Erdihtungen an, die man willkürlich verdrehen, weſe
verändern dürfe. — In viele Seit nun Fritifirte Thukyd
| 8.2.
Aritiſche Grundſaͤte des Thukpdides.
Um die Begebenheiten, welche die Sage ei
kümmert er fi wenig. Daher fehreibt er feiner Arbeit
uvdwWdeg zu, weiß auch recht wohl, dag fie Vielen um
willen minder ergötlich fein werde ). Aus der großen ©ı
der mythiſchen Veberlieferung hebt Thukydides allein den
ſchichtlichen Kern heraus, die factifhen Verhältnii
welche in der möthenbilbenden Zeit vorhanden waren. 9
gewinnt er &x zav Znıpaveotarav onuelav (I, 1. 21.). |
da waren bie Dichter, welche Alles vergrößert, Die Loge
phen, welche es dem Ohre genchm verändert hatten %
hatten allmählig die Wahrheit in fehwer zu prüfende Fe
verkehrt (I, 21.) 2). Wie ſchnell fih Mythe in die Geld
einfchleichen Eünne, Davon Bot noch die Gegenwart des i
kydides Beifpiele dar (I, 20. VI, 55... — Daher muf
Kritiker mit wenigen Ergebniffen ſchon zufrieden fein: er
felbft die wenigen nicht für untrügliche Gewißheit ausge
"Ex av Enıpaveororov onusiov, g nalaıd £ivas, |
fofeen dergleichen Alterthümer augenfcheinlich fein Finnen
21.). Hierher rührt auch das in der Vorrede des Thukyt
fo Häufige doxer nor. Uebrigens verfichert er, mit feinen‘
— — — — — — —
1) I, 22: vgl. Isocrates Ad Nicoclem p. 28.(Tauch.). |
dar Nem, VII, 30,
2) Gegen diefe Kritik der Logographen eifert Ariftides, Toı
p- 231,
$. 3. Samiltentrabition. 41235
e8, worin fie erfolgt fel, könne auch der Bes
ber audfallen (VII, 4.) Sa folden Fällen
allzu tief in's Detail zu gehen. Da läßt er
eder nur auf ungefähre Angaben ein (V, 68.) ;
eine ausführlichere Daritellung nöthig findet, da
rcoæaæburn al örı Eyyusara votre Lyevero (V,
Scheint ihm eine Angabe geradezu unglaublich,
och Mittel Hat, fie zu berichtigen, fo verſchweigt
anz (III, 113.). Mit befonderee Vorſicht vers
allgemeineren Behauptungen. Wenn er z. D.
erung von Platäa das große Feuer, welches die
zur Einnahme der Stadt anzlindeten, Dad größte
welches bis dahin gebrannt babe, fo fügt er
ich beſchränkend Hinzu, da8 größte von Dienfchens
auf Dergen freilich fein mitunter wohl von felbft
yere Brände vorgefommen (II, 77: vgl. VI,
frühere Vergangenheit benutzt Thukydides auch
en= md Stammedtradition. ©o fit a VI,
irch die Ueberlieferungen feiner eigenen Familie
erhältniffien des Peiſiſtratidenhauſes unterrichtet,
richt er von der ficherftien Tradition der Pelopons
. — SHier kam es natinlich vor Allen darauf
igſte Kritik zu handhaben, So will x im eriten
‚ Daß nicht Hipparchos, wie man glaubte, ſon⸗
3 Erfigeborner und Nachfolger des Peiſiſtratos ges
Da beweifet er nun zuerft duch Inſchriften, daß
ci Söhnen des Peiſiſtratos Hippias allein Kinder
n dieß laſſe feine Erfigeburt vermuthen. Sodann
f denfelben nfchriften fein Name unmittelbar ne⸗
3 Vaters. Endlich fei e8 unmahrfcheinlid, Daß
Sohn nah dem gewaltfamen Tode des Al
r und fchnell die Regierung hätte übernehmen kön⸗
1 Khntyoloe.: Rap. 2.
ner DE Zugleich aber: fühle Thakydides, ‚dag man nie genug
Hat an der bloßen Widerlegung eined Irrthumes. Darum
erklärt er, wie derfelbe Hatte. entſtehen können: indem nämlich
Die Volksſage die Schickſale verfchiedemer Mienfchen., wenn fie
überall nur verbunden find.,. germ auf dasjenige Haupt zuſam⸗
uienträgt, "wofür fie ſchon aus andern Gründen das meiſte
Intereſſe hat.
Man ſieht, Thukydides wußte auch feine eigenen onjetturen
wohl im Zaume zu halten, So kommt 8 ihm in der Vor
vede u. A. darauf an, die Oeringfügigkeit aller finanziellen
and militärifchen Kräfte der frühern Zeit gegen feine Gegen⸗
wart hervorzuheben. Nun: war Mykenä in Agamemnon’s
Zeitalter die mächtigſte Herrſcherſtadt geweſen. Unter den je
tzigen Städten aber, wie Elein war fie dal Thukydides ins
deſſen verſchmähet ganz ausdrücklich, von dieſem nahegelegenen
Umſtande für feine Beweisführung Gebrauch zu machen (I,
10.). — Wo er fein eigene? Urtheil auöfpricht, ohne doch
völlig gewiß zu fein, dba führt er das abweichende daneben
an:(I, 138. 9 II, 93.).
8. 4.
Thukydides angebliche Widerlegungsſucht.
Nichts iſt für den wiſſenſchaftlichen Mann natürlicher,
als den Irrthum, wo er ihn findet, vertilgen zu wollen.
Man hat dieß aber beim Thukydides fehr übertrieben voraus⸗
gefeigt, wenn man die lange Epifode der Beififtratidengefchichte
(VI, 54-59.) durch einen folchen kritiſchen Eifer entfchufbi-
gen: wollte. Ohnedieß eine fehr wohlfeile Erklärung! — Auf
Eleinere Bemerkungen iſt ſie jedoch allerdings anzumenden.
1) Bol. Übrigene Meursius Pisistratus, c. IL, ber die Gründe
des Thukydides zu widerlegen ſucht — dem platonifchen Hipparchos zu
. Gefallen!
3) Bol. Schol. Arist. Equitt. 84.
1. Thukydides angebliche Wirerlegungsfuht. 127
A. die wiederholte Angabe von Hippias Erſt⸗
). VI, 54.) gewiß nur von der weiten Berbreis
Irrthumes ber. Wenu bei Erwähnung des thras
ausdrücklich gejagt wird, er hänge nicht zu=
dem mythiſchen Tereus, fo wird das gegen hiſto—
ktſchwätzer gerichtet jeint, die in der Zeit, wo
Bündniß abgefchloffen wurde, auch eine mythi⸗
tichaft der beiden Contrahenten nachweilen moch⸗
1). Schlechte Caufalerflärungen, die das Bolt
rachte, um ſich nebenher über das Unglück der
t teöften, fertigt er fehr kurz ab (LI, 57.). Von
denepifode werde Ich tiefer unten (Kap. 12. 8.3.)
te auch Solche im Auge bat, welche den Abfall
3 und deſſen Folgen zu hoch ſchätzten. Umge—
40. gegen die Komiker und andere Räſonneurs
elche Die Streitigkeiten mit Megara für zu gering
day ihretwegen Perikles Hätte Krieg anfangen
Schr Häufig führt Thukydides an, wie wenig
gemein verbreitete Erwartungen .de8 Publicums
habe (IV, 108. VII, 57. VII, 2. 24.): bier
einer wehmüthigen Ironie über die Leichtgläubi-
2.). „Die Meiften urtheilen mehr nach dunkeln
ich wohl gegen die Pandionis des Philokles, wie
en ſucht: Leben des Sophokles ©. 162 ff. gl. Ari-
5. 46. Unberufene Etymologen wiefen vielleidyt auf die
Namen Zered und Zereus hin. Ueber die Verwandts
Xenoph. Anab. VII, 2, 31. 3, 39. Auch Iſokra⸗
3 hält das Volk des Eumolpos für identifch mit den
cakiern. Durch den Sieg der Athener fei ihr Landgcbiet,
Attila gegränzt, auf das neuere Thrakien beſchränkt
oh V, 75 mit 82 und VI und VIII passim. —
ift das beiläufige Widerlegen von Irrthümern feis
tfodifchen Natur gemäß viel häufiger: fo z. 8. 1,
4128 Thukydides. Kap. 2.
Wünſchen, als nach Heller Einſicht; fie, pfiegen ihre Schl
nach ihren Hoffnungen einzurichten!” (IV, 108.) i).
Das fpätere Altertfum bat Die. Glaubwürdigkeit des T
kydides zu jeder Zeit fehr Hoch geftellt. Plutarch ſowohl,
Cornelius Nepos Halten fih im Zweifel immer an Thu
des, Die Differenzen, die zwifchen Diodor's Gefchichte ı
Thukydides obmalten, find. fajt ohne Ausnahme aus der Br
fucht, oder Parteilichkeit, oder Kleinlichkeit Der diodoriſt
Quellen zu erklären, Mitunter find fie augenfcheinlich bl
Autoſchediasmata des Diodoros 2), Nur Sofephus behäaup
Thukydides fei von Einigen vieler Lügen gezichen. Ei
Dagegen preifet ihn, als einen sincerus rerum gestar
pronuniciator 3),
1) Bat. I, 20.
2) &o 3. 3. bei ber Geſchichte von ber Ueberrumpeluhg Platäc
2) Brut. 83. gl. Poppo’s Prolegg. in Thucydidem I], 1
6. 2. Herodot. 4149
- Konnte aljo Hellanikos den Herodot benuken,
r nicht Der beträchtlich jüngere Thukydides!
dürfte Mancher die Glaubwürdigkeit meines Ge
3, des Porphyrios, in Zweifel ziehen, War eB
legten Zeiten des Alterthums, beſonders unter
tern — und ein Kirchenvater eitirt ben Porphyrios,
iter Ton geworden, den großen Alten etwas anzu⸗
nentlich Plagiate Schuld zu geben. Aber unfere
fich nicht unwahrſcheinlich. Dieſes Ausfchreiben
en iſt dem jugendlichen Alter der hiſtoriſchen Kunſt
ürlich. Bow den EChroniften unferd Mittelalters
einmal reden. Aber auch die guten Florentiner
15. Jahrhunderts, die Franzoſen, Deutſchen
der im 16. und 17. tragen nicht das mindeſte
as fie nicht ſelbſt erlebt oder geſehen haben, maſ⸗
beinahe unverändert aus Fremden zu entlehnen.
e ſich nur an die Thuanus und Khevenhüller.
auch die Epiker die beſten Leiſtungen ihrer Vor⸗
Weiteres als Gemeingut zu benutzen pflegen. —
doch Herodot kaum anders mit dem Hekatäos.
dilpferde, von der Krokodiljagd, vom Phönix
iſt mit wenig Zuſätzen und Ahkürzungen aus
33). Im Greifenalter der hiſtoriſchen Kunſt ſe⸗
verwandte Erſcheinung wiederkehren: nur wird
cpirt, im her. vorliegenden Periode mehr unyerho⸗
‚eben. | |
nee man fich den Thukydides: vol brennenden
ver Wahrheit ftrebend, überall umberreifend, wo
—
idern Gründen hat auch D. bereits erwiefen, daß Heros
kos fchwerlich gelefen hat: a. a. ©. ©. 127 ff.
71. 73.
yrios b. Kuseb. Pr. Ev. X, 3,
120 Wwyulyhdidet. Kap. 2.
er Belehrung hoffte, den Ereigniſſen des Kampfes nahe, viel⸗
leicht ſogar während bes ſyrakuſiſchen Krieges iu Italien an
weſend. Hier wäre ihm das Werk des Hegobot berborgen ge:
blieben? — Wir dürfen und die Lebhaftigkeit des damaligen
Bücherverkehrs nicht zu geringe denken, Aus Ariſtopha⸗
ned fieht man, wie allgemein verbreitet die Lectüre mar),
Durch Platon's Phädros iſt die wißbegierige Ungeduld be
kannt, mit welcher ſchon damals die Werke berühmter Auto⸗
zen erwartet wurden. Der Buchhandel des Hermodoros iſt ſprüch⸗
wörtlich geworden, und eine ziemlich große Wohlfeilheit der Bü⸗
cher läßt fi aus Platon's Apologie 2) folgen. Selbft übe
das Meer hin wurden Maſſen von Büchern gefendet 3). . Da
Iuftige Aufteitt mit dem Geſetzhändler in Ariſtophanes Vö—
geln d Tann zum Beweiſe dienen, wie fehnell damals jeder
neue Volksbeſchluß zu Athen auf dem Wege des Buchhandels
in die zinspflichtigen Städte zu gelangen pflegte. — Hiermit
wäre denn Die Möglichkeit, daß Thukydides den Herodot gele⸗
ſen hätte, wie ich meine, ſicher geſtellt.
Aber D. führt noch einige Stellen des Thukydides auf,
welche faetiſch von einem Nichtkennen des Hero dot zeu⸗
gen ſollen. Was find das fir Stellen? — Diejenigen, die
er S. 221, Note 7%. beibringt, laufen ſämmtlich nur darauf
hinaus, daß Thufydides hier und da, wo er aus dem Here
Bot eine beiläufige, für feinen Zweck durchaus entbehrliche
Notiz hätte anwenden Fönnen, dieß nicht getban hat, Das
für bedenke man aber doch, wie ſtrenge fich Thukydides auf
den eigentfiäften 1 und nächften Gegenftand feines Werkes zu
1) Fröſche 1114 ff.
2) p. 26.
3) Xenoph. Anab. VII, 5, 11. Bol. Krüger Epikrit. Rad:
trag, ©. 37 fo.
6. 2. Herodot. 131
ſucht! Ganz dafjelbe muß ich auf Note. 68 erwi⸗
Wenn Thukydides und Herodot das Ende des Ari-
efchieden erzählen, fo möchte ich darum allein, weil
bier nur beiläufig, Herodot aber direct berichtet,
zrößere Glaubwürdigkeit des letztern annehmen !).
je nur den Tangebauernden Aufenthalt und die Fa⸗
dungen des Thukydides in der Gegend diefed Er⸗
wie leicht konnte er da befier unterrichtet fein. —
iller 2) führt noch als Beweis an, dag Thukydi⸗
delifche Erdbeben feiner Zeit für das erſte über
e. Herodot aber berichtet von einem frühern *).
e leicht konnte Thukydides, jelbit wenn er den Hero⸗
den hatte, eine einzelne Notiz deſſelben vergefien
Notiz zumal, die fire ihn, für feine freiere Anficht
Intereffe befaß! Ihm kommt es ohnehin, wenn
der erzählt, auf die Thatſache felbit nicht eben viel
en Eindruck beachtet ee, den es auf die Menſchen
d die Menfchen, von denen er ſpricht, — ſoviel
ıeht aus II, 8. hervor, — haben das zweite Erd⸗
18 einzige gehalten. Es fragte fi auch nach, ob
tite Gröbeben zu den mancherlei Fabulosis Der
zu rechnen, und eben vom Thukydides ſtillſchwei⸗
fen wäre. — Man könnte noch einige Stellen
Thukydides nimmt I, 18. die fileliotifchen Ty⸗
wenn er behauptet, alle Tyrannen feien Durch
zeftürzt worden. Bei Selinus aber, wie Herodot
derfelbe Fall 5). . Ehenfo hätte Thukydides, wenn
Dahlmann Note 70 thut.
r, Th. 11, ©. 102.
‚cd. VI, 98.
‚rd. V, 46.
BE... Thukgbibeh, Kap. 3.
fowohl, als für Die Barbaren 1), Er erkennt daraus
fen Zufammenhang und den noch wenig entwickelten
nalcharakter- der damaligen Sellenenwelt (I, 3.). A
ewig bei den alten Poeten wiederkehrenden Frage an Unbel
ob ſie auch keine Seeräuber ſeien, vermuthet er die Allgemeinh
Unbeſcholtenheit des Seeraubes (I, 9) ). Auch da vertraut
dem Dichter. an, tun deſſen Angabe van detaillirterer Art iſt,
Doch Im: Seringiten einen poetiſchen Charakter an ſich z
ger 3) V, O.). Wo der. Dichter von Zahlen redet, da |
er. Ihm wenigſtens, daß. bie: Wahrheit nicht größer geweſ
10: 44.) Er hält es Hier. auch am Tiebiten mit runden!
men: ſo nennt er 1200 Schiffe, : Die mit Agamengen-
Krofa gezögen felen, während Homer Doch, genau genon
nur 1166 zählt (I, 10.). Nur in Einem Punfte Bat ı
zu einer einen Willkür perleiten laſſen. In dem. home
Schiffskataloge nämlich wird allein bei den Bhotiern und
Philoktetes die Stärke der Mannfchaft erwähnt 2). 2%
des meint nun, ‚hiermit habe der Dichter das Maximun
das Minimum der Schiffebemanmung angeben mollen (I,
Er Hat damit wohl feinen eigenen, ftrenge berechnenden
rafter dem Poeten untergefchoben.
Sonft aber verſteht er in hohem Grade bie Kunſt,
Dichter gleichſam zu ſuppliren; in. dieſer vielleicht an $
gedacht bat, ihm nachzumeifen, daB er daran hätte d
müffen. Daß die Hellenen z. B. gleich bei der Lan
vor Troja eine Schlacht gewonnen, davon erzählt Home
fein Wort; Thukydides aber zeigt, wie die Verſchanzu
nn nn nn
1) Hier ift Thukydides wohl etwas flüchtig geweſen; Il. £
fommen allerdings Pagßapopwvor vor.
2) Bel. noch I, 13. III, 104.
3) Bol. SI. 4, 612.
1) Il. 4, 510. 719,
Inſchriften. $. 3. Mandliche Ueberlieferung 425
zelernt hatte, ohne nach Geſchichte zu ſchreiben.
‚ welche Thukydides im Ganzen wenig berück⸗
. Er kann auch non den Inſchriften eben dar⸗
gen Gewinn ziehen: Ganz auders war ed. bei
hen, felbit noch bei Herodot geweſen; wurde es
sei den Schülern des Iſokrates und bei den Ver⸗
ithiden. Dei dieſen Autoren war die: Inſchriften⸗
tgegenftand. Philochoros arbeitete ein förmliches
attiſchen Snferiptionen aus. — . Mit melden
ns Thukydides folche Quellen zu permeiden fuche
ir am deutlichſten aus dem berühmten Widerſpru⸗
» manche Epigramme des Simonides mit der Ge
erodnt ſtehen. Wer etwa noch zweifeln könnte,
cht zu geben ſei, vielleicht durch Plutarch verlei⸗
enke nur, daß die bekannte Inſchrift des Pauſa⸗
ills von Simonides iſt verfaßt worden.
8. 3. |
Mündliche Ueberlieferung.
ms erzählt (20 fg.), . mit welchen Unkoſten
es die Berichte der- Augenzeugen ertauft habe.
tangelhaftigfeit folcher Berichte iſt Thukydides
r als verblendet (VII, 44.). Daher werden im⸗
iv den sieilifchen Krieg (1. 1.), die Angaben bei-
als Quelle benußt. Die widerſprechenden Aus-
ht er mit einander (I, 22.), und. wo ex feine
hen kann, da führt ex fie beide an, um menig-
imlichkeit des Thukydides, Die zuerſt genannte
Meinungen in der Regel für diejenige hal
.I, 132. j
5.4.
124 Thukydides. Kap. 2.
ten, welche dem Verfaſſer am glaubwürdigſten erſchien 1).
Die Höchfte Behutſamkeit wendet er an, wo · Parteimänner
von den Motiven ihrer Geguer urtheilen (VIII, M.). — Wo
durch andere Gründe eine entſchiedene Gewißheit verhindert
wird, da giebt er dieß allemal ofſen zu erkennen. So ſchweigt
er z. B. von der Stärke des argiviſchen Bundesheeres (vor
Mantinea): weil er. die Prahlerei feiner Landsleute In vater
ländiſchen Dingen würdigt (V, 68.). Nicht viel anders iſt
es, wenn von der Zahl der thrakiſchen Streitkräfte nur os
Akyeraı berichtet wird (MI, 98.): den Barbaren. kann man
hierüber niemals traum. Auch die Stärke neb Takeddmonts
ſchen Heeres wagt er nicht genau zu beſtimmen,Wweil über
haupt die ‚Staatöverwaltung der Lakedämonier verborgen zu
fein pflege (V, 68. 74.). Hier waren nämlich dieſelben Urſa⸗
Gen wirkſam, die in unferer Zeit die Politik der ſ. g. com
fervativen Mächte mit Dunkel umbüllen 2). — So erzählt
er bon Archidamos Planen bei dem Angriffe auf Acharnä (I,
%.), ſo von den Roheſſern in Aetolien (III, 94.) nur os
Aeyeraı 3). Am Häufigften kommt diefe Claufel im achten
Buche vor, bei deſſen Ausarbeitung er vom Tode überraſcht
mirde 4. — Er entfchulbigt ſich ferner bei der vorletzten
Aidellage d der Athener vor Syvalus , wegen der * Unfigeei
y Sn II, 5. iſt dieß Ziemlich direct zu erweiſen. Die Chebaner
würden nicht fo- ſtill abgezogen fein, wenn ihnen nicht etwas verſprochen
wäre. — Hiernach würde VI, 60. ein günſtiges Zeugniß für die Glaub⸗
würdigkeit des Andokides ablegen (De myst.). Doc, hätte dem Thuky⸗
dides zufolge Andokides fich ſelbſt mit unter den Hermokopiden angeges
ben, was ber Redner, freilich aus nahe liegenden Grunden, hartnãckig
leugnet.
2) Bgl. namentlich V, 54.
3) Bgl. II, 48.
*) Man ſieht daraus, wie langſam er fein Urtheil abſchloß. 3.8.
56. 64. 87. 9. Hier und da fteht indeffen auch/ —— wo er nicht
eben zweifelt: II, 77.
$. 8. Famillentradition. 4125
‚red, worin fie erfolgt fel, Tönne auch der Bes
icher ausfallen (VII, 44.) Sm foldhen Fällen
allzu tief in's Detail zu geben. Da läßt er
weder nur auf ungefähre Angaben ein (V, 68.) ;
eine anöführlichere Daritellung nöthig findet, da
: Tosaven xal Or .iyyuvrara votre Lyevero (V,
Scheint ihm eine Angabe geradezu unglaublich,
doch Mittel Hat, fie zu berichtigen, fo verſchweigt
janz (III, 113.). Mit befonderee Vorſicht vers
allgemeineren Behauptungen, Wenn. er z. B.
jerung von Platäa dad große Feuer, welches Die
zue Einnahme der Stadt anzündeten, das größte
welches bis dahin gebrannt habe, fo fügt ex
ich befchränfend Hinzu, das größte von Menſchen⸗
auf Dergen freilich feien mitunter wohl von felbft
jere Brände vorgefommen (I, 77: vgl. VI,
frühere Vergangenheit benutzt Thukydides auch
n= und Stammestradition. So iſt a VI,
rch die Uecberlieferungen feiner eigenen Familie
rhältnifien des Peiſiſtratidenhauſes unterrichtet,
icht ex von der ficherftien Tradition der Pelopon⸗
— $Hier Tam es natürlich vor Allen Darauf
zfte Kritik zu handhaben, So will er im eriten
dag nicht Hipparchos, wie man glaubte, ſon⸗
Erſtgeborner und Nachfolger des Peiſiſtratos ges
ya beweiſet er num zuerft durch Inſchriften, daß
i Söhnen des Peiſiſtratos Hippiad allein Kinder
dieß lafje feine Erſtgeburt vermuthen. Sodann
denfelben Snchriften fein Name unmittelbar ne⸗
Baterd. Endlich fei es unmahrfcheinlih, daß
Sohn nah dem gewaltfamen Tode des Al
und fchnell die Regierung hätte übernehmen kön⸗
BE Khufybioed.:: ‚Rap. -2..:
nen 1)2. Zugleich aber: flihlt Thukydides, daß man nie genug
Hat an der bloßen Widerlegung eines Irrthumes. "Darum
erklärt er, wie derſelbe hatte entſtehen können: indem nämlich
Die Volksſage die Schickſale verſchiedener Menſchen, wenn fie
überall nur verbunden ſind, gern auf dasjenige Haupt zuſam⸗
menträgt, wofür fie ſchen aus andern Gründen das meiſte
Intereſſe hat.
Man ſieht, Thukydides wußte. auch seine eigenen Eonjetturen
wohl im Zaume zu halten. So kommt & ihn in der Vor⸗
vede u. A. darauf an, die Geringfügigkeit aller finanziellen
nnd milltäriichen Kräfte der frühern Zeit gegen feine Gegen⸗
wart hervorzuheben. Nun: war Mykenä in Agamemnon's
Zeitalter die mächtigſte Herrſcherſtadt geweſen. Unter den je
Bigen. Städten aber, mie Klein war fie dal’ Thnukydides in⸗
deſſen verſchmähet ganz ausdrücklich, von dieſem nahegelegenen
Umſtande für ſeine Beweisführung Gebrauch zu machen (I,
10.). — Wo er fein eigenes Urtheil ausſpricht, ohne doch
völlig gewiß zu fein, da führt er das abweichende daneben
an C 138. * II, 93.).
8. 4.
Thukydides angebliche Widerlegungsſucht.
Nichts iſt für den wiſſenſchaftlichen Mann natürlicher,
als den Irrthum, wo er ihn findet, vertilgen zu wollen.
Man hat dieß aber beim Thukydides ſehr übertrieben voraus
geſetzt, wenn man die lange Epiſode der Peiſiſtratidengeſchichte
(VI, 54-89.) durch einen ſolchen kritiſchen Eifer entſchuldi⸗
gen: wollte. Ohnedieß eine ſehr wohlfeile Erklärung! — Auf
kleinere Bemerkungen iſt ſie jedoch allerdings anzuwenden.
1) "Vol. übrigens Meursius Pisistratus, c. 11 , ber die Gründe
des Thukydides zu wiberlegen ſucht — bem platonifchen Hipparchos zu
: Gefallen!
2) Bgl. Schol. Arist. Equitt. 84.
Thukydides angebliche Widerlegungsſucht. 127
N. die wiederholte Angabe von Hippias Erſt⸗
VI, 54.) gewiß nur von der weiten Verbrei⸗
rrthumes ber. Wenn bei Erwähnung des thras
ausdrücklich gejagt wird, er hänge nicht zu⸗
ent mythiſchen Tereus, jo wird das gegen hiſto⸗
tſchwätzer gerichtet fein, die in Der Zeit, wo
Bündniß abgefchloffen wurde, auch eine mythi⸗
Ichaft der beiden Contrahenten nachweiſen moch⸗
). Schlechte Cauſalerklärungen, die das Bolt
ichte, um fich nebenher tiber das Unglüd der
tröſten, fertigt er jchr kurz ab (II, 57.). Von
mepifode werde ich tiefer unten (Kap.12. 8.3.)
auch Solche im Auge hat, welche den Abfall
und deſſen Folgen zu hoch ſchätzten. Umge—
D. gegen die Komiker und andere Räſonneurs
he die Streitigkeiten mit Megara für zu gering
ag ihretwegen Perikles hätte Krieg anfangen
Schr Häufig führt Thufgdides an, wie wenig
ſemein verbreitete Erwartungen .de8 Publicums
ibe (IV, 108. VII, 57. VID, 2. 24.): bier
ter wehmüthigen Ironie über die Leichtglaubi-
). „Die Meijten netheilen mehr nach dunfeln
h wohl gegen die Pandionis des Philokles, wie
fuht: Leben des Sophokles ©. 162 ff. Dal. Ari=
46. Unberufene Etymologen wiefen vielleicht auf die
amen Zered und Zereus hin. Ueber die Verwandts
denoph. Anab. VII, 2, 31. 3, 39. Auch Iſokra—⸗
hält das Volt des Eumolpos für identifd) mit den
iern. Durch den Sieg der Athener fei ihr Landgebiet,
ttika gegränzt, auf das neuere Thrakien beſchränkt
‘ V, 75 mit 82 und VI und VIII passim. —
t das beiläufige Widerlegen von Irrthümern fei-
Yifhen Natur gemäß viel häufiger: fo z. 3. I,
‚428 - X hußgbived. Kap. 2.
Wänfchen, als nach Heller Einfichtz fie, pfiegen ihre Schlüſſe
nach ihren Hoffnungen einzmichten! ” (TV, 108.) 1).
Das fpätere Alterthum bat die. Glaubwürdigkeit des Thu⸗
kydides zu jeder Zeit fehr Hoch geſtellt. Plutarch ſowohl, als
Cornelius Nepos Halten fich Im Zweifel immer an Thukydi⸗
des. Die Differenzen, die zwilchen Diodor's Geſchichte und
Thukydides obmalten, find: fait ohne Ausnahme aus der Prahl⸗
fucht, oder Parteilichkeit, oder Kleinlichkeit der diodorifchen
Quellen zu erklären. Mitunter find fie augenfcheinlich bloße
Autofchediasmata des Diodoros ?). Nur Joſephus behauptet,
Thukydides fei von Einigen vieler Lügen geziehen. Cicero
Dagegen preiſet ihn, als einen sincerus rerum gestarum
pronuneiator 3).
2) gl. I, 20. |
2) So 3. B. bei ber Geſchichte von der Ueberrumpeluhg Platäas.
9) Brut. 83. Bol. Poppo’s Prolegg. in Thucydidem I, 1.
Drities Kapitel
agenkeitif deö Aburvdides.
8. 1.
Vorbereitung auf Späth.
v’8 Nachfolgern war das Epos verfallen.
ichgewicht zwiſchen Erzählung von Begebens
hilderung von Verhältniſſen, zwiſchen Ue⸗
Schöpfung, zwiſchen Inhalt und Form wat
en. Immer mehr überwog das erſtere Ele⸗
ausſchließlicher wurde hingeſtrebt nach genealo⸗
t,.. nach enkykliſcher Vollſtändigkeit und ſyſte⸗
amenhange. Die freie Kunſt nahm ihre Zu⸗
blühenden Lyrik. Um dieſelbe Zeit, wo ſich
Dichtung in die Anfänge der Speculation auf⸗
eigentliche Epos in die Logographie über. Es
o auch die Bildſäulen der Athleten, die In⸗
ihgeſchenke der. mündlichen Ueherliferung als
ienen anfingen.
graphie iſt nicht allein aus dein ewachen⸗
der hiſtoriſchen Wiſſenſchaft/ ſondern ebenſa
zen religibfen Bewegung zu erklären die im
erte vor ſich ging. Wie man damals die Hames
9
4142 | Thukydides. Kap. I. - '--
Hellanikos, Hat ſchon ficherere Data: er rechnet: nach
Herapriefterinnen von Argos 2), nach den karneiſchen wi
olgmpifchen Siegern. Doch auch Hiervon liegt der Anfang ii
der vorhiftorifchen Zeit. Herodot datirt von feiner Zeit we
Allgemeinen zurück; Thukydides, noch einen Schritt mes
ter gehend, von dem Oegenftande feines Werkes, vorn Dem
Ende des peloponnefifchen Krieges 2). Die Spätern ſeit Ephe⸗
208 nahmen die alte Methode wieder auf, von einem mythi⸗
fhen, ſchwer zu firivenden Anfangspunkte anözugehen. — }
Dei alle dem ift Thukydides auf das Sorgfamfte bemüht, |
auch mit den übrigen Anfängen der Chronologie die feinige
in Correſpondenz zu fegen. Die Olympiadenfieger führt a
jedes Mal an, wenn feine Erzählung ſchon aus andern Urſa⸗
hen nach Olympia gelangt (TII, 8. V, 49.). Die argeifchen
Priefterhmen (IE, 2. IV, 133.) merden dazu beſtimmt fein,
ihn mit Hellanikos in Zufammenhang zu ‚bringen. Sf
wirft er dieſem jedoch chronologifchen Leichtfinn vor, den e
ſelbſt wielfach berichtigen müſſe (I, 97.). Die große Gens
igleit, womit Thukydides jede Sonnen und Mondfinſter⸗
niß 3), jeden Ausbruch des Aetna (II, 116.) u. ſ. w. m
merft, mag zum Theil auf chronologifchen Abfichten beruhen.
Dei Kenophon wenigſtens find Abfichten dieſer Art unzweifel
1) Schon früher hatten Hippys und Theagenes von Rhegion Vers.
zeichniffe der argeifchen Priefterinnen und der filyonifchen Priefter anges
fertigt (Heyne z. Apollod. p. 924. Comment. Gott. XIV, p. 136.)
2) Bon den Frühern hatte nur Zanthos von Lydien etwas Aehnlis
ches gethan: er hatte von dem Zuge des Xerxes zurück gerechnet. Ueber
haupt ein merkwürdiger Mann und feinen hellenifchen Beitgenoffen —
er felbft war ein Lydier — in mehr als einer Hinficht voranges
fchritten.
3) gl. Heyse De eclipsibus apud Thucydidem. Col. Agr.
1834.
j. 1. Vorbereitung auf Thukydides. 151
in der Gegenwart kennen gelemt. Alſo dort
der hiſtoriſchen, Hier ein Pragmatifiren ber my⸗
- Hieran knüpfen ſich demn ˖auch die erſten
itik. Die Dichter nämlich, wenn ſie im eige⸗
Rim Vaterlande umher große Ideen fanden,
hnlichen Ideen auch die Mythe verändern zu
yon Stefihorod. Die Hiſtoriker dagegen, de⸗
doch Manches darbot, was in der Gegeywart
ich fehlen, verfuchten ſchon Hier und da, folche
hfeiten“ auszuftogen. So namentlich Heka⸗
meplichen Wortfchritt macht aber Herodot.
‚, welcher die Sagenzeit nur beiläufig behau⸗
ikt fich im Ganzen auf das Ichte Jahrhundert
n der mythiſchen Periode ziemlich ſtrenge zu
Und mit beneidenäwerther Kunft hat er auch
underte noch der erften Hälfte eine von der
verfchiedene Farbe gegeben... Seine Sagen
mf eine Vergleihung der verfchledenen Völ⸗
ichung wieder auf feine unbefangene Toleranz,
alle Religionen im Wefentlichen identiſch und
heiten, 2 |
vr Unglaube war feit den Perferfricgen
Er Hatte ſchon im Herakleitos gegen das
im Hefatänd hier und da die Mythe auf
; in den Eleaten fie als unmoralifch beſtrit⸗
ıchte Anaxagoras, fie allegorifch zu deuten;
III, 122. I, 5 fo. I, 154.
dren auch die zahllofen Parodien mythifcher Stoffe,
mödie lieferte. Epicharmos und Krated gingen ge=
Parodien aus: aber auch bei Ariflophanes ift die
ygäos, die Höllenfahrt des Dionyfo® doch nichts
arodie der Bellerophonds und Heraklesſage.
9 *
Viertes Kapitel.
Reden ded Thukydides.
e
uf welche Art ſich Thukydides feines Stoffe bemäd
hatte, iſt nun gezeigt worden. Es war ein reicher V
von äußerlichen Thatſachen, den er jetzo beſaß, d. h. vw
ſolchen Thatſachen, die in's Auge oder in's Ohr fallen:
Volksverſammlungen und Rathsſchlüſſe, Belagerungen wg
Schlachten. in hiſtoriſcher Handwerker würde dieſe Notiyng
geordnet und publicirt haben. Nicht fo der Künftler, m
Innern feines Kopfes begann erft nun die Zerfehung mb,
Alfimilivung jenes Stoffes, welche deſſen Umwandlung in
ein Kunftwerf, ein dem Thukydides eigenthümliches Kunſtweck
vorbereiten ſollte. Denn eine protofollarifche Abſchrift
Begebenheiten iſt Feine Geſchichte, ebenſo wenig, wie eine
Zodtenmasfe ein Porträt iſt.
Zwei Arbeiten Liegen hier nun dem Hiſtoriker vornchuilh
ob. Zuerſt nämlich ſoll er. von den äußerlichen Thatſachen
her in das Innere vordringen. Dieſes Innere wird in um
ſern Tagen vielfach mit dem Namen hiſtoriſcher Ideen oder
Prineipien bezeichnet. Dei der Mehrzahl verbirgt fich unter
dieſem Namen etwas Speculatived, alſo Unhiftorifches, eder
2. Kritiſche Grunbfäße des Thukydides. 133
in die graueſte Borzeit eingedrungen zu ſein
ten die Leſer des Thukydides erſtaunen, wenn
ften Kapitel fanden, die Begebenheiten der äl⸗
enheit ſeien weder im Kriege, noch fonfl- eben
fen! War e8 wohl unnatürlich, daß fie. einen
3uoßaoos nannten, der ihnen daB Altefte Gries
uf derfelben Stufe mit den mngebeiten: Barba⸗
7 — Thukydides nimmt eine. echt hiſtoriſche
hen den Gegenſätzen des Zeitalters. In dem
hume der Hellenen ſieht er weder Die. goͤldene
ilteren Dichter, noch den thieriſchen Naturſtaud
des Kritias und des ECuripides. Nach feinen:
ı diefelben Gegenſätze. Nicht allein Platon
(dene Alter, fondern Theopompos fogar, der
vend fein Lehrer Iſokrates mit nüchternem Prag-
Naturſtand ausmalt.
zerhältniſſen der mythiſchen Zeit, welche die
Dichterwerken herausforſchen könne, rechnet
vornehmlich diejenigen, welche dem Dichter
inen, daß er ſie ald bekannt, als ſich von
vorandfegen möchte ). So findet er z. B.,
708 ein Gollestioname fehlt für die Hellenen
eWTazoy oxoroöre. . Poppo will dieß mit bem
e Gründlichkeit der. Forſchung bezogen wiflen (heil
, 1, 35. — Uebrigens follte ſchon Perikles feinen
iber den des Agamemnon gegen Sea seſteut haben:
ricles 28.
uzer Die hiſtoriſche Kunſt der Griechen, S. 264. —
nutzen wir für unſer Mittelalter bie Urkunden: auch
: echt find, erzählen unabſicht lich von den Verhält⸗
ſie entſtanden.
—
146 Thukydides. Kap. 4.
er muß Faden bilden, an die er gruppenweiſe die Beg
heiten anreihet. Solche Stufen jedoch, ſolche Faden
Gruppen giebt es in der Wirklichkeit nicht: ſie müſſen
dem Kopfe des Hiſtorikers hiuzukommen.
Aus dieſen zwei Geſichtspunkten ſoll die Arbeit des
kydides. jetzo betrachtet werden. Der Leſer verzeihe,
die Unterſuchung erſt am Schluſſe des ganzen Werkes x
zu Ende kommt. Sch werde für einige Ruheplätze inzwi
ſorgen. |
8.1.
Menge der thukydideiſchen Reben.
Was fich hier nun zuerft darbietet, das find die 9
des Thukydides. Sie feheinen den Verfaſſer felbft wichti;
mug, ihrer in der Vorrede zu gedenken (I, 22... Scan
bloßen Quantität nach bilden fie einen überaus bedeute
Theil feines Buches: von etwa 900 Kapiteln beſtehen
180, alſo mehr ald ein Yünftel, in direeten,, fürmlichen
den. Trogus Pompejus foll dieſe häufige Einflechtung
Reden gemißbilligt Haben: für feine Zeit freilich und für
nen Gegenftand wäre dergleichen nicht mehr angebracht
weſen!
In Thukydides Zeit aber fällt die erſte Periode der
tiſcheu Staatsberedtſamkeit, als deren Meiſter
kles und Antiphon, weiterhin auch Alkibiades, Kritias
Theramenes geprieſen werden. Perikles bat mm felten
dem Volke geredet, immer nur bei den mwichtigiten Wera
fungn 1). Daß er keine feiner Reden fehriftlich Hinter!
Hat, iſt ein genügender Beweis, wie fie ganz ohne Ei
nur auf den praktiſchen Erfolg berechnet waren. Unge
diefer Individualiſirung für den einzelnen Yal, mußte |
: 5) Plut. Pericl. 7.
2. Kritiſche Grundfäge des Thukydides. 4135
fpricht, . einen folgen Sieg nothwendig voraus⸗
. Ebenfo wid. die Secherrfchaft bei Agamem⸗
Yireet erwähnt. Thukydides aber erimmert Daran,
ch Homer's Berichte nicht. allein felbft die mei⸗
anannt, ſondern auch bie binnenländiſchen Arka⸗
fien verſehen. Anderswo heiße er Beherrſcher
die nahe beim Peloponnes gelegenen konnten
fein, weil deren nur wenige wären. Ferne In⸗
a ſich ohne Seemacht nicht beherrſchen (I, 9.).
erfreulich ſcheint es dem Thukydides geweſen zu
rſchiedene Sagen ſich gegenſeitig controliren und
. So wird die. Sage: von der attiſchen Autos
die andere unterflügt, Daß Athen der Zufluchts⸗
mythiſchen Verbannten geweſen. . Dazu führt
ch Die geriuge Fruchtbarkeit des attiſchen Bo⸗
aus allen drei Vorderfäten endlich den Schluß
tika ſei in der älteften Zeit von Raubzügen und
minder berührt worden, als feine Nachbaren
den mythiſchen Reichthum der Korintbier glaubt
: nicht eher auf's Wort, ehe er nicht die ſtaats⸗
Erklärung beffelben gefunden Hat (I, 10.). —
jeht er überall da, wo er fih auf noch vorhan⸗
Jerhältniſſe berufen kann 2); auch wo der Name
t auf ihre frühern Bewohner Hindeutet (II, 90.).
u. A. die älteften Heiligthümer von Athen in
kropolis vereinigt: Die Akropolis felbit wird im
: fehlehthin Die Stadt genannt. Hieraus bes
die Sage, daß erſt Thefens die frühern, Dorfs
Gemeinden in eine Hauptftadt zuſanmengezo⸗
15.). Das hohe-Alter jener Heiligthümer wird
ch gewiß, daß er fie in derſelben Art: bei den
5. 6. 7. 8 10. 11, 99.
156. Rh Rap. 8,
Soniern wieder antrifft. &8 iſt bekannt, mit welchem glän⸗
zenden Erfolge K. D. Müller dieſen letzten Schluß - weiter
angewandt: hat. — Von den Wanderungen der: Wölkreſcheint
er beſonderß unterrichtet zu ſein: hier: „Hat: en chrouologiſche
Angaben. (1; 18.), hier auch Berichtiganigen ber eigenen. Wolfe:
tradition (VL, 2): leider :oßne ſich auf feine Graͤndeiitieſer
einzulaſſen. — An einer einzigen Stelle führt et die Sage
vom. Alkmãon. an, um feine naturhiſtoriſche VWermuthung über
den Urfprumg der öͤniadiſchen Inſeln zu. unterſtützen (I102.).
Man beachte zum Schluß noch die große Ciufa heit
der Form, in welcher feine. Sagenkritik erſcheint. Hier iſt
Nichts won den weitſchweifigen, aus ber Ferne geholten Com⸗
binationen, mit. welchen Ephoros: zu: glänzen ſuchteEin ein⸗
faches enusov dd, .zerpmouon da: eitet zu den. einfſachſten/ aber
| überlegteſen Boreirluden Brian a
u A
Scheinbare Ausnahmen. j |
Mit großer Beſtimmtheit ſetzt ſi ch Zhukydides einer tief⸗
gewurzelten Meinung entgegen, welche das barbariſche Thra⸗
kien von dem liederreichen Lande des Tereus nicht zu unter⸗
ſcheiden wußte (II, 29.). Andrerſeits aber warnt er wieder
vor zu großer Zweifelſucht (1) 10.). So berührt er Homer,
Deulalion und Hellen (I, 3.), Tereus und. Pandion (Il,
29.), Pelops und Agamemnon (I, P:), ſelbſt den ſikeliſchen
Italos (VI, 2.) als wirkliche Perſanen. Den troiſchen Krieg
hält er keinesweges bloß im Allgemeinen für eine geſchichtliche
Thaiſache, ſondern er ſpricht von den Verſchanzungen der
Griechen, von ihrer Zufuhr, von der zehnjährigen Dauer des
Krieges, ohne daran zu zweifelt (I, 11.). — Hingegen bei
Minos eitirt er bloß die axuy „ und läßt die Gewißheit folgs
lich auf fih beruhen (I, 4.) Bei Odyſſeus Charybdisfahrt
$. 3. Scheinbare Ausnahmen. 153
bei Altmäon’8 Syerfülen ‘CHE, 102.) ſpuſchter
£, es gehe die Sage. : Mdber dier Urbewohner von
zeiſt er feine Lefer ganz allen" auf die Dichten:
r von Aytlopen md Aſwcegenen u mit
: eine Idee mm wg dviſſee Deſſchiedachen vs
Grunde liegen? — Die Bihutſamkein der thu⸗
agenteiut iſtſo groß, daß er auch da, wo ex
we ſeiner Quelle : nicht ausdrücklich hetwwothebt,
mehr daraus ſchoͤpft, als er aus der reinen Er⸗
m hätte. Bei Erwähnung des troiſchen Krieges
‚die niedrige Stufe nachweiſen, welche dab
er Hellenen damals Inne gehabt. : Miarhten nim
jenes Krieges immerhin erdichtet fein, : farwar
‚dag die Zeit des Dichters Leine hoͤhern Be⸗
mute. Sch will ein Belfpiel anführen. Thuky⸗
ie zehnjährige Dauer des Krleges ans: melche- der
weitere Abſicht, überall nur vorausſetzt. Er
aus dem Dichter ſelbſt: wegen Mangels. an
ein großer Theil des Heeres wit Beutemachen,
u müſſen beſchäftigt werden. Alles fol dazu
ringe kriegeriſche Ausbildung jener Zeiten darzu⸗
inz anders macht es aber der gleichzeitige Hellas
ſucht ein ganz ſpecielles, ſtark poetiſirtes Ereig⸗
nach den Natürlichkeitsbegriffen ſeines Zeital⸗
eiten. Der Kampf des Achilleus mit dem Fluß⸗
zu einer bloßen Ueberſchwemmung, durch Res
m da verurfacht, welche nun Die militärifchen
dert). — Auch bei den übrigen Stellen
1, daß die Nefultats des Thukydides Diefelben
auch Die Berfonen, die er auführt, wenn Hel—⸗
eideus. zur Il. 9, 35. 5
138 Khukydides. Rap. 3,
Ir, Homeros n. 9; fi. in Stämme und Geſchlechter auflt-
fur Daher teigt er denn auch keinerlei Bedenken, 3. B.
den: Öyinnendichter yon. Delos Homer zu nennen: ob er mit
dem, Sänger der Iliaß „identifch geweſen, das kümmert ben
Tyukydides hier nicht (III, 104.). — Nun achte man ſchlleß⸗
U auf die feine Abſtufumng des Ausdrucks. Für den Minos,
wie. gejagt, führt-et:nucdie_axon an: warum? . Zeil die
Secherrſchaft dieſes Königs, (von der nämlich. fpricht ex), fehon
mein mehr ein Factum, kein bloßes Vexhältniß iſt, welches
die/ Sage unabſichtlich vorausſetzte. Auch iſt der Hiſtoriker hier
wicht: fa. im Stande geweſen, durch anderweitige: Combinationen
Gewißheit zu geben. Aehnlich ſteht es mit. den Abenteuern
Re Odyſſeus und des Alkmäon. Thukydides glaubte gewiß nicht
daran, aber er nennt ſie, weil die Raturerſcheinungen umver
ägbert fortdauerten, welche dem Mythus Hier als Grundlage
gedient Hatten, Bei den. Nyllopen eudlich ‚und: Läſtrygonen
jällt guch dieſes weg.
Selbſt in dieſen Ausnahmen iſt es uͤbrigens dem Thukydides
niemals beigekommen, die Sage weiter. fortzubilden. Daß der
Name Zankle von Sichel. herrühre, war ſchon dem Hekatäos
bekannt. Was bedeutet nun aber dieſe Sichel? Natirlich
nichts Anderes, als die Sichel des Kronos, die dort verborgen
ſein muß 1). Dieſe Aushülfe iſt höchſt wahrſcheinlich eigene Erfin⸗
dung des ehrlichen Logographen 2). Thukydides hingegen leitet ben
Namen von der fichelförmigen Seftalt der Küfte ab (VI, 4.).
Ganz ähnliche Beifpiele bietet des Hellanikos Erklärung vom
Namen Italiens 3) dar, wenn man fie mit Thukydides VI, 2
1) Hekatäos fr. 43. Glauf.
2) Meil er nämlich an berfelben Stelle nody einen Gründer Ra:
mens Zankles und eine Quelle Zankle für die Erklärung des Stabtna:
mens beibringt.
%) Dionys. A. R. I, p. 38: vgl. Schol, Pal. zum Th. VL 2.
$. 4. Schlußbetrachtungen. 439
Während Thukydides Die Stadt. Gela von deut
18 ableitet (VI, 4.), erzählt Theopompos ahret
Geſchichtchen darüͤber. Ein Menſch habe die
ex Stadt fir unmöglich. gehalten, darüber gelacht,
ſem Lachen ſei der Name entſtanden 2).
8. 4.
Schlußbetrachtungen.
did es war ber erſte, zugleich aber auch PER ei
ve Geſchichtſchreiber, der, ohne Glauben an die Sage
veifel daran, das Sichere aus ihr für hiſtoriſche
mutzen wußte. Aehnlich macht e8 Sophokles,
tiſche Weiſe. Weder Angreifer, noch Verthei⸗
gthe, läßt auch er die Wahrheit des Ueberlieferten
, um dasjenige, was ihm zu Grunde liegt, fr
erke auözubenten. Der mythiſche Stoff dient ihm
als Hintergrund. Cr eutlehnt von der Sage
lenſtimmungen, welche fie ſchildert, umd die ide⸗
velche fle am ſich trägt. Daher macht er Perſo⸗
atigone, Elektra, die in der Sage nur eine Ne
1, zur s Hauptperſon, um in der ethiſchen Ent⸗
ch das Tradirte weniger: beſchränkt zu werden.
nun mit den Nebendingen ſchaltet, deſto treuer
Sauptideen feſt, die unbedingte Herrſchaft, bie
ſehung der Götter. Sophokles tritt hierdurch in
yition gegen’ feine Vorgänger, wie Thukydides.
it Bewußtſein thut, lehrt die Antigone, : das
‚des folgt hier dem befonnenen Antiochos (Dion. }. 1.).
Pal. Thuc. VI, 4. Die Erwähnung ber Phäaten 1,
der Scholiaft „aus der Geele ber Kerkyräer““: ass yag
'zb.
440 Zpulpbides. Kap. 3: -
fehhefte "feiner erhaltenen Stücke, welche das Hervorheben der
echiſchen Verarbeitung, das Saſchanenſtelen des mythiſchen
Stoſſes von alla: fophokleiſchen Gedichten am ſcharfſten
zeigtti). — Von Sofrates iſt bekannt,“ daß er ſich we
nigſtens dev allegoriſchen Sageudeutung entſchieben widerſehtte.
Ueber die buchſtäbliche Wahrheit der Mythe will auch er ſich
nicht äußern; aber auch er verſteht es, für feine eigenthüm⸗
lihen, ethifchen Zwecke davon Gewinn zu ziehen. Er be
teachtet fie vornehmlich‘ alß ein cchiſches Ermunterungsmittel,
einen; Spotn we Tapftxleit ). J——
„enonhon ha abet; Birnsifce — ans: feinen Wa-
gen: guögefchieden.: . Unter den. Nach fialgern des Thuky⸗
Did «8 aber geht die Sagenkritik den umgekehrten Gang, wie
unter feinen Vorläufern. Wie bei⸗ſenen das rein. mythiſche
Snterefie e ſtufenweiſe, abgenonmen hatke „.:p nahm. es bet dies
den ſtufenweiſe wieder us; Nach Epharga ſchnänkt ſich wenige
tions anf die Zeiten: dieſſeits der. Herallidemvanderung ein.
Aber Theopompos Erande) ſteigen in ‚wie, dunkelſte Vorwelt
hinauf, -zund, die · Atthidenlſtoratur nimmt; Die Sagenzeit ganz
direet wieder ppr. — Wie' aber die lehten Vorgänger des
Dyukydides, vor Allen Hellanikos, hauptſächlich nur diejeni⸗
gen Mythen beachtet hatten „Die zur Erklaärung noch vorhan⸗
dener Inſtitute, Feſte, Gerichtahbfe, Gehräuche, Weihge⸗
ſchenke dienen konnten, ‚je: thun es auch dieſe Nachfolger wie
Der. Doc finde. ih-fehpn bei den Atthiden: je ſpäter fie find,
deſto "größer wird der Raun, „den fie ‚mit der mythiſchen Ges
ſchichte ausfüſlen. Zugleich ‚bringt die ¶Concurrenz dieſer
Shriftiteller, von deuen Itder nach Neuem haſcht, eine Uns
zahl der fpecielliten und abstruſeſten Localſagen an's Licht.
Endlich kommen die Apollodore wieder mit Büchern hervor,
| "
N en
—X ) Pal. beſonders IN He. J J
2) Xenoph. Memor. III, 5, 9 590. en
nmerfung über die Chronologie des Thukydides. 144
iſchließlich, und um feiner ſelbſt willen, dad My⸗
delt wird. SDian erinnere ſich, daß um⸗ dieſelbe
ıgmatifche Gefchichte des Bolybiod. und Poſeido⸗
. sehe Literatur fängt mit. dem Wunderbarer: an;
Natürlichen fort, und ſchließt mit der Vereini⸗
chternen und Phantaſtiſchen.
Mitte dieſcs ſteiglaufes ſichen die zrei großen
F 5.
nerkung über die Chronologie des Thukydider. J
iterielle der thukydideiſchen Chronologie muß ich
Corſini und Clinton überlaſſen. Hier nur Ei⸗
den ſchriftſtelleriſchen Charakter des Thukydides
igeht.
echnung nach Winter und Sommer wird nicht
ie Natur des damaligen Kriegsweſens gerechtfer⸗
n auch dadurch, daß die bürgerlichen Jahre der
ellenifchen Staaten, insbeſondere das fpartanis
und das attiſche Archontenjahr, zu verſchiede⸗
fingen, Wo Thukydides daher den attiſchen
uchen muß, da giebt er das lakedämoniſche Das
IV, 118 fg. 1I, 2). Selbſt in der Zeit vor
n Kriege hat er nach Winter und Sommer ges
Die ältejten Logographen hatten nach Men
ihlt, von einem Anfangspunkte her, der in
nkel gehüllt war. Der ſpäteſte unter ihnen,
tand der Ackerfelder bot nicht ſelten ein Motiv zu
ngen: vgl. K. O. Müller Griech. Literaturgeſch. II,
2: vgl. Dodw eltl.1 p. 19 fg. — In Xenophon’s
efe Rechnung fofort auf.
. on. : — ran „fr .
"u sn 2 rn and “ . nt ‚) 4433 fr. - ı.
Viertes Kapitel.
Neden des Thukydides.
t
Auf welche Art ſich Thukydides feines Stoffes bemächtigt
hatte, iſt nun gezeigt worden. Es war ein reicher Vorrath
von äußerlichen Thatſachen, den er jetzo beſaß, d. h. von
ſolchen Thatſachen, die in's Auge oder in's Ohr fallen:
Volksverſammlungen und Raͤthsſchlüſſe, Belagerungen und
Schlachten. Ein hiſtoriſcher Handwerker würde dieſe Notizen
geordnet und publicirt Haben, Nicht fo der Künſtler. Im
Innern feines Kopfes begann erft nun die Zerſetzung umd
Alfimilirung jenes Stoffes, welche deſſen Umwandlung in
ein Kunftwerf, ein dem Thukydides eigenthümliches Kunſtwerk
vorbereiten follte. Denn eine protofolarifche ‚Abfchrift der
Begebenheiten ift Feine Gefchichte, ebenfo wenig , wie eine
Todtenmaske ein Borträt iſt.
Zwei Arbeiten liegen hier nun dem Hiſtoriker vornehmlich
ob. Zuerſt nämlich ſoll er von den äußerlichen Thatſachen
ber in das Innere vordringen. Dieſes Innere wird in um
ſern Tagen vielfach mit dem Namen hiſtoriſcher Ideen oder
Prineipien bezeichnet. Bei der Mehrzahl verbirgt ſich unter
dieſem Namen etwas Speculatives, alſo Unhiſtoriſches, oder
be (}
Aſſimllirung des gefchichtlichen Stoffes. 448
ser will, etwas Ueberhiſtoriſches. Aber freilich,
) echte, haben vortreffliche Hiftorifer daſſelbe
t. Dieſe haben darunter die geiftigen Bes
verftanden, d. 5. die Gedanken, die Entichlüffe
ngen, der Hauptperfonen und ihrer Anhänger,
jerlichen Thatfachen zu Grunde liegen. Dieſe
gründe, welche jeden Einzelnen für fi
er Dadurch zur hiſtoriſchen Bedeutung gelangen,
n gemein find, — dieſe Beweggründe were
) die unmittelbare Erfahrung kennen gelernt.
tifchen Männer reden fparfam von den Vor⸗
: Seele; wenn fie davon reden, fo. darf ed
m allerwenigften blindlings aufnehmen. Viel⸗
o einfach die Refultate fcheinen, eine fehr ver⸗
eit des Hiſtorikers nothwendig. Es wird dazu
ſeitigkeit des Geiſtes vorausgeſetzt, Daß er je⸗
e in ſeiner Geſchichte auftritt, nachdenken und
. Findet der Hiſtoriker nun äußere Thaten
x zu: In welcher Seelenſtimmung müßte ich
folche Thaten thun wollte )7 So erkennt ev
ungen die Seele des Handelnden. Aıevosiro
y£ouns , 000 yE and row novulvon nV Ei-
6.). Die große Anzahl folcher Combinatio⸗
de einzelne,
rn aber muß der Künftler aus dem ganzen
8 Stoffes das Wichtige von dem Unwichti⸗
Wichtigkeit aber iſt ein relativer Degriff, der
: des Werkes beitimmt wird. Er muß Abs
| zwifchen den Hauptfachen und Nebenfachen;
it Johannes Müller, find in den Büchern, ber
erzen und in ber Welt Lauf. Bol. die höchſt merk⸗
iebuhr's an den Grafen be Serre: Briefe Th. 3,
'8 Lehrjahre III, II.
10
446 hyhukydides. Kap. 4.
er muß Faden bilden, an die er gruppenweiſe die Be,
Heften anreihet. Solche Stufen jedoch, ſolche Faden
Gruppen giebt es in der Wirklichkeit nicht: fie mühe
dem Kopfe des Hiftorikerd hiuzukommen.
Aus diefen zwei Geſichtspunkten foll die Arbeit des
kydides. jetzo betrachtet werden. Der Leſer verzeihe,
die Unterſuchung erſt am Schluſſe des ganzen Werkes
zu Ende kommt. Sch werde für einige Ruheplätze inzı
ſorgen.
8.1. |
Menge ber thufydideifchen Reben.
Was ſich hier num zuerft darbietet, das find Die
des Thukydides. Sie fiheinen dem Verfaſſer ſelbſt wich
nug, ihrer in der Vorrede zu gedenken (I, 22.) Sch
bloßen Quantität nach bilden fie einen überaus bebaı
Theil feines Buches: von etwa 900 Kapiteln beſtehe
180, alfo mehr ald ein Fünftel, in direeten, fürmlich
den. Trogus Pompejus foll diefe häufige Einflechtun
Reden gemißbilligt Haben: für feine Zeit freilich und |
nen Gegenftand wäre dergleichen nicht mehr angebra
weſen!
Sn Thukydides Zeit aber fällt die erſte Periode t
tifheu Staatöberedtfamkeit, als deren Meifter
kles und Autiphon, weiterhin ach Alkibiades, Kritia
Theramenes geprieſen werden. Perikles hat mr felt
dem Volke geredet, immer nur bei den wichtigſten Ve
fungen 1). Daß er keine feiner Reden ſchriftlich Hint
bat, iſt ein genügender Beweis, wie fie ganz ohne €
nur auf den praftifchen Erfolg berechnet waren. Unc
diefer Individualiſirung für den einzelnen Kal, mußte
1) Plut. Pericl. 7.
. 1. Menge ber thukydideiſchen Neben. 147
er Worte auf die allgemeinften Grundſätze feiner
ie tiefiten Aufichten vom wmenfchlichen Leben übers
hen. Darin vornehmlich beruhet feine Majeftät,
Jeinamen ded Olympiers errungen bat. ohne
(ei, mußte er das Volk zu feiner eigenen Höhe
feine Worte, wie Eupoliß fpricht, ließen einen
in der Seele des Hörenden. Auch feine Äußere
e streng, immer groß und erhaben;z die Stimme
ch; die Gewänder niemald verwirrt Durch heftige
die Miene unverinderlich, nicmald zum Lächeln
Es war eine Deredtfamleit, Die fich zur demo⸗
n anderd verhalten mochte, als die Kunſt des
er des Lyſippos Bid auf die Laofoond= und
) herunter. That und Rede fanden damals im
Auch knüpfen fih ſchon die Anfänge der
es zu gehen pflegt, an die vollendete Praris
den erſten fieilifchen Sophijten 9) begann eine
n Ahetoriten, welche durch die beiten Red⸗
ven Jahrhunderts fortgefeht, durch Ariftoteles
1 wurde,
ıere Sich ferner, DaB auch das Drama der
felbe Zeit feine herrlichſte Blüthe trug, ja die
neige in Attila und Cicilien wenigitens fir
ricl. 5. Cicero De off. I, 30. Die Umwandlung
begann vornehmlidy mit Kleon: Plut. Niciag 8.
it 8. O. Müller in bie Zeiten ber gallifchen Invas
‚to Phaedr. p. 270. K. O. Müller Gef. ber
ih. 2, S. 304 ff. |
ngel’s treffender Bemerkung legten ſich bie ficili=
ıptfächlich auf die Schönheit der Rede, die bellenis
igleit: Artium scriptores p. 63.
10 *
148 Thukydldes. - Kap. 4.
eine Zeit lang beinahe verbrängt hatte. Hat doch ſchon
ton bemerkt, wie nahe die Rede -mit dem Drama verh
ſei 1y. Und in der That, wenn der äußerliche Unter
de8 Dramas von Lyrik md Epos vornehmlich darin be
dag in ihm alle Berfonen felbft Handeln, fo Tann die
fchichte durch Nichts dramatiſcher werden, als menn fie
Helden reden läßt. Wie gewaltig die fopbofleifchen €
“auf die ganze Compoſition des Herodot gewirkt Haben;
taufendfach ſich Renophon mit dem Curipides und der fp
Komddie berührt: muß ich einem andern Orte zu entw
vorbehalten. Thukydides bat vom Drama Nichts weiten
lehnt, als die Lebendigkeit und den Nedereichthum feiner’
ftellung 2). Wenn man ihm daher eine dramatifche U
nung im Einzelnen zufchreibt, eine Eintheilung in Acte
w., wie Ulriet verfucht hat): fo muß ich das für
von jenen äfthetifchen Spielereien halten, vor denen Ni
immer fo dringend warnte. — Selbft in den Geſpräche
Sophiften, woraus gar bald die fokratifche Lehrme
hervorging, iſt jene dramatifche Richtung des Zeitgeifte
merfbar. Daß bier übrigens etwas allgemein Hellen
zu Grunde liegt, Tann aus dem Homer gezeigt werden,
ſchon viel dramatifcher ift, viel mehr auf Selbitreden
Helden giebt, als die neuern Epiker.
Thukydides ftellt in der Negel zwei fürnliche Reden
ander gegenüber. An zwei Stellen nuferd Buches wird
fogar zum Dialoge: II, 112 fg. V, 85 ſſ. Wo er
oblike Reden halten läßt, iſt der Grund Immer de
2) Bgl. auch Ariftot. Poetik 23, 13.
2) Wie echt Hiftorifch es ift, dag Thukydides Zeine Rä
ments in Reden darlegt, alfo in draftifcher Form, nicht als Be
bung, ergiebt ſich aus einer weitern Verarbeitung der Hauptidee
Leffing’s Laokoon: XVLI.
9) Charakteriftil der alten Hiftoriographie, &. 311 ff.
.1. Menge ver thukydideiſchen Reden. 440
Es würde nämlich an manchen Orten, wenn
irect ſollte geredet werden, eine große Menge
thwendig ſein, eine ſolche Menge, daß ſie das
zrunde liegende Ereigniß völlig erdrücken müßte.
69. VI, 69. Daß im achten Buche gar keine
vorkommen, iſt aus der mangelnden Vollendung
klären, indem der Tod den Hiſtoriker bei ſeiner
hte 1). Es wird und tiefer unten auch aus ans
wahrſcheinlich werden, daß die Reden erſt bei
e ihre heutige Geſtalt erhielten. — Wo ſonſt
den ſtehen, da will der Hiſtoriker den Inhalt
ie Begebenheit, die fie berühren,.. mehr zurück⸗
Dieß ift ein Hauptmittel zu jener beiuundes
Abltufung des Colorits, welche dem Thufydiz
Sn feiner Einleitung 3. B. kommen Reden
3 vor: alle oblik, meil fie gehen nur zur Ein⸗
. Sm Werke ſelbſt pflegt Thukydides Die bes
rakteriſtik feiner Helden zu vermeiden: fie müſ⸗
charakteriſiren, und zwar Durch ihre Reden.
gt die Einleinmg das s entgeaengeiihie Verahren
. 2.
er das Verhältniß der chuthdideiſchen Reben: zu ben ‚
wirklich gehaltenen 2).
dides Die wirklich ghaunen na ago
.11. Br 3 Fi PF
8 erzährt feeitie, „ bie vielen Reben häften keinen ‚Beis
d aus diefem Grunde fehlten fie im legten Buche. Ein
des Zhukydides, der ſolche Gründe ausheden konnte!
ud. de Thuc. p. 846 sg. K. W. Krüger ſucht
ſes Irrthumes auf den Dionyfiod zu wälzen: Com-
rdidis historiarum parte posir. p. 258 sqd-,
- Heimann De ’Thucydidis orationibus (Berl. 1833.).
450 dhurydides. Kap. 4.
treu wiedergeben wollen?. Dieß iſt Die erſte Frage. — Sie
muß aber, obgleich der Scholiaſt (I, 22.) fie bejahet, ſchon
ans innern Gründen verneint werden. K. O. Mül—⸗
ler hat bereits erkannt, daß die Reden oft In Brziehung zu
einander ſtehen, Die nicht: wirklich. Statt gefunden haben.
Die Rede der Korinthier (I, 120: ff.) antwortet gewiſſermaßen
auf die des Archidamos in der ſpartaniſchen Volksverſamm⸗
fing und-auf die des Perikles zu Athen, obſchon wie Korin⸗
thier feine- Bon beiden gehört hatten 1). Wie hätten wohl im
ber Wirtlichtett die Kerhyräer, als fie Die Bundesgenoſſen
von Arien: zu werden begehrien, ‚so ansführlich von ihrer bib⸗
horigen Heutralität geredet; und daß Athen? ihmen. darum
Nichts, dar Nichts verdanke E, 2R) 7 Niemals durften fer⸗
ner bie Athener, da fie den Frieden noch zu erhalten wunſch⸗
ten/ mitt ſolcherRückſichtsloſigkeit das Recht des Stärkern
predigen, wie 1,76. Waren fie doch ſonſt inmier init Nechts⸗
bexweiſen verfehen, wie ab ML; PL.- exhellet. - Vlelmehr be
merkt Thukydides ausdrücklich, der wahre Grund des Krieges,
vie wachfende Macht von Athen, ſei: in den Reden vorher am
wenigſten etſchienen (H, 23.)E Bei'den Reden aber, wie a
fie im erſten Buche giebt, ift das doch wahrlich nicht der
Ball! — Die Politik des Königs Archidamos war Haupt
fächlich darauf berechnet, Zwietracht in Athen ſelbſt anzuftiften
(II, 20.): feine Rede aber, ‚worin er Die Mlittel des Krieges
doch fo ausführlich erörtert, weiß Nichts davon. Wenn ende
lich Perikles in der Leichenrede welche die Herrlichkeit der
perikleifchen Zeiten ſchildert; in die Mage audbricht, daß ed
ſo ſchwer ſei, mit dieſer Schilderung allſeitigen Glauben zu
finden El, 33.) ſo hat das in Perikles Munde kaum Sinn,
Der Berlafſer hat mancherlei bemerkt, aber ohne daraus mittelſt glüds
licher Combination Reſultate zu gewinnen. Er iſt ſich ſelbſt nicht klar
geworden, daher auch im Ausdrucke höchft ungenau und vag.
1) iteraturgeſchichte 4,357. - =.
”
J. 2. Verhaͤltniß ver thukyd. Reden zu. ven wirklich gehaltenen, 454
nei ja feine wirklichen Zuhörer jene Herrlichkeit vor Augen
ſahen, perfünlich daran Theil nahmen 1).
- 7 Zum Glück aber haben wir noch ein äußeres Zeug-
wi. In Ariſtoteles Rhetorik nämlich (I, 7. DU, 10.) iſt
eine Sentenz aus der wirklichen yerikleifchen Leichenrede anges
mhrt, und dieſt kann mit derfelben Rede, wie fie beim Thu⸗
dides ſteht, verglichen werben (II, 35 fſ.). Die Sentenz
bautet alfo: ... . nv vedrma dx rg nölsug aunpjades,
BareE To Zap &x voü dviavrov ei Zapedeln. Von vielem
Beranten ift im Thukydides auch Feine Spur anzutreffen; ich
wüsste kaum einen Ort zu nennen, wo derſelbe fich einjchalten
Leße. Man erkennt hieraus, daß Thukydides ein wärtliches
Auſſchreiben ſelbſt da verſchmähete, wo es ihm möglich gewe⸗
ben wäre. Konnte Ariſtoteles jene Aeußerung erhalten, wie
wiel eher nicht der gleichzeitige Thukydides? Noch mehr. Da
Thukydides ſelbſt an der Peſt erkrankte (II, 48.), dieſe Peſt
aber unmittelbar nach der Leichenrede in Athen ausbrach, fo läßt
ſich einigermaßen vermuthen, daß er gerade damals in Athen ge⸗
weſen. Den Plan, die Geſchichte des peloponneſiſchen Krieges zu
ı) Bol. II, 45. — Von den drei perikleiſchen Reden iſt auch
Kutzen der Meinung, daß Thukydides der Originale wohl hätte hab⸗
haft werben können, ihre Aufnahme aber verſchmähet hat (Ueber Peri⸗
Yes als Staatsmann, ©. 152. De Pericle Thucydideo p. 40.).
Nur ift Leider fein Grund fehr ſchwach. Er meint nämlih, dieſe Res
den, wie fie im Thukydides vorliegen, feien viel zu ſchwer, als daß fie
vom atheniſchen Volke hätten verftanden werben Tönnen. — Sind benn
etwa die Werke bes Aefchylos und Sophofles fo bedeutend leichter? es
ber die Art und Weife, wie eine Volksverſammlung geleitet wird, Tann
Kuttzen nicht viel nadhgebacht haben. Was müßten das für Neben
fein, worin jeder Sag dem großen Haufen verftänblich wäre! Selbſt
in der äußerflen Demokratie find es immer nur Wenige, "auf deren Ue⸗
berzeugung es anfommt, weil bie Uebrigen biefen blindlings nadyfolgen.
Diefen eigentlic, praktifchen Männern aber würden Reden von fo allge-
meiner Faßlichkeit, wie Kutzen fie verlangt, völlig ungenießbar fein.
Xgl. übrigens Dionys, De Thucyd. p. 923 sqq.
458. Thukydides. Kap. 4.
fegreiben., hat er gleich beim Anfange deffelben gefaßt (I, 1.).
Sollte er da wohl von der Leichenrede des Perikles zu Haufe
geblieben fein? — Nun fit freilich bekannt, daß Perikles
feine gefchriebenen Reden hinterließ, dag insbeſondere Quinti⸗
Han die noch zu feiner Zeit vorhandenen für unecht erflärte!).
Spengel meint deßhalb, Ariftoteles habe jenes Bild mr
durch. eine ‚Tradition der. Rhetoriten erhalten ). Das mag
Immer fein. . Hätte aber Thukydides feine Reden den wirklich
gehaltenen ſo nahe wie möglich bringen wollen, er hätte jenes
Bild um fo mehr aufnehmen müſſen, je mehr daſſelbe von
dem leſenden Publicum herumgetragen wurde. — Uebrigens
"pflegte fich PBerikles immer mit der höchſten Sorgfalt auf feine
Neden vorzubereiten, ja ex. fehrieb ſich das Concept gern vor⸗
ber auf). Wie leicht war es da gewiß für den Thukydides,
ein ſolches Concept einmal zur Anficht zu erhalten! — Nm
iſt aber noch ein Bedenken übrig. Weber nämlich behaup-
tet, . die Notizen des Ariftoteles gingen gar nicht auf die Lei-
chenrede im erſten Jahre des pelopomnefifchen Krieges, fondern
auf eine andere, welche Perikles nach der Beſiegung von Sa⸗
mod gehalten Hatte). Der Ausdruck veozyra paſſe nur für
dieſe Ichtere 5). — Dieſen Beweis des Herrn W., muß ich
ofjen bekennen, verſtehe ich, gar nicht. Was aber die Sache
ſelbſt Betrifft, fo wird fie durch Platon’ Menerenos wider⸗
legt. Diejer ift augenfcheinlich mit Rückſicht auf den Thuky⸗
1) Plat. Pericl. 8. Vitse XII oratt. Antiph. pr. Plato
Phaedrus. Quint. III, 1. XII, 2.10. Nur Gicero fpricht von
Schriften des Perikles: Brut. 7. De orat. II, 23.
| 2) Artium scriptores, p. 61 sqgq.. on
3) Suidas und Eudocias, v. Ilka. Plut. 1.1.
) Plut. Pericl, 28.
s) Zn dem Darmſtädter Schulprogramme: Ueber die Standrede
bes Perikles.
$. 2. Verhaͤltniß der thulhd. Meben zu ben wirklich gehaltenen. 133
dides gefchrieben !), und verfteht alfo unter perikleifcher Lei⸗
chenrede ſchlechthin durchaus die von Thukydides ermähnte.
Hieraus läßt ſich erwarten, daß auch Ariſtoteles mit der Lei⸗
qheurede zur’ 2Eoynv dieſe zweite, nicht die ſamiſche, gemeint
babe. Das hat auch u. A. Dahlmann ohne Bedenken
angenommen 2).
s Stemis- enpfebt ſich ubrigens och ein ſtarker Grund:für
aneine ganze Annahme, Denn das Alterthum von Platon’d
Belt an die angeblich perikleiſchen Reben für unecht exfläkte,
de muß es im: Thukydides keine: wirtligen Revien
des Perikles gefunden haben, Hin ne
Da fragt fich rim zweitens: ar: der Juhalt ber Knfie
dibeifchen Reden vieleicht perfünliche Anſicht des Thuky⸗
-Pipes, Behauptung ‚oder Gutachten? - Ganz ‚wohl fchmerlich.
"So tft es u. A. gewiß nicht die wahre Meinung des Thuky⸗
pides, wenn die Borinthifchen- Geſandten zu Athen behaupten,
nur darum fei Kerkyra neutral geblieben, «weil es allein "Habe
Unrecht thun, Zeugen feiner Schandthaten habe vermeiden
wollen (I, 37.). Die Schilderung, : welche dieſelben Korin⸗
thier (1, 39.) von: ihrem früheren: Betragen entwerfen, ſteht
mit der eigenen Erzählung des Thukydides in faft directem
Widerſpruche (I, 28.). Im Euphemos Rede zu Kamarind
wird Jedermann einräumen, dag hier die wahren Abſichten
der Atgener- verfihleiert find (VI, 82 ff.). — . Einer längern
Beweisführung ift mein Sat mohl kaum bevürftig, indem ja
in den correſpondirenden Reden — und dazu ‚gehört die Mehr⸗
zahl — das: Meifte freilich nur won berfchledenen Standpunk⸗
ten aus verfehieden beleuchtet, Manches aber auch In der dis
nen Rede geradezu behauptet, in ber andern geradezu geleug⸗
net wird.
1) Vgl. Dio nyßB. ITegi dewotntes, P. 1027.
2) Dahlmann Forſchungen, Th. 1, ©. 23.
BA: Aatculydides. Kap. 4.
8, 3,
‚Bahtes Verhältnig ber thukydideiſchen Neben zu ben wre
| gehaltenen. _
au feiner Vorrede erflärt Thukydides, 1. er habe mit
alter moͤglichen Genauigkeit die ‚Eupnaoa yraan. der wirklichen
Reden feitgehalten; dann aber -einem chen das in den Mund
gelegt, was über. die jedesmaligen Umftände als va deovza
nassen erſchienen wäre (1, 22.). In den nachfolgenden
Worten, io er feine Kritik der Thatſachen an's Licht ftellt,
chut er es offenbar mit.dem Gegenſatze zu den, Reden, daß cr
jenen eine. ſtrengere Genauigkeit zugewandt ‚habe.
Wir haben vie Reden des Thukydides als die
vorne hmſien Mittel zu betrachten, wodurch er
die äußerlichen Thatſachen auf ihre geiſtigen Me
tive zu rückführt. Niemand hat in höherem Grade die
Kunft verſtanden, einer jeden feiner Perſonen nachzudenken
und nachzufühlen. Aus einem Athener kann er zum Archida⸗
mos und Hermokrates werden; aus einem Maune voll peri⸗
kleiſchen Geiſtes zum Alkibiades aus einen feinerzogenen Op⸗
timaten zum Athenagoras und Kleon: alle ſeine Verhältnife
und Gewohnheiten kann, er. ausziehen, — den Hifteriker als
fein s., den Künftler kann ex Bi ausziehen. Was .ſoll das
hfißen en
A. Die meiſen Reden legt Konkyhines. den Haupi⸗
perſonen ſeiner Geſchichte in den Mund. Die wirklich: ges
ſprochenen Worie konnten hier dem Hiſtoriker ebenfalls, um
ld ‚Außerliche Faeta gelten. In feinen. Neben. aber, wo zu⸗
gleich das Innere der Perſonen aufgedeckt werden ſoll, mußte
Thukydides das ganze Leben jeder Perſon zuſammenfaſſen.
Er mußte ihre Vergangenheit und ihre Zukunft bereits durch⸗
ſchaut Haben, um: ihre Charakterbild daraus vollenden zu kön⸗
nen So wurde, was vor und was hinter dem Momente
F
$. 3. Charakteriſtik ver Perjonen in Thukydides Reden. 153
Rede lag, in derſelben zuſammengedrängt. Die Euunaoa
un, der weſentliche Inhalt der Verhandlung ſelbſt brauchte
nicht verletzt zu werden: war doch auch die wirklich ge⸗
Rede aus dem Charakter des Redners hervorgegangen.
— Hier muß ‚ich noch. einer befondern Feinheit des Thukydi⸗
Mes erwähnen. Zu den Liehlingsurtdeilen der meilten Hiſtori⸗
‚gehören diejenigen, welche ich hypothetiſche Urtheile
möchte. Man behauptet da: Wäre ftatt des Factums
Fr dad Factum b erfolgt, fo würde auch nicht ce, ſondern d
Iagetreten fein... Dergleichen Urtheile haben ben großen Feh⸗
Fe, daß fie niemals ſicher gebenz ja, daß fie in ein Gebiet
Dinũberſchweifen, welches für den Maßſtab des Hiſtorikers
Dollig incommenſurabel bleibt. Wie hält ſich Hier nun Thu⸗
Eydides7? Er ſchränkt dieſes hypothetiſche Urtheil mit ſehr
wenigen Ausnahmen auf die Reden ein. Da aber hat
Es vollkommen Sinn; da will es weiter Nichts offenbaren,
als die Berechnungen des Redners, die Erwartungen feiner
- Muhörer: ein Öegenitand, der auch in der bloßen Erzählung
des Thukydides gar häufig erwähnt wird 1). Vor der That
it es von Intereſſe, od noch Anderes geſchehen könne;
nach der That würde. es nutzloſe Grübelet fein.
B. Zugleich aber war ed dem Thukydides wohl bekannt,
daß mit der Charafteriftit Der Hauptperſonen noch nicht Alles
geronsmen iſt. Dieſe allein machen noch Feine Gejchichte. Exit
wenn der Hiftorifer auch die Anhänger charakterifirt bat,
welche ſich der Hauptperſon anfchliegen, erſt dann kann er
meinen, die Thatſachen ſelbſt durch ihre geiſtigen Beweggründe
wirklich erklärt zu haben. — Daher find denn die Reden des
Thukydides nicht allein für den Redner ſelbſt, ſondern auch
für die Angeredeten charakteriſtiſch. Wo er den Perikles ſchil⸗
dert, Da fehildert er zugleich Das perikleifche Zeitalter, Mit
nn —
1) 3.83. VI, 28
156 0:0 u Kap. 4.
Alkibiades wird jene eigenthümliche Partei des jungen Athens
dargeſtellt, welche nachmals die tyranniſchen und oligarchiſchen
Bewegungen hervorbrachte; mit Nikias die Ueberreſte des pe⸗
rikleiſchen Athens, deren Zeit jetzt vorüber, Deren Geiſt jetzt
entflogen mr. Wo Archidamos redet, da erkennen wir zu⸗
gleich die altdoriſche Partei, welche: den Neuerungen auch des
doriſchen Zeitgeiſtes eutgegenſtrebte. — Einige Reden erheben
ſich von dem beſchränkten Raume der helleniſchen Geſchichte
ia: welthiſtoriſcher Allgemeinheit. So wird im: Streite ba
Blatien uud Thebaner überhaupt die Sache deB. alten. Rechts
gegen‘ das neue geprüft, - ‚und: in den mieliſchen Unterhandlun⸗
gen der ewig wiederkehrende Streit der Unterdeücker gegen die
Unterdrickien ausgefochten. - -
. Und man erkennt. die große, bie eht hellenſſch Munſt des
hutene vornehmlich darin, daß er dieſes Alles völlig un⸗
gezwungen au die jedesmal: vorliegende Sache anreihet. Ein
unhiſtoriſcher Leſer koͤnnte immer meinen, -c8:: felen Bloß vor
treffliche Diplomatifche aber. demegoriſche Vahandlungen, die
er vor ſich hat.
Zu einer nähern Erläuterung dieſer beiben Punkie wihle
is jebt aus dem dritten Buche die Reden des Kleon und des
Diodotod. Mit einer Charakteriſtik jenes merkwürdigen De:
magogen,' der an Perikles Stelle getreten wor‘, ‚verbinden fie
eine Schilderung. des Volkes, Bas ihn ertrageir mochte, Meine
, Wahl. Hat. fich dadurch beſtimmt, Daß. es hier möglich. äft,
Geinahe, Zug für Bug | den utydides aus dem Ariſtophanes
zu Mn beſtugen aha Inn.
Bir fegen im Rleon —* einen Mann se eu aaa
— —
y Bekanntlich ſind bie Ritter ‚bes Ariſtophanes ein vor⸗
treffliches Seitenſtück zu dieſen Reden. Kleon erſcheint hier als poͤbel⸗
haft geboren und erzogen (185 ff.), nur durch Stentorſtimme und
Marktroutine hervorglänzend (218 ff.). Andere Staatsmänner ließ er
nicht zu Worte kommen (339 ff.)z die ihm an Bildung überlegen find,
$. 3. Charakteriſtik der Perfonen in Thukydides Neben. 187
unbefonnene Uebereilung, deſſen Muth nur mit. Befchränttheit
und Brutalität gepaarte Leidenſchaftlichkeit it (42 pr.). "Ihm
muß die Dummheit, wenn file nur entfchloffen iſt, zum Ne
gimente am paßlichften fcheinen (37 ſin.). Unbekümmert um
die Zukunft, faßt er Die Gegenwart allein in’3 Auge (39.
44.). Ieder gründlichen Berathung feind (42 pr.), giebt er
für Beweiſe nur Verleumdungen,, um feine Zuhörer ſowohl,
als feine Gegner einzufchlichtern (42.). Seine Schlüſſe - find
nichts weniger, als fieingent: fie beweifen zu viel, und laſſen
dem Gegner gar keinen Boden (37 fin. 38 pr.). Dabei vers
fteht er auf Bemunderungswürdige Weiſe, jedem Tadel des
Volkes ein Complinent anzuhängen (37 pr.), fein eigene®
Intereſſe durch Gemeinmachen mit dem des Volkes zu bermis
macht er lächerlich (344 ff.), Jeden verleumbet er (58 ff.), und ift bes
'onders den Generalen furchtbar (288 ff. 355 ff). Seine Geſchicklich⸗
seit ift die, fremde Verdienſte fich felbft anzumaßen (54 ff. 739 ff.).
Seine ſykophantiſchen Verleumdungen (259. 278. 459. 858 fi.) geben
nicht allein auf Volksverachtung, Tyrannei und Landesverrath (Weſpen
73 ff.), ſondern fogar auf politifche und religiöfe, Vergeben ber Vor⸗
ahren (Ritter 443 ff), Niemand ift fiher vor ihm. Doc Tann bie
Sefahr immer leicht durch ein Stüd Gelb vermieden werben (432 ff...
Seine Beftechlichkeit wird nicht allein durch Gold (79. 205. 258. 313,
70. 3831. Acharn. 6.), fondern auch durch Schönheit gefättist (78 ff.
25 ff). Selbft feige, und vor Anklagen namentlich erzitternd (365 ff.
83 ff.), ift er Niemanden furchtbarer, als den wehrlofen Kolonien und
Zeifaffen (235 ff. -1405.), Niemanden auffäsiger, ald ben Rittern (247.
25 ff. passim.). — Wie ihm das Bolt anhängen konnte, erhellt nas
entlih daraus, daß felbft die alte Landpartei durch Schmeichelei der
tedner fofort zu gewinnen war (Acharn. 348.). Uebrigens bemerkt Aris
ophanes fehr fein, daß alle damaligen Demagogen nur DOpferthiere
ien, die vom Volke erſt gemäſtet, darin aber gefchlachtet würden (Ritz
x 1117 ff.). Das gemeine Loos aller Despotenknechte! — Sehr cha⸗
ıteriftifh für den Kleon ift der Umftand, daß er zuerft in feinen
riegsdepefchen das Volk aus unverfchämter Vertraulichkeit mit zuipew
nrebete, wogegen Nikias beim Alten blieb (Suid. v. zuigw. Lu-
ian. Salut. 3. vgl. Plut. Nicias 7.).
/
158 . Thukydides. Kap. 4,
ſchen (37 ſin.). Im Bewußtſein eigener Corruptel, fi
ee bei jeder Gelegenheit von der Beſtechung der Andern
40.) Bol Eiferfucht auf die ‚übrigen: Stantsmänner
pr.), fucht er insbeſondere die Kunft der feinem Redner |
pöbelhafte Schmähungen herabzumürdigen (40 pr.).
Volk verficht er vollkommen richtig zu beurtheilen (38.).
lein, wenn es ihn auch mitunter wohl kitzelt, ein w
Errbe der perikleifchen Herrſchaft fein zu wollen (37 fin.),
it er im Ganzen doch nur ein Schmeichler des Volkes,
nichts Höheres kennt, als deſſen Laune (37 extr.), um
für denn auch, wie ed zu gehen pflegt, von feinem Ge
doch eigentlich werachtet wird (39: vgl. IV, 25.) SKle
zwar nur den Bundesgenoſſen, nicht den Yeinden der Atl
furchtbar, aber es leuchtet doch troß dem eine Trafı
Perfünlichkeit und viel gefundes Urtheil aus feiner Rebe
vor, wie ed Demi freilich vom Nachfolger des Perikles
anderd zu erwarten iſt.
Nicht weniger klar, als die Perfon des Demagogen
fein Verhaltnig zum Volke, alſo die eigentliche Grun
feiner Wirkſamkeit, dargeſtellt. Das Volk erfcheint hie
Veichtgläubig über Vergangenes und Zukünftiges; Sklave
Ungewöhnlichen und Verächter des Gewöhnlichen, Sid
mit egoiſtiſcher Eitelfeit feine Gunft nicht aus Hochacht
fondern aus Widerfpruchögeift verſchenkend; nach Allem
begierig, außer nach dem wirklich Heilſamen; vol Sucht
Neuerungen, ohne doch die Gegenwart recht verftanden zu
ben (38.). Bei alle dem war Der Athener zu hohen Di
entfchloffen, und hatte Nichts weniger im Sinne, als in f
rer Mäßigung den chrlihen Mann zu fpielen (40). 3
ihrer Deöpotifchen Geſinnung war dieſe unbehülfliche N
zur Herrſchaft über Andere ſchlecht geeignet (37 pr.), Mit
ler Leichtgläubigkeit pflegte fie dem offenen und ehrlichen R
geber am wenigſten zu trauen, und ſelbſt der gute Sta
mann war daher zu krummen Wegen genöthigt (43.).
$. 3. Charafterifti£ der Perſonen in Thukydides Neben. 159
natürliche Folge war, daß auch die Demagogen nicht In Si⸗
cherheit ihres Glückes genießen konnten: mißlang ihr Rath,
fo mußten fie allein dafür büßen (43 fin... Kurz, «8 war
ein Bolt, wie e3 für Kleon paßte 1).
Seine biiterifche Abrundung bekommt dieß Gemälde nun
dadurch, dag in der Rede des Diodotos nicht nur der beſſere
Zuſtand gejchildert wird, der vorangegangen war, fondern
much Der fchlimmere, der künftig noch daraus entjtchen follte
(42.). Alles dieſes finden wir in zwei Reden entwickelt, die
zunachit dad Schickſal der beſiegten Mitylenäer zum Gegen⸗
ftande haben: Kleon will fie alle, Diodotos nur die Rädels⸗
führer hingerichtet wiſſen. Und diefe Reden find durchaus
nicht die gedanfenreichiten des Thukydides 2).
Diefe charakteriftifche Tendenz der Neben wird noch in
hohem Grade verftärkt durch die Mannichfaltigfeit ihrer Spras
he. Schon der Scholiaft Hat bemerkt, daß fich Thukydides
in Altibiades Munde immer der kühnſten Tropen bevdiene (VI,
18) 3). Wie ftolz und groß ift die Sprache: des Perikles,
wie mild und eindringlich die des Nikias, wie bedächtig und
geeifenhaft die des Archidamos! Wie einfach und menfchlich
1) Man hüte fi Übrigens, aus biefer ungefchminkten Schilderung
des Demos übereilte Schlüffe zu ziehen. Uns ſcheint es auffallend, dag -
Kleon, bei dem bespotifchen Sinne des athenifchen Volkes, dieſem fd
mandje bittere Wahrheit follte gefagt haben. Dergleichen war aber
nichts Unerhörtes: felbft Delinquenten, bie auf Gnade hofften, ſprachen
mit ähnlichem Freimuthe. So Andocides De reditu p. 131 sq.
gl. De pace p. 144. ur
2) Es ift mir durchaus nicht unmwahrfcheinlich ‚, bag Parrhafl 08 in
feinem berühmten Gemälde des vielköpfigen Demos die Schilderung bed
Thukydides könnte vor Augen gehabt haben. Plinius N.H.XXXVI,
10. gl. bie abgefchmadte KReftitution von Quatremere de Quincy:
Monumens restitues, Vol. II, p. 71 sq.
3) neber Alkibiades Reden vgl. Demeoſthenes in der Midiana
und Plut. Alcib. 10.
450 dyhukydides. Kap. 4.
treu wiedergeben wollen? Diefift Die erfte Frage. — Sit
muß aber, obgleich der Scholiaft (I, 22.) fie bejahet, ſchon
ans Innern Gründen verneint werden. K. O. Mül⸗
Ver Kat bereits erkannt, daß wie Neben oft in Beziehung zu
einander ſtehen, die nicht wirklich. Statt gefunden haben.
Die Rede der Korinthier (I, 120° ff.) antwortet geroiffermaßen
Auf Die des Archidames in der ſpartaniſchen Volksverſamm⸗
Inmg und auf die des Perikles zu Athen, obſchon die Koriu⸗
thier keine von beiden gehört Hatten i)Y. Wie hätten wohl in
der Wirklichteit die Kerkyraer ‚als fie die Bundesgenoſſen
vor Athen zu werden begehrien,“ ſo ansführlich von ihrer Die
herigru Neuͤtralität geredet; - und daß Athen: ihnen darum
Nichts, gar Nichts verdanke (C, 3%)? Niemals durften fer⸗
ner die Athener, da fie den Frieden noch zu erhalten wuünſch⸗
ten, mit ſolcher Rückſichtsloſigkeit das dtecht des Stärken
predigen, wie J, W. Waren fie doch ſonſt inmier init Rechts⸗
bewelſen verfehen, wie aus MI; PL, erhellet. Vielmehr bes
met Thukydides ausdrücklich, der wahre Grund des Krieges,
die wachfende Macht von Akhen, ſel in den Reden vorher am
wenigſten erſchienen (I, 23.). Bei den Reden aber, wie er
ſie im erſten Buche giebt, iſt das doch wahrlich nicht der
Fall! — Die Politik des Königs Archidamos war haupt⸗
ſächlich darauf berechnet, Zwietracht in Athen ſelbſt anzuſtiften
(II, 20.): ſeine Rede aber, ‚worin er die Mittel des Krieges
doch fo ausführlich erörtert, weiß Nichts davon. Wenn end—⸗
lich Perikles in der Leichenrede, welche die Herrlichkeit der
perikleiſchen Zeiten ſchildert, in'die Mage ausbricht, daß es
ſo ſchwer ſei, mit dieſer Schilderung allſeitigen Glauben zu
finden (EL, 33.) : fo hat das in Perikles Munde kaum Sinn,
Der Verfaffer hat mancherlei bemerkt, aber ohne baraus mittelſt glück⸗
liher Combination NRefultate zu gewinnen. Er iſt fich felbft nicht Mar
geworden, daher auch im Ausbrude höchft ungenau und vag.
1) Eiteraturgefchtchte I,:357.
”
>
5.2. Verhältniß der thukyd. Neben zu. den wirklich gehaltenen. 454
weil ja feine wirklichen Zuhörer jene Herrlichkeit nor Augen
fahen, perfünlich daran Theil nahmen 1).
Zum Glück aber haben wir noch ein fAußeres Zeugs
niß. Im Ariſtoteles Rhetorik nämlich (I, 7. III, 10.) iſt
eine Sentenz aus der wirklichen perikleifchen Leichenrede anges
führt, und biefe kann mit derfelben Rebe, wie fie bein Thu⸗
kydides ſteht, verglichen werden (II, 35 fſ.). Die Sentenz
lautet alfo: .. . . nv veornta &x rg Tnolsus arnpnodes,
VOnEE TO Eap Ex Tod Eviavrov &i Easpedeln. Won dieſem
Gedanken ift im Thukydides auch Feine Spur anzutreffen; ich
wüßte kaum einen Ort zu nennen, wo derſelbe fich einfchalten
ließe. Man erkennt hieraus, daß Thukydides ein wörtliches
Auffchreiben felbit da verfchmähete, wo ed ihm möglich gewe⸗
fen wäre. Konnte Ariftoteled jene Aeußerung erhalten, wie
viel eher nicht der gleichzeitige Thukydides? Noch mehr. Da
Thukydides felbit an der Peſt erkrankte (II, 48.), dieſe Belt
aber unmittelbar nach der. Leichenrede in Athen ausbrach, To läßt -
fich einigermaßen vermuthen, daß er gerade damals in Athen ges
weſen. Den Blan, die Geſchichte des peloponnefifchen Krieges zu
1) Bel. I, 45. — Bon ben brei perikteifchen Neben ift auch
Kupen der Meinung, daß Thukydides der Originale wohl hätte habs
haft werden Können, ihre Aufnahme aber verichmähet hat (Meber Peris
Eles ale Staatsmann, ©. 152. De Pericle Thucydideo p. 40.).
Nur ift leider fein Grund fehr ſchwach. Er meint nämlich, dieſe Res
den, wie fie im Thukydides vorliegen, feien viel zu ſchwer, als daß fie
vom athenifchen Volke hätten verftanden werden Tönnen. — Sind denn
etwa bie. Werke des Aeſchylos und Sophokles fo bedeutend leichter? Yes
ber die Art und Weife, wie eine. Volksverſammlung geleitet wird, kann
Kutzen nit viel nachgedacht haben. Was müßten das für Reben
fein, worin jeder Sa& dem größen Haufen verftändlich wäre!” Selbſt
in der Außerften Demokratie find es immer nur Wenige, auf deren Ue⸗
berzeugung es ankommt, weil die Uebrigen biefen blindlings nachfolgen.
Diefen eigentlich praktifchen Männern aber würden Reben von fo allges
meiner Faßlichkeit, wie Kutzen fie verlangt, völlig ungenießbar ſein.
Vgl. übrigens Dionys. De Thucyd. p. 923 sqq.
162 Thukydldes. Kap. 4.
ber Rede alsbald den Charakter einer düſtern Prophezei
„Von unſerm Vaterlande find wie fern, und bier iſt R
für und, außer was wir im Kanıpfe uns felbit erobern ı
den. Wir müffen fiegen: weil und bei der Befchaffe
dieſes Landes und bei der zahlreichen Reiterei des Feindes
der Rückzug unfehlbares Verderben brächte.”
Seht werden wie im Stande fein, für das Verkäl
der thukydideiſchen Reden zu den wirklich gefprochenen d
unmittelbare Winte des Thukydides ſelbſt zu
nutzen. Sie finden fich gleich im eriten Buche, bei der !
der atheniſchen Sefandten zu Sparta (I, 73 fſ.). Hier!
. der weientliche Inhalt der wirklichen Rede, die Euvunace yu
erzählend vorangefchidt (I, 72.). Und die kurze |
wort des lakedämoniſchen Ephorus (86.), welche an eige
her, hiſtoriſcher Ideenentwicklung nicht. wiel bedeuten ı
dient zur Controle und Beltätigung jenes Crzählten |
die athenifchen Oefandten nun mehr fagen, das Dürfen
als freie Zuthat, freie Verarbeitung des Thukydides anſe
Und auch bei den übrigen Reden, meine ich, wird das $
hältniß der authentifchen Auszüge, wie fie dem Thukhyl
vorlagen, zu feiner Redaction etiva das nämliche fein.
Hierzu kommt noch das achte Bub. Hatte die V
Hung einmal beſchloſſen, vor der Vollendung feine gr
Werkes unfern Hiftoriter abzurufen, fo dürfen wie un
glücklich ſchätzen, daß er ein Buch halb fertig Hinter,
mußte. Wir geivinnen dadurch den interefianteften Bli
die Werkſtätte feiner Kunftz; und wenn ed mir überhaupt
lingen jollte, den Thukydides in ein helleres Licht zu fe
fo bin ich diefer Beobachtung das Meiſte fehuldig. Die
zen und oblifen Reden, woran das achte Buch fo- reich {|
1) VIII, 27. 46. 48. 53. 76. 81. 86, Die Authentie des a
Buches wird tiefer unten, Kap. 12. $. 1., erwieſen werben.
$. 2. Verhaͤltniß ver thukyd. Meven zu den wirklich gehaltenen. 453
dides gefchrieben I), und verfteht alfo unter perikleifcher Lei⸗
henrede fchlechthin durchaus die von Thukydides ermähnte,
Hieraus läßt ſich erwarten, daß auch Ariſtoteles mit der Lei⸗
chenrede xar’ EEoynv dieſe zweite, nicht die ſamiſche, gemeint
habe. Das hat auch u. A. Dahlmann ohne Bebenten
angenommen '?).\
Hieraus enpfest ſich abrigens nid ‚ein ‚arten Gruudefle
meine ganze Annahme. Wert "Ins Alterthum von Platon’E
Zeit an die angeblich perikleiſchen Never: für unecht erllärke,
fo muß es im: Thukydides Feine: wiseigen Reben
bed Perikles gefunden Haben, Ma. a u 50 namen
Da fragt ſich sin zweitens? War’ der Zuhalt di. Ihre
dideifchen Reden vieleicht perfünkiche Anſicht des Thüky⸗
dides, Behauptung ober Gutachten? : Odnz; "wohl fchwerlich.
So iſt es u. A. gewiß nicht die wahre: Meinung des Duky⸗
dides, wenn die korinthiſchen Geſandten zu Athen behaupten,
nur darum ſei Kerkyra neutral geblieben, "weil es allein habe
Unrecht thun, Zeugen ſeiner Schandthaten habe vermeiden
wollen (1, 37.). Die Schilderung, welche dieſelben Korin⸗
thier (I, 39.) von ihrem ftliheren Bektragen entwerfen, ſteht
mit der eigenen Erzählung des Thukydides in faſt directem
Widerſpruche (I, 28.). In Euphemos Rede zu Kamarinu
wird Jedermann einräumen, daß hier die wahren Abſichten
der Athener verſchleiert find (VI, 82 ff.). — Einer längern
Beweisführung iſt mein Satz wohl kaum bedürfti, , indem ja
in den correſpondirenden Reden — und dazu gehört die Mehr⸗
zahl — das Meiſie freilich mır warn-berfchledenen Standpumnke
tee aus verſchieden beleuchtet, Mauches aber auch in der el
nen Rede geradezu behauptet, a * andern ſeredezu geleug⸗
net wird. —
— u TE
1) Bat. Diionys. Ilegi dwötnesc, p. 1027.
2) Dahtmann Forfhungen, SH. 1,6. 23.
4154 Be Thukydides. Kap. 4.
8. 3.
Bahres Verhaͤltniß der thukydideiſchen Reden zu den wirtich
gehaltenen.
i
gu feinee Vorrede erklärt Thulydideb, 1. e ‚habe mit
alter moͤglichen Genauigkeit. Die. .Eupmaca ysaan Der wirklichen
Reden feitgehalten; dann aber ‚einem chen das in den Mund
geſegt, was über. Die jedesmaligen Umftände als ra deona
pargsro erichienen wäre (I, 22.). In den nachfolgenden
Worten, imo er feine Kritit der Thatfachen an's Licht ftelt,
thut er es offenbar mit dem Gegenſatze zu den. Reden, daß er
jenen eine. ftrengere Genauigkeit zugewands habe.
Wir Gaben die Reden des Thukydides als bie
vorne hmſien Mittel zu betrachten, w odurch er
die äußerlichen Thatſachen auf ihre geiſtigen Moe—
tive zu rückführt. Niemand hat in höherem Grade die
Kunſt verſtanden, einer jeden feiner Perſonen, nachzudenken
und nachzufühlen. Aus einem Athener kann er zum Archida⸗
mos und Hermokrates werden; aus einem Maune voll peri⸗
kleiſchen Geiſtes zum Alkibiades; aus eiment feinerzogenen Op⸗
timaten zum Athenagoras und Kleon: alle ſeine Vexhältniſſe
und Gewohnheiten kann er ausziehen, — den Hiſteriker als
lein, den Künftler kann er ni möge, Tas. foll das
beißen?
„A. Die: meiften Reden legt Thalydides den Haupt;
perfonen feiner Geſchichte in den Mund. Die wirklich: ge
ſprochenen Worte konnten hier dem Hiſtoriker ebenfalls. wur
als ‚Außerliche Faeta gelten, In feinen. Reden aber... wo zus
gleich das Innere der Perſonen aufgedeckt werden fol „ mußte
Thukydides das ganze Leben jeder Perſon zufammenfaften.
Er mußte ihre Vergangenheit und ihre Zukunft bereits durch⸗
. fehant Haben, um ihr Eharafterbild daraus vollenden zu kn
nen, So wurde, was vor und was Binter dem. Momente
$. 3. Charakteriſtik ver Perſonen in, Xhufybies Neen. 153
der Rede lag, in derſelben zufammengedrängt. Die Euunaoe
yvoun, Der weſeutliche Inhalt der Verhandlung ſelbſt brauchte
dabei nicht verletzt zu werden: war doch auch die wirklich ge⸗
baltene. Rede-and dem Charakter des Redners hervorgegangen.
— Hier muß ich noch. einer beſondern Feinheit des Thukydi⸗
des erwähnen. Zu den Lieblingsurtheilen der meiſten Hiſtori⸗
fer gehören diejenigen, welche ich hypothetiſche Uxrtheile
nennen möchte.“: Man behanptet da: Wäre ſtatt des Factumd
a das Fatctum b erfolgt, fo würde auch nicht c, ſondernd
eingetreten: fein. Dergleichen Urtheile haben den großen: Feh⸗
ler, daß fie: niemals :ficher gehen; -ja,. daß fie in ein’ Gebiet
hinüberſchweifen, welches für den Maßitab des Hiſtorikers
vollig incommenfurabel Bleibt. Wie Halt fih hier nun Thu⸗
kydides? Er ſchränkt dieſes hypothetiſche Urtheil mit fehr
wenigen Ausnahmen auf die Reden ein. Da aber hat
ed vollfommen Sinn; da will e8 weiter Nichts oflenbaren,
als die Berechnungen des Redners, die. Erwartungen feiner
Zuhärer;: ein Gegenſtand, der auch. in der bloßen Erzählung
des Thukydides gar häufig erwähnt wird 1), . Vorder That
it es von Intereſſe, ob noch Anderes geichehen könne;
nach der That. würde. es nutzloſe Grübelei fein.
B. Zugleich aber war es dem Thukydides wohl Hetamt,
dag mit der Charakteriſtik der Hauptperſonen oda nicht Alles
gewonnen iſt. Dieſe allein machen noch Feine Geſchichte. Erf
wenn ber Hiſteriker auch Die Anhänger. charakterifirt hat,
welche ſich der Hauptperſon anſchließen, erſt dann kann er
meinen, die Thatſachen ſelbſt durch ihre geiſtigen Beweggründe
wirklich erklärt zu haben. — Daher ſind denn die Reden des
Thukydides nicht allein für den Redner ſelbſt, ſondern auch
für Die Angeredeten charakteriſtiſch. Wo er den Perikles ſchil⸗
dert, da ſchildert er zugleich das perikleiſche Zeitalter. Mit
.) 3.8 VII, 26. BEE
156 Chukydhdes. Kap. 4.
Alkibiades wird jene eigenthümliche Partei des jungen Athens
dargeſtellt, welche nachmals die tyranniſchen und oligarchiſchen
Bewegungen hervorbrachte z mit Nikias die Ueberreſte des pe
rikleiſchen Athens, deren Zeit jetzt vorüber, Deren Geiſt jeizt
entflogen war. Wo Archidamos redet, da erkennen wir zu⸗
gleich die altdoriſche Partei, welche den Neuerungen auch des
doriſchen Zeitgeiſtes entgegenſtrebte. — Einige Reden erheben
ſich von dem beſchränkten Raume der helleniſchen Geſchichie
zu welthiſtoriſcher Allgemeinheit. So wird im: Streite der
Platäed und Thebaner überhaupt die Sache des alten. Rechts
gegen das neue geprüft, und in den nieliſchen Unterhandlun⸗
gen der ewig wiederkehrende Stteit der Unterbeiieer.- ‚gegen: bie
Unterbechten ausgefochten.
Und man erkennt die große, die et hellenſſche Kit des
Khufybibes vornehmlich Darin, daß er dieſes Alles vollig un
gezwungen an bie jedesmal: vorliegende Sache ameihet. Ein
unhiſtoriſcher Leſer könnte immer. meinen, es ſeien Bloß. vor
treffliche diplomatifche oder demegoriſche Vahandlungen, 5 die
er vor ſich hat. F
Zu einer nähern Erlüuterung dieſer beiben Punkte wihle
ich jetzt aus dem dritten Buche die Reden des Kleon und des
Diodotos. Mit einer Charakteriſtik jenes merkwürdigen De
magogen, der an Perikles Stelle. getreten war, ‚verbinden fie
eine Schilderung. des Volkes, Bas ihn ertrageir mochte, Meine
, Wahl: Hat. fih Dadurch beſtimmt, daß. c8 hier möglich iſt,
beinahe: Zug für Zug den Tynrydides aus dem Anſtophanes
zu De btugn th
Bir ſchen. im Kleon m). einen Mann , ef en Spatta
— —
e
2. y Bekanntlich find bie Ritter, ‚des Ariſtophanes ein vor⸗
treffliches Seitenſtück zu dieſen Reden. Kleon erſcheint bier als pöbel:
haft geboren und erzogen (185 ff.), nur durch Stentorſtimme und
Marktroutine hervorglänzend (218 ff.). Andere Staatsmänner ließ er
nicht zu Worte kommen (339 ff.)5 die ihm an Bildung überlegen find,
6. 4. Stellung der Reben. Ä 4167
tet, folgende find: der Verfall der politifchen Kraft in
n, nebenher auch im übrigen Griechenlande; die verderb⸗
Ueberfpannung des athenifchen Unternehmungsfinnes, der
chten Maße Dagegen den Lakedämoniern zu Theil wird;
ch der Uebergang der .Sces und Bundesherrſchaft von
n auf Lakedämon. Wo diefe Yaden unfer Werkes mit
aderer Deutlichkeit hervortreten, da fteht allemal eine Rebe,
bei dem Aufſtande des erſten Bundesgenoſſen, den Sparta
nterftüßen fucht (III, 9 fſ.); fo bei der erſten Seeſchlacht
hen Athenern und Lakedämoniern (II, 87 fi.) ; fo bei der
ı Bereinigung von ganz Sicilien (IV, 59 fi.) ; fo endlich
der letzten gelungenen Erweiterung der athenifchen Herr⸗
t (V, 85 fſ.). — Dieß iſt ganz befonderd da zu mer-
wo mehrere von jenen Faden gleichfam in einen Knoten
blungen werden. So ward über die Strafe der abgefalle-
Mitylenäer in zwei verfchiedenen Volfsverfammlungen de=
tt (III, 36.). Thukydides wählt die zweite and, um
Reden daran zu knüpfen. Dffenbar in der Abficht, Hier
n der Hauptfrage auch Die andere zu erörtern bon Dem
ereufe des erſten Beſchluſſes: weil fich bei Diefer Frage
innere Spaltung der athenifchen Demagogie und ihr Ver⸗
niß zum Volke am beiten fchildern Tiefen. Aus einem
; ähnlichen Grunde werden in Syrakus die Neben des
nofrates und Athenagoras gehalten, che man noch von
Seezuge der Athener gewiffe Kunde hat (VI, 32 ff.).
die Lafedämonier zur Unterftügung von Syrakus aufge
rt wurden, da hielten in der Wirklichkeit auch die ſyraku—
: und die korinthiſche Gefandtfchaft Neden (VI, 88.).
kydides aber theilt allein die Nede des Alkibiades mit, um
x der Natur des bevorftchenden Krieges noch Den Charat-
jenes merfwürdigen Mannes und die damaligen Verhält-
von Athen anbringen zu können. Weßhalb ferner Thu⸗
des von allen Leichenveden des peloponnefifchen Krieges nur
erſte giebt; weßhalb er auch die übrigen Reden jede au ih—
\
168 Thukydides. Kap. 4.
ren Ort geftellt Hat, überlaffe ich dem Nachdenken: des. ze
— Doch nimmt Thukydides dabei auf die praktifche A)
Teit des jedesmaligen Ereigniſſeß und auf den Hergang
wirklich gehaltenen Neden natürlich. viele Rückſicht. Ca kuch
ex feine Betrachtungen über den Bruch des Friedens, Def
‚nach feiner Weife nothwendig in Wechfelreden anſtellen nik
nicht an die Geſandtſchaft des Perdikkas (I, 57.) oder d
Potidäer (I, 58.), fondern an die Eoriuthifche an: weil di
theils den nächjten Anſtoß zum Stiege gab, theils auch in
Wirklichkeit von den athenifchen Gefandten bekämpft wurde, -
Daß im ſiebenten Buche fo wenig geredet wird, eckll
ſich uns jetzo noch natürlicher: es kommen bier auch wer
Stellen vor, wo jene vier Hanptfaden unferd Werkes einaud
kreuzten. in anderer Grund iſt noch darin zu fuchen, d
die gedraͤngte Thatenfülle dieſes Buches, in welchem die Ri
ſcheidung des ganzen Krieged erfolgt, Durch vieles Reden ı
fenbar wire zerftückelt worden. Das ſechſte Buch, welch
vorangeht, iſt das allerreichfte a Reden; das achte, wenn
vollendet wäre, würde ebenfo reich fein. Dieſe Einſchließu
aber würde den Redemaugel des fiebenten Buches volltenn
perdeckt haben 1).
Die gewichtigſten Momenie des ganzen Kriegen: ſucht 2
Fudides duch Trilogien von Reden bervorzubeben. 6
wird der fieilifche Krieg. durch Drei Reden (Nikias, Alkibiel
und wicder Nikias) eingeleitet, Durch drei Reden zu Endes
kracht (VII, 61. 66. 69.). Auch bei Eröffnung des gary
— nun — —— — -
1) Man hat dieſen Umftand wohl auch daraus erklären wollen, M
dem fiebenten Buche, ebenfo wie dem achten, bie legte Zeile noch
gehe. Meine Augen find zu ſchwach, um dieß bei dem fiebenten
den zu Eönnen. Wenn Poppo (I, 2 p. 30) dafür angiebt,
den legten drei Büchern feien die Handfchriften weit fehlerhafter,
Kann ich daraus Nichts weiter abnehmen, als daß die librarii am
ihrer Arbeit vermuthlich ermüdet waren. Opere in longg ce.
F. 3. Charalteriſtik der Perſonen in Thukydides Neben. 45%
natürliche Folge war, daß much die Demagogen nicht In Si⸗
cherbeit ihres Glückes genießen konnten: mißlang ihr Nath,
fo mußten fie allein dafür büßen (43 fin.) Kurz, es war
ein Volk, wie es für Kleon paßte i).
Seine Hijterifche Abrundung bekommt dieß Gewulde nun
dadurch, daß in der Rede des Diodotos nicht nur der beſſere
Zuſtand geſchildert wird, der vorangegangen war, ſondern
auch der ſchlimmere, der künftig noch daraus entfichen ſollte
(42.). Alles dieſes finden wir in zwei Reden entwickelt, die
zunächſt das Schickſal der beſiegten Mitylenäer zum Gegen⸗
ſtande haben: Kleon will ſie alle, Diodotos nur die Rädels⸗
führer hingerichtet wiſſen. Und dieſe Reden ſind durchaus
nicht Die gedankenreichſten des Thukydides 2).
Dieſe charakteriſtiſche Tendenz der Reden wird noch in
hohem Grade verſtärkt durch die Mannichfaltigkeit ihrer Spra⸗
che. Schon der Scholiaſt hat bemerkt, daß ſich Thukydides
in Alkibiades Munde immer der kühnſten Tropen bediene (VI,
18) 3). Wie ſtolz und groß iſt die Sprache des Perikles,
wie mild und eindringlich Die des Nikias, mie bedächtig und
geeifenhaft die des Archidamos! Wie einfach und menſchlich
1) Man hüte fi übrigens, aus diefer ungefchmintten Schilderung
des Demos übereilte Schlüffe zu ziehen. Uns ſcheint es auffallend, daß.
Kleon, bei dem bespotifchen Sinne bes athenifchen Volkes, dieſem fü
manche bittere Wahrheit follte gefagt haben. Dergleihen war aber
nichts Unerhörtes: felbft Delinquenten, die auf Gnade hofften, fprachen
mit ähnlichem Freimuthe. So Andocides De reditu p. 131 sg.
al. De pace p. 144.
3) Es ift mir durchaus nicht unwahrfcheinlich, daß Parrhafl 08 in
feinem berühmten Gemälde bes viellöpfigen Demos die Schilderung bed
Thukydides könnte vor Augen gehabt haben. Plinius N.H.XXXVI,
10. Vgl. die abgefchmadte Reftitution von Quatremere de Quincy:
Monumens restitues, Vol. II, p. 71. sq.
3) ueber Alkibiades Reden vgl. Demofbenes in ber Midiana
und Plut. Alcib, 10.
170 Thukydldes. Kay. 4 Ä
Welche ſchneldende Selbſtironie liegt In dieſen Gähen/)
Aber auch dieſer Umſtand verbirgt eine künſtleriſche Feinhei.
Sch vergleiche damit eine Eigenthümlichkeit des Sophe⸗
kles, welche man deſſen tragifche Ironie genannt bat?);
Diefe beftcht nämlich darin, dag die Perfonen des Stüdes W
ihrer Verblendung doppelfinnige Reden führen: ihnen felbft U
nur der eine Sinn Har, der ihrem Uebermuthe entfpricht, den
Zuſchauer aber auch der andere, der ihr Verberben vorauß
fagt. So find die Reden des Königs Dedipus von. Anfang
an vol fchauerlicher Wahrheit: um fo fchauerlicher, je went
ger ihm felbft nur eine Ahnung davon fommt. — Dadurd
gewinnt nun einerfeitd das Kunſtwerk feine höchſte Durchſich
tigkeit; andererfeit8 aber wird der Lefer oder Zufchauer cha
hierdurch über Die Verwicklungen des Augenblicks Hinausgche
ben, um das Ganze frei betrachten zu fünnen von dem Stand:
punkte des Verfaſſers. Bei dem Tragiker liegt in Diefer weh
müthigen Ironie menfchliher Verblendung etwas tief Tragi
ſches; bei dem Hiſtoriker etwas echt Hiftorifches, weil fich cher
Hierdurch erſt die Möglichkeit erklärt, wie das Verderben um
gefehen herannahet. — Dem Euripides tft diefe Ironie wenig
bekannt, höchſtens benubt cr fie zu Wortfpielen. Beim Aes
ſchylos wird fie nur felten, aber nie ohne gewaltige, tie
erfchütternde Wirkung angetroffen 3). Dafür aber Hat Aeſchy⸗
los ein anderes Mittel, welches den Zufammenhang feine
Zrilogien fefter knüpfen foll, und auch dieß kann mit den Ro
den des Thukydides einigermaßen verglichen werben. Cs fl
fon von Heeren 9 bemerkt worden, daß oft beim Aelchys
1) Bol. auch III, 67 fin.
2) On the irony of Sophocles: Philol. Mus. II, NE 6.
3) Bol. u. A. Choeph. 849.
4) Gött. Bibliothek für Literatur und Kunft; oft. 6. Hiſtor. Bew
6. 3, Combination ber. Bacten in Thukydides Rden. 164
der Aufınunterung dev Athener, ewo die entgegengefehten Fol⸗
gen des Sieges ımd der Niederlage beſchrieben werden, die
Ichtere Alternative fo entfihleden her vor tritt (61). Hierauf
wird: Die bevorſtehende Schlacht mit ihren Zurüſtungen ‚ges
ſchildert, freilich fo, daß dieſe mehr durch Nothwendigkeit ges
rechtfertigt, als von kluger Abficht eingegeben feheinen (62.).
Endlich aber Air: kurzor, jedoch tiefgehender BA in die ganze
Vergangenheit (63.) nd Zukunft von Athen geworfen (64.);
> Wie vortrefflich- ifti feiner dit der Heinen Rede des Braſi⸗
a8 ( II, 87.) ver weſentliche Gang des Krieges überhaupt ges
fhEDEE" Nur muß man Hier freilich jedes Wort abwägen.
Sch tan es mir · nicht' verſagen, denſelben Charakter noch
am zweikurzen, leicht zu überſchauenden Reden ausführlicher
nachzuweiſen. Zuerſt tan V5:69. Hier wird in obliker Dar⸗
ſtellung wiedergegeben, was wor der Schlacht von Mantinea
die Feldherren der verſchiedenen Abtheilungen - den Ihrigen zu
Geurnthe geführt. Ma: wird Ben Mantineern geſagt, der.
Steg: werde fle feet, Cie Niederlage: wieder zu Knechten ma⸗
chen; - Den‘ Argeiern , jeizt oder: niemals kbnne ihr einſt beſeſſe⸗
et: Principat wieder erobert werden; den Athenern, uur durch
einen Landfleg werden ſie ihr⸗ eigenes Landgebiet ſichern. Die
Lakedämenier endlich, "und das iR der Schlußſtein der
ganzen Rebe; werden mit der Hoffnung des’ Sieges zum Siege
ſelbſt begeiftert. — SE wage": ferner VE,-68:: eine Rede des
Nikicis an die Athener, unmitkelbaär vor' bear’ erſten Haupt⸗
ſchlacht, Die fie gegen die Shzrakuſier zir fechten Heben, - Hier
beruft. ſich der Feldherr, um den Muth der Seinigen anzure⸗
gen; auf Die Größe ihrer‘ Rüſtung, und auf bie Unerfahren⸗
heit des Feindes, welche deſſen Tapferkeit und Anſtrengungen
veteltelt müßte, Da · dringt ſich dem Leſer unwillkürlich die
Frage auf: Wie dann aber, wenn jene Rüſtung durch das
Schwert, den Hunger, die Strapatzen verringert, wenn dieſe
Unerfahrenheit durch Uebung zur Erfahrung geworden iſt?
Sucht man ſich dieß zu beantworten, ſo gewinnt der son
11
172 Thukydides. Kap. 4
Es ſind alſo mancherlei Punkte, woriu Die, Neden he
Thukydides aus dem gleichzeitigen ‚Drama ihr Licht empfan—
gen. Dagegen hüte man ſich wohl, die bei Euripides ſy
häufigen Reden und Widerreden mit den thukydideiſchen zu
ſammenzuſtellen. Mögen die erſtern auch noch ſo ſehr, wig
den Rednern der ſpätetn Zeit, fo auch den rhetoriſirenden Gef
ſchichtſchreibern ſeit Iſokrates als Vorbilder gedient haben )
Nur ein einziger Vergleichspunkt wird uns unten beſchäftigen.
— Im Allgeneinen aber find die Reden des Euripides und
die der meiſten fpätern Hiſtoriker fo augenfcheinlih auf rheto⸗
riſche Zwecke berechnet, ſo angefüllt mitt Sentenzen und Ge
meinplätzen, daß fie mit geringer Veränderung auf Die ver⸗
fehiedenartigften Zeiten und Verhältniſſe könnten übertragen
werden. — Von ſolchen vhetoriichen Nebenzwecken ift aber
Thukydides vollkommen frei, So berichtet er vor den Aus⸗
gange de3 fyrakufifchen Krieges von der letzten Rede des Nis
kias. Er giebt den Inhalt derſelben mit kurzen Worten an,
und ſagt zum Schluſſe nur berichteud, Nikias Habe ſich nicht
geſcheuet, von Weibern, Kindern und heimathlichen Göttern
zu reden, ſich auch nicht darum bekümmert, ob dergleichen
Gegenſtände möchten veraltet ſcheinen (VII, 69.). Würde
ſich Theopompos z. B. hier cine weitfäuftige , emphatiſche
Mebe verſagt haben? -
Denn in der That. ſcheint die Redeweiſe des Thukydides
ein eigegthümliches Produet der blühendſten Periode helleni—
ſcher Geſchichtſchreibung zu ſein. Beim Herodot finden wie
die Rede ſchon ganz zu denſelbigen Zwecken verwandt, nr
— — —— — — ——
— —
1) Thukydides iſt von den Rednern nur wenig nachgeahmt. WVie
Cicero ſehr richtig urtheilt, für den Gebrauch des Marktes iſt Thuky⸗
dides kein Muſter (Brut. 9.). Daß ihn Demoſthenes fleißig ſtudirt hat,
iſt bekannt; eine eigentliche Benutzung aber doch nur in der Neära er⸗
ſichtlich.
J
$. 3. Verhaͤltniß der thukyd. Reden zu den wirklich gehaltenen. 465
find ohne Ausnahme folhe Euumaonı yrouas, denen die letzte
Verarbeitung noch mangelt. . So mie fie jet vorliegen, hat
der Hiſtoriker fie nur berbeifchaffen, vielleicht kritiſiren und
auszichen müſſen. Die eigentliche künſtleriſche Reproduction,
die Einverleibung in fein Werk iſt noch nicht. erfolgt. Aehn⸗
liche Kladden aber müſſen wir bei allen Neben vorausſe⸗
gen!) — Wer ſich einen Begriff von dieſen Kladden mae
chen will, Dem iſt vor allen VIII, 81. zu empfehlen. Wir
finden hier nicht bloß eine kurze, gleichſam protokollariſche
Relation über den Inhalt der wirklichen Rede, ſondern quch
die Motive des Redners ſind ſchon angedeutetz jedoch nur
oberflächlich, ohne große Ordnung, ohne weitern Zuſammen⸗
hang: mit den Frühern und. Spätern des ganzen Werkes,
Charakteriſtiſche Redensarten ſind zur eigentlichen Verarbeitung
mit herüber geuommen: hier z. B. die Aeußerung, Tiſſch
phernes würde es den Athenern nicht au Unterftägung . fehe
Im Iaflen, „und wen ‚ex feine erpite Dam vaglian
wüßte * sun J. ti
as „im et — ze
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— —““ - „e—mmß. .—ı- D
” “ Y=. ⸗ Te 2* .. . — "re . . a
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** "gen arte cheirhder die „eigentticheh) nmiia “feiner Geſchiglle
erſt bei ber letzten Feile einlegte, "To it lg’ em rebenber Beweis vo
dev heben Natürlichkelt feiner Mufe-und won bem innigen Zuſammen?
bangt den ganzen Werkes. — 3:9. bat, bie ———
89. ‚6. ET “ii *
| 5) Die site be itias hai ii) trägt offenbar sah
den Charakter der thukydideiſchen Reben an fi. Ob jie diefen erſt! vo
Hiſtoriker erhalten habe, oder ob das Driginal wegen feiner hiſtoriſchen
Zaflung aufgenommen fei, ift ſchwer zu enticheiden. Ich vermuthe jes
doch das Erftere, was durch das Wort rdcadure (16: pr.) ſcheint beſtä⸗
tigt. zu werben... als, He 1L und aſter. A EEE BE;
3"
474 Ahukydides. Kap. 4.
Hier ift das fpätere Alterthum mit feltenen Ausnah—⸗
. men In den Zußitapfen der Sfokratiker gewandelt. Ich will
nur an Livius erinnern, Diefer läßt z. B. den Hannibal
eine Rede Halten, unmittelbar vor Ueberſteigung des Alpen⸗
gebirged. Thukydides hätte in dieſem Kalle vermuthlich die
Gründe erörtert, warum ‚der Krieg nach Italien gebracht,
nicht auf der Sce, fondern zu Lande geführt wurde; er hät
auf den erſten punifchen Krieg einen Blick geworfen, Day
. Charakter des Hannibal und feines Heeres gezeichnet, den
Gang des nachfolgenden Krieges im Wefentlichen angedeutet.
Was thut aber Livius? Er ermuthigt die Rarthager zur
Ueberfteigung der Alyen, Mit ſehr wenigen Veränderungen
hätten die Kaifer Karl, Dtto wid Napoleon bei ihren Alpen
übergängen dieſelbe Nede halten können 2). Livius Near
find ungefähr fo, wie ex unter ähnlichen Umſtänden felbit ıe
den würde. Die thukydideiſchen wahrhaftig nicht. Liviud
Stärke beſteht in der Schönheit feiner. Gemeinpläge, ſeinch
Ausdrucks. In der Nede des Hanıo (XXI, 10.) ficht mas
befonderö deutlich, Daß der Mangel an Schärfe, an Indiv
dualität des einzelnen Falles und an pragmatifcher Verkni⸗
pfung mit dem ganzen Werke, der die livianiſchen Reden cha
vokterifirt, aus feiner mangelhaften Kenntnig des Gegeuſtar⸗
des herrührt. Nur bei dem größten Neichthume des Stoffe
g
— — — — —
Mißbrauch der dußoiuın, ben Ariſtoteles To firenge tadelt (Poet. 14
10. Bip.). Was Ariftoteles Überhaupt von den Dramatifern urtheill,
die frühern hätten politifhe Rollen gedichtet, bie fpätern rhetoriſche,
das ift beinahe wörtlich auf bie Geſchichtsreden auszudehnen (Poet
7, 19.)
ı) Livius XXI, 30: vgl. befonderse au 35. — Seine Unfb
higkeit, fich in großartige Verhältniffe hineinzudenken, hatte der vor
trefflihe Alinius mit dem oft mißverflandenen Worte „Patavinität“
bezeichnet.
8.5. Eqhiahenechecchen 178
a bei vollkommener Beherrſchung deſſelben in die thukydi⸗
weite Redeweiſe durchzufuhren ).
) Ich werde in der erſten Beilage eine Vergleichung anſtellen zwi⸗
juthen ber Leichenrede des thukydideiſchen Perikles, und ben übrigen Lei⸗
Ian, die aus dem Alterthume gerettet find. Hoſſentlich wird biefe
A erſuchung auch für das Berftändniß ber lettern nicht ohne Refultat
*
Fünftes Kapitel. —
Pragmatismus ded Thukydides.
©. lange man gewohnt war, der Pragmatismus
die erſte Tugend des Hiſtorikers anzufehen: fo Lange pfl
man den Thukydides für das höchſte Mufter, ja für den !
ter defjelben auszugeben. Neuerdings aber hat Gervir
von dem Namen der pragmatifchen Gefchichte dieſe Glorie
zuitreifen geſucht. Ex will fie nur für eine höhere Stufe
Memoired gelten laſſen, von der eigentlichen Kunſthiſt
ebenfo weit entfernt, wie die audgebildetere Chronik,
fonnte denn auch Thukydides Fein Pragmatiter Bleiben 1).
Aehnliche Grundſätze müfjen weiter verbreitet fein. Wei
ſtens wollen die Wiythologen jeßt mit dem Namen pragm
firender Mythenbehandlung in der Negel etivad Tadelnsn
thes bezeichnen. — Ich fürchte indeſſen fehr, Daß der Bı
matifer meines Lehrers Gervinus von feinen Kunfthijtorifer n
der Art nach, fondern nur dem Grade nach verfchieden
Aus den Fehlen Der Meiften hat Gervinus den Pragınal
1) Grundzüge der Hiſtorik, ©. 39 ff.
5. 1. Zwed des Thukydides. Ir
geſetzt, aus ben Tugenden der Beſten deu "Tips
e. Eben darum aber ſchriut es ihm nicht gelungen zu
, ‚biefen Bildern Leben einzuhauchen: Leben, :wie &8
ii Sean ‚ fein Memoirenſchreiber ohne Bene“ ‚Befigen. !
pe’.
taktifche Belehrung feines —* vor — haben; ‚er, ſoll
le Urſachen und Wirkungen Fine Begehren ae |
Zweck der utgbieifen Sefäiätfäreibüng: J u
Unter den Geſchichtſchreibern des Alterthuuis, welche forte:
Kihrend die praktiſche Nachahmung: non Selten. ihrer Lefer
8 Ange falten, iſt der früheſte ſowohl, alärher bedeutendſte
kenophon. ‚Die fürmlichen Lehrbücher, die. er. über Hriegs⸗
mi, Nationalökonomie und Finanzwiſſenſchaft 1), geſchrieben
at, will ich gar nicht: einmal anführen. Aber. ſeine Memora⸗
Hin find geradezu als eine. Bildungsſchule praktifcher, Weis⸗
jeit zu betrachten, natürlich in Renophon's Sinne. Und in
ver Anabafis felbit, ſowie in den Ichten fünf. Büchern der hel⸗
Imtfchen Gefchichte it jeder Zug beinahe, aufmunternd oder
warnend, auf die ftrategifche oder ükonomijche Belehrung des
keſers abgeſehen. Xenophon und Ageſilaos find Hier durchaus
ilz ſpecielle Muſter dargeftellt, und in der Regel auch mit
1) ueber ben Keitereibefehlshaber,, die Reitkunft, — bie Jagd, die
bershaltung, — das Bollwefen. Selbſt die Kyrupädie ift ein folches
jtbuch, über Krieges und Staatskunſt; nur freilic Alles, wie es
m großen Hiftorifer nahe lag, in bie geſchmackvolle Form einer Les
ensgeſchichte eingekleidet. Welche Külle, Saftigkeit und ethifche Ziefe,
n Schriften eines Aeneas gegenüber! Aber fie würde gar leicht in
aSyſtem zu bringen fein.
12
478 Lhutydides. Kap. 5.
Exbeterung ihrer Beweggründe. So erfahren wir z.
man Gefangene als Wegweiſer brauchen kann !), wi
luſt ‚der Soldaten am beſten zu: bewältigen iſt 2),
Menſchen und Vieh auf Schneemörſchen erhalten
Wir empfangen die Lehre, nie im Zorne anzugreifen
zahliget anderen Strategeme nicht einmal zu gedenken.
wichtig find die dkonomiſchen Rathſchläge: die B
bet verachteten Metöfen, weil fie den Staat bereichen
Anſicht, daß eine vermehrte Bevölkerung namentlich f
zeiten den Staat Fräftig mache, daß mit der reichlic
rung auch der Patriotismus zunehme 6). Xenophon
das Schätzeſammeln, weil es dem Staate dienlicher |
terte und zu Aufopferungen willige Unterthanen zu
Er tft für den Frieden, weil der Frieden reicher: ma
felbft der Sieg 9). Er ift auch im Kriege Feind al
derns, weil man durch geregelte Erpreſſung die -
Landleute meit gründlicher nutzen könne 2). Fremde
talien ſollen ſelbſt im Kriege ungefährdet bleiben 10)
ſieht, RXenophon gehört einer Zeit an, wo das Lieb:
politiſchen Parteilämpfe zum Ekel daran und zur
-.1) Anab. IV, 1, 23.
2) Ibid. IV, 4, 11. 6, 17 zqq.
3) Ibid. IV,'5; 13. 36.
4) Hell. V, 3.7.
°) De vectt. 2.
6) Ibid, 4.
‘) Cyrop. VII, 2, 15 sqg.
') De vecit. 5. Cyrop. III, 2, 17.
°) Cyrop. V, 4, 24 sqq. VII, 2,9 sqa.
1) De vectt. 3. |
$. 3. Schlußbetrachtungen. 409
Krieges finden wir drei Neden (Sorinthiee, Athener, Archis
damos), eine für, eine wider, eine entſcheidende. Von der
großen Vorliebe des Thukydides für das. Symmetriſche, ja
Refrainartige läßt ſich erwarten, daß er beim Schluſſe des
ganzen Krieges wohl auch wieder eine. Trilogie würde anges
bracht haben, Etwa Theramenes für den Fuicden Aerwheſ
dagegen Loſandros mit der Entſcheidung I
Schlußbetrachtungen. | "
Es wurde vorhin bemerkt, daß die Redner des Thutydi⸗
des den Beweggrund und deu Erfolg ihrer eigenen Rath—
ſchläge, oftmals unbemußt, ja gegen ihre Abſicht und Ueber—
zeugung aufdecken. Das fehen wir am ſchönſten wohl ‚bei
Kleon. Selbſt eine geringere Einficht, meint Kleon, mit bes
fcheidener Gefetlichkeit gepaart, wirke heilfamer, als großet
Verſtand mit zügelloſer Geſetzesverachtung (II, 37.). Der
menfchlichen Natur ift es angemefjen, den Schmeichler bei al-
ler Gefälligkeit doch zu verachten (39.). Wer ohne alles
Necht einen Andern gekränkt hat, verfolgt dieſen am Heftigften,
und it ſchon aus Zucht unverfühnlich (40.). Als den Haupts
fehler des atheniſchen Staates . betrachtet er die Sucht eines
Seven, ſelbſt als Redner zu erfcheinen, und wenn das nicht
geht, doch ander Rednern menigitend zu widerjprechen (38.).
1) Der Lefer wirb jet beurtheilen Finnen, ob ed zweckmaͤßig ift,
die Reden des Thukydides abgefondert zu Überfegen, wie es Melanch⸗
ton und Reiske gethban haben. Ueberhaupt ift es eine undankbare
Mühe, aus dem Thukydides Ercerpte herauszugeben. Ebenfo gut Eönnte
man ein platonifches Geſpräch eflogiren, ebenfo gut eine einzelne Figur
aus einer rvafaglifchen Gruppe in Kupfer ſtechen. Daß jedoch Joh.
Schultze den Epitaphios des Thukydides allein überfegt hat, und zwar
1813, muß ich nichts deſto weniger eine glücuche Idee nennen. War⸗
um wohl? |
/
170 Thakydides. Ray. 4.
Welche fchneldende Selbſtironie liegt in dieſen Sätzen 1)!
Aber auch dieſer Umſtand verbirgt eine künſtleriſche Feinheit.
Ich vergleiche damit eine Eigenthümlichkeit des Sopho⸗
kles, welche man deſſen tragiſche Ironie genannt hat 2).
Dieſe beſteht nämlich darin, daß die Perſonen des Stückes in
ihrer Verblendung doppelſinnige Reden führen: ihnen ſelbſt iſt
nur der eine Sinn klar, der ihrem Uebermuthe entſpricht, dem
Zuſchauer aber auch der andere, der ihr Verberben voraud-
ſagt. So find die Reden des Königs Dedipus von. Anfang
an vol fchauerlicher Wahrheit: um fo fchauerlicher, je weni⸗
ger ihm felbit nur eine Ahnung davon kommt. — Dadurch
ganinnt nun einerfeit3 das Kunſtwerk feine Höchfte Durchſich⸗
tigkeit; andererfeits aber wird der Lefer oder Zufchauer eben
hierdurch über die Verwicklungen des Augenblicks hinausgche-
ben, um das Ganze frei betrachten zu können von dem Stand⸗
punkte des Verfaſſers. Bei dem Tragiker liegt in dieſer weh⸗
müthigen Ironie menſchlicher Verblendung etwas tief Tragi⸗
ſches; bei dem Hiſtoriker etwas echt Hiſtoriſches, weil ſich eben
hierdurch erſt die Möglichkeit erklärt, wie das Verderben un⸗
geſehen herannahet. — Dem Euripides iſt dieſe Ironie wenig
bekannt, höchſtens benutzt er ſie zu Wortſpielen. Beim Ae⸗
j Frib⸗ wird ſie nur ſelten, aber nie ohne gewaltige, tief
erſchütternde Wirkung angetroffen 3). Dafür aber hat Aeſchy⸗
108 ein anderes Mittel, welches den Zufammenhang feiner
Krilogien fefter knüpfen fol, und auch) dieß kann mit den Res
den des Thukydides einigermaßen verglichen werden. Es ift
fhon von Heeren %) bemerkt worden, daß oft beim Aeſchy⸗
1) Bgl. auch III, 67 fin.
2) On the irony of Sophocles: Philol. Mus. II, N? 6.
3) VBgl. u. A. Choeph. 849.
9) Bött. Bibliothek für Literatur und Kunſt; ft. 6. Hiſtor. Wer⸗
$. 5; „Shlußbekinißtungen, 475
angelenker, mit geringerer Mannichfaltigkeit in der Behand⸗
Ring, minder frei von anhiſtoriſchen Digreſſivnen. Ein. ſo
mekdotiſches Apophthegma, ivie VI, F.yr würde Thukydides
nmnmermehr geduldet haben. Auch naedie Bedentung · der Ne
ven für das ganze Werk des Herodot nichti fs: groß. Die ori⸗
mtaliſchen Reiche, die er ſchildert, hatten ſtatt der Volksver⸗
ſammlung nur: einen Fürſtenrath. Hier pflegt der Hiſtorlker
laher den Dialog zu-iwählen, aber ganz in derſelben Weiſe,
bie Thukydides die Otmegerit. Uhr. was die helleniſche Welt
betrifft, ſo war in den Zeiten,bie! Herodot behandelt, ihre
Berebtfamfeit noch · im Werden. Deßhalb - wird’ in /der · frů⸗
ern Hälfte feines Bertes die Stelle: der- Rede theils Diicch
Brakel der Götter, theils durch novelliſtiſche Geſchichten wer
Byeannenhänfer eingeiieminen. — Auf Der: andern Seite erin⸗
Ken Kenn’ si Reden noch gar haufig au den Thuktdi⸗
Wer), Steifind aber“ kürzer, uicht ſo mm Liebe geärbeitet,
han Dialog wieder ähnlicher. Das Politiſche tritt zurück,
KB Militäriſche hervor. Schon als Sokratiker konnte Xeno⸗
Yen an dem Treiben des Marktes nicht viel Gefallen haben;
Me Prunkreden der Sophiſten mochten als warnende Vorbil⸗
der hinzukommen. -Kenophen- iſt nicht⸗ unparteiiſch genug, um
peri Gegenreden daſſelbe Studium zu: widmen. Daher pfle⸗
gen die mehr ausgearbeiteten Reden; beſonders der Kyrupädie,
fon in das Gebiet allgemein anwendbarer Vorſchrift hin—
Werzuſtreiſen. Cie löſen ſich hiermit von dem vorliegenden
Balle ſchon mehr ab; und bereiten inſofern auf die Spätern
ker, Deren Werke mit Reden nicht eigentlich durchilechten,
ſendern m auögefehuiikt find .
—— - —⸗— — — —
1) Vgl. beſonders Hell. V, 2, 12 ff. VI, I, 4 fi. und die Re⸗
m des Theramenes und Kritias im zweiten Buche.
) Ganz analog iſt in der Tragödie der feit Agathon eingeriſſene.
474 Thukydides. Kap. 4.
|
Hier ift dad ſpätere Alterthum mit jeltenen Aubnah—
. men in den Zußftapfen der Sfokratiker gewandelt. Sch wil
nur an Livius erinnern. Diefer läßt 3. B. den Hannibal
eine Rede halten, unmittelbar vor Uecberiteigung des Alpen⸗
gebirges. Thukydides hätte in dieſem Halle vermuthlich die
Gründe erörtert, . warum der Krieg nach Italien gebracht,
nicht auf der Sce, fondern zu Lande geführt wurde; er hat:
auf den eriten punijchen Krieg einen Blick geworfen, dep
. Charakter des Hannibal und feines Heeres gezeichnet, den
Gang des nachfolgenden Krieges im Weſentlichen angedeuteh
Was thut aber Livind? Er ermuthigt die Karthager zut
Ueberftelgung der Alpen. Mit ſehr wenigen Veränderungen,
hätten die Kaiſer Karl, Dtto wid Napoleon bei ihren Alpen
übergängen dieſelbe Nede Halten können 2). Livius Reden
find ungefähr fo, wie ex unter ähnlichen Umſtänden ſelbſt ze
den würde. Die thukydideiſchen wahrhaftig nicht, Livius
Stärke beſteht in der Schönheit feiner, Gemeinpläße, feine‘
Ausdrucks. Sn der Rede des Hanno (XXI, 10.) ficht man
bejonders deutlich, daB der Mangel an Schärfe, an Indivi⸗
dualität des einzelnen Falles und an ypragmatifcher Verknü⸗
pfung mit dem ganzen Werke, der dic livianiſchen Reden chas
rakteriſirt, aus feiner mangelhaften Kenntnig des Gegenſtan⸗
des herrührt. Nur bei dem größten Neichthume des Stoffes
‘
— —— — —— — —
Mißbrauch ber dußuäsıa, ben Ariſtoteles To ſtrenge tadelt Poet. 19,
10. Bip.). Was Ariſtoteles überhaupt von den Dramatikern urtheilt,
die frühern hätten politiſche Rollen gedichtet, die ſpätern rhetoriſche,
das iſt beinahe wörtlich auf die Geſchichtsreden auszudehnen (Poet.
7, 19..
I) Livius XXI, 30: vgl. beſonders auch 33. — Seine Unfös
higkeit, fich in großartige Verhältniffe hineinzudenken, hatte der vors
trefflihe Ajinius mit dem oft mißverflandenen Worte „Patavinität“
bezeichnet.
6. 5. Schlußbetrachtungen. 178
und bei vollkommener Beherrſchung deſſelben iſt die thukydi⸗
deiſche Redeweiſe durchzuführen 1).
1) Ich werde in der erſten Beilage eine Vergleichung anſtellen zwi⸗
ſchen der Leichenrede des thukydideiſchen Perikles, und ben Übrigen Leis
chenreden, die aus dem Altertbume gerettet find. Hofientlid, wird dieſe
Unterfuhung aud für das Verſtändniß ber lettern nicht ohne Nefultat
fein.
474 .hutydided. Kap. 4,
Hier iſt das fpätere Alterthum mit jeltenen Aubnah⸗
. men In den Zußitapfen der Sfokratiter gewandelt. Ich will
nur an Livius erinnern. Diefer läßt z. B. den Hannibal
eine Mede halten, unmittelbar vor Weberfteigung des Alpen
gebirges. Thukydides hätte in dieſem Kalle vermuthlich die
Gründe erörtert, warum der Krieg nach Italien gebradtt,
nicht auf der See, fondern zu Lande geführt wurde; er hätte
anf den erſten puniſchen Krieg einen Blick geworfen, den
. Charakter des Hannibal und feines Heeres gezeichnet, den
Bang des nachfolgenden Krieges im Weſentlichen angebeute,
Was thut aber Living? Ex ermuthigt die Karthager zur
Ueberftelgung der Alpen, Mit fche, wenigen Veränderungen
hätten die Kaifer Karl, Dito mid Napoleon bei ihren Alpen
übergängen dieſelbe Rede Halten können 3); Livius Neben
find ‚ungefähr fo, wie er unter ähnlichen Umſtänden felbit re
den: mürde. Die. thukybikeifchen wahrhaftig nicht. Livius
Stärke beſteht in der Schönheit feiner. Gemeinpläße, feines
Ausdrucks. Syn der Rede des Hanno (XXI, 10.) ſieht man
befonders deutlich, DaB der Mangel an Schärfe, an Indivi⸗
dualität des einzelnen Falles und an pragmatifcher Verknü⸗
yfung mit dem ganzen Werke, der die Iivianifchen Reden cha
vakterifirt, aus feiner mangelhaften Kenntniß des Gegenſtan⸗
der herrührt. Nur bei dem größten Neichthume des Stoffes
ie, 4
Mißbrauch der dußuäsua, beit Ariftoteles To ſtrenge tadelt (Poet. 19,
30. Bip.). Was Xriftoteles überhaupt von den Dramatikern urtheilt,
die frühern hätten politifche Rollen gebichtet, bie fpätern rhetorifche,
bas ift beinahe wörtlih auf die Geſchichtsreden auszudehnen (Poet.
7, 19.).
ı) Livius XXI, 30: vgl. beſonders auch 33. — Seine Unfä⸗
higkeit, fich in großartige Verhältniffe hineinzudenken, hatte der vors
treffliche Aſinius mit dem oft mißverſtandenen Worte „Patavinitär
bezeichnet.
$. 3. Schlußbetrachtungen. 478
und bei vollkommener Beherrſchung deſſelben iſt die thukydi⸗
deiſche Redeweiſe durchzuführen ).
1) Ich werde in der erſten Beilage eine Vergleichung anſtellen zwi⸗
ſchen der Leichenrede des thukydideiſchen Perikles, und den übrigen Lei⸗
chenreden, bie aus dem Alterthume gerettet find. Hoſſentlich wird dieſe
Unterſuchung auch für das Verſtändniß ber letttern nicht ohne Refultat
fein.
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4
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=
=
—8
Fünftes Sayite, | g
Pragmatismus ded Thukydides.
So lange man gewohnt war, den Pragmatismus als
die erſte Tugend des Hiſtorikers anzuſehen: ſo lange pflegte
man den Thukydides für das höchſte Muſter, ja für den Va⸗
ter deſſelben auszugeben. Neuerdings aber hat Gervinus
von dem Namen der pragmatiſchen Geſchichte dieſe Glorie ab⸗
zuſtreifen geſucht. Er will ſie nur für eine höhere Stufe des
Memoires gelten laſſen, von der eigentlichen Kunſthiſtorie
ebenſo weit entfernt, wie die ausgebildetere Chronif, Da
konnte denn auch Thukydides Fein Pragmatiker bleiben 1). —
Aehnliche Grundſätze müſſen weiter verbreitet ſin. Wenige
ſtens wollen Die Mythologen jetzt mit den Namen pragmati⸗
ſirender Mythenbehandlung in der Regel etwas Tadelnswer⸗
thes bezeichnen. — Ich fürchte indeſſen ſehr, daß der Prag⸗
niatifer meines Lehrers Gervinus von ſeinem Kunſthiſtoriker nicht
der Art nach, ſondern nur dem Grade nach verſchieden iſt.
Aus den Fehlern der Meiſten hat Gervinus den Pragmatiker
— — — — —
1) Grundzüge der Hiſtorik, ©. 39 ff.
N
$. 1. Zweck des Thukydides. 170
Bohrung ber materiellen Intereſſen geführt hatle. — Die
Bortrefflichkeit des Kenophon beruhet aber nicht bloß auf der
peaktifchen Richtigkeit ſeiner Vorſchriften im Eiuzelnen, ſondern
ganz beſonders auf der. menſchlichen Größe des Hintergrundes,
bon dem! ſie hervortreten. Ihnen allen liegt eine Einheit uns:
kw, eine Einheit des Charakters: jene fchöne, wohlgebildete
hermonie dee Seele, die fih in Krieg und Frieden, in der.
Befellichaft und im Kamilienkreife, in. Ernſt und. Scherz, bins
mem Pfluge und auf der. Jagd, in Rede und That, kurz in
Wen VBerhältniiien des Lebens Mar, männlich und: edel bes
wihrt; jene ſokratiſche Tugend, welche. dem gemeinſten Solda⸗
km weniger befichlt, als voranleuchtet; jene Milde, Die das
kernunftloje Thier felbft ‚nicht: zwingen, ſondern erzichen will.
Wed ein Unterſchied gegen die trockenen Regeln ver ſpätern
und eine derartige Belehrung Hätte Thukydldes be⸗
afichtigt? Gewiß nicht: ſchon aus dem Grunde nicht, wie
wir. unten ſehen werden, weil er alle entſcheidenden Vorgänge
dar übermenſchlichen Leitung unterordnet 1). - Auch die bes
winderungswuůrdige Art, wie er ſeine Thatſachen immer mit
al ihren Motiven, all ihren Umſtänden in einen unzertrennli⸗
den Zuſammenhang bringt, macht eine derartige Benutzung
find Werkes unmöglih, Von fo verividelten Combinatio⸗
m kann er die Ähnliche Wiederkehr in der Zukunft nimmer
awartet haben. Während Polybios z.B. am liehften hinter jeder
handlung räſonnirt, ob fie richtig geſchehen fel, wie fie ans
Ing Hätte gefehehen müſſen, fo giebt Thukydides auch bei den
etaillirteſten Aeußerlichkeiten niemals an, wie fe beſſer geweſen
2) Zenophon that das zwar audy, ſogar 'viel abſichtlicher; allein
rn Pragmatismus bat ſich inconfequenter Weife dadurch nicht flören
len.
12 *
480 Thukholdes. Kap. 9.
wären; immer nur, wie fie. fich zu Achnfihem, etwa in
herer Zeit, ober. in. andern Hanfldaden verhalten Hätten
40.). nn. R
Nun bat man.aber von n dih cub einem digenen ©
de Thukydides den praktiſchen Zweck ſeines Buche
ſtätigen wollen. I, 32: "O00s Bownoovsas Tas Te yearou
To 0apig .oxoneiv. xal zn ‚uellövruy nord altes zer
avdnEIOYy. Toswvruw. xal. nugaminciov Eos0das, MWgı
xolvaw aura,.a0oxevrtog &eı.. In ihrer "handichriftlichen
ftalt ift Diefe Stelle vollkommen zweideutig; Die Interpun
exit kann den Sinn fixiren. Setzt man das Komma bor
za, fo heißt es: Denen werbe: ſein Buch Genlige 1
welche die Vergangenheit Klar erkennen, für Die Zukunft
nügliche Lehren daraus ziehen wollen. ... Auf iefe At
fon Polybiod und Lukian die Stelle auägelegt 1).
man aber das Komma Hinter ara, ſo wird ‚ber. So
jenem praktiſchen Zwecke vollkommen gereinigt. Es ge
alsdann dem Thukydides, wenn Diejenigen fein %
für nützlich erklären, welche Vergangenheit und
kunft klar durchſchauen wollen: dem die Zukunft pflege :
menſchlicher Welfe der Vergangenheit ähnlich wiederzukehren
Ich könnte mich zur Unterſtützung meiner Interpretation im
hin auf den ganzen Charakter des Thukydides berufen. Gl
Tichertweife Liegt aber auch eine einzelne, ganz analoge Ae
ang nicht ferne Im Aufange nämlich von der Geh
der großen Peſt ſetzt Thukydides den Zweck auseinander,
er mit dieſer Erzählung zu erreichen denke (II, 47 ff.).,
dere”, ſagt er, „mögen nach ihren Dafürhalten von ben
fachen reden, woher diefe Krankheit entſtanden iſt, wohe
[4
— . — — I
’) Polyb..1II, 31,12 sqq. . Kucian. De conscrib.
wo er eben, aus ‚bigfer Stelle große Lohſprüche für den Thukydid
leitet.
$. 2 - gibed ne ahitiodes 181
figtoße‘ Sewalt erlungt hat N dagegen will beſchrele
ben, wie fie‘ geweſen At, uid ſolche Kermgtichen nfüßren,
daß man, von thnen aübgehend, wenn ·ſie künftig tee knie
kin folfte, und man fhre- Natur zum Voraus weih,
en verkennen möge.” Niemand glaube im ober, F
diſes Nichtverkennen nach yukydides Sinũe — ——*——
irungen und: Hellanſtalten Hätte Fleck ſollen.Et veiſichert
Mi Gegentäit;'" ehie tenſchliche Sütfe GAR bagegeitn wufäınz
Wi)’, Fein: allgemeines Geilmittel eutbeckt weiden können
1.). a; die chtlge Cirpfigktie Die Ratur der Seahifhäll
Wir’ fogar nachtheffig: Jrder mann; "bet in feinein Leiden die
ul bed‘ nf der’ ERIR den Muth, "älle‘ Wpflöger
hiünveg/ md ·durch Beides warb natliuich die Eage bi
IKenten weſentlich verſchlinimerf 81.). Bier iſt doch wohi
WELT audgefprhäjchy" "bäß 18 bei Chutvdides nicht
p ſchlich um Regeln’ zu’ tum‘ war er woelchender beſer Yale
Algen Fllen. - Ich meine auch, für. ſolche Regeln‘ Kane hi
—* Eine- bequemere Form dargeboten. ee
Allerdiugs läßt ſich vom Thukydides auch für‘ ‘bie Praris
Bes lernen. So wird von ihm ſelbſt: gar Häufig‘ ver
Nuch, welchen das Eintreffen ckwarteter Dinge mit ſich
et Bit: Gegenſatze der Entmuthigung hervorgehoben,
ie aus dem Unerwarteten, Ueberraſchenden zu eutſtehen pflegt
35.). Uecberhaupt aber hak Thukydides, und’ beſonders
n {einen Meden, eine große Menge der feinſten Beobachtun⸗
en. aus Hin teichen Schatze feiner Erfahrung mitgetheilt, die
ch von dem verſtändigen Leſer gar Leicht in Klugheitdregeln
on ziemlich allgemeiner Orden‘ umgeſtalten iaſſen: noch
eſnundere Früchte ſogar, als! die echten Goldworte des Py⸗
Jagorad, weil fie in Feiner andern Schale dargeboten werben,
J Wie es z. B. Diodoros, wahrſcheinlich alſo auch Ephoros,
than hat: XII, 58.
4188 ¶butydides. Kap. 5.
als worin. die Wirklichkeit fie gedeihen Täpt, in dem
greiflichen Zuſammenhange der hiſtoriſchen Umſtände )).
Wer wird aber dieſe Zugabe, die mehr oder weniger eine je
den Erfahrung zur Seite geht, mit den Zwecke des
felöft verwechſeln? Aus dem Homer Hat unfere Philolozi
bat ſchon Thukydides gefucht, das frühefte Alterthum kem—
zu Ternen;- und Keiner glaubt doch, daß der alte Dichter, |
dieſe gForſchung geſungen habe. Freilich kann der D
auch Keim. Glaſerhandwerke gebraucht werben; aber *
ſtimmuuig it es, die Sironen der Könige au jchmücken.
Was aber moöte es denn fein, das den Thukydldes
Abfaſſung ſeines Werkes veranlaßte? Der Hiftorifche-Kunl
trieb mar: es, der ihn beſeelte; der ihn zwang, jede ?
fache, die er erfuhr, bis in die innerfte Seele des Hanke
zurück zu verfolgen; die menfchlichen Dinge Überhaupt m
allein in dem flüchtigen Augenblicke zu betrachten, fonken i
Vergangenheit. und. Zukunft, in ihrem Wachfen, Bluͤhen vh
Vergehen zufammenzufaffen. Mit richtigem Urtheile über —
ſelbſt wählte er die Zeit und den Gegenſtand aus, die feinm
eigenen Geiſte am nächiten Ingen. Zuvörderſt aber "und Hank
ſächlich hat Thukydides für fich gefchrieben, feinem eigene
Durſte nah Wahrheit, feinem eigenen Triebe zur geiſtiga
Schöpfung Genüge geleiftet.
Auf dieſe Art allein find. Die wirklichen Dunkelheiten wi
Zweideutigkeiten, find auch die mancherlei Ung ena nigkei⸗
ten zu erklären, welche das Studium des Thukydides oft f
mühfelig machen. So. namentlich die mehreren Stellen, m
ſcheinbar völlige Irrthümer behauptet werden. Wenn er ..d
verfichert, den Thrakiern fei an Reichthum kein anderes Vol
— — — —
1) Eine Anthologie dieſer Art hat Neophytos Dukas gefammell
die mit Vermehrungen von Poppo im erſten Bande bes Poppo ſteh
P. Il, p- 343—351.
F. 1. Zweck bes Thukhbides. E88
ſchen Pontos und: tonifchen Meere‘ gleichjuftellen, : Dennoch
e ihre jährlichen Einkünfte. mur auf achthundert Silberta⸗
te anfchlägt (I, 97.): fo muß er die Hellenen. dabei als
ı felbft verſtandene Ausnahme betrachtet haben. Hatte doch
| einzige Athen wohl das Doppelte jener Summe einzu⸗
men. — An derſelben Stelle meint er, die Skythen fein
Macht, ſobald ſie vereinigt fländen, das erſte Volk in
ropa und ſogar auch in Aflen, an Kugheit aber vol⸗
ds mit Andern kaum :zu vergleichen 1). Bei ben -Ichterh
heile. hat er offenbar au ſeine Landsleute nicht gedacht;
h bei dem: erſtern nicht; weil ſonſt Aſien keine Steigerung
en Europa bilden wurde. Se dem wohlbekannten Perfer⸗
Be war hinläuglich gezeigt. werben, ob Aſien, sb. Europa
ſturkere ſei. CEbenſy wit von der Inſel Chios geſagt/
babe eine größere Menge Sklaven, als irgend ein anderer
ist, ausgenommen Lakedämon (VIII, 40.). Bier iſt ohne
eifel Athen: vergeſſen worden. Aber Thukydides ſchrieb zus
fe für ſich ſelbet. Ihm lagen Griechenland und Athen
jer zu ſehr vor Augen, aäls daß er in ſolchen Fällen: ihrer
zmal zu erwähnen brauchte . — Im Seren jedoch
ı eö keine Frage fein, daß ein: Geſchichtswerk ai vollkom⸗
ſten ausfällt, wenn es nicht für Andere zunächſt, am als
1)3 Der Ausdruck iſt zweibeutigs wie er aber zu nehmen fei, gebt
einer Menge. anderer Stellen zur Genüge hervor. Wal. Schol.
cyd.11,97. Uias V,6. -Aeschyl. Eum. 673. Herod. IV, 46.
‚eril. fr. 3. Ephoros bei Sırabo VII, 463. Scymnus
18, p. 378. Holst.
V Die chronologiſche Angenauigkeit, deren Dodwell von Thu⸗
des V, 20. erwähnt, iſt vollkommen gerechtfertigt durch das Bedürf⸗
eineer runden Summe (f. Apparatus ad annales Thucydideos,
18 qq). Ein wirkliches Verfehen aber ift ed, wenn Thukpdides
1,79.) den Waffenſtillſtand von Mantinea einen funfzigjährigen nennt.
nk ſchon nach dreißig Jahren zu Ende. Xenoph. Hell. V,
3.
2: Ahukydides. Rap. 5.
lerwenigſten für: deren praktiſchen Nutzen, gefchrießen moi:
Sede Sache geſchicht am beſten, wenu ſie um ihrer ſelbſt win
len geſchieht.
- Mur iſt aber bie menſchliche Natur durch die winbeia,
GBeispeit ihres Schöpferd auf biefe Art eingerichtet, daß ge.
einer yblligen Befriedigung ihren eigenen Berlirfniffe imma
gemeinfame Befriedigung mit gleichgeſtimmten Seelen erforden
wird. Darum ſchmeckt das Gaſtmahl, ſchmeckt der Wein in
geſelligen Kreiſe fo unendlich viel ſüßer; darum if in Das
Liebe ſelbſt das höchſte Glück nur dann wahrhaft beſeligend /
wenn der geliebte Gegenſtand es yollkommen mitempfindetß
darum endlich verſchließt auch der Künſtler ſein Werk nicht i
Pulte oder in der Werkſtatt, ſondern er Bringt es hervor awß
Licht, und will es Jedem zugaͤnglich machen 1). Schon Qi
ogniq hatte geſagt: TI oyır yanamıeı, novvog —XRXXXF
Pindar Hatte es für die erſte Pflicht. des Sängers gehalten,
was er Herrliches ſelbſt erlebt, auf die Nachwelt überzutragen.
Herodot (I, proovem. und 5.) und Thukydides folgten. der
nämlichen. Pflicht. (II, 43.). Denn wer. ein Licht empfangen
bat, der ſoll es lenchten .lafien..:
Doch nicht für Ale; muy für. Sleicgeftiumte wenn E—
auch Proſelyten zux gleichen Stimmung befehren mag. ... Wk
unfer Mozart einjt nur vor Kennern der Muſik zu fpielen be
ſchloß, fo fpricht e8 auch Thukydides mit klaren Worten aul, |
dag er nur Denen fein Buch genehm wünfche, die Vergangen |
heit und Zukunft und bie menfchliche Natur in Beiden bau |
lich erkennen wollen. Alfo hiſtoriſch geſtimmten Seel! |
Seinem hellen Blicke indefjen konnte es nicht werborgen Kl i
ben, daß die freie Höhe, worauf er fand, nothtwendig eim
— ——— — — — — —
1) 2gl. Cicero De finibus III, 20, und die ſchöne Xeußerun
von Schleiermacher: Reden über die Religion, S. 176... (4. Ausg.)
„Ss ift mir eben fo unmöglidy, müffig zu fein, als midy mit bloßet
Befriedigung eigener Wißbegierde zu begnügen.’ (3oh. Müller)
$. 1. . Publlcum des’ Thulydldes. 4185
einſame bleiben milde, Hiſtyriſche Ideen maren damals feel
U auch im geoßen Publicum verbreitet. Ein Gefchlecht, Das
fo viele Kriege der Prinelpien- hatte führen, ſo viele Werfafe
fangen batte umftürzen ſehen, Tonnte nicht ohne hiſtoriſchen
Gavinn Bleiben; Selbſt die Literatur der Gefchichte war wicht
wahr. unbedeutend. Es darf daher Niemanden befremden,
wenn er Fundamentalſätze der. thukydideiſchen Debensanſicht bei
duen Andokides wirderfindet 1). . - Bel den Netnem- jener
Zeit Hatte: fick rüberhaupt eine Richtung ausgebildet, die ich
wit gar Nichts’ beffer vergleichen kann,“ als mit der angeblich
zeiſtreichen ). Seſchichtsauffaſſung, welche heutzutage In: den
AMpfen des gebildeten Böbels ſpukt. Da find "denn manmich⸗
faltige, aber ſchlecht Begruͤndete, noch ſchlechter erbaute Ge⸗
ſichtskenntniſſe im Umlauf; fuͤw⸗ jeden gerade vorliegähbct
Zweck werben: Parallelen und Analogien herbeigegogen ; + de
‚heute frappiren⸗kbnnen, vielleicht aber morgen fchon das Ges
. gütheil betveifen mäffen. : Die Befchäftigung mit den hiſiori⸗
fen Stoffe,. da das Subjeetive mehr und immer mehr über⸗
wiegt, ſinkt von der Kunft zum Spiele herab. Die äußere
wole Wahrheit tritt Immer mehr zurück Hinter der ſcheinbaren
men Symmetde. Doc fehlt- es unter dem Sande: nicht
ganz an Goldkörnern. Ich werde in meiner erſten Beilage
an ben Leichenreden des frühern. Alterthums dieſe geiſtreiche
Manier der damaligen Rhetoren und ihren Uebergang : In den
Pragmatismus der Iſokratiker zu beleuchten fuchen. — Be
dieſen Leuten nun konnte Thukydides wohl Anklang erwarten?
Schwerlich! Nichts iſt für die wahre, die kunſtmäßige Ge-
— — — ——— ⸗
1) 3. B. De pace p. 135: Xony yap rexumpios zorodas os
TrpöregoY yiwonlvors zregi Tüv neilurrov bocodm, x. T. d.
2) Wie Montesquieu fagt: Pour peu Au’on voie les choses
Avec une certaine dtenduc, les saillies s’evauouissent. Elles ne
naissent d’ordinairte, que parceque l’esprit ge jeite tout d’un edte,
et abandonne tous les autres.
2: Ahxukydides. Kap, 5.
lerwenigſten für; deren praktiſchen Nutzen, geſchrieben wi
Jede Sache geſchieht, am beſten, wenn fie um: ihrer ſelbſt v
len geſchieht.
Num iſt aber, die menſchliche Natur durch die wundert
Weibhein ihres Schoͤpfers auf dieſe Art eingerichtet, daß
einer yblligen Befriedigung ihren eigenen Bedürfniſſe im
gemeinfame ‚Befriedigung mit gleichgeſtimmten Seelen erfor
wird. Daurum ſchmeckt das Gaſtmahl, ſchmeckt der Wein
geſelligen Kreiſe ſo unendlich viel ſüßer; darum iſt in
Liebe ſelbſt das höchſte Glück nur dann wahrhaft beſelige
wenn der gellebte Gegenſtand es vollkommen mitempfin
Darum endlich. verſchließt auch der Künſiler ſein Werk nicht
Pulte oder in der. Werkitatt, fondern ex bringt es hervor ı
Licht, und will es Jedem zugänglich machen ). Schon?
pgnig--Hatte gefagt:. Ti! oyır yanemres, noVros Zxıazaus
Pindar hatte ed. für die erite Pflicht. Des Sängers gehal
was er Herrliches felbft erlebt, auf Die Nachwelt übergutun
Herodot (I, prosem, und: 5.). und Thukydides folgten
nämlichen. Pflicht (II, 4.). Denn; mer ein Licht empfan
hat, der ſoll es leuchten ‚lafjen..:
Doch nicht für Alle; nuxr für: Sleicgeftiunmte: „. wenn
auch Proſelyten zux gleichen Stimmung belehren mag. . 2%
unfer Mozart einſt nur vor Kennern der Muſik zu fpielen
ſchloß, fo fpricht e8 auch Thukydides mit Haren Worten a
dag er nur Denen fein Buch genehm wünfche, Die Vergang
heit und Zufunft und die menjchliche Natur in beiden de
lich erkennen wollen. Alfo hiſtoriſch geftimmteri Seelen!
Seinem hellen Blicke indeſſen konnte es nicht verborgen bi
ben, Daß die freie Höhe, worauf er ſtand, nothwendig c
— — Am —— —
I) ®2gl. Cicero De fınibus III, 20, und die ſchone Aeußer
von Schleiermadher: Reden Über die Religion, S. 176.. (4. Ach
„Ss ift mir eben fo unmöglih, müffig zu fein, als mich mit bil
Befriedigung eigener Wißbegierbe zu begnügen.” (oh. Müller.)
5. 2. Erklärungen des Wiſtorikers. 187
. - ⸗ 2 3 1. . ur
= . . . . a " B 3. 5* „a Ri in
BE |
FE FO, Du % 2 rl . *r ”
Bauern —— are en hsttnd
J Von ciao äsnkin Runfitiche PER ie: e. den Sitorifer
beſeelt, wich guch der Dichter ter Philoſoph., überhonpt ein
jeter, ‚Künfteri. ober: teifenfepaflich pepdustioe Menfaz durq-
drungen. Die Haupterſcheinungen dieſes Kunſttriebes haben
wir in den ‚Prolegomenen unfers Werkes kennen gelerakz:. unb
ber Leſex wird gebeten... Sch. auf, DaB Geuaueſte dahin zurückt
zupexſetzen. Die Innere. Verarbeitung. nun, welche hier ſtatt⸗
findet, heißt. in den phrzugbweiſe fogenanmten Künſten Ideehi⸗
firung, in den Wiſſenſchaften Erklärung. Hat ehne Wiſ⸗
fenfchaft- mei marlisgende Dhjecte in ajne ie genügende Ver⸗
Bindung zuſqunmengeaxbeitet, ſo pflegt rfie, wie, wit geſchen
haben, 598; Wichtiger⸗ Scheinende bie Urſach e des minder
Wichtigen zu nemnen. Den radicalen Untexſchied zwiſchen hey
philoſophiſchen Iriehetlänung und: da Hbnfen oben oh
Oben ae. mn
2. Max: dat adiags Den Mama Asfache in: ne
fgichtfchreibung, lebhaft angefochten. Wenn A jedoch ſeigte /
das perſiſche Reich iſt dad urch gafallen, Daß...) Def
ern Min sang B daraufı erwiderte: Gott bewahrel
vielmehr hat ſich der. Verfall des perfifchen Reichen Dariy
gezeigt, daß daß or daß . -, ſo kann ich
hierin eint wefentliche Werſchiedenheit unmöglich: anerkennen
Es iſt bekannt, mit. welcher: Genauigkeit Polybios die Bes
griffe ‚woyy , wiria und FEopaasg von einander ſcheidet. Str
dem Perſerkriege Alexanders d. Gr. ſei der Uebergang über. den
Hellespont die aoyn, die Rache für den Zug des RXerxes die
noöganız, endlich der überraſchende Erfolg des Xenophon
und Ageſulass die atcia geweſen (II, 6.). Der Begriff von
sog fit hie ofſenbar an den Haaren herbeigezogen; die an⸗
186 Thukydides. Kap. 5. i
fhichte fo abgeftumpft, wie dieſe pſeudogeiſtreichen Sinne,
Wo der Hiſteriker unparteilich iſt, da werben fie ihn gleichgüls
tig, wo er tren fit, durch feinen Stoff gebunden nemen; wo
er harakterifirt, da fprechen fie von Auekdoten, wo er plas
ſtiſch darſtellt, von dem Mangel höherer Prineipien. Die
halliſchen Jahrbücher Haben in ihrer Beurtheilung von Leo⸗
pold Ranke einen. interefjanten Beleg hierzu geliefert. Wel⸗
ches Vergnügen müßte e3 fein, wenn aus Tynkydides Zeit
sine ähnliche Kritik über diefen noch erhalten wäre! Freilich,
dergleichen Weisheit iſt wie eine Saudwelle in der Wüſte:
ein einziger Windſtoß verwehet ſie, und der nächte Morgen
kennt fie nicht mehr. — Darum leiftet unfer Thukydides auch: vor
vorn herein auf den. Beifall des großen : Haufens Verzicht 1)
22.) Darum find aße. hronologiichen Beftiunmungen;
welche : fein. Werk enthält, nicht: nach den willkürlichen um
vergänglichen Annahmen des attifchen Kalenders gegeben, fon
dern nad den ewigen Ordnungen der. Natur, wie fle in dep
Geſtirnen (I, 78.), den Jahrszeiten (V, 26.), in Blürke,
Frucht und Ernte unwandelbar wiederkehrt 2). Am Schluß. feine
Vorrede thut er hierüber fein Herz auf: mit. edler Zuverficht of |
fenbart er feine Hoffnung, dieß Werk folle ein Schatz für de
Ewigkeit fein, nicht ein Schaufpiel zu vorübergehendem Of
renſchmauſe (I, 22.). Geliebter Meiſter, Du def Dich nict
Berge 2 !
3
— — ee — — —
1) Wie wenig man hen. Thukydides (ers in bandgreiffichen Die
gen beadhtete, zeigt der Inhalt des angeblid) platpnifchen Hippardob :
und des fimonifchen Philoferdes: vgl. Thucyd. J, 20. VI, 54.
2) TI, 1. 19. 79. III, 1. 15. IV, 1. 2. 6. 84 etc.
3) Eine ähnliche ſchöne Miſchung von Selbflvertrauen und Borlat
ſ. in Winckelmann's Briefen: Werke Bb. IX, ©. 276 fg.
Vorrede zu Robertfon’s Gefchichte Karla V., bildet einen —8
digen Contraſt hiergegen. Vgl aber wiederum ben Schluß der VWorrebe
zu Montesquieu’s Esprit des loix.
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$. 2... Pioolagifege Arfechen. 189
beftimmt werben kann. So bleiben fie denn In dieſem ‚ayls
gen Cirkel ewig mr an. :der Oberfläche; ſie find gezwungen,
wie cd Polybios fo ‚Häufig begegnet, mit Verwunderung zu
bemerken, von wie Heinen: Zufälligkeiten die Geſchichte bey:
Menſchen abhängig. fei 2). —.. Dann .aber. pflegen die Mei⸗
ſten auch zufrieden zu fein, wenn fie nur die Hauptperfonar
durchſchaut haben. Was die Hebrigen vermocht, ſich an def
Hauptperſonen anzuſchließen, ſie eben Hauptperſonen werden
zu laſſen, das bleibt unerörtert. Die große Maſſe wird alg
willenloſer Thon betrachtet, wotaus jene Helden alsdann nach
Belieben ihre Gebäude aufgeführt hätten. Einigermaßeniſt
dieſes ſchon bei Kemophon der Fall; an dem entgegengeſetzten
Fehler laboxirte Herodot, der feine Volkscharaktere allerdings.
vortrefflich zu ſchildern weiß, feine Perſonen aber meiſtens et⸗
was uniform, hau. Thukydides auch hier wieder in der
Mitte!
Nicht ſelten redet Thukydides r mo dieſelben Beweggrunde
zu wiederholten Malen, gleich wirken, won der menſchlich en
Natur im Allgemeinen. So erwartet er nach der Natur ber
menſchlichen Dinge, daß die Zufunft dafjelbe ober Aehnliches
bringen müſſe, wie die Vergangenheit (I, 22.). So zählt
er bei den revolutionüren Parteikämpfen, welche Hellad.. ver=
wüſteten feit dem Aufitande von Kerkyra, es ſeien Dinge vor⸗
gegangen, mie fie in ähnfichen Umftänden überall vorgeben.
müßten, fo ‚lange die menſchliche Natur bie alte bleibe III,
831 fg). Dieſe Natur wird in ihrer fündhaften Schwäche.
und in dem, ewigen Widerſtande gefchifvert, welchen ſie ben
— — — — ——
y Säleiermager lagt febr, gut: „Es ſheint nur ‘ein eeres,
aber keinesweges unperdächtiges Spiel der Phantafie zu’ fein, was fo"
häufig gehört wich, ‘von groͤßen Begebenheiten aus Heinen Urſachen:
indem die Aufmerkſamkeit dadurch nur von dem allgemeinen Zuſammen⸗
hange, in welchem die wahren Urſachen boch eigentlich liegen, abgelenkt
wird“ (Chriſtl. @1..],.242.). rn
190 Ahutydides. Kap. 5.
Geſetzen enigegenftellt (II, 84.); zugleich aber in ihrer unbe
ſiegbaren Kraft, wonach es vergebliche Thorheit wäre, fi
durch Drohungsmittel von dem, was ſie mit —* ver⸗
langt „zurückſchrecken zu wollen (III, 45.). ’
Die eigentliche Erzählung des Thukydides verhält ſich zu
feinen Reben, wie der Leib zur Seele. Jeder Außern Hands
fung in der Körpermelt gebt bier eine innere Handlung In der
geiſilgen Welt vorauf. Der'Lefer wird dieß am deutlichften
erkennen, wenn er die äußere Entwidlung des atheniſchen
Machtzuwachſes (I, 98 ff.) mit der geiſtigen vergleicht in der
Geſandtenrede zu Sparta (I, 73 ff.). Der game Haushalt
dieſer Geſchichte iſt gleichſam durchſichtig: alle Vorgänge liegen
vem Auge ofſen, und wo Nichts überraſcht, da iſt Alles er⸗
elätt. Die Hohe, freilich ſchwer zu beſchreibende Kunft des
Thukydides beſteht Kauptfächlich darin, jeden: Zug feiner Cha⸗
rakteriſtiken zugleich ald die Mutter und Die Tochter von ans
dern Zügen Hinzuftellen. Wie K. O. Muller ſehr richtig
bemerkt, wohl keine Periode in der Geſchichte des Menſchen⸗
gefifectes ſteht mit folcher Klarheit vor unfern Mugen, wie
die erſten ein und zwanzig Jahre des peloponnefiſchen ſrrieges
durch Thukydides HY.
B. In Behandkung der materiellen Verhältniſſe
war noch Herodot nichts weniger, als vollkommen geweſen.
Seine geographiſchen Partien insbeſondere könnte man ſehr be⸗
ſchneiden, ohne den Zuſammenhang des ganzen Werkes zu
ſtören. Bel Xenophon wiederum derſelbe Fall. Wie oft
legt ſeine Anabaſis den hiſtorifchen Kothurnus ab, um den
beſcheidenen Soecus der Reiſebeſchreibnng anzuziehen! Auch
Thukydides hat das taktiſche und ſtaatswirthſchaftliche Element
nicht vernachläſſigt. Bei XRenophon aber nimmt es nicht nur
in manden ſtreng hiſtoriſchen Werken den Vordergrund ein;
— |
1) Geſch ber griech. Literatur: Th. II, ©. 322.
$. 2, Materie Urſachen. . 488
ſondern e8 bat fich. bei ihm fogar zu eigenen Lehrbüchern aus⸗
gebildet. — Es fit eine ganz verfchiedene Sache, das Meuſchen
liche vor dem Materiellen hervorzuheben, weil man. Beides
vollkommen zu würdigen verſteht, oder weil man, maß bei:
denn Neuern fo häufig der Fall iſt, das Erſtere allein kennt.
Thukydides war praktiſcher Kriegs⸗ und Seemann... Wie. be:
deutend feine. Kenntniſſe Hierin geweſen, zeigt bie muſterhafie
Klarheit ſeiner Schlachten und Belagerungen. Nur die Fülle,
wie der Dichter ſagt, ‚führt zur Klarheit. Auch ſcheinen ibn
feine Kenntniſſe diefer Art jeden Moment gegenwärtig zu. ſein.
Selbſt den Homer lieſt er mit kriegeriſchem Sennerauge:(h,; -
10.) . Aber nie.geht er weiter damit, ald zum Vexſtändniſſe
der Begebenheiten, . welche. fein. Buch ſchildert, nothwendig
war. . Eben darum giebt er mit fixenger Auswahl Lediglich:
das Charakteriftifche, So erzählt er III, 98: „Man ſah dort.
Alles, was fih auf einer verderblichen Flucht zu ereignen
pflegt.” Ohue weitere Ausführung 2). Diefe Scheu vor bem- .
Nichtcharakteriſtiſchen, wie bat. fie Bei den Späten abgenom⸗
men! Dan denke nur an Dieber, dm: :aber noch lange niche
die Byzantiner erreicht ).
Auch in der geogranbifäien. Seſchrelbung iſt Thuky⸗
dides Meiſter. Wie vortrefflich hat: ee Sphakteria, die Um⸗
. .1i
—
2) Bgl. auch III, 81. W een
2) Wenn biefe 3. 8. eine Schlacht befchreiben wollen, fe erjähten. |
fie ausführlich, daß die Trompeten geblafen, bie Schwerter entbloßt
wären, bie Pferde gewiehert, die Waffen Eriegerifch gebligt hätten, m
dgl. m. Kommt vieleicht eine Schlachtrede, fo enthält fie die abgedro⸗
ſchenſten Trivialitäten. Dann wird ganz kurz von dem Ausgange ber
Schlacht berichtet: Run. wieber eine ebenfo aus führliche, wie uncharak⸗
teriſtiſche Beſchreibung der Flucht. Am empörendſten wirb,biefe Manier
bei den Thronbeſteigungsceremonien der Kaiſer, wo man noch am erſten
etwas Charakteriftifches, wenigftens für bieß Volt Charakteriftifches er⸗
warten ſollte! Selbft die beffern Scheiftfleller, wie 5. B. Leo Dias ’
konos, theilen mit wenig Ausnahmen biefe Säytehtigkeit.
190 Thulydides. Kap. 3.
Gefegen enigegenftellt (III, 84.); zugleich aber in ihrer unbe
fiegbaren Kraft, wonach es vergebliche Thorheit wäre, fi
durch Drohungsmittel von dem, was ‚fie mit Ungeftäm beim
langt, zurückſchrecken zu wollen (III, 45.) M
Die eigentliche Erzählung des Thukydides verhält fih
feinen Reden, wie der Leib zur Seele. Jeder dußern Hanl
fung in der Körpermelt geht Hier eine Innere Handlung in ef
geiftigen Welt worauf. Der’ Lefer wird Dich am deutlich
erkennen, wenn er die Äußere Entwidlung des athenticha
Machtzumachfes (I, 98 ff.). mit der geiſtigen vergleicht in def
Geſandtenrede zu Sparta (I, 73 ff.). Dee ganze Haushalf
diefee Geſchichte ift gleichfam durchſichtig: alle Vorgänge Tiegaf
dem Auge offen, und wo Nichts überraſcht, da iſt Alles ai}
klärt. Die hohe, freilich ſchwer zu beſchreibende Kunſt dee
Thukydides beſteht hauptſächlich darin, jeden Zug feiner Epof
rakteriſtiken zugleich ald die Mutter und die Tochter von anf
dern Zügen Hinzuftellen. Wie K. O. Müller ſehr richtig
bemerkt, wohl Feine Periode in der Geſchichte des Menſchen
gefchlechtes fteht mit folcher Klarheit vor unfern Augen, ik‘
bie erften ein ımd zwanzig Jahre des peloponnefifchen Strieget‘ |
durch Thukydides 1).
B. Sn Behandlung dee materiellen Berbältnifie k
war noch Herodot nichts weniger, als vollkommen gemefen.
Seine gengraphiichen Partien indbefondere koͤnnte man fehr be⸗
fehneiden, ohne den Zufammenhang des ganzen Werkes zu
ftören. Bei Kenophon wiederum derfelbe Kal. Wie oft ;
legt feine Anabafis den hiſtorifchen Kothurnus ab, um Bei
befcheidenen Soccus der NReifebefchreibung anzuziehen!
Thukydides Hat das taktifche und ſtaatswirthſchaftliche Sim i
nicht vernachläffigt. Bei Xenophon aber nimmt es nicht mm |
in manchen fiveng Hiftorifchen Werken den Vordergrund ein;
N
1
i.
1
1) Geſch. der griech. Literatur: Th. II, ©. 352, -
$. 2. Materielle Urſache. 191
jadern es Kat ſich bei ihm ſogar zu eigenen Lehrbüchern aus⸗
dildet. — Es fit eine ganz verſchiedene Sache, das Menſch⸗
he vor den Materiellen hervorzuheben, weil man Beides
Mllommen zu würdigen verſteht, oder weil man, was bei
in Neuern fo häufig der Kal it, das Exitere allein kennt.
Unfgbides war praktiſcher Kriegä= und Seemann... Wie bes
mitend feine. Stenninifje hierin geweſen, zeigt die mufterhafte
Harheit feiner Schlachten und Belagerungen. Nur die Fülle,
Ne der Dichter jagt, führt zur Klarheit. Auch fcheinen ihm .
ie Kenntniſſe diefer Art jeden Moment gegenwärtig zu. ſein.
selbst Den Homer lieſt er mit kriegeriſchem Kennerauge (I,
D.). Aber nie geht er weiter damit, als zum Verſtändniſſe
er Begebenheiten, welche ſein Buch ſchildert, nothwendig
ar. Eben darum giebt er mit ſtrenger Auswahl lediglich
8 Charakteriſtiſche. So erzählt er III, 98: „Man ſah dort
Heß, was ſich auf einer verderblichen Flucht zu ereignen
Tegt.” Ohne weitere Ausführung 1). Diefe Schar vor ben
Nchtcharakteriftifchen, mie bat. fie Bei den Spätern abgenoms
en! Dan deufe nur an Diodor, te aber noch lange nicht
ie Byzantiner erreicht ?).
Auch in der gFeographiſch en 1 Beiäreibung iſt Thuky⸗
ides Meiſter. Wie vortrefflich hat er Sphakteria, die Um⸗
—
1) Bgl. auch III, 81.
2) Wenn dieſe z. B. eine Schlacht beſchreiben wollen, ſo erzählen
e ausführlich, daß die Trompeten geblaſen, bie Schwerter entblößt
ären, die Pferde gewiehert, die Waffen kriegeriſch geblitzt hätten, m:
ji. m. Kommt vielleicht eine Schlachtrede, fo enthält fie die abgedros
benften Zrivialitäten. Dann wird ganz furz von dem Ausgange ber
ſchlacht berichtet. Run wieber eine ebenfo ausführliche, wie uncharak⸗
ziftifche Beichreibung der Flucht. Am empörenditen wirb biefe Manier
i den Zhronbefteigungsceremonien ber Kaifer, wo man nod) am erften
was GCharafteriftifches, wenigftens für dieß Volt Charakteriftifches er⸗
arten follte! Selbſt die beffern Schriftfleller, wie 3. B. Leo Dias '
nos, heilen mit wenig Ausnahmen diefe Sdlechtigkeit.
1923 .Ahukydldes. Kap. 5:
gebungen von Amphipolis, von Syrakus geſchildert!
er nimmt keinen Zug auf, der nicht zur Erklärung der
folgenden: Kriegsthaten unmittelbar verwendet würde. —
will ich einen Augenblick bei, dee Beſchrribung von Sie
er dem ſyrakuſiſchen Siege. voranfchiet, ſtehen bl
(VI, 1 fj.). ‚Die einzigen, rein geographiſchen Bemerkur
die ich hier finde, betreffew ‚die bedeutende Größe der J
ihre Nähe bei Italien und bei Afrika. Dieß iſt nämlich
Einzige, was er ſofort ſchou verarbeiten Tann... Gleie
den nächſten Reden ſpielt es ſeine Rolle. Die verwickelte
pographie dee Stadt Syrakus, als Einleitung vorarigefl
würde: dent Leſer gar bald, wo er fie eben brauchte, wi
entfaflen ſein. Meßhalb. wird das. Motäiwenbige baraud
den verſchiedenen Stellar::dex. Kriegsgeſchichte ſelbſt eingeſt
tet. So beſchäftigt ſich denn jene Sinleitung hauptſächlich
einer hiſtoriſchen Ethnographie der Inſel. Die verſchied
Einwanderungen werden. mit chronologiſcher Strenge un
führt. Man ſieht das Verhältniß der doriſchen Kolonier
den nicht doriſchen, der Griechen überhaupt: zu den barb
ſchen Umwohnern. Man erhält einen bunten Eindruck
der. ſonderbar zuſammengewürfelten Bevölkerung, die !
durch Seeräuber, bald durch Flüchtlinge, bald durch Einn
derer vermehrt worden; von der raſchen Fortpflanzung
Hauptkolonien durch Tochterſtädte, von dem häufigen We
der Wohnorte durch Vertreibungen. Hier iſt kein Zug,
nicht auf den Krieg nachher entſcheidend einwirkte. Und
darum wird auch das Meiſte davon gleich in den nächſten
den zu Athen weiter verarbeitet. — Mit dieſer ſtrengen,
haltenen Beſchreibung nun, die zugleich von der tiefſten Ke
niß zeugt !),, müßte der Leſer die ägyptiſchen Gemälde
Herodot vergleichen!
I) „Was er weiſe verſchweist, zeigt mir den Meiſter
Stils.“ Schiller.
5. 2. Nothwendigkeit. Gimbifung der Götter. 408
anexrtannt (VI, 18.) 2)... Bel iehem wichigen Greignifte fin
den ſich ähnliche Aeußerungen.
Die übermenſchliche 2) Gewalt, bie gie zu Grande Het,
wird vom Thukydides in der Megel durch zug ober wuyas
bezeichnet. Sie Tann die weiſeſten Berechnungen, wie bie thö⸗
rigſten Hoffnungen durchkreuzen (I, 120. 140.). Durch khugt
Vorſicht wird ihr Spielraum eingefchräntt (VL, 23.), por⸗
nehmlich durch Mäßigung, welche mit ihren Entwürfen Halt
macht, ſo lange ſie von der Tyche noch begünſtigt werden
(IV,.19. 62. 64.). Dahin war es jetzt gekommen mit dem
herodotiſchen Neide der Gottheit! — Daß Thukydides dieſe
Nothwendigkeit den Göttern zugeſchrieben, erhellt auf II,
64. Hier wird. ber unvermeidliche Verfall des atheniſchen
Staated gerabesu ald dasovıov den Angriffen and wir role
nloov entgegengefeht. — Was bleibt aber, fa könnte man
fragen, was bleibt in Thukydides Gefchichte, wo doch. Alles
in menſchliche Triebfedern zerlegt iſt, den Göttern irgend noch
für ein Spielraum? Die Antwort hat und Thukydides nicht
ſchwer gemacht. . Mag bei ihm auch jede Handlung eines Hel—
den als das wohl zu erwartende Product ſeines ganzen Cha⸗
rakters erfcheinen, als durchgeſetzt wiber fo und fo befchaffene
Gegner, als unterftügt won fo und fo befchaffenen Anhängern,
als begünſtigt durch fo und fo beſchafſene materielle Verhält- |
niſſe; fo Bleibt Doch immer noch eine Frage übrig: Wer bat
denn jene Berfünlichfeiten jo und nicht anders gefchaffen? Wer
Bat fie in diefe Zeit, in diefes Land fo und nicht anderö zus
fammengeltelt ? Wer hat, mit Einem Worte, jene. taujende
fachen Umftände herbeigeführt, welche die Aeußerungen der
menfchlichen Natur felbit da, wo dieſe ewig fich gleich bleibt,
in veeſchicbenen Zeiten fo verſchieden geftalten (III, 82.)2 — _
1) Bol. VI, 11.
2) Oi ardoguziens derduens: VL, 78. .
- 13 *
494 Thukydldes. Kap. 3.
Nun zu der phyſiſchen Nothwendigkeit!
ganze peloponnefifche Krieg fcheint dem Thukydides durch
nothmendigen Lauf dee Dinge herbeigeführt zu fein.
den kerkyräiſchen Gefandten wird auf das Hellſte dargel
wie Athen Keine Wahl mehr Habe zwifchen Annahme und
werfung ihred Hülfsgeſuches; wie ber Krieg zwar nochn
erflärt fei, doch aber in Kurzem und notbwendig beim
(1, 33. 36.). Auch von den Korinthiern zu Sparta.i
diefelbe Nothwendigkeit in's Licht geſtellt; nur dag nad i
Rede die Athener als Urheber des Kampfes erſcheinen,
die Lakedämonier. Dieſe gleiche Beſchuldigung auf..ke
Seiten iſt ein genügender Beweis, daß fie beide mit Um
trifſt. Wie fehr übrigend eine ſolche Nothiwendigkeit mr &
nung des Thukydides it, nicht aber in den: wirklich geb
nen Reden urgirt wurde, fieht man recht deutlich Daraus, |
die Lakedämonier wirklich Der Anficht waren, ihre Wil
babe den Krieg angefangen (VII, 18.) und fortdauern. 1a
(IV, 21.) . — Die Athener vertbeidigen ihr Umfichgte
damit, daß fie um ihrer eigenen Sicherheit willen Andere I
ten unterwerfen, dann aber nothgedrungen die einmal betre
Bahn fortfegen müſſen (I, 73 fſ.). Auch in Perikles a
Rede ift der. Grundgedanke Die Unvermeidlichkeit des Krk
(avayan moksueiv: I, 144.) 2). Ebenfo verfichert Thukyd
geradezu, daß nach dem Frieden des Nifias beide Theile ı
aus planmäßiger Ueberlegung, fondern dvayxacdersag
Krieg wiederbegonnen haben (V, 25.). Eine Nothwendi
für Athen, entweder Alles zu verlieren, oder weiter und
mer weiter fortzugehen, wird auch in. den melifchen Unterh⸗
lungen (V, 91 ff.) und fpäterhin Durch Alkibiades entſchi
— —
) Der Athener Iſokrates (De pace) hätt umgekehrt ſeine La
leute für die Angreifer.
2) Bgl. DI, 61. 63.
$. 2. Nothwendigkeit. Gimwirfung der Götter. 40
rannte: (VI, 18.) 2)... Bei jedem wichtgen Geeignife fin
a fich Ähnliche Aeuferungen.
Die übermenſchliche 2) Gewalt, die hie zu Grunde liegt,
Kb vom Thukydides in der Regel durch zug oder zuyas
heichnet. Sie kann die weiſeſten Berechnungen, wie die thö⸗
Den Hoffmmgen durchkreuzen (I, 120. 140.). Durch kluge
werſicht wird ihr Spielraum eingeſchränkt (VI, 23.), por⸗
tzulich durch Mäßigung, welche mit ihren Entwürfen Halt
act, fo lange fie von der Tyche noch begünſtigt werben
V, 19. 62. 64.). Dahin mar e8 jet gefommen wit dem
wodotiſchen Neide der Gottheit! — Daß Thukydides dieſe
wihmenbigkeit den Göttern zugeſchrieben, erhellt aus II,
k . Hier wird. dee unvermeidliche Berfall des atheniſchen
aates geradezu als dasuo»ıov den Angriffen and zus node-
ur entgegengefeht. — Was bleibt aber, fo koͤnnte man
agen, was bleibt in Thukydides Gefchichte, mo dach Alles
: menfchliche Triebfedern zerlegt ift, den Göttern irgend noch
rw ein Spielraum? Die Antwort bat und Thukydides nicht
Iwer gemacht. Mag bei ihm auch jede Handlung eines Hel⸗
mn als das wohl zu erwartende Product feines ganzen Cha⸗
kters erfcheinen, als durchgeſetzt wider fo und fo bejchaffene
egner, als unterftüßt von fo und fo befchaffenen Anhängern,
8 begünftigt durch fo und fo befchaffene materielle Verhält: |
fies; fo Bleibt doch immer noch eine Frage übrig: Wer hat
un jene Perfünlichkeiten fo und nicht anderö gefchaften? Wer
it fie in dieſe Zeit, in diefes Land fo und nicht anders zu⸗
mmengeftelt? Wer hat, mit Einem Worte, jene. taujend-
hen Umftände herbeigeführt, welche die Aeußerungen der
mfchlichen Natur jelbit da, wo dieſe ewig fich gleich bleibt,
verſchiedenen Zeiten fo verſchieden geitalten (III, 82.2 — _
1) Bel. VI, 11.
2) Quæ ardemziens durdusus: VL, 78.
- 13 *
1% : Thukydides. Kap. 5.
Diefe Fragen hat uns Thukydides nahe gerückt, er beani
tet fie nur an jener Einen Stelle, wo von Athens Da
bie Rebe ift, offen Heraus durch Nennung der Götter.
Es iſt Die Aufgabe des Hiſtorikers, menfchliche Di
welche der gemeine Blick nur als iſolirt und zufällig auff
in ihren taufendfachen Verknüpfungen und Bedingungen I
zuftellen. Auch der Naturforfcher firebt dahin, und fchon
xagoras war -bemühet, möglichſt Vieles in der Welt auß
nen Wirbelbewegungen herzuleiten, möglichit Weniges um
telbar auf den Nous zu beziehen. Nur balte Niemand.
folches Verfahren für irrefigiüs! Je zahlreicher in. einemH
die Truppenmaſſen, je verfchiedenartiger die Warfengattun
je Bunter und einflußreicher das Terrain, je verwickelter
Berpflegungöwefen, je mächtiger eingreifend die Volkscha
tere und Staateverhältniffe find: deſto größer des Feldhe
Geiſt, der all dieſe Mittel zum Siege führt: . So muß 'a
in der Welt jede erweiterte Kenntniß des natürlichen Zuf
menhanged der Dinge, wenn man die übernatürliche Re
rung nicht leugnen will, die Ehrfurcht vor derfelben fi
machen 1).
Thukydides Hat in dieſem Stücke keine Vorgänger
Habt, wenige Nachfolger gefunden. Herodot läßt al
tieferen Grund feiner Erzählung überall den Neib oder
Rache ded dasuovsov hervorblieten. Alfo die freien Entſchl
der unbekannten übermenfchlichen Welt, während in 7
kydides Darftellung nur die Nothwendigkeit in der bekar
ten menfchlihen Welt zue Sprache kommt. Für Thukydi
Erklärungen iſt die Gottheit allemal. die letzte Inſtanz;
Herodet faft immer die erſte. „Weil es dem Könige übe
ben follte, fo unternahm er biefen Zug”: das iſt Herod
gewöhnliche Erklärung 2). Nicht viel anders macht es wi
— —
) Bol, Schleiermader Chr. Glaubenslehre: Th. I, S. M
2) 11, 161. IV, 79. V, 33. VI, 64. IX, 109.
6. 2. Erklatungen ded: Thukydides. 200
ganze Werk, tauſendfach In einander geflochten, wid ed If
Wine Partir, melibe ‚nicht au einem oder -meheten EDönnie ge⸗
rechnet werden. Schon bei’ den Reden haben wir tie kennen
gelernt: politiihe Gehunmg im Innern, Unternehmuugsgeifſ
nach Außen, Seemaͤcht und Bundesherrſchaft.(Wir werden
tiefer unten daB ganze Werknach ihnen auiufien;: =: m
aber Nichts. unecikict zu laſſen, Führt der Hiſtoriker wen die⸗
fer. Faden bis auf den: Urſprung der helleniſchen Geſchichte Zu⸗
rück. Er weiſet nad; daß beim. Aufauge bes: Striched fer
der. von ihnen feine höchſte Stärke erreicht gaben, 17. in
. "Die bewunderungswerthe Grimdlichkeit, mit wehcher Tas
kydides Ercklärungen immer alle: Sehtew des vorliegenden Rico
Häftäigfes, zugleich umfaſſen, iſt am :Deittlichften in der mityle⸗
ndiſchen Mebe zu / Dlympia nachzuweiſen (IE 9:1); ? Bier iſt
auch VPBeſeuders im. dreizehnten Kapitel, die äußere Form fo
ſtreng; wie fie. ſonſt nur in der Verrede getrofſen wirdi Hin⸗
ten jeber AnzelnenBehauptung folgt ſogleich die Erklärung,
mit yagı, wrungian:.da md halichen Bartileln:;eingeleitets
Bier: zus ‚Angabe: bed: geiſtigen Beweggrundes, in der Vorrede
zur kritifchen Beweisführuug. Daß Thulydides übrigens ſeine
Erkliruug den äußern Thatſachen gewöhnlich vora uſch ickt,
iſt nicht. Klo chronologiſcher ſondern macht auch bie ganze
Sache sven: Lofen: deutlicherl So werben z. B. vor der letzien
Eiwakafierſchlacht in Nikias Rene: die Kriegsanſtalten geſchil
dert: welche· die Athenet als Aufßrrſtes Rettungbmittel effonrien.
hatten IIBIfſ)..Die Kritik dieſer Mittel haͤtte eini Au⸗
derervielleicht/ erſt be der Sthlacht ſelbſt gegeben ——
umptaftifch bewaͤhet winduehu,in) Thukydides ‚aber giebt fie vor⸗
becs:.er: Togtr fie ie den Wand des ſyrakufiſchen Bchügeren (67),
um zu gleicher Zeit auch die Stimmung der beiden Heere zu
fhildern, die dumpfe Niedergefchlagenheit der Athener, vie
ftolge Sicherheit der, Syrakuſier.
Zum, ‚Belährie.. dieſer nlerſachung⸗ muß ich eine lehte
Eigentchümlichbeit 8 Thukyydidesl wenigſtens noch anbdeuten.
—
19838 xdhulhdldetz. Kap. 5.
tie Zufannnenftellung dee Individuen. Schon bie bloße
nahme. des Tritagoniften iſt hier natürlich von der gel
Wichtigkeit. Euripides Hat das äußerliche Eingreifen der.
ter wieder eingeführt, ‚ohne. den Slauben daran. — 2:
mag es erlauht fein, noch einige fotratifche Anfichten
zufügen, "welche den Pragmatismus des Thukydides von
nem andern, . einent weſentlich ‚philofophifchen Standpr
aus unterſtützen können. Wie Thukydides Gefchichte zu ih
Gegenftande faft ausfchließlich. den Menfchen nimmt, fo
fih auch ‚Sokrates Philoſophie, wie Jedermann weiß, beir
auafchlieglich der Erkenntniß des Mienfchen zugewandt...
Sofrates erklärt: ſich mit ſtarken Worten gegen Die, m
Mes, und gegen Die, welche Richts in der Gefdhichte k
Gottes Rathſchlüfſe erklären wollen !). . Und ebenfo ma
fich Inftig über Diejenigen, welche auf ungehörige Art ma
liche Enticehlüffe von materiellen Urſachen herleiten. 2% .
Thukydides mußte den Hauptgegenſtand feines We
zum Maßſtabe nehmen, was für Züge er." zur. Schilder
ſeiner Perſonen anwenden follte. Dieſer Gegenftand mar
peloponneſiſche Krieg und das Herabſinken Athens durch
ſelben. Hierzu wurde natürlich Feine allſeitige Schilda
der Zeitgenofjen erfordert. Ob cin Staatsmann z. ©.
alten. Chorpoefle oder dem neuen Dithyrambos gewogen v
ob er Dem Protagoras anhing, oder dem Sokrates: — %e
intereſſante und charakteriftiiche Fragen — konnte Hier
nicht erörtert werden. Wenn es anging, fo mußte Thul
des das Gewebe diefer Staatd= und Kriegögefchichte auch
aus“ pofitifchen und militärifchen Faden ausführen. —
bat er denn’ vier verjchiedene Faden, woran er die ?
ſachen zufammenreiht. Dieſe laufen ohne Unterbrechung du
J 1) Xenoph. Memor. l, 1, 8 244
2) 6. Ritter, Th. II, ©. 66.
6.2. Cukelerklaͤrungen. 201
ben. Bei ihm ift der erklärte Begriff dem erflärenden allemal
ſubordinirt; und die Schönheit feiner Erklärung beruhet mes
fentlih auf der Schärfe diefer Abſtufung. Dahingegen find
die Glieder der hiſtoriſchen Erklärung einander coordinirt: fie
wollen die Wirklichkeit, nur enthüllt und angeordnet, wieder
geben. Im der Wirklichkeit aber giebt es Feine abfolute Sub⸗
ordination: hier wird das Große ebenfo oft von dem Kleinen
modificirt, wie daB; Kfeiyg ppn dam . Jede wahr=
Haft gelungene heiſtsſiſche Erklärung drehet ſich
im Cirkebaſ AT 3 Sn „inındD
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200 Thufgbived. Kap. 3.
Seine Erflärumgen Ianfen fo .allmählig in einander, 1
einander fo fehr mechjelfeitig, dag man jelten gerade:
kann, welches das erklärende, welches das erklärte G
Es findet hierbei eine Art von Kreislauf Statt. €
z. 8. ¶, 2.) von der unfläten Lebensweiſe, von ben
fen Auswanderungen der älteften: Hellenen gefprochen.
kam vieß?. Weil ih Niemand an feinen Boden
wollte. Woher daB wieder? Beil man fürchtete, je
genblick koͤnnte ein. Stärkerer kommen, und Gemal
chen. Hier ſcagt mar uunwillkürlich: Woher denn das
und ebenfo. nahe Liegt Die Antwort: Weil eben Alle
unftdt: waren. — Aun derſelben Stelle. bemerkt Thu
die Unſicherheit jener Zeiten rühre großentheils daher,
Städte damals Feine Mauern beſeſſen Hätten. Und
Reihen tiefer: gerade, wegen der Unſicherheit aller.
feien die Städte weder groß, noch feſt geweſen. —
7 fg. ſind die ältern Städte, des Feſtlaudes wie ber
weil fie den Seeräubern wicht gewachſen waren, t
Lande angelegt. Die jüngern dagegen wurden. an t
gebaut ‚: und hier Bei ihrer. günftigen age alsbald durd
fahrt und Handel mächtig. Alſo Be Lage machte fi
und doch, wären ſie ‚nicht Stark geweſen, fie Hätter
Küſte ger wicht ausdauern können !). — Ich Habe. m
Deifpigle auögefucht, die wegen ihrer Kürze beſonders
find :. dieß iſt; aber der gemeinſame Charakter aller €
. gen deßs Thukydides. — Man: erinnere ſich an De
was ich. -pben ſchon von Dem Unterſchicde der: pbilofr
und der hiſtoriſchen Erklärung beigebracht habe. ‚Dem
f erben würde eine, ſolde Sieg ſchecht gemy
— —
1) Bgol. noch die Geſchichte von der korint hiſchen See⸗1
delsmacht (I, 13.), von der athenifchen Bundesherrſchaft (I, 7.
denn Nacyfolgern des Perikles (II; bad Auch VII, 67. und: \
Charabktetiſtik Der perlkichchen Zeit. 203
Leider fließen: die Quellen zur Kmdedieſetß Zelttaumes nicht
weniger als reichlich. Vom Sehen des Perikles Haben wir
aus dieſer Zeit mir die kurge Ueberſicht im eiften Buche ded
Thukydides,nnnd. die: genauete Geſchichte feiner letzten? Jahre
Was den Phewwias Geteifit, ſo reden le Trümmer feiner Bau⸗
werte freilich kur vowi ihmy alt Bungennoder. Buchſtaben
Im Stande mixen; Aber feine Bilder ſiad nndistine in: ſpäten
Copient, "ober ſeit Lord Elgins Zeit in: audfeliuften, Halb
verſtümmelten Deiginalen zugaͤnglich⸗ "Auch non Sophokleß
iſt nicht. der Jehnte Theil feiner Schhpftingen erhalten mordeu.
— Dark die Kinder und Enkel Meier Phriode if unmittelbat
nur wenig When: denn das Berſtänbniß der großru Zeit
ding alſebald verleren. Sorhat Plate: tnsbeſondere ben
dert allen iSiaatsndnnern allein den: Ariſteldes7 Kllenfallsich
den Alter Thak endes Hochgefchäner’Tdien. Theuriſtokles aber,
den Kimon und Perikles mit dem wahren Stuatsinamieirfe
verglichen 5": Soße die Köche mit Vent Arte 3. Much die ältere
Weiſe der Kucdeczucht, jene Bruuvdlage der peritleiſchen Hert⸗
lichkeit, ſuchte er offen herunterzuſetzeu 33: -Dägenim klären
manche lH AB: Perikles Zein den Reden. wur tl.
in den Reden des Demoſthenes.
Aber auf eine andere Weiſe iſt uns der herrlichſte Erſatz
geworden. Zwei Männer, beidenaus der nerikleiſchen Zeit
gebtittig /"' aber jünger, als Die Oergen derſelbenver "Eine
aus. hohem, der Andere ‚ad Miföktken Sianve tetiten ven
Geiſt der, athenifchen Groͤße noch ungelchwmäfert ia.iich ,, haben
ihn durch die Stürme‘ ber Verdervmigegerettet , wi: Se ewigen
an ar arm HER 1m:
— WEERTEIEIBER TEN Dam gr werd Imst
y Gorg. pn 508. "Rs, “ma.. ht, cueig Sn at IXe-
noph. Symp. VI), Tondernyand bie ‚ninker, —— Sotrati⸗
ker, wie Zenophon und Simon (De virt. p 876 D. , ürkheitten ,
bierin welt etäfegle. 7 >. etunie
eat. ds note 190 en WIUSE.D y
2) Soph. p. 229. BUNT
8 nn et 1 9F
In : BL; en
ar. a Ar ey . I
s; ii: Ei ar a: 3 {
Sn 393 5. or . , 14
En Far N Bein in Ta Me, wei
mn ni Pet ie Dart ta ν i;
ran aaa
Sharakterifif der perifieifihen * in
Allgemeinen.
|
— — — — — —
Wi find nunmehr auf eine Höhe gelangt, von wo fi
eine freiere Ausficht nach verſchiedenen Seiten Hin eröffnd. |
Hier wird es möglich fein, die einzelnen Andeutungen, welche
über dad Verhältnig des Thukydides zu feinen Zeitgenoſſen
da und dort fehon gegeben find, in ein Ganzes zuſammenzu⸗
faſſen.
Den Geiſt eines jeden Zeitalters kann die Nachwelt am
beſten aus den Charakteren und Leiſtungen Derer beurtheilen,
welche das Zeitalter ſelbſt für feine Erſten erkennt. Hier find
es denn Perikles, Pheidiası) und Sophokles, welche
das Verſtändniß ihrer Zeit aufſchließen. Ihre Vorgänge
waren Themiftofled und Aeſchylos, ihre Nachfolger Alkibia⸗
des und Euripides. Denn Pheidias Hat in Athen wenigſtens
feine großen Vorgänger gehabt; er hat Schüler und Gehülfen
zurückgelaſſen, aber feine Nachfolger beginnen erſt ſpäter. —
|
1) Selbſt in ber fpätern, aber doch künſtleriſch gewiß noch guten
Periode, worin ber größere Dippias entftanden ift, wirb immer Phei⸗
dias noch als der Bildhauer xar’ Boyn® angeführt.
Charakteriſtit der Derittehhtget Zeit, 208
währt, und ich. wende 8: hier zuitlichft auf die Reihenfolge
der vorherrſchenden Stämme: an. Zuerſt ſind «8: "bie
Belasger und 2eleger, welchte die ſpätetn Stammesunterfchiede
noch ungeſondert in ſich tragen. Dann erheben ſich die äoli⸗
then Heldengeſchlechter, die zur: Zeit des troiſcheu Krieges
beinahe ganz Hellas unterworfen halten. Mit der Heraklident
wanderung tritt der doriſche Stamm in’ den. Vordrregrunki)
deſſen Haupt, Lakedämon, durch Vertreibung der Tyan)
zu. einen fait allgemeinen Hegemonie gelangt... . Aber kaum iſt
dieſe Arbeit vollendet, fo. begiunt auch fchon das rafche Wach⸗
ſen von Athen, welches cin halbes Jahrhundert hindurch nift
Lakedämwon gleich ſteht, Dad folgende jedoch nicht allbiu⸗ poli⸗
tiſch entſchieden den Berrang:- behauptet, fondern auchin
Sprade., Literatur und Kunft' unter den entgegengeſchztrü
Stämmen die höhere Mitte einuimmt. — Nach as. Sturzge
von Athen geht in ſchönſter Ordnung Alles den umgekehrteu
Gang: Zuerſt wiederum die Dorier bis zur leuktriſchen Nie
derlage; weiterhin die äoliſchen Böotier,. Endlich ; nachdem
die Fremdherrſchaft der Makedonier ihr. drückendes Ueberge⸗
wicht verloren, ſtrahlt das letzte Abendroth der: helleniſchen
Freiheit von den: Arkadiern und etoliern and, welche bean
Charakter der uralten. Beladger und Leleger am nächitenges
blieben. — . ‚Den Mittelpunkt dieſes kleinen Kataloges, "I
gleich den Höhepunkt der Hellenifchen Sefchichte überhaupt, bil⸗
det Athen: Athen in jenen drei. Perioden, die ich. flüchtig
oben bezeichnet habe, deren .mittelfte und höchſte chen Di
Staatsverwaltung des Perxikles ausfüllt. — So uriheilt
auch Thukydides, die Athener ſeien im Perſerkriege als die
Beſten erprobt (I, 73 fſ.), und in Perikles Zeit ihrem Geg⸗
‚3
— — — — — —
14). An: dieſe pflegt: daher⸗ Thokydibes ſo gern erinnern zu laſſen.
Aus welcdyen Bründen Athen damals Hinter Svarta zurccbllev, erlau⸗
tert Herodot ſehr ſchön im. erſten Baker. .: . i
204 Thulydides. Kap. 6.
Kunſtwerken der Nachwelt aufbewahrt: Thukydides 1) m
Ariſtophanes. Das Werk des Erſtern iſt und ganz erhal T:
ten; von den Komödien des Letztern doch eine wohlzufammms F
hängende Reihe ‚ho. elf ‚Eüftlihen Perlen, . und. mit. eine
Meichthume guter Scholirn,wie fie bekanntlich faſt Zein alt }:
Schriftiteller. ſonſt nach: aufmeifen: kann. Im Khukydides Lie *
und daB: politifche und kriegeriſche Leben. jener. Zeit volſſtündig
aufgeſchleſſen. Weiter, freilich nur · Weniges. Aber, ‚mad ie }
fehlt, . das finden wir im Ariſtophanes, eine Gefchichte der T-
Kunft, der Philoſophie und der ganzen Sitte „wie fie Ni }'
mehr: zu wünſchen übrig. läßt. - In disfen beiten Pännem
Hat, die altattiſche Kunft: ihre . Schärffte Eigenthümlichkeit eK
reicht: gerade darum die ſchärfſte, weil fe gegen Das eruune |:
ßende Verderben ſich ſchon yerthridigen mußte. Wer alſe die t
fen. altattiſchen Geiſt ertennen will, der findet ijn⸗ hier am
handgreiflichſten ). “ug -
Schon Polybjos 3). Sat ringeſehen daß in den. Extnit, h
ungen. Der Mienfchen ein gewiſſer ‚Kreislauf Statt findet, wel⸗ \
her allemal das Ende dent Aufange ähnlich macht. ‚Cam | |
beſonders hat fich Dich Bes in ber e.heionfigen Segige be⸗
20a,
A Wyttenbäch ſagt ſehr gut:, Mihi quidem Thucydides iu
se —* Periclig ‚apjtetionem ‚cömpoguisse videtur, at, qyum seriptam i
viri nylium exsieh,. gius. ‚eJoquentiae, iormam efligiemque per totum -
historiae' opus) € expressam posteritati servaret (Praef. dd Select .
ptindip. Kiel XIE). Vor. Aristides Vol. IE PFEIL Wi ;
RD: Mütter treffend bemarkt, To. konnte Thukydides den geiflie
gen Bewegungen in Athen feit ber Mitte des Krieges um fo leichter .
fremd bleiben, weil er im Eril lebte (Literatur II, ©. 342.).
.2) Daher auch das fpätere Alterthum im Ganzen den Menander
dem Ariſtophanes fehr vorgeßogen hat.' Vol. die bbrtreffliche Aufammer
ſtellung zu Anfans der ante’ hen Vita Aristopkiarfs:
3) Alſo durchaus nicht Machiabeili zuerff, wie Geininus irgend
wo behauptet. Auch bei Platon und Zacitus finde ich diefelbe Au⸗
ſicht.
Charakteriſtik der periffeifigen Belt. 208
währt, und ich. wende es hier: zunächit auf Die Reihenfolge
ber vorherrihenden Stämme an. -Zuaft ſind es bie
Belaöger und Leleger , welche bie fpätern Stammedunterſchiede
noch ungefondert in ſich tragen. Damı erheben ſich Die äglis
then 'Helbengejchlechter., die zue ‚Zeit des troiſchen Krieges
seinabe ganz Hellas unterworfen halten. Mit der Herakliden⸗
wanberung tritt der doriſche Stamm in den Vordergrund,
been Haupt, Lakedämon, durch Vertreibung der Tyrannen U)
zu einer fait allgemeinen Segemonie gelangt, Aber kaum iſt
dieſe Arbeit vollendet, fo beginnt auch ſchon das raſche Wachs
ſen von Athen, welches ein halbes Jahrhundert hindurch mit
Lakedämon gleich. ſteht, Das folgende jedoch nicht allelu: poli⸗
kifch entfchieden den Vorrang behauptet, fondern . auch.’ In
Sprache , Literatur und: Kunſt unter den entgegengefehten
Stämmen die höhere Mitte einuimmt. — Nach deu Sturze
von Athen geht in ſchönſter Drbnung Alles den umgekehrteu
Gang. Zuerſt wiederum die Dorier bis zur leuktriſchen Alles
derlage; weiterhin die äoliſchen Böotier, Endlich, nachdem
die Fremdherrſchaft der Makedonier ihr. drückendes Ueberge⸗
wicht verloren, ſtrahlt das letzte Abendroth der helleniſchen
Freiheit von den Arkadiern und Aetoliern aus, welche den
Charakter der uralten Pelasger und Leleger am nächſten ges
Hlieben. — Den Mittelpunkt dieſes kleinen Kataloges, zu⸗
gleich den Höhepunkt der Hellenifchen Gefchichte überhaupt, bil⸗
det Athen: Athen in jenen drei Perioden, die ich. flüchtig
eben bezeichnet Habe, deren mittelſte und Höchfte chen die
Staatsverwaltung des Perikles ausfüllt. — So urtheilt
auch Thukydides, die Athener ſeien im Perſerkriege als die
Beſten erprobt (I, 73 fſ.), und in Perikles Zeit ihrem Geg⸗
— — — —— — — — —
1) An dieſe pflegt daher Thukyhdides ſo gern erinnern zu laſſen.
Aus welchen Gründen Athen damals hinter Sparta zurucklieb, erläus
tert Derobot fehr fhön im erſten Buche.
BB Me a.
tie Zufannnenftellung der Zndividuen. Schon bie bloße
nahme. ded Tritagoniften ift hier natürlich von der gri
Wichtigkeit. Euripides bat das Außerliche Eingreifen der
tee wieder eingeführt, ‚ohne. den. Glauben daran. —'?
mag es erlaubt ſein, noch. einige fotratifche Anfichten
zufügen, "welche den Pragmatismus bes Thukydides von
nem andern, . einem weſentlich ‚phbilofophifchen Standpu
aus unterſtützen können. Wie Thukydides Geſchichte zu ih
Gegenſtande faſt ausſchließlich den Menſchen nimmt, ſo
ſich auch Sokrates Philoſophie, wie Jedermann weiß, bei
ausſchließlich der Erkenntniß des Menſchen zugewandt.
Sofraͤtes erklaärt ſich mis: ſtarken Worten gegen Die, m
Alles, und gegen Die, welche RNichts in der Geſchichte h
Gottes Rathſchlüffe erklären wollen 1)yY. Und ehenſo mad
fich luſtig über Diejenigen, welche auf Ungehörige Art ma
liche Entſchluffe von materiellen Urſachen hexleiten 2).
Thukydides mußte der Hauptgegenſtand ſeines W
zum: Maßſtabe nehmen, was für Züge er.’ zur. Schilde
ſeiner Berfonen anwenden follte. Dieſer Segenfland mar
yeloponnefifche Krieg und das Herabſinken Athens durch
felben. Hierzu wurde natürlich Feine allſeitige Schilder
der Zeitgenofjen erforder. Ob ein Staatsmann z. 6
alten Chorpoeſie oder dem neuen Dithyrambos gewogen x
ob ex dein Protagoras anhing, oder dem Sokrates: —
interefjante und charakteriſtiſche ragen — Tonnte hier |
nicht erörtert werben. Wenn es anging, fo mußte Tünt
des das Gewebe diefer Staatd= und Kriegögefchichte auch
aus politiſchen und militäriſchen Faden ausführen —
bat er denn vier verſchiedene Baden, woran er die 7
ſachen zufammenveiht. Dieſe Taufen ohne Unterbrechung du
— 0 — —
, 1) „Xenoph. Memor..], 1, 8 144.
2) 8. Ritter, Th. H, S. 66. '
5. 2. :Crflärungen des Thukydides. 19
aze Werk, tauſendfach in einander geflochten, und ed iſt
ne Partie, welche nicht zu einem oder mehrern koönnte ges
hnet werden. Schon bei’ den Reden haben wie ſie kennen
lernt: politiſche Geſinnung im Innern, Unternehmungsgeiſt
Außen, Seemächt und Bundesherrſchaft. Wir werden
fee unten daB ganze Werl nach ihnen analyfien. ——: Um
er Nichts unerklärt zu laſſen, führt der Hiſtoriker jeden die⸗
eFaden bis auf. den Urſprung der helleniſchen Geſchichte zus
ck. Er weiſet nach, daß beim Anfange des Krieges jes
e von ihnen feine höchſte Stärke erreicht habe. 7
: Die bewunderungswerihe Grumdlichkeit, mit weicher Thu⸗
aides Erklärungen immer alte Selten des vorliegenden Ber
Mtatjies, zugleich umfaſſen, iſt am. deutlichften in der mityle⸗
Wien Rebe zu Olympia nachzuweiſen (III, 9 fj.). Hier iſt
ch, PBeſouders im dreizehnten Kapitel, die. äußere Ferm fo
eng, wie fie. ſonſt nur in der Vorrede getroſſen wird. Hin⸗
difeber. einzelnen Behauptung folgt ſogleichndie Erklärung,
Kt yao., ‚vexungeor: da md Ähnlichen Partikeln eingeleitet:
er zur Angabe des geiſtigen Beweggrundes, in der Vorrede
x keitifchen Beweisführung. — Daß Thukydides übrigens feine
ärnig den äußern Thatſachen gewöhnlich voranſchickt,
: nicht bloß chronologiſcher, fondern macht auch Die ganze
jache dem Lefen deutlicher: So werden z. B. vor der Ichten
irakaſierſchlacht in Nikias Rede die Kriegsanſtalten - gefchils
nt ;:melche die. Athener als Außerftes Nettungsmittel erſonnen
ten (VII, 61 fſ.). Die Kritik dieſer Mittel Hätte ein: Anz
wer: vielleicht erſt bei: der Schlacht felbft gegeben, mo fie als
upraktiſch bewaͤhrt wurden. Thukydides aber giebt fie vor-
5 .er legt ſie in dern Mund des ſyraknſiſchen Feldherrn (67.),
m zu gleicher Zeit auch Die Stimmung der beiden Heere zu
bildern, die dumpfe Niedergefchlagenheit der Athener, vie
ze Sicherheit der Syrakufier. .
Zum Beſchluſſe dieſer Unterfuchung muß ich eine letzte
igenthümlichkeit des Thukydides wenigſtens noch andeuten.
200 Thukydides. Kap. 5.
Seine Erklärungen Ianfen fo .allmählig in einander, Beine
einander fo fehr mechfelfeitig, daß man felten geradezu fa
kann, welches das erklärende, welches dad erflärte Glied ii
Es findet hierbei eine Art von Kreislauf Stat. Sor
z. B. ¶, 2.) von der unſtäten Lebensweiſe, von ben aM
fen Auswanderungen der älteſten Hellenen geſprochen. We
kam dieß? : Weit ſich Niemand an feinen Boden fi
wollte. Woher das wieder? Weil man fürchtete, jeden ?
genblick koͤnnte ein. Stärkerer kommen, und Gewalt ir
chen. Hier jcagt man uunwilllürlich: Woher denn das endli
und ebenſo nahe Liegt die Antwort: Weil eben Alle damal
unftdt: waren. — . Ar. derfelben Stelle. bemerkt Thukydite
die Unficherheit jener Zeiten rühre großentheils daher, daß Wi
Städte damals Feine Mauern beſeſſen Hätten. ‘ Und. werk
Reihen tiefer: gerade, wegen ber LUnficherheit aller Heim
feien Die Städte weder groß, noch fell geweſen. — Nad
7 fg. find bie. ältern Stäbte, des Feſtlandes wie ber Aid
weil fie den Seeräubern wicht gewachſen waren, tiefer I
Lande angelegt. Die jüngern dagegen wurden am die NUM
gebaut, und hier bei ihrer. günftigen Lage alsbald durch Schiie
fahrt und Handel mächtig. Alſo Die Lage machte fie ſtakf
und doch, wären fie ‚nicht flark geweſen, fie hätten an Dal
Küſte gar wicht. andauern koͤnnen I). — Ich habe. nur ſſelch
Beiſpiele ausgeſucht, die wegen ihrer Kuͤrze beſonders denlh
ſind: dieß iſt aber der gemeinſame Charakter afler Erfläund
gen deß Thukydides. — Man. erinnere ſich an Dasjexiz
was ich. oben ſchon von dem Unterſchiede der; philoſophiſchet
ud der hiſtoriſchen Erklärung beigebracht habe. ‚Dem Philo⸗
ſophen würde eine, ſolche Cirkelerklärnug ſchlecht genug anſte
— — — u.
1) gl. noch bie Geſchichte von der korint hiſchen See⸗ und Han:
delsmacht (I, 13.), von der atbenifchen -Bundesherrichäft (I, 75.), vo
den Nachfolgern des Perikles (IL; G5.)).. Auch VII, 67. un: VIEL,
5. 2. Cirkelrflärungen. 201
ben. Bei ihm iſt der erklärte Begriff dem erklärenden allemal
. fubordinietz; und die Schönheit feiner Erklärung beruhet wes
fentlich auf der Schärfe dieſer Abſtufung. Dahingegen find
die Glieder der hiftorifchen Erklärung einander coordinirt: fie
wollen die Wirklichkeit, nur enthüllt und angeorhnet, wieder⸗
geben. In der Wirklichkeit aber giebt es Keine abfolute Sub⸗
ordination: hier wird. dad Große ebenfo oft von dem Kleinen
modificirt, wie das; Styeiyg ppn a . Jede wahr⸗
Haft gelungene Hiffoifihe Erklarung drehet ſich
im Cirteba ieihng ae Nierinsndd
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ISERT. in 31,
Sharafteriit der perikleiſchen Zei im
Allgemeinen, |
/
38. find nunmehr auf eine Höhe gelangt, von wo fih
eine freiere Ausficht nach verfchiedenen Seiten bin eröffnet,
Hier wird ed möglich fein, die einzelnen Andeutungen, welche
über das Verhältniß des Thukydides zu feinen Zeitgenofien
da und dort fchon gegeben find, in ein Ganzes zuſammenzu⸗
faſſen.
Den Geiſt eines jeden Zeitalters kann die Nachwelt am
beſten aus den Charakteren und Leiſtungen Derer beurtheilen,
welche das Zeitalter ſelbſt für ſeine Erſten erkennt. Hier ſind
es denn Perikles, Pheidias 1) und Sophokles, welche
das Verſtändniß ihrer Zeit aufſchließen. Ihre Vorgänger
waren Themiſtokles und Aeſchylos, ihre Nachfolger Alkibia⸗
des und Euripides. Denn Pheidias hat in Athen wenigſtens
keine großen Vorgänger gehabt; er hat Schüler und Gehülfen
zurückgelaſſen, aber ſeine Nachfolger beginnen erſt ſpäter. —
— — — [un
ı) Selbſt in der ſpätern, aber doch künſtleriſch gewiß noch guten
Periode, worin der größere Hippias entflanden iſt, wirb immer Phei⸗
dias noch als der Bildhauer nar” ttoxi⸗ angeführt.
Charaltetiſtik ber periticiiten Zeit. 203
Zeiber fließen bie: Quellen zur Abe‘ dieſes Zeittaumes- nichts
weniger als reichlich. Mom’ Schen des Perikles Haben wir
aus dieſer Zeit mir die: kurze Ueberſicht im erſten Buche des
Thukydides,nund. die: genauode Seſchichte ſeiner leiten: Jahre.
Was den Pheidias Betrifft, fo reden Vie Trümmer ſeiner Bau⸗
werke freilich ker vo ihm:lso Zungen. oder. Buchſtaben
Im Stande wären; Aber feine Wilder find’ nadistine in: ſpäten
Eopient, "ober ſeit EKord Elgins Zeit: in Aueifelhuften,- ‚Halb
verſtüͤmmelten Deiginalen zugaͤnglich⸗NAuch von Sophakhes
iſt nicht. der Jehnten Theil feiner Schopfungen erhalten mordeu.
— Durth ie Kinder und Enkel Meier Prriode if unmittelbar
nur wenig zu dernen; denn das Berſtändniß der: großen Zeit
ding alſobald verloren. Shi hat Platon: insbeſondere: von
der allen /Staatsndnrern alle "den: Auiſteſdes,Alleufalls Tuch
den Altern case hochgeſchaütze zeven Themiſtokles imber;
den Kimon und Perikles mit dem wahren Staatsmame: fo
verglichen 5! Hude vie Köche mit Dal: Arzgte 9; Mich die ältere
Weiſe der Kinderzucht, jene Brundlage ver perikleiſchen Hert⸗
lichkeit, ſuchter offen herunterzüſetzen 2)..Dagegen eehjläugen
manche Bichtblicke Aus Perikles Zeitrga den Reden war led
in den Reden des Demoſthenes. |
Aber auf eine andere Weile ift und der berrlichfte Erſatz
geworden. Zwei Männer, beide au? der perikleiſchen: Zeit
gebürtig,“ aber jünger, als’ die Hertzen derſelben,der Eine
aus hohem, der Andere ‚ad liledkrem Starke‘, ketigent den
Geiſt der, aiheniſchen Groͤße noch ungeſchmaͤlert ta,Nch,. haben
ihn durch die Stürme der Verdervniß geredet; , mibihe einigen
STIER BEINE m.
DIN ET N rer dat
J Gorg. P. 508. "BIS. ed... like, ‚ayely Sehgte⸗ xe.
noph. Symp. YIH.), fontepn auch bie ‚minker. feitflänhigen. Golyafie
fer, wie Xenophon und Simon (De vi: —* 378 D. a», urtheiiten
hierin weit richtigee Fir rt *
1i3. .* nn ne‘ re BE nin. Mn gi
2) Soph. p. 220. bu
206 Thulydides. Kap. 6. .
ner an allen Vorzügen überlegen geweſen (II, 42. 65.), Un⸗
mittelbar vor dem Kriege verfichern felbit die Feinde, nur bei
ganze latedãmonijche Bund ſei dem einzigen Athen gewachſen
(I, 122.).
Vernehmen wir zuenft eine Schilderung dieſer peris
kleiſchen Zeit aus dem Munde von Athens erbittertſun
Gegnern: aus dem Munde der Korinthier, wie fie durh
grelles Hervorheben von Athens bedrohlicher Stärke die Laks
dämonier zum Kriege entzünden wollen (I, 70.). Die Alter
ner, heißt e8 da, feien gleich. unternehmend im Entwurfe,
gleich rafch in der Ausführung. - Ihre Blane pflegten übe
ihre Kraft zu gehen,. ihr Eifer über ihren anfänglichen Ext.
flug, ihre Hoffnungen über ihre Erfolge. . In der Fremde
feien fie zu Haus: darum - ihre Siege doppelt gefährlich, ihr
Niederlagen wenig zu benutzen. Wo fie Fremdes nicht ae
bern können, da halten fie das Ihre für geſchmälert 1). Eis
finden Genuß nicht im Befige des Erworbenen, fondern im
Erwerbe ded Gewünſchten. Die Arbeit iſt ihnen nicht Di
tel, Sondern Zweck. Sogar ihre Feſte werden dadurch ber
gangen, was bie Umſtände fordern, auszuführen. Mit Eis
nem Worte, fie find geboren, weder Andern Ruhe zu laflen,
noch ſelbſt Ruhe zu haben ). Wie unzertrennlich dieſe Ans
Bere Rührigkeit mit einem progreffiven Charakter der innen
Staatöverwaltung zufammenhänge, wird I, 71. erörtert. —
Bon einer andern Seite her betrachtet Perikles die Ver⸗
hältniffe, wenn er in feiner erſten Rede den Athenern Sieg
verfündigt, wofern fie nicht durch eigene Schuld deſſelben ver
y VBgl. IV, 54.
2) Man erinnere fi) wohl, es find die Korinthier, die hier xes
den! Wo durch thatkräftige Menſchen etwas Neues gegen die träge
Mafle burchgefegt werben foll, da wirb bas Bedürfniß, welches jene bes
wegt, biejer legtern immer unbegreiflich bleiben.
Charakterifiie der Seriieiged Zeit. 205
währt ,i..uind.ich. wende es hier zumlichft. anf: Die Reihenfolge
der vorherrfheunden Stämme: an. Zuerſt find‘ es die
Pelasger und Leleger, ‚inelche- die fpätebit Stammedunterſihiedt
noch ungefondert in fi tragen. Dan erheben fich: MEiägi>
fchen ' Helbengefchlechter:, die zur: ‚Zeit. des "teoifchenn Keieges
beinahe ganz:.Hella8 unterworfen halten. - Mit der Heraklidem
wanderung tritt der dorifche Stamm In: den. Bordergmmnl)
deſſen Haupt, Lakedämon, durch Vertreibung der Tyan)
zu einer fait allgemeinen .Segemonie. gelangt... Aber kaum iſt
dieſe Arbeit vollendet, fo beginnt auch fchon das rafche Wach⸗
fen von Athen, welches cin halbes Jahrhundert hindurch mift
Lakedämon gleich, ſteht, das folgende jedoch nicht alloit poli⸗
tiſch entſchieden den: Berrang:- behanptet, ſondern audyı'kt
Sprache, Literatur und Kunſt unter. den entgegengeſchztrj
Stämmen die höhere Mitte einuimmt. — Nach deur Sturze
von Athen geht in ſchönſter Ordnung Alles den umgekehrini
Gang. Zuerſt wiederum die Dorier bis zur leuktriſchen Miles
derlage; weiterhin die Aolifchen Böotier. Endlich, nachdem
die Fremdherrſchaft der Makedonier ihr. drückendes Ueberge⸗
wicht verloren, ſtrahlt das lebte ⸗Abendroth der: hellenifſchen
Freiheit von dem: Arkadiern und Aetoliern:aus, . welche dan
Charakter der uralten. Beladger und Leleger am nächtenges
blieben. — Den Mittelpunkt dieſes kleinen Kataloges, "zb
gleich den. Höhepunkt der helleniſchen Geſchichte überhaupt, bil⸗
det Athen: Athen in jenen drei Perioden, die ich..flünhtlg
oben bezeichnet Habe, deren mittelfte und Höchfte eben bil
Staatöverwaltng des Perikles ausfüllt. — So uriheilt
auch Thukydides, die Athener ſeien im Perſerkriege als die
Beſten erprobt (I, 73 fſ.), und in Perikles Zeit ihrem Geg⸗
1
°
1) An diefe pflege: bahenı Shukobibes .fo- gern. erinnern zw Laffen.‘
Aus weldyen Gründen Athen damats dinter Sparta zuructtien, eriau⸗
tert Herodot ſehr ſchön im erften: Buche.
206 Mlniigblnel. Kap. .
ner an allen Vorzügen überlegen geweſen (II, 42. 65.). - Uns
mittelbar vor dem Kriege verſichern ſelbſt die Feinde, nur der
gauze latedãmoniſche Vund ſei dem: einzigen Athen gewachfen
. 122.)..
Verachmen wir zuerſt eine Sqilderung dieſer peri⸗
tieif chen Zeit. aus den. Munde non Athens erbittertſten
Gegnern: aus dent Munde der Korintbier, wie fie durch
grelles Hervorheben von Athens bedrohlicher Stärke die Lake⸗
damonier zum Kriege entzünden wollen (I, 70.). Die Athe⸗
wer, heißt es da, ſeien gleich, unternehmend im Entwurfe,
gleich vaſch in der Ausführung. Ihre Plane pflegten übe
ihre Kraft zu gehen, ihr Eifer über ihren anfänglichen Ext
ſchluß, ihre Hoffnungen über ihre Erfolge. . In der Fremde
freien fie zu Haus: darum - ihre Siege doppelt gefährlich, ihre
Niederlagen wenig zu benutzen. Wo fie Fremdes nicht ero⸗
Kern künnen, da halten fie.das Ihre für gejchmälert 1). Cie
finden. Genuß nicht im Beſitze des Erworbenen, fondern im
Erwerbe de Gewünſchten. Die Arbeit iſt ihnen nicht Mit⸗
tel, fondern Zweck. Sogar ihre Feſte werden dadurch bes
gangen, was bie Umftände fordern, auszuführen. Mit Ei
nem Worte, fie find geboren, weder Andern Ruhe zu laſſen,
noch ſelbſt Ruhe zu haben 2). Wie unzertrennlich dieſe äu⸗
Gere Rührigkeit mit einem progreffiven Charakter der innen
Staatöverwaltung zuſammenhänge, : wird I, 71. erörtert. —
Bon einer andern ‚Seite her betrachtet Perikles die Ver
Hältniffe, wenn er. in: feiner: erfter Rebe den Athenern Sieg
verfündigt, mofern fie nicht durch eigene Schuld befjelben ver
) Bgl. IV, 54.
3) Man erinnere fi) wohl, es finb die Korinthier, die hier ces
den! Wo durch thatkräftige Menſchen etwas: Neues gegen die träge
Mafle burchgefegt werben ſoll, da wirb bas Bebürfniß, welches jene bes
wegt, dieſer legtern immer unbegeeiflich.:bleiben. . .
Charafterijtif der perikleiſchen Zeit. 207
luſtig gingen (I, 141 fſ.). - Hier tritt wor Allem die Freiheit
der Athener von den Sorgen des täglichen Lebens hervor,
welche ihnen geftatte, ſich mit ganzer Seele auf Einen großen
Zwed zu werfen. Dann ihre langjührige, allmählig erwor⸗
bene Uebung im Kampfe und in der Herrfchaft, ihre ftarke
und die Gelegenheit ergreifende Eintracht, ihre Ungebunden⸗
heit in der Weife des Angriffs, Hauptfächlich aber ihr groß⸗
herziger Sinn, welcher die Laudhäuſer und Felder von Attika
um größere Dinge willig dabingebe.
Als nun der Krieg aber wirklich begonnen batte, in wel
chem diefe Größe von Athen zufammenftürzen follte, da bes
nutzt der Hiſtoriker die erſte würdige Gelegenheit zu einer breis
tern Entfaltung feiner Anfichten: gleichſam als wollte er vor
dem Abſchiede jene Zeit noch einmal in ihrer wollen Herrlich⸗
feit begrüßen. Dich gefchicht in der perikleiſchen Lei-
chenrede (II, 35 — 46.). Nichts it wunderbarer , als
das allmählige Anfchwellen dieſer Nede: wie fie kühl und Teife
beginnt, immer wärmer und lauter, immer glühender und
mächtiger wird, cine Zeitlang in höchſter Majeftät fich "gleich
bleibt, um dann ebenfo allmählig zum Schluſſe Herabzufinken.
Das ift die wahre Hiftorifche Beredtſamkeit, welche nicht bloß
heranftürınt gegen den Lefer, ſondern ihn auch fühig macht,
dem Sturme Widerftand zu leiſten. |
Gleich zu Anfange bemerkt der Redner, er rede nicht um
der Oefallenen willen; denn wer durch die That fich groß ges
zeigt, der werde auch beffer durch die That, als durch Die
Rede gefeiert. Darum geht er denn auch Bald auf den Ruhm
des athenifchen Staates über (36.): er. gedenft der Ahnen,
welche durch Stätigkeit 1) Ihrer Wohnſitze und durch männliche
Tugend Die Freiheit bewahrt; er gedenft der Väter, welche
1) Worauf die Athener bekanntlid) fo ungeheuern Werth Iegten.
Außer den zahllofen Stellen der Redner, befonders der Epitaphien, vgl.
Herod. VU, 161. Xen. Mem. 111, 5, 12.
208 CThukydides. Kap. 6.
zu der Freiheit Die Macht Hinzugefügt haben, Doch Bei aller
Ehrfurcht vor den Thaten der Vergangenheit fpricht er feiner
Gegenwart die Krone zu. — Hier iſt nun augenfcheinlich die
Abſicht des Thukydides, in feine Schilderung der perikleiſchen
Zeit vornehmlich diejenigen Züge aufzunehmen, in deren Vers
änderung ſich nachmals der Verfall am entfchiedenften. offen
barte. Diejenigen zugleich, die mit Lakedämon im fchärfften
Gegenſatze ſtanden. So konnte ihm das weſentlich Atheniſche,
das wefentlich Perikleiſche nicht entgehen. — Gerechte Freiheit; ver⸗
fländige Gleichheit, welche den Ruf beachtet und das Verdienſt
anfenert 5; nnerzwungener Gehorſam gegen Obrigfeit und Ge
feß, fern von Mißtrauen und Polizeichieane, beſeelten die
Staatövertvaltung (37.). Reichthum, Kunftgenuß und ſiun⸗
liche Ergötzungen verichönerten die Muffe, Doch immer nur
ald Erholungen von der Arbeit (38.) ). So wenig die Ar⸗
muth beſchimpfte, fo ſchmachvoll ſchien es dem Athener, fie
nicht mit Eifer abzuwenden. Doch ſelbſt der Landmann, der
Gewerbetreibende war mit Staatsfachen beſchäftigt. Wer am
Staate kein Jutereſſe fand, der galt nicht für ruheliebend,
fondern fir unnütz (40.). Die Deffentlichkeit des ganzen Le
bend, verbunden mit dem großen Verkehre der Stadt, war
die Urfache, daß man auch den Feinde nicht mit Liſt und
Heimlichkeit 2), ſondern mit offener Tapferkeit entgegentrat ;
eine? Tapferkeit, die mehr auf Charakter, als auf harter Erzie⸗
hung und Gefeßen beruhete. So- ausgebreitet und alljeitig
isre Politit war, zu Land und zu Waller, fo war dad,
bei aller Vorbereitung auf den Krieg, der Friede mehr für
ſie, als blog eine Uebungsfchule (39.). Der Athener liebte die
1) Man denke fpäter nur an die Gleichheit der xenophontifchen
Republik, an das Ueberhandnehmen der Sykophantie, und was die Aug:
artung ber öffentlichen Luftbarkeiten angeht, an Xenoph. De rep.
Ath. 2, 9. 3,8. Demosth. Phil. I, p. 50. Plut. De glor. Aıh.
8 Justin. VI, 9. Böockh Staatshaush. I, S. 224 ff.
2) Ich erinnere an die Xenelafie und die Gekeimnißfrämerei, welche
allen ariftolratifchen und bespotifchen Staaten eigenthümlich iſt.
Charakteriftif Der peritleiſchen Zeit. 203
deider fließen: bie Quellen zur Kunde dieſes Zeitraumes nichts
veniger als reichlich. Vom Leben des Perikles Haben wir
mE dieſer Zeit mir die: kurze Ueberſicht im erſten Buche des
Thukydides, nnd die genauede Geſchichte feiner letzten? Jahre.
Was den Pheidias betrifft, fo reden Die Trümmer ſeiner Baus
werke freilich Faser now: ihm:, a8. Zungen. oder. Buchſtaben
kn Stanbe würen: Aber feine Wilder ſind nadinie in fpäten
Bopien:, . ober feit Lorb Elgins Zeit: In zweifelhaften, Halb
derſtümmelten Driginalen zugaͤnglich⸗ Auch von Sophokles
iſt nicht. der gehe Theil ſeiner Schbpfungen erhalten worden.
— Durth die Kinder und Enkel dieſer Perriode iſt unmittelbar
re wenig zieren: denn das Berſtändniß ber großen Zeit
ding alſobald verloren. Se: hat Platon insbeſondere von
den alien Staatsmaännern allein "den: Ariſteldes, allenfalls. auch
den Alter Thakydides hochgeſchaützt zrven Themiſtokles aber,
den Kimon und Perikles mit dem wahren Staatsmanmme fo
xerglichen wien die Köche mit dent Arzte 1)yY. Auch die ältere
Weiſe der Kinderzucht, jene Grundlage der perikleiſchen Herr⸗
ächkeit, ſucht er offen herunterzuſetzen 2). Dagegen erglänzen
nanche Hichtblicke aus Perikles Zeit in den Reden, vor Allen
n den Reden des Demoſthenes.
Aber auf eine andere Weiſe iſt uns der herrlichſte Erſatz
ſeworden. Zwei Männer, beide aus der perikleiſchen Zeit
rbürtig, aber jünger, als bie Herven berfelben;, ter Eine
8 hohem, der Andere aus niederem Starte,” träger den
Beift der, athenifchen Grüße noch ungeſchmaͤlert iR Sich, haben
hn durch die Stürme der Verderbniß gerettet, und in einigen
— ee Po
») Gorg. p 503. blis sqq.. — ie allein Sokrates (Xe-
oph. Symp. VII )» fonbern, auch die minder ſelbſtändigen Sokrati⸗
r wie Zenophon und Simon (De v virt Pr ‚976 D. sa, urtbeilten .
erin weit richtigre. |
2) Soph.p. 229.
' 12 3% Be
204 Anckydides. Kap. 6.
Kunftinerken der Nachwelt aufbewahrt: Thufydides!) ef
Ariſtophaneß. Das Werl: ned Erſtern iſt und ganz erha⸗4
ten; von den Komödien des Letztern doch eine wohlzuſammen⸗
hängende Reihe von elf köſtlichen Perlen, . und. mit. einak
Meichthume guter Scholten,; ‚wie fie befanntlich faſt kein af
Schriftiteler. ſonſt: noch: aufmeiſen kann. "Sm Ayutyeines Ti ı
und das! politifche und kriegeriſche Leben. jener. Zeit vollſtänig
aufgeſchleſſen. Welten freilich mm Wenige... Aber, was bs
fehlt, das finden mic im Ariſtophanes, eine Gefchichte da
Knuſt, der Philoſophie und der ganzen Sitte, wie ſie Ni
mehr: zu. wünſchen übrig läßt. +r ° In bisfen beiden Mannera |
Hat, die altattiſche Kunſt ihre ſchärffte Eigentgänslicgkelt es
reicht: gerade darum die ſchaͤrfſte, weil fie gegen daß eis |
Bende: Verderben fich. ſchon yerthribigen mußte. - Wer alſo De
fen. altattiſchen Geift crtennen will der findet ihn ie om
handareilihſin . ER
Schon: Polybios 3). 9— einariegen, daß in den. Eatniis
ungen. Der Menſchen ein gewiſſer „Kreislauf Statt findet, wel⸗ *
cher allemal das Ende dem Aufange ähnlich, macht. Gamz |
beſonders hat fich dich Bei in ber: beten Sefgigte 4
| .
7.13.
Mae En Zee * ee
‚Ne W@yttenbärh fagt:fehe. gut: .Mihi quidem Thucydides ie '
se * Periclig ‚Apiletionem ‚cömposuisse videtur, ut, qyum, geriptem :
viri nplipm exsieh,, ‚gius. ‚gloguentiag, formam efligiemque per totum
hisgoria®” opus‘ & expressum posteritati servaret (Praef. ad Select, :
Plihdip. Kmtoli ge XIC)J. Sol. Aristides Vol. IF, PIE Be
RD, Mütter treffend bemackt, To- kynnte Thukydides den: geile
gen Bewegungen in Athen feit der Mitte des Krieges um fo leichter
fremd bleiben, weil er im Eril lebte (Literatur II, ©. 342.).
.2) Daher auch das Ipätere Altertyum im Ganzen den Menander
dem Arijtophanes fehr vorgefögen hat. Vgl. die bbrtreffliche Auſammen⸗
ſtellung zu "Anfang der Rate’ ſchen Vita Aristopkiarfis:
8) Alſo durchaus nicht 'Machiavelli zuerft, wie Gersinus irgend⸗
wo behauptet. Auch bei Platon und Tacitus finde ich dieſelbe Ans
ſicht. “Ton tue
Sichentes Kapitel, :
Neligion des ZburpBidenn. —
gz. 1.
Vorbereltung auf Zhuchdides | |
Des die Religion der Hellenen ihren Hauptzugen ua bir
reits in der vorhomeriſchen Zeit firirt worden iſt/ ſche
ich durch die Forſchungen der Neuern als bewieſen an.
Von dieſer urſpruͤnglichen Religioſität finden wie in
Homer's Geſängen einen ganz ähnlichen Abfall, wie
ihn unſere Rittergedichte Im Vergleich mit dem aus—⸗
gebildeten Katholicismus des‘ frühern Miittelalters darſtel⸗
len. Die meiſten Göttergeſtalten wardt;: aus Naturmäch⸗
ten ibealifirte Ritter geworden; die Hierzu nicht paſſen wolle
ten ,„ wie Dionyfos und Demeter, mußten als plebe⸗
%
Er SE
1) Die Schrift von Wigand: Ueber bad religiöfe Prfncip. des
Thukydides, fowie die ziemlich übereinftimmenden Refultate in Kor⸗
tüms Anhange zur Geſchichte hellen. Staatsverfaſſungen, bieten faſt
gar nichts Belehrendes. Dieſe Männer haben den religiöſen Cha⸗
takter bes Thukydides eigentlich nur aus feinen Gemeinplägen. erken⸗
nen wollen, alſo gerade aus dem Nichtcharakteriſtiſchen. Ihre
Schilderung würde daher 3. B. auf Machiavelli und Joh. Müller faſt
ebenſo gut paſſen. |
14*
206 Thukydides. Rap. 6. .
nee an allen Vorzügen überlegen geweſen (II, 42. 65.), - Um
mittelbar por dem Kriege verſichern ſelbſt die Feinde, nur bei:
ganze Iatebömonifihe Bund ſei dem einzigen Athen gewachſa
(1, 122.). "
. Vernehmen wir zuent eine Sqilderung dieſer peruſp
kleiſchen Zeit. aus dem Munde von Athens exbittertiuf
Gegnern: aus dem Munde der Korinthier, wie fie duh
grelles Herborheben von Athens bedrohlicher Stärke bie Lals
dämonier zumt Kriege entzünden wollen (I, 70... Die Ale
ner, beißt es da, feien gleich. unternehmend tm Entwur,
gleich raſch in der Ausführung. : Ihre Plane pflegten übe
Ähre Kraft zu gehen,. ihr Eifer über ihren anfänglichen Ex
flug, ihre Hoffnungen über ihre Erfolge. . In der Kremie]-
freien fie zu Haus: darum ihre Siege doppelt gefährlich, Ike
Niederlagen wenig zu benuben. Wo fie Fremdes nicht ewT:
bern können, da halten fie das Ihre für gefehmälert ). Ei
finden Genuß nicht im Befike des Erworbenen, fondern in
Erwerbe des Gewünſchten. Die Arbeit iſt ihnen nicht Mi⸗
tel, fondern Zweck. Sogar ihre Feſte werden dadurch ir
gangen, was die Umſtände fordern, audzuführen. Mit Ei
nem Worte, fie find geboren, weder Anbern Rube zu laflen, |
noch ſelbſt hiuhe zu haben 2). Wie unzertrennlich dieſe in⸗
hßere Rührigkeit mit einem progreſſiven Charakter der innen
Staatsverwaltung zuſammenhänge, wird I, 71. erörtert. — i
Von einer andern Seite her betrachtet Perikles die Ws |
Hältniffe, wenn er in feiner erſten Rede den Athenern Sieg |
verfündigt, wofern fie nicht durch eigene Schuld beffelben vum |
oo. |
) Bet. IV, 54.
2) Man erinnere fid) wohl, es find die Korinthier, die hier ve
den! Wo durch thatkräftige Menſchen etwas Neues gegen bie träge
Mafle durchgeiegt werben foll, ba wirb bas Bedürfniß, welches jene be
wegt, diejer legtern immer unbegreiflich bleiben.
Charafteriftit der perifleifchen Zeit. 207
kflig gingen (I, 141 fſ.). Hier tritt wor Allem die Freiheit
kr Athener von den Sorgen des täglichen Lebens hervor,
welche ihnen geftatte, fich mit ganzer Seele auf Einen großen
Zweck zu werfen. Dann ihre laugjährige, allmählig erwor⸗
bene Uebung im Kampfe und in der Herrſchaft, ihre ftarke
umd- bie Gelegenheit ergreifende Eintracht, ihre Ungebunden⸗
Beit in der Weiſe des Angriffe, Hauptfächlic aber ihr groß⸗
herziger Sinn, welcher die Landhäuſer und Felder von Attila
nm größere Dinge willig babingebe.
Als nun der Krieg aber wirklich begonnen Hatte, in wel
em dieſe Größe von Athen zuſammenſtürzen follte, da bes
wet Der Hiſtoriker die erſte würdige Gelegenheit zu einer breis
ern Entfaltung feiner Anfichten: gleichfam als wollte er vor
dem Abſchiede jene Zeit noch einmal in ihrer vollen Herrlich⸗
'eit begrüßen. Dieß gefchicht in der perikleiſchen Lei⸗
benrede (I, 35 — 46.). Nichts ijt wunderbarer, als
a8 allmählige Anfchwellen Diefer Rede: wie fie kühl und leiſe
Yeginnt, dummer wärmer und lauter, immer glühender und
nächtiger wird, eine Zeitlang in höchſter Majeftät ſich gleich
lcibt, um dann ebenfo allmählig zum Schluſſe herabzuſiuken.
Das iſt die wahre hiſtoriſche Beredtſamkeit, welche nicht bloß
eranſtürmt gegen den Leſer, ſondern ihn auch fähig macht,
en Sturme Widerftand zu leiſten.
Gleich zu Anfange bemerkt der Redner, er rede nicht um
ee Gefallenen willen; denn wer Durch die That fich groß ges
tigt, Der werde auch beſſer durch Die That, als durch die
tede gefeiert. Darum geht er denn auch Bald auf den Ruhm
eö atheniſchen Staates ber (36.): er gedeuft der Ahnen,
selche Dach Stätigkeit ) Ihrer Wohnfige und durch männliche
ugend die Freiheit bewahrt; er gedeuft der Väter, welche
— —
1) Worauf die Athener bekanntlich fo ungeheuern Werth legten.
ißer den zahlloſen Stellen der Redner, beſonders der Epitaphien, vyl.
erod. VII, 16l. Xen. Mem. 111, 5, 12.
208 Thukydides. Kap. 6.
zu der Freiheit Die Macht Hinzugefügt Haben. Dech bei all
Ehrfurcht vor den Thaten der Vergangenheit fpricht er fei
Gegenwart die Krone zu. — Hier ift nun augenfcheinlich ag
Abſicht des Thukydides, in feine Schilderung der perikleiſche
Zeit vornehmlich Diejenigen Züge aufzunehmen, in deren Ver
änderung ſich nachmals der Verfall am entfchiedenften nfrung
barte, Diejenigen zugleich, die mit Lakedämon im fchärik
Gegenfage fanden. So Eonnte ihm das wefentlich Arheniihg
das wefentlich Perikleifche nicht entgehen. — Gerechte Freiheit; von
ſtändige Gleichheit, welche den Ruf beachtet und das Verbief
anfenert ; nuerzivungener Gehorfan gegen Obrigkeit und @
feß, fern von Mißtrauen und Polizeichicane, Bbejeckten \
Staatöverwaltung (37.). Reichthum, Kunſtgenuß und fin
liche Ergötzungen verichönerten die Muſſe, Doch immer ug
als Exholungen von der Arbeit (38.) 1). So wenig die Am
muth beſchimpfte, fo ſchmachvoll fchien ed den Athener, ki
wicht mit Eifer abzuwenden. Doc, felbft der Landmann, de
Gewerbetreibende war mit Staatsfachen beſchäftigt. Wer a
Staate Fein Jutereſſe fand, der galt nicht für ruhelicbend,
fondern fir unnütz (40.). Die Deffentlichkeit des ganzen Les
bend, verbunden mit dem großen Verkehre der Stadt, war
die Urfache, daß man auch dem Feinde nicht mit Lift und
Heimlichkeit 2), ſondern mit offener Tapferkeit entgegentrat;
einer Tapferkeit, die mehr auf Charakter, als auf harter Exzies
hung und Gefeßen beruhete. So- ausgebreitet umd alljeitig
isre Bolitit war, zu Land und zu Waſſer, fo war Dad,
bei aller Vorbereitung auf den Krieg, der Friede mehr für.
jie, als bloß eine Uchungöfchule (39.). Der Athener licbte die
) Man denke fpäter nur an die Gleichheit ber renophontiſchen
Republik, an das Ueberhandnehmen der Sykophantie, und was bie Aus⸗
artung ber öffentlichen Luſtbarkeiten angeht, an Xenoph. De rep.
Ath. 2, 9. 3,8. Demosth. Phil. I, p. 50. Plut. De glor. Am.
8. Justin. VI, 9. Bockh Staatshaush. I, S. 224 ff. |
2) ch erinnere an die Xenelafie und bie Gekeimnißträmerei, welche
alten ariftofratifchen und despotifchen Etaaten eigenthümlich ift.
Charakteriſtit ber periflefchen Belt. 209
Banft , doch ohne Verſchiwendungei); die Wiffenfchaft, doch
Be Weichlichkeit. Er wirkte für den Staat, ohne: fein
haus zu vernachläffigenz. ex lernte won der Rede, ohne die
et zu verabfäumen 2). Sein Heldenmuth ging aus Kennt⸗
Eäi:der Gefahren, feine Aufopferung: aus dem richtigen Ur⸗
jeile: iiber das hervor, was auf dem Spiele ſtand (40, 43.) 3).
Nez ‚Athen Tonnte mit. Recht eine Schule von Hellas
Weit werden ). — Und zum Beweiſe dafür beruft unfer
Daner fich auf die lebendige Wirklichkeit: eine Wirklichkeit,
Ka weder eines Homeros, noch eines. Logographen zu ihrer
Befgerrlichung bedürfe, : fonbern allein ihrer eigenen, ewig
meernden Denkmäler, im Guten wie im Böſen (41.).
Bisie Herrlichkeit des Vaterlandes foll denn auch zur Liebe
dzegen aufmuntern, zur männlichen Pflichterfüllung in dem
Blauben, daß alle, Glückſeligkeit auf der Freiheit, alle Kreis
aber. auf Der Tugend begründet iſt (43.). Endlich den
dieſer Rede bildet die Ausfiht, zwar das Leben fei
Ieginglich,,: her Ruhm des mohlgeführten Lebens aber unver-
Buglich 3), :— - Die Hauptgedanken der Reicheneede kehren in
er letzten Ermunterung wieder, bie Nikias vor Syrakus hielt
Wil, 69.). Allerdings. ein: ſergceiteuder Ausentuc, um dar⸗
ai erimeri i zu werden? . ..
J
— — * Æ BE ! u LIEFEN J N
ws Dan denke an bie Spätere Beiäiiste bes Zeiten).
3) Bol. 42. 5%: EIN. .
9%) Bol. hierzu Demofthenes Staatöreden an unzähligen. Stellen!
4) “Eiiados "Elias, wie ed ber Dichter Thukydides in feinem Epis
amme auf ben Euripibes nennt. Vgl. Isocrat. Paneg. 13. Aesch.
le morte 3.
5) 11, 33 fg. 64. — Fürwahr, folche Männer, wie bie perikfei=
ven Athener, waren ber Befoldbungen, Klerudyien, Scyaufpiele, bie
nen gegeben wurden, nicht unwerth ! Bol. Wachsmuth Hellen. Als
th. I, 2, ©. 66 ff. Und die Schönen Worte in Heeren's Ideen:
erke Bd. XV, ©. 329 fg.
14
240 Wukydlides. Kap. 6.
WVon K. O. Müller. tft bekauntlich dee ge
Verſuch gemacht worden, im Apollon und Herakles ein
thiſche Perſonification Des doriſchen Stammcharakters n
weiſen. Der Dorier, won ‚veligidfent Bedürfniſſe geh
fuchte das Leben, das ihn: felbft durchdrang, nun auch
fich Darzuftellen, dort In göttlicher Geſtalt, ‚hier in Hera
Wie ſich denn freilich In dem: menfchlichen. Theile einer
Religion: der idealifirte Charakter: des Volles und Zei
wiederfinden Täßt; Auf dieſelbe Weiſe — ſchon der $
dünkt mich‘; weiſet dahin — könnte man in der Pallas?
eine Repräfentantinn des. atheniſihen Geiſtes erblicken.
nun zu Perikles Zeit das politiſche und literariſche Weſ
Athener feine Bluthe trieb, ſo ward auch das Pallas
um dieſelbe Zeit durch Pheidias vollendet,:rfür alle Fo
ten. feſtgeſtellt. Wer irgend Die bekaunte albaniſche Büj
ſehen hat, der wird, aus: dern ſtrengen Grazie, der u
Klarheit, der völligen Zufriedenheit dieſes reinen, hohen
litzes vinen hnlichen Eindrack empfunden haben., mie A
Rede vis: Perikles oder ein ſophoklrifches Drama hear
Demſelben Geiſte, welcher dieſe Poallas erſchuf, gel
auch, ben Zeit von Olynwpiazu bilden, den allgem:
und höchſten Gott der Hellenen. Sch denke mir- dieſes
nach der Büſte von Otricoli. Es erinnert mich an die |
gezeichnete Majeftät eines fophofleifchen Theſeus; und
ohne ſinnreiche Anſpielung iſt Perikles von feinen: Serge
der Olympier genannt worden.
X
Du | > Pr (7 . a
F. 1. Oeligtäfe MReuciton. 247
lich aber machte fi die religiöſe Menetion in ben Streifen gels
tend,: welche zugleich mit dee politiſchen Reaction gegen die
Volksherrſchaft beſchäftigt waren. Wie ſich dieſe Richtung bei
den Sokratikern ausgebildet, darf ich im Allgemeinen als Bes
kannt voraußfegen 2). Das: höchſte Ideal dieſer neuen Religkoſt⸗
tät iſt Sokrates, höher ſtehend, als der quãkerhafte Hermoge⸗
nes. Am fruheſten aber tritt diefe Werbludimg der Acchlichen
und politiſchen Reaction in dem beruͤhmten Prezeſſe wegen der Ser
menfrevel hervor. Wie ich tiefer imten 2) zeige, ſind die Hermerfte⸗
vel ſowohl, als die Miofterienverlegungen vollkommen im Sinne
dieſer Reaction, welche den eutarteten Volksglauben anf ihre
Weiſe erneuern wollte. Alſo keinesweges bloß Exceſſe über⸗
müthiger Trunkenheit! — Man würde nun freilich ES
recht thun, wenn man die religiöſen Ausſchweifungen heneẽ
Zeit, die Myſteritnider Kotytto F) und Aehnliches, geminkält
dieſer Reattion wollte Schuld geben. Hat dech auch die Ai
theriſche Refermatien /ihre Wiederiüufer, die Heutige Kirchen⸗
bewegung ihre Mucker. Saine das „ale Auftreten des son
. . , DR 1 nd ,
sl. te Br a Fee
1) Bor Allen bei Zenophon, dann auch bei Platon, Simon, bem
Verfaffer des Axiochos. Auch bei Iſokrates finden fich zahlreiche Spu⸗
ren. Diefen Männern ift felbft im Aeußerlichften 3. B. der Schwur
bes Lampon.eigen, bei der Band, beim Hunde u. -f. w., wie es Plas
ton im. zwölften: Buche der Geſetze als ein frommes Inftitut des Rhaba⸗
manthys bezeichnet. Val. Schol. Arist. Avss 521. Die Zrreligiofl«
tät einzelner Neactionäre, ;- B bes Kritiad . iſt hiermit ſehr wohl
vereinbar. . .." Le
.?) Kap. 16;8.6, “ Bu |
3) Bekanntlich in Bupotre Bapten berſpottet. Eon früher hatte
Kratinos feine ‚Shraterinnen' gegen ben Cultus der thrafifchen. Natur⸗
gottin Bendis gerichtet, der etwä um 444 im Peiräeus öffentlich reci⸗
pirt wurde; ſeine Idier gegen den Eultus der Kybele, für welchen
Pheibias felbft, alſo veeinuthlich in Perikles Auftrage, ein Bild verfer⸗,
tigt hatte (Pausan. 1,3,15.),, Ich meine übrigens, daß diefe Receps
tionen nicht fowohl aus Pietismus erfolgt find, als weil Athens Welt:
handel bergleihen Zoleranz erforderte. Später wurden fogar wieber
Frauen vom Apoll gefchwängert, u. dal. m. (Plut. Lysand. 26.).
212 Tpufpbived, Kap. 7.
jiſche 1) Gottheiten in den Hintergrund treten. Zwiſche
nem Nitter und einem Gotte war der Abſtand nur ge
Diomedes fchlägt den Ares, Achill den Skamandros.
das Leben der Götter, fing man an, die frivolſten Schn
hinüberzutragen 2).
Eine ganz ähnliche Bewegung, wie fie im fechzd
Jahrhunderte das entartete Chriftenthum bei den abend
Then Völkern reſtaurirte, fcheint auch in Griechenland
fechfte Jahrhundert Belebt zu haben. Dieß iſt fi
Hellenen das Zeitalter der großen Erfindungen. Un
Buchdruckerkunſt entfpricht damals die Verbreitung und !
befferung der Schrift; unſern Entdeckungsreiſen die Bela
ſchaft mit dem Driente und der weftlichen Hälfte des M
meered. Wir fchen Die Myſterien, dieß religiöfefte Ele
- der griechifchen Neligiony wieder lebendig, die Orakel, |
über die Barbaren bin, wieder Herrichend werden. Die
ige Sage, .die alten Sötterfprüche, um nor Menfchenfal
ſicherer zu fein, merden aufgezeichnet. Mit Epimenides u.
hebt eine. veliginfe Lyrit an, ſowie auch das Epos durd
zahlveishen Gedichte der Orphiker ganz: religids und ask
wird. , Die aufblühende Kunſt, mie dic aufblühende Wi
ſchaft 3) nehmen einen veligiöfen Anfang. Wunderthäter
Sittenprediger treten an die Spike der Staatäperwalt
An Sitte, wie ſelbſt an Kleidung macht die ionifche W
m _— ——
1) Nah den Forſchungen von Welder im Nachtrage zur
logie.
2). Daher auch die mannidhfachen Kritiken 3. B. des fröm
Yindar: Olymp. I, 62. IX, 35.
3) Insbeſondere waren die Logographen bemillhet, in ben Ci
und Sagen. der batbarifchen Völker die Hauptelemente des helleni!
Glaubens wieberzufinden. Die hellenifchen Götter wurben hierdurd
Weltgöttern, wenn auch bie Kritik, die fich damit vorbereitete, in
rer weitern Entwidlung eine Bauptbeförderinn des Rationalismus
$. 2. Thukyd. Unficht vom ver griedg. Weligionsgefchichte. 9
.? . i a I u
A. 2. .
Zhutydibes Anſicht von der griechiſchen geliglonsteſchichte weampt
Eine Beantwortung dieſer Frage ergiebt ſich aus den — *
foden. des ——— 8— Lpiſoden He „ um en
eisen
Da iſt es denn gleich at —— daß in dem Haypts
werke des Thukydides fo außerordentlich ſelten von Religionb⸗
inſtituten Die Rede ift, während. dieſe Epifoden doch, vornehm⸗
lich die zwei aus. der früheften-t). Zeit, ganz vorzugsweiſe has
von handeln. Es liegt hierbei ‚eine fehr richtige Anficht des
Thukydides zu Grunde: daß die Religion nämlich im höhern
Alterthum einen wichtigern Platz eingenommen habe, als in
feiner Gegenwart, — Die vierte Epiſode, welche die Süh—
nung der Inſel Delos betrifft, Handelt ausfchlieglich von Res
ligionsſachen (IH, 104.). Mean Hatte diefe Inſel von jeher
für einen Talisman dee Seehertſchaft angeſehen, daher auch
ſchon Peiſiſtvatos fie gereinigt, Polykrates fie beſchenkt hat⸗
te2). Wie mild und verſändig erſcheint hier Peiſiſtratos
Reinigung: nicht auf grob ſinnliche Weiſe 3), - ſondern durch
religiöfe Ceremonien; nicht übertrieben, ſondern nur ſhweit,
als der Geſichtskreis des Hefligihiunes reichte. Nun. aber ‚Die
Reinigung durch Kleon )! Wie roh und materiell: alle
| I BE Pe DE
1) ], 126. II, 15.
3) Auf eine "für bas Soranienzetkalter ht ¶ ieeriſiiſqhe Art:
indem er die nah gelegene Inſel Rhenea mittelſt einer Kette an Delos
befeſtigte!
3) Well, 8. i Zu Er EL Ze Ze
4) Wie Diodor angiebt, zundchft um ber Peſt willen angeſteilt:
XII, 68. Auch trug gu der harten Behandlung:bed Oeller gewiß der
2200ZIhukybides. Kap. 7.
Grüfte werden aufgeftört, und die Schläfer aus ihrer Ruhe
ftatt geworfen. Wie deöpotifch ‘zugleich: jeder Sterbende, fü
wird verordnet, jede: kreiſende Frau fol auf ‚die Nachbarinfel
Rhenea transportirt werben. Um bie Reinigung zu vollenden,
wurden fpäter ſogar (V, 1.) die ſämmtlichen Bewohner
ber Inſel fortgejagt, bis das delphiſche Drakel und Kleom’s
Tod fie wieder zurückführte (V, 32.). Hiermit ſtimmt es
denn freilich ſonderbar überein, daß dieſelbe Verordnung die
uralten Kampfſpiele bon Delos wieder einrichtete. Endlich
den fhönften Hintergrund zur dem Allen bildet bie liebliche Schil⸗
derung "ber Feſte, die in Hometos Zeit diefe Infel erheitert
hattet: So ſtehen hier In’ prügnanter Kürze die drei vors
nehmſten Perioden ber helleniſchen Religienbgleſchichte neben
einander. Denn die Zeilen ber Aufklärung hatten: ſtch um
Dikos nicht viel gefiinmert "die Beftlichteiten iu waren damalt
ringeſchlafen. J
a BE vl,
or Ratureneigniffe unde Orakel. un:
Ze habe Kinder gefehen, vie nach dent Monde griffen,
und ihn ausblaſen wollten. Je ktindlicher ein Volk noch iſt,
befto mehr glaubt es, alle Naturwunder ſeien nur um
ſeinetwillen da; je weniger es bie: Naturkräfte natürlich benus
ben kaͤnn, defto mehr ſucht es fie übernatürlich zu benutzen.
Noch Serabot war Der’ Anficht gemefen, daß jedem Ereigniffe
der Menfchenwelt ein entfprechendes Ereigniß der Außerlichen
Natur voranzugehen pflege I). Den göttlichen Rathſchluß,
welcher das fe hetbeiſuhet, meint er aus dem nlebtern im
Verdacht bei, den man wegen ſpartaniſchex Geſinnungen gegen fie hegte:
Di ad. xl, 23. on
> 3.8. VI,2%. on 0.0
$. 3. Noturerelgniffe,. 2 221
Voraus zu erkennen. Bei Zenophon wiedernm dieſelbe Ans
ficht, nur viel ſyſtematiſcher und Detaillirter ausgeführt. |
Thukydides Hatte hierüber andere Begriffe; wie es bei dein
Zeitgenoffen des Demokritod und Hippokrates, dem Schüs
lex (?) de8 Anaragorad, auch wohl zu erklären iſt ). Von
den nächiten Veranlafjungen der Naturphänomene weiß er gut
Defcheid, Er Hat gelernt, daß Sonnenfinfterniffe in die Zeit
des Neumonded zu fallen pflegen (II, 28.); auch von. ver
Art, wie durch Erdbeben eine Ueberſchwemmung entitehen,
könne, weiß er eine artige Erklärung zu geben (III, 89.).
„Das Gewitter in Sicilien, fo große Furcht es den Neulin⸗
gen erregen mochte, fahen die Erfahrenern als eine gemeine
Folge der Jahrszeit an’ 2), Auch geht e8 zur Genüge aus, -
feiner fernern Darſtellung hervor, daß Thukydides die Anſi cht
des Nikias nicht gebilligt hat, den eine Mondfinſterniß zum:
vierwöchentlichen Aufſchube des nothwendigen Rückzuges be⸗
wog (VII, 30.). Wie ganz anders hatte in ähnlichem Falle
auch Perikles gehandelt), — Dabei verſäumt es Thukydi⸗
des aber doch niemals, die irgend wichtigern Naturereigniſſe
in ſeiner Geſchichte anzumerken. Am Schluſſe der Einleitung
bringt er die große Zahl und vermichrte Heftigkeit ſolcher Er⸗
— — — — — ——
ı) Man erinnere ſich an bie verſchiedene Weiſe, mit ber Anarago=
tas und der Priefter Lampon das Wunder des einhörnigen Widder zu
erklären ſuchten (Plut, Pericl. 6.). Sonten= und Möndfinfterniffe .
batte Anaragoras zuerſt erläutert, obwohl feine Theorie nut In einem .
engen Kreife durchgebrungen war (Plut. Nicids 23). DaB die Sonne
ein glühender Klumpen fein follte, wurde ihm fortwährend als Atheis⸗
mus ausgelegt. Wie auffaͤllend, ſagt K. D. Müller, mußten dieſe
Anſichten in einer Zeit erſcheinen, welche bie Natur von tauſend göttli⸗
chen Lebenskräften ſich durchdrungen au detzten gewohnt war, wovon
nun Nichts mehr, als die Fähigkeit, in Beweguns geſetzt zu werden,
bleiben’ ſollte!
2) VI, 70: vgl. vii 79.
°) Plut. Pericles 35.
2923 Thukydided. Kap. 7. \
felmmgen mit der Dauer und Gewalt des Krieges in Zur
fammenhang (I, 23.). Er meint namentlih, Die Some
finſterniſſe felen während deſſelben häufiger gemein, ala che
dem. Das ſtimmt denn wenig übereln mit feiner Erklärung
nach: Anaxagoras: und es ſchiene demnach die populare Anſicht
von Thukydides doch nicht ganz überwunden zu fein. Wie
wenig ſie ihn übrigens darum beherrſcht habe, ſieht man am
dentlichſten da, wo er von den ſchrecklichen Vorzeichen des ſy⸗
rakuſiſchen Zuges gar keine Notiz nimmt H.
Auf eigentliche Drakel haben immer diejenigen Schrift⸗
ſteller das Meiſte gegeben, welche zwar ein ummittelbares, per⸗
ſonliches Eingreifen ber Gbtierwelt nicht mehr geſtatten, doch
aber Alles noch durch göttliche Rathſchlüſſe erklären wollen.
So vor Allen Herodot 2) und Sophokles. Bei ihnen ſind
die Weiſſagungen recht eigentlich das Organ des göttlichen
Weltregimentes. — Andererſeits aber Hatte fich mit Der Um⸗
manblumg der alten Religiofltät ein Schwarm von Hungrigen
Wahrſagern eingeſtellt, wie ihn Ariſtophanes ſo oft vor unſer
Auge bringt. Dieſe Menſchen, deren verderbliche Wirkſam⸗
keit bei dem ſyrakuſiſchen Feldzuge ganz beſonders hervor⸗
tritt ), waren es denn auch, die den Euripides zu feinen
— — m — — —
1) Plut. Alcibiades 18. Nicies 13. Diodor. u. A.
| 2) Schon bem bloßen Umfange nach nehmen die Orakel bei Heros
dot einen gewaltigen Raum ein. Erft in ber Atthidenzeit finden wir
Aehnliches wieder; ja, Philochoros insbefondere in feinem Lehrbuche ber
Mantik und Iſtros veranftalten förmliche Sammlungen von Orakel⸗
ſprüchen (Plut. De Pyth. orac.). Freilich mehr aus dem gelehrten
Intereſſe der Alexandrinerzeit, als mit dem frommen Glauben, der un⸗
ter Peiſiſtratos ſolche Sammlungen erfordert hatte. Doch iſt ſelbſt für
die verderbteren Zeiten des Alterthums die Anſicht der Stoiker charakte⸗
riſtiſch, daß, wenn es Götter gäbe, ſie für die Menſchen ſorgen, und
wenn ſie für die Menſchen ſorgten, ihnen Willenszeihen und Omina
zufenden müßten (Cicero De divin. I, 38. II, 49.).
2) Thuc. VII, 1. Alkibiades hatte falfche Propheten aufge:
5.3. Drakel. 2935
zabllofen, meift wie vom Zaune gebroddenen, Schmähungen
gegen Orakel und Seher anreizten. CEuripides geht hierin fo
weit, daß er Im Jon ſogar den Drakelgott felber zum Anſtif⸗
ter einer zuchtlofen Intrigue herabwürdigt. Auch Ariſtopha⸗
ned verſucht an-Drafeln und deren Auslegung feinen Witz
derbe genug !): et Doch ſonſt der begeiftert Lobredner der g#
ten alten Sitte! - -
Unter dieſen Gegenſiten nimmt Thutydides wieder⸗ eins:
echt hiſtoriſche Mitte ein. Völlig unparteüſch erwähnt er es,
wo nur Befragungen oder Befehle des Gottes zu Berichten
waren. Auch die Wahrheit des allgemein verbreiteten Ge⸗
rüchtes , als Habe Pleiftoanar die Pythia zu Ihrem Spruche:
beredet, Täßt-er völlig auf fih beruhen (V, 16.). — Dape:
gen wird gemeldet, bei der Peſt fe: Alles von diefer Ay.
Drakel und. Brogefflonen, gleicherweiſe unnütz geweſen (I,
47.); anderswo auch der bethörende, der lähmende Einfluß
erwähnt, den dad. Vertrauen auf ſolche Goͤtterſprüche äußern
könne (V, 103.) 2), —. Muf der andern. Seite aber werden
buchſtäblich eingetroffene Weiffagungen nicht verfchiwiegen CV,
26. VI, 27.); ja-bie Heine,.: aber unläugbare Abſchweifung
(IH, 96.), die vom Tode des Heflod erzählt, wird einem’
Defremden des Thukydides - über ein folches Eintreffen emte:
ftellt, der ammonifche Zeus ben Sieg. verkündigt. | Der richtiger‘ bi.
ende Meton wagte ſich doch mit der x Bahryeit niet yeraus ‚Pie
Nicias 13).
i 3: 8. Equitt. 82 9 © 00 nen un
2) Wo Thukydides eräßlt, daß bie Reinigung von Biss burch
ein Orakel geboten. fei, da. gebraucht evi die Partikel .d4.. Blsoms
field und „Arnold (g III, 14.) ſchliaßen hierqus, .„Shulybi,.
des habe das ganze Orakel für fingirt gehalten. Denn 7 werde in ber
Kegel ironifch gebraucht: fo III, 10. VI, 54. Dieß ift doch etwas zu
fühn. Thukydides führt ja oft Orakel an: ihre göttliche Natur r braucht
er darum noch nicht geglaubt zu haben. .2 .:7 .
274 | Thukydiheo. Kap. 7.
fprungen fein. Thukydides erinnert daran ‚mie ſonderbar der
Umftand, daß die Beloponnefier won der Peſt verſchont ge
blieben, mit dem Schutzverſprechen, das ihnen Apollon gege
ben Hatte, zuſammentraf (IL, 54), Doch läßt er gleich im
Folgenden eine Andeutung fallen, als oh bie dünnere, mins
der zuſammengedrängte Bevölkerung des Peloponneſes hierzu
wohl beigetragen hätte, — Die eigentlichen Grundſätze abe,
wonach. Thukydides Orakel beurtheilt, find folgende.
A. Jede tiefbemegte Zeit legt dem Menſchen vorzugs⸗
weile den Wunſch an's Herz, in Die Zukunft zu blicken. Da
entfteht. denn allemal eine Mienge won Weiſſagungen, welche
von den Einzelnen, befonders den Alten (IL, 54.), je nad
dem; die Hoffnung oder die Furcht bei ihnen vorhertſcht, ans
genommen und erklärt werden. Alles Ungewöhnliche in ber
Natur wird von den Wißbegierlgen zu demſclben Zwece aus⸗
gebenut). u
Bi + So: wird denn auch gar Manches zum Orakel ge
möcht, was Doch Nichts weiter iſt, als menſchliche Vorauss
ſicht. Vorausgeſehene :Symptente eines Zuſtandes werden in
myſteriöſe Urſachen deſſelben verwandelt (D,.17.). — Dem
Kylon hatte das Orakel zur Begründung ſeiner Tyrannei das
höchſte Feſt des Zeus empfohlen. Kylon machte nun am
Tage der olympiſchen Spiele einen Verſuch, der bekanntlich
mißglückte. Hier fügt Thukydides hinzu, in Athen beſtehe ein
Feſt, Diaſia genannt, welches vom ganzen Volke außerhalb
der Stadt gefeiert werde. Er will hiermit andeuten, daß
wohl dieſes Feſt vom Orakel gemeint ſei. Hier märe unſtrei⸗
tig die Ueberrumpelung der Stadt, wie fie Kylon werfuchte,
viel Teichtex möglich geweſen (I, 126.) |
C. Daſſelbe menſchliche Herz, welches jene Weiſſagun⸗
gen hervorrief, findet fie nachher gläubigen Sinns auch einge⸗
1) U, s, 21: vgl. VI, 27. V, 26.. U
Charafterijtit der perifleifchen Zeit. 207
tig gingen (I, 141 fſ.). Hier tritt vor Allem die Freiheit
e Athener von den Sorgen des täglichen Lebens berbor,
che ihnen geftatte, fich mit ganzer Seele auf Einen großen
wech zu werfen. Dann ihre langjährige, allmählig envor=
ne Uebung im Kampfe und in der Herrſchaft, ihre ftarke
id Die Gelegenheit ergreifende Eintracht, ihre Ungebunden⸗
it in der Weife des Angriffs, hauptſächlich aber ihr groß-
tiger Sinn, welcher die Landhäufer und Felder von Attika
n größere Dinge willig dabingebe.
ALS nun der Krieg aber wirklich begonnen Hatte, in wel
en diefe Größe von Athen zufanmmenftürzen follte, da bes
itzt der Hiſtoriker die erſte würdige Gelegenheit zu einer breis
m Entfaltung feiner Anfichten: gleichſam als wollte ex vor
m Abſchiede jene Zeit noch einmal in ihrer wollen Herrlich⸗
it begrüßen, Dieß gefchicht in der perikleifhen Lei—
enrede (I, 35 — 46.). Nichts it wunderbarer , als
8 allmählige Anfchwellen Diefer Nede: wie fie kühl und leiſe
ginnt, immer wärmer und lauter, immer glühender und
ächtiger wird, cine Zeitlang in höchſter Majeſtät fich gleich
eibt, um dann ebenfo allmählig zum Schluſſe herabzuſinken.
as iſt die wahre hiſtoriſche Beredtſamkeit, welche nicht bloß
ranſtürmt gegen den Leſer, ſondern ihn auch fähig macht,
m Sturme Widerſtand zu leiſten.
Gleich zu Anfange bemerkt der Redner, er rede nicht um
e Gefallenen willen; denn wer Durch Die That ſich groß ge⸗
gt, der werde auch beffer durch Die That, als durch die
de gefeiert. Darum geht er denn auch Bald auf den Ruhm
3 athenifchen Staated über (36.): er gedenft der Ahnen,
Ihe Durch Stätigkeit ) ihrer Wohnſitze und durch männliche
igend Die Zreiheit bewahrt; er gedeuft der Väter, welche
1) Morauf die Athener bekanntlich fo ungeheuern Werth legten.
ser den zahllofen Stellen der Redner, befonders der Epıitaphien, val.
:rod. VII, 161. Xen. Mem. 111, 5, 12.
208 Thukydides. Kap. 6. -
zu der Freiheit Die Macht Hinzugefügt Haben. Doch Bei
Ehrfurcht vor den Thaten der Vergangenheit fpricht er f
Gegenwart die Krone zu. — Hier ift nun augenſcheinlid
Abficht des Thukydides, im feine Schilderung der periflei
Zeit vornehmlich diejenigen Züge aufzunehmen, in deren |
änderung ſich nachmals der Verfall am entſchiedenſten o
barte. Diejenigen zugleich, die mit Lakedämon Im ſchär
Gegenſatze ſtanden. So Eonnte ihm das weſentlich Athen
das wefentlich Perikleiſche nicht entgehen. — Gerechte Freiheit;
fländige Gleichheit, welche den Ruf beachtet und Das Bert
anfenert ; nnerzwungener Gehorſam gegen Obrigkeit und
feh, fern von Mißtrauen und Polizeichicane, beſeelter
Staatövertwaltung (37.). Reichthum, Kunſtgenuß und
liche Ergötzungen verſchönerten die Muſſe, doch immer
als Erholungen von der Arbeit (38.) )). So wenig bie
muth Gefchimpfte, fo ſchmachvoll fchien es dem Athener,
sicht mit Eifer abzuwenden. Doch felbit der Landmann
Gewerbetreibende war mit Staatsſachen beſchäftigt. We
Staate kein Jutereſſe fand, der galt nicht für ruhelie!
fondern fir unnütz (40.). Die Deffentlichkeit des ganzer
bens, verbunden mit dem großen Verkehre der Stadt,
die Urfache, daß man auch den Feinde nicht mit Lifl
Heimlichkeit 2), ſondern mit offener Tapferkeit entgegen
einer Tapferkeit, Die mehr auf Charakter, als auf harter €
hung und Geſetzen beruhete. So- ausgebreitet und all
ihre Bolitit war, zu Land und zu Waſſer, fo war
bei aller Vorbereitung auf den Krieg, der Friede meh
fie, als bloß eine Uchungöfchule (39.). Der Athener licht
ı) Man denke fpäter nur an die Gleichheit der xenophon!
Republil, an das Ueberhandnehmen der Sylophantie, und was bie
artung der öffentlichen Luftbarkeiten angeht, an Xenoph. De
Ath. 2,9.3,8. Demosth. Phil. I, p. 50. Plut. De gloı
8. Justin. VI, 9. Bockh Staatshaush. I, S. 224 ff.
2) Ich erinnere an die Xenelafie und die Gekeimnißfrämerei,
allen ariftofratifchen und bespotifchen Etaaten eigenthümlich ift.
Charafterifti ber perifleifchen Zelt. 209
ut, doch ohne Verfigivenbung !); die Wiſſenſchaft, doch
e Weichlichkeit. Er wirkte für ..den Staat, ohne: fein
8 zu vernachläffigen; er lernte von ver Rebe, ohne die
rt zu veräbfäumen 2). Sein Heldenmuth ging aus Kennts
ber Gefahren, feine Aufopferung: aus dem richtigen Urs
le über das hervor, mas auf dem Spiele ſtand (40. 43.) 3).
tz, Athen Tonnte mit Recht eine Schule von Hellas
Bart werden ). — Und zum Beweiſe dafür beruft unfer
mer fich auf die lebendige Wirklichkeit : eine Wirklichkeit,
ueber eined. Homeros, noch eined Logographen zu ihrer
herrlichung bedürfe, ſondern allein ihrer eigenen, ewig
ernden Denkmäler, im Guten wie im Böſen (41.).
fe Herrlichkeit des Vaterlandes fol denn auch zur ‚Liebe
Igen aufmuntern, zur männlichen Pflichterfüllung in dem
mben, Daß alle. Glückſeligkeit auf der Freiheit, ‚alle Frei⸗
‚aber auf Der Tugend begründet ift (43.). udlich den
Muß. wiefer Rede bildet die Ausfiht, zwar das Leben fei
Bnglich,. ver Ruhm des mohlgeführten Lebens aber unver-
ih). — Die Hauptgedanken der Leichenrede kehren in
lezten Ermunterung wieder, die Nikias vor Syrakus hielt
= 60.). Allerdings ein aaeeiteuder Augenblic um dar⸗
t. u werden! .
mn. ..
Dan bente ı an die fpätere Berge bes Zpeositanı
Bel. 42.
Bol. hierzu Demofthenes Staatsreden an In ungäbtigen Stellen!
Eiiados "Elias, wie e8 der Dichter Thukydides in feinem Epis
auf den Euripides nennt. Vgl. Isocrat. Paneg. 13, Aesch.
e 3.
II, 43 fo. 64. — Fürwahr, folhe Männer, wie die perikleis
ner, waren ber Befoldungen, Klerudien, Schaufpiele, bie
gegeben wurben, nicht unwerth ! Dal. Wachs muth Hellen. Als
2, ©. 66 ff. Und bie fchönen Worte in Heeren's Ideen:
Bas. XV, ©. 329 fg.
14
210 Wuhukydides. Kap. 6
Von K. O. Müller. tt bekauntlich dee geil
Verſuch gemacht worden, im Apollon und Herakles ein
thiſche Perſonification des doriſchen Stammcharakters nı
weiſen. Der Dorier, von religiöſem Bedürfniſſe getr
fuchte das Leben, das ihn ſelbſt durchdraͤng, nun auch.
ſich darzuſtellen, dort In güttlicher Geſtalt, hier in heroi
Wie fig; denn freilich in dem menschlichen. Theile einer,
Religion: Dr ideäliſirte Charakter: des Volkes und Zeit
wieberfinden läßt: Auf Diefelte Welle — ſchon der 9
dünkt mich:,"weifet dahin — koönnte man im der Pallas 9
eine Repräfentantinn: des. atheniſthen Geiſtes erhlichen. :
nun zu Perikles Zeit Das politiſche und literariſche Weſe
Athener feine Blüthe trieb, ſo ward: auch das Pallasi
um dieſelbe Zeit durch Pheidias vollendet,:für alle Fol
ten. feſtgeſtellt. Wer irgend die bekaunte albanifche Büft
ſehen hat, der wird, aus: Ami fingen Grazie, der ru
Karheit,“ der völligen Zufriedenheit dieſes reinen; hohen
litzes vinen ühnlichen Eindrack empfunden haben:, mie ihe
Rede Dis. Perikles oder ein ſophokleifches Drama herven
Demſelben Geiſte, welcher dieſt Pollas erſchuf, gelan
auch, den Zeit: von Olynipia zu. bilden, den allgeme
und höchſten Gott der Hellenen. Ich denke: mir dieſes
nach der Büſte von Otricoli. Es erinnert mich an die ſ
gezeichnete Majeſtät eines ſophokleiſchen Theſeus; und
ohne ſinnreiche Anſpielung iſt Perikles von feinen: Serge
der Olympier genannt worden.
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Siftorifäe Unparteilichfeit des Thukydides.
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3 Denn. ganzen.. Thun nnd Freißen dei — Ari
at eo; Nichts wie ich glaube, mad den Lalen ferner
Uge, ja unverſtändlicher wäre, als ‚bie hiſtoriſche / Umarteilich⸗
keit. Dem Reiche. der: Naturwiſſenſchafteu uſt⸗ dieſer Begriff
vᷣoſſtomen fremd. ¶In /den praktiſchen Dibeipliaen bei; Thech
logen oder Staatsheamten pflegt ch etwas: himmelweit davon
Verſchiedenes, nämlich Die. Gleichgültigkeit, unter dem Namen
der Unparteilichkeit zu verſtecken. Lind ſelbſt die Unparteilich⸗
—eit des Richters beſteht dach Im Grunde nur darin, perſbnli⸗
de NRuckſichten abzuweiſen; den vorliegenden. Fall unter möge
lichſter Verläugnung alles. Perſonlichkeit fo zu beantheilen, wie
3. der Geſetzgeber ſelbſt gethan hätte. — Dieſe Unparteilichkeit
iſt das eigentliche Adyton der hiſtoriſchen Kunſt; fſie iſt ok je
der Zeit nur den größten Künftlern zugänglich geweſen. Wels
her Gewinn daher, an der Hand bes vortrefflichſten helleni⸗
ſchen Geſchichtſchreiberß dieſe dunkle Gegend detaillirter aufzu⸗
nehmen. Wenn irgend eine Zeit, ſo iſt die unſere fähig, auch
in dieſer Hinſicht dem Thukydides nachzuempfinden. Sie iſt
kraftvoll, aufgeklärt und erfahrungsreich, wie jene; ſie iſt par⸗
212 Thukydides. Kap. 7.
jiſche 1) Gottheiten in den Hintergrund treten. Zwiſche
nem Ritter und einem Gotte war der Abftand nur ge
Diomedes Schlägt den Ares, Achill den Skamandros.
das Leben der Götter, fing man an, die frivolſten Schn
hinüberzutragen 2).
Eine ganz ähnliche Bewegung, wie fie im fechzef
Jahrhunderte das entartete Chriftenthum bei den abendli
fhen Völkern reſtaurirte, ſcheint auch in Griechenland
fechfte Jahrhundert belebt zu Haben. Dieß ift fi
Hellenen das Zeitalter der großen Erfindungen. Un
Buchdruckerkunſt entfpricht damals die Verbreitung und !
befjerung der Schrift; unfern Entdeckungsreiſen die Bela
ſchaft mit dem Oriente und der weftlichen Hälfte des M
meeres. Wir fehen die Mipiterien, dieß religiöſeſte Ele
- der griechifchen Neligiony wieder lebendig, die Orakel, |
über die Barbaren hin, wieder herrſchend werden. Die
lige Sage, die alten Gütteriprüche, um nor Menſchenſa
ſicherer zu fein, werden aufgezeichnet. Mit Epimenides u.
hebt eine. religioͤſe Sprit an, ſowie auch das Epos durd
zahlreichen Gedichte der Orphiker ganz: religiös und ask
wird. Die aufblübende Kunſt, mie die aufblühende Wi
ſchaft 2) nehmen einen veligiöfen Anfang. Wunderthäter
Sittenprediger treten an die Spike der Staatsverwalt
Un Sitte,. wie ſelbſt an Kleidung macht die ioniſche W
—— — — — — —
1) Nach den Forſchungen von Welcker im Nachtrage zur
logie.
2). Daher auch die mannidhfachen Kritiken 3. B. des fröm
Pindar: Olymp. 1, 62, IX, 35.
3) Insbeſondere waren bie Logographen demhet, in ben Ci
und Sagen. ber batbarifchen Völker die Hauptelemente bes hellenil
Glaubens wieberzufinden. Die hellenifhen Götter wurben hierburd
Weltgöttern, wenn aud bie Kritik, die fich damit vorbereitete, in
rer weitern Entwidlung eine Dauptbeförderinn bes Nationalismus '
5. 1. Religion des fechften Jahrhunderts. 215
feit einem kraftvollern, rauhern Dorismus Ppllatz; ja die
Pphiker ſtreben faſt in mönchiſcher Entſagung nach Reinheit
b Fleckenloſigkeit des außern Lebens iy. — Als der vor⸗
hmſte Vertreter dieſer Ideen ſchwingt ſich ber lakedamoniſche
taat, eng verbündet mit dem delphiſchen Gotte, zur Haupt⸗
uht von Griechenland empor. Dieſe Zeit reicht bis In die
keſerkriege herab; noch bie Perſerktiege werden gleicherweiſe
ie religioſer, wie mit politiſcher Begeiſterung ausgefochten.
e, die Religionsideen der ganzen Periode erlangen ihre
Bft Ausbildung, ihren ſchönſten Ausdruck erſt am Schluſſe
Heben: Pindar und Aeſchhlos, Sophokles und Herodot,
heidias und Polykleitos 9), Hier iſt die Blüthezeit der grie⸗
Wien Religioſität, an Reinheit wielfach dem Monotheismus
Me ftchenn. — Das Gefühl unbedingter Abhängigkeit von:
Kit und die Hoffnung eines fellgen Lebens bei ihm iſt Der:
Rh aller Religion. Jenes Gefühl Hat fih Im Chriſtenthume
Upngerveife auf die innere Helligung, Bei den Hellenen vor«
Amelie auf die äußere Machtfülle gerichtet. Wie die Tuthe-
Be Zeit die Verdienſtloſigkeit des Menſchen gegenüber der
Rüde Chriſti predigt, fo die pindarifche Zeit das Maß des
chen gegenüber der göttlichen Unermeßlichkeit 3), In beis
k biefelbe Degeifterung, diefelbe Demuth, welche Alles nur
Ks Gott zu fein glaubt. Der Begriff ber Weltf chopfung
Ken Griechen erſt in dieſer Zeit lebendig geworden. So
— ——
En Eobed’3 Aglaophamus ©. 24.
%) Bat. Quintil. XII, 10, 9. Dio Chrysost. Olymp. orat.
a. — Auch die chriftliche Reformation, bei den Evangelifchen,
a bei den Katholiten, bat ihre Ichönften künſtleriſchen, namentlich
& mufitalifchen Früchte in dem Jahrhundert zwifchen Milton und
upftoct getragen, alfo unmittelbar vor dem Einteißen der Aufklärung.
3) Doc hat auch Simonibes in feinem berühmten Fragmente aus
Mört, daß kein Menfch völlig gut fein, höchftens im Einzelnen durch
eGnade der Bötter aut Handeln könne: Plato Protag. p. 339 5q1.
21% Thukydſdes. Kap. 7.
haben auch Pindar und die Orphiker die Idee von einen
gen Leben nach dem Tode, welche ſchon Heflod im fh
Gegenfage .mit dem Schattenreiche des Homeros ange
hatte, zue- fünften Entwicklung gebracht 7),
Aber auch die Aufflärung war inzwiſchen herang
Philoſophen, Logographen und Naturforſcher hatten glei
ßig an der Zerflörung des alien Glaubens Theil genen
Wie die Sophiſtik wirken mußte, Tiegt zu Tage. Not
Gottesläugner, wie Diagorad und Hippon, ftanben in
ben, Von Perikles wird ald eine Merkwürdigkeit er
daß er auf dem Sterbelager den rauen nicht Fänger ı
ftanden, und fih mit Amuleten Habe verjehen laſſen 2),
den diplomatifchen Urkunden jener Zeit nimmt allerdings
das delphiſche Drakel,. das. ofympifche Feſt die erfte
ein, doch mehr aus Herkommen, denn aud wirklicher
ſchätzung. Daß unter den. meiſten Staatömännern die
gion; zur leeren. Kormfache geworden war, zeigen am
lichften - Die Unterhandlungen von Delion 3), Wie
gen felbit die Lakedämonier „mit dem heiligen Elis
Am reinften wird übrigens. der religiüfe Zuftand diefer ;
in den mittlern Stüden des Euripides abgefpiegelt. |
eine willfürliche Miythenverbrehung, welch eine forglofe
frafie, welch eine Inconſequenz, die oft in Einem Stu
Götter felbft erfiheinen, und Doch die Argften Zweifel de
tionaliamud und Pantheismus gegen ihre Eriftenz vorb
läßt! Die freche Gottvergeffenheit feiner Helden wir‘
durch die Gemeinheit feiner Otter felbft übertroffen. —
meiften von der alten Religiofität hatte noch der conſer
Sinn der Lakedämonier zu beivahren veritanden. Sie
wenn die Opfer ungünftig audfallen, noch die wichtigften
ı) Pindar. Olymp. Il. Thren. fr. 4. 8.
2) Plut. Pericl. 38, nach Theophraſt.
3) Thucyd. IV, 97 sq.
$. 1. Gemeine Unparteilicglet. $. 2. Bewunderung. 255
8. 2,
Bewunderung, Freude und Schmerz.
Thukydides hatte große Männer und auferorbentlice De
zebenheiten zu ſchildern. Was ihn aber bier vor den Gefah⸗
cen des admirari ſchützte, das war zunächſt die mühfame und
künftliche Verarbeitung feined Stoffes, wobei der Rauſch ver
erſten Bewunderung gar bald verfliegen mußte. Eodamn
auch feine Abneigung wider jede beſchreibende Charatterifif.
Denn bei Reden, wo der Held in Perſon erſcheint, mürbe
felbit der, äußerte Enthufiasmus wenig Spielraum haben,
Ueberdieß pflegt ein Mann, welcher durch Gebt und Erzie⸗
hung mit den Erſten auf gleicher Stufe ſteht, welcher die Ss
fchäfte des Krieges und Staates fo gründlich kennt,“ und‘ fein
ganzes Leben hindurch mit jo viel Menfchen verkehrt’ hat, Yan
[ugendlicher Bewunderung der materiellen, wie der geiftigen
Größe gleich entfernt zu fein. — Daher find die Sthilberun⸗
gen des Thukydides, beſonders die perfünlichen,. von ingerlletse
ner Mäßigung: er vedet nur, ſo ſcheint es, von feines Glei⸗
hen). Ja, mitunter könnte man: glauben, dieſe Ruhe ſei
nur erkünſtelt, fel blaß und nichtsſagend, wenn man micht
wüßte, daß eben die Sparſamkeit ſolcher Fingerzeige auf: Buß
Studium der Reden Hinleiten folk, - wo ſich "die Charakteriſtik
in herrlicher, plaftifcher Fülle außbreitet: Auch in dieſer Bis
ziehung trägt das letzte Buch die Spuren der Unfertigkeit. Da
heißt es vom Alkibiades, er habe dem Staate zum éerſten
Male in feinem: Leben Nutzen gebracht (VIII, 86:) 5 Gyperbo⸗
08 wird ohne Weiteres ein Elender genannt, der nicht: ots
sen feiner Macht und feines -Nnfehend:: verbannt worden ſei,
ondern wegen feiner Schlechtigkeit, und weil er ein: Schaub⸗
1) Set. II, 66. IV, 81. | a
216 2 Xhulybibes. Kap. 7,
Ausbruche des Krieges bedeutend genug ,. Daß fi Kleon,
gegen Perikles zuerſt aufzukonmmnen, des Diopeithes
nen konnte. Die Anklage wider Anaxagoras, die
rect den Perikles ſelber traſf, ſtützte fich. auf. religiöſe Grum
lagen 1). Auch am Staatöruder angelangt, ſetzte Kleon
Richtung fort:? die Sühnung von Delos iſt ein. Beweis
bon, freilich auch ein Beweis, daß ſelbſt ſein religiöſes Bn
ken von der Albernheit und: Unmenſchlichkeit feiner. Demagt
befleckt wurde 2). Aus Ariſtophanes Rittern erſehen wir, I
ſich Klevn vorzugsweiſe anf ſeine, angebliche Drakelkenntniß ge
ſtützt haben muß. — Ganz beſonders aber war Nikias dy
Mann, wie ihn Xenophon nachmals ſich hätte wünſchen Figg
nen. Berfünlicher Freund, des Diopeithes 2); täglich, genpferkg
glänzende Feſte gefeiert, Nichts gethan ohne, Wahrjager !.,
Ein großer Krieg hat der freigeffterifchen Aufklärung ‚oftmalig
Schaden gethan: fie pflegt Dem Tode, nicht gern ins Auge zu
fegen. So: aud). der pelnponnefifge ‚Krieg zu Athen, obwohe
eine zügellofe Demokratie zur Anerkennung unfichtbarer Mächte,
im Ganzen wenig geneigt iſt. Auch bier begegnen wir dem
Euripides wieder,. Der freilich von jeher dem Zeitgeifte mehr
gehorcht, als geboten hatte... Seime letzten Stücke geben eine
formliche Palinodie maucher frühern Zweifel 5). — Vornehm⸗
— —— — —— —
Ariſtophanes in den Vögeln, ſondern auch in Phrynichos Kronos und
in Ameipſias Konnos verſpottet: Schol. Aves 988. — Mehrere Se⸗
her, wie Lampon, im Prytaneion geſpeiſt; Schol. Pax 1083:
1) Plut. Pericl. 31 sqq. 35, Nicias 23. Sotion b. Dioge-
nes II, 12,
2) Thucyd. III, 104. V, 1sqq. Nach Kleon's Tode warb
fein Verfahren wieder abgeftellt, V, 32. .
3) Schol. Aristoph. Equites 109.
4) Plut. Nicias 3 sqq. &
5) Als das eigentliche Ideal eines vornehmen und orthoboren Fänge
lings damaliger Zeit muß man ben Hippolytos bes Euripides betrachten.
$. 1. Religidſe Menctkon. 917
aber machte fih die religiöſe Menetion in den Streifen gel-
‚ welche zugleich mit ber politifchen Reaction gegen die
koherrſchaft beſchäftigt waren. : Wie fich- dieſe Richtung Bei
Sokratikern außgebildet, Darf ich im Allgemeinen als be⸗
at vorausſetzen 2). Das höchſte Ideal dieſer neuen Religioſt⸗
iſt Sokrates, Höher ſtehend, als der dquãkerhafte Hermoge⸗
Am früuheſten aber tritt dieſe Verblndung 'ber Aichlichen
politiſchen Reaetion in dem beruͤhmten Prezeſſe wegen der Her⸗
ifrevel hervor. Wie ich tiefer unten 2) zeige, ſind die Hermenfte⸗
ſowohl, als: bie: Myſterienverletzungen vollkommen im Sinne
ee Reaction, welche ‚den entarteten Volksglauben anf Ihre
tie erneuern wollte. Alto keinesweges bloß Exceſſe über⸗
thiger Trunkenheit! — Man würde:nun freilich ſehr its _
t thun, wenn man die religiöſen Ausſchweifungen ſeuer
t, die Myfterimier. Kotytto 2) und Aehnliches, geminkält
er Reattion wollte Schuld geben. Hat doech auch die fi
iſche Reformation: Ihre Wicherliufer ;< Die heutige Kirchen⸗
egung ihre Mucker. Selbft das erfte Auftreten des: Chri⸗—
2 1m,
.. tie.»
—X ———
1) Bor Allen bei Zenophon, dann auch bei Platon, Simon, dem
'affer des Ariochos. Auch bei Sfofrates finden fich zahlreiche Spus
Diejen Männern ift felbft im Aeußerlichften 3. B. der Schwur
Lampon eigen, bei der Band, beim Hunbe u. f. w., wie e8 Plas
im zwölften Buche der Gefege als ein frommes Inftitut des Rhaba⸗
thys bezeichnet. Vgl. Schol. Arist. Aves 521. Die Streligiofis
einzelner NReactionäre, 3. B. des kritias, iſt hiermit ſehr wohl
nbar. . 8 DE
2) Kap. 14, $..5.:
3) Bekanntlich in Erpolis Bapten verſpettet. Schon früher hatte
tinos feine Thrakerinnen gegen den Cultus der thrakiſchen Natur⸗
in Bendis gerichtet, der etwa um 444 im Peiräeus öffentlich reci⸗
: wurbes ſeine Idäer gegen den Gultus der Kybele, für welchen
eidias felbft, atfo vermutblich in Perikles Auftrage, ein Bild verferz,
t hatte (Pausan. 1,3,'5.). Ich meine übrigens, daß diefe Recep—
men nicht ſowohl aus Pietismus erfolgt find, als weil Athens Welt:
mdel dergleichen Zoleranz erforderte. Später wurden fogar wieder
rauen vom Apoll gefchwängert, u. dgl. m. (Plut. Lysand. 26.).
248 .&buthbtbes, Kay. 7
ſtenthumes iſt von folchen Ausartungen nicht frei gebliche
Abper zweierlei darf :doc Niemand verfennen, wenn er
Religion der pindarifihen Zeit mit der ſokratiſchen zuſamr
ſtellt. Diefe lebtere ft ein Product der Wiffenfchaft,
den böhern Ständen guögegangen; fie hat im Volke u
weniger die Herrſchaft erlangt, je mehr fie wow deſſen yı
ſchen Feinden -ropräfentist ‚; :von Lakedämon aus unter
wurde; ‚Und.inn-fie prakt iſch auftritt, wie erſcheint fie
Ungefähr, wie Nikias den Arxiſteides, Agefiland dem &
das, die Zehntauſend von Kunoya den Zehutaufend von!
rathon gegenüber 2). Jene frühere. Zeit, im folgen Ge
ihrer. Kraft, Hatte. von der Religion hauptſächlich eine heil
Demuth ernten :mollen,. Die Sokrates dagegen, mehr
die. Ageſilaos und Xenophen, wollen Nichts: auf eigene $
unternehmen, vor jedem Schritte ſich beieden Göttern N
erholen. Religiös iſt Beides; aber” doch ein bedenkl
Unterſchied. — Wenn ns Aehuliches u he
fände? er
Sin dieſen Verhaltniſſen lebte nun Asa
Dr 77
I 2gl. Tertull..Re-ieiun, 17. Hieronym..In Vig:
Augustin. De civ. Dei VIII ult. Ep. 64.: ‚Canon. concil. i
35. Der heibnifchen arugmife nicht einmal berenten.
2) Ein Hauptſymptom Übrigens ber damaligen. retigiöfen. Re
ift der ungeheuere Werth, den ein Mann, wie Lylandrs, auf den
fens der Drafel legt; und mehr noch der Umftanb, daß er trotz
Mühe keins derfelben beftehen Tann (Dio.d. XIV, 13. Plut.
sandr. 25 sq.), Was ſehr merkwürdig ‚an die Werhältniffe der n
Theologie erinnert, ift u. A. der Umfland, daß Sokrates feinen 8
für das Dafein Gottes faft nur aus der menſchlichen Natur ent
hat: Xenoph. Memor. It N WR
u re ee FE .
$. 2. Thulyd. Anficht vom ber griech. Religlonsgeſchichte. 219
‚f
u. 2. on
xdutvdibee Anficht von der griechiſcchen Retigtönsgefäjchte überhaupt.
Eine Beantwortung dieſer Frage ergiebt ſich aus den Epi⸗
ſoden des Thukydides. Dieſe Epiſoden nämlich, — um ein
Neſultat des. zwölften Kapitels zu anticipiren — haben den
Zweck, Hauptepochen der frühern Geſchichte von Athen zur
Ecklãrung und Paralleliſirung der Gegenwart heranzuziehen. —
Da iſt es dann gleich zuerſt auffallend, daß in dem Haupt⸗
werke des Thukydides fo außerordentlich. ſelten von Religions
nſtituten Dig Nee ift, während. diefe Epiſoden doch, nornehms _
lich die zwei aus der früheſten 1), Zeit, ganz vorzugsweiſe da⸗
son handeln... Es legt hierbei . eine ſehr richtige Anficht des
Ayukydides zu Grunde: daß bie Religion nämlich im höhern
Alterthum einen wichtigern Platz eingenommen habe, als in
feiner Gegenwart. — Die vierte Epiſode, welche die Süh-
nung der Inſel Delos betrifft, Handelt ausfchlieglich von Res
ligionsſachen (III, 104.). lan Hatte diefe Inſel von jeher
fir einen Talisman der Seeherrfchäft angefehen, daher auch
fhon Peiſiſtvatos fie gereinigt, Polykrates fie beſchenkt hat⸗
te2), Wie mild und verſtändig - erfcheint Hier SPeififtratos
Reinigung : nicht auf grob -finnliche Weile 3), ſondern durch
religiöfe Ceremonien; nicht übertrieben, fondern nur foweit,
als der Geſichtskreis des Heiligthumes reichte. Nun. aber Die
Reinigung durch) Kleon )! Wie roh und materiell: alle
») 1, 126. II, 15.
indem er bie nah gelegene Infel Rhenea nittelft einer Kette an Deios
kefeftigte !
3) VBgl. I, 8.
9 Wie Diodor angiebt, zunähft um der Peſt wien angeſteilt:
All, 68. Auch trug zu der harten Behandlung det Delier gewiß der
208 Thukydides. Kap. 6.
zu der Freiheit die Macht Hinzugefügt Haben. Doch bei allg ;
Ehrfurcht vor ten Thaten der Vergangenheit fpricht er feine;
Gegenwart die Krone zu. — Hier ijt nun augenfcheinlich bie
Abficht des Thukydides, im feine Schilderung der perikleiſchen
Zeit vornehmlich diejenigen Züge aufzunehmen, in deren Ben,
änderung ſich nachmals der Verfall am entfchiebeniten ofre
barte. Diejenigen zugleich, die mit Lakedämon dm fchärik
Gegenſatze ftanden. So konnte ihm Das weſentlich Atheniſche
das wejentlich Perikleiſche nicht entgehen. — Gerechte Freiheit; ven
ſtändige Gleichheit, welche den Ruf beachtet und das Verbin
anfenert ; nnerzwungener Gehorſam gegen Obrigkeit und €
fe, fern von Mißtrauen und Bolizeichicane, beſeelten di
Staatöverwaltung (37... Reichthum, Kunſtgenuß und fir
liche Ergögungen verſchönerten die Muſſe, doch immer ml.
als Erholungen von der Arbeit (38.) 1). So wenig die 4
much beſchimpfte, fo ſchmachvoll ſchien es dem Athener,
nicht mit Eifer abzuwenden. Doch ſelbſt der Landmann, NE
Gewerbetreibende war mit Staatsjachen befchäftigt. Wer.
Staate kein Jutereſſe fand, der galt nicht fire ruhelicben
fondern für unnütz (40.). Die Deffentlichkeit des ganzen SE
bens, verbunden mit dem großen Verkehre der Stadt,
die Urfahe, daß man auch dem Feinde nicht mit Lift n
Heimlichkeit 2), ſondern mit offener Tapferkeit entgegentrak
einer Tapferkeit, die mehr auf Charakter, als auf harter Err
hung und Gefeßen beruhete. So- auögebreitet und alle
ihre Politit war, zu Land und zu Waſſer, fo war d
bei aller Vorbereitung auf den Krieg, der Friede mehr IE’
fie, als bloß eine Uebungoſchule (39.). Der Athener Lichte Wi
) Man denke fpäter nur an bie Gleichheit der xenophontiſc
Republik, an das Ueberhandnehmen der Syfophantie, und was bie X
artung der Öffentlichen Luftbarkeiten angeht, an Xenoph. De
Ath. 2,9.3,8. Demosth. Phil. I, p. 50. Piut. De glor.
8 Justin. VI, 9. Böockh Staatshaush. I, S. 224 ff. J.
2) Ich erinnere an die Xenelafie und die Gebeimnißkrämerei, w i
allen ariſtokraliſchen und despotiſchen Staaten eigenthümlich iſt. |
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ogen ‚oder Staatbheamten pflegt ſich etwas hinnnelweit davon
Jerſchiedenes, nänilich Die Gleichgültigkeit, unter dem Namen
er Unparteilichkeit zu verſtecken. Und ſelbſt die Unparteilich⸗
eit des Richters beſteht dach: im Grunde nur darin ;- perfünkte
he Mückfichten. abzumelfen; ven vorliegenden Fall unter möge
ichſter Verläugnung aſlex Perfönlichkeit fo zu beamtheilen,, wie
8 der Geſetzgeber ſelpſt gethan hätte. — Diefe: Unparteilichkeit
ſt das eigentliche Adyton der hiſtoriſchen Kunſt; ſie iſt Fr je
ver, Zeit nur den größten Künftlern zugänglich geweſen. Wel⸗
her Gewinn daher, an der Hand des vortrefflichſten helleni⸗
chen Geſchichtſchreiberß dieſe dunkle Gegend detaillirter aufzu⸗
iehmen. Wenn irgend eine Zeit, fo iſt die unſere fähig, auch
n diefer Hinficht dem Thukydides nachzuempfinden. Sie tft
raftvoll, aufgeflärt und erfahrungsceich, wie jenes fle iſt par⸗
210 Thukydides Babe: 6... -
Von K. O. Müller. tt bekanntlich der ge
Verſuch gemacht worden, im Apollon und Herakles ein
thiſche Perſonification des doriſchen Stammcharakters n
weiſen. Der Dorier, von ‚veligidfent Bebürfniffe geh
fuchte das Leben, das ihn. felbft durchdrang, nun auch
ſich darzuſtellen, dort im göttlicher Geſtalt, hier in Hera
Wie ſich denn freilich In dem menſchlichen Theile einer
Religion: dr’ idealiſirte Charakter des Volkes und Zeii
wiederfinden laͤßt. Auf dieſelbe Weiſe — ſchon der $
dünkt mich, weiſet dahin — könnte man in der Pallas?
eine Repräfentantinn des atheniſchen Geiſtes erblicken.
nun zu Perikles Zeit Das politiſche; und literariſche Weſ
Athener feine Blüthe trieb, ſo ward auch das Pallas
um dieſelbe Zeit durch Pheidias ‚wolfendet,::.fir:alle Fo
ten. feſtgeſtellt. Wer irgend die bekaunte albaniſche Bi
ſehen hat, der wird aus: der rſtrengen Grazie, dern
Klarheit, der völligen Zufriedenheit dieſes reinen, höhen
litzes vinen ähnlichen: Eindrack empfunden haben:; mie ti
Rede des Perikles oder ein ſophokleifches Drama Hecker
Demjelben. Geiſte, - welchen: dieſt Pallas erſchuf,gelat
auch, „ben Zeub von Olynipia zu bilden, ben allgen
und höchſten Gott der Hellenen. Sch denfe: mir dieſes
nad) der Düfte von Dtricoli, Es erinnert mich an die |
gezeichnete Majeftät eincs ſophokleiſchen Theſeus; und
ohne ſinnreiche Anſpielung iſt Perikleß von feinen Se
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3 8, 1.
Vorbereitung auf Zyubybides.
# die Religion der Hellenen ihren Hauptzügen nach bes
m der vorhomerifchen Zeit firtet worden tft, ſehe
4 die Forſchungen der Neuern als beiviefen au.
5: Won dieſer urfprünglichen Religiofität finden wir in
ner's Gefängen einen ganz ähnlichen Abfall , wie
unfere Nittergevihte im Vergleich mit dem aus—⸗
Katholicismus des frühern Mittelalters darſtel⸗
Die meiſten Göttergeſtalten maren.. aus Naturmäch⸗
ſDealiſirte Ritter geworden; die Hierzu nicht paſſen woll⸗
„wie Dionyſos und Demeter, mußten als plebe⸗
ED Die Schrift von Wigand: Ueber das religiöſe Princip des
ides, ſowie die ziemlich übereinftimmenden Refultate n Kor⸗
8 Anhange zur Gefchichte hellen. Staatöverfaffungen, bieten faft
nichts Belehrendes. Diefe Männer haben den religiöfen Cha⸗
er bes Thukydides eigentlich nur aus feinen Gemeinplägen erfen-
wollen, alſo gerade aus dem Nichtcharakteriſtiſchen. Ihre
derung würde daher z. B. auf Machiavelli und Joh. Müller faft
gut paflen.
14 *
212 Thukydldes. Kay. 7.
jifche 1) Gottheiten in den Hintergrund treten. Zwiſche
nem Ritter und einem Gotte war der Abfland nur ga
Diomedes fchlägt den Ares, Achill den Skamandros.
das Leben der Götter, fing man an, die frivolſten Schr
binüberzutragen 2),
Eine ganz ähnliche Bewegung, ‚ wie fie im ſechzeh
Jahrhunderte das entartete Chriſtenthum bei den abenblä
ſchen Völkern reſtaurirte, ſcheint auch in Griechenland
ſechſte Jahrhundert belebt zu haben. Dieß iſt für
Hellenen das Zeitalter der großen Erfindungen. Un
Buchdruckerkunſt entfpricht damals die Verbreitung und !
befferung der Schrift; unſern Entdeckungsreiſen die Bela
fehaft mit dem Oriente und der weſtlichen Hälfte des Mi
meered. Wir fchen die Minfterien, dieß veligiöfefte El
- der griechifchen Religiony wieder lebendig, Die Orakel, {
über die Barbaren Hin, wieder Herifchend werben. Die
ige Sage, : die alten Sütterfprüche, um vor Menſchenſat
ficherer, zu fein, merden aufgezeichnet. : Mit Epimenides u.
hebt eine. veligiüfe Sprit an, ſowie auch das Epos durch
zahlreicher Gedichte der Orphiker ganz religiös und aske
wird. , Die aufblübende Kunft, inte. die. aufblühenne Wi
Schaft 3), nehmen. einen veligiöfen Anfang. Wunderthäter
Sittenprediger treteß an die Spike. :der.. Staatänerwalt
An Sitte, wie ſelbſt an Kleidung macht die ioniſche W
| —— —
"1 a un '
1) Nach den Forjchungen von Welder im Nachtrage zur
logie.
2). Daher auch die mannidhfadyen Kritiken ;. B. des fröm
Pindar: Olymp. I, 62. IX, 35.
3) Insbeſondere waren die Logographen bemithet, in ben 6ı
und Sagen. der batbarifchen Völker die Hauptelemente bes helleni
Glaubens wieberzufinden. Die hellenifchen Götter wurden hierdurc
Weltgöttern, wenn duch bie Kritik, die fich damit vorbereitete, üı
zer weitern Entwidlung eine Bauptbeförderinn des Nationalismus
F. 41. Religion des fechften Jahrhunderts. 213
Kit einem kraftvollern „ rauhern Dorismus Pllatz; ja die
phiker ſtreben fait in monchiſcher Entſagung nach Reinheit
id Fleckenloſigkeit des außern Lebens). — ME der vor⸗
ymſte Vertreter dieſer Ideen ſchwingt ſich der lakedãmoniſche
taat, eng verkündet mit dem delphifchen Gotte, zur Haupt⸗
weht von Griechenland empor.“Dieſe Zeit reicht bis in die
Kerferfriege herab; noch die’ Perferktiege werden gleicherweiſe
Kt religiöfer, wie mit politifchee Begeifterung ausgefochten.
Ki, die Religionsideen der ganzen Periode erlangen ihre
hafte- Ausbildung ,: ihren ſchönſten Ausdruck erft am Schluffe
Fefelben: Pindar und Aeſchylos, Sophekles und Herodot,
meidias und Polykleitos 2). Hier iſt die Blüthezeit der grie⸗
Eſchen Religioſität, an Reinheit vbielfach dem Monotheismus
he ſtehend. — Das Gefühl unbedingter Abhängigkeit von‘
Bett und die Hoffnung eines ſeligen Lebens bei ihm iſt der
Em aller Religion. Jenes Gefühl Hat ſich Im Chriſtenthume
Stzugsweiſe auf die innere Heiligung, bei den Hellenen worz
ihöwelfe anf die äußere Machtfülle gerichtet. Wie die Tuthes
Fife Zeit die Verbienftlofigkelt des Menſchen gegenüber ter
Bande Chriſti predigt,. fo Die pindarifche Zeit das Maß des
Nenfchen gegenüber der göttlichen Unermeßlichkeit 3). In beis
Br dieſelbe Begeifterung, dieſelbe Denmth, welche Alles nur
sch Gott zu fein glaubt. Der Begriff der Weltf Höpfung
hen Gricchen erſt in dieſer Zeit lebendig geworden. So
— —
1) vobeck's Aglaophamus ©. 244.
8) Bol. Quintil. XII, 10, 9. Dio Chrysost. Olymp. orat.
‚1411. — Auch die chriftliche Reformation, bei den Eoangelifchen,
ie bei ben Katholiken, bat ihre fchönften künſtleriſchen, namentlich
ich mufifaliichen Früchte in dem Jahrhundert zwiſchen Milton und
lepftock getragen, alſo unmittelbar vor dem Einreißen der Aufklärung.
2) Doch hat auch Simonibes in feinem berühmten Sragmente aus»
führt, daß kein Menfch völlig gut fein, böchftens im Einzelnen durch
Gnade der Götter gut Handeln Eönne: Plato Protag. p. 339 5qq.
254 Thukydides. Kap. 8.
fleck der Stadt geweſen (73.). Antiphon feheint hier weit höhere Einf!
ftellt zu werden, als früher Perikles (68.). Die Letzte Zeile vida par "
Buches würde ſolche Ausbrüche der Leidenfchaft ohne Zul Su
in Schilderungen verwandelt haben. em
Auch den Herodot wird Niemand im Ganzen Em
Übergroßen Enthuſiasmus beſchuldigen wollen. Nur äußexth
allerdings einen etwas zu lebhaften Reſpect vor aller mat cib
len Größe, wie vor den Bauwerken der Aegyptier (II, IR
148.). Ju feiner Naivetät bereitet er Tange ſchon darauff vW,
damit der Geift des Leſers nicht allzufehr in Erſtaunen gar]
the (IL, 101. 147.). — Biel ftärker aber weichen die |,
teen ab. Dem Zenophon ift «8 beinahe unmöglich, ®].
ſchichte zu fchreiben, ohne eine Perfon derfelben, bald da
Sokrates, bald den Ageſilaos, geradezu als Ideal ausm
len, Die leivenfchaftlihen Schmähungen eines Theoponh,
eines. Timäos find bekannt. Die Verfaffer der Alerantet
gefchichten werden großentheils ebenſo Teidenfchaftlich gelcht he ſ.
ben, Durch die panegyrifchen Werke des Iſokrates und vide |.
Sophiften war dieg allmählig vorbereitet worden,
Daß den Thukydides Die Gefühle patriotifcher Freude
nicht übermannen fullten, dafür forgte ſchon der Gegenſtand
feines Werkes, Er Hatte den Sturz von Athen, das Sinken
Dee ganzen hellenifchen Welt zu ſchildern 1), Defto mehr
sielleicht konnte ein patriotiicher Schmerz feine Ruhe ftören?
— Bei der erften Sammlung feine? Materiald iſt das auch
ohne Zweifel der Ball geweſen; in der weitern Verarbeitung
aber jenes erſte Gefühl bekämpft, zu einem echt hiſtoriſchen
Schmerze verklärt worden.
Zuerſt nämlich iſt an jeder Stelle, wo der Schmerz den
Hiſtoriker zu überwältigen drohete, alſo namentlich beim Ende
IE" 8»
—f
a. 2 15
1) Vgl. I, 23.
!
$ 1. | Mationalismas in Perikles Zeit, 215
prüstgefen CV, 54)... Sie Halten noch die Veiertage Heilig,
iſt wo ie: militariſche Intereſſe dawider ſtreitet (V, 34.) ) ;
kei :Shegeshoffuung. ftäßt ſich noch auf den Beiſtand des Apol⸗
Kain G 18%) 8) 5:1: und Braſibäs ſchreibt dantkbar, ſeine Siege
Br‘ Gottern zu V, A16.). Aber auch: von. Ihnen bemerkt
Dqutydides, daß ihre Schlachtgeſänge keinem religihſen Zwecke
mqhr dienen, ſondern nur dis Ordnung auf dem Marſche feſt⸗
Token’ (V; 70): ‚Alben fe- von ben. — die Rei⸗
Wauf- Su und —— da waren —* Fer im
Ectilcuug der Gotterſprůche liſtig geweſen 9.
ee >). U gegen Bus Ende dek perikleiſchen galt vbluhen wie⸗
ui die Keime einer religidſen RKeaction empor. Einige
Feleſter md; Wahrfager, Vampon vor Allen; Hierokles und
Diepelthes, ſuchen das / alte Anſehen ihres Amtes wieder gel⸗
Bit machen: vielleicht· ohne deſſen wuͤrdigſte Vertreter zu
ki. : -Ste-fielen daher, - wie es aber ſolchen Männern und
antet ſpichen Umſtänden im mergeht, dem bittern Spotte
ie ſcnhdie anheim "Dad war ihr Einfluß. fchon beim
. In u
— — — — — —
» Schol. Thue. I, 70.
| 2 Haupefäcitie) auch' auf ten Beiſtand der Tempelfchäge von’ Delz
yi und Olympia (I, 121. » . Die Geiftiäteit ı war damals, wie heute;
T confervativen Partei "verbunden. u
3)" Bi. den ganz ähnlichen Fall mit den Korinthiern: V, 30.
) 1, 131. Schol. Bu
5) Lampon, wie überhaupt bie. GSororoncherenn, als Schein ers.
ihnt (Nubes 360.), geradezu als Betrüger gebrandmarft (Aves 521.).
chon Kratinos Drapetides waren hauptſächlich gegen Lampon gerichtet,
i Gelegenheit der Gründung von Zhurii: vgl. Bergk Commentt.
; antiqua comoed, Attica, p, 49 sqq. Ueber Hierokles vgl. Pax
3 ff. Eupolis Ilodes fr. 10. Diopeithes wird nicht allein vom
216 0. Ahutyoides. Kap. 7.
Ansbruche des Krieges bedeutend genug, dag ſich Neon,
gegen Perikles zuerſt aufzukonmen, des Diopeitheg 1
nen konnte. Die: Anklage ‚wider Anaxagoras, die
veet den: Perikles ſelber traſ, ſtützte fich;:.auf. religiöſe ©
lagen 1). Auch am Staatstuder angelangt, ſetzte Kleon
Richtung forte. die Sühnung von Delos iſt ein Bewei
bon, freilich auch ein Beweis, daß ſſelbſt ſein religiöſes
ken von der Albernheit und. Unnenſchlichkeit ſeiner Dema
befleckt wurde ). - Aus Ariſtophanes Rittexn erſehen mir
ſich Klevn vorzugsmeiſe auf feine angebliche Orakelkenntni
ſtützt haben uf... Ganz beſonders, aber, war. Niki,
Mam,.: wie ihn Kenpphon ‚narhnald fir hätte wünfchen
nen. Berfünlicher. Breund, des Diopeithes 3); täglich. gen
glänzende Feſte gefeiert, Nichts gethan ohne. Wahrjage
Ein großer. Krieg Hat der freigeiſteriſchen Aufklärung, oft
Schaden gethau: fie ‚pflegt dem Tode, nicht gern in's Ay
fehen. Socaud). der pelaponneſiſche Krieg zu Athen, ob
eine zügelloſe Demokratie zur Anerkennung unfichtbarer M
im Ganzen wenig geneigt iſt. Auch hier begegnen wir
Euripides wieder, der freilich von jeher dem Zeitgeiſte
gehorcht, als geboten hatte. Seine letzten Stücke geben
förmliche Palinodie mancher frühern Zweifel 5). — Vorn
—
Ariſtophanes in ben Vögeln, ſondern auch in Phrynichos Krone
in Ameipfias Konnos verfpottet:' Schöl. Aves 988. — Mehrer
her, wie Lampon, im Prytaneion gefpeift : Schol. Pax 1083:
ı) Plut. Pericl. 31 sqq. 35, Nicias 23. Sotion b. Di
nes II, 12,
2) Thucyd. III, 104. V, 1 sqq. Nach Kleon’3 Tode
fein Verfahren wieder abgeftellt, V, 32. .
5) Schol. Aristoph. Equites 1094.
4) Plut. Nicias 3 sqq. q
5) Als bas eigentliche Ideal eines vornehmen und orthodoxen
lings damaliger Zeit muß man ben Hippolytos des Euripides betr
5. 4. Neligtun nes Ariſtoghanes. gr
san in. deu. Regel ichyphalliſch Fifnete;chın, lelcheeſten Moglich
ar!) DienMaſſteien, cs eldie: Heihuitknarsdunhfiähtiiih
erletzt hatte; werden hei Atiſtpphane, nicht mpestinen profanint
{8 bei Blatsn,: Say: ea ntſchlüůpft dem Oichaoꝛ eine Mares
ung, wie fie in Zeiten den ſntenden Religion wid ſelten
zehört mixd, als) ſtic, Dans Gattendienſt Fi feinan Bertha
oftfpielig: 2% ee Ra Wllen aber werden bach Kerie®
u. Frieden/Nionyſode ne, Ken Fröſchen Aıızlı Drganiin der
Vahrheit gemacht 3. Bin Yen wird der göttliche Sthuiz, Dex
wunderbar darüber! malte, dankerfüllt geprieſen N von Dale
18 und, ahrer Enkeiszchet: Ariſtophanes in tiefſter Gfrrfilcht:#);
nd ber Frommigkeit eines Aeſchylos zollt ex die gebührende Hoch⸗
chtuuig )i Ba: De: Unglaube ſich auf die angeblichen · Fre⸗
aAthaten de Zend. berufen will, :fo7 wendet. Hy der: Dichter
att ‚aller, Antwort mit: Abſchon hinweg 7)212Urberhaipt iſt er
den Wollen., ide die Wafſen/ des Unglaubens ſich zu allen
eiten ſehm: aähnlich ſehen „ı der. geniabfte Widerſachern jedes velie
öſen Rationalismus geworden 8). — Aus dieſen Einzelhei⸗
n wird ſich der Leſer ein Bild des ariſtophaniſchen Glaubens
twerfen koönnen 3
4 er
... Pa Js,
N Kom Dionyfos giete u Bpilschero. Tegar für öthig zu. beoons
rten, ex fei kein Poſſenreiſer und Schmaroter oeweſen (Harpoer.
—XEXVV on. are 7
2) Aves 611 sqq. | 1 —*
3) Der Legtere freilich mit einer ſehr ſtarken Erinnerung an das
ifche Theaterpublicum: vgl. Bergk Commentt. de comoedia Att.
iqua, p. 152 sqaq.
4) Equitt. 1170. Nubes 579 sqq.
5) Vespae 1085.
6) Ranae 881 sqq.
7) Nubes 896.
3) Daher auch Melanchthon, wie bekannt, eine Ausgabe ber Wols
beforgt hat. ,
9) Auch eine dharakteriftifhe Idee von Antiphon, Thukydides
15 *
218 Chutkpdides. Rab. 7.
ſtenthumeg {ft von ſolchen Ausartungen nicht frei geblichen 7°
Aber zweierlei darf doch Niemand verfennen, wenn er die⸗
Religion der pindarifihen Zeit mit der ſokratiſchen zuſammen⸗
ſtellt. Diefe letztere if} ein Product. dee Wiſſenſchaft, von
den höhern Ständen quögegangen; ſie hat im Volke um fa
weniger die Herrſchaft erlangt, je mehr fie vou deſſen polits
ſchen Feinden ropräfentist ‚; von Lakedämon aus unterſtütt
wırde,; ‚Und. ion -fie prakt iſch auftritt, wie erſcheint fie ka?
Ungefähr, wie Nikias dem Ariſteides, Ageſilaos dem Leoni⸗
dad;, Die Zehntauſend von .Kunara den Zehntauſend von Die
vathon gegenüber 2). Jene frühere. Zeit, im folgen Gefühl
ihrer Kraft, Hatte. von der Religion Hauptfächlich. eine heilſame
Demuth ernten wollen. Die Sokrates Dagegen, mehr ned
die. Ageſilaos und Zenophan, wollen Nichtö:.auf eigene Hand
unternehmen, vor-fedem Schritte ſich bei: den Göttern Ratht
erholen. Religiös iſt Beides; aber” doch ein bedenklichet
Unterſchied. — "Deu fich Aehnliches auqh hert!
fande? —5 *
In dieſen Verhalmiſſen lebte nun aneda.
4 - u . . . .. e # . ®
) Bgl. Tertull.,Re-iieiun. 17. Hieronym. In. Vigilant
Augustin. De civ. Dei VIII ult. Ep. 64.. ‚Canon. concil. Hlib,
35. Der heibnifchen Zeugniſſe nicht einmal gedenten.
» Ein "Sauptfornptom übrigens ber damaligen religiöfen. Kractise
ift der ungeheuere Werth, den ein Mann, wie Lylandres, auf den Con⸗
fens der Orakel legt; und mehr noch der Umfland, daß ex trog aller
Mühe keins bderfelben beftehen Tann (Dio.d. XIV, 13. Plut. Ly
sandr. 25 sq.), Was fehr merkwürdig an ‚die Werhältniffe der neuern
Theologie erinnert, ift u. U. der Umftand, daß ‚Sokrates feinen Beweli
für das Dafein Gottes faft nur aus der menſchlichen Natur entlehu
hat: Xenoph. Memor. 14 lo
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Zole⸗ Kapitel, ort % ur FR
Hiſtoriſche Unparteilichkeit des Thukydides.
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x WR Des. ganzen: Thun⸗und Keen. wei Serien: if
iabt es⸗ mohl Nichte .wie:ich glaube, was vers Ladewifanukk.
ige, ja umderſtändlicher wäre, als hie hiſtoriſche Umherrt eilic⸗
eit. Dem Reiche ver Natürwiſſenſchaftenuiſt⸗ dieſer: Begriff
olſkommen fremd. den prakliſchen Dibcipliaen bes) Thecy⸗
gen ‚oder Staatbheamten pflegt ſich etwas himmelweit davon
zerſchiedenes, nänilich die Gleichgültigkeit, unter dem Namen
ex Unparteilichkeit zu verſtecken. Lind ſelbſt die Unparteilich⸗
it: des Richtere beſteht dach im SGrunde mur darin, perfünfte
e Rückſichten abzuweiſen; den vorliegenden Fall unter mog⸗
chſter Verläugnung allex Perſonlichkeit fo zu beartheilen, wie
der Geſetzgeher ſelpſ gethan Hätte. — Dieſe IAnparteilichkeit
das eigentliche Adyton der hiſtoriſchen Kunſt; fie: iſt ar je
x. Zeit nur den größten Künftlern zugänglich geweſen. Wel⸗
er Gewinn daher, an der Hand: des vortrefflichſten helleni⸗
hen Geſchichtſchreibers dieſe dunkle Gegend detaillirter aufzu=
ehmen. Wenn irgend eine Zeit, ſo iſt die unſere fähig, auch
dieſer Hinſicht dem Thukydides nachzuempfinden. Sie iſt
aftvoll, aufgeklärt und erfahrungsreich, wie jene; ſie iſt par⸗
22820 S5S5yuklhbides. Kap. 7.
Grüfte werden aufgeſtört, und die Schläfer aus ihre
ſtatt geworfen. Wie despotiſch zugleich: jeder Sterbi
wich verordnet, jede kreiſende Frau ſoll auf die Nad
Rhenea transportirt werden. Um die Reinigung zu ve
wurden fpäter fogar (V, 1.) die ſämmtlichen B
ber Inſel fortgefagt, bis dad delphifche Orakel und
Tod fie wieder zurückführte (V : 32.). Hiermit fti
denn freilich fonderbar überein, ) daß dieſelbe Berorbni
uralten Kampfſpiele von Delos- wieder einrichtete.
den ſchönſten Hintergrund zu dem Allen bildet Die lieblich
derung der Feſte, die in Bomeros Zeit dieſe Inſel
hatten· — So ftchen hier in prägnanter Kürze bie d
nehmſten Perioden ber helleniſchen Religionsgeſchichte
einander, Denn die Zeiten "Der Aufklärung hatien |
Delos nicht viel gelünmiert: die Feſtlichkeiten waren
Bel EEE
.. er Er .. r u
Raturereigniffe und Orakel. '
ghy habe Kinder geſehen, die nach dem Monde
und ihn ausblaſen wollten. Je kindlicher ein Vote r
defto mehr glaubt ed, alle Naturwunder fein r
ſeinetwillen da; je weniger es die Naturkräfte natürlich
ben kanm, deſto mehr fucht es ſie übernatürlich zu 6
Noch Herodot war der Anſicht geweſen, daß jedem Eı
der Menſchenwelt ein entſprechendes Ereigniß der äuß
Natur voranzugehen pflege 1). Den göttlichen Ratl
welcher das erſtere herbeiführt, meint er aus dem Ich:
Verdacht bei, den man wegen fpartanifcher Gefinnungen gegen fi:
Diod. XI, 73.
) 3.8. VI, 27. ⸗
6. 1. Gemeine Unparteilichkeit. 231
Freunde des Thukydides: alfo in beiden Fällen Dlänner, wel⸗
che den Kleon auf's bitterſte verabfcheuten. Ueberall glaubt
Droyſen, daß Niemand fähig it, Im heftigen Widerſtreite der
Parteien auch die Prineipien und Beitrebungen des Gegners,
die er verdammen muß, zu würdigen. - Niemals habe Cicero
den Cäſar begriffen; niemal® Sir Nobert Peel das Thun
D'Connells richtig zu ſchätzen gewußt. — Ich befenne, ges
zen einen ſolchen Angriff, der ‚ohne die geringfte Spur eines
Beweiſes, Klo auf vage Möglichkeiten hin geführt werden
nuß, Hätte den Thukydides ſchon fein großer Name und hi⸗
torifcher Rang ſchützen follen Was Droyfen von Cicero
nd Sir Robert fagt, mil ih immerhin zugeben, obwohl .
3 ihm bei dem Lebteren doch ſchwer fallen‘ dürfte, feine An⸗
abe zu beweifen: aber das iſt fa gerade der Unterfchieb zwi⸗
chen dem Hiſtoriker und dem praktiſchen Staatsmanne, daß
‚er Eine die Gegner entſchloſſen bekämpfen, der Andere fie
mbefangen beurtheilen muß. Bat vielleicht auch: Salluftius
ach Droyſen's Anſicht den Cicero und Cäſar, hat auch Take
us die Tyrannen und Tyrannenknechte der Imperatorenzeit
icht unparteilich betrachten können? Ich füge Hinzu, daß
hukydides gerade in Makedonien und Thrakien, mn er ſelbſt
edient hatte, wo er begütert und angefehen war, mo er ben
rößten Theil feines Erils verlebt Haben folk: daß er hier die
enaueften Erkundigungen einziehen Tonnte. — Braſidas
Ingegen erfcheint durchaus nur im edelſten Lichte, ſowohl an
jenſchlichem Charakter, als an Iriegerifcher Tüchtigkeit. In
er Geſchichte feines eigenen Verfahrens, das ihm fo Bittere
rüchte gebracht, ‘ iſt der ganze Tom des Thukydides nicht im
Jeringften intereffirter, al8 anderswo. Wenn er fpäter viel-
icht einiges Gewicht darauf legt, daß vor Torone Braffdas
gen Kleon dafjelbe Mißgeſchick Hatte, mie vor Amphipolis
Hufydides gegen Braſidas, fo wird der geſchmackvolle Lefer
erin nur eine edle, durchaus hiſtoriſche Rechtfertigung erbli⸗
en (V, 3.).
222 Thukydides. Kap. 7.
ſcheinungen mit der Dauer ımd Gewalt des Krieges in Zu⸗
fammenhang (I, 23.). Er meint nammtlih, Die Some.
finfterniffe felen während deſſelben häufiger geweſen, ala che
dem. Das ftimmt denn wenig überein mit feiner Erklärung
nach Anaxagoras: und es ſchiene demnach die pppulare Anſicht
von Thukydides doch nicht ganz überwunden zu fen. Wie
wenig ſie ihn übrigens darum beherrſcht habe, ſieht man am
dentlichſten da, wo er von den ſchrecklichen Vorzeichen des fir
rakuſiſchen Zuges gar Feine Notiz nimmt H.
Auf eigentlihe Orakel Haben immer biefenigen Scheifte
fteller das Meifte gegeben, welche zwar ein ummittelbares, pers
fünliches Eingreifen der Götterwwelt nicht mehr geftatten, doch
aber Alles noch Durch göttliche Rathſchlüſſe erflären wollen.
So vor Allen Herodot ?) und Sophokles. Bei ihnen find
die Weiffagungen recht eigentlich Das Organ des göttlichen
Weltregimented, — Andererfeit3 aber Hatte fich mit der Ums
wandlung der alten Religiofttäit ein Schwarm von Hungrigen
Wahrſagern eingeftelt, wie ihn Ariftophanes fo oft wor unfer
Auge bringt. Dieſe Menfchen, deren verderbliche Wirkſam⸗
keit Bei dem furakufifchen Feldzuge ganz beſonders hervor⸗
tritt 3), waren es Denn auch, die den Euripides zu feinen
—— — no — — —
1) Plut. Alcibiades 18. Nicias 13. Diodor. u. A.
2) Schon bem bloßen Umfange nach nehmen die Orakel bei Heros
dot einen gewaltigen Raum ein. Erſt in der Atthidenzeit finden wir
Aehnliches wieder; ja, Philochoros insbefondere in feinem Lehrbuche ber
Mantit und Iſtros veranftalten förmlihde Sammlungen von Orakel⸗
ſprüchen (Plut. De Pyth. orac.). Freilich mehr aus dem gelehrten
Intereſſe der Alerandrinerzeit, als mit dem frommen Glauben, ber un
ter Peififtratos ſolche Sammlungen erfordert hatte... Doch ift felbft für
bie verberbteren Zeiten bes Alterthums die Anficht der Stoiker charaltes
riſtiſch, daß, wenn es Götter gäbe, fie für die Menfchen forgen, und
wenn fie für die Menfchen forgten, ihnen Willenszeichen und Omina
zufenden müßten (Cicero De divin. I, 38. II, 49.)
2) Thuc. VIII, 1. Alkibiades hatte falfche Propheten aufge:
$. 3. Orakel. 223
aahliofen, meiſt mie vom Zaune gebrochenen, Schmähungen
gegen Drakel und Seher anreizten. Euripides geht hierin fo
weit, daß er im Son fogar den Orakelgott felber zum Anſtif⸗
ter. einer zuchtloſen Intrigue herabwürdigt. Auch Arxiſtopha⸗
nes verſucht an Orakeln und Deren Auslegung feinen Witz
derbe genug 1): et doch fonft ber begeijterte Lobredner der gu⸗
ten alten Sitte!
Unter diefen Gegenſätzen Nnimmt Thukydides wieder eine
echt hiſtoriſche Mitte ein. Völlig unparteüſch erwähnt er es,
wo nur Befragungen oder Befehle des Gottes zu berichten
waren. Auch die Wahrheit des allgemein verbreiteten Ge⸗
rüchtes, als habe Pleiſtoanax die Pythia zu ihrem Spruche
beredet, läßt er völlig auf ſich beruhen (V, 16.). — Dage⸗
gen wird gemeldet, bei der Peſt ſei Alles von dieſer Art,
Drakel und Prozeſſionen, gleicherweiſe unnütz geweſen (II,
47.); anderswo auch der bethörende, der lähmende Einfluß
erwähnt, den das Vertrauen auf ſolche Götterfprüche äußern
könne (V, 103.) 2). — Auf der andern Seite aber werden
buchſtäblich eingetrofſene Weiſſagungen nicht verſchwiegen (V,
26. VI, 27.); ja die Meine, aber unläugbare Abſchweifung
(II, 96.), die vom Tode des Hefiod erzählt, wird einem
Befremden des Thukydides über ein folches Eintreffen ent-
flelt, der ammoniſche Zeus den Gieg verfündigt. Der richtiger blis
ende Meton wagte ſich doch mit ber Wahrheit nicht heraus (Plut.
Nicias 13 ).
1).3: 3. Equitt. 202 sqq.
2) Wo Thukydides erzählt, daß die Reinigung von Delos durch
ein Orakel geboten fei, ba gebraudyt er die Partikel den. Blooms
field und Arnold (5. III, 104.) fchließen hieraus, Thukydi—
des habe das ganze Drakel für fingirt gehalten. Denn dr werde in der
Regel ironisch gebraucht: fo III, 10. VI, 54. Dieß ift doch etwas zu
tühn. Thukydides führt ja oft Orakel an: ihre göttliche Natur braudıt
er darum noch nicht geglaubt zu haben.
224 | Thukydides. Kap. 7.
fprungen fein. Thnukydides erinnert daran, wie fonderkar
Umftand, daß die Peloponneſier won der’ Peft verſchont
blieben, mit dem Schutzverſprechen, das ihnen Apollon g
ben hatte, zuſammentraf (II. 54.). Doch läßt er gleich
Folgenden eine Andeutung fallen, als oh die dünnere, m
der zuſammengedrängte Bevölkerung des Peloponneſes Hier
wohl beigetragen hätte. — Die eigentlichen Grundſätze abe
wonach Thukydides Drakel beurtheilt, ſind folgende.
A. Sede tiefbewegte Zeit legt dem Menſchen vorzu
weiſe den Wunſch an's Herz, in Die Zukunft zu blicken. Dat
entfteht denn allemal eine Menge von Weiſſagungen, welhe
von. den Einzelnen, beſonders den Alten (II, 54.), je nach⸗
dem: Die Hoffnung oder die Furcht bei ihnen vorherrſcht, ans
genommen und erklärt werden, Alles Ungewühnliche in ker.
Natur wird won den Wißbegierlgen zu demſelben Zwece ande
gebentet 2). |
: B. -©&o wid denn auch gar Manches zum Orakel *
mächt,. was Doch Nichts weiter ift, als menfchliche Vorands;;
ſicht. Vorausgeſehene Symptome eined Zuftanded merben in,
nifteriöfe Urfachen defjelben verwandelt (II, 17.). Om,
Kylon Hatte das Orakel zur Begründung ‚feiner Tyrannei had. ,
höchſte Zeit des Zeus empfohlen. Kylon machte nun am ı
Tage der olympifhen Spiele einen Verſuch, der bekanntlich |
mißglückte. Hier fügt Thukydides Hinzu, in Athen beſtehe en q
Feſt, Diafia genannt, welches nom ganzen Volke außerhalb |
der Stadt gefeiert werde. Er will Hiermit andeuten, daß
wohl dieſes Feſt vom Orakel gemeint fei. Hier wäre unſtrei⸗
tig die Meberrumpelung der Stadt, wie fie Kylon verſuchte,
viel leichter möglich geweſen (I, 126.).
C. Daſſelbe menſchliche Herz, welches jene Weiſagun
gen hervorrief, findet ſie nachher gläubigen Sinns auch einge⸗
1) IL, s, 21: vgl. VI, 27. V, 26.
5. 2. Freude und Schmerz. 335
des ſyrakuſiſchen Krieges, die Schilderung fait noch des
vaillicter und auögenrbeiteter, als fonft. Hier verichmähet:e&
der Hiſtoriker — er fonft Doch nur gewohnt, von Rathsver⸗
aunnlungen und Schlachten zu reden, — hier verfchmähet er
8 nicht, die Empfindungen der Einzelnen auszumalen, wie
Te von Hoffnung, Furcht oder Verzweiflung bewegt wurben.
So vor Allem Hei den lehzten Ereigniſſen in Sieilien (VII,
rl. 75.), wo die Darftellung auch iuſofern correſpondirt mit
dem erſten glängenben. Auszuge von Athen her (VI, 30 fg).
Bo das Unglück von Amprakia gefgilbert wfeb, das Härtefke,
vie Thutydides meint, das eine Hellenifche Stadt in fo wenig
Tagen betrofien habe, da verführt er ganz nach Art eines.
Dramatiferg. Ex führt einen Herold von Amprakia ein, wel⸗
her das, Unglück noch nicht weiß. Diefen läßt er nun in
ialogiſcher Eutwwicklung von Stufe zu Stufe der entfeglichen
Bahrheit näher rücken, bis er zulegt ein Wehgeſchrei auge
tößt, und eilig Heimtehet, ohne feines Auftrags weiter zu
edenken (IH, 113),1). In der letzten Rebe des Nitias vor
Syrafus wird die, Hoffnung noch, "einmal wieder aufgefriſchtu
ve Neide der, Götter ſei endlich wohl genug gethan (VL,
7) Hierdurch ‚wird dad nachfolgende Verhängniß offenbar
och ſchneidender . — An ſoichen Stellen bewegt ſich auch
ie Sprache des Thukydides, anſtatt in Allgemeinheiten oder
Srclamationen zu verſchwimmen, ganz wie gewöhnlich im
jeen ſcharfen, und, auögeführten Gegenſätzen. . Eine Sprache,
1)°.Xuf ben Höhepunkten der Klage wenden auch die Tragiker meis
ms den Wechfelgefang an: - ShöLL Beiträge zur Kenntniß der träge
hen Poefle, I, ©. 395 .fg. «
2) Auch Aeſchylos und Sophoftes bedienen fi an ſolchen Stellen
nes ganz-.ähnfichen Gontraftest vgl. ‚Choeph: 772 sqq. 934 aqq.
edipus R. 1079 sqq. Trach. 205 sq. 630 saq. Ajax 678 sad.
ihölla.a. D. 1, ©. 372. 5
236 Chukhdides. Kap. 7.
er, man babe das Erdbeben in Sparta für eine Folge
Aſylverlezung am Paufaniad gehalten (1, 128.).. Den f
men Sinn des Nikias weiß er gebührend zu mürbigen (
86.) , fo richtig er deſſen Aberglauben auch beurtheilen mı
Das alte Recht, mit deifen Verfall er den Verfall |
Landes verbunden glaubt, nennt er Das göttliche Gefeh
82.), und alg die fchlimmfte Folge der großen Peſt bein
er die Abnahme der Gottesfurcht (IL, 52 fg.) Wie X
dides als letzte Inſtanz über‘ den Ereigniffen der Get
eine Vorfehung geglaubt habe, iſt in einem frühen 8
bereits erörtert worden. |
Aus Gründen, die fich tiefer unten von felbft vechtfe
werden, lege ich hierbei vieles Gewicht auf die Religiofiti
Ariitophanes. Nun iſt es befannt, daß Ariſtophan
Sötter mit eigentlichen Witzen kaum mehr verſchont Hat,
die Menſchen. Wenn auch gegen Zeus nur ziemlich b
ne Späße vorkommen I); mern auch die Gefräßigkeit de
rakles2) nur ein wiel gebrauchter Gegenftand der frühen
mödie fein mochte : jo wird doch auf die menfchenähnlid
gehrlichkeit der Götter 3), auf ihre unzüchtigen Liebfchaft
vor allen auf den Kinäden Ganymedes geftichelt 5); um
Gebet fogar mifchen fich komiſche Seitenhiebe 6). Sı
Vögeln erfcheint die Götterwelt ganz, mie die menfd
Herafle vertritt den leichtgläubigen Pöbel, Poſeidon die
gen. Am fchlechteften Fommen Hermes und Dionyfos
was freilich bei den Göttern des Weind und der Diebe,
1) Pax 105.
2) In den Fröfchen und Vögeln passim.
3) Eccl. 780.
) Aves 556 sqq.
5) Pax 708.
% Equitt. 554 sag.
5. 4. Meligtun des Ariſtophanes. 32T
in deu Megel. ichyphalliſch Bildete;:: m, Bikkeikeihntißglich
2. Die: Moſtenenwelehe Nejcnlpamursiunbfichtiig
t hatie, merden hei Atiſpphanes, nicht / weninen· profcmiri
be Platya. Ja:s entſchlüpft dem Michler jeine Aeuße⸗
wie ſie An. Heiten den ſinkenden⸗ Religion uichauſelten
wmird, als; ſei der Gottesdienſt fie ſeinen: Bertha
I re Dem Allen: abet werden, Dach Herues
Sieden,’ Dionyfod) sus Den Fröſchen Yııylı Organen: per
eit. gemacht; ßin: Achen wird der. göttliche Schutz, der
Bamenbreber darüßer: walte, danferfüllt gepiiefen Hn non Bale
Ins md; ähree Enle redet Ariſtophanes in tieffter Ghrfürgt.5),
Rad-ber Froͤmmigkeit eines Aeſchylos zollt ex die gebührrnde Socks
Bing: 95:7, Beam: der Unglaube ſich auf die angeblichen rem
dalihaten/ des Zeus. berufen; will, :fo” wendet: sich der: Dichter
Istt ‚aller -hitinost nit: Abſchen hinweg 7).12 Ueberhaupt ft er
K den: Wolken... "da die Waflen des Unglanbens ſich zu allen
Beiten ſehr: ähnlich: ſehen,. der genialſte Widerſacher: jedes volle
ſWſen Rationalismus geworden 8), — Aus dieſen Einzelhei⸗
m wird ſich der Leſer ein Bild des ariſtophaniſchen Glanbens
utwerfen können ).
y Rom Dionyfos hielt ed Philochoros ſogar für nöthig zu bevors
orten, ex fei kein Poſſenteißer und Schmarotzer geweſen (Harpocr.
‚ Kußaltio) |
2) Aves 611 sqq. 1
3) Der Lestere freilich mit einer fehr flarken Erinnerung an bas
ttiſche Theaterpublicum: vgl. Bergk Commentt. de comoedia Att.
atiqua, p. 152 sqq.
4) Euquitt. 1170. Nubes 579 sqq.
5) Vespae 1085.
6%) Ranae 884 sqq.
7) Nubes 896.
5) Daher aud Melanchthon, wie bekannt, eine Ausgabe ber Wols
beforgt hat.
%) Auch eine charakteriftifche Idee von Antiphon, Zhufydides
15 *
zu Ruhe. Ber.
2 TEEN ni denke ih, müßte: einigermaßen m
bei Thirtgbived: pair. Thukydides, den wir noch künf
einen nahen Geiſtesverwandten. des / Komikers erfennen ı
— Ein Gefuhl⸗ von dee Unzulänglichkeit der beſtehender
gion und von dein Voraltetſein ihrer Inſtitute; doch ab
ſinnige: Verchrimg ber Beiten, wo / der alte Glaube noch
haft gelebt Hatte. Abſcheun gegendie neumodige Weist
Sophiſten, in denen iman die Verderber der Religidu,
auch der Kunſt, ider Sitte; des ganzen‘ Staates erkannt
doch aber wenig Verlangen nach einer beſſern Ueberze
Ueberall zwar wiele Ehrfurcht vor den »reinern Geſtalt
Gätterlehre ‚über. meiſt nur Verſtandesſache, zwar mit
unbefriedigten ;: aber auch: mit. keinem lebhaften Bebürfn
Religion. : Daher? mit dem irdiſchen Treiben völlig zuf
nicht, wie Sophokles, gedrungen, es durch Hereinziehn
höhern Welt zu enklüren. Kurz,“ eine Stimmung,
auch in unſen wagen wur: als Ein: grober Maun 9
hatt... —
_ ." u J—
Lehrer(?), mag hier Erwähnung finden. Er fordert die Beſtro
nes unfreiwilligen Zodtfchlägere.. Entweder habe biefer nän
Gpöpenun gefehlt, und dann verdiene er Strafes ober wegen 2
ihm eine Hei anlis zugelommen, wo man.ben Göttern ihr 9
nicht entziehen :bürfe (Tetr. II, 3,8: p 31 Bk.). Wan fieht, 2
konnte religiöfen Gefühlen wohl nach empfinden, ohne fie doch
ſelbſt zu haben.
i) Ich denke namentlich an Niebuhr.
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Agleo Kapitel, En
giftorifige Unparteilichkeit des Thukydides.
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hi Deus ganzen rm amd reißen der; Siflerififen Auf
bt es/mohl Nichts wie ich glaube, mas deni Lalen ferner
ge, ja unverſtändlicher wäre, als die hiſtoriſche Unharteilich⸗
t .Dem Reiche der Naturwiſſenſchafteu iſt diefer Begriff
Yommen fremd, In den praftifchen Dibciplinen des Thee⸗
jen ‚oder Staatöhenniten pflegt ſich etwas himmelweit davon
erſchiedenes, nämlich die Bleichgültigkeit, unter dem Namen
t Unparteilichkeit zu verſtecken. Und felbft bie Unparteilich⸗
des Richters beſteht doch im „Grunde nur darin, perfünlt-
Rückſichten abzuweiſen; den vorliegenden Fall unter möge
ſter Verläugnung aller Perfönlichkeit fo zu beurtheilen, wie
der Geſetzgeber ſelbſt gethan hätte. — Diele Unparteilichkeit
das eigentliche Adyton der hiſtoriſchen Kunſt; fie tft zu je
- Zeit nur den größten Künftkern zugänglich geweſen. Wel-
e Gewinn daher, an der Hand de vortrefflichften helleni⸗
n Gefchichtfchreibers Diefe Dunkle Gegend detaillirter aufzu=
men. Wenn irgend eine Zeit, fo ift die unfere fähig, auch
diefer Hinficht dem Thukydides nachzuempfinden. Sie ift
ftvoll, aufgeklärt und erfahrungsreich, wie jene; fle ift par
250 Thukydides. Kap. 8.
teizerriſſen, wie jene; und, wenn nicht Alles trügt, fo ifl
Geſammtentwicklung der germanifchen Stämme heutiges
ge8 auf diefelbe Stufe gelangt, wo wir die griechifchen
Anfange des vierten Jahrhunderts erblicken.
Ich werde nun die Unparteilichkeit des Thukydides in
immer weitern Abfäben zu fchildern fuchen. Der erfte A
liegt dem großen Haufen noch nahe; der zweite fchon fer
Auf den dritten ift er unfähig fich heraufzuſchwingen; dent
ten wird er mit Arash nnd: air achten.
ngnen ahTREE Sera
+
Gemeine Unparteilichkeit.
Schon das Altertum pflegte die Unparteilichkeit zu |
fen, womit unfer Hiftorifer namentlich den Veranlaffer und
Arheber feines riks, Brafiinzinmd Kleon:, beurtheill 4
Und in ber. That o1 wenn män ben Mleon dei‘. Dhukydives
dem·miſtephaniſchen / vergleicht, ſo wird man: inne wer
daß der erſtere wicht eben es Schwarze: gemalt: iſn. "Dr
ſen? freilich will Bei den Aeußerungen des“ Thukydides
Kleon's makedoniſchen Feldzug „einige Vorſicht gebraucht“:
fen). Thnkydides habe nach ſeiner ſonſtigen großen: MW
gung nirgends fo bitter und wegwerfend geſprochen.GS
auch nirgends, erwidere ich, In. feinen- erften ſieben Bil:
mie. einem zweiten Kleon zu thun gehabt: — - Zul!
Quellen ;. meint Droyſen weiter, feier hier nicht gang rein
floſſen. Augenzeuge feier damals nicht mehr geivefen ;
gerade diejenigen Dinge, die Kleoñ In fo erbärmlicher ©
erſcheinen laſſen, find Einzelheiten imd Augenblickliche⸗
welche nur zu: Leicht entftell€ ‚Werden konnten. ' Seitie Gewẽ
männer aber mußten entiveder Spattaner fein, oder athei
1) Ariftophanes von Droyfen: Ch. 2, ©. 298 fg.
N
$ 3. Thukddides und die politiſchen Theorien, 241
ppanicen können, — Bis endlich das Uebermaß demokrati⸗
ber Eroberungsluſt in einer rieſenhaften Unternehmung fein
genes Grab findet: dem Widerftande der Natur und der Na⸗
onalkraft unterliegend. Inzwiſchen find denn auch Die Con⸗
evativen Flug geworden: fie haben der Revolution die Mits
[ zum Siege abgelent, und der Barbarenkünig tft ihr Bun⸗
Sgenofie. Wie es dem Glücklichen zu gehen pflegt, fo find
intracht, Entſchloſſenheit und Rückſichtsloſigkeit jetzt auf. ie
e Seite. Die Begeiſterung einer politiſchen und religiöſen
eaction verbindet ihre Reihen feſter, während die atheniſchen
ch Zwietracht und Vexrath zerriſſen werben. . Theramenes
ielt, die Rolle des Talleyrand. Lyſandros endlich vollbriugt,
18: in unſern Tagen die Metternich und Wellington voll⸗
acht: haben. Im Athen: freilich, dem Heerde der Umwäl⸗
ugwird die Reactionsherrſchaft nach kurzer Friſt Durch eine
ißig gehaltene, weiſe geleitete Revolution wieder umgeftürztz
Ganzen aber Dauert. fie noch ein volles Menfchenalter, ja,
"erlangt nun erſt Ihren" eigentlichen Mittelpunkt im Agefilaoß;
..Seine Abkunft und. politifchen Stellung nach war Thu⸗
yided. Mriftofrat.!). . Sollte. dieß wohl auf fein Urtheil ges
et haben? — Wäre Thukydides in ſeiner Geſchichte der
mokratie feind geweſen, er hätte ſicherlich eine ſchöne Gele—
heit zu Betrachtungen nicht vorbeigehen laſſen: als nämlich
mitylenäiſche Demos feine Stadt an Athen. verrathen, und
nıcch nicht allein feine Gegner, fondern auch ſich felbit in
. Abgrund des Verderbens geftürzt Hatte (III, 27.). Wenn
dagegen zu Heraklea die Mißgrifſe oligarchifcher Machthaber
13 offen tadelt, fo erkennt man feine Unparteilichfeit eben
in. fo ſchön, daß © gegen ſeine Partei ſtrenger iſt, als ge⸗
‚die andere (IH, 93.). Wenn er die oligarchiſchen Fre⸗
baten zu Megara jo kurz berührt (IV, 74.), und die des
1) Vol. 8:8. Krüger Leben bes Thukydides S. 62 ff. Epi⸗
[her Rachtrag zum Leben bes Thukydides S. 20 fg.
16
⁊
236 Thukydides. Kap. 8.
die bei furchtbaren Gegenftänden ruhig und Kalt erſcheint, mad
die Erzählung um fo glaußwürbiger 1). — Uebrigens jAl
dert Thukydides das Unglück der Amprakioten und der DM
tier (VII, 29 fg.) ebenfo emphatifh, wie das der Athe
Alſo auch Hierin unparteilich 2)! 4
Um aber dem Pathos, welches die Macht in
ftellung hervorgerufen, auch die Katharſis nicht fehlen ]
Taffen, hat Thukydides ein zwiefaches Mittel „angewandt. I
erft nämlich pflegt er allemal daran zu erinnern daß Died
gen, welche nun im Unglück find, e8 zu {fter Zeit gegen #
dere nicht beffer gemacht haben (VIL, 71 53 ja, daß ſie d
jebt gefümmen find, ihrem Gegner das nämliche' Shi;
bereiten 2). Der Hiftoriker will weder fich ſelbſt, noch den?
fer vom Mitleiden übermannen laſſen. Sp, zäplt auch Zei
phon nach der Schlacht im Hellespont mit gtauſamer Un]
fartgenheit alle Städte auf, die früher von Athen waren y
ſtört worden ). Auch jedes hiſtoriſche Kunſtwerk muß |
mißlungen gelten, wenn ed einen moralifch. anphrenden E
druck zurückläßt. Wer alſo den Sturz einkt Macht. zu fd
dern hat, der muß entmeber die etwa nachfolgettve Wiedera
richtung mit hereinziehen, oder muß darthum, wie ſehr ja
— —
1) .Eine feine Bemerkung bes Dio Ghryfoftomos: Orat. 18
2) Daß Thukydides den Tod der Mykaleſſier (VII, 29.) für for
Yicher anfteht, als die Sklaverei der Melier, darf Niemand wunde
Aus der Sklaverei Tann man befreit werden, und der Iyfandrifche Fri
hatte die Melier u. A. natürlich reflaurirt (Xenoph. Hell. II, 2,
Plut. Lys. 14). Auch bie ‚meffenifchen Koloniften wurden ans.
phallenia und Naupaktos verjagt, und diefe Städte ben urfprüngli
"Bewohnern wiedergegeben: Diod. XIV, 34. Paus. X, 38, 10.
2) ol. VII, 68. V, 90. und die Thebanerrede im britten Bu
4%) Hell. II, 2, 3.
$. 3. Thukydides und.biepolitifihen Theorien. WAS
eich. war diefer Anfang einer philoſophiſchen Politik nach
sögefallen!. ‚Nur einzelne Inſtituue zengen vum philoſophi⸗
ver Verarbeitung, nicht das Gauze Hei—1.1 Ein blinder An⸗
inger demokratiſcher Theorien wird und im Athenagoras ge⸗
ildert (VI, 38 ff.).Ansder loſen. und. fragmentariſchen
eſchaffenheitu ſeiner Argumenteerkenntman deutlich, daß
jukydides hier bie. allgemein siräiliraden, Grüne: jür. die
olksherrſchaft wiedergeben, will,rnpiz jehegı Einizelne machſpre⸗
n konnte, ohne ſie anch võllig Pegriffen zu habenr. Inter⸗
int iſt es übrigens,daß die Tharnetiker Namals in; Dex: veinen
lkoherrſchaft/ ebenſo geſchickt insı Gleichgewicht Arad beat Bes
Iten: nachzuweiſen verfiandenwienhemzungejmder inen
iſtitutionellen Verfaſſung (VBA: Boll Pat entſchie⸗
e Anhänger oligarchiſſher, Themien⸗ werden zu Sparta ‚von
ibiades angeredet ¶ VLLBOMVIIInd eh Mes Eniſchieden⸗
welche ſich Hiiingert, als ware: Dat Breowerfliche der
mokratie lange ſchon ausgemacht,iſt ser beſten Beweis,
viel: in. riefen Kreiſen ee hexeit3 gekaͤmipft mworden
nella ankial td 95 nr
ges Fette mun Thukydibes ante‘ iefet” ——
17 Bor allen‘ Diugeuꝰ da BALL ZI Leben
ı det Wirfefänft- nein. gInt Keben,
ehrt et mit gewaltigem Nachdelick; im hei Fein Mg:
eit mehr; unparteiiſch zit bleitſenWo⸗ver: Parteienktaanpf
Aeußern des ‚ganzen Staatenſhſtemes Free jedes
nen Staates Toitief gefeeijeit''hat‘) vãr iiſt verꝰ Ndutrale
& —* Perieien. Das‘ wehelrete ehe ——
32 ff.), Baier ri Nnterheandlungen tv; 8
Ss bie Comferengen von NR We ca, TE iz "a
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yAristasc PoliYil,,8,(Schneidnnuunpz; [ut or zart
)- gl, Hürfpid. Snpal, ade et ri rn”
16*_
x»
E
238 Thukydides. Kap. 8.
tung der thukydideiſchen Wehmuth gar oft erinnert an einig
Meiſterwerke der rafaeliſchen Zeit. Ale finnlichen Theile
Körpers find da von Schmerz erfüllt: die Adern und
wie im Krampfe gefchtwellt, der Bauch und die Schulten wi
rũckgedrängt, Die Bruſt emporgetrieben, fogar der Mund i
die Höhe gezerrt. Aber um Stimm und Auge leuchtet die fell
Sreiheit des unjterblichen Geiſtes. I
In einem einzigen Punkte, fo feheint es, könnte Tl
dides Darftellung durch feinen Schmerz über den Gegenſtuſ
derfelßen wirklich affieirt worden fein. Ich meine jenes di⸗
ſtere Licht, worin er die Menfchen betrachtet: wenn er z. 8.
fon in Agamemnon's Zeit die Furcht wor dem Stärken ll
das vornehmſte Cement der Bündniſſe anfieht (I, 9.); ede
wenn er Dad Mißlingen großer Unternehmungen licher da
Schuld Des Befiegten, als dem Verdienite des Siegerd ze
ſchreibt ). Schon wiber die beſtehenden Geſetze, ſpricht a, |
pflege der Menſch zu fündigen. Doch wenn er gar in me |
wirrter Zeit fie überwältigt, da werde es recht offenbar, wi |
er feiner Leidenſchaft nicht Meiſter ſei, und von der Gerech |
tigkeit nicht gezügelt. Da werden bie allgemeinen Geſetze, af |
denen Aller Heil beruhet, durch die Glücklichen ſchmachvoll pe |
unſer Niebuhr fand unter den Trübſalen der napoleoniſchen Knecht⸗
ſchaft nicht allein in der Betrachtung ber großen niederländiſchen Bee |
gangenheit Zroft, fondern ebenfo fehr in dem Studium der römilde ;
Weltunterjodhung (Briefe Th. 2, S. 63 fg... VBgl. Livius Prael.
und Hegel Aeſthetik, &h. I, ©. 65. |
) 1,69. VI, 33. — So macht er bei dem Kriege vor Syrals !
befonders aufmerkfan auf die irrige Deutung der Mondfinfternig (VII,
50.), die SInfubordination der Geefoldaten (VII, 72), die Zäufhung
durch Hermofrates (73.), endlich den panifchen Schredten im Heere des
Demofthenes (80.). Auch darauf noch, daß Nikias aus wohl begründeter
Furcht vor der Rache des Pöbels (VII, 14. Aristoph. Equitt. 285.
355.) den Rüdzug der Athener über die Gebühr verzögerte.
63. Thukydides und die politiſchen Theorien. DAS
fedämonifchen Heldemnuthes war 1). : Ye. der Leichenrede
eifet Thukydides Die perikleifche Demokraͤtie, wo vor Gericht:
iner benachtheiligt,.. von. der Staatsverwaltumg kein Wurdi⸗
e anögefchloffen, im gemeinen Leben Seiner von feinem Nach
r beneidet wurde; wo Geſetz und Obrigkeit in Anſehn ſtan⸗
a, ohne daß die Freiheit der Einzelnen wäre beläſtigt wor⸗
12). — In dieſen Verfaſſungen lag ofſenbar der ſpätere
egenfat von Dligarchen und Demokraten einſtweilen noch‘
entwidelt. Als er. aber im Verlaufe Ber Zeit. mehr und.
hr das ganze öffentliche Intereſſe zu verfhlingen, den alten
nat zu verderben anfing, da verbirgt es Thukydides nicht,
B beide Parteien unter der Maske des allgemeinen Wohl
r ihrer Herrichfucht fröhnten, daß die „Gleichheit der Rech—
und die „weile Regierung der Edelſten“ nur eitele Namen:
zen (III, 82.). Er verfihert, daß Unabhängigkeit mit
wteiherrfchaft drückender ſei, ala auswärtige. Dienftbarkeit
J, 86.); weiß auch vecht wohl, daß gerade bei der äußer⸗
ı Demokratie in Wahrheit nur Wenige herrſchen, und daß
‚ Unterivorfenen von Dligarchie und Demokratie gleich fehr
nißhandelt werden (VIII, 48.) 3). |
Diefe Hiftorifche UnparteilichPeit ift zu jeder Zeit natürlich
‚en geweſen. Sie ift der vornehmſte Grund, weßhalb die
t Hiftortfchen Meifterwerfe von jeher ein viel geringeres Pu⸗
um gehabt haben, als die halbhiftorifchen, als die prafz
1) IV, 126. vgl..IV, 86.
2) II, 37. vgl. VII, 69.
3) Das ungewöhnliche Lob, das Thukydides VEIT, 97. einer fo
el vorübergehenden gemäßigten Mifchung von Oligarchie und Demo:
tie zollt, in ber freilich die Befoldung ber Staatsämter, und mit ihr
Theilnahme bes Pöbeld am Regimente wegfiel, ift, wie fo Manches
achten Buche, aus ber mangelnden Vollendung beffelben zu erklären.
mfo das hohe Lob ber chiifchen Dligarchen (VIII, 25.) Bei der
240 Thukydides. Ray. 8.
VBerfafjung artet dann allmählig aus, Es erfolgt eine Neu
tion dagegen, zu welcher die Ueberreſte der alten Ariftckm
und die neu erwachende Tyrannis einander die Hände Bietet
Da wird es möglich, daß das ariftofratifche Lakedämon md
allen Tyrannen im Bunde ſteht, während es doch früher, fl
lange diefe Tyrannen Vorkämpfer des Demos geweſen,
alle vertrieben hatte ). Nach wechſelnden Erfolgen zwiſch
Reaction und ausgearteter Demokratie pflegt eine Militaͤrde
potie den Schluß zu machen 2). — Thukydides frühere 4
Ben fällt in die fchönfte Periode der athenifchen Demo
der fpartanifchen Ariſtokratie. Cr bat die Ausartung
Berfaffungen, ihren Kampf mit einander „und den Sieg
oligarchiſchen Reaction erlebt.
Alle Kämpfe in Griechenland, ſeit dem Antritte der pt:
rikleiſchen Staatöverwaltung bis zum Frieden des er
Bilden Ein großes Ganzes, auf da8 Genauefte verg
dem Revolutionöfriege der neuern Zeit. Die ganze H
welt in zwei große Parteien gefpalten, eine conſervative ww
eine progreffive. Sparta allenthalben geftügt auf die Ucberre
des Adels und Prieſterthumes, Athen dagegen, wenigſtens
Anfange, auf die Sympathie der Unterworfenen. Die pe
greſſive Partei, fo ſchnell fie auch durch Uebermuth und H=
gier fich die Zuneigung der Völker entfremdet, ift doch —
fangs überall im Vortheile. Sie weiß der Uneinigkeit ihe
Gegner die coneentrixtefte Einheit, ihrer halben Kriegöſührn⸗
die rückfichtölofefte Energie entgegenzuſetzen. Sie Bringt a
Kampfesmanier auf, wie fie die Gegner kaum geahnt haben
Die Gleichheit der Demokratie ruft eine Maffe großer Tale:
an's Licht, welcher die Gegner nur den einzigen Braficz
1) Bol. befonderde Diodor. XIV, 10.
2) Es bedarf wohl Faum der Erwähnung, daß viele Staatn, —
‚ alle folgenden Stufen durchzumachen, auf einer berfelben ftehen I’ «
$. 3, Thukydides und bie politiſchen Theorien. SAT.
eichgültigkeit mit der Unparteilichleit des Thukydides zu ver⸗
chſeln! — Mit Phaleas von Chalkedon 1) hebt die
ihe der Schriftfteller an, welche ‚offen oder verſteckt die Takes
noniſche Ariftofratie zu ihren Ideale machten Alle So—
ztiker, deren Werke uns erhalten find, gehören hierzu 9),
H die Monarchie im Sinne des Orients und die neuerwa—
nor Tyrannei fanden ihre Theoretiker, unter deren Werken
aophon?s, Kyrupädig,; Iſokrates Schrift an den Nikokles
d das Tyranngnmautfeſt deſſelben Nikokles hervorglänzen 3).
e eigentlich hiſtorjſche. Auſicht läßt auch bei Xenophon nur
ene Sonnenblicke fallen Auch die Wolfen des politischen
ealismus. Kine, unbegreifliche Kluft: würde ben Ariſtoteles
n Thukydides ſcheiden, wenn nicht die Soph iſte n dawä⸗
„ dieſe ſondyrbaren ſchlechten Mittelsperſonen zwiſchen ber
trefflichſten Philoſophie und Der. vortrefflichſten Geſchicht⸗
eibung, Dieſe waren nämlich in ihren Lehrbüchern der.
etorik veranlaßt, die Volfs⸗, die Senats⸗ und die Hof⸗
edtſamkeit abgeſondert zu, behandeln. Ihre Vorſchriften
sten ſich daher ſehr natürlich auf eine Charakteriſtik der ver-.
iedenen Staatöformen, und aus dieſem Geſichtspunkte ift
B. yon der, Nhetorit an den Algrander> gar Fein fo gewal⸗
er Sprung ‚mehr zu der Politit des Ariſtoteles.
Ich muß den seen ie zu. einer Fleinen. ' Diggefion einlas
24 —E J
1) Bei dem weichlichen Chalkedonier barf'es nicht befremden, daß
das Hauptinftitut von Lakedämon, das Kriegsweſen, unbeachtet, ließ:
ristot. Polit. II, 4. Schneid.). Ic) halte den Phalpas mögen. her
Yung, die er bei Ariftoteles einnimmt, für jünger, als vippoda⸗
3, aber für älter, als Platon.
2) Auch zu Florenz findet ſich etwas Aehnliches. "Sn den Betten der
enden Demokratie fangen die florentiniſchen Politiker“ an, auf das
azende Muſter der penetianiſchen Adelsherrſchaft ihr Auge, zu richten.
3) Die Demokratie hat uns leider, einzelne Stellen Ber Redner abs
echnet, kein ſolchee Weri hinterlaſfen. we
213 ..Thukydides. Kap. 8.
mokratiſchen zu Kerkyra fo weitläuftig (III, 70 fſ.), |
ſchieht dieß nicht aus Parteilichkeit, ſondern aus dem
chen. Grunde, ‚weil Thukydides Überhaupt von ſolchen i
Zwiſtigkeiten mar. ein. Bild, keine Geſchichte zu geben.
Das Bild aber fügte. fi) am beiten dem erſten Ereigniſſt
fee Art bei. . Ein worteeffliches ‚Seitenftü Bietet übrigen
Geſchichte der aihenifchen Dligacchen dar: zumal, wenn
fich erinnert, daß chen die. lettte und laenigſe Fartunz
ren Buche och fehlt - - | ee
Muecſiphilos, der Lehrer: des hriſteties; Sal
Staatswiffenfäaft. noch ganz in der guomtichen %
des Solon gelthrt ). Die Sophiſten richteten: ihr Augen
zwar hauptſachlich auf praktiſche, dehe rhetoriſche Uebunger
aber die Theorie des Staates ſcheint doch ſchon von Ihre
arbeitet zu fein. So macht Ariſtophanes in den Vögeln
Bermmüftgründe lächerlich, wodurch man. die Volksſouvei
tät damals zu beweiſen ſuchtt. Er thıst dieß in der. Hede
Peiſthetäros, einem Meiſterwerkr pſeudohiſtoriſcher Soph
das? noch heutzutagenallen liberalen: und antiliberalen Theo
kern zu empfehlen wäre (471 ff}. Auch einen Idealſtaat
es ſchon in Thukydides Zeiten. Hippodamos vom DI
hatie die mathematiſche Regelmäßigkeit, die er beiſe
Städtebau anwenden mußte, auf ſeine Staatsverfaſſmig,
wwealijirte Demokratie, sr Übertragen‘ se Aber tobt
ARBEITE PR . | . —
Be rn Fe rd
. y Plur. ‚Iinen, b.,
2). So wohl — Damon , „der. dem. Perikles |
fand, wie ein Ringlehrei und Sulber dem Athleten“ (Plut. pi
4). Die fehe intereffänfe Entwiclung der- griehifhen Staatswi
Thaftslehre, die mit Prodilos beginnt, muß ich einem andern.
vorbehalten. Ich bemerke vorläufig nur foviel, daß fie viel bedeut
ift, namentlich in Zenophon und dem Verfaffer des Eryxias, als u
Nationalöfonomen, - weiche D bie Quellen nicht getefen. Haben 3
haupten pflegen.
\
$. 3. Pſeudo⸗Xenophon vom Stine ver Athene. 8249
licher, als der weiſeſte, aber ariſtokratiſch geſinnte (I, 6
J.). Die demokratifche Vernachläffigung der Mufit, und
gymmaſtik erfolgt nicht ans Abfiht, fondern aus Unvermba
en. Wo es auf Koften der Reichen geht, da iſt das Bolt:
um Tanzen und Singen gern erbötig (1,13.). Auch die Züs
elloſigkeit der Sklaven !) und Beifaffen (I, 10 fg.), der harte
Rruck der Bundesgenoſſen (I, 15 ff.) find natürliche, find
nvermeidliche Eonfequenzen der Volksherrſchaft und der nas
onalöfonomifchen Größe von Athen. — Beſonders chin
Ard der Gerichtsbann, der alle größern Rechtshändel der
Jumdeögenoffen nach Athen verwies, im feiner echt demokrati⸗
Hen Tendenz vor und zergliedert. Won den Gerichtögebühren
bt das Volk; durch Parteilichkeit für den Demos der Bun⸗
esſtaaten Hält es den Adel derſelben nieder (I, 16.); durch
en Zudrang dee Fremden werben die Hafenzölle, die Mieth⸗
reife, alle übrigen Erwerböquellen der Hauptitabt vermehrt;
der Bundesgenoß ift nun gezwungen, nicht allein den Feld⸗
ern und Staatöbeamten, fordern auch dem gemeinften Bike
er von Athen den Hof zu machen (1, 17 fg.) 2). Ebenſo
eutlich teitt das wechfelfeitige Band hervor, welches Seemacht
nd Bundesherrſchaft zufammenhält: nur der Verkehr mitt den
Zundeögenoffen kann die Flotte vollzählig und in Uebung,
ur die Flotte kann die Bundesgenoffen im Zaume halten.
sebe ftärkere Vereinigung der unterworfenen Inſel- und Kü⸗
enbewohner wird durch fie verhindert; jeder handeltreibende
Staat iſt um ihretwillen gezwungen, die Freundſchaft von
1) Wie fie u. A. Pherekrates in feinem Luftfpiele Aovlodıdaonalos |
efchildert hatte: vol. Bergk Commentatt. de reliquiis comoediae
ıtt. antiquae, p.298sqq. Meineke Hist. crit. comic. graec. p. 82.
2) Hätte der Verfaſſer heutzutage geſchrieben, ſo würde er wiſſen,
aß jeder Staat in ſeiner demokratiſchen Periode das Streben hat, al⸗
es politiſche Leben in der Hauptſtadt zu concentriren.
244 J Thukydides. Kap. 8.
am letzten Orte wird die praktiſche Neutralität nicht allein
weiſe genannt, ſondern auch unſittlich (VI, 80.). Wo der S
in Gefahr iſt, da: muß der. alte. Grundſatz des Solon geil
Aber nicht in der Geſchichtſchreibung ! . Seine Hifi
ſche Natur macht: es dem Thukydides unmöglich, fih «
Principien en Staatdideal herzuleiten. ‚Schon. feine Aufl
vom Urfprunge des Stuate®.ift bier .entfcheidend,
meisten nichthiftotifchen Theoretiker, die zwar abstrahiren m
len, aber ‚einer: ſtrengen philoſophiſchen Form unfähigef
pflegen auf. den ſogenannten Naturſtand des Volkes zuric
gehen. Rh fie. Hiervon indefſen Nichts erfahren Können,
eonftruiren. ſie ihn Bann natürlich ſo, wie fie ihr füri
ſtaatsrechtlichen Reſultate gerade brauchen. Thukydides Auf
ſich nur. ſelten über fo. dunkle Gegenſtände. Doch nimmt.
an, daß die: Seezüge der älteſten Wikinger im Intereſſe el
wohl der Dienfimannen, als der. Anführer erfolgt fein
3.) Auch wo. ber Reichthum zur Herrſchaft geführt, ba
ten die Stärkern, meint er, "allerdings die Schwächern uni
worfen, aber die letztern zugleich es ſich aus Gewinnſucht gm
gefallen laſſen (I, 8.). Man fieht wohl ein, dag die Ham
frage; derethalben der Naturftand erfunken iſt, ob min
das Volk um der Herrſcher willen, oder die Herrfcher um
Volkes willen daſeien, durch diefe Anficht nicht fo ſehr ben
wortet, ald: vielmehr Befeitigt wird, — Im meitern Valk
aber hatte Thukydides unterſucht, welche Staatöform in
Blüthezeitejedes einzelnen Staated gegolten habe. Di
erklärt er dann für das ſchönſie Product, welches dem peoli
ſchen Geiſte des jedesmaligen Volkes entſproſſen ſei: ein mef
teres Urtheil iſt ihm unmöglich. Wer könnte z. B. in de
vortrefflichen Gemälde des altdoriſchen Staates (I, 84.) om
ſtillſchweigend mitenthaltene Belobung jener vielgeprieſen
Ariſtokratie verkennen, welche mit dem Charakter von Latab
men fo innig zufammending? Einer Ariftofratie, die nf
Braſidas Urtheile wie die Wirkung, fo au die Urſache de
$. 3. Pſeudo enophon voni Staate der Athener. 2
u erklären‘, ſie von Ihren Standpurkte Her zu loben oder zu
adeln. Gleichwohl Hat feine politiſche, ſeine praktiſche Par⸗
eitüchtigkeit durch dieſe hiſtoriſche Unparteilichkeit nicht Km
Aindeſten gelitten. Er trägt eine Erbitterung im Setzen, : mie,
e der unterdrückten Partei erſt· nach langeni Kampfe: zu ent⸗
chen. pflegt: eine; Erbitterung⸗, wie fle das italieniſche Milo
lalier ‚Burchetangsr..wie fie Deutichlaud: erſt in unſern Tagen
1. leruen aufäugte“ Aber: welche Beilteölraft mußte der. beſick
en,“ der mit:der ſtärkſten. praktiſchen Richtung. fo viel hiſteria
he Unbefangenheit vereinigte! Ohne Zweifel and: zii: ſeinenn
raktiſchen Vortheile/indemn nur: Derjenige die Stärken feines
zegners vermeiden, die Schwächen benutzen kann, der helda
terklärenverſteht. "Und ed iſt gerade jene Gluth des Haſa
8, welche bei ſtarken Geiſtern dieſe Unbefangenheit des Ur⸗
ſeils möglich niacht. Run erſt find Illuſipnen aller Art ver⸗
hwunden. Es kommt nicht mehr an auf die Verwirklichung
gendwelcher Ideale: man will. herrſchen, ober: Knecht ſein⸗
Zie unendlich verſchieden von dem blinden Haſſe der ältern
ligarchie, der in Theognis Schriften ſich abſpiegelt! Sch
veifle nicht, Daß auch mancher Führer der demokratiſchen
ieite.-einen ‚ähnlichen . Grad. von politifcher, Intelligenz beſaß.
etzt endlich Hört die Linbefangenheit, die ‚politische Tiefe des
hukydides auf, ein Wunder zu ſein. Mär eifenit, vaß
nliche Tugenden auch unter feinen Zeitgenoſſen verbreitet
aren, nur in ihm ihre conſequentefte Ausbildung, ihren
rtrefflichſten Ausdruck gefunden Haben, — Nichts kanm' hie |
wifcher fein, als die griſtreiche Bolfftinbigkeit y womit uünſcri
ine Schrift in den--Mannichfaltigften. Suftituten einen ‚Demon
atiſchen Gedanken‘ erkenut. Sogar die Sprache der Athener
l, 8.), die große Auzahl ihrer Feſtiage (II, 9.), bie Ver⸗
iedenheit ihrer Speiſen (II, 7.) werden Hierauf; besogeit,.
t. den Ganzen des Staates organiſch guſammengefügt.⸗ Was
: Methode der Erklärungen betrifft, die hiſtoriſchen Cirkel
rin, die ſtrenge Nothwendigkeit, worin Jedes erfcheint: ſo
246hukydides. Kap. 8.
tiſchen und vor Allem die dichteriſchen 2%: Gleichwohl iſt
kydides nicht ganz ohne Vorgänger. Sin der berühmter
rallele, welche Herod ot zwiſchen den drei Staͤatsformer
ſtellt (HII,:80 ff.), entſcheidet er ebenfalls nicht fo ſeh
zuvorgemachten Principien, ſondern er ſchildert vielmeh
Charakter und endlichen Verlauf einer jeden. Wie er
Berfern der Monarchie den:Vorzug giebt, fo unter Ak
der Volksherrſchaft ( V, 66. 78. 91.). — : Eigentliche !
folger hat Thukydides nur wenig gehabt. Freilich. die t
tifche Wuth der Parteien ging alfohald. in. eine Blafirte '
ſtumpftheit über, welche vergebens den. Schein der Mäß
anzunchmen ſuchte 2). Da konnte ein Lyfias 3), ein
krates 95die Behauptung wagen, von Natur. fel-Nie
weder Oligarch, noch Demokrat. Jedem ſcheine die
Staatsform die beſite, welche feinem Vortheile am gemä
ſei. Ja, am Abend. fees Lebens äußert Iſokrates gar
die Verfaſſung komme wenig an, wenn bie Verwaltun
intelligent und d rechtich wäre ) Aber man’ Hüte fich,
legten Teile hätte Thukydides dieß ficherlich gemilbert. uebrigens
er mit Recht, wie es auch Montesquieu thut, der Ariſtokratie
höhern Grad von Mägigung zuſchreiben.
1) Ein Kuͤchterner u unter Betrunkenen, ſagt Niebuhr, iſt
ner abſcheulichen Lade (Briefe Th. 2, S. 415.). Auch Niebuhr
immer, bei den Conſervativen für revolutionär, bei den Progreſſiv
abſolutiſtiſch zu gelten. Jedem wahrhaft hiſtoriſchen M
wird es ähnlich gehen.
2) Man tadelte wohl die Sünden der frühern Demagogie
würde es den Dreißigen nicht Übel genommen haben, wenn fie ı
ren Beftrafung fich begnügt hätten (Lysias Deaff.tyr. 224: daf
fo ſpricht, if ein Beweis, daß es wohl jeder Billigdenkende
that): aber man erteng nad) wie vor biefelben Sünden.
3) De aff: tyr. p. 221.
) De pace 43.
5) Panath. p. 52.
6. 4. Thutkydides und bie Sophiſten. ‚255
8. 4. |
Thukvdides und die Gophiften. a
Wir haben noch den Zufammenhang des Thukydides mit
ven Sophiſten zu betrachten. In Thukydides Zeit machten
dieſe Männer, Freilich ohne vielen Außen Zuſammenhang, fa
mit gegenfeitiger , , erbitterter Defimpfung, dennoch durch in⸗
tert Uebereinſtimmunig eine Schule aus. Man Tanıi fie in
Hefte, wie in mancher andern Beziehung, mit unferm f. g: fim-
zen. Deutſchlande vergleichen. - Ihre Philoſophie war gewiſſer⸗
naßen bie heirſchende ). —"Diefe Hat’ dem felt ihrer Wi⸗
yerlegung dukch Sokrates His auf Die neuere Zeit herunter ſo
tele Spott und Abfchen ertragen müffen, daß ihr Ehꝛentitel
zadurch Zur "einem Schimpfnanien gemorben ift. Fu uitfern
Engen hat man andererſeits ihre Verbienfte um Grammatik,
Rhetorif, Aeſthetik und Philoſophie gewaltig überſchätzt, wo⸗
zegen vor Kurzem durch Heinrich Ritter ein mãnnliches,
ief zu beherzigendes Wort geredet fit ?).
Die Fundamental ſätze, welche bei aller ſophiſtiſchen
Inconſequenz. doch wenigſtens dem Gorgias und Protagoras
iebſt ihren Anhängern dürfen zugeſchrieben werben 3), find
iolgende drei: Alles Sein iſt nur-em Werden. Jede Wahr-
jeit iſt nur ſubjectiv gilltig. Altes Recht beruhet nur anf- grö⸗
jerer Stärke. Man erkennt, ſie betreffen die tiefſten Orände
1) Platon ver Bert, die echtaanſ chten der Sophiſten würden
‚on Tauſenden getheilt; Gegner derſelben höre man oͤffentlich faſt gar
iicht: De Rep. II, p. 358.
2) In der Vorrede zur zweiten Ausgabe feiner Geſchichte: Ih. 1,
. XIV fi.
3) An Bezug auf Prodikos vol. die vorkeefitihe Mehabilitation deſ⸗
elben von F. G. Welcker: Rhein. Muſeum Bd. 1
248 Thukydides. Kap. 8.
den. In der zweiten Beilage habe ich gegen Böckh u
zu beweifen gejucht, daß die angeblich xenophontiſche Sc
vom Staate der Athener in der frühern Zeit des
ponneftfchen Krieges müffe gefchrieben fein. Ich habe gu
dag fie in's Jahr 425 füllt, daß fie ein politifches Guta
it, von einem Dligarchen zu Athen einem lakedämoni
Stantömanne zugefendet. — Dieſe Schrift, obwohl An
und Schluß fehlen, gehört zu den intereffanteften und |
reichſten Weberreiten der ganzen hellenifchen Literatur,
Verfaſſer ift Teivenfchaftlicher Dligarch : er fchreibt den |
nehmen ‚Gerechtigkeit zu, Mäpigung, Liebe zum Guten,
Volke Dagegen Unwiſſenheit, Zügelloſigkeit, Schlecht
(1, 5.). Er .verfichert wiederholt und geradezu, die
fiofratie fei Die gute, die Demokratie die fchlechte St
verfaſſung. Aber er warnt feinen Freund, die atheniſche
mofratie um ihrer Zehler willen nicht für ſchwach zu hi
In diefer Abficht meifet er den innen Zufammenbang dı
mofratifchen Inftitute nach, und er thut ed mit bewunder
würdigen biftorifchen Taete.
Alle Größe. von Athen iſt auf Reichthum und Se
{haft gegründet. Da nun die letztere aber weit meh
dem Volke, als auf den Vornehmen beruhet, fo ift e8 ı
lich, daß jenes im Staate vorherrſcht; daß es alle Yuer
Aemter, welche der Arme befleiden Tann, nun auch w
bekleidet (I, 2 fg.). Selbit die ungerechte Belaftung (I.
und Hintanfeßung der Vornehmen (T, 4.) darf Niem
welcher die Schärfe und Erbitterung der Barteien erkann
groß Wunder nehmen. Das Volt unterbrüdt feine E
um nicht von ihnen unterbrückt zu werden (I, 8 fg.).
ſcher und Beherrſchte haſſen einander mit Nothivendigt
14). Daß mitunter auch Narren und Böſewichtere
Volksverſammlung Reben halten, ift die natürliche Kol
allgemeinen Gleichheit; und ſelbſt der ſchlechteſte Ratt
wenn er nur demokratiſche Gefinnung atmet, iſt dem
$. 4. Fluß der Dinge, Suhjektivität ber Wahrheit. Qus
B. ‚arıd Wahrheit. iſt At fußjeetin gürighjy” |
. Eine Wahrheit. Kar“, —R iſt zwar nicht wie der
Si wollie, van Erfahruugburtheilen auguuchmen, d. 5.
wor. Penjenigen, Behauptungen, welche ihre Cougruenz. mit ‚Der
gemeinen Wirklichkeit verſicher. Hier würde man ſonſt: durch
vündige Schlüffe zu, den Satze drs Goxgias geführt. werden,
WB aiherall Nichts fei,... oder dach Nichtarrkennbar fer, der
ah richt, Erkanntes. mitgetheilt, pperdenkönne. DOem ſchay⸗
a, u. kritiſchen Wehrheitsforſcher Zhntydides Bonnie es au
erwenigſten cinfallen „eine Erfahrung prgyichmen, die ne
en wahr, na fall eärg,, ſondern uyr geglaubt wurde
‚in Abernetyyas ganz Anderes iſt eh 4penn. wir a--folhe
bauptungen denken, dig keine Cougruenz gut, der gemeint
Firklichkeit pʒädiciren z. ngmentlich, m ch. fh um die Fyage
andelz, nicht; ward iſt „ſondern wog daſejn ſoll.Hiex
udet alleine zer uvögamam ‚Statt, Ich
jnnexe a Dadjenige zur, paß ich in dexr Einleituug meines
cars Abey ben Mcıkh;, der hiſtniſchen Kat, geſagt Safe.
ai Pernäyfiiggerie, Py ip, —— wollen, ‚DaB. uurfere
nfptutianefen, 5 Berfoffungen Fir. Bias Zeite ku here Kreuzzüge,
en; die Aſſiſen pon AMüruſglenn fürn: Tage. empfehlents⸗
arthn ſeien. DR Ra, anp;ed, für jedes oft,
de⸗Deit einen, igfaen abeſten Staat, gehrn mühe. — MDer
Kiorifer gung, deu: an achien ir Biken, und ‚WBisherabughe -
eraher einzelnen Böfkgp,kent, Eau. Weine
fü ſein rthe zu gewiamen nun AST, Danach: fer
n — fur reine Saatlorm diender Plüthezeit nes. he⸗
EZ LAα rat eff sh eis tn unX
— tn BE Th na ana eu nn wand
21) Wieſes Sheets nit erh die Sophiſteh, üder⸗ jldweben
iz: firr und widrr urn, „Anti on watliris Un ſeiars Tetralpe
n. higſſt inte Me Aal ‚Hiewon, hintexlaflen Min a
ie, AR Eden ifen, ‚oben, Feine bel vie für. den Siße
y: re
20. - AAcbukydihes. Kap. 8.
Athen zu ſuchen 1). :Diergeringere Bedeutung der Landma
(H,:1.),: jene Rückſichtsloſigkeit, womit in. Kriegszeiten d
attiſche Landgebiet Dem Feinde Preis gegeben wird: fle erfl
ren fich einfach dadurch, daß Hei dem Laudgebiete, nur die Vi
nehmen interefjirt find CH, 14 ff). Auch die Verlegung
der Verträge, die man. der. Demofyatie zur Laſt Iegt, wel
kommen ſie anders, als daß .hier die Schande des Treubru—
auf. den ganzen Demos fällt, jedenEinzelnen folglich uub
rührt läßt(II, 17.)72. Ebenſo rein demokratiſch tritt die Ki
mödie auf, die Journaliſtik des Alterthumes: ihre Zügellof
keit Darf jich nur gegen: Vornehme richten, , allenfalls auch g
gen Solche von den Kleinbürgern, die ſich über ihren Stan
zu erheben fuchen (U,-18.)2). Schließlich wird ſogar di
Gefchäftswerzögerung, , an der. man zu Athen laborirte, durd
die Hoch getriebene Complichamg der Staatsmaſchine und d
Geſchäftsüberhäufung des Demos gerechtfertigt (II, 2 fl.)-
Abher der Refrain des Verfaſſers kehrt bei jedem di«
Juſtitute wieder; an und für fih iſt es tadelnswerth,
aber einmal der Demos heryfchen, fo kann ex deſſen nicht
behren, fo it es ihm natürlich und nothiwendig 3).
wollte man ohne den Umſturz ‚des Ganzen das Einzelne
dern, man würde das Liebel nur noch fchlimmer ma >
- AU, 7). Dem Bolfe felbft ift fein ganzes Verfahren —
gar nicht übel zu nehmen; deſto mehr den Adligen, die
ihrem eigenen Stande zum Verräther werden (1, 20.). -
ir jeher, der Verfaſſer ift vollkommen fähig, fich in
Seele feiner Gegner Hineinzudenken, daraus ihre Handlun—
— —— — — — —
) L, I9. IT pr.
2) Man benke an die, furchtbare Despotie dev Mehrzahl, dEr
Nordamerika, Südamerika und neuerdings auch Spanien Preßfreih
genannt wird!
2) 1,1,4. 8. 008, 1 sqq.
5 4. Subfertivität ver Wahrheit, echt des Stärken. 257.
Willens. Jede Partei will ihrem Charakter gemäß auftreten;
e will den Staat, vielleicht nach ihrer aufrichtigften Ueberzeu⸗
ung, jedenfalls nach ihrem tiefften Bedürfniſſe geleitet wife:
st. Nilkias ſucht perikleifche Grundſätze aufrecht zu erhalten.
ber dieſe Grundſätze pafjen nicht mehr, teil die Dienfchen
iders geworden find. Alkibiades Verfahren bereitet dem
taate feinen Untergang: aber es iſt das einzige Verfahren, -
is fih für die Zeit und ihre Kinder eignet, Thukydides
ft iſt zu ſehr Hiftorifch, zu wenig praktiſch, als daß er im
uche wenigſtens eiher von dieſen Parteien angehören könnte.
arum fchildert ee den Verfall zwar als Verfall, doch als-
wermeidlich, und ohne Erbitterung. Häufig läßt er durch⸗
ken, wie fehr gerade bie Oppofition bes Nikias Alkibiades
ahſchläge zu verderblichen gemacht habe.
c. Alles Recht beruhet auf der Stärke.
Was endlich insbeſondere den Satz des Kallikles und
wafymachos betrifft, welche das Recht des Stärkern als das
zig natürliche predigten, und aus Mythologie, Natur und
eſchichte zu vertheidigen ſuchten: fo iſt dieſer Satz in einer
chen Form ofſenbar ſich ſelbſt widerſprechend, weil er, ſchär⸗
unterſucht, das Bewußtſein des Unrechtthuns in ſich
ließt, welches man durch das Gefühl der eigenen Stärke
n übertäuben möchte 1). Daher konnte man die Sophiften
Disputiven auch fo leicht dahin bringen, daß fie eben das
cht ſelbſt für Unrecht erklärten, under alle Gerechtigkeit über
ipt hinwegläugneten 2).
1) Schon Wieland bemerkt, daß die Sophiſten bei ihrem Strei⸗
über Recht und Unrecht den populären Begriff, den jeder Menſch
‚ zwar nicht anwenden, aber doch voraueſeten (Ariflipp’s ‚Briefe:
‚4. Werte Ih. 39. ©. 46.).
3) Plat. De rep. I, p. 341 0. Arist. Nubes 1007 .sqq.
17
-
252 Thukydides. Kap. 8,
erinnert Alles auf dad lebhafteſte an die Eigenthümlichkeiten:
des Thukydides. Auch die praktifchen Grundideen des Thuky⸗
dides werden falt ohne Ausnahme von unferm Pſeudo⸗ Kanes
phon getheilt. Sogar die Sprache ded Letztern iſt der thukh⸗
dideifchen verwandt, nur Iofer, abgeriffener, minder gefalt, 1:
als dieſe. Mit Einem Worte: der Verfaſſer jener kleinn
Broſchüre gehört zu den nächſten Geiſtesverwandten des Thack
kydides. Daß er mit dieſem identiſch geweſen, behaupie Wh:
nicht: wollte ich es behaupten, man würde mich ſchwerlah
direet widerlegen können 1).
Am ſchwerſten war es für den Thukydides, ſeine Unpar⸗
teilichkeit da zu bewahren, wo eine neue Zeit mit ihren Si⸗
ten, ihren Anſichten und Beſtrebungen gegen die ältere i
Kampf gerieth, welche der Hiſtoriker ala Die Blüthezeit feinet
Vaterlandes verchren mußte. Jedenfalls würde ein minder
großer Hiftoriker, wenn er Thukydides Anficht getheilt haͤtk,
den Nikias mehr begünftigt haben 2).
1) Ich Eenne nichts Lehrreicheres, als eine Vergleichung biefer few
rigen, geiftvollen, echt praktiſchen Schrift mit den faden foppiftifcen
Producten der ſpätern Dligarchenzeit ,„ einem Demodokos oder Si⸗
ſyphos.
2) Droyſen läßt den Thukydides entſchieden parteiiſch fein gegen
Alkibiades (Rhein. Muſeum IV, ©. 36.). Warum? Weil er nicht,
nach Droyſen's Hypotheſe, den Alkibiades von der Theilnahme am My
fterienfrevel geradezu freifpricht. Das fpätere Alterthum, z. B. Des
mofthenes (Mid. p. 506), fteht doch entfchieden auf Thukydides
©eite. Auch Cornelius Nepos meint, daß Allibiades dom Zhuly
dides gerade fehr begünftigt worden (V. Alcib. XI, 1.). Aber ber
Grund von Droyfen Liegt tiefer. Droyſen erlärt, nicht Perikles, for
bern Alkibiades fei die Mittagshöhe der athenifchen Demokratie (a. & |
D. ©. 62.). Da muß benn freilich Thukydides erft befeitigt werben.
$. 4. Thukydides und die Sophiſten. 255
g. 4.
Thukydides und die Sophiſten.
[2
Fir haben noch den Zufanımenhang des Thukydides mit
Ben Sophiſten zu betrachten. In Thukydides Zeit machten
wiefe Männer, freilich ohne vielen Außen Zuſammenhang, ja
mit gegenfeitiger, erbitterter Bekämpfung, dennoch durch in⸗
mete Uebereinſtimmmg eine Schule aus. - Man Tanıı fie in
Diefer, wie in: mancher andern Beziehung, mit unferm f. g. jun⸗
gen Deutſchlande vergleichen. Ihre Philoſophie mar gewiſſer⸗
maßen die herrſchende 1). — "Diefe Hat denm felt ihrer Wi⸗
Derlegung dirkch Sokrates bis anf die neuere Zeit herunter fo
vielen Spott und Abſcheu ertragen müſſen, daß ihr Ehrentitel
dadurch zu einem Schimpfnanien geworden iſt. Su unſern
Tagen hat man andererſeits ihre Verdienſte um Granmatif,
KRhetorik Aeſthetik und Philoſophie gewaltig überſchätzt, wo⸗
gegen vor Kurzem durch Heinrich Ritter ein männliches,
tief zu beherzigendes Wort geredet iſt ).
Die Fundamental ſätze, welche Bei aller fophiftifchen
Inconſequenz doch menigftend dem Oorgiad und Protagoras
nebft ihren Anhängern dürfe zugefchrichen werden 3), find
Folgende drei: Alles Sein iſt mır ein Werden. Jede Wahr-
beit ift nur ſubjectiv gültig. Altes Recht beruhet nur auf: grbs
rer Stärke. Man erfennt, fie betreffen die tiefften Gründe
1) Platon verſi chert, die Rechtsanſichten der Sophiſten würden
von Tauſenden getheiltz Gegner derſelben höre man öffentlich faſt gar
nicht: De Rep. II, p. 358.
2) In der Vorrede zur zweiten Ausgabe feiner Geſchichte: Th. 1,
S. XIV fi.
3) Zn Bezug auf Prodikos vgl. die vortreffliche Rehabilitation deſ⸗
felben von 5. 8. Welder: Rhein. Mufeum Bd. 1.
254 TThukydides. Kap. 8.
alles Denkens, Die höchſten Aufgaben aller philoſophiſcheaß—
Speculation. — Ich habe in meiner Juangurawdigenatn )
einerjeit3? den innigen Zuſammenhang dieſer drei Sätze, Mel
von demſelben Gedankengauge, nur auf verichiedenen Gebie⸗
‚in, ‚hervorgebracht: fi find, andererſeits aber auch dep innern Bit
derſpruch zu zeigen verſucht, der fie.in. dieſer Geſtalt alle dul
rpernichtet. Ich habe mich ferner benüht, /inige. mißverſip⸗ |
‚dene. Wahrheiten darin nachzuweiſen: Wehrheiti welche RT
wownehmlich dem. Geſchichtſchreiber aufbräugen,, hie. Behaubling
der Gefchichte vegeln müſſen. Endlich, war ..gö,.meln Zieh, T
Wie, die Sophiſten dieſt Wahrheiten, mißverfchen ‚Konten, u
erklären. — ‚Hier darf ich Fürzer_fein.. Ich Tee bie Soph⸗
ſten sinigermaßen. als bekannt, yoraud. Wen ı num. gezeigt
wordau jſt was Thukydides auf ähnliche Fragen, gepatuori,
fo’ wird, fein Verhältniß zu dex ſophiſtiſchen Antwoxt pop ſeb
Ber. einleuchten. — Der Leſer wird pqun vorn herein erwar⸗
ten, daß ſich die Auf ht des Thulydides auch hier nicht in
Begräfförsihen. und Lehrſätzen darlegen kaun 4. fpnbern in de
Schilderung menſchucher Hi Be
7 Er r. Fe 2
1} :. ”
I... 4. Alles Sein. AR: aur ein Werben. .-
‚Der alte Saß von dein Keftänbigen- Shrite der Dinge ‚fe
leicht g6 in feiner ſophiſtiſchen Geſtalt durch Altos Philebes
zu, widerlegen war, ; iſt Doch, inſofern unwiderleglich, als ſich
die menſchlichen Angelegenheiten allerdings in fortwaͤhrender
Veränderung zeigen, Er iſt dem Hiſtoriker beſonders wichtig,
weil es dieſem obliegt, gerade die Veranderungen der Dinge,
Ihr Weiden, Wachſen, Blitchen und BE beſenders
ins Auge zu faſſen.
2
ei .. “
⸗ nie .. " . . “ TRY, 2 I 12"
ı = .. . . X ?
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N ®
74. @uil, Roscher De historieae doetinne ↄpaa Sopbisias
maiores vestigiis. Gott‘ 1838, . : —
$. 4. Recht nes Stärken. | 261
em ift gar wenig von Hiftgrifchen Entwicklungen der Vers
genheit, von. prophetifchen Andeutungen ber Zukunft enie
m. Lauter Gründe der Gerechtigkeit und des Edelmu⸗
„wie ſie Thukydides fonft nicht zu geben pflegt: aber:
derſelben überwältigenden Macht der Empfindung, inie die
'tifchen: Reden mit durchdringender Schärfe des Verſtandes.
Worauf die Platäer fich Hauptfächlich ſtützen, das iſt had
Gefühl des panhelfenifchen Vaterlandes «III, 54. 56 fi). |
8 Gefühl Hatte im Perferkriege deu. herrlichſten Sieg er⸗
jen. Es war aber nachmals durch’ den Kampf zwifchen
en und Sparta nicht Bloß in Schatten geitelt, ſondern
e feinen Grund verloren, weil 3 während diefed Kampfes
allgemeines Vaterland mehr geben konute. Dach Hatten .
Platäer auch damals noch am längften daran feftgehakten
. Sp mußten freilich die Gründe, welche man aus dee
ferzeit entlchnt, - ihre Kraft für die Semüther verloren has
Auch fiel es den Thebanern nicht ſchwer, ihre Gegner
befehuldigen, daß fie damals nicht aus Vaterlandoliebe,
yern aus Eigennutz gehandelt hätten (62. 64.). Denn
- die Thaten der Menfchen won der Ichten Triebfeder nur
n ganz befreit find, fo wird eine Zeit, welche die höhern
veggrüunde vergangener Begebenheiten nicht mehr nachem⸗
den kann, fih bei der Erflärung allein an die niedern hal⸗
— Wem die Platäer verfichern, durch Bundeötreue und,
aa an Athen gefeffelt zu fein (55.),-fo erwidert man
‚ ihre Verpflichtung gegen Hellas fei größer (63.). St -
That mar Athen auch die vornehmte Urſache, daß jenes
’
or. — In ber Schlacht bei Platäa hatten die Platäer den erften
8 der Tapferkeit erhalten (Plut. Arist. 20.). Sn Xlexander’s b.
Zeit, wa ber Perferhaß von Neuem‘ auflebte, und bie Thebaner
gezüchtigt wurden, kam auch der platäiſche Name wieder zu Ehren
ut. Arist. 12.).
256 Chukhydideß. Kapı 8.
ſtimmten Volkes angemeſſene geweſen ſei. Denn die B
zeit eines beſtimmten Volkes zu finden, iſt zwar ein
ſchwierigſten Gegenſtände der Erfahrung‘, aber doch I
ein Gegenſtand der Erfahrung, wo man: entiveder
hat, oder Unrecht. — Alle andern Urtheile haben
Boden. |
Auf. Diefe. Art hat ed in Beagen), was geſchehen fo:
auch Chulydides gemacht. Daher jene: Zweideutigkeit de
theils, die ihm von Laien nicht ſelten vorgeworfer
Mait erblickt dieß am deutlichſten in den Verhandlungen
die Ruthlichkeit des ſieiliſchen Feldzuges. Nikias ſagt
Alkibiades fagt ja; Giebt nun der‘ Hiſtoriker Einem vo
den Recht? GEs Tan darauf an, öb inan dem vegſamen,
tendürſtigen Muthe! der Athener, welcher ihre Größe err
Hatte, von Imnen her nach Belieben eine: Gränze
konnte: Nikias räth num, ſich aufı die Erhaltung des ©
benen zu beſchränken , nicht m Fremdes fi einzum ſchen
Alles damit auf das Spiel zu ſetzen (VI, 9.). Ex fd
die Gefahren, welche man im Rüden laſſe, die Gröſ
Feindes, welchen mane zu den alten Gegnerit muthwilli—
zufüge. Er fagt den: Audgang und die Wirkungen des
pfes voraus. — Alklbiades hingegen hebt es hervor, v
Väter durch daſſelbe Berfahren fo groß geworden, wie f
mentlich durch hochherzige Unterſtützung ſelbſt der fernſten
desgenoſſen zu ihrer Herrſchaft gelangt ſeien (VI, 17.).
zeigt, daß esiän keines Volkes Gewalt ſtehe, feiner A
nung ein JZiel zu ſetzenz daß jeder Stillſtand Hier zurüch
Hatte Nikias verſucht, im Gegenſatz einer ſtürmiſchen J
ſich auf die altperikleiſche Partei zu ſtützen, ſo verſichert
biades mit Recht, eine ſolche Trennung ſei eben der ger
Verfall (VI, 18.). — Man erkennt hieraus Die Anſid
Thukydides. Weil in beiden Reden die Gründe wahr,
derleglich, durchaus erſchöpfend ſind, ſo widerſprechen ſi
ander nicht. Jede won ihnen iſt der Ausdruck eines
$. 4. Recht des Starkern. | 263
toriker freilich Keiner won beiden Barteien ausſchließlich Recht
em. Welche von ihnen aber diejenige wäre, deren Grunds
e nach feiner Anficht mit der Blüthenzeit feines Vaterlandes
mmenbingen, das bat er ſchon dadurch gezeigt, Daß er
Dlatäerrede voranſtellt. Ex hat es ferner gezeigt durch
tiefe fittfiche Empfindung, die hier mit Centnergewicht auf
m Worte ruhe. Der Lefer findet fih an die äußerste
inze defjen gerückt, was fein Herz mur zu tragen vermag ).
e e8 aber in Zeiten alfo tief dringender. Parteiung immer
t, fo erkennen e8 auch die Platäer ſelbſt, daß Alles, was
borbringen konnen, ihren Gegnern ſchon bekannt iR, fie
verlich rühren wird (53.). — Auch anderswo nennt det Ä
torifer das alte, heilige Recht, womit die Väter ihre
träge beſiegelt, „das göttliche Geſetz“ (III, 82.), oder
e gemeinfamen Vorfchriften, auf denen Aller Heil beruhet“
I, 84.). Zugleich aber ift er unparteiifch genug, die beir
a Gegenfüge, die ſich aus dem Untergauge dieſes alten
htes entwickelten, „ ganz. auf diefelbe Weiſe zu beurtheien
I, 82 ff.).
Ein ähnlicher Gegenſatz erſcheint in den Reden der Ker⸗
räer und Korinthier (I, 32 ff.). Hier wird das äl-
: Völkerrecht mit dem jüngern in Kampf gebracht. Die
einthier fuchen- Die Moralität ihrer Gegner zu verbächtigen
). Sie ſprechen von Kolonialpietät (38.) 2), von einem
venpunfie bei Hülfsgeſuchen (39.). Sie halten ſich an die
1) Von dieſer Rede ſagt der feinfühlende Melanchthon, es gebe
e ſchönere im ganzen Alterthume. gl. Dionys. De Fhucydide
(Krüg. * ur
3) Mit ber Pietãt einer Tochterſtadt gegen die Metropolis wird es
als wohl nirgends mehr weit her gewefen fein. Daß nad) VIIE,
. die abfallenden Lesbier gerade einen böotifchen Anführer haben wolls
„ ift wohl nur ein affectirtes Eingehen auf die contrergvolutionären
htungen jener Zeit. Ä
S
258 Thulydides. Kap. 8.
Den letzten und eigentlichen Richter Über Gutes ı u!
fe8 Hat ein Jeder Im fich felbit, in feinem eigenen ©
fen, „wo feine Gedanken fich unter einander anflag
entfchuldigen.“ Glücklicherweiſe findet Hierin auch |
meiften und allgemeinften Fragen eine Uebereinftimmun
Menfchen Statt. Hurerei und Ehebruch, Vatermo
Meiueid, jeder rückſichtsloſe Egoismus wird zu allen
und überall verdammt werden, Der fittliche Abfcheu |
kann fich mehren oder mindern: ein wirklich verfchiede
theil jedoch Hat ſich hierüber Gottlob noch nie gebildet.
es giebt nech andere Fragen, wo nicht bloß der böſt
gegen das im Stillen Doch anerkannte Gute Tämpft,
Gewiſſen gegen Gewiſſen. Glüdfelig die Zeiten, wo f
Daifelbe recht, Daſſelbe unrecht heißt! Wo aber die
tracht der Gewiſſen verſchwunden ift, wer fol da entfd
‚Seit der Erſcheinung unferd Herrn auf Erden haben
Seinem Leben einen objectiven Maßſtab des Guten u
fen für Seine Kirche erlangt. Aber diefer Maßſtab reic
überall Hin, wie fehr auch parteilfche Verblendunge
haupten möchte. Man verfuche es einmal, aus ven
und Lehren unfers Heren die Streitfrage der Guelf—
Ghibellinen, der Confervativen und Liberalen zu entf
Mit: gleidem Rechte haben e8 die Päpſte und die —
kaner Ludwig's von Baiern, Herrn von Bonald's Aı
und Lamenais gethan. Wer auch begriffen hat, daß
hen Dingen Die menfchlihe Abficht wenig, die göttli
tung Alles thut, der wird ſich wohl in Acht nehmer
moralifhen Maßſtab an Dinge zu legen, vie ihm völ
parat find. Wer feinem Gewiſſen folgt, der handel
wer ihm nicht folgt, unrecht.
—— — — — —
Kai 0° avansios, To niv eiaygör anow xal0v Hyd, '
d’aioxeov. Ib. 891: Ovdi rag sivas ravv gms dia,
$. 4. Hecht des Stärken. LEE
3 ihn angreift). — Der Unthätige freilich tadelt dieß
streben. Wer Nichts gewonnen hat, beneidet den Glückli⸗
en. Aber der Unternehmende ahmt ihn nah. Wer bie
rrichaft erringt, der kann dem Haffe zwar niemald entges
t5 aber weil er um des Höchiten willen Haß erduldet, je
ter dag Rechte erforen (IL, 64.).
Die Eroberungen der Athener find zugleich
vermeidlich geweſen. Um ſich ſelbſt vor der lakedä⸗
miſchen Oberherrſchaft ſicher zu ſtellen, die fa gleichfalls nur
f dem Rechte des Stärkern begründet war, hatten die Aihes
: den Grundſtein ihrer Bundesmacht gelegt (VI, 82. I,
.). Iſt aber die Herrſchaft einmal angetreten, fo wird fie
: Ziwangägewalt, umd es ift gefährlich, ihr wieder zu eut⸗
jen (II, 63.). Die neuerwachende Feindſchaft von Lakedä⸗—
m binderte die Athener, Ihre Bundesgenoſſen frei zu laſſen.
e würden fi nur den Lakedämoniern alsdann ——
ben: Jeder Abfall eines Bundesſtaates zwang Athen, das
md feiner Herrfchaft fefter zu ziehen (I; 75.). Sogar Exs
iterung der Serrfchaft wurde unvermeidlich (V, If
er einmal übermächtig ift, deſſen Angriff warten Anderr
ht-ab, fondern- fuchen: ihm zuvorzukommen. Und Niemand
m im Voraus bejtimmen, wie weit er feine Macht ausdeh⸗
ı wolle. Wenn wir auf dieſem Punkte ftehen, fo find
r gezwungen, die Einen zu befriegen, die. Andern nicht. frei-
jeben. Denn fo wir nicht Andere beherrfchen, fo laufen
e Gefahr, von ihnen beherrfcht zu werden (VI, 18.). —
ich zeigt es die Entmicklungsgefchichte der athenifchen Hege⸗
nie im erſten Buche deutlich genug, wie unvermerkt ſich
1) Dieß ift offenbar von Thukydides ſelbſt. Was hätte den ‚Ders
krates wohl bewegen Können, die Invafion des gemeinfamen Feindes
fehr in Schuß zu nehmen? In ber Wirklichkeit hat’ er ihn vermuth-
‚ fo ſchwarz gemadht, wie irgend anging.
260 Tpufypives. Kap. 8.
Glauben gehandelt, ihr Recht laſſen. Aber ex foll m
ſchen, welcherlei Rechtsanfichten ein Volt groß gemacht
feiner Beten Zeit beherrfcht haben, Was von Diefen al
abweicht, das fol er als Unreife oder als Verfall, doch
Ha betrachten. Dabei wird fi in der Regel finden,
die Rechtögefühle des ſinkenden Volkes für. den unparte
Dritten auch minder fchön, minder großartig in ihrer (
quenz erfcheinen, ‚minder ehrenmerth in ihren Mitteln.
kann die Eontrole Bilden, ob der Hiftoriker jene Blütt
richtig erkannt Bat.
Fragen wir nun den Thukydides! Zunächſt müſ a
die Wechfelreden der Platäer und Thebaner unfere
trachtung als Grundlage dienen. Wir empfangen hin
anfchanlichite Bild von dem zerriffenen Rechtözuftande in
maligen Hellad: wo der Krieg nicht bloß die auswä
Verhältniſſe gewaltſam zertreunt, ſondern auch im Jnner
Staaten die oligarchiſche und demokratiſche Partei losg
hatte. Um die Spaltung der Gewiſſen noch zu erw
war nun auch Das neue Philofophifche Recht gegen dai
religiöfe in Kampf gerathen. Von dem Charakter des h
fchen Volkes ließ fich erwarten, daß, wie alle Gedanken
Empfindungen, fo auch diefer Ziwiefpalt hier in feiner
ften, rückſichtsloſeſten Schärfe würde ausgefprochen merde
Dazu wählt nun Thukydides mit großer Kunft eben d
greifende Gelegenheit, wo die Platäer den Thebanern—
über treten: alfo dasjenige Volk, welches fih im Meder
mit am herrlichiten bewährt, demjenigen, welches das ge
ſame Vaterland an die Barbaren verkauft hatte). In
— —
| Menſchen, der bie Menfchheit wieberfpiegelt (Vorſchule zur Ael
Th. 1, ©. 39.).
1) Auch Iſokrates in feiner Platäerrede hebt denſelben Ge
$. 4. echt des Staͤrkern. 207
mer Geichichte anzuwenden. Seine Redner brauchen ihn nur
m Vormande, nur, wo es ber. BVortheil ihrer Sache und
Leichtgläubigkeit ihres Publicums räthlich macht (I, 76.).
ijenigen Redner, welche ex felbft am höchſten achtet, ein
rikles, ein Diodotos, brauchen ihn gar nicht. Das Opes
m mit ſtaatsrechtlichen Begriffen fcheint Thukydides nur. eis
: niedern Stufe der politifchen Ausbildung zuzuſchreiben. Eis
n Kleon 3. 3. (III, 44.), auch der lakedämoniſchen Bar.
‚ welche an politifher Bildung zu Anfange des Krieges of⸗
bar noch zurückſtand. — Nichts würde jedoch frriger ſein,
| wenn man deßhalb unfern Hiſtoriker de3_fogenannten Mas
avellismus befchuldigen wollte 1). Ich ftelle dreiſt die Bes
uptung auf, daß mit feltenen Ausnahmen alle großen _
aatsmänner tiefbewwegter Zeiten ſich aus flaatsrechtlichen Bes
en wenig gemacht haben. Wer die eine Partei vegieren,
erben bekämpfen will, der muß beiden nachempfinden kön⸗
Und e8 kann ihm. da nicht verborgen bleiben, daß al
Reit zulegt auf das Gewiſſen der Einzelnen yecurritt, daß
Gewiſſen aber nicht immer vereinbar ſind. Der Philoſoph
ilich wird die Forderungen ſeines Gewiſſens, wenn. er ſie
3 Syſtem gebracht, für Die einzig wahren halten: der Phi⸗
oph kann vielleicht nicht anders, der große Staatsmann nies
18. Gemeine Parteimänner werben ihn deßhalb leicht für
viffenlo 8 Halten 2) : aber iſt eine Handlungdweife, die aus
1) Ich gebrauche dieſes Wort, weil es technifch geworben iſt; nicht
ve die Manen bes großen Florentiners um Entfhuldigung zu bitten.
nn es ift aufgefommen durch Leute, die den Machiavelli nicht geleſen,
r doch nicht verſtanden haben.
2) Und in dieſer Hinſicht pflegen oft die edelſten und geiftuollften
inner, wenn fie nicht Hiftorifer oder Politiker find, die befangenften
rteimenjhen zu fein. Man wird ſolche Männer durch Einführung in
; geihichtliche Detail gar leicht dahin bringen, baß fie jeden großen
aatsmann für einen Böfewicht erflären. Ein fo eretremes Nefulfat
rde ſchon an ſich die Irrigkeit dev Grundlage vermuthen laſſen.
22 Chutholdes. Rup. 8. - |
gemeinfame Hellas nicht mehr eriitixte (64). — Wenn
den Thebanern Gründe entgegenftellt aus den frühern Ya
niſſen ihres Staates, fo kennen fie ſchon ebenfo gut, wi
fere heutigen Parteimänner, die beliebte Ausflucht, nich
Staat fei es damald geweſen, fondern nur diefe oder
’ — Privatperfonen, melche die Gewalt ufurpivt hätten (62.).
berhaupt aber, mern die Platäer die Gerechtigkeit ihrer €
aus alten Zeiten zu beweiſen gedenken, fo, rückt man I
vor, daß fie in noch Altern Zeiten mit Unrecht ihre Yrı
erlangt. hätten (61.) 1). Die ift denn freilich Die fchn
Seite aller Staatsrechtsbeweiſe! — Bad endlich den Te
angeblich ungerechten Angriff der Thebaner Betrifft (56.),
- behaupten diefe, von den Angefehenften der Stadt in ru
cher Abfiht und zum wahren Helle derſelben eingelaba
-- fein (65.). Nicht ohne Grund 2) wird den Platäern vı
worfen, daß fie mit werrätherifcher Hinterlift in dieſem Pe
kampfe verfahren feien (66.). Die Vertheidiger eines ä
Rechtes verlieren in der Regel mit ihrer Macht auch an |
after; und überhaupt pflegt in der Geſchichte das Sinke
nes Volkes, oder Standes, oder Gefchlechted niemals
eigene Schuld zu erfolgen ). — Auf diefe Art Eonnte
1) Bol. IV,98. Auch dagegen erinnert wieder Iſokrates,
es nad) dem alten Rechte ginge, fo hätten die Thebaner ewig ber
chomentern unterworfen bleiben müffen (Orat. Plat.). Einen fehr
lichen Streit zwifchen Elis und Laledämon erzählt Zenophon:
III, 2, 31.
2) Bol. II, 5.
4). Ganz biefelben Anfichten und über benfelben Kal find i
Kürze ſchon II, 71 ff. erörtert worden. Namentlich fieht man bier
Thukydides den Angriff der Lakedämonier überhaupt keinesweges fü
secht hält, fondern für Sache der Nothwendigkeit.
$.. 4. Recht des Stätkern, 269
ht man, es war dem Thukydides darım zu thun, daß feine
deen über ähnliche Gefchicgten recht Mar und ausführlich bes
mdelt würden. Daher der Umfang des Geſprächs, daher
e eigenthümliche, in höchſter Anſchaulichkeit fortſchreitende
orm deſſelben. Der harte und ſchneidende Ton, worin die
thener hier auftreten; ihr gefliſſentliches Schweigen über das
erdienſt der Perſerkriege (V, 89.), womit ſie doch ſonſt im⸗
er bei der Hand waren 1); endlich Die Verachtung der Dräs
l, welche doch fonft in allen diplomatifchen Urkunden jener
eit den erſten Pla einnehmen: alles diefes muß und außer
mweifel feßen 2), daß die vorliegende Geftalt diefer Verhand⸗
ngen eine fingixte iſt. Deſto abfichtlicher charakterifirt es Die
eſinnung derfelben., Hier wird nicht mehr behauptet, Daß
> Athener, weil fie die Beiten find, die Herrichaft in Ans
rich nehmen. Sie waren nicht mehr die Beiten. — Preis
h, die Grundſätze, die hier geäußert werden, find noch Dice
ben, wie in Perikles Zeit. Aber die entfegliche Grauſam⸗
t, womit das eroberte Melos behandelt wurde, hätte Perl-
3 nimmermehr gebilligt. Zugleich eine ſehr ungolitiiche
raufamkeit, da fie den Demos der Dicker, welcher den -
thenern dach wohlgewollt (V, 85.) und beigeftanden hatte
16.), mitbetraf 3). Perikles Hatte fogar abtrünnige Bun⸗
sgenoſſen durch) Milde wieder zum Gchorfam gebracht (I,
1) Bl I, 73 ff. II, 71. DIT, 54 ff.
3) Wer dagegen vielleicht erinnern wollte, daß in ber urkundlichen
erhandlung IV, 99. ähnliche Grundſätze von Eroberungsrecht u. |. m.
predigt würden, der bedenke body, daß es im legtern Falle ja nur auf
ejcyönigung des in Frage ftehenden Tempelfrevels ankam. in Arios
t, ein Brennus, oder römifche Generale, durch lange Kriege abge⸗
:mpft (Liv. XL,47), mochten fich geradezu auf das Recht des Stär⸗
en berufen: athenifche Diplomaten in Thukydides Zeit gewiß nicht. .
ozu hätte man da bei den Sophiften Rhetorik ftubiert ? —
3) Sa. III, 000 |
\
264 oThukhdides. Kap. 8.
Auslegung der Vertragsſsurkunden (40.); fie erinnern an
Freundſchaftsdienſte der Vergangenheit (41.), Dagegen k
den die Kerkyräer fih an die Gegenwart. Dur Pa
rechtfertigen fie ihr früheres Verfahren, duch Politik bewe
fie die Zuverläffigkeit ihrer jeßigen Gefinnung (32.). '
Moralitätsgründe der Korinthier halten fie für nichtigen L
wand (33 fg.). Der Grundgedanke ihrer Rede ift die Um
meidlichkeit für Athen,- die Sicherung der eigenen Freiheit,
Vortheil des Vaterlandes. |
Faſt alle Rechtsfragen, die in Thukydides Gefchichte
Sprache kommen, drehen fih um die Herrſchaft Athı
über feine Bundesgenofjen. Hat nun Thukyd
dieſe Herrſchaft für rechtmäßig angefehen?
"Den Eroberungstrieh Hält er für natürl
Denn die Athener find nicht die erjten Eroberer geweſen,
dern won jeher hat der Schwache dem Mächtigen dienen ı
fen (I, 76.). Dieß können weder die Menſchen tadeln, !
die Götter, Denn von den Göttern glaubten, von den I
fehen aber wüßten fie, daß Jeder in Folge natürlicher N
wendigkeit Alles beherrſche, dem er überlegen fe. Dieß
feß hätten fie weder gegeben, noch zuerſt befolgt; ſonder
babe immer Beitanden und werde immer fortbeftehen, wei
derfelben Lage Jeder daffelbe thun werde (V, 105.). —
ganz ähnliche Weiſe fpricht ſich Hermokrates aus in feiner!
an die verfammelten Sieelioten (IV, 61.). Den Atbe
fei es leicht zu vergeben; wenn fie immer weiter um fich
fen. Er tadle Keinen, der zu berrfchen ftrebe, wohl
‚ Den, welcher zum Dienen noch bereitwilliger fi). 2
es ift dem Mienfchen natürlich, Alles zu beherrichen,
ihm nachgiebt; aber ebenfo natürlich, Alles zu bekim
1) gl. I, 69.
$. 4. Tragtlker. 97
D, einig ein Räthſel bleiben !). — Auch geht Thukydides
ht fo weit. Er leitet nicht, wie Die Sophiften thaten, aus.
u Degriffe der Stärke den völlig disparaten Begriff des
chtes ab; fondern er meint nur dieß: Wo zwei Parteien
ander befümpfen, aus Ueberzeugung oder Nothivendigkeit
ämpfen, da haben fie beide Recht; mit andern Worten, da
in von Recht und Unrecht gar nicht Die Rebe fein.
Sn die frühern Jahre des Sophokles füllt der Ueber⸗
1g des athenifchen Staates zur reinen Demokratie. Jeder
aat pflegt auf dieſer Stufe durch Zerſtörung aller ftändi-
en und corporativen Selbitändigfeit, wo Dem Staate ges.
rüber nur eine zuſammenhangsloſe Maſſe von Jndividuen
ig Bleibt, nach Außen und Innen feine höchſte Stärke zu
angen. Sn der Gleichheit Aller vor dem Geſetze liegt die
befchräntte Almacht des Geſetzes felbft begründet, Ein fol
e BZujtand Tann philofophifchen Geiſtern wegen feiner ſy⸗
nähnlichen Einheit wohlgefallen: poetiſche Gemüther wird
in der Regel abjtogen. Dieſen Widerwillen bat Sophokles
feiner Antigone auögefprochen 2). Kreon vertritt hier das
incip der Staatdallmacht, Antigone den Widerſtand des
milienbunded, Beide Gegenfäße find erfchöpfend durchge⸗
— — — — — — —
) Um fo mehr, als der Dichter feinen Zeus, deſſen Abgeordneten
:mes, deſſen VBerhältnig zur Io u. A. m. ganz mit Zügen hinzeich⸗
‚ bie er aus der Tiyrannenzeit feines Vaterlandes entlehnt haben
hte.
2) Mit welchem Reſpecte Sopholles den frommen und eonſervatin⸗
nnten Nikias behandelte, iſt aus Plutard) befannt; Nicias 15.
nn der Eoloneifche Dedipus, wie ich mit Suüvern annehme, in bie
ten unmittelbar nach dem nikiſchen Frieden fält, fo Tann man im
efeus beflelben eine vindeutung auf den Nikias erblicken.
966 Cbhukhdides. Kap. 8.
bier Alles, fait wie von felbit, machte. Einem erobern
Staate —* ſein Plan in der Regel erſt klar, wenn die R
kehr unmoͤglich iſt i).
Und in der That, die Athener waren der Se
fhaft am würdigftien. Sie hatten bei Marathon al
gefiegt, bei Salamid die meilten Schiffe geliefert, den klüg
Feldherrn geftellt und den aufopferndften Dienfteifer bewie
Attika und- Athen hatten fie dahingegeben, um Hellas zu ı
ten, Was konnte Lakedämon biergegen in die Wagfchale
gen (I, 73 ff. VI, 83.)2 Daß die Athener in Berikled :
ihre Väter noch übertrafen, beweift die Leichenrede. $
Bundesgenoſſen aber, die mit dem Barbarenkönige gegen
Mutterland gefämpft, hatten e8 verdient, nur ben einen He
mit dem andern zu vertaufchen (VI, 77. 82.). — Ein Vi
das in Knechtſchaft geräth, it der Kuechtichaft noch Im
merth geweſen 2). Auch in der Kolgezeit haben die Bundes
offen von Athen ihre Freiheit niemals vecht behaupten fi
nen. — Darum batten die Bundesgenofjen freiwillig At
die Herrſchaft gegeben, freiwilig hatte Lakedämon ſie zugela
Gl, 75.) 2).
Man fieht, an) ſcheuet ſich , den i Nechtsbezüif
—
— — —— — — —
1) Bon ber römifchen Weltherrſchaft wird jeder denkende Leſer
Polybios daſſelbe glauben. Iſt es neuerdings anders mit den Eng
dern in Südaften, den Ruflen in Nordaſien?
2) Mer gewinnt, fagt Joh. Müller, bat fich ſelbſt zu fürd
und wer verliert, Niemand anzuklagen, als fid) felbft.
3) Die fünf Reden, aus denen ich biefe Grundfäge genommen
be, ftimmen in biefer Hinficht vollfommen überein. Die eine davon
60 ff.) gehört dem Perikles felber an; eine andere (I, 73 ff.) den
fandten, welche Perikles Politik vor den Lakedämoniern vertheibi
Mir irren daher gewiß nicht, wenn wir die hier geäußerten Grund
faft unmittelbar als die leitenden Grundfäge des Hiſtorikers felbft
ſehen.
x geitig als Sisgerinn hervor: cheht —— auch ne
keinesweges parteilich eingenommen if} Ya: Ä
Dagegen halte man Den: Euripibesl,. "Seins Sie
umeln. befanntlich, von Gegenreden, oftmals, geradezu an
: Markt erinnernd, worin Steiner von heiden Recht Dos
unt ). Dem. Dichter iſt es auch um Entſcheidung gar
ſt zu thun: die geiſtige Gewandtheit, Dia jene Redner bes
unden, iſt ihm Selbſtzweck. Eine Aefete Aufſaſſung, ‚Die
wirklich unlsbaren Problemen, zu wirklich gleichberech⸗
en Gegenſätzen geführt hätte, finde ich ſolten. Das ers
ert denn ganz an die Sophiften. .:: Und, wir können übers
pt wohl ſagen, : wie ſich Sophokles echt - poctifche Ber
Kung. der Gegmfähe zu der rhetoriſchendes Enripideq
kt; fo die echt politiſche des Ahrudides. wi der ſtaats⸗
tigen. der rien Koh Bee De er
lan EI an! or one .
3 ne Pr R ln
u wlan Bose
y Bol. Bier ii in ben Arendlungen der. Berliner Xtabemie 209
:, wo er fih im ‚Einzeinen ‚befonders auf V. 795, 828° ff., 10
898 ff: zu ſtützen weiß." Die Einheit des’ Stuckes beruhet in bet
ken einer jeden —— Leidenſchaft · . Ich —
Sue des —— nu as fü brte. Man «spa Hr ein, ii
die hertſchende Puttei alsbann nicht: um bet’ Anrigonewillen jun
ren gegen Samos, würde, gemähtt ‚habe: nu: ſamijchen *
e gudi, noch Thukvdjdes ei Fommanpg (Ehucy.d IAgue
‚h. Anon.), und erft bie damaligen glänzenden Erfötge ICH
z müffen ihn geftürgt haben. Man weiß aud aus Jon's Memoiren,
Jerikies über die Feldherrntalente des Sophokles nicht allzu günflig
e (Athen. XIII, p. 604.).
ER el di.
2) gl. Phoen. 509 ff. Ion. 454 fi." Herk. Yürens'i318 ff. mit
ydides melifchen Unterhandlungen. A I hiſtet 4
3) Als ſich Euttpides im höhern Abter ont: Dtrome? desreac⸗
ven Geiſtes ergreifen ließ kamen frei: ganz anderengdechtsibron
ine Schriften: vgl. .Bacch: :890 ff... 5 a we mi Wlan on
' 18
268 Thukhydides. Kap. 8.
Großmuth, aus Vaterlandsliche, aus Menfchlichkeit entfpringty;
deßhalb minder ehrenwerth, als wenn fie von dem Reſperi
vor geſchriebenen oder ufualen Geſetzen berrührte ?
gar im Völkerverkehr, wo es gar Feine Pofltionormen giebt!"
Allwiſſend ift nur Einer. Doch auch der Hiſtoriker ka
aus mancherlei Symptomen der Handlung auf das Gewi
de3 Handelnden einen Schluß machen. Hier leitet —* u
ficherften der -angeborne Einn der Menfchlicgkeit, jenes ul
ſchätzbare Erbtheil einer ſchuldloſen Jugend, wenn es im nf
fern Alter nicht etwa vergeudet worden. Denn es wird
vergeudet! — „Und zu loben find Die“, ſpricht WE
Hiſtoriker, „welche der natürlichen Neigung der Menſche
Aber Andere zu herrſchen, ſich Hingeben, aber dabei g
verfahren, als ihre Macht es ihnen geftatten würde” (I, 76%
Wie ruhig und bei aller Feſtigkeit milde iſt Die Gefanbtenre
zu Lakedämon! wie billig und einleuchtend die Bedingungil
des Perikles (I, 144.)! auch wohl ernftlich gemeint, mad
gleich Athener, wie Lakedämonier die Unmöglichkeit ihrer AR
nahme vorausfahen. Gerade die Angreifer im peloponnefifd
Kriege, die Kerkyrier und Athener, . bieten ein Austrägalved
fahren an (I, 28. 145.). So unter Perikles. — MM
anderer Geift wehet aus den melifchen Verhandlungen
(V, 84 —114.), deren Vorſchlag ein Werk des Alkibiadch
war 1). Diefer ganze Abfchnitt 2) fpielt im Thukydides eine
große Rolle, fowohl dem Umfange nach, als den Gewicht
der Gedanken: eine größere Rolle, ald die Geringfügigkeit de
Ereigniſſes ſelbſt zu geftatten feheint. Dieß mar aber die Ichte
gelungene Erweiterung der athenifchen Herrſchaft. Jedenfallt
⁊
| Dr
.— —
1) Bol. die dem AnboFides zugefchriebene Rede gegen Alkibiads
p. 152. (Bekker), die jedenfalls fchon von Demofthenes ale Tautere Se
ſchichtsquelle fcheint benugt worden zu fein.
2) Bgl. III, 91.
$. 4: Sokrates. 273
e weder zu berrfchen, noch beherrfcht zu werben: Da ver
et ihm Sokrates, zwiſchen Herrſchaft und Dienftbarfeit
inter Mienfchen Fein Drittes möglich. Wer nicht Andere
rrſche, werde felbft gefnechtet 1). Auch die erinnert an
kydides!
1) Mem. II, 1, hin AL ref
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Heuntes Anpitel..
Thukydides und die gleichzeitigen Siftoriker
Igq Habe ſchon fm Vorigen bei jebem wichtigen Chat
zuge des Thukydides darzuftellen gefucht, mie er allmi
von den Frühern vorbereitet, von den Spätern berlaffen ı
den. Der Lefer wir jedoch münfchen, auch im Ganzen
den gleichzeitigen Beftrebungen im Felde der Geſchichte
überfichtliches Bild zu gewimmen. — Die griechifchen Sf
fer nun, welche die zweite Hälfte des fünften Jahrhund
ausfüllen, laſſen fih in drei verfchiedene Gruppen ſtel
legte Fortſetzer der alten Logographie, eigentlich woifjenfd
liche Hiftoriker, endlich Memoirenſchreiber.
8. 1:
Lepte Logographen ).
Alle Tendenzen der frühern Logographie fehen
nch einmal zufammengefaft durch Hellanikos
—
) Was die Logographen im Allgemeinen charafterifirt, mu
als bekannt vorausfegen. Sch will hier nur die perf önlidhe &
teriftil der legten von ihnen mittheilen.
2) 496 v. Chr. — wenigftens 411.
$. 4. Hellanikvo. 277
zahlloſen Titel feiner Schriften laſſen ſich ohne Zwang
ein einziges großes Werk zurückführen. Zu An—
mochte die eigentliche Götterſage ſtehen; hierauf
Heſchichte der einzelnen Länder folgen, von der Mythen⸗
in bis auf die Gegenwart. herab, uud die perfünlichen
n des Hellanikos. Alle herkömmlichen Beſtandtheile der
graphie, die Reiſebeſchreibungen, die Länder⸗ und Völ⸗
mälde, die Bründungsgeſchichten, die Genealogien und
nereife, lagen hier neben einander. Ein chronologiſches
d, aus den Heraprieſterinnen von Argos und den karnei⸗
Siegern geflochten, hielt das Ganze zuſammen). —
wie, freilich? Die Zerſtörung von Troja ſoll im acht⸗
en Regierungsjahre des Agamemnon, im erſten Jahre
Demophon erfolgt ſein; ſogar den Monat wußte der ges
Mann anzugeben 2). In der Geſchichte des Areopags
en die Prozeſſe des Yreg und Poſeidon, des Kephalos,
Dädalos und Qreſtes in. chronologiſcher Folge nach Men⸗
Hera aufgeführt 3), Wie es hronofagifirenden Sagenſchrei⸗
gar häufig ergeht, ſo war auch Hellanikos gezwungen,
. mehrere. Sardanapale anzunehmen )Y. — Seine Miy⸗
) Die Ass rodurvxic mochte zur Götterſage gehören. Die Nas
Alla, zepi Agnadias, "Aconıs und .Bowriasa, Arts und
uxa, clevaalımmeia und Gerradırd, regi Xior aticens, Kurzyiara,
xx, Towıra erklären fich fo von felber. - Die Xbfchnitte über Aes
ı, den Ammonszug, Lydien, Perfien, Skythien, Phönikien ftans
rmuthlich zufammen, und gaben fo zu den Namen Pappapıra vo-
zeoi Edvav, E9vow Ovonacias Anlaß, “Icrogtos, xtioes Tonnte das -
Wert genannt werden. Die Ramen Karneoniten und Heraprieſte⸗
ı find aus den dhronologifchen Angaben entftanden. Nur den Zitel
zıs weiß ich nicht recht zu rubriciren.
) Euseb. Pr. Ev. X, 12.
) Schol. Eurip. Orest. 1648.
) Schol. Arist, Ayes 1022.
272 : Thukydides. Kap. 8.
“ führte jeder Vertreter für die Gründe des andern vollkom
abgefchloffen. — Legitimität nad) den Staatögefegen hält K
für Das Höchſte; nur mit Öleichgefinnten mag er zu t
haben. Weil er fich eine entgegenftehende Ueberzeugu
gar nicht denken Tann, fo werachtet er Soden, dem nicht $
terland und Recht auf feine Weife Das Theuerfte find. ,
denft nur an ſolche Gegner, die durch Tod zu ſchrecken, di
Gewinn zu Inden find (206 fſ.). Als er die Uebertreh
feined Verbotes hört, fallt ihm nur der Gedanke am politi
Parteien ein (275 fſ.). So gänzlich fremd find ihm die (
fühle, welche Untigone befeelen! Wie befangen er ift, fi
man daraus, dag er much Jsmene ſogleich für mitſchul
hält (459.). Antigone dagegen erkennt in dem echte |
Kreon unzweifelhaftes Unrecht. Sie fürchtet den Tod nl
wohl aber die Strafe nach dem Tode (420 ff.). Sie iſt m
kommen überzeugt, Daß Jedermann ihre Anficht theilen mi
mr aud Feigheit fie nicht zu Außern wage (474 fi.). 2
ſchön iſt ed, daß die laue Ismene tolerant fein kann, die
geiſterte Antigone nicht (98.)! Auch Die Härte der Antig
gegen ihre Schweiter, ihre Sleichgültigkeit ‘gegen das Leb
ihr leidenſchaftlicher Tod, find vortrefflih im Charakter:
verliert dadurch den Anfchein einer theatraliſchen Tugendl
dinn. — Ihre prineipmäßige Rechtfertigung erzürnt den Krı
weit tiefer, als die That felbft (452 fg.), Am fchärfiten a
fprechen fich Die Heiden Gegenfäte ziwifchen Kreon und fein
Sohne Hämon aus (595 ff). Kreon fordert Gehorfam, O
nung, Selbitverkeugnung um des Ganzen willen; Hämon !
gegen wirft ihm Die unbewußte Selbitvergätterung des ftreng
Nechtöfinnes vor, Die ihn des Menfchlichen entkleiden müf
er zeigt die Thorheit, wenn ein Menfch wolle den Unbeug
men fpielen. Auch der Chor feheint anzubeuten, die Art, ı
Kreon Staat und Recht nehme, pafje nur für Zeus (568 N
— Aus diefem Kampfe geht Antigone Außerlich überwund
$. 1. Gellanikos. Pherckydes. M
ang zu ſetzen (II; 161 fſ.)!! Dem Hellauikos ſcheint die
am wichtigſten, wie der Empðörer Amaſis Durch das. Ge⸗
WE eines fchönen Kranzes in die Nähe des Koͤnigs gekom⸗
2). Auch die ſchönen Kopaisaale durften in feiner böoti⸗
Geſchichte nicht vergeffen werben 2). Ein ſolches Wert
te freilich Durch Die äußerlihe Anfügung Hhilofophifcher
inctionen nicht ſehr gebefert werden 3).
Ungefähr um. diefelbe Zeit, wo Herodoi den Verſuch
te, die Geſchichte non der Mythe loszureißen, wollte
erekydes von Leros umgekehrt die Mythe allein behan⸗
9. Ein beträchtlicher Fortſchritt ohne Zweifel! In dieſem ee
Gebiete nun will er erſchöpfend ſein. Daß er detaillirter gewe⸗
als die meiſten Andern, geht aus Plutarch und Athenäos herz
). Daher aber auch die Kürze und Knappheit ſeiner Erzählung,
entfernt von der Behaglichkeit eines Herodotos. Man ſieht,
Maſſe des Stoffes drängt ihn 9). — Nur ein einziges
tent feines Buches fcheint breiter entiyicelt zu fein. Phe⸗
es wimmelte nämlich, in noch höherm Grade beinabe,
Herodot, von novelliftifchen und ſchwankartigen Epifodien.
die liebliche Novelle von Kephalos und Profis (fr. 25.),
Melampus und feinen Gefchlechte (p. 118 fg.. 124.) ; der
vank von Siſyphos (41.), von. Kalchas ‚und Mopſos
— — ——
) Athen. p. 680 B.
) Schol. Arist. Lysistr. 36.
) Nach Arrian. Dissertt. Epictt. II, 19. Gellius N. A. I,
itte Hellanilos alle Dinge in brei Kategorien getheilt, in gute, wo⸗
e Tugenden, in böfe, wozu bie Lafter gehörten, endlich in gleichz
je, wie 3. B. Gefunbheit, Reichthum, Vergnügen u. f. w.
) Etwa 485 v. Chr. = 400. |
) Pherecydes ed. Sturz, p. 199 unb fr. 61.
) Bol. Perfeus Medufenfahrt fr. 10, und Schol. Eurip. Al-
274 Thukydldes. Rap. 8,
Sch erinnere noch am einige Intereffante Gefpräche,
denen und Kenopheit herichtet. Zuerft nämlich zwiſchen
titles und ſeinein Mundel Alkibiades über die Bedeu
des Wortes. Gef), ı Der große Staatsmann, in de
hen theoretifchen Fragen wenig bewandert, muß fich hier
feinem milchbãärtigen Neffen ziemlich hofmeiftern laſſen.
kommen aber dahin überein, Geſetz fei eine Verordnung
Staatsgewalt, die von . den Beherrfchten nicht aus Zwe
fondern aus frelen Stärken, durch Ueberredung, angenom
werde, -- SHE: biefer Bevingung feien. ſelbſt Tyrannei md |
gärchie rechtmäßig, ‚iphne dieſelbe Sogar Die Demokratie
rechtmäßig. — Das andere Geſpräch iſt zwiſchen Sokra
und dem Soßhiſten Höppias2). Hippias will ein objı
unzweifelhaftes Rechtsſyſtem erfunden Haben Da merben
meint Sokrates, fortan weder die Richter. getheilter. An
fein, noch Parteiungen und Kriege mehr ftattfinden (
Diefe Dinge alfo Hält Sokrates für ein Zeichen, daß
Menſchen nicht daſſelbe für gerecht anſehen. Uebrigens,
Üheilt er, könne man im Einzelnen alle Boch wohl entf
den, ob Einer. gut oder Böfe gehandelt habe (10 ſg.). €
10.u7 Deieıv adızeim ixavov: dınmsonvang Enidsyun (L
Alſo auch fur ha iſt das Gewiſſen der Einzelnen die ei
gilltige Norm 3). —Als Artitiypos einft Die Vortreff
feit der fofratiſchen Grundſahe fi für praktiſche Männer a
kennt, von ſichnfelbſt aber erklärt, er achte Die Aufopfer
id —7 ves See füt gitele abe, er
vr — hi l, . ' ⸗ 27 ⸗ R 3 .
MIT 77. nn Ed
u h ear B
2) Ibid. IV, 7, 4 sqq. er. nvallbonr
.?) Einen fehn, flachen: Berfach ,. die verſchiedenen Rechtsbegriffe
verſchiedenen Zeiten und Völker mit. einander: zu vereinigen, macht
Sokratiker Simon in der Schrift Dlegi:wopar. '
11
$. 4. Traglker. 27
‚ eig ein Räthſel bleiben 2). — Auch geht Thukydides
: fo weit. Er leitet nicht, wie die Sophiften thaten, auß,
Degriffe der Stärfe den vollig disparaten Begriff des
ted ab; fondern er meint nur dieß: Wo zwei Parteien
ider bekämpfen, aus Ueberzeugung oder Nothwendigkeit
npfen, da haben fie beide Recht; mit andern Worten, da
‚bon Recht und Unrecht gar nicht die Rebe fein.
Sn die frühern Jahre des Sophokles fällt der Lieber
; des athenifchen Staated zur reinen Demokratie. Jeder
it pflegt auf dieſer Stufe durch Zerſtörung aller ftändi-
und corporativen Selbftändigfeit, wo dem Staate ges.
ber nur eine zufammenhangslofe Maſſe von Individuen
y Bleibt, nach Außen und Innen feine höchfte Stärfe zu
gen. In der Gleichheit Aller vor dem Geſetze liegt die
ſchränkte Allmacht des Geſetzes felbft begründet. Ein fol-
Zuftand kann philofophifchen Geiftern wegen feiner ſy⸗
ihnlichen Einheit wohlgefallen: poetiihe Gemüther wird
ı der Regel abſtoßen. Dieſen Widerwillen bat Sophokles
iner Antigone ausgeſprochen 2). Kreon vertritt bier das .
ip der Staatdallmaht, Antigone den Widerfland de
ilienbunded, Beide Gegenfäge find. erſchöpfend durchge⸗
— — — —
) Um fo mehr, als der Dichter feinen Zeus, deſſen Abgeordneten
ies, deſſen Verhältnig zur Io u. A. m. ganz mit Zügen hinzeich⸗
die er aus der Tyrannenzeit ſeines Vaterlandes entlehnt haben
te. | J
2) Mit welchem Reſpecte Sophokles ben frommen und econſervatin⸗
aten Nikias behandelte, iſt aus Plutarch bekannt; Nicias 15.
n der koloneiſche Oedipus, wie ich mit Suüvern annehme, in die
n unmittelbar nach dem nikiſchen Frieden fällt, To Tann man im
‚us beffelben eine Hindeutung auf den Nikias erblicen.
‘
Wenntes Kapitel‘, .. _
Thufydided und Die gleichzeitigen Siftorik:
Igqh habe ſchon im Vorigen Hei jebem wichtigen Che
zuge des Thukydides darzuſtellen geſucht, wie er allı
von den Frühern vorbereitet, von den Spätern verlaſſer
den. Der Leſer wird jedoch wünſchen, auch im Ganz
den gleichzeitigen Beitrebungen im Felde der Gecſchich
überfichtliches Bild zu gewinnen. — Die griechifchen $
fer nun, welche die zweite Hälfte des fünften Jahrhi
ausfüllen, laſſen fih in drei verfchiedene Gruppen |
letzte Fortfeler der alten Logographie, eigentlich wiſſen
liche Hiftoriker, endlich Memoivenfchreiber.
8. 1:
Letzte Logographen °).
Alle Tendenzen der frühern Logograpbie fehe
noch einmal zuſammengefaßt durch Hellanitkı
—
) Was bie Logographen im Allgemeinen charakteriſirt,
als bekannt vorausfegen. Ich will bier nur die perſönliche
teriftil der legten von ihnen mittheilen.
2) 496 v. Chr. — wenigſtens 411.
+ v.
os
Se. 4. Wagiler. 273
geiſtig als Siegerinn hervor: obwohl her Pit auch für
einesweges parteilich eingenommen Ye 7
Dagegen halte man deu: Eurip (des... Seine Sfü cke
mein. bekanntlich von Gegenreden, oftmals gexadezu au
Markt erinnernd, worin Steiner son: heiden Recht be⸗
nt?). Dem Dichter iſt es auch um Knutſcheidung! gar
zu thun: die geiſtige Gewandtheit, die jene Redner bes
iden, iſt ihm Selbſtzweck. Eine Aefete Aufſaſſung, ‚Die
virklich unlöäbaren Problemen, zu wirklich ‚gleichbeuech-
Gegenſätzen geführt hätte, finde ich Feten: Das cu
t denn ganz an Die Sophiften. .;: Mund, wirx, fönnen ‚übers
t wohl . fagen, :wie ſich Sophokles, echt poctifche Ber
img..der Geganſätze zu. der rhetoriſchenides Euripideq
lt, ſo die echt: politiſche des. Thnkydides m der. ſtaats⸗
eu Der * Sophinen Ps . Fr la 8 {
5 2 SR BE Pre —* 7
3 EP I DEN yo
Fu 22. Br ra: luns. a
vgl. Bier ir in den. ohandfungen der. Berliner Atademie vg
wo er fih im ‚Einzelnen ‚befonterd auf V. 796, 828‘ f., 816,
398 ff: zu flügeh weiß: ’" Die Einheit des’ Sttickes beruhet in det
blichkeit einer jeden rückſichtsloſen Leidenſchaft· —Ich ſagte
Sophokles habe: jn dieſem Stüſke feine Bedenken Aigdegagjsgt ‚üben
nalige politifche Entwicklung von Athen, die unmiftelboz nad
turze des Thukydides Mitefio as führte.” Man wenb?" Afcht ein, vß
⸗ herrſchende Pattei alsbann: nicht· um vet! Anrigone willen zum
‚en gegen Samos, würde, gewählt habe: Inu: ſamiſchen, Knitgt
zuch noch Thukodjdes eig; Fommanhg gE,hsc ya I,41%- ‚Vita
. Anon.), und erft die damaligen glänzenden Erfö öfge bes Bes
müffen ihn geftürzt haben. Man weiß aud aus Jon's Memoiren,
rikles über die Feldherrntalente bes Sophofles nicht allzu günftig
(Athen. XIII, p. 604.).
gl. Phoen. 509 ff. Ion. 454 ff. Here. Yarens ef mit
ides melifchen Unterhandlungen. und TE .DIt
Als ſich Eutipides im höheren: Abrtel vun Dtrome? bes reac⸗
n: Geiſtes ergreifen ließ)‘ Aanien: foeilicht ganz anderen: Rechtslbeon
? Schriften: vgl. ‚Bacch. :890 ff... 05 a wei Glan
18
278 Thukydides, Kap. 9.
thenkritik iſt ein wunderliches Gemiſch von finniger Un
genheit und nüchternen Rationalismus. : Bei dem Sch
des Pelopidenhauſes erzählt ex die großartigen Flüche De
lops I)‘, aber atıch. die Kinder des Pylades mit der €
werden nicht vergeffen 2), - iin der Sage Kom Thefeus
bald der Raub der Zeustächter umd die Kämpfe der Dioi
vor 3), Bald’ aber wurde ‚berechnet, daß Theſeus für das
der Helena doch eigentlich zu alt geweſen d: — Ich
früher bemerkt, : das rein mythiſche Intereſſe tritt ſchon
Hellanikos ſehr in den Hintergrund: am liebſten wendet
Sage an, wo es fi: um die Erklärung noch vorhandene
ſtitute, noch vorhandener Geſchlechter, Feſte, Namen
Sprüchworter handelt. — Hellanikos iſt der univerſalſt
gograph, viel univerſaler, als Herpdot. Er iſt der Erik
von Moſes 5), von Rom erzählt 6), der die femittiche I
ſage mittheilt von der großen, halbmännlichen Exob
welche das Brieffchreiben, den Eunuchendienſt, die langen
erfunden habe ).. Und doch, wie fand er an universal
riſcher Serlengröße Hinter dem Herodot zurück, deſſen BI
tor er war! Welche Ungenauigkeiten Ihm Thukydide
97.) vorgeworfen, ift bekannt. In der ©efchichte won 9
Entthronung, wie ift da Herodot bemüht, die politifche!
ſache und feine eigene ethiſche Grundanficht organifch in
1) Schol. D. £#, 105.
2) Paus. VI, 16.
3) Schal. Il. 7, 144.
4, Pilut, Theseus 31.
5) Cyrill. Adv. Julianum I, p. 15. Just. Mart:
Graecos p. W.
6) Dionys. A. R. p. 58.
7) Göttinger Bibliothek für alte Literatur und Kunft, $
©. 18 fg.
6. 4: Sokrates, 273
: weder zu bereichen, noch beherrfcht zu werben: da ver⸗
ihm Sokrates, zwiſchen Herrſchaft und Dienſtbarkeit
ntee Menfchen Fein Drittes möglich. Wer nicht Andere
rſche, werde felbft gefnechtet 1). Auch dieß erinnert an
ydides!
Mem. II, 1, 8 link —R
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Wenntes Kapitel. ,
Thukydides und die gleichzeitigen Biftorif
Igq Habe ſchon fm Vorigen bei jebem tmichtigen Ch
zuge des Thukydides Darzuftellen gefucht, wie er all
von den Frühern vorbereitet, von den Spätern berlaffe
den. Der Lefer wird jedoch wünfchen, auch im Ganz
den gleichzeitigen Beitrebungen im Felde der ©efchid
überfichtliches Bild zu gewinnen. — Die griechifchen $
fer nun, welche Die zweite Hälfte des fünften Jahrhi
ausfüllen, laſſen fih in drei verfchiedene Gruppen |
letzte Fortfeler der alten Logographie, eigentlich wiſſe
liche Hiftoriker, endlich Memoivenfchreiber,
8. 1:
Letzte Logographen °).
Alle Tendenzen Der frühen Logographie fehe
noch einmal zufammengefaßt durch Hellanitkı
) Was die Logographen im Allgemeinen charakterifirt, ı
als bekannt vorausfegen. Ich will bier nur die perſönliche
teriftit der legten von ihnen mittheilen.
2) 496 v. Chr. — wenigftens 411.
"st
$. 1. “ Sellar nikoo. 277
zahlloſen Titel ſeiner Schriften. laſſen ji. ohne Zwang
ein einziges großes. Wert zuwückführen. Zu An—⸗
. mochte die eigentlihe Götterſage ftehen 5 hierauf
Seichichte der. einzelnen Länder folgen, von der Mythen⸗
an bis auf Die Gegemwart, herab, uud die perfünlichen
rn des Hellanifos. Alle herkömmlichen Beſtandtheile der
graphie, die Reiſebeſchreibungen, die Länder⸗ und Völ⸗
mälde, die Bründungsgeſchichten, die Genealogien und
mkreiſe, lagen hier neben einander, Ein chronologiſches
d, aus den Heraprieſtexinuen von Argoh uud den karnei⸗
Siegern geflochten,. hielt das Ganze zufammen ). —
wie, freilich? Die Zerftörung. von Troja fol im achts
en Regierungsjahre des Agamemnon, im erfien Jahre
Yemophon. erfolgt ſein; fogar den Monat wußte der ges
Mann anzugeben 2). In der Gefchichte des Areopags
n die Prozeſſe des Areg und Pofeidon, des Kephalos,
SAdalod und Qreſtes in chronologiſcher Folge nach Men⸗
Stern aufgeführt 9, Wie es chronolagiſirenden Sagenſchrei⸗
gar häufig ergeht, ſo war auch Hellanikos gezwungen,
mehrere Sardanapale anzunehmen ). — Seine My—⸗
Die MAbc aoAuroyia mochte zur Götterſage gehören. Die Nas
fiolına, regi Aoxadias, "Acunıs und .Bowriaxa, Arêu unb
‚x, levaalıumeia und Istralırd, nepi Xiov atioeog, Kurzyiara,
xci, Towexa erklären fich fo von felber. Die Xbichnitte über Ae⸗
‚ den "Ammonszug, Lydien, Perfien, Stythien, Phönikien flans
muthlich zufammen, und gaben fo zu den Namen Papßapıza v0-
zepi Edwav, Edvow ovonacia Anlaß. “Ioropkas, xrioes Tonnte das -
Berk genannt werden. Die Namen Karneoniken und Serapriefte-
find aus den dhronalogifchen Angaben entftanden. Nur den Zitel
ıs weiß ich nicht recht zu rubriciren.
Euseb. Pr. Ev. X, 12.
Schol. Eurip. Orest. 1618.
Schol. Arist. Ayes 1022,
2374 Thukydides. Ray. 8,
Ich erinnere noch an einige intereffante Geſpräche,
denen und Xenophen herichtet. Zuerſt nämlich zwiſchen
rikles und ſeinein Mundel Alkibiades über die Beder
des Wortes. Gef"), ı Der große Staatsmann, in de
hen theoretiſchen Pagen-mwenig beiwandert, muß ſich hia
feinem milchbärtigen Neffen ziemlich hofmeiftern laſſen.
kommen aber- dahin überein, Geſetz ſei eine Verordnun
Staatsgewalt, die von den Beherrfchten nicht aus Zu
fondern aus freien Sticken, durch Ueberredung, angenn
werde. Mit dieſer Besingung feien: ſelbſt Tyrannei umd
garchie rechtmäßig, phnedieſelbe ſogar die Demokratie
rechtmäßig. — Das andere Geſpräch iſt zwiſchen Sokr
und dem Soßhiſten Hippias2).“‘ Hippias will ein of
unzweifelhaftes Rechtsſyſtem erfunden haben. Da werde
meint Sokrates, fortan weder die Richter getheilter A
fein, noch Parteiungen und Kriege mehr ftattfinden
Diefe Dinge alfo Halt Sofrated für ein Zeichen, daj
Menfchen nicht daſſelbe für gerecht anſehen. Uebrigens,
theilt ww, könne malt" im Einzelnen Valle doch wohl "
den, ob Einer. gut oder Köfe gehandelt, habe (10 fa.).
20.) Beleır adızeim inavov dimksonvung Enidsyua |
Alſo auch fit ihn iſt das Gewiſſen der-Einzelnen die ı
gültige Norm’ >). —— 8 Ariſtippos einſt Die Worte
feit der fofratijchen Grundfäge für. praktiſche Männer
terint , von ſich felbſt aber erklärt, er achte Die Aufopfi
ib RENTE ves Seen, füt gitele. Zherhen, er
Ii. l. . ı 1. ... . ... 3 Y BE
a. ı
7 .2*8 — —
17 77 'T, * wild ar 5 der a
„7 Mem. I, 2, 40 sqa..
2) Ibid. IV, 7, 4 sg —. EEE Fe
3) Einen fehn. flachen: Verſuch, die verfchiedenen Rechtsbegrifl
verjhiedenen ‚Reiten und Rölker mit, einander: zu Yereinigen, wo
Sofratiter Simon in der Schrift Llegi:vupor. - “
5. 1. GHellanifos. Pherckydes. 319
nıng. zu fehen (II; 161 fj.)! Dem Hellauikos ſcheint die
am wichtigften, wie ber Empdrer Amaſis durch das. Ges
re eines fchönen Kranzes iu die Nähe des Koͤnigs gekom⸗
2). Auch die schien Kopaisaale durften in feiner büntiz
Geſchichte nicht vergeffen werden 2), Ein ſolches Wert
te freilich durch die äußerliche Anfügung. philofophifcher
inchionen nicht fehr gebeflert werben 3).
Uugefähr um. diefelbe Zeit, wo Herobot den Verſuch
ſte, die Geſchichte von der Mythe loszureißen, wollte
erekydes von Leros umgekehrt die. Mythe allein Kehanz
9. Ein beträchtlicher Fortſchritt ohne Zweifel! In dieſem en⸗
Gebiete num will ex erſchöpfend fein, Daß er detaillirter gewe⸗
als bie meiften Anden, geht aus Plutarch und Athenäos herz
>). Daher aberauch die Kürze und Knappheit ſeiner Erzählung,
entfernt von der Behaglichkeit eines Herodotos. Man ficht,
Maffe des Stofjed drängt ihn 9), — Nur ein einziges
ent feines Buches fcheint breiter entwickelt zu fein. Phe⸗
x3 wimmelte nämlich, in nod, höherm Grade beinahe,
Herodot, von novelliftifchen und ſchwankartigen Epifodien,
die liehliche Novelle von Kephalos und Prokris (fr. 25.),
Melampus und feinen Oefchlechte (p: 118fg.. 124.) ; der
vant von Siſyphos (41.), von. Kalchas und Mopſos
— — — — —
') Athen. p. 680 B.
) Schol. Arist. Lysistr. 36.
) Nach Arrian. Dissertt. Epictt. II, 19. Gellius N. A. I,
ätte Hellanilos alle Dinge in drei Kategorien getheilt, in gute, wo⸗
e Tugenden, in böfe, wozu die Lafter gehörten, endlich in gleich⸗
3e, wie 3. B. Gefunbheit, Reichthum, Vergnügen u. f. w.
) Etwa 485 v. Chr. = 400. |
>) Pherecydes ed. Sturz, p. 199 unb fr. 61.
) Bol. Perfeus Medufenfahrt fr. 10, und. Schol. Eurip. Al-
Wenntes Kapitel‘,
Thukydides und die gleichzeitigen Siftorit
Igq habe ſchon im Vorigen bei jedem wichtigen Ch
zuge des Thukydides darzuſtellen geſucht, wie er all
von den Frühern vorbereitet, von den Spätern verlaſſe
den. Der Leſer wird jedoch wünſchen, auch im Ganz
den gleichzeitigen Beſtrebungen im Felde der Geſchid
überſichtliches Bild zu gewinnen. — Die griechifchen :
ker nun, welche die zweite Hälfte des fünften Jahrh
ausfüllen, laſſen ſich in drei verſchiedene Gruppen
letzte Fortſetzer der alten Logographie, eigentlich wiſſe
liche Hiſtoriker, endlich Memoirenſchreiber.
8. 1:
Letzte Logographen ).
Alle Tendenzen der frühern Logographie ſche
nech einmal zuſammengefaßt durch Hellanik
—
) Was die Logographen im Allgemeinen charakteriſirt,
als bekannt vorausſetzen. Ich will hier nur die perf önliche
teriſtik der letzten von ihnen mittheilen.
2) 496 v. Chr. — wenigſtens 411.
“or
. 1. Pherelydes >’
theniwelt behandelt, fo iſt es nicht zu verwundern, baß er
ſchärfer kritiſitt, mehr in. ein Ganzes bringt, als fehıe
rgänger. Und doch Hatten auch dieſe ſchon werfucht, die
tterfage jedes Barbarenlandes mit der: helleniſchen zuſam⸗
tzuarbeiten. " Pherckydes findet 3. B., daß Bei Kadmos ſo⸗
hl, als bei Jaſon Orachenzähne. und gehärnifchte Männer
aus erwähnt werden. Sofort argumentit a, Ares und
jene hätten von den Zähnen des exlegten Drachen. die eine
fte an Aietes gegeben, die andere an Kadmos (fr. 16.).
nn Kadmos von. Hephäftos ein ähnliches: Hochzeitsgeſchenk
it, wie Suropa “früher von Zeus, fo ſchließt Pherekydes
eich, es ſei wohl:datfelbe gemwefen, das eigentlich. Europa
immen, dann aber dem Kadmos überlaffen babe (p. 108.)
er Anftößigkeiten in der Sage trifft, . wie der Leda ches
herifche Erzeugung (?), da fpielt er nur von ferne darauf
(‚Ziirrerar: fr. 8). BDen ciferfüchtigen Zorn der Hera
t-er häufig zu umgehen. Nicht Hera fol die Schlangen
die Wiege des Eleinen Herakles gefandt Haben’,. fondern
phitryon (p. 101.). Nicht als Feindinn, ſondern als Bes
tzerinn tritt fie dem jungen. Dionyſos gegenüber 2), —
: fein aber: Pherefydes zu argumentiven verficht, davon
t am deutlichiten Die Art und Weife, auf die er des Ajas
diſche Abkunft beſtreitet. Ajas follte Kein Aeginete mehr
sen, folte Athener fen. Darum mußte fein Bater Tela⸗
ı ein Sohn des Aktäos (Ufermann) und der. Glauke
elle), die Glauke wieder eine Tochter des Kychreus fein
ſchrea = Salamis) ‚ alio eine Autochthon von Sala⸗
?).
— — —
1) Hyein. Poet. astr. Il, 21: p. 306. Doch auch higrin keine
equenz! (fr. 34 und p. 177. Sturz.).
2) Bol. Schöll zum Herodbot VIII, 64. .
·
78 Thufgblbeß;-: Kap. 9.
henkritik iſt ein wunderliches Gemiſch bon finni,
enheit und nüchternen Rationalismus. Bei de
es Pelopidenhauſes erzählt er die großartigen Fli
ops )), aber atıch. die Kinder des Pylades mi
verden nicht vergefien 2), - In Dee Sage vom ‘
ald der Raub ber Zeustöchter und die Kämpfe d
or 3), Bald aber wurde ‚berechnet, daß Theſeus
er Helena doch eigenilich zu alt geweien 9: —
vüher bemerkt, das rein mythiſche Intereſſe trit
Hellanikos fehr in den Hintergrund: am Tiebiten ı
Sage an, wo es fih:um die Erklärung noch vor
titute,, noch vorhandener Gefchlechter, Feſte,
Sprüchwörter handelt. — Hellanikos iſt der un
graph, viel univerſaler, als Herpdot. Er iſt d
yon Moſes 5), von: Roms erzählt 9), der die ſem
age mittheilt von der großen, - halbmännlichen
welche das Brieffchreiben, den Eunuchendienft, die
rfunden habe ).. Und doch, wie fand er an ı
ticher Seelengröße Hinter Dem Herodot zurück, di
or er war! Welche Ungenauigkeiten ihm Th
)7.) vorgeworfen, iſt bekannt. Sin der Geſchicht
Entthronung, wie iſt da Herodot bemüht, die po)
ſache und feine eigene ethiſche Grundanficht orga
1) Schol, Il. £, 105.
2) Paus. VI, 16.
3) Schol. Il. 7, 144.
4) Pilut, Theseus 31.
5) Cyrill. Adv. Julianum I, p. 15. Just.
Graecos p. W.
6) Dionys. A. R. p. 58.
7) Göttinger Bibliothek für alte Literatur und &
©. 18 fg. " R
de Rragifer., ; 0.97%
geiſtig als Siegerinn hervor: obwohl der Ph auch für
rediweges parteilich eingenommen if Y%.:-; | -
Dagegen halte man Deu - Euripideäl.. "Sein Stüde
meln befanntli, von Gegenreden, .oftmaldı geradezu an
Markt erinnernd, . worin Steiner von beiden Recht be—⸗
nt). Dem Dichter iſt es auch um Entſcheidung gar
zu thun: die geiſtige Gewandtheit, die jene Meder bes
nden, iſt ihm Selbſtzweck. Eine efete Aufſaſſung, ‚Die
virklich unlöäbaren Problemen, zu wirklich gleichberech⸗
1 Gegenſätzen geflihrt hätte, finde ich falten: Das mr
t.denm ganz an die Sophiften. .;: Und, wir fönnen übers
t wohl. fagen, wie ſich Sophokke: echt -poctifche Ber
lung der Gegenfätze zu der .rhetorifhen:ded Euripides
ilt, ſo die echt politiſche Des. Free m der ſlaats⸗
(den dee Sorhiſen 2) PR Le er
ET Re
”
3.9
alt. ' sr vrlnn? ya
) Bat. Bier in dem Yogandfungen der. Berliner. Kkodemie vo9
wo er fih im ‚Einzeingn. beſonders a uf © V. 795, 828‘ ff., 816,
898 ff: zu ſtüten weiße Die Einhett —X — beruhet in —*
cblichkeit einer jeden räückſichtsloſen Leibenfhaftı —. . Ic ſagte
Sophokles habe in dieſem Bitürfe: feine Bedenken ziigdergeisgt ‚üben
malige politiſche Entwicklung von Athen, die unmittelbar nachher
Sturze des Thukydides Mitefie a6 führte.” Man wende Arche ein, 1;
e hertſchende Yattll‘ alsdenn . nidyt um et‘ Anrigone willen jun
ren gegen Samos, würde, gewählt haben Inn ſamijchen 5
guch noch Thnkodjdeß ein; Bommanpg KT che yay ud KH
Anon.), und erft die bamäligen glänzenden Erf öfge 7
müffen ihn geftürzt haben. Man weiß audy aus Jon's Memoiren,
rikles über die Keldherrntalente des Sophokles nicht allzu günftig
(Athen. XIII, p. 604.).
Bat. Phoen. 509 ff. Ion. 454 ff. ' "pferk, Yarkns "3 #. mit
Jides melifchen Unterhandlungen. nat D YT.biet
Als ſich Euripides im höheren Abtel sunheine Dtromec des reac⸗
n Geiſtes ergreifen. ließ)“ Aamen fretliche ganz andere: Rechtslbron
e Schriften: vgl. ‚Bacch: 80 — wrhlenn
48
280 Thukydides. Kap. 9.
(p.171.). Dieſer Zweig der Literatur pflegt ſich der aufblü
Städte⸗ und Handelswelt auf dieſelbe Weiſe anzuſchließen, wie
Epos und ſeine Abarten dem Ritterthume. Der Bürgers
weder Zeit, noch Intereſſe mehr, die langen Heldeng
ewig anzuhören. Der Hafen, der Markt, die Ba
find die Träger diefer Novelliſtik. Im Alterthume
Epheſos, Milet und Sybaris, in unſerm Mlittelalter die:
Vienifchen, eatalanifchen und oberdeutſchen. Städte ihren
nehmſten Sitz gebildet). Der Charakter dieſer Gattung:
im höchſten Grade eonſtant: wir lefen Indifche Schmänke
Arioft, epheſiſche bei Lafontaine, Herodot und Bo
Petronius und Cervantes, Appulejus und Burkard Waldis,
unendlich fie übrigens auch difſeriren, in dieſem Stücke
fie einander ähnlich. Weshalb das neuere Drama diee
vellen fo häufig benutzt hat, das antike fo felten,, einige
tyrſpiele ausgenommen, kann Hier nicht erklärt werden 9
Unſerm Pherckydes ſcheint es indeſſen wenig gelungen zu fg
auf organiſche Art, wie es Herodot verſteht, dieſe Novellch
feinem Werke einzuverleiben. Bei Herodot nämlich dienen fl
entweder zur plaſtiſchen Charakterſchilderung eines Volkes, di
ned Zeitraumes, oder fie wollen im Kleinen die ethiſche Grum—
idee des ganzen Werkes abfpiegeln 2). Keine faft ohne ſolche
Zwei, — Weil aber Pherekydes beinahe ausſchließlich di
— —
1) Von den neuern Hiſtorikern find beſonders bie älteſten Florent
ner, Malespini, Giovanni Villani u. A., auch in dieſem Stücke mil
den Logographen zu vergleichen.
2) Zu den Hauptquellen über dieſen Zweig der alten Literatur ge
hören die Liebesgeſchichten von Plutarch und Parthenios, ſowi
Athen. XIV, p. 6188qq. Bol. K. O. Müller Literaturgeſch. Th.!
©. 365 fg. Ganz beſonderes Verdienſt aber hat ſich Gervinus hier
um erworben, im zweiten Bande ſeiner deutſchen Literaturgeſchichte.
9) Letzteres namentlich in der frühern Hälfte feiner Geſchichte, wäl
rend es in der jpätern die Gefpräche thun.
6. 4: Sokrates, | 273
weder zu Herrichen, noch beherrſcht zu werden: da vers
ihm Sokrates, zwiſchen Herrfchaft und Dienftbarfeit
ter Menfchen Fein Drittes möglich. Wer nicht Andere
he, werde felbft gefnechtet ). Auch dieß erinnert an
dides!
Mem. II, 1, 9“ Nensk hi
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18*
Weuntes Kapitel.
Thufydides und die gleichzeitigen Siftorif
Igqh Habe ſchon im Vorigen Hei jebem wichtigen Ch
zuge des Thukydides Darzuftellen gefuht, mie er all
von den Frühern vorbereitet, von den Spätern berlaffe
den. Der Lefer wird jedoch wünfchen, auch im Ganyı
den gleichzeitigen Beitrebungen im Felde der Gefchich
überfichtliches Bild zu gewinnen, — Die griechifchen $
fer nun, welche die zmeite Hälfte des fünften Jahrhi
ausfüllen, laſſen fih in drei verfchiedene Gruppen |
letzte Fortfeer der alten Logographie, eigentlich wife
liche Hiftoriker, endlich Memoirenfchreiber,
8. 1.
Letzte Logographen °).
Alle Tendenzen der frühern Logographie fehe
noch einmal zufammengefaft du Hellanifı
) Was bie Logographen im Allgemeinen charakterifirt, ı
als bekannt vorausfegen. Ich will bier nur die perſönliche
teriftil der legten von ihnen mittheilen.
2) 496 v. Chr. — wenigftens 411.
"ei
$. 4. : Hellanitpe. . 277
zahlloſen Titel feiner Schriften. lafſen ſich ohne Zwang
ein einziges großes. Werk zurückführen. Zu At
mochte die eigentliche Götterſage ſtehen; hierauf
eſchichte der einzelnen Länder folgen, von der Diythens
ı bi8. auf die Gegenwart, herab, und ‚Die perfünlichen
des Hellanikos. Alle herkömmlichen Beſtandtheile der
raphie, die Reiſebeſchreibungen, die Länder= und Völ⸗
älde, . die Bründungsgeſchichten, die Genenlogien und
Freife, Tagen hier neben einander. Ein chronologiſches
‚ aus den Herapriefterinnen ‚von Argos und den karnei⸗
Siegen geflochten,. hielt das Ganze zuſammen !), —
vie, freilich? Die Zerſtörung von Troja fol im acht
ı Regieruugsjahre des Agamemnon, im erften Jahre
emophon erfolgt fein; ſogar den Monat wußte der ges
Mann anzugeben 2). In der Gefchichte des Areopags
die Prozeſſe des Areq und Poſeidon, des Kephalos,
idalos und Qreſtes in chronologiſcher Folge nach Men⸗
ern aufgeführt 3), Wie es chronolagiſirenden Sagenſchrei⸗
ar häufig ergeht, ſo war auch Hellanikos gezwungen,
mehrere, Sardangpale anzunehmen ). — Seine My⸗
Die Ars zoAvrozia mochte zur Götterſage gehören. Die Nas
ira, zepi Agradiag, Acunıs und .Bowriaxa, "Ass und
%, levzalıomeia und Oetralırd, regi Xiou xtioeos, Kunyara,
i, Towına erklären fich fo von felber. Die Abfchnitte über Xes
den "Ammonszug, Lydien, Perfien, Skythien, Phönikien flans
uthlich zufammen, und gaben fo zu den Namen Papßapıza vo-
gb EIvüv, Edvow ovonaucios Anlaß. “Ioroplas, arioeıs Eonnte das -
erk genannt werden. Die Namen Karneoniten und Heraprieſte⸗
nd aus den chronalogifchen Angaben entftanden. Nur den Titel
weiß ich nicht recht zu rubriciren.
Euseb. Pr. Ev. X, 12.
Sschol. Eurip. Orest. 1648.
5schol. Arist. Ayes 1022,
\)
. 282 Thukydides. Kap. 9.
"Den nächſten Uebergang zu der wiſſenſchaftlichen SHifterk:
Bilden der Sikeliote Antiochos und der Lydier Xauthos.
Antioh os!) genießt bei den Spätern, mie bei Die.
uoflod und Strabon, keines geringen Anſehens. An Ems
Beobachtung der Volksnaturen ſcheint er dem Herodot nik
ferne zu fichen. Bon den Mythen, verſprach er, a me
vara xal vapeorera nudzulefen; er redete jedoch won Italch
Morges, Sikelos ganz wie von Hiftorifchen Berfonen ?). Auf k
hatte ex wohl fchwerlich In Thukydides Art das frühere Ali
thum durchforſcht, wie feine ignorante Vermuthung über da
Urſpruug des Helotenweſens ahnen läßt ). Das Hauptum
dienſt des Antiochos beruhet darin, einen Gegenſtaud für
Geſchichte gewählt zu haben, der einerſeits zinifchen den Stil:
und Univerſalhiſtorien der Frühern die. rechte Mitte hielt, u
der zugleich ſeiner Natur nach den größten Theil der —*
periode ausſchloß.
Zu den ſonderbarſten Erſcheinungen rechne ich den Xaut4
508, den Zeitgenofjen und Unterthan Artaxerxes I. 2) N
Xanthos Indifcher Gefchichte ſehen wir die gefchmacklofeim
Barbarismen des Drients mit den ſchönſten Anfängen mei
echt mifjenfchaftlichen Kritif vereinigt... Bald wird won enek
Könige Kambles erzählt, er habe unverfehend feine Frau übe
Nacht weripeift, noch Bei Tagesanbruch ihre Hand in feines
Munde geſunden, dann aber aus Gram fich felbft entleibt‘)
1) Antioches muß nad) 423 noch gelebt haben, indem er feine Ge
fchicdyte von Italien und Sicilien bis auf die Thronbeſteigung bed MW |
reios Nothos fortfeste: Diodor. XII, 71.
?) Dionys. A. R. p. 10. 27.
3) Strabo VI, p.278.
% Strabo I,p.85. Nach Dionys De Thuc. iud. 5. etwas ältet,
als der peloponnefifche Krieg.
5) Athen. X, 8.
6. 1. Hellanitos, Phercekydes. 319
ng. zu fehen (II; 161 fj.)! Dem Hellauikos ſcheint die
m wichtigften, wie ber Empdrer. Amaſis durch das Ge
eines ſchöͤnen Kranzes iu Die Nähe des Königs gefoms
). Auch die ſchönen Kopaisanle durften in feiner böoti⸗
Geſchichte nicht vergeſſen werden 2). Ein ſolches Werk
: freilich) durch Die äußerliche Anfügung: philoſophiſcher
tionen nicht fehr gebefjert werden 3).
Ingefähr um. diefelße Zeit, mo Herodoi den Verſuch
e, die Geſchichte von der Mythe loszureißen, wollte
'ekydes von Leros umgekehrt bie. Mythe allein behan⸗
). Ein beträchtlicher Fortſchritt ohne Zweifel! In dieſem en⸗
zebiete num will er erſchöpfend fein. Daß er detaillirter gewe⸗
[8 Die meiſten Andern, geht aus Plutarch und Athendos herz
. Daher aber auch die Kürze und Knappheit ſeiner Erzählung,
ıtfernt von der Behaglichkeit eines Herodotos. Man ficht,
taffe des Stoffed drängt ihn), — Nur ein einziges
nt feines Buches fcheint breiter entwicelt zu fein. Phe⸗
3 -winmelte nämlih, in noch höherm Grade beinabe,
erodot, von novelliftifchen und ſchwankartigen Epifodien.
e liebliche Novelle von Kephalos und Prokris (fr. 25.),
Relampus und feinen Geſchlechte (p: 118fg.. 124.) ; Der
me von Siſyphos (41.), von. Kalchas ‚und Mopſos
— — —— —
Athen. p. 680 B.
Schol. Arist. Lysistr. 36.
Rad) Arrian. Dissertt, Epictt. II, 19. Gellius N. A. I,
e Hellanikos alle Dinge in drei Kategorien getheilt, in gute, wo⸗
Zugenden, in böfe, wozu bie Lafter gehörten, endlich in gleich⸗
‚wie 3. B. Gefundheit, Reichthum, Vergnügen u. f. w.
Etwa 485 v. Chr. — 400.
Pherecydes ed. Sturz, p. 199 und fr. 61.
Bol. Perfeus Medufenfahrt fr. 10, und Schol. Eurip. Al-
254 Tdbhulhydides. Kap. 9.
für die feihere Geſchihe des Drients nicht genug I
werden.
8. 2.
Herodoth).
Herodot trägt den Geiſt der perſiſch en Zeit, N)
er nur die letzten Perioden derfelben eigentlich erlebt hat,
ähnliche Welfe in fih, wie Thukydides den der peri
Then. Er ift mit Pindar und Aefchylos fo nahe ven:
wie dieſer mit Ariftophanes. Sophokles ſteht in der
zwiſchen beiden.
Die gewöhnliche Behauptung , daß Herodot's Eoı
tion einen epiſchen Charakter befige 2), iſt allerding
ſehr zu modificiren. Der’ ganze Plan diefes Hiſtorikers
ſich Bis in die kleinſten Epiſodien Hineln verfolgen läßt,
nert auf das lebhafteſte an die Tragödie. "Bor Allen ı
Tragödie des Sophokles. — Aber das iſt doch wahr,
Thukydides gehalten, beſitzt Herodot noch viel Epiſches.
konnte auch Aeſchylos noch ſagen, er eſſe die Broſamen
vom Tiſche des Homeros fielen; Sophokles nicht mehr.
unerbittlich feſt Halt Thukydides ſeinen Faden! Und He
verſichert ſelbſt, ſeine Geſchichte gehe von vorn herein au
ſchweifungen aus (IV, 30.). Bei Thukydides wird von
weder Perſon Nichts weiter berichtet, als was zum Fort,
des Werkes unentbehrlich iſt. Dei Herodot dagegen erl
wir ein mehr oder weniger vollſtändiges Bild von alle:
benöverhältnifien des Helden. Der Baum feiner Geld
1) Dal. oben ©. 113—122.
2) Am breiteften ausgeführt von Böttiger: De historia
dotea ad carminis epici indolem propius accedente. Am w
lichften vom Abbe Geinoz: Memoires de Pacadé mie des in
tions, XXIII,
-
"She Pherckyres. 282
thenwelt behandelt, fo iſt es nicht zu verwundern, daß er
chärfer kritiſitt, mehr in. ein Ganzes bringt, als ſeine
gänger. Und doch Hatten auch dieſe ſchon verſucht, die
terſage jedes Barbarenlandes mit der helleniſchen zuſam⸗
uarbeiten. Pherekydes findet z. B., daß Bei Kadmos for
, als bei Jaſon Drachenzähne und gehaͤrniſchte Männer
us erwähnt werden. Sofort argumentirt er, Ares und
ne hätten von den Zähnen des erlegten Drachen die eine
te an Aietes gegeben, die andere an Kadmos (fe. 16.).
n Kadmos von. Hephäftos ein ähnliches Hochzeitsgeſchenk
t, wie Europa ‘früher von Zeus, ſo ſchließt Pherekydes
ich, es ſei wohl:daffelbe gewefen, das eigentlich. Europa
men, dann aber dem Kadmos überlaffen habe (p. 108.)
er Anftößigkeiten in. der Sage trifft, . wie der Leda ches
rifche Erzeugung (?), da fpielt ex nur von ferne darauf
divirreras: fr. 8.). Den ceiferfüchtigen Zorn der Hera
er Häufig zu umgehen. Nicht Hera fol die Schlangen
e Wiege des Eleinen Herakles gefandt Haben,. fondern
ſitrvon (p. 101.). Nicht ala Feindinn, ſondern als Bes
rim tritt fie dem jungen. Dionyfod gegenüber 1). —
fein aber Pherekydes zu argumentiren verficht, davon
am deutlichten die Art und Weile, auf die er des Ajas
[he Abfunft beſtreitet. Ajas follte Kein Aeginete mehr
a, follte Athener fein. Darum mußte fein Bater Tela⸗
ein Sohn des Aktäos (Ufermann) und der. Slaufe
e), die Glauke wieder eine Tochter des Kychreus fein
rea — Salamis), aljo eine Autochthon von Gala=
0
— — 6 — —
Hysin. Poet. astr. Il, 21: p. 395. Doch auch hierin keine
ıenz! (fr. 34 und p. 177. Sturz.). “ | |
Vgl. Schöll zum Herodot VIII, 64. .
288 Thukydides. Kap. 9.
Athenãos ; Thukydides dagegen,herb und feurig, wie
falernifche Wein, bel. Cicero. Nirgends finden wir
ſchone Regel herrlichet bethätigt, daß Triumphe mit Am
Niederlagen mit Würde vrüſſen erzählt werden. Wer iſt
muthiger, als der Geſchichiſchreiber des Perſerkrieges ?
majeſtutſſcher, als der des pelopomnefifchen:?:i :
vius auf· der einen Seite; ein Sallaftı:
ch Infen fc au) Bei, Qerakor nach 5 ———
das, Wahſen und Vergehen menflicer, Berhältpiie,..
den influß ber Einzelnen, ‚auf, jolhe ‚Boraänge,, über
Rest. deß Staͤrkern und Achnliches wicht, 1 DaB fü
biefen, minder klar mb efequient augentbeiet, fing
minder, innig mit, der ung „verbunden, , ‚oft, nur ‚ale
theile, ‚nicht felten "a eiſpiele mit einer; ‚non 9
werbung angefiigt. ug derodot iſt bem 53
ſachend die Saale ber.: ‚Saubeinben a erkt art
beſtimmter u weicher, "Gerade fü. auch Haſcholo⸗
Vergleiche v mit. Sopofies > ‚Heil biefe ‚Mönner gleid
Übermenfcjlihe Inſtanzen . appelfiven ihen fie auch
* Anaß, ‚nach; ‚einer, ſcharfen Zejchmim "Char
binzufteben. —— ‚Die, Stärfe des Herodot, üwie ſchon
geſagi, äufert ſich haupiſachtich In ber. Säildering der V
naturen und Gefchlechtöverfchicdenheiten 1). Er fteht hier
der Naturgeſchichte näher, die ja auch nicht mit Indivi
fordern m nur mit Gattungen‘ gr Yun haben will Er Ant
TB
nat vu.
2) Denfelben Unterfchieb hat Leſſing im —8 auf Poeſ
S. 4. Antiochos. Rauthos. 285
> Hingeien wird bie -Stammberemdtfdhaft der Myſſer und
er durch ihre Sprachverwanbtfchaft nachgeiviefen Y)..: Yay
ommen Vergleichungen vor, dag ſich das Tyrcheniſche
Lydiſchen etwa fo verhalte, wie das Doriſche zum Joni⸗
2). Alle Charakterzüge: des tief geſunkenen Lydiervolkes
ten auch bei Kanthog durch: ſeine Weichlichkeit, .. feine
erpracht, ſein knechtiſcher Sinn, Ber mit Mein lſchen Wahr.
ı, kleinlichen Euiſiellungen den Swen 28,
ı möchte3). . Dazu ein Progmatifcjes Umbeutept
mie cz die Selenifigen Gcfätätfeißer Enum ft vn
Zeiten angewandt, "Die Niobe z. B. rühmt si ihrer
x gegen Leto. Zur Strafe, dafür komuit he Semapt
er Jagd um; ihr Vater eutrenut gegen fle won blut
verifcher Liebe, Da fie ihn abgewieſen, fo eimordel er
Rinder Bei einem Seftmahle, Sie ſelbſi, von Gram ers
ſtürzt ſich von einem Felfen ‚herab H. Wir haben einen
iſirten Lydier por und, und das lydiſche Bolt ſtand
18 im Greiſenalter SI. — Dieſes Pragmatiſtren in
e der ſpätern Zeit iſt denn auch wohl die Haupiurſache,
ilb Dionnfios von. allen Sogogeaphen den Xanthos am
en achtet. Er kann in der That, Fee, wie Kicſiab
Strab. XII, p. 857.
Dion. A..R. I, 28.
Dgl. beſonders hie Geſchichte vom Kroſes und Kyros bei Nis
3 von Damask, die ic im Wefentlichen durchaus für Xanthiſch
muß.
Parth. Erot. 33,
Auch andere Völker des antiken Orients haben ihren Hiſtoriker
unden, nachdem ihe felbfländiges Leben vorüber war.:» Ich :erins
ı Manethos uud Beroſos. Selbſt dem Kalifate ift es nicht viel
gegangen. Br
2883 Thukydides. Kap. 9.
brechung geben wollen: fo Haben es Thukydides und Ser
kles verftanden, Geſchichte und Trauerſpiel in eine Sphär
rücken, wo fie der komiſchen Folie nicht mehr bedürfen i).
Dafür iſt Herodot aber ein Volkobuch geworden, von Je
geliebt, der die Muſen nicht haßte; den Thukydides haben
lezeit nur Diejenigen bewundert, welche Vergangenheit
Zukunft und die menſchliche Natur in beiden klar zu erker
begehrten. Alſo keine zahlreiche Menſchenklaſſe!
Thukydides umfaßt nur fein Vaterland, Heradot
Welt, fo weit ſie ihm ofſen lag. Thukydides handelt
von einigen Jahrzehenden, Herodot von ebenſo vielen J
hunderten. Sch muß hier einem weit verbreiteten Irrth
in den:WVeg treten. Man Hört fo oft, das frühere Alter
Gabe keine Univerfalgefhiähten. :: Aber „mas iſt Uni
falgefhihte? Doc immer etwas fehr, Relativest auch
heutige Wiſſenſchaft kann u. A, das innere Afrika, das. Al
Amerika auf Feine Weiſe darin aufnehmen, Kusmder Welt
ger gar nicht einmal zu gedenken. . Univerſalhiſtoriſch nenne
daher jedes Werk, welches Die ganze Summe der. vorban
nen hiltorifchen Kenntniß zu verarbeiten ſucht. Faſt jede
ſchichtsliteratur beginnt und ſchließt wit, Univerſalgeſchich
Die höchſten Meiſterwerke pflegen da erſchaffen zu werden,
fi) univerfale Vorſtudien und fpeciale Beſchränkung auf
nen Gegenftand vereinigen. — Bei den Hellenen find
Logographen viel umiverfaler, als Heredot, Herodot mi
univerſaler, als Thukydides. Xenophou nimmt von Ne
dieſe Richtung auf. Das erſte Buch: feiner Hellenifa ı
Bald vorn Medien, Bald vun Karthago, aber Int Verlanfe
ned Werkes wird er deſſen überdrüſſig. Die Iſokratiker
— —— — — —
1) Freilich hat auch Sophokles Satyrn gedichtet, in denen es
Theil drolliger herging, als die Meiſten glauben. Aber jedenfalls,
fie zur Folie zuſammenhängender Trilogien anzuwenden.
8.2. Ser. 285
de wie 28 im homeriſchen Epos: der Fall ift, wächſt gleich⸗
nach allen Seiten hin über: Auch im Epos nimmt bei
Spätere das epiſodiſche Element ab. Und ſelbſt in Der
- tt derſelbe Fortgang bemerklich. Simonides yon: Keos
das Epiſodiſche, wogegen Pindar ſtreng am Thema hält.
chaupt iſt die milde, mur in wittlerer Höheneinherſchrei⸗
Mauier des Simonides, die mehr. zu rühren, als hinzu⸗
t verficht, mit der. pindariſchen ganz ähnlich: gu; vergleia
wie Herodot mit Thukydides. Der ſanfte, friedlich ethi⸗
e Vatchvtdes wüůrde alsdami ah Xcnophon euiſprechen.
ſreuzer "hät" die! erſte,imrcht cchntgraphiſche Ghitfte DER
yot beit Abcnteucin bes Ddyſſeus verglichen, ‚ine ‚Quelle,
kricgertſche⸗ aan Beldenthaten "niit Aion, 166 chfait
ein —— Leſer ans "Dein — — ein" Grfuͤhl bes
her Benurweinug des preſthenꝰ Setberrkanpfeh" zwüůck⸗
en ; “arg” dem · Thukydides 'en ernſtes ; "beinahe wehmuͤthi⸗
tadfhen übir bie Srrgärtgfiiägteit der perikleiſchen Größe,
die dorneẽhmſtet Eindrucke Het ber” tragtfehen‘,” dort: Ber
m Leere 1°" Daride jagt —— ‚de Schöpfun⸗
eider Hiſtortker ſeien ſchbne, "aber" bie 'Shihät‘ tes S
ei eine ftöhliche die des Andbern eine‘ furchtbarte 1).
das Ethoß des Herbbot, Aka tithos des Sur
> Cie‘ verſteiſht em: Erſth au ter‘ Spiegekft
wuhig dahln hiehenden Surbuies 33wet Lehttre⸗ "tagt"
von tebegeuſchen Thaten neſitringegeſcaig. I Ber Be
mingewürdig be Seitfaflpe ‚Herobnt L; 1a sent 8. el
ALUF “il. FE, J iii ur In
—— m kHz BET —* —* * RE
TER ITI EG ARS F α ,
Dicnys De 2 Thuaya. ‚B) an: pe) Sl sl. Mir 7
Id. De vet. script. cens. p. 435. — Nah %. W. von
gel's geiftvollem Ausdrude: Die Schilderung eigenthümlicher
ysart und bie Rührung durch Keidenfchaften Bvorleſ über dramat.
u. Lit. J, S. 159.). ae nr er €
Bit. Desorstore 12: :,. io. er ll er iffnte €
\
\)
. 282 Thukydides. Kap. 9.
"Den nächſten Uebergang zu der wiffenfchaftlichen Hifterk
Bilden der Sikeliote Antiochos und der Lydier XRanthos.
Antiochos i) genicht bei den Spätern, wie bei Di
nyſios und Strabon, keines geringen Anſehens. An Ins
Beobachtung der Volksnaturen ſcheint er dem Herodot nie
ferne zu ſtehen. Bon den Miythen, verſprach er, za zum
vara xal oogeotera audzulefenz; er redete jedoch von talk
Morges, :Sikelod ganz wie von Biftorifchen Perfonen ?). 3
hatte ex wohl fchwerlich in Thukydides Art das frühere Altıe
thum ‚durchforfcht, wie feine ignorante Vermuthung über dat
Urſpruug des Helotenweſens ahnen läßt 2). Das Haupt
dienſt des Antiochos beruhet darin, einen Gegenſtaud für fg
Sefchichte gewählt zu haben, der einerfeitd zwifchen den Stal
und Univerfalbiftorien.der Frühern die. rechte Mlitte hielt, ı
ber zugleich feiner Natur nach den größten Theil der Mythe
periode ausſchloß. 3
Zu den fonderbariten Erſcheinungen rechne ich den Fam
t508, den Zeitgenofien und Unterthan Artarerres I. *).
Xanthos lydiſcher Gefchichte ſehen wir die —— hen:
Barbarismen des Orients mit den fehünften Anfängen ein
echt wiſſenſchaftlichen Kritif vereinigt... Bald mird von eine
Könige Kambles erzählt, er Habe unverfehens feine Frau übe
Nacht werfpeift, noch Bei Tagesanbruch ihre Hand im feinen
Munde gefunden, dann aber aus Gram fich felbft entleibt )
1) Antiochos muß nad) 423 noch gelebt haben, indem er feine Ge
fchihte von Italien und Sicilien bis auf die Thronbeſteigung des Di
reios Nothos fortfegte: Diodor. XII, 71. i
2?) Dionys. A. R. p. 10. 27. |
3) Strabo VI, p.278.
') Strabo I,p.85. Nach Dionys. De Thuc. iud. 5. etwas ältt |
als der peloponneftifche Krieg. \
5) Athen. X, 8
6. 2. Herodot. | 287
anze Charakierzug hängt mieder ‚auf: dab Innigſte zuſam⸗
mit dem Reichthume bes Herodot an. vanurhiſtorijchen und
aphiſchen Clementen 1). Ä .f
Freilich fcheint:.ed. auch dem Serobat athwenbig von
Dfen Dingen fo. wenig als möglich zu Bandeln (EI, 55.9
er dieſen Vorſatz aber wohl duch ?::,,.umuilt hengt es
men, daß er. ſo voll iſt von Bewundorung des menſchli⸗
Wechſels,“ während Thukydides dieſen: Wechſel. nur end
rn, An das! feinſte pſycholvgiſche Detail hinein ſchildern
2. Die Verwuiderung.pflegt abzunehmen, TE miedie
niß zunimmt.In all dieſen Stücken/hat fich. Thnkydi⸗
on dem vielerler Ungemiffer, Das Herodot. xoch ent
mußte, ifrei gemacht. Sein: Werk kaun wenigerisuges
It werden. Xenophon schlägt. wieder die umgekehrte
ng ent :Schhitdte abfichtliche Kicimt.verfchmäht.er fd
, daß er: ganze Werke, die Kyrupädie, den Hieron, auf
eten Grundlagenaufführt. Wie Herodot feine. Novellen
ſo auch Kenephon: wieder Mobelletten., .:. durch die er die
iche Strenge: der Hiſtorie bisweilen: zu, mildern ſucht
‚äßrend insbeſondere Herodot in ſeinen Schwänken; Aet
; m. feinen: Sachen threm Eruſtenine heiter Unter⸗
..19 nd Een: BE rn
m e J i m. ... Ber un 5; if % 5
vuͤrchgeflthet, Ste beiten Künfte iwelche vn Schäichte nin Ru:
nſchaft phraliel laufen: Laokoon NE:WIEL :: — :vin.nnepz
Auch Teſchylos zeigt ſich in · der Charakteriſtik ——68
Perſer, der Erinnyen, der Okeaniden u. ſuwr, niel glũcklicher⸗
der Zeichnung von Individſalitäten. D
Zendenz „bieten feine Schusflehenden, "po bie Sauptperfon des
der Chor iſt. Hieraus“ erkläitt! ſich benn Feine große Stärke ik,
hiſchen Schilderungen, freilich auch feine Ueberladung mit geo⸗
hen Namen: vgl. Arist. Ranae 955 cum Schol.
Xenoph. Anap., vu, 4 7.umd. Äfket..; 1.
Auch im ‚Intern: den Tragödie or: man die nur an, dis be⸗
Stelle in ben Ehoephonen 732 ff. —0
284 Thukydides. Kap. 9. .
für die feühere Geſchihte des Drients nich genug |
werden.
8.2.
Heröbot!)
Herodot trägt den Geift der perfifhen Zeit, o
er nur die letzten Perioden derfelben eigentlich exlebt Hat,
ähnliche Welfe in fih, wie Thukydides den der peri
Then. Gr ift mit Pindar und Aeſchylos fo nahe ven
wie Diefer mit Ariftophanes, Sophokles ſteht in der
zwiſchen beiden.
Die gewöhnliche Behauptung, daß Herodot's En
tion einen epifchen Charakter befige 2), iſt allerbing
ſehr zu modifieiren. Der’ gänze Plan diefes Hiſtorikers
fi) bis in Die kleinſten Epiſodien Hineln verfolgen läßt,
nert auf das lebhafteſte ai Die Tragddie. Vor Allen
Tragödie des Sophokles. — Aber das fft doch wahr,
Thukydides gehalten, beſitzt Herodot noch viel Epiſches.
konnte auch Aefchylos noch fagen, er eſſe die Drofamen
von Tifche des Homeros fielen; Sophokles nicht mehr.
unerbittlich feft halt Thufydides feinen Faden! Und He
verfichert felbft, feine Gefchichte gehe von vorn herein au
fhweifungen aus (IV, 30.). Bei Thukydides wird bon
weder Berfon Nichts weiter berichtet, als was zum ort
des Werkes unentbehrlich it. Bei Herodot dagegen el
wir ein mehr oder weniger vollftändiges Bild von alle
bensverhältniſſen des Helden. Der Baum feiner Geld
1) Bol. oben ©. 113—122.
2) Am breiteften ausgeführt von Böttiger: De historia
dotea ad carminis epici indolem propius accedente. Am w
lihften vom Abbe Scinoz: Memoires de Vacademie des ir
tions, XXIII,
=
. 2. Getodot. 089
r Mitte!
Immerhin mag die Herbeiſchaffung ſeines Stoffe vem
3ot größere Muhe gekoſtet haben: am der, Verarbei—
j diefes Stoffes hat Thukydides mehr gethan. Hexodot
Alles ; mag: peiß, ſogar was er ſelbſt, für unglauhblich
): Thukypines mur eine firenge Auswahl. _ . Auch hie
mung des harodoteiſchen Werkes, ſo aeſuch ſie iſt,
hoch, an künſſleriſchex Verflechtung, ‚an überlegter Durche
keit mit Ron: hukydides nicht ‚be Jispen. ‚werden, ,. 6
tzu -den-shönfgn Figenthuͤmuichteiten der. helleuſſchen Ah
rgeſchichte daf ig, Echrjltſteller der. Bejjon, Zeit-fich June
Ibſt wollen, den Zigel anlegen. Sie heftiger bie: Leidenr
.:. Veto Künflicheg, uind ¶verwicheilch wyprde wie, San,
einfachen. Empfundungen der ioniſchen Zyriker entſyricht
ijache Foym des elegiſchen Diftichonds.. 2 Dog Iebendiggre
der äoljſchen Dichten muß ſich ſchon Fünfikjepers: Baude
æ alfüjfche und ſapphiſche Styophe/ gefallen laſſen, CGhe—
doxiſche Eyrik,wis ſie den mächtjghen ‚Schonung. hats
die ſchmwierigſten Mieten, Gerade pbenſo verhält, es
3% dam Siftonifenn,.,., Bon. den. eriton LKogographen „am
zie Form Immer. Kinſilicher, big fie, im, Thukydides eine
ehren zur völligen Univerſalhiſtorie zurück, he
Kung und Symmehde erlangt, vpon, der wir Naueran
einen Begriff hahen. Der geiualtige Sturxm ei: thukyr
en. Geißges ſhedurfte ſolchen Schranken j.- der: Popengr |
t, die attifhe Biene Kenpphau. weniger· wunias do.
iei dem Allen jedoch, wer verflanden hat, * nicht im
1, ſondern im Zuſammenklange der verſchiedenen Töne
hre Harmonit zu ſuchen iſt, Den wird den Rathſchluß
klichen⸗ Weis heit preiſen deß dem⸗ sahne ein⸗ nn
Baur, waiyern IE: os
"1 Is! Bu 5%
Bel. VIL, 152. II, 47. 123,
19
%
288 Thulydides. Kap. 9.
Athenãos ; Thukydides dagegen, herb und feurig, wie
falernifche Wein, bel. Cicero. Nirgends finden wir
ſchone Hegel: herrlicher. bethätigt, daß. Triumphe mit Am
Niederlagen mit Würde vrüſſen erzählt werben. Wer iſt
muthiger, als ber -Gefchicitfjreiber des Perſerkrieges?
maeſtatiſcher, als der des pelopomnefifchin:?.:: Selbſt eh
vius auf· der einen Seite, ein Sallaftı. id Tacitus auf
andern · lnneu hiermit nich verglichen fern. | J
bes Rh
des Taffen ſich auch Bei, „Serohet nachweifen; er, das Br
daß, ‚Baden, und Bergehem menföhicher,, Berhältni iſen
d u der Eingzelnen af, jolhe ‚Bor; ange, ? ar
nur ‚ale
vn —* Ei; uub ‚are u in,
de an
‚Si j
Binsuftchen. — Die Siirſe des "Gerabet wie ſchen
geſagt, äußert ſich haupiſachtich in der Schwerung der V
naturen und Geſchlechtsverſchiedenheiten i). Ex ſteht hier
der Naturgeſchichte näher, die ja auch nicht mit Indivi
fondern nur mit Gattungenzır thun haben will 2): Unt
—98—
Bar VI,
2) Denfelben Unterfchieb hat Leſſing im! —8* auf Poeſ
$. 2. Herodot. S. 3. Memotrenfchreiber. 291
z. 3.
Menwirenſchreiber.
Die Geſchichte der Hellenen, von Reiſebeſchreibung und
ographie ausgehend, legte im Verlaufe der Zeit immer
es Gewicht auf die Berfönlichkeiten. Wir haben geſe⸗
daß fie das ſchönſte Gleichmaß zwiſchen Detail und
zwiſchen Abficht und Nothwendigkeit, zwiſchen Indivi⸗
und Völkern bei Thukydides erreichte. Schwächere Zeit⸗
m gingen nicht über bie Perſonlichkeiten hinaus: einen
Zuſammenhang zu begreifen, unfähig, blieben fie am
ten, am Kleinlichen haften. Dich ijt der Anfang des
chen helleniſchen Memoires, wie es jich unter den Hän⸗
ies Jon und Steſimbrotos geſtaltete. Die gleichzeitige
ie mußte vielfache Anregung dazu gehen ; noch unmittel⸗
yatten die Reifenotizen der Logographen darauf geführt.
one fcheint diefe Mentoirenliteratur an die Novellen des
t erinnert zu haben. — Der Vollender diefer Gattung
ophon: feine Memorabilien, fein Gaſtmahl, auch das
er Aunabaſis, die in. den lebten Büchern faft ganz zur
iographie des Xenophon wird, bie höchiten Meiſter⸗
erſelben im Alterthume.
on von Chios 1), ein vielſeitig gebildeter Mann, Tra⸗
gleich, Lyriker, Philoſoph und Hiſtoriker, ſchricb außer
ründungsgeſchichte von Chios zwei. eigentlich. memoiri⸗
te: "Zriönuias und "Trouvnuare. Jene ftatteten
ab von dem Aufenthalte berühmter Ausläpter in Ching,
Zein erſtes Drama: aſchien 82. er kart ui, vor x Ariſte-
rieden. Seine BlUthezeit fällt alfo von 450 bis 422. Die
e bat Anaſt. Köpte gefammelt: Berlin 1836, ''
19 *
238 Thukydides. Kap. 9.
brechung geben wollen: fo haben es Thukydides und So
kles verftanden, Geſchichte und Trauerſpicl in eine Sphär
rücken, wo fie der komiſchen Folie nicht mehr bedürfen 1),
Dafür iſt Herodot aber ein Volksbuch geworben, von X
geliebt,. der die Diufen nicht haßte; den. Thukydides habe
lezeit nur Diejenigen bewundert, welche Vergangenheit
Zukunft und Die menſchliche Natur in beiden klar zu era
begehrten. Alſo keine zahlreiche Menſchenklaſſel
Thukydides : umfaßt nur fein Vaterland, Herodot
Welt, fo weit fie ihm offen lag. Thukydides Handelt
von einigen Jahrzehenden, Herodot von ebenſo vielen J
hunderten. Ich muß bier einem weit verbreiteten Irrth
tn den Weg treten, Man hört fo oft, das frühere Alteri
habe keine Un iverſalgeſchichten. ı: ber maß iſt Uni
ſalgeſchiche? Doch immer etwas ſehr Relativest auch
heutige Wiſſenſchaft kann u. A. das innere Afrika, Das. Al
Amerika auf keine Weiſe darin aufnehmen. Framder Welt
per garnicht einmal zu gedenken. Univerſalhiſtoriſch nenne
daher jedes Werk, welches die ganze Summe der. vorhan
sen hiftorifchen Kenntniß zu verarbeiten ſucht. Faſt jede
fchichtöliteratur beginnt und ſchließt wit, Uniyerſalgeſchich
Die Höchften Meiſterwerke pflegen da erfchaffen zu werden,
fih univerfale Vorftudien und fpeciale Beſchränkung auf
nen Gegenſtand vereinigen. — Bei den Hellenen find
Logographen viel umiverfaler, als Herodot, Herodot wi
univerſaler, als Thukydides. Xenophou nimmt von Ne
dieſe Richtung auf. Das erſte Buch: feiner Hellenifa .x
bald von Medien, bald von Karthago, aber Int‘ Verlaufe
nes Werkes wird er deſſen überdrüſſig. Die Iſokratiker
— — — — — —
1) Freilich hat auch Sophokles Satyrn gebichtet, in denen es
Theil drolliger herging, als die Meiſten glauben. Aber jedenfalls,
fie zur Folie zufammenhängender. Zrilogien ‚anzuwenden. :.. °
$. 3. Ion. Gtefimbratoe. 293
aben 1); und es ift merkwürdig, in feinen Fragmenten
Nichts Häufiger vor, als Trinkgefchirre, Trintmanieren,
teſſen und Aehnliches 2). — Bei dem Allen iſt fein Stil
chſten Grade leicht und ammıthig, felbft feine kleinen
e ziemlich harmlos, Nur durfte man nicht allzufeft uf
Bahrheitöliche bauen: er macht fih z. B. Nichts Dara
en Sokrates nah Samos reifen zu laſſen 3! |
tefimbrotos von Thafos 4) fcheint ſich mit Erklärung
ichter fein Brot verdient zu Haben 5). Außer einer
über die Myſterien 6) bat ex auch die Geſchichte des
ites behandelt "I; aber fein vornehmſtes Wat, von
h gar Häufig benutzt, iſt die Lebensbeſchreibung des
okles, Thukydides und Perikles. In dieſem Werke
: er als Anhänger der conſervativen Partei; jedenfalls
Gegner des Perikles. Eine gemeine Klatſchhiſtorie
3, die von der Läſterchronik des Perikles ®), von Ki⸗
Schweſter Elpinike 9), überhaupt von den Eleinen Süße
— —— —
ſt bekannt. Wenn Jon um 444 aus Athen nad) feiner Waters
ückkehrt, To ſucht Köpke dieß dadurch zu erklären, daß in
‚mals die Eimonifch=thufgdideifche Partei von ber perikleiſchen
nd war beſiegt worden.
Aelian. V. H. II, 41, 4.
3.8. Athen. X, 426.
Diog, I, 7.
Rah Plut. Cimo 4. ein Zeitgenoffe des Kimon.
Kenoph. Conviv. 3.
5chol. Apoll. I, 1126. 1304. Etymel. v. ’Idcio«.
Rach Fulgent, Plancus De antiquo sermone y. Sanda-
» Vossius De hist. Graecis p. 44. Westerm.
Plut. Pericl. 13. 36, Athen. XII, p. 689,
Plnt Cimo 14,
290 Thukydides. Kap. 9.
rodot vorangehen, dem Heredot aber ein Thukydides nachf
gen mußte.
Noch ein Wörtchen ven der Geſinnung des Thuk
dides gegen Herodot. Daß er ihm einzelne Irrthün
vorgeworfen, ſich ſelbſt überhaupt an eigentlich hiſtoriſch
Werthe höher geſchätzt, habe ich aus J, 20. 22. oben ſch
zu beweiſen geſucht !). Die vornehmſten Nefultate des Ha
dot werden jedoch von Thukydides vollkommen gebilligt, |
Beftätigt e8, daß Im Perferkriege Athen die glänzendſte Re
gefpielt, ja die Retterinn von Griechenland geweſen; el
den Themiſtokles, ebenfo entſchieden, "sole Herodet es the
vor Miltiades und Ariſteides hervortreten. Lauter Wahık
ten, die nichts weniger ald unbeſtritten waren. Co oft
rodot anf Ereigniffe nach der platütfchen Schlacht anfpie
fcheint er Immer das Unheilbringende derſelben vorzugswe
zu: beachten. - Sollte dieg wirklich eine fletige Lieberzengen
fein, ſo wilde Thukydides davon allerdings fehr abweiche
Judeſſen hat Schöll doch vor Kurzem eine große Verli
des Herodot für den Perikles wahrſcheinlich gemacht: ſo fe
daß ſelbſt die bekannte Sage von Herodot's ypanathendift
Vorleſung nicht wenig dadurch unterſtützt wird 2), — Nichts im!
Welt iſt ſchwerer, als feinen unmittelbaten Vorgänger, feh
unmittelbaren Nachfolger richtig zu’'Beitetheilen. Doch I
ſich mit den Worten des Thukydides and die’ größte Kork
tung vor Herodot vereinbaren, Hekatäos iſt von Serodat ı
gleich Härter beurtheilt worden. a
1) Die Stelle IT, Al. wird dagegen wohl ſchwerlich auf den He
dot zu beziehen ſeinz eher auf den Pherekydes, deſſen Werk äber Att
am meiſten gab, und hier gewiß panegyriſch lautete.
2) Schöll Sophofles. Sein Leben und Wirken. &. 118 ff.
Behntes Kapitel.
Thufydided und Ariſtophanes '),
nn nn
8. 1.
Literarifche Stellung des Ariftophanes im Allgemeinen.
Alterthumsfreunde liegt wohl die Trage nah, ob
arallele zu finden fei zwifchen dem bekannten Entwick—⸗
chältnifje der drei großen Tragiker und dem minder ber
der drei Fomifchen Meiſter.
18 den Kratinos betrifft, fo iſt er wicht ohne Grund
hylos der Komödie genannt worden. Ex iſt eö, wel—
ft den Scherze des Luſtſpiels Die großartige Folie der
a Dedeutfamkeit unterlegte; ihm muß daher vorzugs⸗
ned befannte Gejch des Morychides gegolten haben,
im Jahre 440 v. Chr. die Verfpottung namhafter
ı unterfagte. Ehe man ſich an die Deffentlichkeit völ⸗
zhnt Hat, wird ihre Benutzung immer lältig fallen,
ı feheinen die geringeren unter den gleichzeitigen Luſt⸗
ern, vor Allen Krates, dem friedlichern, mechr pars
und allgemein ethifivenden Geifte der altjicilifchen Kos
euer geblieben zu fein. Dem Kratinod war es Bes
ie mehr Thukydides und Ariftophanes Zeitgenoſſen, Geiftesvers
find, je häufiger fie denfelben Stoff behandeln: deſto ſicherer
aus ihren Verjchiedenheiten auf die Verfchiedenheiten der Hi⸗
Poefie überhaupt fehließen. Vgl. oben &. 30 ff,
a
292 Thukydides. Kap, 9.
diefe wahrfcheinlich‘ won den Reifen des Verſaſſers felbit.
werden denn Gajtmähler befchrieben, woran ein Soph
ein Kimon Theil nahınen. Wir Hören von dei Liebii
des Sophokles; von dem fpüttifchen Urtheile, das P
über feine Feldherrnverdieuſte gefüllt; auch daß er in de
litik eben nicht ſtärker geweſen, als jeder andere Athener.
feiner dichteriſchen Herrlichkeit ſcheint nicht Die Rede zu
Kimon wird gerühmt, nicht als Feldherr oder ala €
mann, ſondern wegen feiner Höflichkeit "), feines Gef
feiner fpaßhaften Erzählungen 2). Sein Körperbau mir
Sorgfalt befchrieben I. — Auf den Perikles war de
motrenfchreißer übel zu fprechen. Aber was macht .er ihn
Vorwurfe? Daß er grob gewefen 9), daß ex feinen fan
Feldzug einmal Über den des Agamemnon geſchätzt he
Plutarch meint, ald Tragiker habe Jon gelernt, daß de
dengröße immer ein Sätyrfpiel müſſe angehängt werden.
her übrigens feine Abneigung gegen Perikles rühre, he
der boshafte Athenäos verrathen: fie waren Neben
bei einer ſchönen Korinthierim 6), und der dirigirende
ſter vermuthlich der Begünſtigte ). Jon ſoll den Tru
vn ne u nm
1) Plut. Pericl. 5.
2) Plut Cimo 9... :
3) Ibid. 5
4) Plut.:Pericl. 5:
' 3) Ibid. 28.
6) Athen. X, p: 436,
.)) Idhh will indeffen nicht felbft in Jon's Fehler gerathen. Dies
für Kimon, die Abneigung wiber Perikles, das Gedicht zum Lobe
tas (fr. 50.), feine Bewunderung ber lakoniſchen Kürze (Sext.
A.M. II, 24.): dieſes Alles läßt vermuthen, daß Ion zur ari
ſchen Partei gehörte. Seine pythagoveifche Philoſophie ſtimmt gu
überein (fr. 54). Daß Chios damals eine, arifofratifche Ve
F. 1. Kratinos, Ariftophanes, Cupolis. 297
"Taokenzddoyog , yromdsöxıng, 2VOINKÖAaELOTO-
garifm»!),
Ingercchtigfeit biefer Vowürfe wird und tiefer unten ein⸗
1, |
upolis war an Alter von Ariftophanes wenig verfchie-
Freilich ijt der Letztere mit ſeinem Erſtlingsgedichte, den
übern, erſt Olymp. 88, 1. auf bie Bühne getreten 2),
is hingegen ſchon Olymp: 87, 3.3). Aber Eupolis
amals auch erſt ſiebzehn Sabre alt). Im Ganzen
wir gewiß nicht irren, wenn wir den Eupolis als ein
ed, gelitwolles, aber ſchwächeres Abbild des Ariſtopha⸗
zeichnen. Die praktifchen Tendenzen der beiden Komiler
emlich verwandt: Beide haffen die revolutionären Par⸗
ter, Beide züchtigen den neuerwachenden Pietismus,
verfolgen den Sokrates, Auch Eupolis hat den Phors
efpeetirt, hat den Kleon megen feiner geftohlenen Siegs⸗
en verſpottet. An erfindungsteicher Genialität aber
er feinem Nebenbuhler nicht gewachfen. upolis Dias
vird eine directe Nachbildung von Ariftophanes Nittern
t5), wogegen ihn feine ‚eigene Verfiherung ©), als
e gerade an Ariftophanes Nittern geholfen, ſchwerlich
igen Kann, Selbſt der Name Marikas feheint eine Eos
’ ariftophanffchen Paphlagoniers zu fein. Und es fit
x Beachten, daß Ariftophanes einen viel bedentendern
ogen zum Gegenftande. feinge Komik nahm. Eupolis
nn — — —
Schol. Platon. p. 330: ed, Bekker.
Aponym,. De comoedia.
Meineke Qu. Sc. II, p. 6.
F. Ranke Vita Aristophanis, p. CXCIII.
Nubes 553 sqgq. |
Schol. I. l. Obwohl Kratinos ihm hierin beiftimmte: Schol
528.
294 Thukydides. Kap. 9.
Tichkeiten jener großen Männer 1) gut unterrichtet zu fein be
hauptete, in der That aber und von wichtigen Dingen ge
nicht viel zu fagen wußte 2). Ein fpäterer Schriftfteller, Then
pompos, war freilich ebenſo reich an Skandalen: aber ma
dbedenke Doch, in welche Zeit Theopompos fiel, in welche Sta
ſimbrotos!
Es iſt ſehr zu beklagen, daß wir von ben memoiriſ,
Arbeiten des berühmten Protagoras fo wenig wiflen?). |
1
I, Plut. Themist. 24.
2) Ibid. 2.
3) Bgl. Plut. Cons. ad Apoll. 33.
mn — — — —2— —
— — chen. ie ee —
. 1. Literarifche Stellung des Arifiophanes im Allg, 209
als die des Eupolis. Hat auch die Vorſehung den
n Theil der Ältern Komödie untergehen laſſen, fo ſcheint
ch den beiten Theil erhalten zu Haben.
Nan Hat neuerdings verfucht, den Ariſtophanes zu einem
yegelianer zu ftempeln, eine Menge von Pſeudophiloſo⸗
n und Gefchichtöverdrehungen, - wie fie die, muögenrtete
he Schule zur Welt bringt, unſerm großen Dichter uns
yieben. Ein folches Unternehmen richtet fich ſelbſt. Mit
h höherm Talente hat andererſeits der wortreffliche Lie
v des attifchen Dramas, -%. ©, Droyfen, den Ari
108 al8 einen geiftvollen Roue gefhildert, einen Mann
Srundfähe, ohne Parteiftelung, ohne Vaterlandsliebe,
zottesfurcht 2), aber fprudelnd von kecker Genialität und
men fühlg, das Gemeinfte durch der Zauber feiner
ng zu verflären. Droyſen bat fich nicht gefcheut, den
hanes mit dem Juden H. Heine zu’ vergleichen 2)! —
sollte verfennen, daß einige Wahrheit Hierbei zu
: liegt? Eine tiefere Betrachtung, mem̃e ich gleichwohl,
a Ariftophanes auffallen als einen der nächſten Geiſtes⸗
dten des Thukydides.
ie Thukydides die Hiſtorie, von Schwank und Mythe
auf ihr eigentliches Gebiet herüber zog: ſo rühmt ſich
yaned, Die Komödie von ſpießbürgerlichen und ſagen⸗
Stoffen abgewwandt zu Haben 3). Wie Thukydides nur
— — —
Droyfen Ueberſetzung des Ariftophanes: Th. I, ©. 263. Th.2,
Th. 3, ©. 12 ff.
In feiner befannten Schrift über die Vogel des Ariſtophanes
Prozeß der Hermokopiden.
Pax 723 sqq. Noch Kratinos ſchrieb ein Stück, ’Odvooeis,
eine zum Theil wörtliche, oft fogar herametrifche Parodie der
en Kyklopeia war, Nach Eh. Bergk's gelungener Vermu⸗
derfelben Zeit, wo das Geſetz bed Morychides feinem böhern .
236 Thufgpioed. Kap. 10.
dürfniß, Die ganze Welt in den Kreis feiner Darſtellunge
aufzunehmen, die Komödie eben dadurch zur wahrhaften Ur
verfalität emporzuheben. - So hat er in feinen Eumeniden d
nämlichen Zweck verfolgt, welcher der äfchyleifchen Oreſtie
Grunde liegt: das Ichte Bollwerk der eonferbativen Staa
verfaſſung, den beiligen Areopagod, wider die Angrifie :
Revolutionspartei in. Schul zu nehmen. So haben feine |
felze und feine Reichthümer den Verfall des Staates zum (
genftande, in ſcharfer Oppoſition mit der vermeintlichen Hi
lichkeit der folonifchen Periode. Die Deliaden und der ⁊
phonios, die Thrakerinnen und die Idäer beleuchten das S
Een ter alten Religioſität, welche durch einheimifchen A
glauben und dur) Aufnahme barbarifcher Cerimonien glei
ſehr verderbt werten war. In den Euniden wird die m
niodige Muſik verſpottet, in den Panopten die neumod
Philoſophie, in den Chironen die neumodige Erziehung,
den Weichlingen der ganze Charakter der neumodigen Lehe
weife 1). — Ein gewaltiger Vorgänger des Ariſtophane
wenn er auch in der Pytine, am Abend feines Lebens, !
es den Greifen wohl zu achen pflegt, eben dieſen Ariſtopl
nes, den Vollender deſſen, was er fel6ft begonnen, ala!
Verderber der Komödie zu geißeln verſuchte. Ariſtophanes
nerſeits iſt gerechter: einem brauſenden Strome vergleicht
ihn, der unter dem Beifallsſturme des Volkes durch's Gef
fich ergießt, feine Ufer unterwühlt, und Eichen, Plate
und Reinde, aus der Wurzel gchoben, mit fich forteeigt ?)
Diefer Aeſchylos Der Komödie Hätte nun gar zu gem
Ariſtephanes ald einen komiſchen Euripides geſchild
In der Pytine des Erſtern heißt Ariſtophanes geradezu:
1) Ich ſtuütze mich in ber Inhaltsangabe dieſer Stücke hauptſäc
auf die ebenſo gelehrten, als ſcharfſinnigen Unterſuchungen von Th
dor Bergk: Commentationes de reliquiis comoediae Atticae :
quse: 1838.
2) Arist. Equitt. 526 sqq.
$. 1. Kratinos, Ariftophanes, Cupolis. 297
— Troltneöloyag , ; owduixeng, evgoınsöagıoro-
“ garifm»!).
Je Ungerechtigkeit dieſer Vorwürfe wird uns tiefer unten ein⸗
uchten. |
Eupolis war an Alter von Ariſtophanes wenig verſchie⸗
ih. Freilich iſt der Letztere mit ſeinem Erſilingsgedichte, den
lechbrüdern, erſt Olymp. 88, 1. auf bie Bühne getreten 2),
apolis Hingegen ſchon Ofymy: 87, 3.2). Aber Eupolis
Kit damals auch exit‘ ſiebzehn Zahre alt). Im Ganzer
jeden wir gewiß nicht fixen, wenn wir den Eupolis als ein
hnliches , geiſtvolles, aber ſchwächeres Abbild des Ariſtopha⸗
#8 bezeichnen. Die praktiſchen Tendenzen der beiden Komiker
Rt ziemifich verwandt: Beide haffen die revolutionären Bars
Biupter, Beide züchtigen den neuerwachenden Pietismus,
Side verfolgen den Sokrates. Auch Eupolis hat den Phors
nion vefpectirt, hat den Kleon wegen feiner geftohlenen Siegs⸗
orbeeren verfpottet. An erfindungsteichee Genialität aber
heint er feinem Nebenbuhler nicht gemachfen. Eupolis Mas
fag wird eine directe Nachbildung von Ariftophanes Ritter
mannt 5), wogegen ihn feine ‚eigene Verfiherung $), als
Ibe er gerade an Ariſtophanes Rittern geholfen, ſchwerlich
ttheidigen Fan. Selbſt der Name Marikas fcheint eine Eos
e des ariitophanifchen Paphlagoniers zu fein. Und es fjt
ohl zu beachten, daß Ariftophanes einen viel bedeutendern
'enagogen zum Gegenſtande feiner Komik nahm. Eupolis
— — —— —— — —
1) Schol. Platon. p. 330: ed. Bekker.
?) Aponym. De comoedia.
3) Meineke Qu. Sc. II, p. 6.
4) F. Ranke Vita Aristophanis, p. CXCIII.
5) Nubes 553 sqgq. |
6%) Schol. I. 1, Obwohl Kratinos ihm hierin beiftimmte: Schol
juitt. 528. |
298 Thukydides. Kap. 10,
ganze Phantafie war mehr an die Wirklichkeit gefefielt:
rend Ariſtophaues z. B. in feinen Nittern dem Kleon jung
felbiterfundenen Wurſthändler gegenüberſtellt, vielleicht wa
kühnſte und geiſtvollſte Gebilde der komiſchen Dichtung übe
haupt; fo feheint in Eupolis Marikas der Demagoge Gypm
bolos nur von feinem wirklichen Gegner, den Nikias, WE,
kämpft worden zu fein, der für die Komödie wohl uicht I F
fonder8 geeignet war 1). Auch gu Feinheit, glaube ich, fü in J.
er dent Ariſtophanes nach. Wenigſtens den Sokrates {da
er mehr geradezu injurirt, als eigentlich perſiflirt zu BEN
In einen feiner früheften Stücke, den Profpaltiern, w
Eupolis die Prozeßwuth des athentfchen Volkes züchtigte, miß
er noch gar Manches von der Rohheit der altmegariihen
Schule beibehalten Haben, wie Arijtophanes ihm vorwirft)
und er felbft nicht undentlich eingeftanden hatt). Zu gleiche F
Zeit aber fehe ich aus den Fragmenten feiner Schmeichler, ba
Eupolis ſchon weit mehr in's Allgemeine hinein ethiſirt habe
muß, als Ariſtophaues; inſofern alſo der mienandrifchen Io
mödie näher fieht. Dazu kommt noch, wie Platonios tes $
fihert, daß Eupolis auch der Parabafe, jenem Kerne da bh
tern Luſtſpielb, viel weniger Raum- vergönnt hat, als il.
Frühern 5). — Zwiſchen diefen Gegenfäten nun des Eupol,
und des Kratinod feheint Ariftophanes in der fchönften Dit k
zu ſtehen. Mit der Rauhheit, den Feuer des Kratincd weh
er die Grazie des Eupolis zu verbinden. Seine Compoſitien
it gelungener, als die des Kratinos, feine Polemik vente |
— [mn — —— —
) Th. Bergk Commentatt. p. 355 sqyq»
2) Schol. Nubes 97. 179. Bgl. das Fragment bei Olympie
dor 3. Platon’s Phadon c. 14.
3) Nubes 358: Schol.
4) Bgl. Th. Bergk 1. 1. p. 359.
>) Platonius De charact. com,
5. 1. Literariſche Stellung des Ariſtophanes im Allg. 209
als die des Eupolis. Hat auch die Vorfehung den
ten Theil der ältern Komödie untergehen laſſen, jo jcheint
och den beſten Theil erhalten zu Haben. |
Man hat neuerdings verfucht, den Ariſtophanes zu einem
zhegelianer zu ſtempeln, eine Menge von Pſeudophiloſo⸗
en und Geſchichtsverdrehungen, wie fie die, ausgeartete
ſche Schule zur Welt bringt, unſerm großen Dichter un⸗
ſchieben. Ein folches Unternehmen richtet fich ſelbſt. Mit
ich höherm Talente hat andererſeits der vortreffliche Ve
ber des attifchen Dramas, J. ©. Droyfen, den Ari
anes als einen geijtvollen Roue geſchildert, einen Mann
Grundſätze, ohne Barteiftellung, ohne Vaterlandsliebe,
Gottesfurcht 1), aber ſprudelnd von kecker Genialität und
ommen fühig, das Gemeinſte dich den Zauber feiner
tung zu verklären. Droyſen bat fich nicht gefcheut, . den
ophanes mit dem Juden H. Heine zu vergleichen )1 —
wollte verkennen, daß einige Wahrheit Hierbei zu
tbe liegt? Eine tiefere Betrachtung, meitte ich gleichwohl,
den Ariftophanes auffallen als einen der nächiten Geiſtes⸗
andten des Thukydides.
Wie Thukydides die Hiſtorie, von Schwank und Mythe
t, auf ihr eigentliches Gebiet herüber zog: ſo rühmt ſich
Phanes, die Komödie von ſpießbürgerlichen und ſagen⸗
ı Stoffen abgewandt zu haben 3). Wie Thukydides mm
— — — —
Dro yſen Ueberſetzung des Ariſtophanes: Th. I, S. 263. Th.2,
3. Th. 3, ©, 12 ff.
) Zn feiner bekannten Sqhrift über die Vooer des Ariſtophanes
en Prozeß der Hermokopiden.
) Pax 723 sqq. Noch Kratinos ſchrieb ein Stück, Oducotic,
anz eine zum Theil wörtliche, oft ſogar hexametriſche Parodie der
iſchen Kyklopeia war. Nach Th. Bergk's gelungener Vermu⸗
in derſelben Zeit, wo das Geſetz bes Morychides feinem höhern
292 Thukydides. Kap. 9,
diefe wahrfcheinlich won den Reifen des Verſaſſers felbit.
werden denn Gaſtmähler befchrieben, woran ein Soph
ein Kimon Theil nahınen. Wir Hören von den Piebid
des Sophokles; von dem fpüttifhen Urtheile, das Pi
über feine Feldherrnverdienſte gefällt; auch dag er in der
litik eben nicht ſtärker geweſen, als jeder andere Athener.
feiner dichteriſchen Herrlichkeit ſcheint nicht Die Rede zu
Kimon wird gerühmt, nicht ald Feldherr oder ala ©:
mann, ſondern wegen feiner Höflichkeit"), feines Gefa
feiner fpaßhaften Erzählungen 2). Sein Körperbau wir
Sorgfalt beſchrieben ). — Auf den Perikles war der
moirenſchreiber übel zu ſprechen. Aber was macht .er ihm
Vorwurfe? Daß er grob gewefen 9, daß er feinen fam
Beldzug einmal über den des Agamemnon geſchätzt ha
Plutarch meint, ald Tragiker habe Jon gelernt, daß der
dengröße immer ein Sätyrfpiel müſſe angehängt werden.
her übrigens feine Abneigung gegen Perikles rühre, ha
der boshafte Athenäos verrathen: fie waren Mebent
bei einer ſchöͤnen Korinthierinn 6), und Der Dirigirende $
ſter vermuthlich der Begünſtigte ), Ion foll den Tem
Be — — — — —
) Plut. Pericl. 5.
3) Plut. Cimo 9.
3) Ibid. &
4 Plut.'Pericl. 5;
- 23) Ibid. 28.
6) Atlren. X; p: 436,
) Ich will indeſſen nicht ſelbſt in Jon's Fehler gerathen. Die V
für Kimon, die Abneigung wider Perikles, das Gedicht zum Lobe
tas (fr. 50.), feine Bewunderung ber lakonifchen Kürze (Sext.
A. M. II, 24): diefes Alles läßt vermutben, daß Ion zur arifl
ſchen Partei gehörte. Seine pythagoreifche Ppilofophie ftimmt gut
überein (fr. 54). Daß Chios damals eine, ariſtokratiſche Ver
$. 3. Ion. Steftmbrotos. 293
Gt Haben !); und es iſt merkwürdig, in feinen Fragmenten
mt Nichts Häufiger vor, als Trinkgefchirre, Trinkmanieren,
relicatefjen und Aehnliches 2). — Bei dem Allen ift fein Stil
a hbchſten Grade leicht und ammıthig, felbit feine kleinen
ngrifſe ziemlich harmlos. Nur durfte man nicht allzufeſt auf
ne Wahrheitöliche bauen: er macht fich 3. B. Nichts dara
us, den Sokrates nah Samos reifen zu laſſen 3)!
Stefimbrotos von Thafos N ſcheint fih mit Erklärung
> Dichter fein Brot verdient zu haben 5). Außer einer
Schrift über die Myſterien 6) Hat er auch Die Geſchichte des
bolykrates bedandelt ) 5; aber fein vornehmfts Wat, von
Mutarch gar Häufig benukt, ift die Lebensbefchreibung des
hemiſtokles, Thukydides und Perikles. In diefem Werke
Scheint er als Anhänger der conſervativen Partei; jedenfalls
ver er Gegner des Perikles. ine gemeine Klatſchhiſtorie
hrigens, die von der Läfterchronit des Perikles ®), von Ki-
ton’8 Schweſter Elpinike %), überhaupt von den Kleinen Häßs
te, ift befannt. Wenn Ron um 444 aus Athen nad; feiner Vaters
adt zurückkehrt, To fuht Köpke dieß daburch zu erklären, daß in
then damals bie kimoniſch-thukydideiſche Partei von der perikleifchen
fcheidenb war befiegt worden.
ı) Aelian. V. H. II, 41, 4.
2) 3.8. Athen. X, 426.
3) Diog, 1,7.
4) Rah Plut. Cimo 4. ein Zeitgenoffe bes Kimon.
5) Xenoph. Conviv. 3.
6%) Schol. Apoll. I, 1126. 1304. Etymol. v. ’Iöaios.
7) Nach Fulgent. Plancus De antiquo sermone y. Sanda-
la: vgl. Vossius De hist. Graecis p. 44. Westerm.
8) Plut. Pericl. 13. 36, Athen. XIH, p. 589,
°») Plant Cimo 14,
294 Thukydides. Kap. 9.
Tichkeiten jener großen Männer 1) gut unterrichtet zu fein be
hauptete, in der That aber und von wichtigen Dingen ge
nicht viel zu fagen wußte 2). Ein fpäterer Schriftiteller,
pompos, war freilich cbenfo reich an Skandalen: aber
bedenke doch, im welche Zeit Theopompos fiel, im welche
finkrotos !
Es iſt ſehr zu beklagen, daß wir won den memoiriſ
Arbeiten des berühnten Brotagoras fo wenig wiflen >).
une — — — —
1, Plut, Themist. 24.
2) Ibid. 2.
3) Rat. Plut. Cons. ad Apoll. 33.
. Bm a m — a [mul _
— —— — — — — — —
Behntes Rapitel.
Thukydides und Ariſtophanes '),
8. 1.
Literarifche Stellung bed Ariftophanes im Allgemeinen.
edem Alterthumsfreunde Tiegt wohl die Trage nah, ob
e Parallele zu finden fei zwifchen dem bekannten Entwick⸗
göverhältnijfe der drei großen Tragiker und dem minder bez
nten der drei Fomifchen Meifter. |
Was den Kratinos betrifft, fo ift er nicht ohne Grund
Aeſchylos der Komödie genannt worden. Er ift cö, wel—
zuerft dem Scherze des Luſtſpiels Die großartige Folie der
tiſchen Bedentfamkeit unterlegte; ihm muß daher vorzugs⸗
je jened bekannte Gejch des Morychides gegolten haben,
des im Jahre 440 v. Chr. die Verfpottung namhafter
fonen unterfagte. Che man fi) an die Deffentlichkeit völ⸗
gewöhnt Hat, wird ihre Benutzung immer Tältig fallen,
jegen fcheinen Die geringen unter den gleichzeitigen Luft
dichtern, vor Allen Krates, dem friedlichern, mehr par=
hen und allgemein ethifivenden Geifte der altfieilifchen Kor
ie treuer geblieben zu fein, Dem Kratinos war es Bes
1) Je mehr Thukydides und Ariftophanes Zeitgenoffen, Geiſtesver⸗
andte find, je häufiger fie denfelben Stoff behandeln: deſto ficherer
man aus ihren Verfchiedenheiten auf die Verfchiedenheiten der Hi:
: und Poefie überhaupt fchließen. gl. oben ©. 30 ff,
S
296 Thukydibes. Kap. 10. ,
dürfniß, Die ganze Welt in den Kreis ſeiner Darſtellunge
aufzunehmen, die Komödie eben dadurch zur wahrhaften
verfalität emporzuheben, - So hat er in feinen Eumeniden?
nämlichen Zweck verfolgt, welcher der Afchyleifchen Oreſtie
Grunde liegt: Das letzte Bollwerk der conſervativen Sta
werfaffung, den heiligen Areopagos, wider die Angriffe WE
Revolutionspartei in. Schulz zu nehmen. So haben feine (
felge uud feine Reichthümer den Verfall des Staates zum |
genftande, in fcharfer Dppofition mit der vermeintlichen Ya
lichkeit der Jolgnifchen Periode, Die Deliaden und der 3
phonios, die Thrakerinnen und die Idäer beleuchten das &
Een Der alten Neligiefität, welche Durch einheimischen A
glauben und durch Aufnahme barbarifcher Cerimonien gie
fehr vererbt worden war. In den Euniden wird bie
modige Muſik verfgottet, in den Panopten die neume
Philoſophie, in Ben Ehironen die neumodige Erziehung, N
den Weichlingen der ganze Charakter der neumodigen Lech
weiſe 1). — Ein gewwaltiger Vorgänger des Artitopkam
wenn er auch in ber Pytine, am Abend feines Lebens,
es den Greifen wohl zu gchen pflegt, eben diefen Ariſtop
ned, den Vollender deſſen, was ex felbft begonnen, als J.
Verderber der Komödie zu geißeln verſuchte. Ariſtophanes YJ
nerſeits iſt gerechter: einem brauſenden Strome vergleicht J
ihn, der unter dem Beifallsſturme des Volkes durch's GA
ſich ergiegt, feine Ufer unterwiihlt, und Eichen, Plata
und Feinde, aus der Wurzel gehoben, mit fich fortreißt 9).
Diefer Aeſchylos der Komödie Hätte nun gar zu gem il
Ariitephanes als cinen Tomifchen Curipides gejchilbe
In der Bytine des Erſtern heist Ariftophanes geradezu: *
ln LLLLL a
1) Ich füge mich in der Inhaltsangabe diefer Stücke hauptfäcll
auf die ebenjo gelehrten, als fcharffinnigen Unterfuchungen von Thet
dor Bergk: Commentationes de reliquiis comoediae Atticge af
quse: 1838. l
2) Arist. Equitt, 526 sqq. 9
$. 1. Kratinos, Ariftophanes, Eupolis. 297
molentéloyoc, yvowdwxıng, EUVOLTLKÖAROLOTO-
gayilmvw!).
He Ungerechtigfeit biefer Vorwürfe wird uns tiefer unten ein⸗
uchten.
Eupolis war an Alter von Ariſtophanes wenig verſchie⸗
y. Freilich iſt der Letere mit ſeinem Erftlingsgedichte, den
kR hbrüdern, erſt Olymp. 88, 1. auf bie Bühne getreten ?),
Wolis Hingegen ſchon Olymp. 87, 3.3). Aber Cupolis
ie damals auch erſt ſiebzehn Ichre alt). Im Ganzen
erden wir gewiß nicht irren, wenn wir den Eupolis als ein
liches, geiſtvolles, aber ſchwächeres Abbild des Ariſtopha⸗
b Bezeichnen. Die praktiſchen Tendenzen der beiden Komiker
‚ziemlich verwandt: Beide haſſen die revolutionären Bars
tee, Beide züchtigen den neuerwachenden Pietismus,
e verfolgen den Sokrates. Auch Eupolis hat den Phor⸗
u vefpectixt, hat den Kleon wegen feiner geftohlenen Siegs⸗
en verſpottet. An erfindungsreicher Oenialität aber
int er feinem Nebenbuhler sicht gewachfen., upolis Mas
wird eine Directe Nachbildung von Ariſtophanes Nittern
t5), wogegen ihn feine ‚eigene Verfiherung 6), als
e er gerade an Ariſtophanes Rittern geholfen, ſchwerlich
eidigen kann. Selbſt der Name Marikas fcheint eine Co⸗
des ariſtophaniſchen Paphlagoniers zu ſein. Und es iſt
hl zu beachten, daß Ariſtophanes einen viel bedeutendern
agogen zum Gegenſtande ſeiner Komik nahm. Eupolis
I) Schol. Platon. p. 330: ed. Bekker.
2?) Anonym. De comocedia.
‚ 9) Meineke Qu. Sc. II, p. 6.
4 F. Ranke Vita Aristophanis, p. CXCIII.
5) Nubes 553 sqq. |
% Schol. }. I, Obwohl Kratinos ihm hierin beiftimmte: Schol
quitt. 529.
2% Thukybdides. Kap. 10,
ganze Phantafie war mehr an die Wirklichkeit gefeſſelt: 1
rend Ariſtophanes 3. B. in feinen Nittern dem Kleon j
felbfterfinidenen Wurſthändler gegenüberftellt , vieleicht
kühnſte und geiftwollfte Gebilde der Fomifchen Dichtung ü
haupt; fo fheint in Eupolis Marikas dee Demagoge Sy
bolos nur von feinem wirklichen Geguer, dem Nikias,
kämpft worden zu fein, der für die Komödie wohl nicht
ſonders geeignet war !), Auch qn Feinheit, glaube ich, fi
er dent Ariftophanes nah, Wenigſtens den Sokrates ſch
er mehr geradezu injuriirt, als eigentlich perfiflirt zu haben
In einem feiner früheften Stüde, den Profpaltiern, w
Eupolis die Prozeßwuth des athenifchen Volkes züchtigte, ı
er noch gar Manches von der Rohheit der altmegarif
Schule beibehalten Haben, wie Ariſtophanes ihm vorwirft
und er felbit nicht undentlich eingeftanden hatt). Zu gli
Zeit aber fche ich aus den Fragmenten feiner Schmeichler,
Eupolis ſchon weit mehr in's Allgemeine hinein ethifiet ba
muß, als Ariſtophaues; infofern aljo der menandeifchen |
mödie näher ficht. Dazu fommt noch, wie Platonios !
fihert, daß Eupolis auch der Parabafe, jenem Kerne des
tern Luſtſpiels, viel weniger Raum vergönnt hat, als
Frühern 5). — BZwifchen diefen Gegenfägen nun des Eup
und des Kratinos feheint Ariftophaned in der ſchönſten D
zu ſtehen. Mit der Rauhheit, dem euer des Kratinos ıı
er die Grazie des Eupelis zu verbinden. Seine Compoſi
ijt gelungener, als Die des Kratinos, feine Polemik wir
u nn — — —
ı) Th. Bergk Commenlatt. p. 355 809.
2) Schol. Nubes 97. 179. Bol. das Fragment bei Olymp
dor 3. Platon’s Phädon c. N.
3) Nubes 358: Schol.
4) Bal. Th. Bergk 1. 1. p. 359.
5) Platonius De charact. com,
F. 1. Literarifche Stellung bed Arifiophanes im Allg. 299
er, als die des Eupolis. Hat auch die Vorſehung den
roͤßten Theil der ältern Komödie untergehen laſſen, fo ſcheint
e doch den beſten Theil erhalten zu Haben. | |
Man Hat neuerdings verfucht, den Ariitophanes zu einem
Vengbegelianer zu ftempeln, eine Menge von Pfeudophilofos
hemen und Gefchichtöverbrehungen, - wie fie Die, auögeartete
ſche Schule zur Welt bringt, unſerm großen Dichter uns
chieben. in folches Unternehmen richtet fich felbit. Mit
Bigleich höherm Talente Hat andererſeits der vortreffliche Ue⸗
eſetzer des attifchen Dramas, -3. ©. Droyfen, den Ari
es als einen geiftwollen Roue gefchildert, einen Mann
Grundſätze, ohne Barteiftellimg, ohne Vaterlandsliebe,
Gottesfurcht 1), aber ſprudelnd von kecker Genialität und
en fähig, das Gemeinſte durch den Zauber ſeiner
bmg zu verklären. Droyſen bat ſich nicht geſcheut, den
phanes mit dem Juden H. Heine zu vergleichen I —
wollte verkennen, daß einige Wahrheit Hierbei zu
de liegt? Eine tiefere Betrachtung, meiñe ich gleichwohl,
den Ariſtophanes aufſaſſen als einen der nächſten Geiſtes⸗
andten des Thukydides.
Wie Thukydides die Hiſtorie, von Schwank und Mythe
t, auf ihr eigentliches Gebiet herüber zog: ſo rühmt ſich
phanes, die Komödie von ſpießbürgerlichen und ſagen⸗
u Stoffen abgewandt zu haben 3). Wie Thukydides nur
j
1) BDroyfen Ueberfegung bes Ariftophanes: Th. 1I, S. 263. Th.2,
L 303. Th. 3, ©. 12 ff.
iD Sn feiner bekannten Schrift Über die Vögel des Ariftophanes
den Prozeß der Hermokopiden.
3%) Pax 723 sqq. Noch Kratinos fehrieb ein Stüd, ’Odvoseis,
N ganz eine zum Theil wörtliche, oft fogar hexametriſche Parodie der
ifhen Kyklopeia war. Nach Th. Bergk's gelungener Vermu⸗
* in derſelben Zeit, wo das Geſetz des Morychides feinem höhern
312 Ahufyoloed. Kap. 10.
. Eben deßhalb aber bleibt es dem Ariſtophanes auch
lich, ungetrübt durch Parteieifer, den reinſten und aufı
fin Patriotis mus an den Tag zu legen. Am deutl
wohl in den Fröſchen. Wie unvergleichlich weiß ex bie,
tee Der wachſenden Bedrängniß deB Staates, die. Partien.
Mäßigung und zur Eintracht zu ermahnen! ine:
Ammneſtie foll erlaffen werden. Wenn man bie. Sklaven fie
zu Bingen mache, die in einer einzigen Schlacht ſich m
gehalten: wie könne man da um eined. einzigen Tehltriti uk
len fo niele Bürger zu Atinien machen,. deren Bäter-ddk
vielen Schlachten ſich groß gezeigt (686 fi.) I — In frädeh
befieen Zeiten Hatte Ariſtophanes befländig dem Alkibiebei ge
ponirt: ſchon die Zechbrüder Hatten biefen mitgenommen; #
den Acharnern wird ex geradezu als geſchwätziger Wilix
verhöhnt 1). Jetzt waren die Verhältniſſe andere geworden
Seiner. frühern Verbindung mit Dligarchen und ELakedämen
ern hatte. Alkibiades unwiderruflich entſagt; jetzt kam ed M
Athen vornehmlich auf einen ſtarken Arm an, der das niche
Verderben beſeitigen konnte. Als in den Fröſchen daher cñ
Gutachten eingeholt wird über den Alkibiades, da Außer M
Euripides freilich, der Vertreter alles Neumodigen, Gets
fenen in der Poefle, noch fortwährend fehr erbittert übe W
ehemaligen Frevelthaten deſſelben; Aefchylos Dagegen, dar oe
nige Repräfentant alles Bewährten und Vortrefflichen in.
Kunſt wie im Lehen, giebt feinen Ratbfchlag dahin ab:.
Den Löweniprößling nähre man nicht in der Stadt. “
Ward er genährt‘ ſchon, — feiner Art dann füget Euch (1427)
Kann ein Nichthiftoriker in edlerem Sinne über den Bares
fichen ?
Mir haben ſchon früher bemerft, daß jedes Urtheil ik
den Werth eines Staates, einer Kunſtperiode u. ſ. w., b
1) Auch im Zriphales nod), wie es fheint, Olymp. 90, 2
5.2. Parteiſtellung des Melfophanes. 2301
ſich überall mehr auf: die Gemeinheiten des Lebens einlaſ⸗
kann, ja einlaſſen muß, find fie. Hauptzweck. Zapudia
rev 5 Ev ueom Aaud xarnyugie Aalyovr. Önwoolevarg,t).
In jedem Staate und zu jeher. Zeit, we überhaupt poli-
bed Lehen exiſtirt, wird fich eine progreſſive und eine gons
bative Partei unterfcheiden Tajjen.: :. Jene, will die Blüthe
’ Staates möglichſt schnell herbeiführen, dieſe den Verfall -
ſelben möglichſt lange hinausſchieben. Selbſt dag Sinken
egt die erſte Partei noch als Steigen, ſelbſt das Steigen
letzte ſchon als Sinken zu betrachten. . Auf dem Höhe⸗
ukte der Volksentwicklung pflegen ſie beide ein heilſanies
leichgewicht zu halten. — Da kann es nun befremden, daß
e drei großen Komiker, fo. weit ſich ihre Parteirichtung deut⸗
> werfolgen laßt, entfchieben zur confervatinen Seite
hören. Beim Ariſtophanes und. Eupolis. wird Die Erklärung
cht: dieſe Männer ſehen den’ Staat, ı die Kunſt su ſ. w.
Wahrheit verfallenz. kein Wunder alſo, daß ſie den Urſa⸗
1, den Symptomen des Verfalls entgegentreten. Beim
atinos liegt allerdings ein Irrthum ‚zu Grunde 2). Alleiu,
e ich jchon. früher: bemerkt, fo wird Die conſequente Ausbil⸗
ng des demokratiſchen Staates, ‚mit jeiner Einheit der Win>
tonie, feiner. Sfeichheit aber mathematiſchen Rückſichtsloſig⸗
t, deiner Stärke aber büreaukratiſchen Verwicklung,“ fir
etiſche Gemüther leicht etwas Abſtoßendes haben. NRecbenher
es von einem Komiker wohl kaunm zu erwarten, Ddaß cry
va Selbſterlebtes fo. fleckenlos hätte finden ſollen, Dem
miler! wird von “en, was er m FE wie. und Une
15. 2 NAR
nn *
1) 1. Bekkeri Anecdota :, Vol, II, Pr. 241,
2) In Kratinds Illovrow, worin ein oldenes Beitalter phanta=
ch ausgemalt wurde, kamen deutliche zen geben auf den freigebigen
d conjervativen Kimon vor. Auch in-’deh J— wurde derſelbe
mon bis in bie Wolken erhoben.
302 Thukydides. Kap. 10.
ften die fehlerhafte, Die lächerliche Seite in's Auge fallen; nik
alles Menſchliche Hat feine Lächerliche Seite. Die
genbeit natürlich muß ihm deſto rofiger ſcheinen. |
Auch Ariſtophanes ift entihieden confer
tiv. Es giebt in bee That faft keinen einzigen bedeutende
Führer der liberalen Seite, den er nicht angegrifk
hätte. Schon feine Babylonier Haben es mit dem Eifel
zu thun, jenem angefchenen Demagogen, der nach Peril
und vor Klcon eine Zeit lang den Staat verwaltete 1). Da
find. die Ritter bekanntlich mit der größten Heftigkeit und I
feinften Boöbeit zugleich gegen Kleon gerichtet, .-eben -dama
wo die Eroberung von Sphalteria ihn auf den Gipfel le
Volksgunſt erhoben Hatte Mit welcher Verachtung ke:
belt er den Kleonymos, den Hyperbolos 2)1 Selbſt in a:
Fröſchen noch, alfo unmittelbar vor dem Ausgauge des ya
ponueſiſchen Krieges, wird der Volksreduer Kleophon weg
feiner Robheit, feiner. fchlecgten Sprache, - feiner thrakiſchag⸗
Abkunft verhöhnt 3): ja, dem Aeſchylos, der zur Oberwhg
heinikehrt, um das verwirrte Athen wieder in Ordnung 34
bringen, dem Aefchylos wird ein Strick mitgegeben, als pe
ſendes Ehrengefchent für den Kleophon I — . Auch die kb
terſten Berfolgungen konnten Ariitophanes Eifer nicht bi.
fühlen. - Schon die Babylonier Hatten, wenn auch sicht da
Verfaſſer felbft, doch den Didaskalos des: Stüdes, Kallitw
tos, in Feine geringe Gefahr geſetzt. Ariſtophanes hatte We]
Bundesgenoſſen der Athener, unter der Maske babylomiſche
Sklaven, als Mühlknechte dargeſtellt, die ſich in. Extra
Dienſte abarbeiteten. Nun war dieſes Stück gerade an dat
J
— — — — — — — —
1) Bol. Equitt. 129 80q. Schol.
2) Acharn. 840 saq. Thesmoph. 830 sqaq.
3) Ranae 678 sqq. Bgl. ſchon Thesmopl. 505.
4) Ranae 1541 Schol.
6. 2. Parteiſtellung des Ariſtophanes. 305
nyſien gegeben: morben, wo fh die Bundesgenoſſen zur
eferimg des Tributes in Athen zu verſammeln pflegten.
warf denn Kleon dem Kalliſtratos vor, daß er der Bund
n fein Oberhaupt aufzuhetzen geſucht. Die Sache kam
den Senat, und der Verfolgte entging dem Verderben
mit genauer Noth ). Die Ritter konnten dem Ariſtopha⸗
weil fie zu ſehr mit Beifall aufgerionmen waren, wis
elbar frei keine Verfolgung zuzichen. Deſto mehr aber
elbar. Der Dichtet ſelbſt beklagt fich in den Wespen
ber; umd es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß Kleon's wie⸗
olte Angriffe auf die bürgerliche Legitumität des Ariſtopha⸗
ſeiner Aufreizung in den Rittern ihr Daſein verdanken 2).
Die ſicherſte Stütze gegen ſolche Gefahren ſcheint Ariſte⸗
red bei ben Führren der conſervativen Partei gefunden zu
n. Schon on die Acharner zeigen‘ maucherlei Spuren
bindung des Dichters mit dan Rittätfliande>):.
Rittern wird derfelbe Stand förmlich als Chor: —
die Didadkalie verſichert, der, Chor ſei pn Volkswegen
UUt worden. VBermuthlich wagte Born. einzelner :Chorege,
Zorn des gewaltigen Kleon auf ſich zu laden. - Die Nite
yaft als ſolche mochte eine Aufführung dnuoolg durchſetzen:
man auch. bon tier Beſchafſenheit dieſer Choregie näher
® . .. [1 Er
.2221 site 33. Ze Bar a SE Dad BE Er . Er srep,e
J uf tn Fer Bu vum
i . . Pa Bei ’ . PP Tau u ..
) Acharn. 399 'sqq. 501 sag. 630 sqd.’"Schor. "wet. BICh
Dionyften und enden: &. 68. Fi'Braiikle Vita’ Aristopliahle
OXL sqq. —., Gonderbar, bag Drroyienys;hen:fonft:fs freifinnige
len, in dieſer Anklage Nichts zu tabeln findet: Ariftophanes, meint
ıbe allerdings den Unterthanen gegenüber die Politil der Regiernng
verdächtigen dürfen (Ariftophanes Werke: Th. 2, ©. 291). Sollte
iefer Marime wohl irgend welche Preßfreiheit dieß ngthwendige
nt jeder gemäßigten Demokratie, vereinbar ſein?
) Vespae1234sqq. Anonym, V. Aristoph.. Bol F-Ranke
p. CCXLVIII.
) Acharn. 5 qq. 300 sad. | fl
30A Thukydides. Kap. 10.
denken möge 1). Allein mer find Hefe Ritter? wirklich
zweite Klaſſe des ſoloniſchen, längſt veralteten Steuercen
wie die Hypotheſis am Schluſſe behauptet? Ach trete v
kommen der glücklichen Erörterung von Droyſen bei 2), ı
cher. in Ariſtophanes Rittern die ſtehende Reiterei des ath
fchen, Staates ſucht. Dieſer Reiterdienſt war bekannilich |
Art von Liturgie der vornehmſten uud vegülertſten Juge
Wenn auch alljährlich eine neue Zuſgunmenſetzung des gar
Corps erfolgte, ſo mußte ſich doch ein qriſtokratiſcher Stan)
geiſt mm fo unxvermiidlicher einſchleichen, je geringer am 6
die Auswahl, je häufiger und glänzender die Zuſaumenkü
waren. Wir werden tiefer. unten die brdeutfame, Rolle ken
Ionen, , welche Diefer Ritterſitand ſchou zu. Anfange des p
ponneſiſchen Krieges ſpielt. Wie er. hauptfachlich am €
des, Krieges die, Oligarchenherrſchaft verbereitet und getee
bat, iſt allgeueinhinn bekanut. An dieſe Ritter aa fein
eiflaphanet vorzugsweiſe gelehnt zu Haken 3)...
Indeſſen find:es nicht ſowohl Die: —— die Pari
ſabn denen Ariſtophanes Freund oder Feind iſt: mein,
find ihre Grundſätze und Beſtrebungen.“iHicr ſieht er ſch
trotz dent: Beſten Hiſtoriker. Sch will: die Hauptpunkte an
rar: Unter. aller Volkern pflegt der andbau etwas (
ſervatives, Ariſtokratiſches zu beſitzen: stabilissimus est,
der alte Cato ſpricht. Die einfache Regelmäßigkeit ſeinet
ſchäfte beſchränkt, den Geſichtokreißg überhaupt; feine jr
Abhängigkeit wa De. Hatıre gewöhnt auch, in, menschlichen $
gen an Suberbinationz ſeine Gebundenheit an die Scholl
nn. — ut aiLEE |
9 War Drogfen, Ariſtophänes Weite! Th. 2, &: 307
I.U0D. Th. 2, 9. 979 ff.
3) Vgl. die directe Empfehlung ber xudoi xay adol in den 5
18 fi
5. 2. Parteiſtellung des Ariſtophanes. 308
Dt größere Verſammlungen ein Hinderniß i). Deſto bewegli⸗
Be und progreſſiver iſt dee Gewerbfleiß: nur: wo Städtewe⸗
Be, wo Induſtrie und Handel vorherrſchen, iſt ein dauernder
des extremen Demokratie. möglich. Ganz dieſelben Staats⸗
, Solon, Themiſtokles, Perikles, welche ſiufenweiſe
seine Demokratie: einführten, haben auch. ſtufenweiſe den
verbfleiß begüͤnſtigt. Unſer Ariſtophanes fit: der begeiſterte
an des Ackerbaues. Wie himeißend wird fein Redefluß
Mn Acharnern und im Frieden, mo er: die Süßigkeiten
B Banplebens ſchildert! Mit. der Rückkehr zum: Yderbau,
Ei muß auch die alte Herrlichkeit des Staates. wieder⸗
. Dagegen wird den Yührern. ber. revolutionären: Bars
: ht bloß ihre niedrige Herkunft, ihre Fremdenqualität, ſon⸗
hen ſehr auch Ihe Gewerbsbetrieb zum Vorwurfe ge⸗
Mei: dem Gufrates feine Mühle, dem Lufikles fein Vich⸗
jel, dem Kleon feine Lederfabrik, dem Hyperbolos feine
Inyen. — Eine Haupttendenz alles. helleniſchen Liberalismus
ef Befoldung der Staatsämter gerichtet, auf. Bezah⸗
Ki nsbeſondere bei‘ Berichten und. Volksverſammlungen.
pe allen Zeiten, fo iſt auch Damals bie vollfonunen
eführte Demokratie nur auf. dieſem Wege faectiſch zu ers
Wigeidefen.2). . Berifled Hatte: den Anfang gemacht, Kleon
Sieigerung des Soldes bewirkt. Ariſtophaues erklärt fi.
ehem: Dagegent.. wie unzählige: Male. verſpottet er den
einſold! mit welchem Feuer Iobpreift er: Die Zeiten des
ides, wo ein Dinger. ſich geſchämt : hätte, für bie
serwaltung Geld zu nehmen?) —Es iſt ferner im
ſentliches Bedürfniß jeder ausgebildeten Demokratie, die
—ñ—
35 ij Bol. Arist. Polit, v1, 8 IV, 6.
7) Auch bie englifchen und franzoſiſchen Radicalen haben ja von
he auf parliamentarifche Diäten gedeungen,
- 9) Eccl. 300 sqq.
20
306 Un Thukyrides. Ba:
Maſſe des Bolkes felbir:in möglicher Ausdehmmg
Verwaltung der Ger ichte Theil nehmen zu. laſſen.
nenerer Zeit den Richtercollegien der eonſervativen Staa
Geſchwornengerichte des Liberalismus gegenüberſtehen,
lakedämioniſchen Juſtiz ⸗ damals die atheniſche. Aus d
den, zumal ed: Lyſias, erſehen wir mit Schrecken,
welchen :Seade der. Prozeßchitane, des Leichtinns und |
mokratiſchen· Parteilichkeit die aiheniſche Jury etaviet ı
Eine. örtliche Richterwuth Hatte. den großen Haufen
nicht: allein: um der Beſoldung, ſondern vornehmlich au
des: Kitzels willen, fi in ſouveräner Machtvollkomment
die Richter über Leben und od, zu. fühlen. Ariſtophar
ein eigenes Stück Hiergegen nerfaht , die Wespen, rind
Herrlichiten Meiſterwerke, worin bie: tiejte Einſicht mit
tzigſten Bitterkeit gepaart gehet 2). — Auf derfelben $
fiufei, -wo ‚die unbeſchränkte Dentokratie waltet ,.. pflegt
In :Wälkern eine: ganzlicye. Bentralifieung des Staats,
ranniſcheß Vorh errſchien der Hauptſtadt über 1
tergeordneten Glieder ſtattzufinden. So war auch, Die B
führung der Athener,namentlich feit der Staatsvern
des Perikles, in eine. ſtrenge Gewaltsherrſchaft übergeg
Ariſtophanes dagegen iſt ein: warmer Vertheidiger der B
genoffen.:. Schon feine Babylanier Hatten ſich Denfelben
nommen 3.nicht. ohne ‚Gefährhe, mie wir getehen haben.
ein Hauptverbrechen wird dem Kleon ſeine Tyrannei gez
Juſeln vorgerädt 9)... Unterſeinen! eigenen Verdienſte
es der Dichter ganz beſonders hervor:, daB er zur Ger
eν UHR DH U.
ı) Man vergleiche z. B. die entſetzlichen Vectegrurdſäte,
der Rede gegen Philokrates zu Tage rommen.
2) Dal. beſonders Vespae 516 gg.
%) Equitt. 235 sqq. 1405.
Un
82. Warteiftellung des Ariſtophanes 307
5 gegen die: Wundebgentoſſen ermahnt habe H. . ME ber
dolutionüͤren Gthßd une Athen Hänge auf- das: Innigſte jes
furchtbare Propagamdalrteg zuſammten,den!es feit
Fe NRegiermngsantrittengegen die ariſtokratiſchen Mächte
Peloponneſes führte: Alleisigentlichen. Vollsredner, Ales
Gyperbolos Kleomkos 2), ..fetbft in der Außerften Bias
noch Kleophon, find: die hattnäckigen Verfechter des Krie⸗
:.wäßgeenb: vie chifervative Partei, bon Beni Gewaßigten
wie Nikias und. Laches, bis zu Den Ultras, wie Thera⸗
S und Kritias, Feder. Zeit. flr Den Frieden wirken. Hat⸗
bach: Schon: Perikles und Kimon -auf Ähnliche Weiſe ein⸗
æ*centgegengeſtanden! Ariſtophaues gehoͤrt energiſch zur
hensparieit Sin denAcharnern Sehen murd auf das Cin⸗
glichſte für den Frieden gepredigt; in der Eirent ſehen wir
I Dichter „:. vieleicht. fogar: mit praktiſchem Erfolge, dem
Ben: des Nibias unvacheiten 1. Su der Lyſiſtrata endlich,
* ausgeluſſenſten ‚Keckheitz: abermals. den Frieden das
dihema 2). Albon's: gewaltiger; Plan, ſeine Vaterſtadt
** aan. Heſlas zu machen, wird: bei Ariſtaphanes
8 .Lächeuliche. gegogen.2). Auch im Haſſengegen Lake⸗
Mn iſt ·Ariſtophanes ſehr gemäßigt. — Schon pom Ans⸗
ꝑ des Arieges. an wnes cin Lieblingsprojeet der äußer⸗
Fotenslutionäre geweſen, das ferne Sicilien anzugreifen;
Ach Aiter. dark heftigſten Widerſtande der conſervativen
= Auch hier fchon wir den Ariſtophanes in der Oppo⸗
BE: oo. ons LIBRI
Rhye Ach Ba Tem iteh
2) Pax passim.
9 Nicht minder, wie eö ſcheint, in den Laſtſchiffen, den Landleuten
DB 3nfeln.. *
4 Eaquitt. 797 sqq. — In den Wolken ‚ wie Kante ſehr fein
merkt (Vita p. CDXXXV'), wird’ das ganze Verberben bes Gtrep-
Wilden Hauſes durch bie uhfreiwillige Muffe, wie fie: der Krieg mit
i bringt, befchleunigt.
20 *
308 ¶Wyulydldes. . Rap. 10.
fition. Seine Babylonier ſchon find voll bittern Spo
gen dar Gorglad, defien neumodige Berebtfamteit |
Kriegbluſtigen den erſten Ausſchlag gab 1). Be de
großen Expedition ſchrieb er feinen Amphiaraos 2), mol
ohne Anſpielung auf den Nikias, der ja auch wider
Wiſſen den Oberbefehl hatte übernehmen müſſen; und
ich kaum bezweifle, voller Ahnungen bir Zukunft. —
nur gegen die helleniſchen Feinde iſt Ariſtophanes fo |
ti, Wo von Berfien die Rede iſt, da fprühet er vı
tionalhaß, da will er, ald einen Ableiter des innen $
alle Hellmen zum Kampfe gegen die Barbaren zufam
fen 3). : Dieſer Perſerkrieg war aber fchon in Kimon
eine PBarteifache der Conſervativen geweſen. Seit be
ſchaft des Perikles waren dergleichen Ideen eingefchlafer
erſt der völlige Sieg der oligarchiſchen Nenetion kon
wieder aufwecken. — Soll ih noch anderer Sympts
denten? Wie fo Häufig wirft er, in den Rittern Kefi
feinen ochlokratiſchen Staatemänmern zugleich die überm
Tyrannei nach unten zu und die niederträchtigfte Sc
helei: gegen das fouveräne Volt der Athener vor
Schuld freilich, die fie mit den Pöhelführern eines jeden
teö theilen. Mit welcher Entfchiedenheit verhöhnt er Die
beremancipation, die politiihe ſowohl, als bie
liche! in der Lyſiſtrata zuerft, Bald auch in den Thesr
riazufen, und als Greis noch in den Ekkleſiazuſen. Wi
ſtoteles vortrefflih bemerkt, dieſe Smaneipation der $
teifft in der Regel mit den Ausartungen feiner drei €
formen, mit der Oligarchle, der Pöbelherrſchaft oder ?
— —
1) Bel. F. Ranke Vita Aristoph. p. CCCXXXIX.
2) WBgl. die Hypotheſis zu den Vögeln.
®) gl. Acharn. 65 sqq. 105 sqq. Lysistr. 1132 sqgq. un
zählige andere Stellen.
$. 2. Barteiftellung des Ariſtophaned. 309
bi zufonımen. 1), Wenn. bie Blüthezeit des Stäates vorüber
: wenn Uebervölkerung die Shen verſpätet ımd-bie Sitten
agräbt; wenn im allgemeinen Berfalle die Minner gleich⸗
‚m Weibern werden: da pflegt. bei einer jeden Nation
B:Beib feine Heimifche Sphäre zu verlaffen, "dem. Manne
guäften, das Band. der Familie gelockert zu werden. Ari⸗
aned Hat Hier ſchärfer geſehen, als Platon:iſelbſt. —
Schilderung ſeiner eonſervativen Sinnesart mag endlich
leſſen ‚werden durch den glorreihen Kampf, : ben er in
Bolten. gegen die rätionaliftifche Auftlärung führt;
fiel andern Stüden: gegen die Verderbniſſe der. Kun;
Benffinieten Weiſen eines Phrynis ober. Kineſias bie, wer
und fittlichen Licenzen eines Euripives 2).
Wenn Ariftophanes.' ein gewöhnlicher Bortekmani —*
k wäre, ober auch nur fo befangen, wie die Parteiführen,
Parteiredner, um in. der Praris zu wirken,wenigſtens
m müflen: er hätte gewiß mit derſelben Entſchiedenheit
Wonſervativen gelobt, wie er die Gegner getadelt hat. Da
BE 28 ſich denn zunächft, wiefern die praktiſche Wirk⸗
Leit in. feiner Abſicht gelegen. Freilich. rühmt er ſich,
Verbeſſerer des Volkes zu fein, weil er deſſen Schmeichler
gt ,: und zur Gerechtigkeit gegen bie Unterihauen ermahnt
2). ı; freilich tadelt er Parteigenoſſen, wie Den: Archepto⸗
„die einem Kleon gegenüber nur Thränen, keinen BE
Baud;, Haben.‘). Ueberhaupt fcheint es Ihm unziveifelhaft,
en Poet ein Lehrer der. Erwachſenen jein müſſe: weß⸗
7
.. 4
k. unn
4) Aristot. Polit. V, 9, 6. ®gl. Guil. Roscher Dehistoricae
Deirinae apud sophistas maiores vestigiis (Gott. 1838.) p. 39 sqq.
9%. Sogar bie harmlofe Kalenderreform bes Meton ift ihm zum:
px: Nubes 607 sqq. Pax 406 sqq.
. ?) Acharn, 603 sqq.
> *% Eauitt. 322 sqq.
310. Ahukydides. Kap. 40.
halb er heniget iſt, auch von Orpheus und Muſäos
Heſiod sihd-Homer.die praktiſchen Perdienſte nachzuwe
Aber errmeiß'dodz; felbſt recht wohl, daß fo tief ger
Kraukheiten, wid’ z. B. die Prozeßwuth des athenifche
VB. duch den. Komiker nicht zu: heilen ſind 2). Au
es der Schluß feiner‘ meiſten Stücke deutlich genug be
dag. er anupuaktiſchen Eiufluß derſelben nicht: gedad
Winde sicht das EGnde der Wespen bie vorangegaugen
ral geradezu üben umiſtoßen 7 nicht in der Lyſiſtrata Di
berherrſchaft geprieſen werden? nicht: in den Vögeln. bal
vnithige Luftſchloß üſrer Menſchen, und Götter trinmphir
Keiu⸗ großer Dichter, meine ich; verfolgt praktiſche Zwe
ihrer ſelbſt willen: mit ſo ausſchließlichem Eifer. Ariſto
hätte. ſich vnzufrieden gefühlt, wenn er in einem Uto
(ebtj. on: fine Luſtſpiele wären möglich geweſen.
.Mir entdecken pielmehr bein Ariſtophaneg .eine Tor
Unparteilichhtrit, welche ganz. zu: vergleichen iſt ber
bekachteten hiſtariſchen Unparteilichkeit Des. Thukydides.
Hein Freilich iſt er feind; aber nicht ſo, daß er den
deßwegenüherſchätzte. Man betrachte nur die Anfang
der Riter. Daß er den Nikias überhaupt als komiſcht
darſtellt, würde an! ſich noch Nichth beweiſen: ſelbft ihr
linge kannn die Komödie: nur auf ihre Weiſe verher
Der groͤßte Komiker der Neuern, Cervantes, hat in
Don Quirote dad ganze Weſen des ſpaniſchen Volk
der philippifchen Zeit insbeſondere komodirt, für. die «
doch mit Wort und That begeiftert war. Wie erfcheit
der ariitophanifche Nikias? Alles, felbft das Geringfte
er thun folk, muß von dem kräftigen Demofthenes erſt
regt werden. Nikias it befcheiden (15.), waſſertrinkend
I) Ranae 1007. 1033 sqq. 1052 sqq.
2) Vespp. 650 sqq.
$. 2. Unparteillehfelt. vesNriſtophanes. 311
Kissfäcchtig (30,406): aber den Gottern verhaßi (24.);
viusfichrang freinder Plaue nilcht: ichel geeignet. IOn.) 9),
jiefurchtſam (111. 357.), zuudernd 2) ſchuelln verzag
Wi), ſchen vor dem Volle (32:75, gem ut der zwelten
ble:zufeicben (120: ff. 256) ,. im Ungluck. leicht zum Opfers
eutichlafet (80:3; —:1; Mani ficht:, Ariſtophanes: ſchruel⸗
Ki ht Auch: iſt der gauze "Gedanke: ſchon; du Rledti
e durch den: Wurſthändler beſiegt werden -fosee, scaffo: nen
imiſcheci/der ihm an- aller Att demagogiſcher Stchlochtigkes
uoch überlegen iſt, nichts weniger, ats baſonibers ehrrnvoll
ı bie’ Gouſervativen. In: ven Fiüöſchen, wo Den Demob⸗
rer Rleopbon der Stritkzugedacht / wird, horenewit zugleich
b: den: Oligarchenführer Adeimantes fitt todeswindig :rrfkite
(A313:f9.). Einige Hanpttkanen des Ariſtephareß, dit
opheimntiſche: Beredtſamkeit die verderbliche Erziehungsineiſe,
allgemelne Sittenloſigkeit Der: Zeitgewoſſen? ja Jüſſe weffen
votnehmen, reactionärtn Pubel vullkonricen Wenſoſehr
den genteinen, revolutionären: Zt. ih: den⸗Wolken Ddet
es Strepſiades wohl irgend beſſer‚als fein: Shut: an: deu
espen der junge Bdelyklern irgend Beſſer, als fein Vuter?
nd. Die Mänger in: ben Ekkleſiazuſen ihrer tollen Ehthälften
je vollkommen würdig?- - "Sor eifrig Ariſtophanes Ken: Nik
nalismus ber Sophiſten! bekämpft, ebenſo eifrig, bekämpft ex
euerwachenden Pietismus 2). Wie er endlichals Jung⸗
3 ſchon, in den Wolken gegen Sokrates .geftrittenHak;: fo
e als Greis, in den Exlleſiazuſen gegen Platon. obwohl
ſe Keiden doch recht die „Baupiphttofopfen. der, „‚poltifchen
d ri huchen Reaction Waren.
Da Pa
1.8891 Avęs 365. _ rn it Eure J He
. 9 Ibidem, 641, nr nn : 0“
3) Pax 1033 : sag. Aves Pe sun und viele andere en Auch
gen die fremden Culte ſcheinen die voren und die kemnierinnen geeifert
1 haben. ze N tet nn no A
312 Zhufybloe. Kap. 10.
. Eben deßhalb aber Bleibt es dem Ariftopfanch auch ncig
Lich , ungetrübt durch Parteleifer, den reinften und a
fin Batriotismus an den ag zu legen. Am d
wohl in dar Froöſchen. Wie unvergleichlich weiß er. bier,
ter der wachſenden Bedrängniß. des Staates, die. Parteien;
Mäßigung und zur Eintracht zu ermahnen! Bine:
Amneſtie fol erlaſſen werden. Wenn man die. Sklaven:
zu Bingen mache, die in einer einzigen Schlacht ſich
gehalten: wie könne man da um eines einzigen Kehltritkt
len fo niele Bürger zu Atinien machen,. deren Väter da
vielen Schlachten ſich groß gegeigt (686 fi.) — In
beſſern Zeiten hatte Ariſtophanes befländig dem Alkibiabei:
ponirt: ſchon die Zechbrüder Hatten Diefen mitgenommen;
den Acharnern wird er geradezu als gefchwähiger. Will
verhößnt 1). Jetzt waren die Verhältnifie anders gewerde
Seiner. früheren Verbindung mit Dligarchen und Eakedäͤmen
ern hatte. Alkibiades unwidexruflich entſagt; jetzt kam es #
Athen vornehmlich auf einen ſtarken Arm an, der ha mühk
Verderben befeitigen konnte. Als in den Fröſchen daher m
Gutachten eingeholt wirb über den Altibiades , da äußert MM
Euripides freilich, der Vertreter alles Neumodigen, Gefunk
kenen in der Poeſie, noch fortwährend fehr erbittert über di
ehemaligen Frevelthaten deſſelben; Aefchylos Dagegen, der in
nige Repräfentant alles Bewährten und Vortrefflichen in dx
Kunft wie im Lehen, giebt feinen Ratbfchlag dahin ab:.
Den Löwenfprößling nähre man nicht in ber Stadt, |
Ward er genährt ſchon, — feiner Art dann füget Euch (14275,
Kann ein NichtHiftoriker in edlerem Sinne über den PBarter
ſtehen?
Wir haben ſchon früher bemerkt, daß jedes Urtheil üb
den Werth eines Staates, einer Kunftperiode u. ſ. w. b
1) Auch im Triphales noch, wie es ſcheint, Olymp. 90, 2
5. 2. U. Anficht von der Blüthezeit Athens. 313
jt ober. unbewußt, ein früheres Urtheil über bie BLüthes
t· des Bolkes tn: Allgemeinen vorausſetzt. Wie bei This
Ddes, je bildet auch bei Ariſtophanes die vergangene Herr⸗
leit von Athen. den gemeinſamen Hintergrund feiner Werke.
ikydides, in richtiger hiſtoriſcher Erkenntniß, betrachtet: die
atauerwvaltaug· des Perikles als die. Bluͤthezeit ſeines Va⸗
mdes:c Was! hingegen den Ariſtophanes betrifft, ſo nenut
ven Perikles zwar Olympier 1), preiſet andy feine Uneigen⸗
igkeit 2) 3/ aber er ſpottet gleichwohl über ſeine großherzige
buungbablage: eig zo drov, und klagt ihn an, daß er um
ler. Huren willen den Krieg entzündet). Auch den So⸗
les ‚läßt er ‚gelten, doch ohne Begeiiterung für ihn y.
et len 2m . ep
or on en 2 ger
>. "Achern. as eqq. ⸗ * U
2 Bauie. 288 " .. A — * 3. ee 7
3) Nubes 3. Acharn. 498 sqgq.
4) Daß Ariſtophanes den Aeſchylos wirklich über Sophekles achelt
e, geht aus ben Froͤſchen hervor, nicht allein aus der Babel bes
icks im Allgemeinen, fondern aus ganz Elaren und unzweibdeutigen
Serungen im Einzelnen (787 ff. 1515 ff.). Komme doch Niemand
sit, daß Aeſchylos nur als der ſchärfſte Gegenfag zu Euripibes in
Vordergrund geichoben feil Aeſchylos bietet zwar dem Sophokles
en Ehrenfig an, aber nur aus Höflichkeit: denn V. 1518. erklärt
ihn geradezu für den’ Zweiten. Auch macht Sophokles feibft, dem
chylos gegenüber, keinerlei Anfprühe darauf; nur dem Euripides
[ er nicht nachſtehen. — Wenn deſſen ungeachtet nicht bloß NRöts
er, Sondern felbft ein Mann, wie Gervinus, jenes Wrtheil bes
flophanes hinwegdeuteln will, fo weiß ich bas nur baraus zu erklä⸗
y daß ein fo fchiefes UrtHeil bei einem fo großen Dichter und Kriti⸗
quf ben exſten Blick allerbings befremben Tann. — Der Komiker
pnichos, der feine. Mufen zugleich, wit, Ariftophanes Fröſchen gab,
» wohl in berfelben Intention gab, bat ben Sopholles richtiger bes
eilt. Er ftellte bem Guripides allerdings den Sophokles gegenüber, .
ırpocr. p. 104.), und vermuthlich zum Wortheile des Lettern
gum. Dedip, Colon.). Komiſch wirkſamer iſt aber der ſontraß
Aeſchylos ohne Zweifel geweſen.
sa... AIhukydides. Rap. 10... ©
3. Dagegen überfpringt' cx.die nächfigelegene Bergen
Themiſtokles, Myrxonides,/ der :ältere Ahıdlydides- und.
den’. „Ichwarzhintrigen? Pertreler der guten alten Zeit |
tee: Am Staatsmännern feine Lieblinge. Ueberall fe
zurück auf Den Ruhm Des, marathoniſchen Athen
De: Knahen ſchon, in ernſter Muſik und ſtreuger Gt
erzogen / Eerifch und, beſtheiden, aber geſund und. Fugen!
emporblliheten 3. wo die. Märiner kraftvoll und vier
wären ‚feine ſelbſtſüchtigen Marktſchwätzer und Gauma
dern Speer und Lanze, Helm und Harniſch und Dem fi
hen Schild des Ajas ſchnaubend 2); wo Pärynice
Biene gleich, aus Hain und Wieſen die Frucht umftı
Melodien pflückte, immerdar ſüßen Geſang ice
wo Aeſchylos, von Demeter’3 Weihen genährt %),
großartiger Stille 5), bald wie ein Löwe, ihnen
rollenden Auges und mit Donnergebrül 6), . feine Tr
ſchuf, reih an Vaterlandöliebe und erhabener Gefinnur
welchen Ares felber daherbraufte ). — Auch hier
i). Nubes.961 qq. Fu un | Rn en
2) Ranae 1013 sqq.” a
| 5 Aves 736 sqq.
9 Ranae 886 sqq.
s Ibid. 90 si nt
e). lbid. 814 ‚sqq. |
7) JIbid. 1021 sqq. — & erſcheint auch die adlden⸗ C
baar bei Ariſtophanes als ein Symbol der guten alten Zeit,
ſie doch im Gegentheil eine Tracht der noch frühern, verweichlid
riode war: Thucyd. L,6 — Daß übrigens noch in Th
Zeit gar Manche dawaren, welche den Perſerkrieg ſelbſt eriehi
erſieht man aus II, 21. Die Gefallenen von Marathon hatte d
officiell für unerreichbar erklärt (Ib. II, 34.) So fchntell‘ aud
bei Platon (Lysis p. '205.),'’Daßjenige, was be rerätgonfän
heilig gehalten, in Vergeſſenheit, ja Verachtung gerieth:-
F. 2. A. Anſicht von der Blüthezeit Athens. 318
In gentifer Kreislauf. Die Poeten, bis auf Aeſchylos her⸗
der, hatten von der älteſten Mythenzeit als von einer gol⸗
men getränmut. Bei den kleinen Komikeen ſcheint dieſe Ans
ht immer fortgedauert zu haben 1). Kratinos hatte ˖dit Dei⸗
a des Solon 2), Herodot das marathoniſche Alter (7), Thuky⸗
des das perikleiſche für den Höhepunkt der helleniſchen Ge⸗
Hehte angeſehen. Der Komiker Eupolis, dem Ariftophaned
ft näher fichehd, urtheilte hierin doch tätiger ‚ obwohl
ne Zweifel fürs die Komödie minder: geeignet. In "feinen
wen ,:: na über bie Werderhnih.:der ‚gleichzeitigen. Staates
Anner Bericht: gehalten: wurde, ſaß auch Perikles mit'nntet
Michterno an. zur. Seite Ariſteidez, Miltiades uud Soö⸗
RB); Ariſtophaues: nahm die Anſicht: des. Herodot wieder
Ef. : Auch Sokrates ſchaͤhte den Themiſtokles Über den Maris
68: jener Habe: das Volk mit Verdienſten bezaubert, dieſer
3 Suenentiverr . — weüer geht Jeotraten But:
kehpertoos —A 275 IF Ion 7 f: Be ur 5
on boch bis uf Beriöfthenes peräb And (päter noch vorzugsweile ſtolz
af die Tropäen udn Marathon (Demo sch’ Pro . cor. p. 29. Plüc.
le glor. Ah" Bol. oben '&. 232 na
9 In rates Thieren z. B. war kei üreontfäe Zuſtand düsge-
Kite, wo bie Thiete noch mit menfchlicher Bernunft, menſchlicher Hebe
egabt finds wo es weder Herren noch Knechte glebt, ſondern Alles von
Abſt dem hungerigen Munde zuwächſtz3. wo das Fleiſcheſſen ſogar ip
noͤlicher unſchuld für Sünde gilt. Ganz ähnlich Pherekrates in ſeiner
herbannung des Gelbes, ‘wo nachher alsdann jene: alte’ Herrlichkeit‘ zu⸗
Ackkehrt. Auch: Zeleklibes in feinen Amppiltyonen. Athenaeus VI,
. 268.
3) Dieß erhellt namentlich aus den Kragmenten feiner Mono. Auch
2 den Xeipwres wurde kein Anderer, als Solon, aus der Unterwelt
eraufbefchworen, tum bie entarteten Beitgensffen zu beſchämen.
3) Longin: xvr; 6. Stob. XLUN, p. 163: dgl. Valcke-
aer Diatr. Eirip. P. 252. *
4) Xenoph. Memor. II, 6, 13. 1m, 62
v —24
316 Thufyoives. Kap. 10:
ihm fcheint die Dlüthenperiode von Athen in die Zeiten
Kleiſthenes und Solon zu fallen). .Seine Schüler
ſowie Die Philoſophen nach Sokrates, reden geradezu
vom kroniſchen Alter 2). -
8. 3.
Poetifche Methode des Ariſtophanes. "u
An geiſtvoller Auffaſſung menſchlicher Char
tere fteht Ariſtophanes kaum hinter Thukydides zurüd,
betrachte nur feine meiſterhafte Schilberung des Nikias
Demoſthenes in den Rittern! Nikias erſcheint bier unter.
dern als in unglücklichen Verhältniſſen Leicht zum Opfetet
entſchloſſen (80.). Welch eine wunderbare Divination | Wi
im ſyrakuſiſchen Kriege nur allzu ſehr beitätigt wurde. Un
fo wunderbarer, als Nikias zu der Zeit, wo bie Mitter. gap
ben wurden, immer noch feines Glückes wegen berikel
war.
Wenn aber auch Beide, Poet und Hiſtoriker, mit geh:
her Schärfe beobachteten, fo mußte die Verſchiedenheit ik k
Naturells und ihrer Lünftlerifchen Abficht doch ihre Darftels
lung durchaus verfchieden machen. Nur bei den Nebenpeie
nen wendet Ariftophanes jene Beinahe Hiftorifche Treue. m:
offenbar, weil ex für fie am wenigſten poetifche® Intereſſe be
ſaß. Seine Hauptperfonen dagegen find Weſen, mie fie mie
mals gelebt haben, wie fie auch in der wirklichen Welt nit
leben koͤnnen, für bie aber der Genius des Dichters eine & F
1) In ber areopagitifchen und panathenäifchen Mebe.
2) Meber die platonifchen Zeiten der Atlantis findet man bekannk
lich im Kritias, Timäos und Politikos Auffchluß. Ueber ben Dikäor
chos vgl. Porphyr. De abst. IV, 2. Hieronym. Tom. IX
p. 230.
$. 3. Portfge Weifobe.bes Ariſtehanes. 347
e Welt geichaften bat, wo fie lebendig und umenibehrlich
d. Dieß iſt jene poetiiche Einfeitigkeit und Verſchärfung
: Sauptzüge, deren ich in den Prolegomenen gedacht Habe !). _
ee Poet kann fie wagen, weil Congruenz mit der Wirklich
t ihm Fein Bedürfniß iſt. Ariſtophanes fcheut fih z. B
rchaus nicht, auf das Haupt ſeiner Perſonen Alles zuſam⸗
auuhäufen, mad er Aehnliches oder ſcheinbar Aehnliches
erhaupt nur aufbringen kann. So trägt er u. A. auf ſei⸗
w Kleon Alles über, mas ex irgend nur am Demagogen⸗
zıde bemerkt hat. Wenn er daher auf den Hyperbolos
kunt, dem ex doch nicht weniger gram tft, fo bat er dafür
me Farbe mehr. : Sie war beim Kleon verbraucht worben 2).
Wie von einem Komiker leicht begreiflich tft, fo überſchätzt
den pragmatifchen Einfluß der Individuen, um deſto beſſer
gen fie eifern. zu können. Die Verderbniß des. Volles
yeint ihm nur Mißleitung, und ex nerliindigt fogar mit ‚bes
Denswerther Zuverſicht, wäre nur. Kleon erſt abgefeht, ſo
ürde bald eine Zeit der Miltiades und. Arifteives wiederkeh⸗
ws). Späterhin jedoch, als die Erfahrung ihn von. dem
fern Sie des Uebels belchrt hatte, da läßt er in ber Une
rwelt den ſophiſtiſchen Euripineß freilich ‚zur Rettung des
) Oben 6.3. U
2) Bgl. Pax 664. — Mein verehrungswürdiger Freund, F.
ante, macht mich auf die mancherlei factiſchen Widerſprüche aufmerk⸗
m, die u. A. in ben Wollen zu finden find. So z. B., daß Sokrates
e Geld unterrichtet, ſogar ſtiehlt, und doch in (dmusiger Armuth
bt. Solche factiſche Widerſprüche, wenn fie nur poetifch eine Conſo⸗
nz bilden, find. von großen Dichtern niemals verſchmähet worden.
h erinnere an die Mordnacht im Macheth, die in ber erſten und zweis
a Scene bes zweiten Aufzuges ald todtenftill, in der dritten fchon als
rchtbar flürmifch gefchitdert wird, ganz wie es den jebesmaligen Zwe⸗
a bes Poeten dienlich if. Wal. auch Aesch. Eumenid. 244 sqq.
t der Erklaͤrung meines Freundes Fr. Wieſeler.
3) Equitt. 1322 qq. 1353 sqq.
318 ukydides. Kap. 10,
Landes nur eine Anderung der Beamten fordern, ben wei
Aeſchylos aber verlangen: - 4
Daß Feindes Rand fie achten ſollen fuͤr eigenes Land,
Und eigenes Land für Feindes Land; in der Flotte nur
Ihren Reichtum fehen, im Neichthume ihre Armut nur h |
Alfo eine vollkommene Nepriftinirung des ganzen Wolke
rakters! — Dan Hat die fonderbarften Öypotbefen erkadiige
um Ariſtophanes Verfahren gegen Sokrates zu’. rechtfertigt
Wie konnte er nur, ſo fragt man, die eigenthinnlichiten Ah
ker der. Sophiſten ihrem entfchiebeniten. Gegner zur Laft Ieg
Weil er nicht bloß. die Sophiften verhöhnen wollte, fontapk:
auch die Philojophen. Darum Hat. ex: Alles dort mit unfeiek
licher Komik zuſammengeleſen, was der nichtphiloſophiſche Dank
ſtand gegen den philoſophiſchen überhaupt vorbringen Tony,
was er vorbringen wird, fo Lange: Die: Menfchen Menjqe
Bleiben 2), Dei einem. Hifkoriker würde jede Vermiſchung ie
Art unverzeihlich fein.” Don. den Hiſtoriker darf ich ford R
daß er zwar einerfeit? dem Ariitophanes: fein Gelächter nad }
empfinden, andererſeits aber auch dem Sokrates feine Spew },
Iation nachdenken, fie von Sophismen unterſcheiden könne. — 1:
Weil nun der Komiker nirgendd die treue Wirklichkeit feine
Schilderungen pofitiv behauptet, fo war es ihm ziemlich e
nerlei, ob fein Sokrates mit den Sohne des Sophroniskel
1) Ranae 1442 sqq. Auch fein gänzlich verändertes Urtheil ühn
den tapfern Lamachos Tann als Beweis dienen, wie gern unfer Dichte
zum MWiderrufe früherer Irrthümer zu bewegen war: Thesmöph. Bi
sqg. Ranäe 1031 sqq. '
2) Alſo wefentlich derſchieden z. B. von Ericharmos, der zwar
auch den Herakleitos und die Eleaten verſpottete, aber doc, wohl nu
vom Standpunkte feiner eigenen Philofophie, der. pothagoreifchen , aus F'
Vgl. Aristot. Metaph. II, p. 79. ‚Br. Grysar De Doriess
comoed. p. 115 sq. '
$. 3. Woeuſtche Mnthode vSes: Ariſtophanes· OL
reinſtimmts. ti Hier wäre nur etwa. die Rechtsfratge Abrig⸗
eine ſolche komiſche Freiheit vielleicht: VBerlrumdung · Heften
ne. Davon: ſeheu ich ganz ab; :bapiiitifiophaned;,’ Dee
ge, Komddien nur gegen dienbedeutendſten Männer: fciytiek,
m durch feiner Auswahl den Sokrates fie den erſten Philo⸗
ben ber. Beitzerllärte. "Wer: aber den ariſtophaniſchen It
friner eniſchiedenen Sutmüthigkeit. Bennen - gelernt. N).,7, ua
eigene Urtheil der Sokraliker gehtet dt Ir dem. wird ae
twort nicht eben. fchiner fallen: °
2MOierariſtephemiſche —* iR. in. —8* ‚Ders
Yinften Komödien außerordentlich: oonſtant und einfach. YLyes
in ein: Wil; ‚eine. ſcharffinnige Vergleichung pflegt zu Grunde
liegen. Ariftophanes bahnt Sich hiermit den Wegiiansiner
meinen. Wirklichkeit in eine idealiſirte, d. h. völlig verkehrte
elt, die et mun mit der: größten Conſequenz der wirklichen
et. parallel aufzubcuen fucht. Seine reiche Phaniaſie ver⸗
dert dabei, Zdaß: der urſprüngliche Witz durch: die Minds
jrung ſchalwird. — So lagı eb z.B. ſehr nahe,: We
belhaften n ſchnelb· wechſelnden Philoſopheme jener Zeit mit
0 Idemn: zur verglächen. DieſenWitz Hält. Ariſtopha⸗
B nt Ber nänpenften Strenge Tel. ru. ug,” daß *
TE) ur hr
1 Tllf ums BR Te in)
' Ku 3 a Vor EN Tas re A Der BEE TR.
1) "Gupotie ‚Teint: bem. —* in, kurzen Worten, und hoch. vlel
terer gehöhnt zu. Haben, -ald Ariftephanes in den ganzen: Wolken «
. Schol. Nubes 97. 179. - — Für die Gerechtigk⸗ it der ariſtoybani⸗
in. Wollen vgl⸗ hauptſachtih die ebenfo gelftvolten; als gründlichen Un-
ſuchungenvon: g. cn Er Am ter Mile, PICDXXWLsqg;, befand
& bie fhäng Stelle p- GDEXRNIU. Himpbi: ante. sit Aecht ciach⸗
tft, baß — Anſicht über Sokrates immer dieſelbe geblieben:
res 1280 sqq. 1553 sqq. Ranae 1482 800.
3) Platon's Erwähnungen in ber Apolq e ſind in der That ſehr
mäßigt; der kleine Stich im Sympoſion —— (p. 221. B) offenbar
cht boſe gemeint. Vgl. Ed. Maul ler Geſch. der Thedrie ber Kunſte
9.1, &. 218. er ad FE BE 777 .
320 Spufgbtoet. Rap. 10.
die meiſten Naturphänomene aus den Wolken zu
weiß : auch feine Verheißungen, feine Drohungen an bie Ki
ner Haben ſämmtlich mit den Wollen zu thun2). — 9—
ganze Acharnerk omödie beruhet auf Einem Wige |
herrlich wäre e8 doch, weil Die Athene mu einmal nit m
Im, wenn ich allein fie meine Berfon mit den Lakedaͤrn
ern: Frieden fchlöffel Die chimärifche Idee eines ſolchen
zelfriedens wird nun mit der Inftigften Conſequenz durch
Hauptverhältniſſe des wirklichen Lebens durchgeführt: in ih
Gegenſatze mit der befichenden Politik, in ihrem heftigen €
fliete mit den biedern Acharnern, in ihren fegendreichen A
gen für den Friedensſtifter ſelbſt, während vingöuue |
Drangſale des Krieges fortwüthen. |
Am deutlichſten läßt ſich Dich Verfahren in —
Srieden verfolgen. Irgend eine verunglüdte Belleropf
teagödie, vermuthlich die des Euripides A); muß ben 2
phanes veranlaßt haben, den Pegaſos des ——*
einem. Roßkäfer zu vergleichen. Der ganze. Staat war dam
in der Heftigften Spannung : fol der Krieg: fortgefeht, f
der Friede gefchloffen werden? Da fällt dem Komiker Ari:
iwie, wenn es möglich wäre, die Friedensgöttin felbit, Mg.
mitſammt ihrem Gefolge irgendiwo verftedt fein muß,
Himmel wieder herabzuholen? ine glüdliche Combinat
bietet fofort den Roßkäfer als Werkzeug dar. Der ehrlih
Trygäos ſteigt auf feinem Roßkäfer gen Himmel, den Zah
perfönlich um Frieden zu Bitten, Die unſaubere Natır Mi
Käfers giebt zu den fehnurrigften Ideen Veranlafjung. G
bei Eröffnung der Bühne fehen wir die Sklaven de Teygle
befchäftigt, dem Ungethüme unter Ach und Weh Mifttuhei
E
1) Nubes 575 sqq. 1114 qq.
2) Obwohl der euripibeifche Bellerophon ſchon in den Wespen be
rührt wirb: Schol. Vespp. 789. gl. übrigens Schol. Pac, 147.
$. 3. Woetiſche Methode des: Weiftophand. TEL
neben. :: Wie Tryglos euwporſtiegt, "fo beſchwiet er all⸗
Warner, ihre: Abtritte zu verſchließen, und tpt: Theatet fu
großten Anſtand zu besbachten, Damit: fein Kifer durch
GSeruch nicht irre werde (96 ff. 164 fſ.).. Denn; ein
w wortheil diefes Kaferrities beſteht eben darin, daß “wer
ter nur für ſich, alſo nur einfache Rationen mitzunchmen
witz wenn er ſelbſt fie. verdauet, Können: die Ereremente
. alg Nahrung des Roſſes dienen (137 ff.). Lehrt :doch
ne: Die:ſopiſche Kabel, daß der Miſikäfer allein wow allen
Bern. Geflügel zu. den Göttern emporgedrungen (129.5:
Ate Trygüod: ja. bei feinem Fluge in's Meer. fallen,n fo
werben: Käfer immer noch: als naxiſches Aäferhont :Txdm
Sog} :geisauchen, zumal der Peirüeus mit ſeiner Kaferbucht
Kezgou Ayızv) in der Mühe iſt (142 ff.). Als Trygäos zu⸗
uſeinen Zweck im. Simmel erreicht hat, bleibt. fein Käfer,
encer jetzt nicht mehr bedarf, aus dent paſſendſten Gruude
lare er foll von nun an: den. Blitzwagen des Zeus. führen,
y mit den annroſiſchen Ereromenten tes: ſüßen Garquedes
lihrt werben ).
Die Extreme ahren ſich. Weil Aniephan⸗ Moe
ihren Füßen fo oft: in der pfatteften Gemeinhelt des Le⸗
Biwmberwatet, : fo. muß. fle -fich mit dem Haupte dafür zu
€ deſto huftigern Ideal ität emporſchwingen. Ariſtopha⸗
wie die altattifche Komödie Überhaupt, hat hie. Idealiſi⸗
I, die Vermenſchlichung der materialen Welt zu einem vlel
cn Stade. gebracht, als die Tragödie, wenigſtens unmittel⸗
3 degend gedurft hätte. Nie würde ein Tragiker die Kühnheit
xa ſeinen Chor aus Wolken, aus Wespen, aus Bögeln, aus
iſchen, aus Luſtſchiffen zuſemmenzuſetzen. — Doch 'will der
— —
1) 722 ff. Bol. auch die geiſtvoll durchgearbeiteten Späße von
Mörfer dos Reiegsbänson 236 m unb von ben Reigen‘ der ſchönen
via (874 .)..
21
Ba hulydides. Kap. 10.
Am anffallendften wird der Ahſtich zwiſchen: beiden Maͤnnn
da, wo ſie die Geſchichte der Hermokopiden berühren.
welcher Zartheit umgeht hier Thukydides das ſchmutige
tail dieſes Vorfalles 1), das Ariſtophanes unigekehrt fo n
gefällig zu benutzen weiß YI Ich habe daher oben: das ld
riechende Beiſpiel des Trygäos abſichtlich ausgewählt.
ben. Ariſtophanes malen will, muß durchaus auch von Mai
Barbe einige Pinſelſtriche hinzuſetzen. Man ifieht hie il
deutlich, daß der Begrifi. des Poetiſchen keineswegeb an d
Gegenſtänden ſelbſt, fondern. einzig nur. an der menſchlie
Behandlungsweiſe derſelben haftet. Wer irgend Sim hut ſu
komiſche Poeſie, der: wird eingeſtehen müſſen, daß Ariſterie
sueß das: Unſauberſte im? Leben zu ebenſo herrlichen Effecten ie
Aukt, wie wohl andere Dichter das Erhabenſte oder. Suͤßckt
1 ne.
3, Phueyd. VI,
5 Lysist. 1102 sqq. nn
Viſtes Kapitel. |
erade de ara.
PR a D . - « " .. 2* ra u... t. Dr
Fi: 224 ⸗ [ — u . " een u... " . " er 1
nie: LEO nel Be EL Par 7— er
En feiner Sprafe iſt Xhukyoider dem Seprhrele ſo
Be verwandt, wie der groͤßte Hiſtoriker dem größten‘ Dichter
E fein Yatın. Ein leider verloren gegangenes Büchlehr, wel⸗
8 Sophokles über feine eigene Entwicklungsgeſchichte abge⸗
Et, ſagte von ihm ſelber aus, ; ex habe drei verſchiedene Stil⸗
toben durchgenacht: zuerſt eine ſchwülſtige nach Aeſchytot
eiſe, darauf eine herbe, kunſtliche, wm zuletzt huf vie heſte
dzur Charakterſchilderung geeigneiſte Überzugehen'Y. "Die
Eiigone, das früheſte feiner aufbewahrten Stuͤcke, auch durch
Ißern Bilderreichthum, ſtrengere Naturwahrheit 3) als ein
Jendliches Werk bezeichnet, erinnert noch gar lebhaft an die
Site jener Perioden. Thukydides Schreibart möchte zwiſchen
3 zweiten und Tegten etwa in ber Mitte Beben. — Ein an⸗
i Ich habe dieſes Kapitel hierher geſetzt, weil ich Überhaupt 35
einung bin, daß die Sprache eines Schriftftellers dann erſt Gegenflanb
schtbarer Betrachtungen werben kann, wenn man zuvor bie beige
rhältniffe feines Geiftes genau erforicht hat. nr
2) Plut. Prof. virt. 7.
3) Die namentlich in der Rede bes Boten hervortritt.
>24 Thutvodwes. Kap. 10.
5 Ende ber Menſchenwelt geruickt; vollkommen vorb
m die Tomifchen Wunder der Vogelwelt einzutreten. :
Sie Stimmung, :welche dem ganzen Stücke zu €
Keje, iſt das Äbermtüthige Gefühl der atheniſchen Mad
ihrer Freiheit zugleich ‚und ihrer Zügelloſigkeit. Zur
iſt der Dichter ſelbſt davon ergriffen, teunfen. davon un
Darauf s zur Hälfte ficht er außerhalb, nüchtern und ſp
Die Athener damals mit Vögeln zu ‚vergleichen, mochte
witzigen Kopfe ziemlich nahe legen. Ihre unſtäte, fü
aber geiſtvolle Natur; ihre mercantile und militärifche 2
lichkeit; ihre dem Gegner Teicht als Anarchie. erſche
Staatsverfaffung; feit der großen Pet endlich ihr: Sp
jedes alten. Bandes von. Zucht, Pietät und Gottes
alles: Dieß fand im Reiche der Vögel feine vortrefflichf
rallele. Nun gar. zu: jener Zeit, mo Alkibiades Ch
nach: Innen wie nach Außen die letzten: Schranken der 5
kratie hinweggeräumt, wo das „junge Athen“ vie a
denſte Herrſchaft erlangt hatte; mo es mit Hochmüthigen
wegſehen über die bisherigen Gegner recht eigentlich ar
gen war, die Welt zu erobern. Hatte doch ſchon Ni
feiner denkwürdigen Rede ‚vor Eröfſnung des ſyrakr
Feldzuges den treffenden Ausdruck uerewpog,, in de
ſchwebend, auf die damalige Lage des Staates angema
Kein Wunder alip, daß Ariſtophanes mit feiner fchöpft
Gentakität. diefelße Idee in's Komifche hinüberſpielte!
Zwei Athener-find es, wie ſchon geſagt, Die in's
Kan. emigriren,: um. bier, die Gründer eines neuen ,
glänzenhern Athens zu werden: Peiſthetäros, d. 5. !
freund, und Euelpives, d. 5. Hoffegut. Ihre Forde
an's Leben find mit reizender Naivetät V. 130 ff. ausge
1) Thucyd. VI, 10. Auch bei Diodor findet fi a
grondivos und ähnliche Wörter öfters (XIII, 2.).
F. q. AMiſtophanes Mögel. 8
1 fegen in- Diefen; Panne; die mortteff lichſeen · Biepuiteinenien
jecetheniſchen Demagegier : Peillbetärns. AR in. Rwageag
Arſten Range, Euelpideq mon, gmeiten, mie dün, Alan den
Demagogen zur Unterſtůtzung nad Durchfhrung Ihrer
Mann jeher: unenthehrlich geweſen ſind.Raymmen Fie,ie
y.1fo mung der Syuptwann. für: Alleqg Rath ſchafſen (10
8; 1) 5 nur. auf ihn blicken ſie (8080 ff. 3A: ſſ.)3 ihm
a fie⸗Vorwürfe (3 ff. 338.18), : Gleichwohl ſind Re an
I ihm nicht ſelten Überlegen Gluff.)z ſie ſind die Katzen⸗
Bay. womit ihr Führer ſich felbft: Die, Kaſtanim quth dem
‚holt. ;: Eöendefipsgen. verlangen fi im Bene wenig
- —— Behandlung (55 fi. 8Z.f. 1294.:845.11.)5
5 fie, bitten, menn man ihnen. befehlen ‚will, ,. Die
Ambige Neugier. dieſer Herren if P. 291 ff. geſchildert
M * Die Art und Weiſe, mit der. fie durch Repetiren,
Ges Ausführen, Poffen ‚oder Geſchrei den Vortrag ihres
Baimaunes, ihres Parteiführers zu unterſtützen; wiffen )
„en. fie. auch mit, Kleinigkeiten. Immer bei guter Img et
kein (667 fi), ſo fällt doch der Haupigewinn ent⸗
bet. großen Demagogen zu. — Wenn gleich Rathe⸗
" ‚nt geradezu, wie der felige Suvern meinte, den AL
—— fol: das ſcheint mir doch jedenfalls gewiß,
whanes ſelbſt und jeder von. feinen Zuſchauern be⸗
** an Alkibigdes iſt erinnert worden. Wie: kuhne
afigkeit feiner. Projecte, Die völlige, Somfegneng;; womit
| ke hericenden Richtungen der athenifchen Pyolitik zu extre⸗
m. ſucht: auf men Eönnen fie beſſer ‚bezngen .werheu;, 8
Mikisiades ?, Peiſthetäros, wie Alkibiades, flichet hie Ge⸗
Er 3365
1) 463 ff. Bol. befonders die meiflerhaft wirkfame Art des Bei⸗
Me, wo ber Slaqueur fofort Alles ftehen und liegen zu laffen fcheint,
dem jeweilig ausgelprochenen vorſchlage feines Aofuheere ei nad
zu Tönnen: 584. 596. 60
— MMukydives: Wap. 10.
fahten des atheniſchen Gerichtsweſens (AO fi. vgl. 10
ui Alt icdes furchtet er, unverſehens einmal durch 1
Laminiai· augeholt zu werden {145: ff. 1203.) 5 wie Al
wanderter in ein fremdes Land, um die Bewohner!
Bin) ſeiu achen ſce Aula nad, Bupen groß, fh ſa
au ihrem ODberherrn zu miachen 1). Er wird dire?
kias gegenübergeftellt (Z62.). Wenn er als Greis e
fo Hi Has: eben nur ein poetiſcher Kunſigriff, um den
win: allge ſehr in Feſſeln zu ſchlagen.
Diefe' Helden Menſchen alfo kommen zu den Wäge
Higher unter Ihren Könige Wiedehopf, zwar mit heil
Sprache 'befnkht , aber fonft doch in ziemlich unzuſam
gender Staatsform gelebt haben. Indeſſen wird es gl
Der Ankunft Mar, daß ivenigftens die vornehmſten 3}
güge des atheniſchen ·Volkes auch bei den Vögeln ſich
Finden. :@benfb leicht brauſen fle auf; ebenſo mißtrau
fie gegen die beſtehende Obrigkeit; „Eebenſo vaſch gehen
Anferfien: Gewaltihat über (322) 5: aber auch eben
werben fle wieder befänftigt, ‚wen man fie richtig zu
deln, ihrer Eitelkeit und Herrſchſucht zu ſchmeicheln
werden fie‘ zus maßloſen Beiwundening, zum unbeding
horſame gegen denſelben Mann fortgerijien, dem fie fı
her noch. dent Tedgedrohet hatten (430 F.). — Mi
'Geſchicklichkeit verſteht es Peiſthetäros, beim Eingang
Mede: die Naſchhaftigkeit der Zuhbrer aufzuregen (M
Much Solon's Geſetzen haben ſie ſchon lange geleb
Sehol.)⸗. Fetzt aber bietet ihnen Peiſthetäros die gew
Arxana der atheniſchen Größe dar. Vor allen Dinge
fie ihre Nation concentriren, eine einzige große Haupt
bauen (549 fj.): wie ja auch in Attifa mit der wa
ı) Ein ®ann, wie Arıftophanes, ronnte dieſen letztern C
nigermaßen ſchon vorausſehen.
|
$. 8. Miſtophanes Wogel. 537
wieakifirung auch bie: Freiheit nach : Innen ab. Ha: Marht
h Außta zugenonimen hattet); Sie follen. ihre Euadt fer
| wit Mlaneen' umgehen, stiiq es Theiniſtokles. zu Athen / be⸗
Hey: ind nie es damals bie mentbehrliche Grundlage der
zen· atheniſcheir Politik maxi nr MWie bie, Atheuer ige. auf
ws Elemnentedes: Waſſers unbeſchränkte Herven iſtnd, benſo
Ben ab die Vögel im Elemente der Buft merden.nnIthe
Windungzwiſchen Sinne: und Erbe: köntzen ſie hemmen?
k Bötterh bie. Dpferzufuhr und. den: Liebeyverkehwimit ſterb⸗
ven: Beikern, abjigneisen;icile Menfchen duxch VBernichtnug
Be Saat; ihrer Heerden aushungen:(553::4;):' :; Aher. auch
weinen: fie. beiden thun. Sie Lünen das Yeltuneiuige
ne;/,alten :cäiberifchen. Juferten, fie. fünnen Pan Meuſchen
Borgene Schãtze ober: glüdliche Conjuneturen anzeigen, Fürs
u Ih gefund machen, mad: ſein Beben verlängern BI),
erche wie auch hie Athene danials das Meer vom Piraten
ahern, im- Wege des Handels ihre Verbündeten. nitiberel-
wein, : und: durch das Verſprechen einer freien,glückſeligen
erſaffung alle. Leichtgläubigen zu ködern ſuchen. Selbſt den
Ditern können die Vögel ‚ihren weitreichenden Arm leihen,
Kr Befeftigung ihrer Herſchaft vortrefſlich Beitengen (A604
dp wie eö.gemiß.die athenifche. Diplomatie den Lakedämo⸗
sen ſowohl, als den Perſern oft genug vorgefplegätt: Hatte; 1
+ Diefe Vorſchläge werben: natürlich gut gehigenk .: Se
uckswolkenheim iſt deu Name das neuen Luftſchloſſetun MPallab
thene: wird. die Schutzgzöttinn deſſelben. Sogar dieGebete
ved Prieſters find auf's Genaueſte den atheniſchen nuͤchgebil⸗
(876: fi.) .. Bon hier nun ſchwingt ſich unſtrGedicht zur
habenſten Uniperſalität emp: In großantigen: Mariſſen
kb, und Das ganze Suwrterecht, die ganze Moral wDierganze
ya 3
1) Wie auch die Demokraten ſowohl jener Zeit, als ver fpätern
e oft zu der Maßregel des awvossonos ſchrittten. -.i..
328 Thutydides. Kap. 10.
StauBenklchte: ded; Luftreiches vorgelegt. Aus den ein
Grünben. des Togenannten gefunden Menſchenwerſtandes
dem Schnlbuche des: Aeſopos ſelbſt erweiſet Peiſthetãroß
die Voͤgel von allen Dingen zuerſt geweſen, daß ſie dah
ſprünglich auch die. Herrſchaft über Alles geführt Haben.
änigliche ; .alle.göttliche Gewalt m von ihnen iſt fi
girt, ihnen aſurpatoriſcher Weiſe entwendet. Sie kam
Augenblick init Fug und Recht von ihnen zurückgeforder
den.. Eine Menge von: Ueberreſten bezeugt ja noch hau
nefprünglichen Zujtand : "der. Adler des Zeus, bie &
Pallas, die Vogelbilder: auf den Sceptern der Könige.
heute, wenn, der Hahn commandirt, fo beginnen. die Mı
ihr .Tagavert; wenn der Weih erſcheint, fo fängt der
ling an; wenn der Kuckuck ruft, fo eilen jelbft die femu
guptier uud. Phöniken zue Ackerbeſtellung (466 fi. 70
Alfo. eine. Vögelſouveränetät, volllommen entſprecher
Bolköfouveränetät der damaligen. Atbne! — Su
Göttern wirben die Vögel erboben,. durchaus auf dem
Her Wege. Was irgend in der Mythologie. an Cie
Flügel u. dgl. m. erinnern kann, wird zum Beweiſe
mengehäuft; natürlich immer im Tone des erhabenſten?
(571 fi. 684 ff.). Man erkennt auch Hier wieder die |
derungöwürdige Conſequenz des ariftophanifchen Witzes:
er die Menfchen nun einmal mit Vögeln vergleichen wi
iſt er: vollſtändig bemühet, alle Gebräuche, alle Reden
alle Ekelnamen u. |. w., die an die Vogelwelt erinnen
nem Werke einzuverleiben !).
- Während der Zufchauer fo — was ein Haupterforderni
— * iſt — während er im Vogelreiche ſich
wicderfindet, ſucht der Dichter zugleich auf die luſtigſte
von der Welt eine Sehnſucht nach dieſem Eldorado a
) Bgl. 1276 ff
$..8. Miſtophanes Vogel. | 329
J
Alle läſtigen Pflichten, etwa von Kindestreue u. fe. me},
Drüũckende des StandeBunterfchiedes, oder der helleniſchen
barbariſchen Abkunft: bei den Vögeln find fie unbelonnk
iſt rin Gebrandmarkter würde Hier immer noch als bunter
e gelten koͤnnen. Wie glücklich müßten ſich alle hungeri⸗
⸗over ſtuhlgaugsbedürftigen, oder. ehebruchsluſtigen Thea⸗
zunbe'preifen, . wenn fie, mit Flügeln bewehrt, ſchnell
Ri verlaffen, und ihn nach beendigtem Geſchäfte ohne
rung wiedereinnehmen koönnten 2), — Solche Einladun⸗
aerfehlen natürlich ihren Zweck nicht. ine Menge von
aniſten ſtrömt aus dem menſchlichen Athen herbei, um uns
Meiſthetäros Regierung in dem neuen Bogelathen ihre Hei⸗
MB ze gründen... Armſelige Poeten, lügenhafte Orakeldeu⸗
bprbantifche . Kataſterbeamten, tyranniſche Bundescommiſſa⸗
zndringliche Geſetzverkãufer, gottloſe Söhne, ſchwülſtige
Beyeambendichten,:::fytophantifche Advocaten, all das Pad
BR elsen Worte, an welchen Athen moralifch zu erſticken
Bi, ;08ı denkt im Vogelreiche feine: Befchäftigung noch freien,
b-einträglicher . fortfegen zu Können. .Mit dem feinften
Be weiß Ariſtophanes dieſe Menschen verfchieben zu behan⸗
w Die Meiften werben einfach mit der Beitfche gezüchtigt;
Rn, gewöͤhnlichen Werkzeuge. der. Eomifchen. Nemeſis. Der
ge Boet wird mit Rod und Mantel. befchentt, als dem
erſten Mittel, - feines läſtigen Geſanges los gu: werden.
5 Bei. dem: gottloſen Sohne fühlt der Dichter felbft, daß
e komiſche Strafe ungenügend ſein würde: dieſen weiſt er
ee zurück, treibt ihn an: zur männlichen Buße für feine
Endlich werden auch die Götter mürbe. Ein Mißver⸗
Igter unter den Göttern, Prometheus, erſcheint als Ueher⸗
fer beim Peiſthetäros. Ex meldet von Zwiſtigkeiten im
y a52 ff.. Bol. die herrliche, Anrede an die fünf.Krititer: LION ff.
412
BWukyydides. Kap. 10.
Am auffallenditen wird der Abſtich zwiſchen: beiden Männdı
da, wo fie die Gefchichte der Hermokopiden berühren. M
welcher Zartheit. umgeht hier Thulydides das ſchmutzige De
tail dieſes Vorfalled ’), das Ariſtophanes unigefehrt fo woh
gefällig zu benubßen weiß I Ich babe daher oben: dad uk
riechende Beifpiel des Trygäos abfichtlich. ausgewählt. Da
ben. Ariſtophanes malen will, muß durchaus auch vom dit
Barbe einige Pinſelſtriche hinzuſetzen. Man. ifieht hie rch
deutlich, daß ber Begriff. des Poetiſchen keinesweges an da
Beganftänden ſelbſt, ſondern. einzig nme. an der menſchlia
Behandlungsweiſe derſelben haftet. Wer irgend Sinm hat ſu
Eomifche:®Poefie, der wird eingeſtehen müſſen, daß Acifepfe
ueß das: Unſauberſte im7Lebe zu ebenſo herrlichen Efſecten ke
ndt wie wohla andere wit d das 3 Baabenfie 0 ober 2
v. Aaeya v1, Ds “
5 „Lysist. 1102 saq. nn
Pf
Kan BE 527” SE BE Er a
J Elfe Kapitel...
en Errase des ——— y. m
rt — Timm hmm. Dirk)
wii. N. Biel. Pau a a Fu dio du.
Keiner Sprache iſt Thurhdides dem n Sephotes %
He verwandtywie der groͤßte Hiſtoriker dem größten‘ Dichter
= fein kann. Ein leider Verloren gegangenes Büchlein, wel⸗
8 Sophokles über ſeine eigene Entwicklungsgeſchichte abge⸗
Pt, ſagte von ihm ſelber aus, er habe drei verſchiedene She
eioden durchgemacht: zuerſt eine ſchwülſtige nach Aeſchylbo
Seife, darauf" eine herbe, künſtliche, um zuletzt iuf vie heſte
Ed zur Charakterſchilderung geeigneiſte ülberzugehen). "te
tigone, das früheſte feiner aufbewahrten Stucke, auch durch
wßern Bilderreichthum, ſtrengere Naturwahrheit 3) als ein
Sendliches Werk bezeichnet, erinnert noch gar lebhaft an die
Seite jener Perioden. Thukydides Schreibart möchte zwiſchen
x zweiten und > Tepten eiwa ‚in der Mitte Beben. — Ein Alte
1) Ich habe biefes Kapitel hierher gefest „weil id Überhaupt pe
Beinung bin, baß bie Sprache eines Schriftſtellers dann erſt Gegenftank
uchtbarer Betrachtungen werben ann, wenn. man zuvor ‚bie Übrigen
erhältniffe feines Geiftes genau erforſcht haat. .,-- und
2) Plut. Prof. virt. 7.
2) Die namentlich in der Rede bes Boten hervorteln.
332 Thutydides. Kap. 10: :
» 4.
5 Siteifger ccheratier. Pr Xrifoppane,
Er ‚habe uoch einen: weſentlichen. Unterſchied aAwiſchen
tydides und Ariſtophanes himuzufügen. Thukydides: vg
hoher Abkunft, ein NRachkomme des Ajas, Enkel des
tiades, von thrakiſchem Königsblute abſtammend, vie
Peiſiſtratos verwandt; Ariſtophanes Dagegen, wie bekann
feine bürgerliche, ja feine. eheliche Legitimität erſt vor C
vertheidigen müſſen. — 8 giebt einen: gewiſſen Tatt i
Geſelligkeit, eine gewiſſe Freiheit im Handeln, eine g
Erhebung im Urtheilen, welche niemals durch Geiſt und A
niß allein, ſondern immer nur durch vornehme Geburt,
nehme Erziehung gewonnen werden‘); . Wer die. fcharfen
genfüge liebt, dem: vathe: ich, ' eine Kriegsdepeſche non
Wellington oder eine Militäefchrift von Erzherzog Kar
denen der meiſten neufrasgbfüiihen Feldhern vu dieſen
ſichtspunkte zuſammenzuſtellen. 1. ..4.
Dei unſerm Thukydides. leuchten es Kal ei, daß di
und Welle, wie er. non den Geſchäſften redet, nur bei
Manne ftattfinden Tomte, der nicht allein felbit an der S
verwaltung Theil genommen, fondern auch von Jugen
mit Staatömännern innig: verkchrt hatte 2). |
. . Waß den Ariftophaned dagegen. betiifft ,. fo hat ed
Srinde ‚ weßhalb von Anfang an bie auf die Beauma
und Holberg Herunter ſaſt kein einziger vornehmer Mam
wahrhaften Komitee geworben if. Und follten nicht au
mancherlei pöbelhaften Späße, die vielen unehlen Schm
1) Bol. Soethe’s Lehrjahre: III, 2.
2) Ein Beweis von wahrhaft nobler Gefinnung ift es aud)
Thukydides die Anekdoten verſchmähet, auch wo fie wigig und dh
riftifch find. So z. 8. Plut. Nicias. 16. und öfter. Des Wii
durfte er nicht, und das Charakteriftifche wußte er durch eblere
zu erreichen.
S. 4. Plebeilfcher. Charakter web: Ariſtophanes. BES
ww; wenn ſer 5 WBiiden. Euripides wiederholt mit dem Hb«
geſchäfto ſeiner Matter zu hohnen Sucht 5 follten die unendli⸗
u Boten: und Unfläterecien, die: Scherge: des Dichters über
bi felbſt ni. feinen Kahlkopfu): follte: dieß Alles nicht ſchon
fi:ielneworneßne Crziehung bed ‚großen. Mannes bezwei⸗
wrlaffen 7Um! die Demäagogen: zu. bekämpfen, : werdet. Arts
manes: nicht ſelten wahrhaft, ertrem. demagogtſche
Bit tel: an. ;ieböttreibungen ‚: Entſtellunigen, Verleumdungen
wi gchäffigften. Art heiten ihm durch den Zweck geheiligt zu
We Eo⸗freimuthig er iſt, ſoruſi er doch jehr bemifet,
dt dem fonveränen Volke, das: einzelne Späße mohl ned
men konnte/ nichs arnſtlich zu verderben ). Abgeſehen alſo
Ban; vaß er ſo oft auf Zahlung“ des rüftäindigen Soldes
Weib) ‚:strägt.:er fogar Projeete Bon,. die Tributſtädte und
wiehn unter die Bürger fürmlich aufzutheilen ). Bei den
maligen Umſtänden kein hübfcher Spaß! Er ſchämt fich
kht, den gemeinen Pöbel gegen Lamachos und andere ver⸗
ente Feldherrn damit aufzuhetzen, daß ja von ihnen. niemals
ner Feldherr oder Gefandter werde 5). Ueberall wirft ex es
x Demokratie vor, daß fie dem Demos noch nicht genug
t Sute fomme, an Brot und Spielen noch nicht genug ein⸗
age. Leider ein Kunftgriff, den die Confervativen faft nie-
als verfchmähen, fo lange fie in der Oppofition find 6). —
1) Beſonders diefe legtern: vgl. Pax 751. Equitt. 548. God.
ermann. Opuscula: III, p.40. Bergk Commentt. p.203. Auch
# Gupolis dem Xriftophanes vorgerüdt: Nubes 540 cum Schol. '
2) Equitt. 749 sqq.
3) Ibid. 1363.
4) Vespp. 707 sag.
$) Acharn. 582 800.
6) Man denke nur an bas heutige Verfahren ber englifchen Tories
zenüber den Armengeſetzen; der franzöfiichen Legitimiften gegenüber der
ablreform!
Ba hulydides. Kap. 10,
Am anfſallendſten wird der Abſtich zwiſchen: beiden Mänı
da, wo ſie die Geſchichte der Hermokopiden berühren.
welcher Zartheit umgeht hier Thukydides das ſchmuhzige
tail dieſes Vorfalles), das Ariſtophanes umgekehrt fo wi
gefällig zu benutzen weiß DI Ich Habe daher oben das ü
riechende Beifpiel des Trygäos abfichtlich. ausgewählt. 3
ben. Ariſtophanes malen will, muß durchaus auch von N
Farbe einige Pinfelitriche Hinzufeken. . Dan. ifiebt hier ı
deutlich, daß der Degrifi. des Poetiſchen keinesweges an
Begasftänven ſelbſt, ſondern einzig une. an der menſchli
Behandlungsweiſe derſelben haftet. Wer irgend Sinn bat
tomiſche Poeſie, der wird eingeſtehen muſſen, daß Ariſto
nes das: Unſanberſte im⸗ Leben zu ebenſo herrlichen Effecten
mut, wie wohl andere Dichter das Erhabenſte oder. Süß
Do RI.
3 Thueyd. vn M
3 Lysist, 1102 sd.
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Elfe Kapitel. |
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» 1 „us . 0, “ . .. P} . . Da ®
eo I. Ih: — " lila 4 Pi
n feiner Sprache iſt Zhntyriden dem n Sopholes ſo
e verwandt‘ wie der größte Hiſtoriker dem größten Dichter
fein kann. Ein leider Verloren gegangenes Büchleln, wel⸗
Sophorles über feine eigene Entwicklungsgeſchichte abge⸗
ſagte von ihm ſelber aus, er habe drei verſchiedene Stil⸗
den durchgemacht: zuerft eine ſchwülſtige nach Aeſchylds
fe, darauf eine herbe, kunſtliche, um zuletzt Auf die heſte
zur Charakterſchilderung geeignetſte überzugehen ). Die
gone, das früheſte feiner aufbewahrten Stucke, auch dich
jern Bilderreichthum, ſtrengere Naturwahrheit 3) als ein
ndliches Werk bezeichnet, erinnert noch gar lebhaft an die
te jener Perioden. Thukydides Schreibart möchte zwiſchen
zweiten und letten etwa in der Mitte ſchen. — Ein Ans
1) Ich habe biefes Kapitel hierher gelegt, weil ich überhaupt ve
ng bin, baß bie Sprache eines Schriftfiellers bann erſt Gegenftand
tbarer Betrahtungen werben Tann, wenn man zuvor die Abrigen
altniſſe feines Geiſtes genau erforſcht hat.
y Plut. Prof. virt. 7.
) Die namentlich in der Rede des Boten hervortritt.
336 Thukydides. Kap. 11.
derer Stilesvermandter des Thukydides iſt der Redner 4
phon; und gewiß mit Recht urtheilt K. D. Müller,
fih im Thukydides die gedankenſchwere Beredtſamkeit dei
rikles mit dem alterthümlich ſtrengen Kunftftile des Ant
vereinigt 1),
8. 1.
Altattifcher Garatier ter ber tzutztidtſchen Sprache.
Der attiſche Dialekt, auf der Grndlage des altion
beruhend, hat im Laufe. der Zeit immer Tal das Beſu
ſich den übrigen Diailcklen angunaͤhern. Er iſt auf die
endlich zur allgemeinen Bücherſprache geworden. Thuky
Sophokles und Antiphon ſtehen dem Joniſchen noch um
näher ld Demoſthenes ).
‚Sie grammatifche, diichtigteit der Formen, der yılg
Gehreiuch ber, Caſus u. dgl. m. eyſcheint bei. ihnen über
als wenigſtens bei den Später; . daß. feine. Partikelweſen
helleniſchen Sprache bei ihnen überhaupt, wohl am vollkom
fin. Sie wählen. bie Tempora mehr nad ihrem urfprüngl
Werihe,..ald nach ister herkömmlichen Aufeinanderfolge;
Woͤrter. mehr nach der Grundhedeutung als nach der. D
was ihnen oftmals natürlich den hin des Argon
art . ger
414 12
9 Siehe bie ſehr gelungengn. Zgliöunge rifchen. x
und Thukydides: Eiteraturgefhiäite Th. 2, 8:329 ff. 362° fi. _
Thukydides an Schreibart verwandt iſt auch :det: -Ipranı -Ktli
Sein Stil war genau, gedankenreich und großartig, nicht in poei
Weife, ſondern durch beftändige Auswahl bes angemeffenften B
Seine Rede gedrängt, fein Atticidmus gemäßigt und Eraftvoll, i
Erfindung bewunderungswürdig und frappant, boch aber milde und
wie Zephyrshauch. Weniger thukpdideifch freilich iſt feine M
Gemeinpläge afyndetifch anzureihen. (Philostr. V. Critiae 4.)
2) So läßt namentlich Thukydides den Artikel gern weg, ı
nicht demonftrative Bedeutung bat..
§. 1. Atattifcher ‚Charakter der thukydideiſchen Sprache. 537
wo ihnen der vorhandene Sprachfchat kein vollkommen
gende Wort darbeut, da ſchafſen ſie ein neues. Mehr
9 Bufammenfeßung, wie es die frühere Sprache liebt,
durch die Ableitungen der fpätern. Sie find freier, als
Nachfolger: ſchon in der Wortſtellung, dann aber auch
ver Conſtruction, fo dag fie z. B. kein Bedenken tragen,
Berben abgeleitete Nomina wie die Verben felbft zu cons
zen. Hieraus jened ſchnell Treffende dee Bezeichnung, jes
zayos zijs onnaciag, das am Thukydides namentlich fchon
Alten bemerkt Haben, . Wenn e3 der Zweck jeder Sprache
wicht für fich ſelber aufzufallen, ſondern nur die am beſten
drückende, die am: engften anſchließende Form zu fein,
unter ;die Gedanken erfcheinen können, fo fliehen unfere
Schriftftellee auf der Höchften Höhe griechiſcher Sprachbil⸗
g. Ein Hauptmoment: des Verfalles pflegt bei jeder Spra⸗
darin zu beſtehen, daß ihre Redensarten gleichfam abs
Hiffen werben. Urſprünglich, als fie auffamen, war eine
Ihe Anſtrengung des Geiſtes nothiwendig, um fie zu ges
suchen; man dachte, man fühlte wirklich alles Das, was fie
drücken. Die Starten Redensarten machten wirklich einen
ken, die finmlichen Redensarten einen finnlichen Eindruck.
mehr fie dann aber dem Geſchmacke alltäglich werben, zu
b flärkeren Gewürzen muß man übergehen. Daher faſt
Literatur im filbernen Zeitalter ſchwülſtig wird. Bei Thu⸗
des Hingegen, bei Sophokles und Antiphon ift jene Friſche
Ausdrucks noch im Höchften Grade anzutreffen: wo der
rifeftellen jedes Wort mit dem vollen Bewußtjein feines
rthes gebraucht, und eben deßwegen in feiner ganzen Kraft
den Lefer kann wirken laſſen.
Auf ihren früheren Entwicklungsſtufen pflegt jede Sprache
ws finnlihen Charakter an fich zu tragen, Wie finns
iſt Die Homerifhe Sprache, wie abstract die Sprache des
Inteles! Auch Thukydides fchreibt noch maleriſch. Won
läßt fich gewiß nicht behaupten, mas den Ephorod und
22
358 Thukydides. Kap. 11.
Theopompos vorgeworfen wurde, daß es ihnen an ter pi
to» noayuarow fehle, und daß fie beim Schreiben nur a
Schreiben felbit dächten ). Man fchlage nur gleich kai
Kapitel feiner Vorrede nah. Hier würde Theopompos
leicht gejagt haben: „Schon beim .Anfange des Kriegei
ich mein Werk Begonnen, weil ich einfah, daß ex der
würdigſte und bebeutendite fein wide, Man konnte dieß
damals erwarten, and folgenden Gründen u. |. w.“
bendig aber und plaſtiſch verführt da Thukydides! Gr
ſich felbit wor und Hin, wie er fit, und dad Werk ani
will; mas er um fich ber gewahrt, was cr Daraus fü
was er von. der Zulunft danach erwartet 2). — De
Hiſtoriker freilich wird niemals entwickeln uud Debueiren w
wo er ſchildern kann.
Eine jugendlich Fräftige Sprache, wenn fie nur di
fänge der Proſa bereits Hinter fich hat, pflegt an fcharfe
zeihiumg der. Gegenfäbe ihr Gefallen zu finden. Di
rifer Simonides, wie der Komiker Epicharmos, fie ir
Nicht? Lieber an, als Antithefen und Wortfpiele. Für
Aeſchylos ſind ſeine zahlreichen Oxymora charakteriſtiſch.
her gehören auch die ſcharfen antithetiſchen Witze, derer
Themiſtokles fo viel erzählt werben 2). — Sophoflei
Thukydides haben denfelben Charakter. Beide Tichen !
ſpiele, ſcharfe Unterfcheidungen der finnverruandten W
ohne doch in Tantologien zu gerathen, wie Aefchylos 4)
Herodot, auch ohne fpikfindig zu werben, wie Euripide
die Sophiften. Denn wie Ariftophaned von Aeſchylos
Duris bei Phot. Biblioth. Cod. 176.
2) Das yoagıxov in den Schilderungen des Thukydides Lob:
Plutarch: De gloria Ath. p. 367 B. Im Nikias nennt
radntınorarov xal kvepylorarorv.
9) Plut. Themist. passim.
4%) gl. Aristoph. Ranae 1136 sqq.
$. 1. Altattiſcher Charakter ber thukydldeiſchen Sprache. 359
ei nicht ſchwülſtig, ſondern großen Gedanken kommen auch
Be orte zu: jo kann e8 von ihnen heißen, ſcharfen Ges
Ten kommen auch fcharfe Worte zı.- Die Lefer des So-
kles Haben. nicht felten Anftoß daran genommen, daß fie
Stellen voll des höchſten Pathos ſich durch ſolche Spiele
Scharffinnes mußten unterbrechen laſſen. Doch unfer
röllex ‚bemerkt ſehr fein, daß eben Hierdurch. bei allen Vers
uugen des Stoffes der Leſer darüber erhaben bleibe, vie
ere Ruhe, ‚die Freiheit feiner Seele. bewahren koͤnne 1).
geringfügig ſonſt auch in Thukydides Zeit die Ausbildung
Meriodenbaues iſt, fo bedeutend finden wir doch ſchon bei
»: mb ‚bei Antiphon die Adverfativ⸗ und Disjunctivſätze
bickelt. — Dieſelbe Richtung wurde jedoch von andern
kgenoffen auch zum Extreme geführt. Die etymologiſchen
retkiaubereien eines Kratylos oder Enthyphron 2), die fpiks
dgen Synonymenſpiele eines Prodikos find aus Platon eben⸗
berüchtigt, wie der froftige Antithefenfchwall eines Gorgias.
te fich Prodikos immer ſo' gemäßigt,, wie in feinem Hera⸗
3), er wäre nimmermehr von Platon darüber verfpottet
Men,: Ja, ſogar die juriſtiſche Praxis follte ſich dieſem Er-
te anterwerfen. Wit lernen durch Lyſias eine Rabuliſten⸗
tennen ‚ bie: auf eine ganz Ihnliche Buchſtabenklauberei der
ehe drauig 4),
on ſilbernen Zeitafter ber Literatur pflegt die Antithefe
bei ehenſo belicbt zu werden „wie in der erſten Halfte des
nr
1) Briefmechfel zwifchen-Schiller und Goethe: Th. III, S. 19.
3) Man denke an den ariſtophaniſchen Wis, Aoorrn von nroodn abs
ten! el. Dionys. De Thucyd. iud. und Marcell. 36. 51.
3 Daß der Herakles am Scheibewege, ben Renophon's Memorabis
enthalten, auch in der Form arößtentheild von Prodikos Herrühre,
Bpengel in feinen Artium scriptores ſehr hübſch erwieſen.
*%) Sn ber Rebe gegen Theomneſtos.
| 22 *
332 Ahulydies. „Rap. 10.
Ka
dm. a
Sibeifger ccheratter bet, Kriftopganeg,
gIqh ‚habe och einen: meſentlichen. Unterſchied zwiſch
kydides und Ariſtophanes hinzuzufügen.“ Thukydidesn
hoher Abkunft, ein Nachkamme des Ajas, Enkel d
tiades, non thrakiſchem Königsblute abſtammend, bielle
Peiſiſtratos verwandt ;. Ariſtophanes dagegen, wie bekar
feine bürgerliche, ja feine. eheliche Legitimität erſt vor
vertheidigen müſſen. — 8 giebt einen gewiſſen Tar
Geſelligkeit, eine gewiſſe Freiheit im Handeln, cine
Erhebung im Urtheilen, welche niemals durch Geiſt und
niß allein, ſondern immer nur duxch vornehme Gebur!
nehme Erziehung gewonnen werden‘)... Ber die ſchar
genſätze liebt, dem: rathe ich, : eine Kriegsdepeſche vr
Wellington oder eine Militärſchrift von Erzherzog K—
denen der meiſten neufranzoͤſiſchen Feldherrn aus dieſe
ſichtapunkte zuſammenzuſtellen. .
Dei unſerm Thukydides leuchtet es Sal, ca, daß
und Weiſe, wie er von den Geſchäſten redet, nur be
Manne ſtattfinden konnte, der nicht allein ſatſt an“ dert
verwaltung Theil genommen, fondern auch von Jug
mit Staatömännern innig: verkehrt hatte 2).
Was den Ariftophaned dagegen. betrifft, To bat
Grunde, weßhalb von Anfang an bis auf die Beaun
nd Holberg herunter faft. Fein einziger vornehmer Mia:
wahrhaften Komitee geworden if. Und follten nicht o
mancherlei pöbelhaften Späße, die vielen unehlen Sch:
1) Bol. Goethe’s Lehrjahre: III, 2.
2) Ein Beweis von wahrhaft nobler Geſinnung iſt es au
Thukydides die Anekdoten verſchmähet, auch wo fie witzig und ı
riftifh find. So z. 3. Pluı. Nicias. 16. umd öfter. Des W
durfte er nicht, und das Charakteriftifche wußte er durch edlere
zu erreichen.
F. 4, Pleheilfcher. Chamektet: bes Ariſtophanes. BB
wen. Weir) 35: Biiiden: Gurkpides wiederholt mit dem Häs
Waeichäfte:feinet Marter gu: hoͤhnen ſucht; follten die unendli⸗
«un Boten: und Unflätersien,: die: Schirge: des Dichters über
tel einen Kahlkopfu): ſollter dieß Alles: nicht ſchon
adſich seine wornehnte Erzlehung des großen. Mannes bezwei⸗
Ux laſſen 3; Uanı:die Demagogen zu bekänwpfen, wendet Ari⸗
we: nicht ſelten wahrhaft, ext rem Demag.ogifchr
Wit rolſan.· Urbetrreibungen,: Entſtellungen, Berleimdungeg
ng gchffigiten. Art ſcheinen ihm Dıizih;. den Zweck geheiligt / zu
win.Eoafreimuthig er it, ſoruin er doch Fehr Bemiihet)
et Dos Tonweränen Volke, das: einzelne ‚Späße mohl 'neB
Baer bonnie/ nichs aruſtlich zu verderben 2). . Abgeſehen alſo
on; vaß erfor oft: auf Zahlung des rückſtndigan Epldes
aq )trägter fogar Profeetei Bon, : hie Tributſtädte und
Befeln unter die Bürger fürmlih aufzutheilen ) Bei den
manaligen Umſtänden Fein hübfcher Spaß! Er ſchämt fi
ucht, den gemeinen Poͤbel gegen Lamachos und andere ver⸗
diente Feldherrn damit aufzuhetzen, daß ja von ihnen niemals
Nner Feldherr oder Geſandter werde 5). Ueberail wirft er es
ver Demokratie vor, daß fie dem Demos noch nicht genug
u Gute komme, an Brot und Spielen noch nicht genug ein⸗
vage. Leider ein Kunſtgriff, den die Eonfervativen faft nie-
als verſchmähen, fo lange fie in der O:ppofition find 9). —
1) Befonders diefe legtern: vgl. Pax 751. Equitt. 548. God.
lermann. Opuscula: 1II, p.40. Bergk Commentt. p.203. Xud)
on Eupolis dem Xriftophanes vorgerüdt: Nubes 540 cum Schol.
2) Euquitt. 749 sqq.
3) Ibid. 1363.
2) Vespp. 707 sqgq.
$) Acharn. 582 sqgq.
9 Man benke nur an das heutige Verfahren der englifchen Zories
gegmüber den Armengeſetzen; ber franzöfifchen Legitimiften gegenüber der
Wahlreform!
Ba hulydides. Kap. 40.
Am aufſallendſten wird der Ahflich. zwiſchen: beiden Mlännde
da, wo ſie die Geſchichte der Hermokopiden berühren. M
welcher Zartheit umgeht hier Thulydides das ſchmutzige Ds
tail dieſes Vorfalles !), das Ariſtophanes: ungekehrt fo wol
gefällig zu benutzen weiß DI Ich habe daher oben das üben
riechende Beiſpiel des Trygäos abſichtlich ausgewählt. Me
ben. Ariſtophanes malen will, muß durchaus auch vom Dil
Barbe einige Pinfelſtriche hinzuſetzen. Man ſieht hier iM
deutlich, daß der Degrifi. des Poetiichen keinesweges an de
Gegenſtänden felbft,: fonvern. einzig nur. an der menſchliha
Behandlungsweiſe ;nerfelben haftet. Wer irgend Sinn hat ſu
komiſche Poeſie, der wird eingeſtehen müſſen, daß Ariſteyhe
weß das: Unſauberſte im” Leben zu ebenſo herrlichen Effecten ie
uutzt wie wohl andere Dichter das Erhabenſte oder. Suͤck
"or
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“N Pineya. v1, 2.
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Eiftes Kapitel.
Evrache des Abutvdides ).
Pu 24 8 7 “ Dur Dr Er Fee - 4 J en. a. ..8 on - „... tı - 4 .
ri!’ > FERN 0. Pa Pa ? . N
ln a REIT Oo ann Dehio. N Er ru
fine Eheate ft Thurhrides dem Eophorles ſo
che verwandt. wie der größte Hiſtoriker dem größten‘ Dichter
tt fein kaun. Ein lefer verloren gegangenes Buchlein, wel⸗
“3 Sophoffes über feine eigene Entwicklungsgeſchichte abge⸗
Ft, ſagte von ihm ſelber aus er habe drei verſchiedene Stil-
rioden durchgemacht: zuerſt eine ſchwülſtige nad Aefchylns
deife, darauf’ eine herbe, kuͤnſtliche, um zuletzt 'Äuf\ßte heſte
id zur Charakterſchilderung geeignetfte Überzugehen H Die
ntigone, das früheſte feiner aufbemahrten Stücke, auch durch
ößern Bilderreihthum, fixengere Naturwahrbeit 3) als ein
gendliches Werk bezeichnet, erinnert noch gar lebhaft an die
seite jener Perioden. Thukydides Schreibart möchte zwiſchen
r zweiten und letten eiwa in der Mitte Neben, — Ein an⸗
1) Ich habe dieſes Kapitel hierher geleßt, weil ich Überhaupt ve
teinung bin, daß die Sprache eines Schriftflellers dann erſt Gegenfland
uchtbarer Betrachtungen werben fann, wenn man zuvor die übrigen
erhältniffe feines Geiſtes genau erforſcht bat. —
2) Plut. Prof. virt. 7. | |
3) Die namentlich in der Rebe bes Boten hervortritt.
336 Thulydldes. Kap. 11.
derer Stilesverwandter des Thukydides iſt der Redner Anl
phon; und gewiß mit Recht urtheilt K. ©. Müller, U
FH im Thukydides die gedankenſchwere Beredtſamkeit des 4
rities mit dem alterthümlich ſtrengen Kunſtſtile des Ani
vereinigt 1),
21.
Altattifcher Poera tier der qeheliſelcen Sprache. i
Der attiſche Dialeki, auf der Grundlage des altionigäl
beruhend, hat im Saufe.der Zeit, immer myhe dad Bo
ſich den Übrigen Dinlekten anjumäßern. Le ft auf biefe@
endlich zur allgemeinen Bücherfprache —* put
Sophokles und Antiphon ftehen dem Joniſchen noch ar
wäßer, als Demoſthenes ).
Bes granmatiſche dichugreun der Gary en, der ei
Vehrac v fus u. dgl. m. erfheint ihren über
als wenigſteus bei den Spätern; .. daB. feine Partifelpefen y
helleniſchen Sprache bei ihnen überhaupt, wohl am. voflfomme
ſten. Sie wählen. bie Tempora mehr nad ihrem ——
Werthe⸗ . ols nach ihrer Herömmlichen, Aufeinanderfolge;.:M
Wörter, gehe nad) der Örundhebeutung [8 nad) der, Du
was ihnen fit natürlich den Schein, des rg a
“a...
begleihuphe en. . "gif
und Tyutgbides:“ Eiferdturgefhiäjte Ih: 2, ©.328 ff. 36
Thutkydides an Gchreibart. versandt iſt auch det Tyan "Keitiel
Sein Stil war genau, gedankenreich und großartig, nicht in poetiſch
Beife, fondeen durch beftändige Auswahl de angemeffenften Bart
Beine Rebe gedrängt, fein Atticismus gemäßigt und kraftvoll, in &
Erfindung bewunderungswürbig und frappant, doch aber milde und glat
wie Zephyrshauch. Weniger thukydideiſch freilich iſt feine Marie
Gemeinpläge aſyndetiſch anzureihen. (Philostr. V. Critiae 4)
2) &o läßt namentlich Thukydides den Artikel gern weg, me
nicht demonftrative Bebeutung hat..
§. 1. Aliatthcher CGharakter der thukydideiſchen Sprache. 337
d wo fhnen der vorhandene Sprachſchatz kein vollkommen
agendes Wort darbeut, da ſchafſen ſie ein neues. Mehr
ch Zuſammenſetzung, wie es die frühere Sprache liebt,
durch Die Ableitungen der ſpätern. Sie find freier, als
e Nachfolger: jchon in der Wortſtellung, dann aber auch
der Conſtruction, fo daß fie z. B. Fein Bedenken tragen,
a Verben abgeleitete Nomina wie die Verben felbit zu cons
ziren. Hieraus jenes ſchnell Treffende der Bezeichnnng, jes
3 zayos rijg onnaoias, dad am Thukydides namentlich ſchou
»Alten bemerkt Haben, . Wenn es der Zweck jeder Sprache
nicht für fich felber aufzufallen, ſondern nur die am beften
Borücdende, die am engften anſchließende Form zu fein;
weunter ‚die Gedanken erfcheinen können, fo ftehen unfere
ei Schriftftellee auf der höchſten Höhe griechiſcher Sprachbil⸗
ug. Ein Hauptmoment. des Verfalles pflegt bei jeder Spra⸗
n.barin zu beftchen, dag ihre Nedensarten gleichſam abs
Pablifien werben. Urſprünglich, als fie auffamen, war eine
wiſſe Anſtrengung des Geiſtes nothwendig, um fie zu ges
Buchen; man dachte, man fühlte wirklich alles Das, was fie
rücken. Die Starken Redensarten machten wirklich einen
wien, die firmlichen Redensarten einen finnlichen Eindruck.
Br mehr fie dann aber dem Gefchmade alltäglich werben, zu
Ro ſiärkeren Gewürzen muß man übergehen. Daher fall
de Literatur im filbernen Zeitalter ſchwülſtig wird. Bei Thu⸗
dides hingegen, bei Sophokles und Antiphon iſt jene Friſche
w Ausdrucks noch im hbchſten Grade anzutreffen: wo ber
hriftſteller jenes Wort mit dem vollen Bewußtſein feines
Zerthes gebraucht, und eben deßwegen in feiner ganzen Kraft .
uf den Lefer kann wirken laſſen. |
Auf ihren früheren Entwicklungsſtufen pflegt jede Sprache
nen finnlichen Charakter an fich zu tragen. Wie fims
ch iſt Die Homerifche Sprache, wie abstract die Sprache des
riſtoteles! Auch Thukydides fchreibt noch maleriſch. Won
m läßt ſich gewiß nicht behaupten, was den Ephoros und
22
55308 Thukydides. Kap. 11.
Theopompes vorgeworfen wurde, daß es ihnen an der m
0» noayuuzom fehle, und daf fie beim Schreiben mur a
Schreiben felbit dächten ). Man fchlage nur gleich dai
Kapitel feiner Vorrede nah. Hier würde Theopompos
leicht gefagt Haben: „Schon Beim Anfange des Krieges
ich mein Werk Begonnen, weil ich einfah, daß er der
wirrdigite und bebeutendite fein würde, Man konnte dieß
Damals erwarten, and folgenden Gründen u. |. w.“ W
bendig aber und plaftiich verführt Da Thukydides! Cr
fich felbit vor uns Hin, wie er fikt, ‚und dad Werk anfı
will; mas er um fich ber gewahrt, was er daraus fi
was er von der Zukunft danach erwartet 2). — De
Hiftoriker freilich wird niemals entwickeln uud deduriren wi
wo er jchiltern kann.
Eine jugendlich Fräftige Sprache, wenn fie nmur die
fänge der Proſa bereitö Hinter ſich hat, pflegt an fcharfer
zeichiumg der. Gegenſätze ihr Gefallen zu finden. Der
riker Simonideö, wie der Komiker Epicharmos, fie we
Nichts Lieber an, als Antithefen und Wortſpiele. Für
Aeſchylos ſind eine zahlreichen Oxymora charakteriſtiſch.
her gehören auch die ſcharfen antithetiſchen Witze, deren
Themiſtokles fo viel erzählt werden 2). — Soyphokles
Thukydides haben denſelben Charakter. Beide Tichen
friele, ſcharfe Iinterfcheidungen der finnverruandten MD
ohne doch in Tautologien zu gerathen, wie Aejchylos 9)
Herodot, auch ohne fpitfindig zu werben, wie Euripides
die Sophiſten. Denn wie Arijtophaned won Aejchylos |
) Duris bei Phot. Biblioth. Cod. 176.
2) Das ypapınov in den Schilderungen des Thukydides Lobt
Yılutardy: De gloria Ath. p. 367 B. Im Nikias nemt a
nadntınoraroy xal tvepylorarorv.
3) Plut. Themist. passim.
*%) ®gl. Aristoph. Ranae 1136 sqq.
$. 1. Altattiſcher Charakter ber thukydideiſchen Sprache. 359
pol nicht ſchwülſtig, ſondern großen Gedanken kommen auch
Ge Worte zu: jo kann e8 von ihnen heißen, fiharfen Ges
en kommen auch fcharfe Worte zu. Die Lefer des So-
DeleB Haben nicht felten Anftog daran genommen, daß fie
AStellen voll des höchiten Pathos fich Durch folche Spiele
H Scharfiinnes mußten unterbrechen laſſen. Doch unſer
Billex. bemerkt: fche fein, daß eben hierdurch Bei allen Vers |
Minngen dei. Stoffes der Lefer darüber erhaben Bleibe, die
Bere Ruhe, die Freiheit feiner Seele. bewahren inne 1).
w geringfügig fonft auch in Thukydides Zeit Die Ausbildung
maeriodenbanesiit, fo bebeutend finden wir doch fehon bei
we: und bei Antiphon die Adverfativ⸗ und Disjunetivfäße
Wickelt. — : Diefelbe Richtung wurde jedoch von andern
Agenoſſen auch zum Extreme geführt, Die etymologijchen
wetfinubereien eines Kratylos ‚oder Enthyphron 2), die fpiks
Vigen Synongmenfpiele eines Prodikos find aus Platon eben⸗
berüchtigt, wie der froftige Antithefenfchwall eines Gorgias.
Ette ſich Prodikos immer fd’gemäßigt, wie in feinem Hera⸗
gs), er wäre nimmermehr von Platon darüber verſpottet
Sihen.: a, ſogar die juriſtiſche Praxis follte ſich dieſem Er-
Sie unterwerfen. ir lernen Durch Lyſias eine Rabuliſten⸗
te kennen; bie auf eine ganz hnliche Buchſtabenklauberei der
fee draug N).
Sm ſilbernen Zeitalter der Literatur pflegt die Antitheſe
tider ebenſo beliebt zu werden „wie in der erſten Halfte des
1) Briefwechſel zwiſchen Schiller und Goethe: Th. III, S. 19.
2) Man denke an den ariſtophaniſchen Witz, Aoorrn von nopdn abs
leiten! ®gl. Dionys. De Thucyd. iud. und Marcell. 36. 51.
3) Daß der Herakles am Scheibewege, den Renophon's Memorabis
m enthalten, auch in ber Form größtentheils von Prodikos herrühre,
t Spengel in feinen Artium scriptores ſehr hübſch erwieſen.
4) In der Rebe gegen Theomneſtos.
22 *
340 Thbukydides. Kap. 11.
goldenen. Die ſpätere Sophiſtik 1) trachtet nach Gegenſ
wie Die vorplatoniſchen Schriftſtelle; Seneca wie ©
ſtius, Boufflers wie Pascal, Rückert wie Leſſing. Nur
lich mit einem großen Unterſchiede. Die Antitheſen der
hern Periode find um des Gedankens willeun da; dieſer fü
feiner feinſten Nuaneirung mit Licht und Schatten ausget
werden, Jene fpätern dagegen wollen die Aufmerkjamke
fich ſel bſt ziehen. Während dort der Inhalt am ſchu
ausgeprägt erſcheint, wird ex bier zwar frappanter aber
deutlicher gegeben. u
Sn der Compofition des ganzen Werkes fan A
ſymmetriſcher fein, als Thukudides. Auch feine Antithefe
ruhen theilweife auf. dem Streben nach ſymmetriſcher &
beit. Die. bei ihm wie bei den andern Schriftitellen
Zeit fo beliebten Redefiguren des Iſokolon, Pariſon, Hi
oteleuton u. ſ. w., das Abgeeixkelte der ganzen Darſie
erinnert, wie K. D. Müller bemerkt, an die fteife ©
metrie und der Barallelismud der Bewegungen, welcher in
ältern Werken der 'gricchifchen Sculptur Herrfcht 2). G
wohl fchreibt Thukydides nicht eigentlich periodisch. Rela
wodurch das Band der Beriode am feiteften geflochten ı
hat er nur wenig. Auch er noch verbindet feine Sabg
am Tiebften mit xal, de, ze und ähnlichen Partikeln.
Participium fpielt eine große Rolle bei ihm 3). — Thu
des und Sophokles Lieben den raſchen Uebergang, den uı
bergefehenen, ſchneidenden Wechſel. Sie erhalten ihre
— —æ — —
1) Das auffallendſte Beiſpiel hiervon find die Reden, meld
dem Gorgias untergefchoben hat.
2) Literaturgefchichte Ih. 2, ©. 3353.
3) Der Verfafler bed Buches De elocutione fagt vom Thuk
er fliehe das Glatte und Ebene bed Stils; ja, er fcheine immerfe:
zuftoßen, wie die Neifenden auf holprigem Wege. Plutarch nennt
Stil einen bunten.
-
S. 1. Altattiſcher Charakter ber. thulvdideiſchen Spyrache. 3A
arch in fortmährendei angefivengter Thätigkeit. Wer ſelbſt
ſo großem Aufwande geiſtiger Kraft ſchreibt, der kann auch
= Lefer einen ähnlichen zumuthen. Was ein atheniſches
Blicum in dieſer Hinſicht ertragen mochte, ſieht man aus
X vielen und ſchweren Tragödien, die es an Einem Tage
BE Bloß zu Hören, fordern anch zu beurtheilen verſtand. —
unn aber gelingt jenen Schriftitelern eben Hierdurch eine Ab⸗
Fang des Colorits von den Hauptpunften herab zu den Ne⸗
punkten, wie man fie bei Andern vergeblich fuchen wiirde,
ſt alle Beifpiele der ſ. g. oratio variata, die man bei Thu⸗
HoeB bemerkt, oft getadelt hat, laſſen ei dergeftalt aus der
Kärfe feines Serantend erklären , daß das Gegentheil eigent⸗
fehlerhaft fein würde Y.
So reich übrigens diefe altattiſche Säle an Figrren des
ernee erſcheint, te‘ ſparſam benutzt ſie doch die ſ. g. Bis
K. O. Müller unterſcheidet bei Thukydides zwei verſchiedene
ten von Satzconglomeraten, in denen bie Anziehungskraft eines Haupt⸗
vankens eine Menge von Nebengebanfen neben fich aufgefchichtet hat.
Eder einen, die man die‘ äbfteigende nennen Tann, ſetzt Thukydides
E:Sandlung ‚: bad Refultat, voran, und läßt unmittelbar in Gaufal=
en ober Participien die nächſten Motive folgen, die er dann wieder
zcd) ähnliche Sasformen begründet, und fo, gleichfam bie Rebe zerfa=
ad, in den Zufanimenhang der Dinge eingreifen läßt. Die andere
em, die auffteigende Periode, beginnt mit ben begründenben Umfläns
u, entwidelt daraus allerlei Folgen ober barauf bezügliche Ueberles
ingen, und fhließt mit dem Refultate, dem Entfchluffe oder der Hands
ng ſelbſt. in Beifpiel der erften Art ift I, 25: Kogivdio, dt xara
- dixuey — noyovro molsneiv; ber zweiten Art IV, 73: os yap Me-
uens — Ipyorras. Beide Arten haben etwas Anftrengended, und vere
ngen zweimal gelefen zu werben; man kann fie durch Auflöfungen,
uhepunkte, wie fie Dionyfios (De Thucyd. p.872) vorſchlägt, überficht-
«her, gefälliger machen; aber man wird doch geftehen müflen, daß in
hukydides Form, wenn man ihre Schwierigleiten einmal überwunden,
Aufammenmirten aller Glieder zu einem Ergebniffe, die Einheit des
—Añ— am ſchärfſten ausgeſprochen iſt. Eiteraturgeſchichte II, ©.
6% ff.)
342 Thukydides. Kup. 11.
guren des Gedankens. Jede Aeußerung dee Leidenſchaft
hier für unanſtändig; jeder redneriſche Kunftgriif ‚um den
fer zu bewältigen, für gewiſſenlos 1). Alfo Feine Klimar,
wen der Verfaſſer während des Schreibens ſelbſt noch fid
bitte; Feine Ironie, um den Gegner lächerlich zu mad
feine Apofiopefis oder Aporia, als wenn die Macht ber
pfinbung die Zunge lähmte; Feine Epidiorthofis, als w
man ja vecht ſerupulös nicht zu Biel fagen und dem Ge
kein Unrecht thun; Feine Anaklaſis oder Anthypophora, um
Worte des Gegners zu verbichen, oder ihm Folgerungen
terzufchieben. Es ijt eine Ehrlichkeit im Bewußtſein ver ı
nen Größe, eine Hohheit, welche den Lefer wohl mituute
tie Götterbilder des Pheidias erinnern kann. Unter allen
den des Thukydides iſt Die platäifche die bewegteſte; und ı
dieje weriteigt ſich an ihrer leidenſchaftlichſten Stelle zu fe
härtern Aeußerung, als dem Ausınfe: „Wie folltet ihr
sicht fchreclich gehantelt Haben!” (III, 66.). Wie verihi
ven Der deworys eines Demoſthenes!
Mit der Veriode kehrt die Proſa, die fih von ter Pi
nur allmählig losgewunden, in Hekatäos Werken noch la
jambifche und trochaifche Wortfüge gebraucht Hatte, wi
zum ſchönſten und eigenthümlichften Rhythmus zurück. €:
bekannt, daß fie erſt der neuere Attieismus vecht ausgcebi
bat, nach zwei verfhiedenen Richtungen bin, Die in Iſekr
und Lyſias 2) ihre frärfite Ausprägung, in Platon und
nophon ihre höchſte Schönheit erhalten haben, Niemand ı
den Stil dieſer Männer ald einen Verfall des thukydideiſ
en — — —
1) Xxiuoro rag Mens — Tijs diavoias. Das Nächſtfolgende
ben geiftreichen Beobachtungen des Cäcilius von Galakte bei PI
Bibi, Cod. 259. Bgl. 8. D. Müller a. a. O. II, ©. 335 ff. 36
3) al. Dionys. De Lysia p. 16%
S. 1. Altatuſcher Chatalter der thukydideiſchen Sprache. 3A
nchten Können, Aber 28 iſt doch unläugbar, daß in ihrem
kisvenbau die Form auch für fi etwas gelten will, fich
be Gedanken nicht ſo vollkommen anfchließt. Wenn der
ee Die erite Hälfte kennt, fo weiß er die Ichte immer einis
uaßen im Voraus. Darum ift hier mit der größern Leiche
Beit ein geringerer Reichthum an Gedanken verbunden, Auch
Faß nicht zu verfennen: je mehr bei einem Schriftſteller jede
Beine Periode ein unzertrennliches, wohlabgeſchloſſenes Gan-
Vbilſdet, deſto iſolirter werden meiſtens die Berioden gegen
Winder. Wie fehr dagegen die Anafoluthen Des Thukydides
Be innigere Verſchmelzung der größern Satzmaſſen befördern,
ht man 3. B. aus VIII, 58.: Toognv dE Taig vavoi
U vüy nagovonıs Tiooapeprnv nugsyeıv xara Ta Euyxeius-
» Ayo av al vis ai Banıieng dm. Aaxeöaıno-
ovg de xal Toüc Evumayovg, Eniv al BaoılEwg vie
Biawrraı, vas £avıav vauc ı7v Bovkarıaı rosger, &p'
eurois eivas. — Thukydides fteht in der Mitte zwiſchen der
nzlich aſyndetiſchen Redeweiſe der Logographen 1) und dein voll⸗
anmenen Periodenbau ber ſpätern Redner. Er ſucht die Klar⸗
ait und Unabhängigkeit der Erſtern mit dem Zuſammenhange
% Lehtern zu vereinigen.
San; derſelbe Gegenſatz, welchen der thukydideiſche Stil
it dem platoniſchen und xenophontiſchen bildet, pflegt ſich in
ber Kunſt zwiſchen der erſten amd zweiten Hälfte ihres golde—
m Zeitalterö zu wiederholen. Größe, Strenge und Rauhheit
if der einen Seite; Glanz, Anmuth und Bolitur auf der
idern. Dort etwas Herbes, bier etwas Süßes der reinen
chönheit beigemiſcht. Dort wohl mitunter noch Roſt des
lterthums, hier wohl mitunter fhon Anfänge der Weichlich—
) Bon benen bie frühern, namentlich Hetatäos, ſogar das Ver-
m finitum'gern weglaſſen.
344 Thukydides. Kap. 11.
keit )Y. Sch. möchte dieſe Perioden nach einem allbeka—
Typus die davidiſche und ſalomoniſche neunen. Eine De
ſchung des Pheidiad mit dem Praxiteles, Der eiceronifche
der auguftifchen Literatur, des Lamprecht mit dem Gott
des Dante mit dem Arioft, des Tutherifchen mit dem gef
ſchen Kicchenliede, der giudichen mit der mozartfchen &
wird zum tiefeen Eindringen in dieſen Gegenſatz bebülflic
Insbeſondere wird ed Niemand gereum, der aus biefem
fichtspunkte Die Sprache des Thukydides, Kenophon und
ton mit der des Salluſtius 2), Cäfar und -Eicero und da
ſerer Leſſing, Goethe und Schiller zuſammenhält.
8. 2.
Charakteriftifche Beiſpiele der Oratio variata.
Ein ſchätzbares Material Hierzu liegt in dem großen X
von Boppo angehäuft 3). Nur geht leider Boppo von
ducchlaufenden Beftreben aus, feinen Hiſtoriker gegen !
würfe zu vechtfertigen. Er fucht daher jede Eigenthümli
deſſelben ald nichteigenthümlich, als auch bei andern Au
—
1) So ſtellt auch Platon bie öfurns, rcixoe und oyodeurm
qouxoacov, ompporıxöov und »0auov gegenüber. (Polit. p. 30@sq.)
De legg. VII, p. 802: 76 7 neyakorgerig oüv xas To mroos Ti
dgeiay bErov AgbEevurov Parzov eivon, 10 ÖE TOOS TO x00umv aa 0
naldoy anoxiiwov Onkvyırioreoov us öv napadortoy Er Te Ta von
löym. Selbſt in Bezug auf ben Zanz baffelbe durchgeführt: Ibid. p
Bol. auh Ed. Müller Gefch. der Theorie der Kunft bei ben:
Th. 1, ©. 76 ff.
2) Salluſtius darf wohl nicht bloß als naher Geiftesverwa:
fondern felbft als birecter Nachahmer des Thukydides betrachtet w
Vgl. die intereffante Unterfuhung von Poppo: Thucydides
p. 372 sqq.
») Poppo De elocutione Thucydidis: Vol, I, Pars ], |
— 308,
$. 2.. Charakteriſtiſche Bell. 343
Kfonmmend nachzumeiien. Cine folhe'Zzandenz ift freilich mit
w: Sharakteriitit eines Gegenftandes: ſchwer vereinbar, — -:-;
=:Genus. I, 7:. Ilöreıs ralgeoın .. . Eutllovro . . .
sbopias Te Ävexa ul Tg 700g ToUg noogolxovg Ex a0Tos
wos. Hier it das Masenlinum Zxanror eben aus der. uns
Winderten Schärfe des Gedankenwechſels Hervorgegangen: «zu
mwcolxovg würde nicht moAsıs, fondern nolrras daB vollfoms
Ber entfprechende Eorrelat fein. Um fo mehr, als im Zus
Bamenhange ded Ganzen von dem allmähligen Stärkerwerden
m geſellſchaftlichen Verbindung die Rede ift. Sehr oft ſup⸗
Art der Verfaffer aus ähnlichem Grunde varras für venc..— -
„ 1 werben die Athener und Lakedämonier genannt; Thuky⸗
Des fährt alsdann fort: "za zo allo “Ellnvıxov son
»viorauevov noog Enarepovus. Br ſetzt dad unbeftimmte Neus
mn, weil durch den Krieg das ganze helleniſche Leben in feine
Bmerften Tiefen hinein zeripalten wurde. — Wenn es VE,
B von den athenifch gefinnten Syrakufiern Heißt: 7» zu
Big Zupaxovacıs Boviousvorv Tois Adnvaloıg ra noayucra
Bouvas: fo zeigt bier dad Neutrum ganz vortrefflih an, wie
Abeſtimmt und heimlich diefe Bewegung noch gährte ).
Numernsd I, 120: As adızovusvoug &x uw &-
uns noheusiv, ... xal unte ın ara, noleuon zuruyia Enale
2000: ,' unte tw jouylw 775 eionvng noomEvov adınsiodar.
Der Plural adızovusvoug bewirkt eine innigere Vereinigung
reit dem Vorhergehenden. Der auffallende Uebergang in den
Zingular entjteht um deßwillen, weil hier die Rede vom ſpe—
Tellen alle zu moralifcher Allgemeinheit emporſteigt. — Schr
Bft ſieht der. Pluralis nach Wortern, m wie öxaorop, auch nach
) Auch auf andere Unterſchiede hat man zw achten. So braucht
Thukydides das arkadifche Orchomenos als männlich (V, 61), das bdos
Eülhe als weiblich (I, 113). Der Berg Athos ift natürlich Masculinum,
Die Landfchaft Athos Femininum. (Haacke Symb, erit. ad V Thu-
<yddis, p. 24. Poppo I, 1, 108.)
346 yurydides. Kap. 11.
Städtenamen, "wenn Die Bürger gemeint ſind, aber doch
mals ohne ſinnige Ueberlegung. IH, 2: Adoßos an
an Adnvalow, BovAnddrres... ., weil man der Su
ſtreng genommen, doch Feinen Willen zufchreißen kann.
109: Anuoodevng nera zo Evorparmyor 'Axapvarıy axE
doszas, . ... BovAonevog . . . . Auxsdasmorioug
Barsiv: jener Waffenftillftand wurde offenbar von Dem
und den Akarnaniern geſchloſſen; Diefer feine Plan aber
hörte. wohl nur dem athenifchen Feldherrn an? — 1,73
es vom graueſten Alterthume: or axoa? uildor Aoyur u
TVpEG,-7 Dyus ray axovoousvov. Die üyes kann hier, che
weil fie nicht eriftirt, nur Eine fein, während Die axoal di
Menge von Sagen betreffen. — Dagegen fagt Thuky
niemals „wir“ von feiner eigenen Perſon H.
Tempus. II, 68: diooucs xara xgarog "Aero,
zodg "Aunpexiwrag „vöpanodıcas. Die Erſtürmung di
Stadt kann fehr gut im biftorifchen Präſens geſchildert
den; bei dem Verſetzen der Einwohner aber in die Sklaved
würde eine ſolche Lebhaftigkeit erzwungen ſcheinen. Das I
tere iſt eine zu vermittelte und entfernte Handlung.
Modus Thukydides verbindet un mit dem yndicatit,
wo das Gefürchtete für ziemlich gewiß gilt: LIT, 53. Ce
Conjunctiv verbindet er mit Yinalpartifeln und vorausgegan⸗
genen Präteritum unbedenklih, wo es die Grundkebentung
des Conjunctivs erfordert 2). — I, 3: Aoxei de nos, ovde
zouvona zovro (d. h. “Eidag) Euunaod nw siyev, alld..:
sivki, » . . NapEYEodal, . . . KOÄELTdds, . . .» ERVIRTCH.
Den erſten Umftand weiß Thukydides gewiß, die folgenden be
ruhen nur auf Vermuthungen. Daher dort der Indicativ,
hier der Infinitiv, obwohl die Symmetrie des Satzes nicht
wenig darunter leidet. — II, 80: Die Amprakioten verlor
— — —— ——“
) Poppo a. a. O. I,1, p. 9.
2) Bol. die Beiſpiele bei Poppo a. a. ©. L, L, p. 1a sqq.
$. 2... Charakteriſtiſche Veiſpiele. SAT
1von Lakedänmon Hülfe gegen Akarnanien, -Acyorrec 'örs. s..i
Bio; .ür, "Axapvaniav oyarsss, wal zig Zaxundoy ....
BET COVOe,. mal 6 nepin)oug ousers Eoosro 'Adıvalsıg
los neo! Mslonovınoov’ .einida‘ di .elvas, .xal' Naina-
ww. Aaßeiv.: Der Eroberung von Zafyuthas find fie im an⸗
mebenen ‚Kalle ganz ſicher; unter diefer Bedingung
wi Dann auch der. zweite Bunkt eintreten, den dritten Hoffen
gar. Wie bewunderungswürdig abgeſtuft! Einem ſpätern
Ner wuͤrde das in ſo wenig Worten durchaus unmöglich
u.
„. Barticipium, Schr häufig braucht. Thukydides, ion
wertlich der: genitivus absolutus ſtehen müßte, das Partici⸗
man im Nominativ...IV, 80: Ilpoxoivanıes &; diayıalovg,
sänlich die Seloten) os u2v Zorspyeracarıo ..., ci dd (Aa
duuörsos) nyadsopv auroug etc. — III, 34: 0 d2. Tas
me zoonmAeaupevog &c Adyovg “Inniav os "Apnabaim
Dyno, ... 6 ut» Einide ag MUSOY, 6 BE &xeıvon
wlaxn adeoun eye. Durch dieß Verfahren hebt fich der
We Satz, der ſonſt als Mittelſatz nur fchleppen würde, viel
Wendiger hervor; zugleich wird Durch das LUnfertige des Dora
Befaked Die Aufmerkſamkeit des Leſers Bis zum Schluß der
anzen Periode feitgehalten. — So braucht Thukydides auch
ücht felten den Nominativ der Participien, wo eigentlich der
Denitiv oder Dativ fichen follte. IV, 23: Kal ra neol Ili-
Dr Un auporepwv xara xoarog Znoleusiro, Adnvaros
dv dvoiv Evavılaı ael ınv vij00V negınikovreg, IleAonov-
20606 Ö8 &v zii yneigw orguronedsvousvos. IV, 108: Kai
0 xl adsıa Egaivero 'avıoıg, Lipevonsvo nv ing A0n-
"ao duvausug Eni TOOoUrov 60m Voregov Ösegayn, To 02
Eleovy Bovinosı xolvovres aoapa 7 noovolg angaltı.
Durch ein folches Abbrechen der Periode tritt Die materielle
Zauptſache, Die fonft formell abhängig fein würde, auch ber
Komm nach in den Vordergrund. — Audererſeits aber ſteht
wuh, wo wir den Nominativ eines Participiums erivarteten,
[2
348 Thukydides. Kap. 11.
der genitivus absolutus. . IH, 13: Bon&njoarınr
Unuv, noodtiuorg nölw TE NOOGÄNWEOUE varıınov &
car ucya. Die Hülfe der Lakedämonier ift Hier die Sebi N
des Erwerbes. Diefe Bedingung aber, dieſe unerläßlih
Eeibftthätigfeit, wird Durch den abfoluten Genitiv. *
ſcher ausgedrückt. J, 114: Mera dt raüura Fßood *
ano Adıvalus‘ xal Eg avıny ijöon deaßeßnnörog Mer
zAcovg oroamıa Adnvaius,. nyyÜön euro Or Mira
egEornxe. Der Uebergang des Perikles nach Eubda it
nicht bloß chronologiſch früher, als der Abfall won Diege
fondern offenbar auch Die Urſache des letztern 2). — VIE
2A: Eipyon£vosg oUv adroig rag Dalacayc xal zund Äl
noedovm&vosg Evegeionoav reveg x.1.4. Hier iſt der Dal
eine Probe, mie prägnant Thukydides die Eafus- zu wähle
verſteht. Gleichſam ringsum abgejchlofien. Ein Anderer ha
vielleicht den Genitiv geſetzt, obwohl bier von einer achiech
Thätigkeit der Eingeſperrten nur uneigentlich ‚die Rede Tab
könnte.
Nach dieſem Vorgange wird der Leſer die übrigen Uns
gelmäßigfeiten der thukydideiſchen Sprache ſelbſt werarheiten;
die finnige Veberlegung, die fait einer jeden zu Grunde liegt,
ſelbſt entdecken können.
8.3.
Kürze des Thukydides.
Die Kürze des Thukydides haben Viele gelost, Viele go
tadelt 2). Gicero nennt ihn crebrum sententüis, compres-
— — — — —
1) In andern Stellen, ‚wie II, 83: ’Erudn niyvros dvrızapasii-
ovras te». T. A., hat diefe Sonftruction jedoch nur den Zweck, um die
Periode, weldye Tonfl durch die vielen Participien verwirrt fein wär, |
deutlicher zu machen.
2) Außer Dionysius passim und Lucian. De hist. consch-
5. 3. Münze des Thukydides. 3
me rerum:brevem, subobscurnm ?), Auch bei Sermoge-
3 heißt er xoageoreoog. Thutydides läßt Häufiger und. här⸗
; alö Andere zu thun wagen, einzelne Wörter aud, die aus
m Vorigen, oft fogar nur. aus dem Kolgenden 2) ſupplirt
zen müſſen. Ganze Sätzchen, Mittelglieder von Perioden,
3:zum Verſtändniß unentbehrlich ſind, fallen weg, und wer⸗
st sum durch Partikeln, wieröumg, yap, ei, d2, un, ange
niet. Er wimmelt von f. g. Brevilequenzen: VI,.:34:
Fyyskloluede int 16 masiov. ‚1, 140: "Erdeyesas yo rag
werogcg. rar. noayuaros ouy noaon duadag rvonoau I,
Lz Meran vobde Bpiodn Unmv rn Bandvrng 3), — Mom
a ungemeine Fülle der Gedanken: sententiis magas, wie
Eerro ſagt, quam verbis ahundans. Man betrachte: nurdas
are ſeiner Platäerrede (IH,::59.) Jedes Wort beinahe giebt
ein neues Motiv. „Wir beſchwören Euch zugleich, unsß
Jataer, bie vaterlandsliebendſten der Hellenen, die wir flehend
2 genahet find, nicht aus Euern Händen und Euerm Worte
kivider, dem wir getraut haben, ten Thebanern auszuliefern,
ufern. grimmigſten Feinden; ſondern umjere Netter zu werden,
up nicht, da Ihr Das Horige ders befreien walk, — und &
emniipten *
—
—
enda vgl. Quinctilian. X, I. Cicero De orat. JI, 13, 22.
rut. 7. und Hermog. Ilegi idewr IT fin,
3) Bel auch Cicera Ort. 9, 30.
2) So 5.8. in ber Peſtaeſchichte längere Zeit: das — ‚vöonna,
is erft im Solgenden vorkommt. u
2) Poppo a... D. p. 28154. 9204 . 1.
*%, Es ift fchwer, fagt Windelmann, kurz zu fchreiben, auch
cht eines Jeden Werk; denn man kann in einer völligern: Art zu ſchrei⸗
n nicht jo leight. beim Wort genommen, werben. Derjenige, ‚der an
mand ſchrien: id), hatte nicht Zeit, dieſen Brief kürzer zu. machen er⸗
ante, was die kurze Schreibart e erhert. Gerke Bd. XL, ©. Aa)
gt. Werke Sb. IX, S. 218 und 234, er.
350 Thukydides. Kap. 11.
Wie wenig Indeien Die Kürze des Thukydides aftectırt
erkennt man am beutlichiten and der Mienge feiner Plee
men. Ilalıy avalaudavsıy, &UHUG xura Tayoz, Tote Ön zu
Tor KULOUV TOVTOV, EREITE ÜCTENOV, TNOONEUNE MIpOTE
zay ar songs: und Aehnliches mehr 1), Thukydides hat
gleichen Redensarten höchſt mahrjcheinfich noch aus der
gangsſprache. Oft erweitern fie ſich zu fürmlichen Parall
men. So 3. B. uezımıov ‚nal oVy Ajxıora" oc are
nagaxaydivres 62 n. ſ. w. Frühere Philologen, wie z. &
Bauer, haben diefe Eigenthümlichkeit des Thnkydides fir ein
Nachahmung des Hebräiſchen gehalten. Cie rührt wohl de
aus dem noch jugendlichen Charakter der thukydideiſchen Eprah
periode her.
Man hat eine große Achnlichkeit finden wollen zwiſche
der thukydideiſchen Kürze und Der Kürze des Taeitub.
Wenn nur die Analogienſucht der Menſchen nicht bei der ge
eingften Achnlichkeit Die größte Verſchiedenheit zu überfehen
liebte 2)! Die Kürze des Thukydides iſt immer unabſichtlich
die des Taeitus immer abſichtlich. Cie läßt dorten die Forn
beinahe ganz verſchwinden, fo daß Die Gedanken gleichſam im
göttlicher Nacktheit einhergehen; Hier Dagegen hebt fie die em
erit recht hervor. Sort verbirgt fie den Gedanfenreichthum,
hier macht jie erſt aufmerkſam Darauf. Auch iſt Bei Thukydidts
) So aud) in Nominibus: vgl. I, 138. III, 68. Beiſpiele Ins
gerer Pleonasmen, f. g. verbositas, finden fi I, 1. 15. 138. II, I6
III, 11. 15. 61. Befonders aud) in ben Bundesverträgen, wo ed ke
diplomatifche Etil, der alle Zweibeutigkeiten ſcheut, erforbern modte.
(PoppoJIl,1, p. 197 sqq). Auch Salluſt hat eine Menge folder
Pleonasmen.
2) Die Kürze des Salluftius fleht ber thukydideiſchen viel nähe.
Dod) legt Salluftius fie am meiften in Kraftfentenzen dar, oft aud ia
aſyndetiſcher Redeweiſe, was auf mehr Abfichtlichkeit deutet. Selbſt bie
frühere römiſche Literatur ift immer etwas von ber rhetorifirenden Dos |
tier der gleichzeitigen Griechen befleckt worden. |
|
$. 3. Kürze bes Thukydides und des Tacitus. IA
uw die Sprache fo. kurz, bei Taeitus. zugleich ein großer Tue
ww Schilderung. Tacitus ſchreibt am liebſten abgeriifen, Thu⸗
»dides allezeit mit der feinſten Anwendung der Partikeln T),
wie. O. Müller 2). vortrefflich bemerkt Hat, bei Taeitus
wien: wir zwiſchen den Zeilen Lefen, bei Thukydides nur Al⸗
BB, mas er ſagt, gehörig durchdenken. Ein Vorleſer würde
mb Thukydides ſelbſt die Rede ohne Pathos, bei Taeitus ſelbſt
Be Erzählung mit Pathos reeitiren mäffen.’- Kurzum, es iſt
Bmielbe Unterfchieb, den ich früher ſchon zwiſchen den Antithe⸗
der erſten und ber zweiten: Stilperiode beſchrieben habe 3).
2.8 wurde fchon frühen darauf hingewieſen, daß in zen
Mder des Thukydides die Sprache nichts weniger, als mono⸗
niit. Aber auch in der bloßen Erzählung weiß ee ſich bein
Degeunſtande anzupaſſen. - Wie: ein tiefer und mächtiger Strom,
er in ruhiger Einfachheit, gleitet ſeine gewöhnliche Darſtel⸗
Meng Hin; io fie frühere Zeiten berührt, wird fie Mar und
Westic; ‚höhere Bellen ſchlägt fie m der Schlacht; am wildes
brauſt fie in den Unruhen von Kerkyra. — Dex tiefe
Bruft, welcher diefe Gefchichte Kefeelt, die Größe des Gegen-
Bandes, die Macht der Enipfindung: Alles trägt dazu bei,
1) ‚JloAvdsonos korı nähllor 7 zavres or Arcmoi. (Schol. II, 41.)
2) In feiner Vorlefung über den Zacitus, der ich überhaupt das
Wefentlichfte meines bier gegebenen Vergleiches verbanke. ,
3) Bei der Kritik der thukydideiſchen Handfchriften macht die ei=
zenthümliche Natur des Schriftftellers manche eigenthümliche Regeln
nothwendig. So muß bei ihm ganz befonders unter verfchiedenen Lesar-
ken die kürzere ber längern, die feltenere ber gewöhnlicdyern vorgezogen
werben. Wenn daher einzelne Wörter, die unbefchadet des Inhaltes
wegfallen Eönnten, Eritifch auch nur im Geringften verdädhtig find, fo
mäffen fie als Interpolationen geftrichen werden. So audy, wenn bie
Bandihriften verichiedene Wörter biefer Art Iefen, die nicht aus einans
ber hervorgegangen fein können; wie Aaßuv'und euvgwv (VII, 31.), zö-
Le und durauıs (I, 24). Wenn ein foldyes Wort bei verfchiedenen Hand⸗
Ichriften eine verfchiebene Stelle einnimmt, fo ift ebenfalls die Interpo=
lation dringend zu vermuthen. (Bal.Poppo a. a.O. U,1, p. 136 sqq.)
552 Thukydides. Kap. 11.
Sie erhaben zu machen. Auch die Sprache thut das St
Dieſe gedankenreiche Kürze, dieſe Anſpruchsloſigkeit der F
dieſe Rauhheit der Satzverbindung, dieſe Alterthümlichke
der Wahl der Worte,’ ja ſelbſt dieſe Dunkelheit und Cd
rigkeit des Ganzen müſſen den Leer ernſt und feierlich
men. Schon das Alterthum Hat Die eingeſchen. M
man immerhin behaupten, daß Thukydides aus dem
nicht ſelten in's Wunderliche, aus dem Erhabenen in's Sch
ſtige falle, fon war man doch gern bereit, ‚fein peyalong
ſein peyedog und feine asgworyg anzuerkennen). Dion
fagts Wenn Vorſatz und Kraft in dieſem Laufe zujam
kleiben, ſo wird ein vwollfonnnmer,. .güttlicher Sieg al
Bleibt aber Die Kraft zurück bei der reißenden Schnelligke
Rebe, wo der Athen auegeht ſo wird Die Sprache t
am rchicrhaft (p. er
F Dionys. De Thncyd. ind, p. 888. 896. Hermog. }
nn Duwslfies Kapitel,
C Einheit des tbukvdideiſchen Werkes,
J
B. haben in den erſten Kapiteln die Art und Weiſe be⸗
ihtet, wie Thukydides zur Kenntniß feines Materials ges
ite. In den folgenden Kapiteln feinen Geiſt, und bie
uptſächlichſten Veränderungen, welche das Material im Durch⸗
hen durch denſelben erfahren mußte. So bleibt uns denn
3 drittes Moment noch das Aumſtert ſelbſt zu einer nähern
mgliederung übrig.
81.
Abfaſſungszeit.
Ob Thukydides zu Athen, zu Skapte Hyle, oder anders⸗
D fein Werk geſchrieben habe, kann weder mit Gewißheit,
ich mit weitern Refultaten ermittelt werden. Das Alterthum
hlt, es ſei im Exile geſchehen 1). Und allerdings, Thu⸗
dides ſelbſt verſichert daß er ‚glei beim Anfange des Krieges
ij Marcell. 25. 47. Cicero De orat II, 13. Plin. u. KM
MI, 31. Piut. De exsilio 14.
23
3354 Thukydides. Kap. 12.
fein Bert begonnen habe. Aber wann vollendet
wiß erſt nach dem Friedensſchluſſe. In mehrern Stel
erften, zweiten und fünften Buches wird das Ende di
ges deutlich erwähnt (I, 13. 18. II, 54. 65. V, 20
ja I, 95 und II, 13 fogar die auf Lyſaudros Befehl
Mauerzerſtörung. Auch I, 77 muß offenbar zur :
lakedämoniſchen Oberherrſchaft gefchrieben fein. Der vor
Beweis aber liegt in der eigenthümlichen Verflechtu
Durchfichtigkeit des ganzen Werkes. An jeder ıı
Stelle — wir haben es oben ſchon von den Neden gei
findet fi) das Frühere ſowohl, wie das Spätere bis ;
des Krieges vorgedeutet. Gar oft fehlen wir inı engften
dad verjüngte Bild des ganzen Krieges 1).
An der Vollendung feines Werkes ift Thukydide
den Tod gehindert worden. Aus den Alterthume wer
gaben erwähnt, als ob andy daB achte Buch nicht v
Here. : Man:-fchrieb es wohl feiner Tochter zu, ı
nem Herausgeber nnd Fortfekee XRenophon; auch dem
pompsd'mitinter 2). Eine weibliche Hand fcheint Diefe
indeſſen wicht zu verrathen. Vom renophontifchen Gei
e8 gewiß fan; und Xenophon iſt fo Leicht in alla
Schriften wicderzuerfennen, weil diefelben einfachen Ide
Neligiöfes, Ethiſches, Strategifched und Oekonomiſches
halben bei ihm durchklingen. Auch den Theopompos
fein blumiger, bochtrabender Stil, feine zahlloſen Era
15, Des anonyme Biograph des Thukydides ($. 8.) läßt de
mipg; zum Schluffe bed ganzen Werkes abgefaßt fein. Aus dem
Euviygaye vermuthet ed auch Sen. Lit. 3tg. 1822, ©. 423. —
fi die Alten der ſolchen Ausdrüden nicht immer gern in bie
Leſets hineingsbachsihätten: man "erinnere fi) nur an ihren 9
Mas den Thukydides hätte bewegen Tönnen, die Einleitung am
des Ganzen zu fchreiben, fehe ich eins am Schluffe der zw
Drittel aber — und viel mehr ‚hat er nicht vollendet — wahrhaft
2) Marcell, 43 5q. one.
5. 1. Abfaſſungbzeit. Autheutie des achten Buches. 388
Ddie Mythenzeit gar. bald nerratgen. — Alle Bernmthungen
Bier Art ſcheinen ech: nach dem —*8 aufgekommen zu
Br). Dre Verfafſer unſers Buches -nemt fi: ſelber Thu⸗
Mies (6. 60.). Nach Kratippos Bericht find’ gegen das
Dive des thukydideiſchen Werkes Feine ‘Neben mehr "anges
Wet 2). Und Kratippos war em .Zeitgenoffel Die Sands
Beften, wie. Boppo erzählt, geben faft. ohne Ausnahme das
Buch mit (II, 1, p.8.), und zahlreiche Stellen der Alten
es ohne Bedenken ). — Auch ift die Anordnung dieſes
ed, die Behandlung des Materiald, der Charakter Der
che ) fogar, mit den frühen Büchern vollfommen übers
end. Die wenigen Abweichungen, das Fehlen der
Beben 5), die größere Leidenſchaftlichkeit des Urtheils, laſſen
Bohne Schwierigkeit, mie ich oben gezeigt Habe, aus dem
gel der leiten Selle erklären. — Man Hat wohl gemeint,
! Weſentliche des achten Buches ſei zwar von Thukydidrs,
h:
J. 9 Krü ger gehen des Sputybibe, e. 7%.
kr. 3 Dionys. De Thucyd. iudicium 16, (Kr)
dr 3, Diodor. XIII, 42... Plut. De garral. p. 813. Har-
* r. v. deipinor, Steph. 8. v. BoAsooös und Apupoücca. Pho-
8 v. Ilaoovdi. Gregor. Corinth, p. 2. Thomas Mag: v.
su u. ofter.
“9 Allerhand unfcheinbare Thukydidismen bes‘ achten Buches, -bie
m Rachahmer nicht leicht beachten würde, hat Krüger zufammenges
wit Commentt, ad Dionys. Historiogr. p. 266 sqq.
) Welches Krüger (Leben bes Thukydides ©. 78.) und Gäller
d. p. 36 sqq.) auf eine nicht fehr befriedigende Art hinwegde⸗
iven wollen. Sch derweife auf mein viertes Kapitel. — Ebenſo
kann ic) der Anfiht von Niebuhr (Kleine Schriften. I, ©. 469.)
bb 3. Kante (Vita Aristophanis p. COCXVL.) beitreten, daß’ Thu-
dides die Darftellung im achten Buche abfichtlich matter gehalten habe,
R fie dem mattern Gange bes Krieges anzupaffen. Ich finde nicht,
B die Greigniffe im legten Drittel des peloponnefifchen Krieges geringe
iger find, als im erften.
23 *
N
2
aus defien Vorarbeiten und Kladden beſtehend; aber feine‘
ter vielleicht, oder ein anderer Heraudgeber babe es in
heutige Form gebracht. Hier wurde immer ſehr befrer
Bleiben, daß dieſelbe Hand nicht auch dem weitern Verlar
Krieges auf. ähnliche Weiſe Hinzugefügt. Denn die X
beiten des, Thukydides gingen ohne Zweifel bis zum
des Kriegeß. Namentlich würde Fein Herausgeber au
fo abgeriſſene Art geſchloſſen Haben, Und diefe Axt fand
Kenopbon vor, wie der ebenſo abgerifjene Anfang feiner.
niken beweiſt 1).
8. 2.
Gegenſtand des Werkes.
Gegenſtand des Thukydides iſt der peloponneſ
Krieg (I, 1): und zwar der ganze peloponmefifche Aria
26). Alles Frühere dient nur als Einleitung 2). Nam
weiß Thukydides mit entfchiedenee Genauigkeit die feindſ
Vorbereitungen von dem fürmlichen Ausbruche des K
ſelbſt abzufonbern (I, 125. 146. II, 1. 12.). — Dal
er lebhaft bemüht, die zwei verfchiedenen Kriege vor un)
dem Frieden des Nikias nur als Ein, freilich unterbroe
Ganzes darzuftellen (V, 26.). Uns, deren Vorftellungen
über, wenigſtens mittelbar, eben vom Thukydides Kerl
ſcheint dieß natürlich, fih won felbit zu verſtehen. Unten
1) Weber die Authentie bes achten Buches vgl. noch: Pop
a8. II, 1, p. 7 sqq. Göller Thucyd. I, p. 35 sqq. '
ger in den Commentatt. hinter feiner Ausgabe von Dionyfios |
riogr. und im Leben des Thukydides, S. 74 fr Gail Le Phik
von 1818.
2) Schon ber Scholiaft bemerft, Thukydides führe den ©i
Kerkpräee über die Korinthier nicht weiter aus , mpsoßveigan laws
avrtos (I, 29.). j
$. 2. Gegenſtand des Thukydides. 357
enen aber: mar ed lange Zeit üblich, den archidaunſchen
Bey: von dem dekeleiſchen abzufondern 1). Wie lange wird
4 '®. auch: bei und noch dauern, bis. Jedermann ſich ge⸗
Mit Hat, die ſammilichen Feldzüge vom Sinfalle der Bere
Behr die Champagne an bis anf den zwriten pariſer Frie⸗
BB: für Ein großes Ganzes zu: halten? Hälte Khükydides
Be Berk: vollenden koͤnnen, fo tie: es inidrei wohlgeglie⸗
MR un ziemlich gleich lange Theile zerfalſen: I) vder archi⸗
lmiſche Krieg (Buch II— V.pr.); 2) der Frieden des RE
is, die Bümdnißirrungen und ‚der Zug nah. Sicdlen (Buch
pe VIE) 5 3) der detaeiſche Krieg bis zur Einnafan. von
Mn) u ij 117.3
Wie nun Thukydides den Krieg allen rat den Gegen⸗
* ſeiner Arbeit angiebt, ſo iſt er auch im ganzen Buche
nſe Giräünze treu geblieben. Weder von Pheidias, noch
u Sonhokles, order von Sokrates, noch von Ariſtophanes
Mic die geringſte Erwähnung; fo nah: es auch gelegen
Bi, namentlich den Erſten beim Ausgange des Perikles ans
inten. In der Peftgefihichte bleibt Hippokvates, umter ber
Aiotiſchen Gefandtfchaft zu Athen Gorgias unberührt 3).
ih von den Staatsmänhern nimmt .er nur Dadjenige auf,
Bunt. deni Gange des Krieges in unmitielbarem Zuſam⸗
nhange ſteht. Sogar des Perikles letzte Schickſale werden
Bol. Diod. xni, 9, Harpocr. PART — und Ariel,
»erates De pace 14.: Panath. 19. Dembath. Pro cor. 8.
ii.) Aleoktritos bei Kenoph. Hell. 11,4, 2; +, Auch den fs
chen, Krieg pflegte man in den :leontinifhen und ſpraluſi ſchen zu
iden. (Thuc. yI,6) _..
» Vel. 8. D. Mütter Geld, "be griech niteratur Be. II, ©.
fe-
y uͤeber die Sticteeiähnung des Hippokrates vgl. Po; ppo a. a.
dir, 2, p. ri a4 —'' Neberhaupt vgl. Plus. De mal. Herod.
355. '
oh, 211° »
238 2.5 Tukydides. Kap. 12.
mit Einer. Kürze behandelt, welche gewiß manchen i
menden Leſer wehe thut (II, 65.). — Ueberall jebı
mar fählen, dag der. Hiſtoriker auch von ſolchen Ding
wwefſlich unterrichtet til. Ex Hat fich keinesweges ausgeſt
Dieß verleiht feinem Buche natürlich einen eigenen,
Del, Bei jenem Kunſtwerke muß man nicht bloß der
werten, welcher Die. Kraft zuſammenhält, ſondern
Kraft merken, welche ſich gegen den Zügel emporbäum
vom braucht es der Hiſtoriker aber noch nicht fo zu
wie Oerndot, der gar oft, wenn ex etwas zu verſchwe
vrpig ſindet, doch wenigſtens bemerkt, Daß er es verſ
Thukvdides bildet hier eine Mitte zwiſchen Den Logo
und den Spätern -felt Ephoros, beſonders den Atthid
kan, die in ihre Geſchichtsbücher eine förmliche Eney
alles ihres Wiens niederlegten. Noch Herodot, wie
ben, iſt wicht ganz frei Hiervon, und ſchon Xenophe
wieder an, wenigitend alles Ethiſche und Praktiſche,
gedacht Hat, einzuſchalten. Während dieß bei den !
mehr unabjihtlih gefchicht, it ed bei Theopompos ab
um der. Einfachheit feiner Vorgänger zu opponiren.
Aber ebenfo ſtrenge Hält es Thulydides mit einer
tief greifenden Megel der Aeſthetik, daß ein Kunſtwe
andern ragen aufregen foll, als die es ſelbſt auch bean
Hierdurch allein kann es abgefchloffen, eine eigen
Welt für fih werden. Unſer Verfaſſer iſt dabei ſelbſt
zelften fo gewiſſenhaft (3. ®. VII, 75.), daß man va
kann, die wenigen, noch nicht abgeſchloſſenen Barticı
Buches würden in den letzten, noch rückſtändigen Jah
Krieges gleichfalls erledigt worden ſein. Es finden fir
lich ſehr viele Anſpielungen, die über das achte Buch
reichen. Man kann daher im Weſenilichen wohl angel
Thukydides Die Ichten Jahre des Krieges zu behandeln
Diefed Werk. läßt den Lefer Fein Factum hinzuzudenken
Cr kann alle ans ihm herausnehmen: was freilich
$. 2... Gegenſtand des Thülhdides. 558
eeten und Tünftlichen: Natur unſets · Schriſtſtellers eine wic
zere Arbeit nothwendig macht, als das Suppllren Nianches
en, an Sprüngen überreichen Werkes. 3: 231 sr
Se Anmere Sefchichte von Athens Gegnern und abtrüum⸗
Bundbesgenoſſen tft. viel: kuͤrzernabgefertigt, ald die won
mm ſelbſt 1)2 nur gerade ſo weit, uls zur Erklaͤrung ihrer
wärtiger Politik utnumguglich Moth wer. Sowile: die
mer. aus ben Spielanſind,. verläßt Thukyrider? die ſient
Zuwiſtigkeiten (IV, 25... Oaher kaun man als Arie
8 ukydideiſchen Werkes Folgendes bezeichnen 219 dä
abſinken Athens van ſoinet perikleißcheu Hdhi
eit⸗daſſelbe durch den peloponneſeſchen-Krieg
mBbart nnd bewirkt wurde. — Die gtoßeStrege
„womit Thukydides Diele Einheit ſeines Werkebfortwah⸗
im Auge vehaãlt, fo manchen Tabek ſie auch von Oionh⸗
bis auf unſere Zeiten Hat erfahren müſſen,“ IP doch kei⸗
Einzigen feiner ebenbürtigen eitgenoſſen fein] "Se
+. einen Hauptbeſtandtheil jener herben Grazie, Wwelche He
ſtwerke der perikleiſchen Zeit Aufangs fo fi ſchwer ae
t aber au ſe unoergleichuich ſchon macht. an
A
.s NER
Be aa
83
Epifaden.
.. la
Um fp aufſallender kann es erſcheinen, wenn deſſenun⸗
ſtet bier und da in die Geſchichte des Thukydides längere
ſo den eingeflochten ſind, die ſcheinbar nicht das Mindeſte
dem peloponneſiſchen Kriege zu ſchaffen haben. Solcher
oden gicbt es fünf: die Geſchichte von der theſeiſchen Zu—
nenziehung der attiſchen Demen (II, 15.), von der verun⸗
— — — —— —
) So wird namentlich bie materielle Kriegsrüftung ber Athene
3.) fehe viel detaillirter befchrieben, als die ber Lalebämonier.
350 Thukydided. Kap. 11.
Wie wenig indeſſen die Kürze des Thukydides afferti
erkennt man am deutlichiten and ter Menge feiner Bi
men. Ilalı» avalaußavsıy 5 sUOUG xara Tayos, rore On
vov xaıo0v TODTOY, Ensıra'.borepov, TIEOTEUNET 00
zur ar :toogs und Achnliches mehr !). Thukydides ha
gleichen Redensarten höchſt mahrfcheinlich noch aus da
gangsfprache, Oft erweitern fie ſich zu förmlichen Par—
mein.“ So: z. B. uetorov ‚Kal: 0dg. Roco". OUk ax
raganigdevzeg' din, fi... Frühere Philologen, wie
Bauer, ‚haben diefe Eigenthimlichkeit des Thukydides fü
Nachahmung des Hebräifchen-gehalten. Cie rührt weh)
aus dem noch jugendlichen Charatter der thukodidelſchen €
periode her.
Man hat eine große Achnlichkeit finden wollen zn
ver chutydideiſchen Kürze und der Kürze des Taei
Wenn nur die Analogienſucht der Menſchen nicht bei d
vingften : Achnlichkeit Die größte Verſchiedenheit zu übe
liebte )1 Die Kürze des Thukydides iſt immer unabſic
die des Taeitus immer abſichtlich. Sie läßt dorten die
beinahe ganz verſchwinden, fo daß die Gedanken gleicht
göttlicher Nacktheit einhergehen; hier dagegen hebt ſie die
erſt recht hervor. Dort verbirgt ſie den Gedankenre icht
hier macht fie erſt aufmerkſam darauf. Auch iſt bei Thuk
— — —— — — — —
) So auch in Nominihus: vgl. I, 138. III, 68. Beiſpie
gerer Pleonasmen, f. g. verbositas, finden fi I, 1. 15. 138. ]
III, 11. 15. 61. Beſonders auch in den Bunbeöverträgen, wo
Biplomatifche Stil, der alle Zweideutigkeiten feheut, erfordern ı
(PoppoI,1, p. 197 sqq). Auch Salluſt hat eine Denge
Pleonasmen.
2) DieKürze bes Salluftius fleht ber thutyoideiſchen viel
Dod) legt Salluſtius fie am meiſten in Kraftſentenzen dar, oft a
afyndetifcher Rebeweife, was auf mehr Abfichtlichkeit deutet. Sel
frühere römifche Literatur iſt immer etwas von ber rhetorifivende
nier ber gleichzeitigen Griechen befleckt worden.
$. 3. Kürze des Thukydides und des Tacitus. 1
ze die Sprache fo kurz, bei Taeitus zugleich ein großer Theil
x Schilderung. Tacitus fchreibt am liebſten abgeriifen, Thu⸗
VDides .allezeit mit der feiniten Anwendung der Partikeln I),
Sie K. O. Müller?) vortrefflich -benterkt Hat, bei Tacitus
Bien. wir zwiſchen den ‚Zeilen leſen, bei Thukydides nur Als
D, was er ſagt, gehörig durchdenken. Ein Vorleſer würde
Thukydides ſelbſt die Rede ohne Pathos, bei Tacitus ſelbſt
EiErzählung mit Pathos recitiren muſſen. Kurzum, es iſt
wiribe Unterſchied, den ich früher ſchon zwiſchen den Antithe⸗
Biber erſten und ber zweiten Stilperiode beſchrieben habe 2).
88 wurde ſchon früher darauf hingewieſen, daß it den
Iden des Thukydides die Sprache nichts weniger, als mono⸗
i iſt. Aber: auch in der bloßen Erzählung weiß er ſich beim
Bayenftande anzupaſſen. Wie ein tiefer und mächtiger Strom,
Ber in ruhiger Einfachheit, gleitet ſeine gewöhnliche Darſtel⸗
bin; wo fie frühere Zeiten berührt, wird fie Mar und
lich; höhere Wellen fchlägt fie in der Schlacht; am wilde:
Brauft fie in den Unruhen von Kerkyra. — Der tiefe
; welcher dieſe Gefchichte befeelt, Die Größe des Gegen-
des, Die Macht der Empfindung: Alles trägt dazu bei,
ö 1) JloAvdsonos gorı kallov 7 MavTEg or Arrixoi. (Schol. II, 41.)
= 3) Sn feiner Vorlefung Über ben Zacitus, ber ich überhaupt das
Befentlichfte meines hier gegebenen Wergleiches verdanke. ,
3) Bei ber Kritik der thukydideiſchen Handfchriften macht die ei⸗
ümlihe Natur des Schriftitellere manche eigenthümliche Regeln
Mendig. So muß bei ihm ganz befonderd unter verfchiedenen Lesar⸗
} die kürzere der längern, die feltenere der gewöhnlichern vorgezogen
Wenn daher einzelne Wörter, bie unbefchadet des Inhaltes
Uen könnten, kritiſch auch nur im Geringften verdächtig find, fo
en fie als Interpolationen geftricyen werden. So auch, wenn bie
chriften verfchiedene Wörter diefer Art Iefen, die nicht aus einans
Servorgegangen fein können; wie Außwr und eugury (VII, 31.), zzo-
und durasıs (1,24). Wenn ein folches Wort bei verfchiedenen Hands
Ken eine verfchiedene Stelle einnimmt, fo ift ebenfalls die Interpo⸗
a dringend zu vermuthen. (Vgl. Poppo a. a. O. II, I, p. 136 sqq.)
2. Thukydides. Kap. 11.
fie erhaben zu machen. Auch die Sprache thut das Il
Dieſe gedankenreiche Kürze, dieſe Anſpruchsloſigkeit der F
dieſe Rauhheit der Satzverbindung, dieſe Alterthümlichke
der Wahl der Worte, ja ſelbſt dieſe Dunkelheit und Ca
vigfeit des Ganzen müſſen den Lefer ernſt und feierlich
men, Schon das Alterthum bat Dieß -eingefehen. 9
man immerhin behaupten, -. daß Thukydides aus dem (
nicht. jelten in's Wunderliche,. aus dem Exrhabenen in's Si
ſtige falle, fo war man doch gern bereit, fein peyalonu
ſein peyedog und feine oemnsrys anzuerkennen 1). Dion
fagts Wenn Vorſatz und Kraft in diefem Laufe zujam
Kleiben, jo wird ein wollfoummer,. .göttlicher Sieg el
Bleibt aber Die Kraft zurück bei der reißenden Schnelligte
Rebe, wo der Athem ausgeht, fo wird die Sprache
and fehlerhaft (p. 870.) :
1) Dionys. De Thucyd. ind, p. 883. 896. Hermog. f
D
— — — — — — —
zur
—X
<<
Fu _ Ä
ah, Bwölftes Kapitel.
u. Einheit des thukydideiſchen Werkes.
Be:
B: haben in ben erſten Kapiteln die Art und Weite bes
Htet, wie Thukydides zur Kenntniß feines Materials ges
Date. In den falgenden Kapiteln feinen Geiſt, und bie
mptfächlichiten Veränderungen, welche das Material im Durch⸗
pen durch denſelben erfahren mußte. So bleibt und denn
B dritte Moment noch das Aunſtwerk ſelbſt zu einer nähern
sgliederung übrig.
8,1.
- AAbfaſſungszeit.
Ob Thukydides zu Athen, zu Skapte Hyle, oder anders⸗
» fein Werk geſchrieben Habe, kann weder mit Gewißheit,
u mit weitern Refultaten ermittelt werden. Das Alterthum
lt, es ſei im Erile geſchehen !). Und allerdings, Thu⸗
dides . verfichert, Daß ex gleich beim Anfange des Krieges
ı) Marcell. 25. 47. Cicero De orat II, 13. Plin. N. H.
KL, 31. Piut. De exsilio 14.
23
334 Thukydides. Kap. 12.
ſein Werk begonnen habe. Aber wann vollendet?
wiß erft nach dem Friedensſchluſſe. In mehren Stell
eriten, zweiten und fünften Buches wird Das Ende dei
ges deutlich erwähnt (I, 13. 18. II, 54. 65. V, 20.
ja I, 95 und II, 13 fogar die auf Lyſandros Befehl ı
Mauerzerſtörung. Auch I, 77 muß offenbar zur 3
Takedämonifchen Oberherrfchaft gefchrieben fein. Der von
Beweis aber liegt in der eigenthümlichen Verflechtim
Durchſichtigkeit des ganzen Werke, An jeder w
Stelle — wir haben es oben ſchon von dem Reden geie
findet fi) Das Frühere ſowohl, wie das Spätere bis zı
des Krieges vorgedeutet. Gar oft ſehen wir im engiten
das verjüngte Bild des ganzen Krieges i).
An der Vollendung ſeines Werkes iſt Thukydides
den Tod gehindert worden. Aus dem Alterthume werd
gaben erwãhnt, als ob and DaB achte Buch nicht vi
herrührte. Man ſchrieb es wohl ſeiner Tochter zu, o
nem Beranögeber nnd Fortſetzet Xenophon; auch dem
pompos mitunter 2). Eine weibliche Hand ſcheint diefei
indefjen wicht zu verrathen. Vom renophentifchen Geil
e gewiß fen; und Xenophon ift fo Leicht in allen
Schriften wiederzuerfennen, weil Diefelben einfachen Ide
Religiöſes, Ethifches, Strategifches und Dekonomifches
halben bei ihm durchklingen. Auch den Theopompos
fein blumiger, bochtrabender Stil, eine zabllofen Era
2). Des anonyme Biograph des Thukydides ($. 8.) läßt da
mipn, zum Scälufe bed ganzen Werkes abgefaßt fein. Aus dem
Euväyganye vermuthet es auch Sen. Lit. Ztg. 1822, ©. 4233. —
fi die Alten bei ſolchen Ausdrüden nicht immer gern in bie!
Leſets hineiagtdacht / hätten? man erinnere ſich nur an ihren %
Mas den Thukydides hätte bewegen Tönnen, die Einleitung am
des Ganzen zu fihreiben, fehe ich ein; am Schluffe der zwi
Drittel aber — und viel mehr bat er nicht vollendet — waprhafti
2) Marcell, 43 sq. un
5 1. Abfaffungkzeit, Authentie des achten Buches. 368
Edle Mythenzeit gar. bald verraihen. — Alle Vermnthungen
wer Art fcheinen er: nach dem Dionyſios aufgekommen zu
Br), Der Verfaffer unfers Buches neunt ſich felber Thu⸗
Mies (6. 60.). Mach Kratippos Bericht Find gegen⸗ deis
wide des thukydideiſchen Werkes keine Neben mehr "anges
Macht 2). Und Kratippos war em .Zeitgenoffel Die Sands
Beiften, wie. Poppo erzählt, geben fait: ohne Ausnahme das
Me Buch mit (II, 1, p. 8.), und zahlreiche Stellen der Alten
Men e3 ohne Bebenken 2). — Auch iſt die Anordnung dieſes
ches, die Behandlung des Material, der Charakter ver
Drache 2) fogar, mit den frühen Büchern volllommen übers
wfiumenn. Die wenigen Abweichungen, das Fehlen Der
keden 5), die größere Leidenſchaftlichkeit des Urtheils, laſſen
ohne Schwierigkeit, wie ich oben gezeigt Habe, aus dem
angel ver. legten Belle erklären. — Mon hat wohl gemeint,
DE Weſentliche des achten Buches fei zwar von Thukydidrs,
3) Krüger Leben bes Thukydides. ©. 74. |
u; ) Dionys. De Thucyd. indicium 16, (Kr.) - on
& 9 PDiodor. XIU, 42. Plut. De garral. p. 613.. Har-
"Ber. v. Aeipisuor. Steph. s. v. Bo4swoös und Agupovoca. Pho-
us v. Haoovdl. Gregor. Corinth. p. 28. Thomas’ Mag. v.
Wpd u. Bfter. . EEE
0) Allerhand unfcheinbare Thukydidismen bes'adıten Buches, -bid
u Nachahmer nicht Teicht beachten würde, hat Krüger zufammenges
wät Commentt, ad Dionys. Historiogr. p. 266 sqgq.
J9 Belches Krüger (Leben des Thukydides ©. 78.) und Gäller
Miucyd. p. 36 sqq.) auf eine nicht ſehr befriedigende Art hinwegde⸗
iren wollen. Sc verweiſe auf mein viertes Kapitel. — Ebenſo
Ei ich der Anfiht von Niebuhr (Kleine Schriften. I, &. 469.)
‚8. Rante (Vita Aristophanis p. CCCOXVI.) beitreten, baß Thuͤ⸗
Wide die Darftellung im achten Buche abfichtlich matter gehalten habe,
Bm fie dem mattern Gange bes Krieges anzupaffen. Ich finde nicht,
Wi die Greigniffe im Testen Drittel des peloponnefifchen Krieges gering»
Eiger find, als im erſten. 0
23 *
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ı
358 2. LChukydides. ‚Kap. 12.
wit nee. Kirze behandelt, welche gewiß manchem i
menden Leſer mehe tut (IL, 65.). — Ueberall febı
man fählen,: daß der. Hiltoriker auch von ſolchen Din;
trefflich unterrichtet iſt. Er hat fich keinesweges audgefi
Dieß verleigt feinem Buche natürlich einen eigenen,
Reiz... Bel Jeden Kunſtwerke muß man nicht bloß dei
merken, - mäshee:. die Kraft zufammenhält, ſondern
Kraft, merken, welche ſich gegen den Zügel emporbäum
vom braucht ſes der Hiſtoriker aber noch nicht fo zu
wie’ Herndot, der gar oft, wenn er etwas zu verſchwe
wöthlg. findet, doch menigftend bemerkt, Daß er es verſi
Thukydides bildet hier eine Mitte zwiſchen den Logo—
und den :Späteen :felt Ephoros, beſonderß den Atthid
bern, die in ihte Geſchichtsbücher eine förmliche Ency
alles ihres Wiſſens niederlegten. Noch: Herodot, wie
benz, it nicht ganz frei Hiervon, und ſchon Kenophe
wieher an, wenigſtens alles Ethiſche und Praktiſche,
gedacht hat, einzuſchalten. Während dieß bei ven f
mehr unabfichtlih geſchieht, iſt cd bei Theopompos abi
um Ber; Einfachheit feiner Vorgänger zu opponiren.
Abm ebenfo; firenge Halt es Thukydides mit einer
tief greifenden-Megel der Aeſthetik, daß ein Kunfken
andern ragen aufregen. fpll, als bie es ſelbſt auch bean
Hierdurch allein kann e8 abgeſchloſſen, eine eigen
Felt für fich werben. Unfer Verfaſſer ift dabei ſelbſt
zelften fo gewiſſenhaft (3. B. VL, 75.), daß man ve
kann, Die wenigen, : noch nicht abgefchloffenen Partie
Buches würden in den letzten, noch rückſtändigen Sat
Krieges gleichfalls erledigt worden fein, Es finden fi
lich ſehr viele Anfpielungen, die über das achte Buch
reichen. Man kann daher im Weſenilichen wohl angel
Thukydides dic letzten Jahre des Krieges zu behandeln
Dieſes Werk läßt den Leſer Fein Factum hinzuzudenker
Er kann alle aus ihm herausnehmen: was freilich
$. 2..." Gegenfland des Thulhdides. 85858
weren at kunftlichen Natur unſers · Schriftitellers: eine wiel
Böere. Arbeit ˖ nothwendig macht, als das Supplion niancheb
ben ,‚:an Sprüngen überteichen Werkes. 5 13 znu5n
& ‚Die. Annere Geſchichte von Athens Gegnern und abi
Bundesgenoſſen iſt viel: Eiger: aßgefertigt, als die von
Hen ſelbſt1) 2 nur gerade ſo ⸗· weit, als zur Erklärung ihrer
Aattigen Politik unumgaͤnglich Roth war. Sowie die
ener aus dem Spiels ſind, verläßt Thukybider? die: Ficitte
Per Zwiſtigkeiten (IV, 25.). :Düber. kaun man als die Eri⸗
Dies. chukydideiſchen Werles Folgendes bezeichnen vi Tons
erabſinken Athens von feiner perikleiſchen Hi,
Weit-ibaffelbe durch den peloponneſtſchenKrieg
fen bart und bewirkt würde. — Die große ⸗Strelige
RE, womit Thukydides vieſe Einheit ſeines Werkebfortwaͤh⸗
dlim Auge behält, fo manchen Tadel ſie auch von⸗ Oiouh⸗
3 bis auf unſere Zeiten Hat erfahren müſſen, IF doch kei⸗
n Einzigen feiner ebenbürtigen Zeitgenoſſen frandiid "Sie
vet einen Hauptbeſtandtheil jener! herben Grazie, welche die
Riiwerke der perikleiſchen Zeit Aufangs fo ſchwer N
m aber eu ſo unvergleichlich rain macht.
„4
4“.
3.8.
Epi toven.
Um fo auffallender kann es erſcheinen, wenn deßfenum—-
htet hier und da in die Geſchichte des Thukydides längere
iſo den eingeflochten ſind, die ſcheinbar nicht das Mindeſte
dem peloponneſiſchen Kriege zu ſchaffen haben. Solcher
ſoden giebt es fünf: die Geſchichte won der theſeiſchen Zu—
menzichung der attiſchen Demen (II, 15.), von der verun⸗
— — — —— —
) So wird namentlich die materielle Kriegsrüſtung der Athener
13.) ſehr viel detaillirter beſchrieben, als die der Lakedämonier.
360 Thukydides. Kap. 12.
glückten Tyrannei des Kylon (I, 126.), von ber Hm
und Vertreibung der Peiſiſtratiden (VI, 54 — 59.) vom
gange des Paufaniad und Themiſtokles (I, 128 — I
Bon den delifchen Apollonsfeſten ift oben die Rede yawd
Die Erwähnung der Thrakier in Danlia (II, 29.)
Entſtehungsgeſchichte der Echinaden (AI, 102.) find allzu
allzu beiläufig, um biecher gerechnet. zu werden. Sie m
en ihre Aufnahme dort einem gerade curſirenden Dia
ſchwaͤtze, das zu widerlegen war, Hier vielleicht dem Umſ
dag die wunderbare Natur jener Inſelchen den Tyulybi
feiner Reife beſonders frappirt Hatte.
Schon die Alten?) waren, der Meinung , in —
Abſchnitten Habe Thukydides feine eigentliche ſtrenge Natı
gelegt, Habe ein freundlicheres, beinah herodoteiſches Ge
‚ ongezogen. Namentlih von der Kylonsepiſode meine
bier habe der Löwe auch einmal gelächelt >). Und der €
über die Peiſiſtratiden mar ‚dem Aleranbriner Hermippi
auffallend, dag er ihn nur aus einer Verwanbtfchaft bes
kydides mit ihnen erklären Eonnte 2). Auch der Scholiaf
tert Haß gegen die angeblichen Tyrannenmörder (I,
Wenn ich diefe Verwandtfchaft nun freilich trotz Krüge
ten lafje, jo würde es mir Doch wehe thun, müßte ich i
Aufnahme jener Epifode zufchreiben ; ebenfo wehe, ala
fie bloß dem Tritifchen Eifer des Thukydides ihre Ausfü
keit verdankte. Das Lehtere nämlich ift Die vorherrſchen'
) ©. 219 fi
3) Den Uebergang zum Tode des Themiftolles nennt aı
Scholiaſt eine zagexfanıs: Schol. I, 135.
») Schol. I, 126. Ein Zechnograph verlangte fogar, bie
follte als Mufter von ber Jugend auswendig gelernt werden.
Theon. Progymn. Cap. 2 pr. p. 15. 22. 50. (Lugd.). Da
Hierbei von yAuaımns und Adern: vgl. Creuzer Hiſtor. Kunft, €
0% Marcell, 18.
6. 3. GExiſoden des Thukhdldes. 361
ber: Menern 2), — Glücklicher Weiſe lüßt ſich aber auch
eine audere Erklärung aufſtellen.
Die Veränderung der Dinge iſt das vornehmſie See
Sefchichtfchreibers. Unmittelbar aber kann fie. nur felten
mt .werbeni . Ye unmterbrochener man den: wachſenden
mfland: betrachtet, deſto weniger deutlich wird das Wachs
hervottreten. Das iſt bei Pflanzen fo; iſt bei den geb
1 Wortfeäritten. der -Ainder foz auch Bei hiſtoriſchen Ver⸗
ten im Großen kann es nicht anders fein. Bine der
eften. amd erfolgreichſten Kunftgriffe des Hiſtorikers beſteht
darin, daß er denſelben Gegenſtand, wie ex imLaufe ber
chunberie wor feinem Auge vorüberzieht, In gewiſſen, weit
: einömden entlegenen Momenten zur nähern Betrachtung
Ai. Die: paffende Wahl ſolcher Momente iſt Sache des
ins. — Als folge Ruhepunkte find dem auch jene Epi⸗
rn anzuſehen. Es ſind Hauptepochen der athent=
n Gefhichte, und In dieſer Eigenſchaft zur Vergleichung
zur Wahrnehmung der inzwiſchen umgeftalteten Partien
ugsweiſe ‚geeignet: Läge es mir ob, eine Geſchichte von
m ·zu ſchreiben, ich würde die Perioden derfelben ſchwerlich
xö beſtimmen.
Mit der Zufammenlebung der Demen: nämlich
e dee alte, loſere Zufantmenhäng des attiſchen Volkes
)y Rach Bloomfield fol bie Peiſi ftratidenepifobe zeigen, wie
-freiheitötiebende Männer über Tyronnen falſch urtheilen; fie fort
eidenfchaftlicher Beurtheilung warnen. Poppo wil fie damit ers
wiffen, Thukydides fei ein Verehrer der lakedämoniſchen Staats⸗
ſſung geweſen, und hätte vielleicht gewünſcht, daß die Peiſiſtratiden
Gewalt, wie die ſpartaniſchen Könige, behauptet hätten (I, 1, 63
Später nimmt er, bieß zurüd, und verweift nur auf Ariftophanes.
rata 619. (III, 4, 191.). Den Uebergang von Paufanias auf The⸗
Bes Hält ex für ein bloßes Sichgehenlaffen bes Thukydides (I, I,
Rad) Sdller rührt er von einer Berichtigung bed Hellanikos
(Thucydides I, p. 50.) Woher weiß Göller bieß? '
362 Thufydides. Kap. 12.
durch bloße Stammesverbindung auf; es entſtand eine atti
Gemeinde, ein attifher Staat im fpatern Einne. (sr
von jet am nicht länger möglich, daß Attila einen parte;
riſſenen Städtebund, ' wie der böotifche war, Bilden kom
Thefeus, könnte man fagen, war fir Athen, was Egbert |
England, Harald Haarfagre für Norwegen, Gorm der 4
für Däneuark. — Die Ufurpation des Kylon bilder-
Athen ven Anbeginn jener Zeit der Tyrannen und. Gefchget
welche von allen hellenifchen Staaten gemeinfam durchge
wurde. Alle charakteriftifchen Züge jener Bewegungen fig
fich mit bewunderungoöwürdiger Prägnanz in dieſer kleinen &f
fode zufammengebräugt. - Der Ufurpator felbjt won edelem
foylechte, in ritterlichen Künften wohl beivandert, mit
barten Tyrannen verfchtwägert, damals noch im Bunde
ten Orakel. Cr richtet fein Unternehmen gegen den. Ik
punkt Der Stadt, wird aber geftürzt von den Landbeiuohum
die immer dent Alten treuer anhängen, und der Anelatchig
der Archonten, Doch wird und am Schluffe noch die Au
gezeigt, Daß Der Demos durchdringen werde, mit Laleräm
Hülfe durchdringen werdet), — Mit den Sturze iq
Peiſiſtratiden eröffnet fich die Herrſchaft der freien Tom
fratie, welche von dieſem Zeitpunfte an den Charakter m
die Größe des athenifhen Staates ausmachen ſollte. $M
knüpfen fich zugleich die erften politifchen Verwicklungen ji
Then Athen und Sparta an. — Das Ende des Themiſtt
kles aber foll das erſte Drittel der atheniſchen Blüthezeit
gen die folgenden zwei charakterifiven. Co iſt I, 135 ſſ. X
Schluß von den, was I, 73 begonnen, I, 89 ff. weiter fed
geführt worden. Darum die köſtliche Schilderung des peak
— — — — — —
1) Recht auffallend wird die Abſicht der Kylonsepiſode, wenn m
ihre charakteriſtiſche Vouftändigkeit mit derfelben Geſchichte bei Herd
dot (V, 71.) vergleicht, der doch fonft weitläuftige Excurſe liebt.
5. 3,5 Gpiſoden des Thukhoides. 563
m. Diannes, welchem alle Naturanlage und Brauchbarkeit
»perikleifchen Geiſtes zu eigen war, Doch ohne deſſen Yil-
ng und liebenswürdige Schönhelt (T, 138.). Darum der
Rutfame Gegenſatz zwiſchen Baufanias und Themiſtokles,
win die verborgenſten Triebfedern enthüllt find, welche Athen
eig an Lakedämons Stelle hervorhoben. Thenüſiokleq
x der raſtloſe Säemann, deſſen Saat von Ariſteides ges
Het, von Kimon befonnt wurde, um von Perikles in ihrer
len Seife und Herrlichkeit geerntet. zu werben. Er ſelbſt
le zu früh geerntet! Auch in dem gerichtlichen Verfahren
en die beiden Helden macht Lakedämon mit ſeiner rechtli⸗
t, aber zaudernden Behutſamkeit einen charakteriſtiſchen (Bes
fa zu der undankbaren Beweglichkeit der Athene. — Su
m demokratiſchen Staate pflegt Die Juſtiz öffentlich und
h zu fein, ‚aber. reich an Juſtizmorden !). Die: Epifohe
den belifchen Saiten giebt auf ähnliche Weile, wie oben
igt Wie, die Dauptepochen der helleniſchen Religiene⸗
vie |
wide ein neuerer Schrififteler die drei eriten Epi⸗
höchſt wahrſcheinlich in die Vorrede (I, 1—23.) aufge⸗
amen haben. An ihrem jetzigen Orte hätte er wohl nur
von Themiſtokles: gelaſſen. Was mag nun aber den Thu⸗
ſdes zu feiner Anordnung bernogen haben? Etwa dieſelhe
geſchicklichkeit, wonach das Alerthum keine Noten licht,
dern Alles, oft zur gewaltigen Störung des Leferd, in
Zert aufnimmt? Gewiß nicht. Es iſt ein Grundſatz uns
Hiſtorikers, jedes Faetum dahin zu ftellen, wo es mit
lichen Ereigniſſen am fehärfiten contraftirt, hierdurch aber
1) Hätten die Epiſoden nicht dieſen Zweck, ſo würbe der Uebergang
Themiſtokles in der That ſehr auffallend ſeinz zumal da Thuky⸗
& den oſtenſibeln ‚Anlaß dieſer Verhandlungen, die Sühnung ber. beis
Zempelfläce, für leeren Vorwand achtete: wie es in einem ähnlia
ı Halle fogar ſchon Herodot thatı V, 70. , ..
—3
364 Thulydides. Kap. 12.
in feiner eigenthlimlichen Natur am. deutlichften Begriffe
Zugleich immer fucht er einen folcden Ort zu wählen,
auf die vergangenen Ereigniſſe am beiten zurückweiſt,
zufünftigen am beiten worbereitet ). — : Eine folche
fügt fih an der Peiſiſtratidengeſchichte beſonder
ih machen. Diefe Epifode wird erzählt bei Gelegent
erften Unruhen, welche den fpätern Ausbruch der oligarı
NReaetion vorbereiten. Hiermit wird uns alfo kurz vi
Ende der atbenifchen Demokratie der Anfang derfelben v
gen gerüdt 2). Auch ift es unverkennbar, dag die Mil
Humanität, mit welcher die Peiſiſtratiden das aufbl
Athen regiert, zu den revolutionären Gräueln der DI
und Deniofratie im fintenden Staate einen grellen 6ı
bildet. Endlich aber war’ es. damals, daß Alkibiade
Flucht und Verrätherei gezwungen wurde. ' Hiermit b
jene Tange Reihe von Unglücksfällen, die Wehen dan
beugte. Manchen mochte damals, wenn er ‚an Alkil
Sturze mitgearbeitet, die Folgezeit in bittere Reue nei
Wie es zu gefchehen pflegt, fo ging man darin auch mo
weit; man legte zu großes Gewicht auf Alkibiades Verf
und deſſen Veranlaffung.. Bier tritt nun Thukydides auf
Berichtigung der gemeinen Anficht ſetzt er aus einander,
man die Veranlaffungen der Ereigniffe nicht überſchätzen!
) Wie ganz anders nimmt fid) do& eine folde Durdfid
teit aus, als u. %. bei Polybios, ber Überall geradezu recapi
was er gelagt habe, und anzeigt, was er Tünftig noch jagen
Eine gewiffe platte Veberfichtlichleit wird dadurch allerdin
wirkt, doch mit großer Störung des Leferö, der fo niemals da
langt, über dem Kunftwerfe den Künftler zu vergeffen.
2) Noch directer wird VIII, 68 bei dem Umflurze der Dem
ihres erflen Anfanges gedacht. Wie fehr ed Übrigens zu jener 3
lich war, in dem Sturze der Peififtratiden ein Analogon zu dem!
dee Demofratie zu fuchen, beweift Andofides De myst. p. 1
Außerdem noch die bekannten Stellen ber kyſiſtrata.
3.:: Gpiſoden des Thachdides. 368
a wie jetzo die Frevelthat der Hermokopiden den Alkibic⸗
in's Elend trieb, ſo Hhatte damals eine unbedeutende Lie⸗
ſchichte den Tod des Hipparchos veranlaßt (VI, 3ä. 56;
An dieſen Tod nun hatte dort der große Hauft den
z der Tyrannei geknüpft (55x) ‚: wie er hier die: Niederla⸗
Athens an Alkibiades Verrath knüpfte. Der. eigentliche
mm aber war dort am Leben geblieben (58 fg.), ſowie
bie Flotten sind. Heere Der Athener zur Zeit noch In ihrer
Stärke fortvauerten. Freilich Tonnte man beiden Ereig⸗
t ihre praktiſche Wichtigfeit darum nicht abſprechen. Hier
ih gab Alkibiades Verrath den Unternehmungen ber Beinde
| Leben;, dort bewog die Furcht vor dem Ende feines
er den HBipplas zu · einer unertruglichen Verſchärfung feis
Kegimentes (50.). Gleichwohl mußten zu Hippins Sturze
fſentliche Meinung (Unapyovsa: aklsieıs) der Athener ſelbſt
med.) , "die ariſtokratiſche Partei mb: die Lakedäͤmonier daß
thim 459. Bin.)5-: foiwie det Untergaug "Athens hauptſch⸗
uch De Gefinnungen des Demos, die Umtriebe ‚der Oli⸗
en und die Geſchicklichkeit der. Lakedämonier erfolgte . —
finden wir in dieſer kleinen Epiſode den Inhalt dr gan⸗
Werkes: abgeſpiegelt. Dem: won: den Vergleichspunkten,
h fo eben einander eritgegengefekt, iſt kein einziger, vet
dem Thukydides entlehnt wäre. Nur die Zufammenftels
hat er dem Leſer anheim gegeben. — Die Kylons⸗,
uiſtokles⸗ und Delobdepiſode wird von ſelbſt Jeder paſſend
fügt newien.n Nber auch bie Geſchichte von Theſeus fiehi
efſlich an Ihrem: Orte; Wir werden tiefer unten. sehen,
) In Bezug auf den Werth der That von Harmobios und Arifto-
‚ fowie auf bie: wahren.Beranlaffungen. nes Peiſiſtratidenſturzes ur⸗
Herodot genau ehenfa, wie. Thukhdides (VI, 122.) — Den
rch verehrten: übrigens alle Anhänger: bey oligarchiſchen Reaction.
er Sokratiker Simon in feinem Philoferdes p- 228 sq. Galhft
Tod erzählten die zapsidregen, irheuzan quf ihre Art.
356 . 0... Thukydides. Kap. 12,
ans deſſen Vorarbeiten und Kladden beſtehend; aber feine‘
ter vielleicht, oder ein anderer. Herauögeber habe es in
heutige Form gebracht. Hier wurde immer ſehr befren
bleiben, daß dieſelbe Hand nicht auch den meitern Verlan
Krieges auf. Ähnliche Weiſe Hinzugefügt. Denn die V
beiten des, Thukydides gingen ohne Zweifel bis zum
des Kriege. Namentlich würde kein Herausgeber auf
fo abgeriſſene Art gefihlofien Haben, Und diefe Art fand
Xenophon vor, wie der ebenfo abgerifine Anfang feiner !
niten beweiſt ').
8g. 2.
Gegenſtand des Werkes.
Gegenſtand des Thukydides iſt dee peloponneſ
Krieg (IL, 1): und zwar der ganze peloponnefifche Krieg
26). Alles Frühere dient nur als Einleitung 2). Name
weiß Thukydides mit entſchiedener Genauigkeit die feindf
Vorbereitungen von dem fürmlichen Ausbruche des 8
felßft abzufondern (I, 125. 146. II, 1. 12.). — Dat
er lebhaft bemüht, die zwei verſchiedenen Kriege wor und
dem Frieden des Nikias nur als Ein, freilich unterbro
Ganzes darzuftellen (V, 26.). Uns, deren Vorftellungen
über, wenigftend mittelbar, eben vom Thukydides herri
Scheint dieß natürlich, fich won ſelbſt zu verſtehen. Unte
1) Ueber die Authentie des achten Buches vol. noch: Pop
a. O. II, 1, p. 7 sqq. Göller Thucyd. I, p. 35 590.
ger in ben Commentatt. hinter feiner Ausgabe von Dionyſios
riogr. und im Leben des Thukydides, &. 74 ff. Gail Le Phil
von 1818.
2) Schon der Scholiaft bemerkt, Thukpdides führe den S
Kerkpräcee Über die Korinthier nicht weiter aus, gsoßurdgun icox
«vous (I, 29.).
$. 2. Gegenſtand bed Thukydides. 357
enen aber: war ed lange Zeit üblich, den archidemiſchen
Bag: von dem dekeleiſchen abzuſondern i)y. Wie lange wird
üg E. ‚auch: bei und noch bauen, bis Jedermann ſich ge⸗
Weit Hat, die ſämmtlichen Feldzüge vom Sinfalfe der Preu⸗
Behr die Champagne an bis. auf ben zweiten pariſer Frie⸗
We für ‚Ein: großes Ganzes zu: halten? Händ Thukydides
ie Werk · vollenden. Fünnen,. fo würde es in! drei wohlgeglie⸗
BR une. ziemlich gleich lange Theile zerfallen? A’ ver archi⸗
niſche Krieg (Buch il V.pr.); 2) ber Frieven des Me
is, die Bimdnißirrungen und ver Zug nach Sicilien (Buch
Fe VIE); :3) der deaeiſche Krieg bis zur Binnane: von
won —2R8
Wie inum. hufybibeß don Krieg allen ale ven PR
ih feiner Arbeit angiebt, fo iſt er auch Im ganzen Buche
Meß ränze treu geblieben. Weber von Pheidias, noch
Sophokles, weder von Sokrates, noch von Ariſtophanes
anwir bie geringſte Erwaͤhnung; fo nah es auch gelegen
Be, namentlich den Erſten beim Ausgange des Perikles ans
Witten.‘ In ber Peſtgeſchichte bleibt‘ Hippokrates, unter ber
Bäistiichen. Sefanbifchaft zu Athen Gorgias unberührt 5),
BB von den Staatsmännern nimmt er nur’ Dadfenige: auf,
NE it. dem Gange des Krieges in unmitielbarem Zuſam⸗
mcange Rat Sog des Verles pe Sqehale werden
u
1) Bal. Diod. xni, 9, Harpocr. DRS —XR und Axxei.
ſoerates De pace 14. Panath. 19. Demösth. ‘Pro cor. 8.
Wekk.) Kleokritos bei Kenoph. Hell. II, A, 21; —. Auch den fis
liſchen Krieg pflegte man, ‚in: den leontiniſchen und ſpraluſi ſchen zu
jeiben.. (Thuc. YI,6) .,
. 2) Val. 8. O. Matter Seid, der orlech niterolur io. II, ©.
6 fe: u
9 uͤeber die michterüthaung des Hippokrates vgl. Po; ppo a. a.
“ir, 3, p. 354° . _ "Ueberhaupt vgl. Plut De mal. Herod.
855. - BEER
358 5 Tukydides. „Kap. 12.
mit iner Rürze behandelt, welche gewiß manchen t
menden Lejer.usche thut (IL, 65.). — Ueberall jedo
man fühlen ,,: daß: der. Hiftoriker auch von folchen Ding
teerflich unterrichtet iſt. Ex Hat fich keinesweges ausgeſt
Dieß verleigt ſeinem Buche natürlich einen eigenen,
Reiz. Bei jedem Kunſtwerke muß man nicht bloß den
merken, weclcher die Kraft zufammenhält, ſondern a
Kraft, merke, welche ſich gegen den Zügel emporbäumi
vie braucht, ed. der Hiſtoriker aber noch nicht fo zu ı
wie Herndot, der gar oft, wenn er etwas zu verſchwei
uöthig ſindet, Doch wenigſtens bemerkt, Daß er es werk
Thukydides bildet bier cine Mitte zwiſchen den Log;
und den Spätern; ſeit Ephoros, beſonders den Atthide
ben, die in ihte Geſchichtsbücher eine förmliche Encyl
alles ihres Wiſſens niederlegten. Noch Herodot, wie
ben, it nicht ganz frei hiervon, und ſchon Xenopho
wieher an, wenigiiend alles Ethiſche und Praktifche,
gedacht hat, einzuſchalten. Während dieß Hei ven
mehr unabjichtlich geſchieht, iſt es bei Theopompos abf
um der; Einfachheit feiner Vorgänger zu opponiren.
Abm ebenfo: firenge hält es Thukydides mit einer
tief greifenden-Megel der Aeſthetik, daß ein Kunſtwer
andern. Tragen aufregen. fol, als die es ſelbſt auch beant
Hierdurch allein Fann es abgeſchloſſen, eine eigen
Felt für fih werden. Unſer Verfaſſer ift dabei felbft i
zelſten fo gewiſſenhaft (. B. VII, 75.), daß man ver
kann, die wenigen, noch nicht abgefchloffenen Partier
Buches würden in den letzten, noch rückſtändigen Jah
Krieges gleichfalls erledigt worden fein, Es finden fie
lich ſehr wiele Anfpielungen, die über das achte Buch
zeichen. Man' kann daher Im Wefentlihen wohl angeb
Thukydides die letzten Jahre des Krieges zu behandeln
Diefed Werk. läßt dem Lefer Fein Factum hinzuzudenken
Gr kann alle aus ihm herausnehmen: was freilich
$. 2..." Geginſtand des Thulydides. 5358
weren und künſtlichen Natur) unſers Schriftſtellers eine vlel
Bere Arbeit · nothwendig macht, als das Suppliren miändhes
idern, an Sprüngen überreichen Werkesßs. 111 urazn
Mie innere Geſchichte wor Athens Gegnern uns abfrünnis
Bundesgenoſſen tft viel kürzer abgefertigt, alo dle won
wien ſilbſt·y2. nur gerado ſo weit, ld zur. Erklärung chrer
Bukttigen Politik unumgaͤnglich Roth war. GSowie die
ener aus dem Spiele ſind, verläßt Thukydides pie: fichis
Betr Zwiſtigkeiten (IV, 25.). Daher kaun man als Kette
Wii des chufydideiſchen Werkes Folgendes bezeichnen ziTpN8
»erabfinten Athens von seiner perikleiſchen Gage,
Bmeit-idaffelbe durch den pelopouneſifchen Krieg
Fienbart und bewirkt wunde. — Die große Streuge
Bir, womit Thukydides vieſe Cinheld feines Werkeb dforhwäh⸗
—8 Auige behãlt, ſo manchen Tadel ſie auch von Oionh⸗
WB auf unſere Zeiten Hat erfahren müſſen, iſt doch kei⸗
em Einzigen feiner ebenbürtigen Zeitgenoſſen frenid. Sie
Wer einen Hauptbeſtandtheil jener! herben Grazie, welche die
unſtwerke der perikleiſchen Zeit Aufangs fo ſchwer zugãnslich
um aber au » unvergleichlich ſchön macht.
8. 3. ..
| Grifaden. Re
um ſo auffallender kann es erſcheinen, wenn deſſeunn⸗
tet Hier und da in die Geſchichte des Thukydides längere
iſo den eingeflochten find, die ſcheinbar nicht das Mlindefte
: dem peloponnefifchen Kriege zu fchaffen Haben, Solcher
Hoden giebt es fünf: die Gefchichte von der theſeiſchen Zu—
lmenziehung der attifchen Demen (IL, 15.), von der veruns
— — —— — —
1) So wird namentlich die materielle Kriegsrüſtung der Athener
13.) ſehr viel detaillirter beſchrieben, als die ber Lakedämonier.
360 Thukydides. Kap. 12. |
glückten Tyhrannei des Kylon (1, 126.), don. der Hanf
und Vertreibung der Beififirativen (VI, 54 — 59.) vom
gange des Paufaniad und Xhemiftofled (T, 128 — 1
Bon den delifchen Apollonsfeften ift oben die Rede geweſen
Die Erwähnung der Thrakier in Daulia CHI, 20.),
Entftehungägefchichte der Echinaden (II, 102.) find allzu
allzu beiläufig, um hierher gerechnet. zu werben, Gie
ten ihre Aufnahme dort einen gerade curſirenden
ſchwaͤtze, das zu widerlegen war, Hier vielleicht dem
dag die wunderbare Natur jener Inſelchen den Thokyrder
ſeiner Reiſe beſonders frappirt hatte.
Schon die Alten?) waren der Meinung in
Abſchnitten Habe Thukydides feine eigentliche ſtrenge Ratır
gelegt, babe ein freunblicheres, beinah herodoteiſches Ga
‚ angezogen. Namentlih von der Kylondepifode meinten
bier habe der Löwe auch einmal gelächelt ). Und der Gral
über die Belfiftratiden war dem Alerandriner Hermippos |
auffallend, daß cr ihn nur aus einer Verwandtſchaft bes Ti
kydides mit ihnen erflären Eonnte ). Auch der Scholicft il
tert Haß gegen die angeblichen Tyrannenmörder (I, 24
Wenn ich dieſe Verwandtſchaft nun freilich trotz Krüger gi
ten lafje, fo würde es mir Doch wehe thun, müßte ich ihr d
Aufnahme jener Epifode zuſchreiben; ebenfo wehe, als wen
fie Bloß dem kritiſchen Eifer des Thukydides ihre Ausführlid
feit verdankte. Das Lebtere nämlich ift die vorherrſchende 4
) 6. 219 fi.
2) Den Uebergang zum Tode des Themiſtokles nennt aud d
Scholiaft eine maptxfanıs: Schol. I, 135.
%) Schol. I, 126. Ein Technograph verlangte fogar, bie Epift
follte als Muſter von der Jugend auswendig gelernt werben. B
Theon. Progymn. Cap. 2 pr. p. 15. 22. 50. (Lugd.). Man re
hierbei von yAvarzs und Adorz: vgl. Creuzer Hiſtor. Kunft, &.289
) Marcell, 18.
5. 3. Griſeben bes Thatyhdibes. 361
ht ber: Neuern ). — Glücklicher Welfe lußt ſich aber auch
cch eine andere Erklärung aufſtellen.
,:Die Veränderung der Dinge iſt das vornehmſte Gebiet
8 Geſchichtſchreibers. Unmittelbar aber kann fie nur ſelten
annt werden: Se ununterbrochener man den wachſenden
Ugenſtand betrachtet, deito weniger deutlich wird das Wachs⸗
men hervortreten. Das iſt bei Pflanzen fo; iſt bei ben gei⸗
My Fortſchritten der Kinder ſo j auch bei hiftoriſchen Vers
Maeiſſen im Großen Kann e8 nicht anders fein. Einer der
Mikeiten. amd. erfolgreichiten Kunfigriffe des Hiſtorikers beſteht
Bio darin, daß er denfelben Gegenſtand, mie er Im- Laufe der
Uchunberie vor feinem Auge worüberzieht, In gewiſſen, weit
Bnieinimber entlegenen Momenten zur nähern Betrachtung
ui. Die: paffende Wahl folder Momente ift Sache des
Diis. — Als ſolche Ruhepunkte find dem auch jene Epi⸗
Ben anzuſehen. Es ſind Hauptepochen der atheni⸗
Min Geſchichte, und in dieſer Eigenſchaft zur Vergleichung
N) zur Wahrnehmung der inzwifchen umgeftalteten Partien
Menzöweife ‚geeignet: Züge es mir ob, eine Geſchichte von
Din. zu ſchreiben, ich würde die Berioden derſelben ſchwerlich
Bierd beftiumen.
Bu Mit de Zufammenziehung der Demen nämlich
Drie dei alte, loſere Zuſammenhang des attifchen Volkes
"1 Rah Bloomfield foll die Peififtratidenepifobe zeigen, wie
ücht freiheitsliebende Männer Über Tyronnen falſch urtheilen; fie fol
we leidenfchaftlicher Beurtheilung warnen. Poppo will fie damit ers
Ist wiſſen, Thukydides fei ein Verehrer der lakedämoniſchen Staats⸗
æfaſſung geweſen, und hätte vielleicht gewünſcht, daß die Peiſiſtratiden
ne Gewalt, wie die ſpartaniſchen Könige, behauptet hätten (I, I, 63
I). Später nimmt er, dieß zurüd, und verweift nur auf Keiftophanes
a 619. (III, 4, 191). Den Uebergang von Paufanias auf Thes
Hält er für ein bloßes Sichgehenlaffen des Thukydides (TI, 1,
I). Rah Göller rührt er von einer Berichtigung bes Hellanikos
z. (Thucydides I, p. 50.) Woher weiß Göller bie?
362 Thukydſdes. Kap. 12.
Durch bloße Stammesverbindung auf; es entitand eine ati:
Gemeinde, ein attifcher Staat im fpatern Sinne Es⸗
von jeßt an nicht länger möglich, daß Attila einen partei,
riſſenen Stüdtebund, ' wie der böntifche war, bilden kom
Theſeus, Fünnte man fagen, war fiir Athen, was Egber ſ
England, Harald Haarfagre für Norwegen, Som ver $
für Dänemark. — Die Ufurpation de Kylon Kita,
Athen nen Anbeginn jener Zeit der Tyrannen und. Gef
welche von allen bellenifchen Staaten gemeinfam durchge
wurde. Alle charakteriftiichen Züge jener Bewegungen fig:
fi mit bevunderungswärdiger Prägnanz in diefer kleinen Gb
fode zuſammengedrängt. Der Ufurpator ſelbſt won ‚ehelem d
ſchlechte, in vitterlichen Künften wohl bewandert, mit beug
barten Tyrannen verjchwägert, damals noch im Bunde ah
den Orakel. Gr richtet fein Unternehmen gegen den I
punkt der Stadt, wird aber geftürzt von den Landbewohrcch,
die immer dent Alten treuer anhängen, und der Adelsbehech
der Archonten, Doc wird und am Schlufje noch die uk
gezeigt, daß der Demos durchdringen werde, mit Lalrämmff
Hülfe durchdringen werded). — Mit ten Sturze dal
Peiſiſtratiden eröffnet fich die Herrſchaft der freien Dan
kratie, welche won dieſem Zeitpunkte an den Charaktın wi.
die Größe des atheniſchen Staates ausmachen ſollte. da
knüpfen ſich zugleich die exften politifchen Verwicklungen zb}
[chen Athen und Sparta an. — Das Ende des Themife
kles aber foll das erſte Drittel der atheniſchen Blüthezeit pp
gen die folgenden zwei charakterifiven. Co ift I, 135 f. ML
Schluß von den, was I, 73 begonnen, I, 89 ff. weiter fi
geführt worden, Darum die köſtliche Schilverung ded prall
1) Recht auffallend wird die Abficht der Kylonsepifode, wenn ma
ihre charakteriftifche Vouftändigkeit mit derfelben Gefchichte bei Her
dot (V, 71.) vergleicht, der doch fonft weitläuftige Excurſe Lieht.
. 3.3 Gpiſoden des Thulhdides. 305
: Mannes, melden alle Naturanlage und Brauchbarkeit
perikleifchen Geiftes zu eigen war, Doch ohne deſſen Yils
J und liebenswürdige Schönhelt (I, 138.). - Darum ber
utſame Gegenſatz zwiſchen Baufanias und Themiſtokles,
in die verborgenſten Triebfedern enthüllt ſind, welche Athen
eich an Lakedämons Stelle hervorhoben. Thenüſioklet
der raſtloſe Säemann, deſſen Saat von Ariſteides ge⸗
ſert, von Kimon beſonnt wurde, um von Perikles in ihrer
en Reiſe und Herrlichkeit geerntet. zu werden. Er ſelbſt
e.zu früh geerntet! Auch in dem gerichtlichen Verfahren
nn die. beiden Helden macht Lakedämon mit feiner: reshtlls
.„ aber zaudernden Behntſamkeit einen charakteriſtiſchen Ges
ab zu der undankbaren Beweglichkeit dev Athener, — Sn
m demokratiſchen Staate pflegt die Juſtiz öffentlich und
J zu fein, aber veih an Suftizmorden 1). Die: Epifohe
den deliſchen Feſten giebt auf ähnliche Weiſe, mis oben
Ist: wurbe, bie Hauptepochen der helleniſchen Religiens⸗
Viernach würde ein neuerer Sqhrifiſteller die drei erſten Spk
a höchſt wahrfeheinlich in die Vorrede (I, 1—23.) aufge
men babdı... An. ihrem jetzigen Orte hätte ex wohl nur
von Themiſtokles: gelaſſen. Was mag nun aber den Thu⸗
des zu ſeiner Anordnung bewogen haben? Etwa dieſelhe
zeſchicklichkeit, wonach das Alerthum keine Noten liebt,
dern Alles, oft zur gewaltigen Störung des Leſers, in
Text aufnimmt? Gewiß nicht. Es iſt ein Grundſatz uns
Hiſtorikers, jedes Faetum dahin zu ſtellen, wo es mit
lichen Ereigniffen am ſchärſſten contraſtirt, hierdurch aber
1) Hätten die Epiſoden nicht dieſen Zweck, ſo würde ber Uebergang
Themiſtokles in der That fehr auffallend ſeinz zumal da. Thuky⸗
den oſtenſibeln Anlaß dieſer Verhandlungen, bie Sühnung der bei⸗
Tempelflüche, für leeren Vorwand achtete: wie es in einem aͤhnli⸗
Kalle ſogar ſchon Herodot that: V, 20.
m
364 Thukydides. Kap. 12.
in feiner eigenthlmlichen Natur am deutlichften begriffen viel
Zugleich immer fucht er einen ſolchen Ort zu wählen, mod
anf die vergangenen Ereigniſſe am beten zurückweiſt, auf M
zukünftigen am beiten vorbereitet ). — : Eine folde
läßt fih an der Beififtratidengefchichte beſonders
lich machen. Diefe Epifode wird erzählt bei Gelegenkeit !
erſten Unruhen, melche den fpätern Ausbruch der oligardi
Seaction vorbereiten. Hiermit wird ums alfo kurz vor
Ende der athenifchen Demokratie der Anfang derfelben vor
gen gerüdt 2). Auch iſt es unverkennbar, daß die Milde
Sumanität, mit welcher die Peiſiſtratiden das
Athen regiert, zu den revolutionären Gräueln der DO
und Dentofratie im fintenden Staate einen greilen €
bildet, Endlich aber war es damals, . dag Alkibindet
Flucht und Verrätherei gezwungen wurde. ..: Hiermit
jene Tange Reihe von Unglüdsfällen, vie Athen damlam),
beugte. Manchen mochte damals, wenn er ‚an Akad
Sturze mitgearbeitet, die Folgezeit in bittere Rene verſchan
Wie es zu gefchehen pflegt, fo ging man darin auch wohlak
weit; man legte zu großes ‚Gewicht auf Alkibiades Verfafen
und defien VBeranlaffung. Hier tritt nun Thukydides auf: Pe:
Berichtigung der gemeinen Anficht ſetzt er aus einander, WR
man die Veranlaffungen ber Exeigniffe nicht überſchähen dick
) Wie ganz anders nimmt fid, doc eine ſolche Durdfiätig
feit aus, als u. A. bei Polybios, ber Überall geradezu rvecapitulik,
was er gefagt babe, und anzeigt, was er künftig noch fagen werk
Eine gewiffe platte Veberfichtlichleit wird dadurch allerdings be
wirkt, doch mit großer Störung bes Lefers, ber fo niemals dazu ge
langt, über dem Kunftwerke den Künftler zu vergeffen.
2) Noch directer wirb VIII, 68 bei dem Umfturze der Demokrati
ihres erften Anfanges gedacht. Wie fehr es Übrigens zu jener Zeit ib
lic war, in dem Sturze der Peififtratiden ein Analogon zu bem tm
der Demokratie zu fuchen, beweiſt Andokides De myst. p. 114m,
Außerdem nody die bekannten Stellen ber Lyfiftrate.
'
.$. 3.:: Gplfoben des Thachoides. 568
Kan wie jetzo bie: Frevelthat der Hermokopiden den Alkitic⸗
d: 8 Elend trieb, ſo hatte damals eine unbedeutende Lies
tgeſchichte den Tod des Hipparchos veranlaßt (VI, 34. 56.
J. An dieſen Tod num hatte Dort der große Haufe de
ba, der: Tyrannei geknüpft (55x) ,: wie er hier bie. Niederla⸗
nNAchens an -Alkibiades Verrath knüpfte. Der eigentliche
Dem aber war dort am Leben geblieben (58 fg.), ſowie
I die Flotten und Heere der Athener zur Zeit noch in ihrer
Im Stärke fortvauerten. Freilich konnte man beiden Ereig⸗
Fen ihre praktiſche Wichtigkeit harum nicht abfprechen. Hier
mich gab Altihiades Verrath den Unternehmungen der Seine
jes Leben; dort bewog die Furcht vor dem Ende ſeines
uders den Hippias zu einer uuertraͤglichrm Verſchärfung ſei⸗
Regimentes (50.). Gleichwohl mußten zu Hippias Sturze
Bſſentliche Meinung ‚(inaoyovsa: cixicuoic) der Athener ſelbſi
5 ae.) "bie ariſtokratiſche Partei und: die Lakeddmonier das
de thin 159. Ro.)5. ſowie Der : Untergaug Athens hauptſäch⸗
durch die Geſinnungen des Demps, die Umtriebe ber Ol
chen und die Geſchickiichteit ber Sakenlimanier erfolgte . —
"finden: - wir-ttt dieſer kleinen Epiſode den Inhalt des gan⸗
Werkes abgeſpiegelt. Denn von den Vergleichsſpunkten,
Ad. fo: eben einander entgegengefetzt, At kein einziger, der
7 dem Thukydides entlehnt waͤre. Nur die Zuſammenſtel⸗
ig hat er dem Leſer anheim gegeben. — Die Kylons⸗,
emiſtokles⸗ und Delodepiſode wird von ſelbſt Jeder paſſend
tefügt nemen.n Sber auch die Geſchichte von Theſeus ſiehi
ttrefſlich an ihrem Drte. Wir werden tiefer unten ſchen,
1) In Bezug auf den Werth der That von Harmodios und Ariſto⸗
on, ſowie auf bie: wahren Beranlaffungen. des Peiſiſtratidenſturzes ur⸗
Ik Herodot genau .ehenfo, wie.Thufpbibes (VI, 128.) —, Den
pard) verehrten: übrigens alle Anhänger, bey oligarchiſchen Reaction.
ber Sokratiker Simon in feinem Philokerdes p. 223 sq.; Selhſt
en Tod erzählten die zupsdreger. intpmaan auf: ibre Ach... .. -
366 Br Thukhdides. Kap. 12.
daß ein natürliches Streben der atheniſchen Politik dahin gi
den Umfang des Staate8 immer mehr zu ermeitern, ſei
Kern dagegen zuſammenzuziehen. Alfo namentlich auf
Land von Attila immer weniger Gewicht zu Tegen.
Streben hatte mit: der Zeit, wo die Epifode eingefchalte
feinen Gipfel erreicht, durch deſſen Veberfchreitung
der Umſturz erfolgte. Wie ſchön ift es num, Hier eben
den allereriten Anfang diefee Richtung zurückzuweiſen ?) |
8. 4.
Leitende Ideen des Thukydides bei der Auswahl ſeines Gegenſlaute
Es fragt ſich nun weiter, was dem Thukydides gerade i
peloponneſiſchen Krieg zum Gegenſtande feiner Geſchichte ek:
empfohlen: eine Wahl, die bekanntlich von Dionyfiod
genug getadelt worden iſt. Der Antwort hierauf ift
die ganze Vorrede Des Thukydides geinidmet, melde impR-
Commentar bildet zu. dee Behauptung des erften Kapith
diefer Krieg fei die größte Bewegung, die einen gu
ten. Theil des Mienfchengefchlecht3 bis dahin erfchlittert habe
Thukydides verfuhr bei dieſem Urtheile keinesweges fo, ve
der große Haufe, der alles Gegenwärtige, fo lange es de
Dauert, fir das Größte überhaupt anfieht (I, 21.). Sonden
mit dem Berferkriege namentlich weiß er den peloponneifhe
auf. eine- wohlertwogene Art zufammenzuftellen. Wenn a ;.b
die Lage der Lakedämonier auf Sphakteria mit derjenigen vo
gleicht, morin Leonidas gefallen fei, fo fügt ex gleich die &
1) Mol. oben &. 306. Jene Hintanfesung bes Landgebietes m
wefentlich demokratiſch, Theſeus aber galt in damaliger Zeit burdan
für den Heros der Volkspartei, ähnlich, wie Servius bei ben Roͤmen,
Eduard der Belenner bei den Engländern. Als ſolcher mußte er al
ber Sage nach verbannt, gleichfam oſtrakiſirt fein.
$. 4. Größe des peloponm. Krieges. 367
ung Hinzu, „um Kleines mit Großem zu vergleichen”
, 36.). Und doch handelte es fich Hier mr um 300 Spar⸗
m, dort aber um 420 (IV, 8.). . Hingegen: hüutet er
wohl, eine ähnliche Klauſel da anzubringen, mo ber fick
re Feldzug fchlechthin mit dem perſiſchen zuſammengehalten
d (VI, 33.).
Ich bin hier genoͤthigt, einer geiſtwollen Anſicht meineß
rers, meines lieben, vortrefflichen Lehrers Gervinus at
enzutreten. Dieſer nämlich glaubt, im Thukydides ein be⸗
ztes Gegenüberſtellen folgender zwei Gegenſätze wahrzunch⸗
rt, und will auf die angebliche Ziefe dieſer Gegenfähe bie
zͤße unferd Hiſtorikers baſirt willen !). In Athen mid
arta nämlich follen „jene beiden Hauptrichtungen des mo⸗
Shen Menſchen vortreten, nach welchen die eine Hälfte: der
nſchheit in Fülle und Befriedigung der Bedürfniſſe, Die
iere in: Enthaltung und Entbehrung Heil und Glückſeligkeit
rt.” Der Kampf dieſer beiden Parteien, welcher damals
et auögebrochen ſei, babe fich noch fpäter „bald zwiſchen
nikern und Kyrenaikern, ober zwiſchen Epikureern und Stoi⸗
a, oder zwiſchen Chriſten mid Helden, in Staat, Religion
> Philoſophie fortgeſetzt, bis er fich exit feit dee Reforma⸗
n unter allgemeinerer Kultur etwas. außzugleichen begann.“
Dieſen Gegenſatz fol Thukydides bereits In den erſten
Ben ausgeſprochen haben. Warum .nicht fchon in der Vor⸗
e, welche doch Hauptfächlich dient, bie Größe des Krieges zu
veifen? Wie tommt es, daß Hier. davon mit keinem Worte
wähnung geſchieht) — Hätte Thukydides einen Plan bes
zt, wie Gervinus meint, fo müßte die Kriegsgeſchichte zus
Eitehen, die innern Ereiguiffe dagegen vortretn. Wir has
| jedoch. ſchon gefehen, daß felbit von der Innern Gefchichte
yens nur Weniges erzählt wird, nur, was flr Den Krieg
1) Grundzüge der Hiftorit, ©. 73 fg.
368 Thukydides. Kap. 12.
unmittelbar von Intereſſe tft; daß aber von Sparta dad I
nere beinah völlig unberührt Bleibt. — Was die Neben
trifft, auf die fih Gervinus zu fügen fucht, fo wich er ham
ſächlich Die erſte Eorinthifche Rebe in Sparta damit gend
haben (1, 68 fi.). Hier findet ſich allerdings eine Parall
ziwifchen Athen und Lafedämon, welche ungefähr mit Get
Worten könnte bezeichnet werben. Aber man bedenke doch, bi
find Vorwürfe der Korinthier! Sie werben beide
nachher berichtigt: für Die Athener in der Leichenrede, für:
Lakedämonier durch Archidamos. Da nimmt denn jme GE
genfah eine ganz andere Farbe an. Bel aller Fülle ha
die perikleifchen Athener durchaus auch das Maß; und bie
geoovyn der Lakedämonier wird man durch Entbehrung ®
überfeben können. — An allerwenigften auf bie Weiſe,
Gervinus fortfährt: wo das Ehriftenthinn als eine Art W
weiterung des Kynismus und der Stoa erfcheint. Sind Mi
im Chriſtenthume felbft ganz ähnliche Gegenfäte aufgelek
welche die Eatholifche Kirche insbeſondere : alltäglich darbie
Auch gehören ja weder Kynismus, noch Stoa den Laked
nieen an, fondern beide demſelben Athen, deſſen —*8*
doch ſein ſollten.
Aber, wie ſich denn von Gersinus nicht anders erwatn
laßt, eine bedeutende Wahrheit Legt doch zu Grunde. Alt
dings Hatte der Athener eine größere Yülle von Ber |
Jede höhere Bildungöftufe, Törperlich und geiftig, beim Coſſr
zelnen, wie beim Volke, hat mehr Bebürfniffe, ala bie wo E
dere. Diefe Vermehrung der Bedürfniſſe iſt ebenfo gut de
Urfache, als die Wirkung der Höhern Bildung. Das ii ek
zu allen Zeiten fo gewefen, nichts für den peloponnefife
Krieg Eharakteriftifches.. Bine Haupterſcheinung dieſes Kriegth
von Thukydides vorzüglich Kervorgehoben, iſt das Streben M
Lakedämonier, auf athenifche Art ihre Bedürfniſſe zu fleigen;
der Athener, durch Uebertreibung ihrer Bedürfniſſe aus m
Dildung in die Verbildung überzugehen. Gerade diefe Tr
$. 4. ‚Siröße. des peloponn.⸗Krieges. 39
vwie :ich tiefer unten zeige; Eort · für. Wort ans dem
es ehe, haben den: Krieg entire. Sn; Me
Malen wir und eurfach: any die Worte Bei. Thubydi⸗
fo. hat er aus dreietlei Grunden ver peloponneſiſchen
| ‚für. den gewichtigften vom: allen. angejehett 115%, 1 or
WA. . Weil ;bei. feinem» Anhegiun beide, Yatıpklänrpfer in
Br Bezichung, Raeusaeun:K aan, Auf der Hohe ſtan⸗
XL, 1): ‚Die Athener allein waren damals ftirker , alb
Bei :Bie: ganaltigften. Bünduiſſe (I, 19.), namenilich ſtärker,
früher ſelbſt die perſiſche Monarchie (I, 60.) ). So ver
rt: auch: Archidamos, die Peloponneſter feien niemals mit
⁊ größern Macht in's Feld gezogen. CL, .).Jedenfalls mar
kriegeriſche Sinn und die Macht beider Parteien ſeit dem
ferkriege noch durch die Kämpfe untereinander gewachfen
18.). — Und das ganze übrige Hellas nahm theils ſo⸗
theils im Verlaufe des Krieges an deſſen Führung Theil
1.): ... einer :tief begründeten Rothwendigkeit gehorchend.
5: Die Barbaren wurden mitergriſſen (I, 1.). Perſer und
Umiferi, Ahralier und Makedonier, Sikelier und Tyrrhener
rden mit in den Strudel gezogen. Die ‚gene Oſthalfte des
ttelmeeres extoͤnte von Kriegslärm.
Br Weii dieſer Krieg läͤnger währte, ‚ala irgend ein
heter/ namentlich länger, als der perſiſche (I, 23.). Wie
Kißche: mit dem Wachſen ver Sichfte auch das Bedürfniß
machfeir pflegt, ſieim: Kampfe · anzuwenden (Iy-2.) 2: fa
Gte der Krieg, worin die höchſten Kräfte von Hellas ge=
ucht wurden, auch der hartnädigite und größte fein. Die
Hie der. Fall. fein, pbgleich: auch hier, mie es zu gehen -
er ‚ner ee: ‚&ifer fich in dervolze ab tühlte 9 120: 44.
8.).*
F. Teil die ‚Krieg, den Seienen dag fr aie uͤu—
Too, rettet ion N ats ie rs RT
a es sl I 5. ‚3 "13 7 — 1, '
» m. —* * bie — vgl II sr ie UI ER FPACH IF TI Bu
24
370 ahutyelves. -;
Heil brachte N.aeAeberhaupt aber weiit Thukydide
Hin, daß Alles, and: in dieſem: Kriege beſonders nu
fchien, :aidy :in ber: geckgen helletiſchen Geſchichte do
wuͤrdigſte feiner Art geweſen.) So war z. E. die ©
von Sybota diegrößte, welche Hellenen gegen. Sell
dahin geliefert hatten (I, 50.)3. "war: insbeſondere der
ſche Feldzug ver koſtbarſte, der, von Hellenen ausgerü
den. und, der verwegenite: in ſeinen ‚Hoffnungen CV
die ſyrakuſiſche Niederlage aber der ‚größte bis dahin
Glückswechſel (VII, 75.), -glängender für den Si
elender für. den’ Beſiegten, als die fcůhere Geſchichte
lenen bemals gekannt hate »
— | 8, 5.
Mordnung der Materie.
Ich habe ſchon früher auf die vier Hauptfad
gewieſen, in welche ſich das große: Gewebe des thukyd
Werkes auftrennen läßt: der Verfall der politiſchen Ge
das muthige Streben in die Ferne, das Uebergewicht
und die Herrſchaft über die Bundeägenofien. —. Mi
wahrſcheinlich, daß fie in Thukydides Seele,. bevor cı
eigentlihe Abfaſſung feiner Geſchichte ging, abgefonder
gen. Jedenfalls aber hat er fie. dann mit außerord
Kunft zuſammengearbeitet. we 5 erfegte (on. ‚DARU
si.
— —
) I, 233% vgl. III, 112 fo.- VII, 20 fa. — Darum wird
eröffnet mit einer wie tragiſch Tlingenden, Weiffagung:, biefer
werde den Hellenen Anfang großen Verderbens fein (IT, 12.).
Aristoph. Pax 437 cum Schol.
2) VII, 87:' vgt. 70. _“ Hätte Thukybides die Shlacht
Arginuſen noch mit aufnehmen können, er hätte gewiß die Be
nicht unterdrückt, daß hier die größte Seeſchlacht von Hellene
Hellenen überhaupt geliefert worden. Val. Diodor. XIII, 96.
6. 5. Anoronung der Materie. | 371
Me weit den äußerlichen Thatfachen gleichſam wieder beklei⸗
m. mit denſelben Thatſachen, woraus ex fie früherhin ger
Amen. hatte. Hiermit wurden die Baden von felbft in ein⸗
ww; geflochten; fie traten für's Auge zurück, was ben unbe
Fenen Genuß Der Lectüre erhöhet, den Kritiker aber, fie
x. aufzufinden, anreizt. |
Be biefer Verflechtung fit Thukydides jedoch bemühet,
es irgend angeht, Ruhepunkte und Durchſichten
ten Leſer zu eröffnen: Dad Hauptmittel Hierzu, wie ſchon
er gezeigt, find die. Reden, die überall, vornehmlich aber
Wo jene Baden einander kreuzen, Vergangenheit und Zus
ft organiſch mit einander zu verbinden fuchen, Was indeß
t weniger dazu beiträgt, {ft der Umſtand, daß Thukydides
‚einer jeden Reihe ähnlicher und alfo zufammenhängenber
pebenheiten immer die erſte, Die wichtigſte und die lebte be
hers hervorhebt 1). Hierdurch wird es möglich, jedes grö⸗
PEreigniß, bevor es eingeführt wird, erſt allmählig vorzu⸗
ſten. Hierdurch gelangen auch die einzelnen Gruppen ſei⸗
SGeſchichte, gleichſam Die Arte und Scenen des großen
nerſpiels, zu einem beſondern Abſchluſſe, der häufig ſogar
h ein refrainartiges Zurückweiſen verdeutlicht fit. Derglei⸗
Refrains ſind der ganzen ältern Kunſt eigenthümlich, vor
a dem Aeſchylos 2). Schon bei Curipides verliert das
liſtrophiſche an Bedeutung. Wo der platoniſche Protagoras
t 3), ſowie in den Sragmenten des Demokritos finden wir
1) Das alle Zahr gleichmäßig Wiederkehrende, alfo Uncharakteriftis
“ Tucht Thukydides nur einmal zu geben, So z. B. nur Eine Leis
Feebe. gl. aud) II, 31.
2) ®gl. Schneider De epiphthegmaticis versibus Aeschyli.
. — Bei den Bauberliedern, Prophezeiungen u. f. w. blieben fie
Ber üblich, weil diefe am längften nad) Alterthümlichkeit ftrebten.
Theokrit's Pharmakeutria, Catull's Hochzeit ber Thetis, Birgil’s
R Ekloge u. ſ. w. Vgl. K. DO. Müller's Eumeniden, ©. 91.
2) Platon hat in ſeiner Darſtellung die wirklichen Reden und
Tiften des Protagoras ohne Zweifel nachgebilbet. |
2A”
572 Thulydides. Kap, 12: . -
zahlreiche Refrains. Bon demfelben Verfahren. bei XY
haben wir einige Beifpiele ſchon in den Epifoden ker
lernt ; auf andere werde ich gelegentlich aufmerkfam m
Hierdurch kommen jene Faden, welche durch Die
Verarbeitung den Auge waren entrückt worden, ſowe
thig ift, wieder zum Vorſchein. Dieſe Spuren fck
den Lefer am beſten in Stand, die eigentliche Dekon
Werkes kennen zu lernen. — Wa endlich Die ſchoͤ
- einigung dieſer .verfchiedenen Momente Hernorbrin
das fortwährende Streben des Verfaflerd, wo «3 nun
in den einzelnen Reden und Erzäflungen ein analo;
des ganzen Krieges niederzulegen !). Damit werben
zelnen Eeenen, fo lebendig und abgerundet fie auch f
Zwecke des Ganzen doch fireng imtergeorbnet. — |!
kennt aber and dieſer verwickelten und mühfamen $
tung, daß Thukydides von Nichts in der Welt fen
al8 won einer falichen Gelehrſamkeit, melche. der |
Form, und von einer falfchen Gentalität, welche der
ſten Ueberlegung im Einzelnen glaubt entbehren zu Für
Wie es aber nicht felten bei großen Meiftern der
fo verbirgt fih auch Beim Thukydides die üiberlegtefi
unter ſcheinbarer Kunſtloſigkeit. Mit große
Hält ex fih an die Chronologie feines Gegenftandes,
nicht bloß Jahr für Jahr und nach Sommer un Wi
folgt, fondern in der Negel auch Monat für Monat.
die Ginleitung ijt mit chronologifcher Strenge abgel
Diele Anordnung hat von jeher manchen Tadel erfahr
Dionyfios Epijtel an den Pompejus bis auf Creuzer
ter. Und in Der That, fie erfchwert dag Studi
1) Bol. Er. Schlegel’s Gefhichte der griechifchen und ı
Poeſie I, 1, S. 171., ber etwas Aehnliches bei Homer bemerft,
für eine homeriſche Eigenthümlichkeit hält. Es ift jedoch m
weniger allen großen Künftlern gemein.
6.5, ‚1 ngebnung bes Materie. 375
ydides außerordentlich. DOb ſich indeſſen Thukydides Le⸗
reünfät hat, welchen dieſe Mühe zu ſchwer erſcheint,
Fbahinftchen ). Auch iR. die zerhackte Erzäßlung F er⸗
I der. (efsten, vortreffliſh getignet, ‚den. verſchiedenen She.
Irder Beiden Kriegshälften barzuftellen 3). pr. „Soviel if}
euch der chrouologiſchen Orbrung wird. ein engerer
Bu an Die Wirklichkeit erzielt. Nun bin ich zwar weil
en, nach, dem Grade, wie ein hiſtoriſches Werk den Ges
Aceindruck der zu. Bruude liegenden Wirklichkeit wicder
fi: haamer:. auch ſeinen Kunſwerth· beſtimmen zu wollen.
| alßdann würde ich. ‚fir, dad höchſte, mis ‚bekannte Ser
Kamen: Caͤſar's gallifchen Krieg erflären müſſen: ein Such,
Ban ic. doch glaube nachweiſen zu fünnen, daß ca nur von
aan, eines Andern, vielleicht wenig Berufenen aus Chs
Dahresherichten an den Senat iſt zuſamnmengeſtellt wor⸗
1, Aber ſoviel bleibt. doch ausgemacht, die Congruenz mit |
Wirllichkeit un nicht. ‚bloß, für. sin Saupterforberuifi,
| die unerlißuhe Bedingung des Oiſtorikers gelten⸗
iR, ‚Die Anfprüngliche, Seftatt beifelben wichergiebr, deſio
jr wird er Lob verdienen.
Ein Autor von fo jtrenger Einheit fi natürlich ſchwer
tzuſetzen, am ſchwerſten von einem andern großen His
fer. Aus demfelben Grunde, weßhalb große Dichter nur
1) Höchft felten wirb der Synchronismus verlegt, um ben Bufams
bang ber Materie nicht zu flören: II, 34,
2) ®2gl Dionys. De Muc. 8.
3) Ein Beilpiel von Thukydides feiner Ueberlegung finde ich u. A.
na, daß er Nikias Depefche nicht bei dem Zeitpunkte mittheilt, wo
zefchrieben, fondern wo fie gelefen wird, alfo praktiſch wirkfam aufs
t (VII, Ioff.). Nicht wahr, ein fchönes Zeugniß, wie lebendig er die
chichte auffaßte!
574 Wukhdides. Kap. 12.
ſelten vollkommene Veberfeher find. - Von Kratippos
plementen fehlt jebe nähere Nachricht, - Iſokrates munter
Theopompos wegen feines ſtürmiſchen Charakters auf,
kydides Geſchichte fortzuſetzen; Ephoros, der gelehrt
hige Mann, ſollte die frühere Geſchichte bearbeiten. €
ſollten alle drei Bücher nach Iſokrates Idee zufanımen
griechifche Univerfalgefihichte Bilden. — Auch Xenoph
Helleniken wollen den Thukydides ergänzen ‚mit ——
feines Vorgängers, doch nicht ohne Seclengröße.
niftifche Sinn des Xenophon konnte ſich nicht Bari ’
dag Die Schickſale won" Athen Hauptſache im peloponneſ
Kriege fein follten. Ihm ſchien die Uebermacht von Le
mon deſſen wichtigſtes Reſultat zu ſein. Man wvergleich
Reden VI; 5, 38 ff. und VII, 1, pr., ſowie den S
des ſlebenten Bude, Hier wird ein großartiger Rückbli
die Kämpfe von Athen und Sparta geworfen, auf ihre
mittel, — natürliche Beſchafſenheit, Ausbildung der Dia
und Stüt won oben her — auf ihre iythiſche Geſchichte,
wechſelſeitige Bedürftigkeit. Thukydides hatte begonnen,
Athen und Sparta einander noch ziemlich gleichftanden; d
phon fchloß, als fie nach buntem Wemſel der Bei
wieder gleich geworden waren.
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"Be Si aſte et ven Safer it ie Abßen Abb⸗
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Eyiſoden von tg Are * St
Ang (88-117), ABO e Welle
=, Mist die erden Kr gan
gen Keſch Tore” Steak Föfgen Age
den 89) und Worbeteltungen zum Slteze ſelbſt (is
127. 139—146.). — Daß der dritte Abfchnitt zwiſchen
x erften und zweiten. eingeſchoben worden, tabelt fon Dio⸗
NloB.'’ Doch’ wird der Leſer Acht stern auf echt dramatir
e Weiſe gleich mitten, in die Sache geführt Auch Me
ma ie Charather ned, Zhfybideg, . Die, ihuftlungäge
chie der ati Segen (88-147.) —9*— d Gier
ee Due TEE Be m e
Sch gehe bei⸗ dein · erſten Bucht feherbelniliet- zu Werke, um
Eeſer zur eigenen Analyſe der folgenden beſſer anzuleiten.
558 2. Thukydides. Kap. 12.
wit tier. Stinze:behanbelt, welche gewiß manchen |
menden Peler.uscehe tut (EL, 65.). — Ueberall jebı
man fählen,: daß der. Hiſtoriker auch von folchen Din,
trefflich unterrichter iſt. Er hat fich keinesweges ausgeſ
Dieß verleiht feinen Buche natürlich einen eigenen,
Reiz... Bet ren Kunſtwerke muß man nicht bloß da
merken, woeccher die Kraft zufammenhält, ſondern
Kraft merken, welche ſich gegen den Zügel emporbäum
vie braucht, es der Hiſtoriker aber noch nicht fo zu
wie Herndot, “der gar oft, wenn er etwas zu verſchwe
uechig ſindet, Doch menigſtens bemerkt, daß er es verj
Thukydides bildet hier eine Mitte zwiſchen den Loge
und den Spätern; ſelt Ephoros, beſonderß den -Atthit
kan, die in ihre Geſchichtsbücher eine förmliche Ene
alles Ihres MWiffens niederlegten. Noch. Herodot, wie
Benz ut; wicht gang. frei hiervon, und ſchon Kennphı
wieher an, wenigſtens alles Eihifche und. Praktiſche,
gedacht. hat, einzuſchalten. Während dieß Hei den
mehr unabſichtlich geſchieht, iſt es bei Theopompos af
um Ber; Einfachheit feiner Vorgänger zu opponiren.
.: Aban- ebenſo ſtrenge hält es Thukydides mit eina
tief greifenden Negel der Aeſthetik, daß ein Kunfhv
andern. Fragen aufregen ſoll, als bie es ſelhſt auch bear
Hierdurch allein kann es abgeſchloſſen, eine eiger
Welt für ſich werden. Unſer Verfaſſer iſt dabei ſelbſt
zelſten ſo gewiſſenhaft (4. B. VII, 75.), daß man ve
kann, die wenigen, noch nicht abgeſchloſſenen Partie
Buches würden in ben letzten, noch rückſtändigen Ja
Krieges gleichfalls erledigt worden ſein. Es finden fi
lich ſehr viele Anfplelungen, die über das achte Bud
veichen. Man kann daher im Weſentlichen wohl angel
Thukydides Die letzten Jahre des Krieges zu behandelr
Dieſes Werk läßt dem Leſer kein Factum hinzuzudenker
Er kann alle ans ihm herausnehmen: was freilich
$. 2... Gegenſtand des Thulydides. 550
Seren und künſtlichen Natur unſers Schriftitellers: .eimehwieg
Bere Arbeit nothwendig macht, als dis. Supplicen uianches
ern, an Sprüngen überreichen Werkes. 5 Cut span
iDie innere Geſchichte von Athens - Gegnern Us abtrüum⸗
Bundesgenoſſen iſt viel kuͤrzer abgefertigt, als: die won
a ſilbſt ) 2. nur gerado ſo⸗weit, als zur: Erklärung ührer
mottigen Politik unumgäͤnglich ! Moth wer. 1. @&mse:: die
ner aus dem Spiele ſind, verläßt Thukydides bier: Fichte
ir Zwiſtigkeiten (IV, 25.). Daher kaun man als eilt
Ed ukydideiſchen Werkes Folgendes bezeichnen siTpg
wabfinten Athens von ſoinet perikleißchew Hg)
weit daſſelbe durch den— peloponnefifhienßrieg
enbart und bewirkt wuvrde. — : Die-Htoße-Steeiige
we; womit Thukydides vieſe Einheit feines Werkes Afortwaͤh⸗
Wir Auge behält, fo manchen: Tabet-Fie auch von Mionh⸗
B Bi3 auf unſere Zeiten hat erfahren müſſen, iſt doch kei⸗
U Einzigen feiner ebenbürtigen Zeitgenoſſen freind "Sie
Set. einen Hauptbeſtandtheil jener: herben Grazie, wWelhe de
ſtwerke der perikleiſchen Zeit Aufangs fo ſchwer zugcitglich
wi ober “u » unvergleichlich rain macht. a
‘8 3
Grifoden
i. on. ! OR.
: Um ſo auffulleuder kann es erſcheinen, wenn dſaein
tet hier und da in die Geſchichte des Thukydides längere
Hifoden eingeflochten find, die ſcheinbar nicht das Mindeſte
t dem peloponnefifchen Kriege zu fchaffen haben. Solcher
Hoden giebt e8 fünf: die Gefhichte von der theſeiſchen Zus.
Imenziehung dev attifchen Demen (UI, 15.), von ber verun⸗
P 14 VE
nn a — —
) So wird namentlich die materielle Kriegsrüſtung der Xthener
13.) fehe viel detaillirter befchrieben, als die der Lakedämonier.
568 Thukydides. Kap. 12.
unmittelbar von Intereſſe tft; daß aber von Sparta da
nere beinah völlig unberührt Bleibt. — Was die Ne
trifft, auf Die ſich Gervinus zu fügen fucht, fo wird er
ſächlich die erite Torinthifche Rede in Sparta damit g
haben (I, 68 fi.). Bier findet fich allerbings eine Po
zwifchen Athen und Lakedämon, welche ungefähr mit Ga
Worten könnte bezeichnet werben. Aber man bedenke doch,
find Vorwürfe der Korintbier! Sie werben beib
nachher berichtigt: fie Die Athener in der Leichenrede, f
Lakedämonier durch Archidamos. Da nimmt denn fene
genfaß eine ganz andere Farbe an. Bei aller Fülle
die perikletfchen Athener durchaus auch das Maß; und di
gooousn der Lakedämonier wird man durch Entbehrung
überfeßen Können, — Am allerwenigſten auf die Weife
Gervinus fortfährt: wo das Ehriftenthum als eine Aı
weiterung des Kynismus und der Stoa erfcheint., "Sind
im Chriſtenthume felbft ganz ähnliche Gegenfäße aufgel
welche die Fatholifche Kirche insbeſondere alltäglich dar
Auch gehören ja weder Kynismus, noch Stoa den Lake
nieen an, fondern beide demſelben Athen, deſſen Antipod
doch ſein ſollten.
Aber, wie ſich denn von Gervinus nicht anders ern
läßt, eine bedeutende Wahrheit liegt doch zu Grunde.
dings Hatte der Athener eine größere Fülle von Bebürfi
Jede höhere Bildungöftufe, Törperlih und geiftig, beim
zelnen, mie beim Volke, hat mehr Bebinfniffe, ala diı
dere. Diefe Vermehrung der Bedürfniffe iſt ebenfo gı
Urfache, als die Wirkung der höhern Bildung. Das iſt
zu allen Zeiten fo geinefen, nichts für den peloponne
Krieg Eharakteriftifches.. Eine Haupterfcheinung dieſes Ki
von Thukydides vorzüglich hervorgehoben, ift das Strebe
Lakedämonier, auf athenifche Art ihre Bedürfniſſe zu flei
‚ der Athener, durch Uebertreibung ihrer Bedürfniſſe au
Dildung in die Verbildung überzugehen. Gerade viele
$. 4.. Aroße des peldyonn. Krieges. ‚369
zen, wie ich tiefer unten zeige, Wort für Wert ans dem
wiögbihes zeige, haben ven: Krieg xntſchie dencu or: r!
Halten wir uns eifach: an die Worte dies. Ahubydi⸗ |
Wr. fo hat er aus dreieklei Gründen, der pelnponneflicgen
Weg: für. ben gewichtigften von: allen. anigefehens : 155, :
WA; Weil bei feinem Anbeginn beide. Hanptlänpfer in
e Beziehung, zagwoueun. za naon, auf der Hoͤhe ſtan⸗
XL, 1.). Die Athener allein waren damals ſtürker, alb
jer die gewaltigſten Ründniſſe (I, 19.), namenilich ſtärker,
früßer ſelbſt die: perſiſche Monqrchie (1, '60;) 7). So ver
rt ach. Archidamos, Die Peloponneſiex feien niemals mit
je größern Macht in’3 Feld gezogen (IE, 11.).. Jedenfalls war
Prlegerifche Sinn und die Macht beider Parteien feit dem
fekriege noch durch die Kämpfe untereinander gewachſen
18.). — Und das ganze übrige Hellas nahm theils fo=
teils im Verlaufe des Krieges an deſſen Führung Theil
Pu): . einer tief begründeten Rothwendigkeit gehorchend.
| X Barbaren wurden mitergrifſen (I, 4.. Perſer und
ken, Thrakier und Makedonier, Sikelier und Tyrrhener
x mit‘ iu. ben Strudel gezogen. Die gene Oſthalfte des
Ri 8 ertönte.von Kriegslärm.
an Bat dieſer Krieg länger währte, r irgend ein
ter. , namentlich länger, als ver perſiſche (I, 23.). Wie
cd Wachſen der Scchfte auch das Bedürfniß
pflegt, : fie. tm: Kampfe anzuwenden (I, 2.): fa
Be der Krieg, morin die höchſten Kräfte von Hellas ges
uht wurden, auch der hartnädigite und größte fein. Dieß
R. der erfte Gifer ng in: der golze abkühlte ¶, 120: 140,
t 2 1 4) oo
Weil dieſer Krieg den Shine das fi mie ü n⸗
„F tz Tirana W Js wo... .. 21 N 1 etz ;irü Tl INT
.
nf. Di PTR 1. ; BE in te,
2) m. —5 af sie Agent ALL 1; — — Po er Hi
24
°
e der. Fall. fein,. obgleich: auch hier, mie 8 zu gehen -
‘370 ar Rise, Kay. 122.
Heil brachte N.iaAUeberhaupt aber weiſt Thufgbibei
Hin, daß Alles, was in dieſem: Kriege beſonders nz
fihieri,.: ach: in der: gadızen helleniſchen Geſchichte da
würbigfte feiner Art gavefen.) ..&s war z. €. die ©ı
von Sybota die größte, welche Hellenen gegen Selle
dahin geliefert: hatten (I, 50.)3. "war. inäbefondere der
{che Feldzug der koſtbarſte, der, von Hellenen ausgerüf
den „: und. der verwegenite: Inısfeinen Hoffnungen (VI
die ſyrakuſiſche Niederlage aber der größte bis dabin ı
Glückswechſel (VIL,;Y75.), -glängender für den Sie
elender für. ben Beſiegten,, alb die fruhere Geſchichte
lenen ſemat gekannt haue
| 8, 5.
Aberdaung der Materie.
Ich habe Kom früher auf die vie Ha uptfade
gewieſen, in welche ſich das große. Gewebe des thukyd
Werkes auftrennen läßt: der Verfall der politischen Sei
das muthige Streben in Die Verne, das Tiebergemwicht ;
und die Herrfchaft über Die Bundeägenofien. —. Mir
wahrſcheinlich, daß fie in. Thukydides Seele,. Bevor er
eigentliche Abfaſſung feiner Geſchichte ging, abgefondern
gen. Jedenfalls aber Hat er fie dann mit außerord
Kunft zuſammengearbeitet. Dieß erfolgte ſchon dadurc
25 ... . “ . 0 \ I. ee
1) 122%: dgl. III, 112 fo. VII 39 fa. —- Barum wir
eröffnet mit einer wie tragifh klingenden, Weiffagung : , biefer
werde den Hellenen Anfang großen Verderbens fein (I, 12.).
Aristoph. Fax 437 cum Schol.
2) VII, 87:' vgl. 70. _. Hätte Thukydides die Sqclacht
Arginuſen noch mit aufnehmen können, er hätte gewiß die Ber
nicht unterdrückt, daß bier bie größte Seeſchlacht von Hellener
‚Hellenen überhaupt geliefert worden, Vgl. Diodor. XII, %.
$. 5. Anordnung der Materie. 371
»mit den Außerlichen Thatſachen gleichſam wieder beklei⸗
ar mit denſelben Thatſachen, woraus er fie früherhin ger
m hatte. Hiermit wurden die Faden von ſelbſt in ein⸗
bw; geflochten ; fie traten für's Auge zurück, was ben unbe,
Bnen Genuß her Lectüre erhöhet, den Kritiker aber, fie
er aufzufinden , anreizt. |
Bel. diefer Verflechtung ift Thukydides jedoch bemühet,
es irgend angeht, Ruhepunkte und Durchſichten
Leſer zu eröffnen; Das Hauptmittel Hierzu, wie ſchon
gezeigt, ſind die Reden, die überall, vornehmlich aber
wo jene Faden einander kreuzen, Vergangenheit und Zu⸗
ſt organiſch mit einander zu verbinden ſuchen. Was indeß
t.weniger dazu beiträgt, iſt der Umftand, daß Thukydides
‚einer jeden Reihe ähnlicher und alfo zufammenhängender
enbeiten immer die erſte, die wichtigfte und die lebte be⸗
hervorhebt 1). Hierdurch wird e8 möglich, jedes grö⸗
NAEreigniß, bevor es eingeführt wird, exit allınählig vorzu⸗
© Hierdurch gelangen auch. die einzelnen Gruppen ſei⸗
Seſchichte, gleichfam die Acte und Scenen des großen
piels, zu einem beſondern Abfchluffe, der Häufig ſogar
ein zefrainartiged . Zurückweiſen werdeutlicht iſt. Derglei⸗
Mi Refraind find der ganzen Altern Kunft eigenthümlich, vor
k. dem Aeſchylos 2). . Schon bei Euripides verliert das
phifche an Bedeutung. Wo der platonifche Protagoras
3), ſowie in den Fragmenten des Demokritos finden wir
Das alle Jahr gleichmäßig Wiederkehrende, alſo Uncharakteriſti⸗
ſucht Thukydides nur einmal zu geben. So z. B. nur Eine Leis
. gl. auch II, 31.
* Bol. Schneider De epiphthegmaticis versibus Aeschyli.
Bei ben Zauberliedern, Prophezeiungen u. |. w. blieben fie
Ber üblich, weil diefe am längften nad) Alterthümlichkeit ftrebten.
Theokrit's Pharmakeutria, Catull's Hochzeit der Thetis, Virgil's
® Ekloge u. ſ. w. Vgl. K. O. Müller's Eumeniden, ©. 91.
23) Platon hat in feiner Darſtellung die wirklichen Reden und
diften bes Protagoras ohne Zweifel nachgebildet.
24*
572 Thulkydides. Rap, 12.
zahlreiche Refrains. Bon demfelben Verfahren bei Thukit
Haben wir einige Belfpiele ſchon in den Epifoden kennen
lernt; auf andere werde ich gelegentlich auſmerkſam made
Hierdurch kommen jene Faden, welche durch die mil
Verarbeitung dem Auge waren entrückt worden, ſoweit c
thig iſt, wieder zum Vorfchein. Diefe Spuren fchenf
den Lefer am beiten in Stand, die eigentliche Dekonomie
Werkes kennen zu lernen. — Was endlich Die fchönfle
- einigung dieſer verſchiedenen Momente hervorbringt,/
das fortwährende Streben des Verfaſſers, wo es ur am
in den einzelnen Reden und Erzählungen ein analoge
des ganzen Krieges niederzulegen !). Damit merben die
zelnen Scenen, fo lebendig und abgerundet fie auch find,‘
Zwecke ded Ganzen Doch ſtreng untergeordnet. Dias
kennt aber and dieſer vertoicelten und mühfamen Ver
tung, daß Thukydides von Nichts in der Welt ferner
als von einer falfchen Gelehrſamkeit, melche. der ſtren
Form, und von einer falfchen Genialität, welche der r
ften Ueberlegung im Einzelnen glaubt entbehren zu konnen.
Die es aber nicht felten bei großen Meiftern der Pal
fo verbirgt fih auch beim Thukydides die. überlegtefte
unter fcheinbarer Kunſtloſigkeit. Mit große Ü
Halt er fi au die Chronologie feines Gegenftandes,
nicht bloß Jahr für Jahr und nah Sommer und Winter
folgt, fondern in der Negel auch Monat für Monat. ©
die Einleitung iſt mit chronologifcher Strenge abgefaft.
Diefe Anordnung hat von jeher manchen Tadel erfahren, |
Dionyſios Epiſtel an den Pompejus big auf Crenzer hau
ter. Und in der That, fie erſchwert dad Studium
1
1) Bol. Er. Schlegel’s Gefchichte der griechifchen und rim
Poeſie I, 1, S. 171., ber etwas Achnliches bei Homer bemerkt, &
für eine homeriſche Eigenthümlichkeit hält, Es iſt jeboch mehr
weniger allen großen Künftlern gemein.
_—u [were
.
6.5. Angchnung der Materie. 375
Mydides außerordentlich. . Ob ſich indeſſen Thukydides Le⸗
ewünſcht hat, welchen dieſe Mühe zu ſchwer erſcheint,
Pair 2), Auch jſt die zerhackte Erzählung der er⸗
cher 2) um. Gegeufnge: mit den. großen, geſchloſſenen
Wien der: legten vortrefflich geeignet, ‚den. yerſchiedenen Cha⸗
a beiden Kriegshälften darzuftellen 2). —-- „Soviel iſt
gi mättehit. der chrouologiſchen Ordnuung wird ein engerer
Maoß an Die Wirklichkeit erzielt. Nun bin ich zwar meit
Br nach. dem Grabe , wie ein hiſtoriſches Werk den Ge
einen der zu. Gruude liegenden Wirklichkeit wieder:
hr: mmer auch ſeinen Kunffwerth. beſtimmen zu wollen,
—RXX würde ieh.:fr, das höchſte, mir hekannte Ge⸗
Caͤſar's galliſchen Krieg erklaͤren müſſen: ein Bud,
ci: Doch glaube nachweifen zu können, daß es nur von
er eines Andern, vielleicht wenig Beruferen aus Cäs
hresherichten an ben. Senat iſt zuſaumengeſtelit wor⸗
Aber ſoviel ‚bleibt. doch. ausgemacht, hie Congruenz mit |
Alſchkeit muß nicht bloß. für. ein Haupterforberniß,
* die. unerlägliche. Bedingung des Oiſtorikers gektiu,
* * Aprumlice Gpflalt deſſelben wicdergiebi, deſio
wird er Lob verdienen.
. Ein Autor von fo ſtrenger Einheit ii natürlich ſchwer
tzuſetzen, am ſchwerſten von einem andern großen His
er. Aus demfelben Grunde, weßſhalb große Dichter nur
| I» Hoͤchſt ſelten wird der Synchronismus verlegt, um ben Zuſam⸗
hang der Materie nicht zu ſtören: II, 34.
) Bot Dionys, De Thuc. 8.
| 3) Ein Beifpiel von Thukydides feiner Ueberlegung finde ih u, A.
‚ daß er Nikias Depefche nicht bei dem Zeitpunkte mittheilt, wo
chrieben , fondern wo fie gelefen wird, alfo praktiſch wirkfam aufs
(VII, 10ff.). Nicht wahr, ein fchönes Zeugniß, wie lebendig er die
ichte auffaßte!
SE x Zutpbloed.. Kap. 12.
ans deſſen Vorarbeiten und Kladden beſtehend; aber feine
ter vielleicht, oder ein anderer Herausgeber habe eds in fi
heutige Form gebracht. Hier würde immer ſehr befranbih €
Bleiben, daß dieſelbe Hank nicht auch Den weitern Verlauf dd
Krieges auf. ähnliche Weiſe Hinzugefügt. Denn die Twin
beiten des Thukydides gingen ohne Zweifel bis zum CM
des Kriege. Namentlich würde kein Herausgeber auf ii
fo abgerifiene Art gefchloffen haben. Und diefe Art fand ar
Renophon vor, wie der ebenfo abgeriſſene Anfang feiner Odin i
nilen n beweiſt *
8. 2.
Gegenftand bes Wertes.
Segenftand des Thukydides iſt der pelop onneſiſhe
Krieg (J. 1): und zwar der ganze peloponneſiſche Krieg (V,
26). Alles Frühere dient nur als Einleitung 2). Namenillqh
weiß Thukydides mit entichiedener Genauigkeit Die feindfeligen
Vorbereitungen von dem fürmlichen Ausbruche des Krieges
ſelbſt abzufondern (I, 125. 146. II, 1. 12.). — Dabei #
ee lebhaft bemüht, die zwei verſchiedenen Kriege vor und nah
dem Frieden des Nikias nur als Ein, freilich unterbenchene
Ganzes darzuftellen (V, 26.). Und, deren Vorftellungen Kies
über, wenigſtens mittelbar, eben vom Thukydides herrühren,
fcheint dieß natürlich, fich won felbft zu verfiehen. Unter den
N Ueber die Authentie des achten Buches vgl. noch: Poppo a.
a. O. II, 1, p. 7 sqq. Göller Thucyd. I, p. 35 sqq. ‘Kris
ger In ben Commentatt. hinter feiner Ausgabe von Dionyfios Histo-
riögr. und im Leben bes Thukydides, ®. 74 ff. Gail Le Philologue
von 1818.
3) Schon ber Scholiaft bemerkt, Thukydides führe ben Sieg ber
Reriprier über hie Korinthier wicht weiter aus, ngeoßveige leuc ou
avroũ (I, 29.).
Des
) 3 gehe bei dein · erſten Bucht fehe:belnilliet zu Werte, u
Eeſer zur eigenen Analpſe der folgenden beſſer anzuleiten.
358 3. Thnkydides. Kap. 12.
wit Umer.Stinze:behanbelt, welche gewiß manchem
menden Pefer:usche thut (EL, 65.). — Ueberall jedoch wihhr
man fühlen ,: daß der. Hiſtoriker auch von ſolchen Dingen vo ſur
trefflich unterwichtes iſt. Er Hat fich keinesweges ausgeſchrieben.
Dieß verleigt feinem Buche natürlich einen eigenen, hohe
Heiz, .. Bel Jedem Kunſtwerke muß man nicht bloß den Züglk:
merken, : welccher die Kraft zuſammenhält, ſondern auch We
Kraft, merken, welche ſich gegen den Zügel emporbäumt. De
vie Braucht,’ es der Hiſtoriker aber noch nicht fo zu made,
wie’ Serndot; der gar oft, wenn er etwas zu verſchweigen fh
vuehig ſindet, Doch imenigfiend bemerkt, daß er es verſchweize.
Thukydides bildet Hier eine Mitte zwiſchen Den Logographa
und den Späternſelt Ephoros, beſonders den -Atihihenfchb
been, die in ihte Geſchichtsbücher eine förmliche Eneyklopide
alles ihres Wiſſens niederlegten. Noch: Herodot, wie wir für
Benz it wicht ganz. frei Hiervon, und ſchon Kenophan. füngt
wieher an, wenigſtens alles Ethiſche und SPraftifche, ‚mad a
gedacht. hat, einzuſchalten. Während dieß Bei den. Frühen
mehr mnabfichtlich geſchieht, iſt es bei Theopompos abficti,
um Ber; Einfachheit feiner Vorgänger zu opponiren.
, Aben ebenfo: ſtrenge halt .ch Thukydides mit einer ambem
tief greifenden Megel der Aeſthetik, daß ein SKunftiwerk Feine
andern Tragen aufregen. ſoll, als die es ſelhſt auch Beantwortet.
Hierdurch allein kann e8 abgeſchloſſen, eine eigene Kleine
Welt für fich werden. Unſer Verfaſſer ift Dabei ſelbſt im Ein
zelften fo gewiſſenhaft (z. B. VII, 75.), dag man vwermuthen
kann, die wenigen, noch nicht abgeſchloſſenen Partien feines
Buches würden in den legten, noch rückſtändigen Jahren bei
Krieges gleichfalls erledigt worden ſein. Es finden fich nm:
lich ſehr viele Anfpielungen, die über daB achte Buch hinaus:
reichen. Man’ Tann daher im Wefentlichen wohl angeben, wi
Thukydides die legten Ssahre des Krieges zu behandeln bachte,
Dieſes Werk laͤßt dem Lefer kein Factum hinzuzudenken übrig,
Er kann alle aus ihm herausnehmen: was freilich bel ta
EB Vomibe] 577.
(2,7: MB daher: pliter Merall das eigene Intereſſe
Schwächem⸗nden "Reiche: und ı Mächtigen die: Herrſchaft
Bi dar ein Attika der: weiſe Theſens ;umuele
* durch: Die Grindua Feine Hauptſtadt die ſpätere ai
Dh und Größe beſonders vorbereilete CHE, 415.).
liaihe Helläs gelantzte erſt ſpät, erſt nach dein troiſchen — *
Einer Couſolidirung ſeiner Volkerſitze (12.). — . Mun. mar
Den wiederum die. ale Stadt ‚hie mit ben: Waffen zugleich
hie wauhe.Sittoider: Älteften Zeiten. ablegte :. nfreilich nur;
ſpäter von Mekem iu einer vahıhernisteaft: zurückzukehren.
Ratebämonier:"zeichnetan: fi "gletihgeliig: Vurch achtettſche
Nufadyheit anß.::: Hirei alfo: der eufte) Gegenfab:Diefer Beiden
ächte: Feinheit auf der einen, Stunde auf der’; andern
Bte':(6.). ° Wahrend ͤberall der Wohiſtand zunahm; ging
Wwlte Herrſchaft der · Könige in die neue’ der Tyramene über
E zu ſelbſt in Athen, wo ·der erſte Verſuch allerdimg& miß⸗
Bee (15; 1263: fräter Head: dad Reglinent des Priftſtratos
E An:volled Menſcheualtet zu Staude kam. Dieſe: Tyran⸗
Pwar ir Milbe imd Geſeizlichken,“ ſowie an cher. Fhrde⸗
wg: ves athrrüſchen Staates voͤllk ſinmen würdig, eine Vor⸗
bagerinn ber perilleiſchen Verwaltungg genannt’ zit: werben
"SCH. ) H. Nur Lakedlimon blieb feiner alten Verfaſſung
Bag, wie es auch in der Banart einer Stadt: ganz den Cha⸗
Ber ver: älteſten Anſiedelungen foſtgehalten hatte (10.)
seldft von Tyrannen unberührt, war les derſelbe conferuws
de Geiſt im Junern, der es befähigte, durch Vertreibung
D fremden Thrannen ſeine Macht auch nnd Außen vn gel⸗
ab zu machen 18. Vi, 50..
Bor dem troiſchen Kriege konnte von bebentenden uud
ärtigen Unternehmungen wohl kaum die Rede fein
en | —
H Daher auch Pindar und Eupolis ben Peiſiſtratos, wie ben Hie⸗
n, nicht Tyrann, ſondern König. nennen: Schol. Arist Ach. 61.
378 Thukydides. Kap.. 13.
(3), weil Raubzüge kb Wauderungen alle, kriegeriſche
tigkeit. in Anſpruch nahmen (6. 8.). Erſt nachdem ſich
Art von Principat unter dan helleniſchen Stanuncshäuptern
bilbet Hatte (9:), war her troiſche Feldzug denkbar: für:
Zeit ein ‚großartiges. Unternehmen, doch aus Mangel
Hülfsmitteln an ſich nur unbedgutend (10; 11.). In den
genden. Jahrhunderten wird aller Unternehuungdgeiit wi
in Heinen Gränzkricgen zerfplittert (15.) 3: ganz: beſonders,
die Tyrannen, um. ihrer eigenen Sicherheit willen, auf Ei
riſche Großthaten Verzicht keiften. müffen (17.). Deſto w
tiger. war das Gepicht /der⸗Perſerkriege, wır zwar ber ð
nad. Lafelämon.. das Gmmonbe. führie, in der aan
Athen⸗ entſchied (8).
Von dieſer Kraftentwicklung nach Junen und Kufen
die Seemacht ſowohl eine Urſache, als eine Wirkung (
Ans: der allgemein. verbrojteten und ritterlich Ketriebenen €
wiyberah (8.), woran die harbariſchen ; Inſtlhezwohner nicht
ringeren Theil nahmen (8), erhob fich zuerft: Die Seemacht
Mines, die jenem Unweſen größtentheils ein Ende m
&) )j.., Späterhin beſaß ;Miykene die Herrſchaft des Me
995. ſo unvollkommen auch aus Mangel an Vermögen
Schiffe damals nad. ſein mochten (10. 11.). Nach ver g
Lichen Ausrottung des Seeraubes ging. die Uebermacht zur
von ‚einem großen: Handelsſtaate auf den andern. über:
den Korinthiern 2).auf die Jonicx (43.)3.. von Diefen auf
ſikeliotiſchen Thrannen und die Einwohner non Kerkyra (1
immernoch mit Geringfügigkeit der äußern Hilfsmittel,
wohl man ſchon damals die Inſelun als eine Leichte Bautı
erſten Seemacht betrachten konnte (15 fg.). — Scho
— ⸗
1) Herodot's Forſchungen hatten hierüber zu einem ganz a
Refultate geführt: I, 171. Bgl. indeſſen auh Aristot. Polit.
2) In Korinth Tamen die erften Dreivuber auf: I, 13.
$ 1. Vorrede. $. % Einleitung. 379.
108. Zeit wad derſelbe Fall geweſen. . Schon Minod hatte
e Einkünfte hauptfächlich aus den: Inſeln ‚gezogen (4.);
ſeit ber Anlage der erſten Kolonien, : welche Athene und
—— nach entgegengejehten: Richtungen Hin vornah⸗
war dieſe Bedeutung der Marine eg unendlich geftei⸗
worden: (42.). |
An eigeiitliche Bünd niffehat yon: jeboch im Anfange
wenig zu. denkru, daß ſelbſt der: gemeinſchaftliche Rame des
zen Volkes niiq ſpät erſt aufkam.“Nur die Sprache
bete ſchon ein Nationalkand (3.). Die erſte Ahnung. eines
iter verbreiteten: Parteinehmens brachte Der berühmte Städte⸗
ig auf Eabie (45.): - Nach dem Perſerkriege jedoch, wenn
3 eine kurze Friſt noch der Geſammtbund der Hellenen fort⸗
zerte, wurde das ganze Volk in die Bündniſſe der Athener
D: Eakedämonier getheilt (18.). Die: Letztern waren Anfüh⸗
von gleichberechtigten und gleichconſtituirten Bundesgenoſ⸗
30die Erſtern dagegen Herrſcher vom’ zinspflichtigen Unter⸗
nie 1),. Stärke mar der ee Bund, aber dauerhaf⸗
er aledãuoniſche. | .
8. 2.
Eiäleitun g.
In dem zweiten Abſchnitte wird der Seyenfah von Athen
ib Sparta In höchſter Schärfe feſtgehalten. Auch viel aus⸗
hrlicher noch, als in der Vorrede. Sehr ſchön läßt Thuky⸗
Bed: feine Abſatze bis zum Kriege ſelbſt immer ſtufenweiſe an⸗
wellen. Der Hauptbeſtandtheil dleſes Gemälbes iſt nach
ukydideiſcher Art durch die Vergleichung des Themiſtokles
it dem Pauſanias rahmenartig eingeſchloſſen (89 ff. 126ff.).
n der Mitte bildet wieder das fiebenundneunzigſte Kapitel ei⸗
19: vol, 1, 75 ff.
572 Thulydides. Kap. 12. .
zahlreiche Refrains. Bon demfelben Verfahren. bei Thu
Haben wir einige Beifpiele ſchon in den Epiſoden kenn
lernt; auf andere werde ich gelegentlich aufmerkfam mac
Hierdurch kommen jene Faden, welche durch Die m
Verarbeitung dem Auge waren entrüct werben, ſoweit
thig ift, mieder zum Vorſchein. - Diefe Spuren feher
den Lefer am beften in Stand, die eigentliche Dekoncn
Werkes kennen zu lernen. — Wa endlich Die fchönf
- einigung dieſer .verfchiedenen Momente hervorbring
das fortwährende Streben des Verfaſſers, wo es nur
ir den einzelnen Reden und Erzählungen ein analoge
des ganzen Krieges nieverzulegen !).. Damit merben
zelnen Seenen, fo lebendig und abgerundet fie auch fin
Zwecke des Ganzen doch ſtreng untergeordnet. M
kennt aber aus dieſer verwickelten und mühfamen V
tung, Daß Thukydides von Nichts in der Welt ferne
als won einer falichen Gelehrſamkeit, welche. der fh
Form, und von einer falfchen Genialität, welche der.‘
ften Ueberlegung im Einzelnen glaubt entbehren. zu Finn
Wie e8 aber nicht felten bei großen Meiftern der $
fo verbirgt fih auch beim Thukydides die liberlegtefte
unter ſcheinbarer Kunftlofigfeit. . Mit große
Hält er fih an die Chronologie feines Gegenftandes,
nicht bloß Jahr für Jahr und nach Sommer und Win
folgt, fondern in der Negel auch Monat für Monat.
die Einleitung ijt mit chronologiſcher Strenge abgefa
Diefe Anordnung. hat von jeher manchen Tadel erfahren
Dionyfios Epiftel an den Pompejus bis auf Crenzer |
ter. Und in der That, fie erſchwert das Studiu—
) Bel. Er. Schlegel’s Gefchichte der griecdhifchen und rlı
Poeſie I, 1, ©. 171., ber etwas Aehnliches bei Homer bemerft, &
für eine homerifche Eigenthümlichkeit hält. Cs iſt jedoch meh
weniger allen großen Künftlern gemein.
. 5, Auerdnung ber Materie. 375
kydides außerordentlich. ¶Ob ſich indeſſen Thukydides Le⸗
gewůnſcht hat, welchen dieſe Mühe zu ſchwer erſcheint,
dahinſtehen 1). Auch jſt die zerhackte Erzählung. der ers
Bücher 2) im Gegeuſatze mit den. großen, geſchloſſenen
ſen der: letzten vortrefflich getignet, den verſchiedenen Cha⸗
x, der. beiden Kriegshälften darzuſtellen 9. pr; „Soviel iſt
re. mittelſt der chronologiſchen Ordnung wird: ein engerer
u. an Dis Wirklichkeit erzielt. Nun bin ich zwar weit
ne, nach dem Grade, wie ein hiſtoriſches Bat den Ges
uteindruck der zu. Gruude liegenden Wirklichkeit wieder⸗
ir. mer auch ſeinen Kunſpwerth beſtimmen zu wollen,
n alßdann würde ieh. für tag höchſte, mir bekannte Ge⸗
tomext? Caͤſar's galliſchen Krieg erklären müſſen: ein Such,
u ich. doch glaube ‚nachpeifen zu. Eönnen r daß es nur bon
hand rines Anderu, vielleicht wenig Berufenen aus Cs
Zahresherichten an ben, Senat iſt zuſammengeſtelit wor⸗
Aber: ſoviel Hleibt doch ausgemacht, hie Congruenz mit |
—* muß nicht ‚bloß, für. ein Haupterforberuif,,
FR: Se die unerläßiche. Bedingung deß Hiſtorikers gelten,
SEE ‚Be wefprüngliche, Geftalt deſſelben wiedetgiebt⸗ dein
wird er Lob verdienen. u
Sin Autor von fo ſtrenger Einheit fr natürlich ſchwer
zu ſetzen, am ſchwerſten von einem andern großen Hi⸗
x. Aus demſelben Grunde, weßhalb große Dichter nur
Höchſt felten wirb der Synchronismus verlegt, um den Zuſam⸗
ng der Materie nicht zu 11, 34.
Bgl Dionys., De . 8.
‚ Ein Beifpiel von Thufydides feiner Weberlegung finde ih u, A.
‚ daß er Nikias Depeche nicht bei dem Zeitpunkte mittheilt, wo
chrieben, fondern wo fie gelefen wird, alfo praktiſch wirkſam aufs
VII, IOff.). Nicht wahr, ein fchönes Zeugniß, wie lebendig er die
chte auffaßte!
374 Whukydides. Kap. 12.
ſelten vollkommene Liecberfeher find. - Won Kratippos
plementen fehlt jede nähere Nachricht. - Iſokrates munter
Theopompnd wegen feines ſtürmiſchen Charakters auf,
kydides Gefchichte fortzuſetzen; Ephoros, der gelehrt
hige Mann, follte Die frühere Gefchiääte Bearbeiten. (
fellten alle drei Bücher‘ nach Iſokrates Idee zuſammei
griechifche Univerſalgeſchichte Bilden. — Auch x enoph
Helleniken wollen den Thukydides ergänzen ‚ mit ——
ſeines Vorgängers, doch nicht ohne Seelengröße.
niſtiſche Sinn des Xenophon konnte ſich nicht Bari r
daß die Schiefale won’ Athen Hauptſache im peloponne
Kriege fein follten. “ Ihm ſchien die Uebermacht von Le
mon deſſen wichtigſtes Reſultat zu ſein. Man vergleich
Reden VI; 5, 38 ff. und VII, 1, pr., ſowie den ©
des ſlebenten Buches. Hier wird ein großartiger Rückbli⸗
die Kämpfe von Athen und Sparta geworfen, auf ihret
mittel, — natürliche Beſchafſenheit, Ansbildung der Der
und Glück von oben her — auf Ihre mythiſche Geſchichte,
wechſelſeitige Bedürftigkeit. Thukydides hatte begamac
Athen und Sparta einander noch ziemlich gleichftanden; 3
phon ſchloß, als fie nach buntem Weqhſel der Ber
wieder gleich geworden waren.
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"Si N tt den Sife in
en don & fi StenAtgos. "Die
King (88-117,), Fig a — tie nee
feßt bie Ging“ beifetgen" Bapatbis Alf den pelo⸗
en SS forget "este tie? Wbräintefs
Ken 8 Wengen Hm Krlege ſalbſt (LS
127. 139—146.). — Daß der dritte Abfchnitt zwiſchen
n erſten und zweiten. eingeſchoben worden, tabelt fon Dies
»RloB."” Doch’ witd der Sefer Kick stein sit echt dramatiz
ve Weife gleich mitten in bie S die
= abe
9 Zhh gehe bei:bein serften Bade Hehe bilniliet- zu Werke, um
m Eefer zur eigenen Analpſe der folgenden beffer anzuleiten.
376 Thulydides. Kap. 13.
riker gern in Form einer fpartanifchen Rebe gegeben, u
würde fie am rechten Drte ſtehen. Für eine Rede indel
das Ganze zu ſehr entwidelnd, zu wenig fchildernd : es
als Rede unendlich vielen Raum gekoftet Haben;
z. 1.
Vorredeh.
Um feiner Sprache ‚eine für. jicht befkepenbe Abruudu
verleigen, Sat fie Thifybides durch Erörterung ſeines d
ſchriftſtelleriſclen Meriahrens Ahptgı gu varn einteſchleſſt
1. 20 fi.); fie zugleich auch nach dem durchlaufenden C
Een von der Größe des Krieges angeorbnet 2).
Was Hier num zunächſt dad innere Wachſen der
nö Staa nögtri TR up tal Die: Angen de
ar Sitterund Sei ung b baren nur wenig ı
EN Sänberbgfiges, die
Vaterlanbsheks, uftopmneu. fiep —5 — alla A
%ctyan gandy, „und, au * — "machten 5
in, den, Ara und andſchaften das
Klühen, geofigr ⸗ In Aut
gegen blieb yon Al odieſe ölferung + innerlig
maßen geſichert, fe. 2 —* SER. —X
mit —
er u e gem Biete qu
ſche Arca diogi⸗ as Sefegmähige, Se ie ‘zu tleffen werfteht,
den Erfir ai tfichften werben, wennſer aus ben Meittelaltet di
ern Völker eine politifhe, militärifhe und ökonomifche Parallel
ben zu zeichnen fucht.
) Auch Hierin Ainme Denobos mit "dor. Ze
(V, 58.) or sahen B
et Bones). : 877.
te (2,):" All8' Daher: ſpüter Merall das eigene ‚Sinterefle
Schwächtmndar "Reichen: und Mächtigen die: Herrſchaft
Le: (8); da ar rin Attila der: weiſe Theſens ya mals
vurch: ee ſeinen Hauptſtadt die fpätere Ein⸗
ht und: Größe befonders.:horbereitete (II, 45.).. DW
Ige Bellas gelairhts’enft fpkt,.eaft nad; bein teoifchen Rrlöge
siner Sonſolidirung ſeiner Völkerſitze (12). — Mun. war
ſen wiegericht big. erſte Stadt „. die ankt den Waffen zugleich
bh: ie wauhe.Sittei'ver: älteſten Zeiten ablegte :. freilich nur,
ı.fpäter: von Neuem zu enecceuhenuisteaft: zurückziikehren.
e ;Ratbebämorder:yeichneten: fi gletthzeiuige burch· athketifähe
Madygelt aub.!Hirr alfo: Dee: efte) Gegenfat:Diefer'belben
ichte: Feinheit auf der einen, Stunde auf der andern
Fte:16.7. : Während überall der Wohiftand :ztmahtır ging
olte Herrſchaft' der Könige indie: neue’ der Tyranmen über
D wzrſelbſt An Aber, wo der erſte Verſuch allerding& miß⸗
eite C, 126.),ſpater Jeboch das Reglinent des Brifiträtos
An volles Menſcheualtet zu! Stande kam. VDileſe:Thran⸗
ar ir Milbe wird Gefeizlichkein,“ ſowie an weiſer; Flerde⸗
ug: de: athrruſchen Staates nommen! würdig, eine Vor⸗
re “ber perilleiſchen Verwaltung genannt zue wetden
I, Baff.) 1. Nur Lakeduͤmon blieb feiner alten Verfaſſung
, wie es auch in der Bauart ſeiner Stade: ganz den Cha⸗
er der; Alteſtrn Anſiedelungenfeſigehalten hatte (I0.)
elb ſt von Tyrannen unberührt, war ſes derfelbe conferuns
e Geiſt im Innern, der es befähigte, durch Vertreibung
fremden Thrannen feine Macht au. mad Augen: gu: gel⸗
d zu machen ( 18. Vi, 50.). | Ä
: Bor dem troifchen Striege fonnke von bebentenden aus-
irtigen Unternehmungen wohl kaum die Rede fein
. 6*
H Daher auch Pindar und Eupolis ben Peiſiſtratos, wie ben Kies
‚nicht Zyrann, ſondern König. uenuen: Schol. Arist Ach. 61.
378 Thukydides. Kap.. 13.
(3.), ‚weit. Ranbzüge und Wauberungen alle kriegeriſche
tigkeit. in Anſpruch nahmen (5. 8.). Erſt nachdem fir
Art von Principat: unter den helleniſchen Stammeshaäupten
bilbet hatte (9.), war Der troiſche Feldzug denkbar: für
Beit ein ‚großartiges Unternehmen, doch aus Mangt
Hülfsmitteln an fih nur unbedeutend (10: 11.). In de
genden. Jahrhunderten wirh’’aller Unternehmungdgeiit ı
in Heinen Gränzkriggen zerfplittert (15.) 5: ganz: befonders
die Tyrannen, um. ihrer eigenen Sicherheit willen, auf I
riſche Großthaten Verzicht: Leiſten müſſen (17.). Oeſto
tiger. war das Gepicht /der⸗Perſerkriege, wır zwar ber |
nad. Rafelämon. nad Gommendo. führte in. der at
Authen entſchied (183.
Von dieſer Kraftentwicklung nach Junen und Auße
die Seæm acht ſowohl eine Urſache, als eine, Wirkung
Ans: der allgemein. verbrojteten ‚nnd ritterlich betriebenen
wviuberen (3.), woran die harbariſchen; Inſtlheꝛwohner nid
ringeren Theil nahmen (8), erhob ſich zuerſt Die Seemad
Minns,,. die jenem Unweſen größtentheils ein Ente ı
&) )... Späterhin beſaß Mykene die Herrſchaft des 9
(9.) 3. ſo unvollkommen auch aus Mangel an Vermöge
Schiffe damals nad) ſein mochten (10. 11.). Nach der
Lichen Ansrottung des Seeraubes ging die Uebermacht zu
von ‚einem großen: Haudelsſtaate auf .den andern. über:
den- Korinthieen 2). auf Die Jonier .(AB.)5:..von. Diefen au
ſikeliotiſchen Tyrannen und die Einwohner non Kerkura (
immernoch mit Geringfügigkeit. der äußern Hilfsmittel,
wohl man ſchon damals die Juſeln als eine Leichte Bau
eriten Seemacht betrachten Tomte (15 fg.). — Sch
—
— — —
1) Herodot's Forſchungen hatten hierüber zu einem ganz
Refultate geführt: 4, 171. Vgl. indeſſen auh Aristot. Polit.
3) In Korinth Famen die erften Dreiruder auf: I, 13.
6. 1. Vorrede. F. 2. Einleitung. 379
nos Zelt. war derfelbe Fall geweſen. Schon Minod Hatte
e Einkünfte hauptſächlich aus den: Inſeln gezogen (4.);
ſeit ber Atilage der erſten Kolonien., : welche Athener und
loponneſier nach entgegengefeten: Richtungen bin vornah⸗
s, woar dieſe Bedeutung ber Marin⸗ og unendlich geſtei⸗
t worden (12).
An eigentliche Bünd nifge: hat PER jcdoch im Anfange
wenig zu denktn, daß ſelbſt der: gemeinſchaftliche Rame des
tzen Volket cniiq ſpät erſt auflam.“ Nur. die: Sprache
bete ſchon ein Nationalkand (3.7. Die erſte Ahnnung.eined
ĩter verbreiteten. Parteinehmens brachte der berühmte Sitäbtes
Sg auf Enbde (18.). - Nach dem Berferkriege jedoch, wenn:
u eine Furze Friſt noch der Gefammtbund der Hellenen fort
werte, wurde dad ganze Volk in die Bündniffe der Athener
n :Sutehfinonier geteilt (18.). Die Letztern warn Anfüh⸗
von gleichberechtigten und gleichconſtituirten Bundesgenoſ⸗
°5° die Erſtern Dagegen Herrſcher von’ zinspflichtigen Unter⸗
wien 1), Stärker mar der aetheuiſche Bund, aber dauerhaf⸗
„tet Iateoännniihe, | |
8. 2.
Giäleitun g.
In dem zweiten Abſchnitte wird der Sagenſat von Athen
Id Sparta in höchſter Schärfe feſtgehalten. Auch viel aus⸗
hrlicher noch, als in der Vorrede. Sehr ſchoön läßt Thuky⸗
bes feine Abſttze bis zum Kriege ſelbſt immer ſtufenweiſe an⸗
wellen. Der Hauptbeſtandtheil dieſes Gemäldes iſt nach
ukydideiſcher Art durch die Vergleichung des Themiſtokles
it dem Pauſanias rahmenartig eingeſchloſſen (89 ff. 126 ff. ).
n der Mitte bildet wieder das fiebenundneunzigſte Kapitel eis
—— — -. —— — — — —
2). 39: vgl. 1, 75 ff.
568 Thukydides. Rap. 12.
unmittelbar von Sntereffe tft; daß aber von Sparta dai
nere beinah völlig unberührt Bleibt. — Was die Rede
teifft, auf Die ſich Gervinus zu ftüßen fucht, fo wird er f
ſächlich die. erſte korinthiſche Rede In Sparta damit ge
haben (I, 68 fi.). Bier findet fich allerdings eine Baı
zwifchen Athen und Lakedämon, melche ungefähr mit Ger
Worten Fünnte bezeichnet werben. Aber man bedenke doch,
find Vorwürfe der Korintbier! Ste werben beibe
nachher berichtigt: fin die Athener in der Leichenzebe, fi
Lakedämonier durch Archidamos. Da nimmt denn jener
genſatz eine ganz andere Farbe an. Bel aller Yülle f
die perikleifchen Athener durchaus auch das Maß; und die
gooousn ber Lakedämonier wird man durch Entbebrung
überfeßen können. — Am allerwenigſten auf die Weiſe,
Gervinus fortfährt: wo das Chriſtenthum als eine Ar
meiterung des Kynismus und ber Stoa erfcheint. Sind
im Chriſtenthume felbft ganz ähnliche Gegenſätze aufgen
welche die Tatholifche Kirche insbeſondere - alltäglich darl
Auch gehören ja weder Kynismus, noch Stoa den Lake
niern an, fondern beide demſelben Athen, deſſen Antipod
doch ſein ſollten.
Aber, wie ſich denn von Gervinus nicht anders ern
läßt, eine bedeutende Wahrheit liegt doch zu Grunde. |
dings hatte der Athener eine größere Yülle von Bedürfn
Sede höhere Bildungöftufe, Törperlich und geiftig, beim
zelnen, wie beim Volke, hat mehr Bebürfniffe, als dir
dere. Diefe Vermehrung der Bedürfniſſe iſt ebenfo gr
Urfache, als die Wirkung der Höhern Bildung. Das: ill
zu allen Zeiten fo geweſen, nichts für den peloponnef
Krieg Charakteriſtiſches. Bine Haupterfcheinung dieſes Kri
von Thukydides vorzüglich hervorgehoben, iſt das GStrebe
Lakedämonier, auf atheniſche Art ihre Bedürfniſſe zu ſteit
der Athener, durch Uebertreibung ihrer Bedürfniſſe aui
Bildung in die Verbildung überzugehen. Gerade dieſe
F. 4. .Sröße. des peldyonn. ‚Krieges. ‚309
wen, wie ich tiefer unten zeige, XBiort-Für. Wort ans dem
hiikdides zeige, haben Den: Krieg enttdhiedene.ii: 7: .::
ni Dalten wir und eütfach any die orte ed, Chu tube |
B,:. fo hat er aus dreietlei Gründen, der peloponneflichen
Weg: füx. den gewichtigften von: allen. augeſehen : 15. : ©:
Wi: Weil ‚bei feinem: Anbeginn beide Hanptlänmpfer in
Beziehung, zaowoseun. ei nacn, auf.der: Höhe ſtan⸗
XL: 1). Die Athener. allän waren damals ſtürker,: alb
bie: gewaltigſten Bündniſſe (I, 19.), namentlich ſtärker,
früher ſelbſt Die: perſiſche Dlonguchie (1,:68;) 1). So ver⸗
auch. Archidamos, die Peloponneſier ſeien niemals mit
er größern Macht in's Feld gezogen CH, .). Jedenfalls mar
kriegeriſche Sinn und die Macht beider Parteien ſeit dem
erkriege noch duch die Kämpfe untereinander gewachfen
18.). — Und das ganze übrige Hellas nahm theils fo=
„ teils im Verlaufe: des Krieges an deſſen Führung Theil
|1:)2.. einer tief begründeten Rothwendigkeit gehorchend.
en, Thrakier und Makedonier, Sikelier und Tyrrhener
mit in. dei Strudel gezogen. Die ganze Oſthälfte des
Htelmeered ertönte .non Kriegolärm.
Br Weil dieſer Krieg. länger: währte, Pr irgend ein
rnamenilich änuger, als der perſiſche (I, 23.). Wie
uch. dem Wachſen der Kräfte auch das Bedürfniß
wochfen pflegt, ſie tm: Kampfe anzuwenden (I, 2.): fa
der Krieg, worin die höchſten Kräfte von Hellas ge⸗
t wurden, auch der hartnädigfte und größte fein, Dieß
„der ee Eifer fich in. der golge abkühlte (h 120: 440.
8).
; 6. Beil dieſer Aria ben deicutn das f gti ie
1. to in Eh GEBR BI me RT
— — id 4.. on tn io year ie. sl
») m: Blzug anf bie Agent FOR m Ba: et NR
24
5: die: Barbaren wurden; mitergriffer (I, 1.). Perſer und
°
der. Sol, fein, obgleich: auch hier, mie es zu gehen -
370 “ur i7Ihukholbed. Kay. 12.
Heil ante). Meberhanpt aber weiſt Thukydides
Hin, dag Alles, wad in dieſem: Kriege beſonders ned
ſchien, :aıck in Der: gakzen helleniſchen Geſchichte das
würbigfte feiner Art gavefen.) ..&s war z. E. bie Ser
von Sybota die igrößte, welche Hellenen gegen Hellen
dahin geliefert: Batten (I, 50.)3. war indbefondere der fi
ſche Yeldzug:ber koſtbarſte, der, von Hellenen ausgerüſt
den „: und. der verwegenite: inisjeinen ‚Hoffnungen (VL
die ſyrakuſiſche Niederlage aber der ‚größte bis dahin A
Glückswechſel (VII, 75.), glänzender für den Sieg
elender für. den’ Beſiegten,, als die fruhere Geſchichte d
lenen ſemals oclannt hatte 3 |
s | 8, 5.
Abuorduung der Materie.
Ich Gabe Kon früher auf die vier Ha untfade
gewieſen, in welche ſich das große: Gewebe des thukydil
Werkes auftrennen läßt: der Verfall der politifchen Gel
das muthige Streben in Die Kerne, das Liebergemicht il
und die Herrfchaft über Die Bundeägenoften. — Mir
mwahrfcheinlih, Daß fie in. Thukydides Seele,. bevor er.
eigentliche Abfaſſung feiner Geſchichte ging, abgefondert
gen. Jedenfalls aber hat er fie. dam mit außerorde
Kunft zuſammengearbeitet. Dieß erfolgte ſchon dadurch
den .
„os . ’ vw. .
1) L, 2: vgl. III, 112 fg. VII, 29 fa. —- Darum wich
eröffnet mit einer wie tragifh Tlingenden, Weiſſagung: dieſer
werde den Hellenen Anfang großen Verderbens fein m, 12.).
Aristoph. Pax 437 cum Schol.
2) VII, 87:' vgl. 70. _ Hätte Thukydides die Sqhlacht
Arginuſen noch mit aufnehmen können, er hätte gewiß die Ber
nicht unterdrückt, daß bier bie größte Seeſchlacht von Hellenen
Hellenen überhaupt geliefert worden. „Vgl. Diodor. XIII, 98.
F. 5. Anordnung der Materie. 371
Me weit den äußerlichen Thatfachen gleichſam wieder beklei⸗
„ mit denfelben Thatſachen, woraus er fie früherhin ger
men. hatte. Hiermit wurden bie Faden von felbit in ein⸗
— ſie traten für's Auge zurück, was den unbe⸗
men Genuß der Lectüre erhöhet, den Kritiker aber, ſie
x. aufzufinden, anreizt. |
Bi dieſer Verflechtung ift Thutydides jedoch bemühet,
3 irgend angeht, Ruhepunkte und Durchſichten
Men Leſer zu eröffnen. Das Hauptmittel Hierzu, wie ſchon
ber: gezeigt, ſind die Reden, die überall, vornehmlich aber
Fwo jene Baden einander kreuzen, Vergangenheit und Zus
Br organisch mit einander zu verbinden fuchen. Was indeß
t weniger dazu beiträgt, iſt der Umfland, daß Thukydides
B:einer jeden Reihe ähnlicher und alfo zufammenhängender
benheiten immer die erite, die wichtigſte und Die letzte be=
8 hervorhebt 1). Hierdurch wird e8 möglich, jedes grö⸗
Wreigniß, bevor es eingeführt wird, erſt allmählig vorzu⸗
Hierdurch gelangen auch die einzelnen Gruppen ſei⸗
Beichichte, gleichfam Die Acte und Scenen des großen
erſpiels, zu einem beſondern Abfchluffe, der Häufig fogar
ein sefrainartiged Zurüchveifen verdeutlicht iſt. Derglei⸗
ERefraind find der ganzen Altern Kunft eigenthümlich, vor
dem Aeſchylos 2). Schon bei Euripides verliert das
Krophiſche an Bedeutung. Bo der platonifche Protagoras
ı ſowie in den Fragmenten des Demokritos finden wir
1): Das alle Jahr gleichmäßig Wiederkehrende, alſo Uncharakteriſti⸗
p. ſucht Thukydides nur einmal zu geben. So z. B. nur Eine Leis
pe. Bol. auch II, 31.
2) gl. Schneider De epiphthegmaticis versibus Aeschyli.
— Bei den Zauberliedern, Prophezeiungen u. f. w. blieben fie
* üblich, weil diefe am längften nach Alterthümlichkeit ftrebten.
krit's Pharmakeutria, Catull's Hochzeit der Thetis, Virgil's
ut Ektloge u. ſ. w. Vol. K. DO. Müũüller's Eumeniden, ©. 91.
Ei) Platon hat in ſeiner Darſtellung die wirklichen Reben und
’ iften bes Protagoras ohne Zweifel nachgebilbet.
24*
|
}
f
572 Thulydides. Kap, 12.
zahlreiche Refrains. Bon demfelben Verfahren Bei Thukee
haben wir einige Beiſpiele ſchon in den Epiſoden kennen
lernt; auf andere werde ich gelegentlich auſmerkſam machen
lewinch kommen jene Faden, welche durch Die müß
Verarbeitung den Auge waren entrückt werben, ſoweit d
thig ift, wieder zum Vorſchein. Dieſe Spuren ſetzen
den Lefer am beiten in Stand, die eigentliche Dekonomie
Werkes kennen zu lernen. — Was endlich die ſchoͤnſt
- einigung dieſer verſchiedenen Momente hervorbringt,
das fortwährende Stechen des Verfaſſers, wo es nur am
in den einzelnen Reden und Erzählungen ein analoges
de3 ganzen Krieged nieberzulegen ). Damit merben bie
zelnen Scenen, fo lebendig und abgerundet fie auch gan, |
Zwecke des Ganzen doch ſtreng untergeordnet. — Wi
fennt aber aus dieſer vwerwidelten und mühfamen Vreg
tung, daß Thukydides von Nichts in ber Welt ferner
ald von einer falfchen Gelehrfamteit, welche. ber firan
Form, und von einer falfchen Genialität, welche Der. wei
fin Ueberlegung im Einzelnen glaubt entbehren zu Fünnen.
Wie es aber nicht felten bei großen Meiftern der Fall
fo verbirgt fih auch beim Thukydides die überlegtefte &
unter fcheinbarer Kunftlofigfeit. . Mit großer 3
Hält ex fih an die Chronologie ſeines Gegenſtandes, vie
nicht bloß Jahr für Sahr und nach Sommer und Winter
folgt, fondern in der Negel auh Monat für Mionat. €
die Einleitung ijt mit chronologifcher Strenge abgefaßt.
Diefe Anordnung bat von jeher manchen Tadel erfahren, |
Dionyſios Epiftel an den Pompejus bis auf Greuzer ha
ter. Und in der That, fie erfchwert das Studium
u
|
) Bol. Er. Schlegel’s Geſchichte der griechiſchen und eh
Poeſie I, 1, ©. 171., der etwas Aehnliches bei Homer bemerkt, &
für eine homeriſche Eigenthümlichkeit hält. Es ift jedoch mehr
weniger allen großen Künftlern gemein.
te veg geetegeg fest weht
a8 cite tier ven Leſet MB Kan I
näher And täßer Alten Sitte entgegen ‚Ste Vorede
n en bon bet ’fehiheften bis
1-83). Sierzi" gehbien
ii Sihpotches Die Ein
Ming (8117,), Acht ) Sheet anrel ·
8," VPedt die Euhoiefing bei "Favar%is All den pele⸗
Srmeffähen: Ser tt,” STH Fäfgen "eHbtich "bie Werde
He 8 Wege pm guͤche ſabſt Or
— a er
127. 139—146.). — Daß der dritte Abſchnitt zwiſchen
n exften und zweiten, eingeſchoben worden, tabelt fon Dies
lo? Ooch! witd der Le Asch "gteiii: ai ei bramatir
e Baie ‚glei m mitten in bie Sache geflnzt, Auch ne
mg bntaffee, Be, Fhüfnbieg. Se, Wiheftur
Schgehe bei· hein setften Bucht Tele" mittinter zu SWerke; um
en Leſer zur eigenen Analyſe der folgenden beſſer anzuleiten.
37% Chukydides. Kap. 12.
felten vollkommene Ucberfeer find. Von Kratippt
plementen fehlt jede nähere Nachricht. Iſokrates mun
Theopompos wegen feines ftürmifchen Charakters a
kydides Gefchichte fortzuſetzen; Ephoros, der gel
hige Dann, follte Die frühere Geſchichte Bearbeiten.
ſollten alle drei Bücher nach Iſokrates Idee zufem
griechifche Univerfalgefihichte Bilden. — Auch Xeno
Helleniten wollen ben Thukydides ergänzen, mit e
feines Vorgängers, Boch nicht ohne Seelengröße.
niftifche Sinn des Xenophon Tonnte ſich nicht Bar
daß Die Schickſale von’ Athen Hauptſache im pelopo
Kriege fein follten. Ihm ſchien Die Uebermacht var
mon deſſen wichtigſtes Reſultat zu ſein. Man ver
Reden VI; 5, 38 ff. und VII, 1, pr., ſowie de
des ſlebenten Buches. Hier wird ein großartiger Rü—
die Kämpfe von Athen und Sparta geworfen, auf il
mittel, — natürliche Beſchafſenheit, Ausbildung ber
und Stät won oben her — auf ihre myithiſche Geſch
wechſelſeitige Bedürftigkeit. Thukydides hatte begon
Athen und Sparta einander noch ziemlich gleichſtande
phon ſchloß, als ſie nach buntem Wechſel der V
wieder gleich geworden waren. |
te des — Pr Kopf
Be Si ae tt Yin fer
}. jet fer Bi „a
Feige" it ei In 6 HN Siegil" geibren
Modert don og Li! fr n degoR;” DOM: Ein⸗
G8117 he & bie Senf Hortesentfone anrel⸗
fegt die Shttüng berfeken“ daren den velo⸗
Gen Sc ſon in “Fofgen Abt "He Wear
87 un Wengen Hm Kuͤcze fäbſi (IB
139—146.). — Daß der dritte Abſchnitt zwiſchen
ten und zweiten, eingeſchoben werben, tabelt fon Dio⸗
"Doch witd der Hefte dich — * auf echt dramatir
‚eife, gleich mitten in die a ae d
DaB ER BR)
Sch alte bei-dein :erften Bucht Tee: beiniliet- zu Werke, um
© zur eigenen Analpſe der folgenden beſſer anzuleiten.
376 Thulydides. Kap. 13.
riker gern in Form einer ſpartaniſchen Rede gegeben,
würde fie am rechten Orte ſtehen. Für eine Rebe ii
das Ganze zu ſehr entwickelnd, zu wenig fchildernb: ı
als Rede unendlich vielen Raum gekoſtet Haben,
8.1.
Borredbeh.
Um fine Sppuche eine für. Ficn heftehende Menu
verleihen, hat fie Thrikydides Dur. Ehörterumg fein
ſchriftſtelleriſchen erfahren: Hipigr 2a varu, ugeid
1. %0 fi.) ; fie zugleich auch nach dem durchlaufende
ten von der Größe bes Krieges angeordnet 2).
Was Hier num zunächit das innere Wachſen
Sg, Staaten aubetrifft,, To,fürden wir die äftejter
ag A — von den, bare nur wel
Tin en. CB te, Unftäi
ee: Sauftommen, tie
bu, une, Veckehts überhau
Art au Lande und „au, an era
in, den, fruhtbarfien, und eftgeleg
Klühen, großr Städte von ägtich,
gegen ‚blieb, ‚yon Alterg her dieſelbe
aus ar I A ‚fie
BR ur, Raul
ten None; mach
d ſchafun
7). Du !
Üferung: inn
in Mende ‚ar &
e das — ige'au"Helfin ver
dein Leför am Wenthichfben werden,” wenn'car aue dan Mittelatt
ern Völker eine politifhe, militärifhe und öfonomifhe Par
ben zu zeichnen fucht.
>) Auch „hierin fimme Dewokod wit ıdem. Thukydit
(V, 58.). EEE Er Er 7? Po een
51 Bormebei):. . 577.
> 262): AR daher: ſpüter UAberall das gend: Intereſſe
Bwähenihar Meichen; und Machtigen Die: Hexrſchaft
BL are in Attika den: weiſe Tostegs ,ruels
wirch: die ¶Gruudung ſeinen Hauptſtade die fpätere Ein⸗
I und Größe beſpuders vorbereilete (II, 45.). DR,
Hellas gelantte erſt ſpat, erſt nach dein troiſchen Kriege
wc Souſolidirung ſeiner Völkerſitze (12.). — NMun war
wilederum Die. exſte Stadt, die nit den Waffen zugleich
⸗ rauhe Sitteider: Alteſten Zeiten: ablcgte :. freilich num,
von Neũuem izu eier rauhern Kraft zurückzickehven.
amonier Jeichneten- fit" gfntihgelitg:ırcch” · achtetiſche
et aus.: Hier alfo: dee. eyſte⸗ Gegenſttzdieſet belben
hte: Feinheit auf der einen, Stumge auf der andern
Wir.y; Wahrend Aͤberall der Wohlfland znaltır ;“ ging
Hetrſchaft der ‚Könige in die neue der Tyramen über
jr ſelbſt An Athen, wo der erſte Verſuch allerdingð miß⸗
* 126.),ſpater jeboch dad Regiment des Beifiträtos
volles Menſcheualtet zu Y@tatide kam. Dleſe:Myran⸗
* a Milbe wid Geſezlichken,“ ſowie an weiſer; the
Bde: athrniſchen Staates voͤllk ommen würdig, eint Vor⸗
pe. "ber perilleiſchen Werweltung. genannt: zit: wetden
SLR.) . Nur Labkedlimon blieb feiner alten Verfaffung
wie: ed auch in der Bauart Teiner Stadt: ganz. den Cha⸗
er der: älteſtrn Anfievelungen fofgehalten hatte (I0.).
(Bit von Tyrannen unberührt, wanted: derſelbe conſerwa⸗
Geiſt im Simmern): ber es befähigte, durch Vertreibung
fremden Tyrannen ſeine Macht auch mad Außen. wi ‚geb
qu machen. (18. VI, 58,)..
Bor dem troifchen Kriege Fonnie von berentenden us⸗
rtigen Unternehmungen wohl kaum die Rede ſein
2 F — “ t "
n Daher auch Plndar und Eupolis ben Peififtratos, wie den Kies
nicht Tyrann, ſondern König. nennen; Schol. Arist Ach. 61.
378 Thukydided. Kap. 13.
(3.), weit Raubzuůge und Wauderungen alle kriegeriſche
tigkeit in Anſpruch nahmen (5. 8.). Erſt nachdem fid
Art von Brineipat: unter den helleniſchen Stammeshäupter
bildet batte (9:), war der troiſche Feldzug denkbar: für
Zeit ein ‚großartiges Unternehmen, doch aus Mlange
Hüulfsmitteln an fi nur unbedgutend (10: 11.). In de
genden. Jahrhunderten wird aller Unternefmungdgeift 1
in. kleinen Gränzkricgen zerfglittert (15.) 5: ganz: beſonders
die Tyrannen, um ihrer ‚eigenen Sicherheit willen, auf 1
riſche Großthaten Verzicht Leiſten müffen (17.). Deſto
tiger. war dad Gewicht /der Perſerkriege, wo zwar der
nach Lakedämon. bad Conunando. führte, in. der Ahat
Athen⸗ entſchied ((8).
Von dieſer Kraftentwicklung nach Junen. und Außer
die Seemacht ſowohl eine Urſache, als eine Wirkung
Ang: der allgemein. yerbrojteten und ritterlich betriebenen
wiuberel (3.), woran die harbariſchen; Inſtelbewohner nid
ringeren Theil nahmen (8), erhob fich zuerſt die Seemach
Minos, die jenem Unweſen größtentheils ein Ende u
(4.) ).. Späterhin beſaß Mykene die Herrſchaft des 2)
(9.)3. ſo unvollkommen auch aus Mangel an Vermöge
Schiffe damals nad) fein mochten (10. 11.). Nach der
Lichen Anörottung des Seeraubes ging die Uebermacht zu
von ‚einen großen. Handelsſiaate auf den andern. über:
den- Korinthiern 2).auf die Sonier.(43.)5:..von Diefen au
ſikeliotiſchen Tyrannen und die Einwohner non Kerkura (
immex:noch mit Geringfügigfeit. der äußern Hülfomittel,
wohl man fehon damals die Inſeln ala eine leichte Deu
eriten Seemacht betrachten konnte (15 fg.). — Sch—
‘’.
— ⸗
— —
1) Herodot's Forſchungen hatten hierüber zu einem ganz
Reſultate geführt: 1, 171. Bol. indeſſen auch Aristot. Polit.
2) Zn Korinth kamen bie erften Dreiruber auf: I, 13.
$. 1. Vorrede. 6. 2. Einleitung. 379
nos. Zelt: war derſelbe Fall geweſen. Schon Minod Hatte
e Einkünfte hauptſächlich aus den. Inſeln gezogen (4.);
ſeit der Anlage dee erſten Kolonien,: welche Athener und
vVponneſier nach entgegengeſetzten· Richtungen Hin vornah⸗
u, war Diele Bedeutung der Marine “ng unendlich geſtei⸗
t worden (12.).
An eigentliche Bünd niſfe: hat man jchoch im Anfange
wenig zu denktu, daß ſelbſt der: gemeinſchaftliche Rame des
ser Volkes eniic ſpät erſt auflam.“ Nur. die Sprache
bete ſchon ein Nationalband (3.). Die erſte Ahnung eines
ter verbreiteien Parteinehmens brachte der berühmte Städte⸗
ig auf Enbda (15.). Nach dem Perſerkriege jedoch, wenn
H eine kurze Friſt noch der Geſammtbund der Hellenen fort
zerte, wurde das ganze Volk in die Bündniſſe der Athener
ne Quick (18.).: Die Letztern waren Aufüh⸗
von gleichberechtigten und gleidheonftituirten Bundesgenoſ⸗
die Erſtern dagegen Herrſcher von’ zinspflichtigen Unter⸗
niet 1), Stätker mar der atheniſche Bund, aber dauerhaf⸗
rer Wetalnoniiäe, | | .
8. Fe
Ei nleifun g.
In dem zeiten Albſchnitte wird der Gehenſeß von Athen
v Sparta in höchſter Schärfe feſtgehalten. Auch viel aus⸗
hrlicher nach, als in der Vorrede. Schr fchin läßt Thuky⸗
des ſeine Abſatze bis zum Kriege ſelbſt Immer ſtufenweiſe an⸗
jwellen. Der Hauptbeſtandtheil dieſes Gemäldes iſt nach
ukydideiſcher Art durch die Vergleichung des Themiſtokles
it dem Pauſanias rahmenartig eingeſchloſſen (89 ff. 126 ff. ).
n der Mitte bildet wieder das ſiebenundneunzigſte Kapitel ei⸗
— — — —— — —
1)- 19: vgl. 3, 75 ff.
572 Thulydides. Kap. 12.
zahlreiche Refrains. Bon demfelben Verfahren. bei Xt
haben wir einige Beifpiele ſchon in den Epiſoden ker
lernt; auf andere werbe ich gelegentlich aufmerkfam m
Hlerdind kommen jene Faden, welche durch vie
Verarbeitung den Auge waren entrüdt werben, ſowe
thig ift, wieder zum Vorſchein. Diefe Spuren fet
ben Lefer am Keften in Stand, bie eigentliche Dekon
Werkes kennen zu lernen. — Was enblich Die ſchoͤ
- einigung dieſer .verfchiedenen Momente hervorbrir
das fortwährende Streben des Verfaſſers, wo es nu
in den einzelnen Reden und Erzählungen ein analo;
des ganzen Krieges nieberzulegen 1). Damit merber
zelnen Eeenen, fo lebendig und abgerundet fie auch |
Zwecke des Ganzen doch ſtreng untergeordnet. —
kennt aber and dieſer verwickelten und mühſamen
tung, daß Thukydides von Nichts in der Welt fer
als won einer falfchen Gelehrſamkeit, welche der
Form, und von einer falfchen Genialität, welche de
fien Ueberlegung im Einzelnen glaubt entbehren zu Eiı
Wie es aber nicht felten bei großen Meiſtern der
fo verbirgt fih auch beim Thukydides Die überlegte
unter fheinbarer Kunſtloſigkeit. Mit groß:
Halt er fih au die Chronologie feines Gegenftandes,
nicht Bloß Jahr für Jahr und nach Sommer und W
folgt, fondern in der Regel auch Monat für Monat.
die Einleitung ijt mit chronologifcher Strenge abge
Diefe Anordnung. bat von jeher manchen Tadel erfaht
Dionyfios Epijtel an den Pompejus big auf Grenze
ter. Und in Der That, fie erfchwert dad Studi
1) Bol. Sr. Schlegel’s Geſchichte der griechifchen und
Poeſie I, 1, S. 171., der etwas Aehnliches bei Homer bemerft,
für eine homeriſche Eigenthümlichkeit hält. Es ift icdeqh n
weniger allen großen Künftlern gemein.
$. 5. Auordnung des Materie. 975
eydides außerordentlich. .. Ob fich indeſſen Thukydides Le-
J zewünſcht bat, welchen dieſe Mühe zu ſchwer exrfcheint,
A dahinſtehen 1). Auch jſt die zerhackte Erzählung der er⸗
Bucher 2) im. Gegenfake mit den großen, geſchloſſenen
en der letzten vortreffliſch pegignet, ‚den verſchiedenen Cha⸗
Jer der beiden Kriegshälften darzuſtellen 3). — „Soviel iſt
g.;anittelft der chronologiſchen Ordnung wird et engerer
uß am die Wirklichkeit erzielt. Nun bin ich zwar weit
‚nach, dem Grade, wie ein hiſtoriſches Werk den Ges
eindruck der zu. Gruude liegenden Wirklichkeit wicder⸗
|. ‚Immer. auch ſeinen Kunſtwerth beſtimmen zu wollen,
—— würde ich ‚für, das höchſte, mir bekannte 66
erk Caͤſar's gallifchen Krieg erklären müſſen: ein Buch,
ich doch alaube nachweiſen zu Türmen, daß es nur von
dand eines Andern, vielleicht wenig Berufenen aus Cä—
AZahresherichten an den Seat iſt zufanumengeftellt wor⸗
a. Aber ſoviel bleibt doch ‚ausgemacht, die Congruenz mit
Wirklichkeit muß nicht bloß. für ein Haupterforderniß,
Fix die unerläßliche Bedingung des Oiſtorikers gelten.
ceuer dieſer, nach ber ſtarkſten geiſtigen Verdauung ſeines
Wii „die urſprüugliche Geſtalt deſſelben wiedergiebt, deſto
he wird er Lob verdienen.
Ein Autor von fo jtrenger Einheit iſi natürlich ſchwer
tzuſſetzen, am ſchwerſten von einem andern großen His
fer. Aus demfelben Grunde, weßhalb große Dichter nur
2) Höchlt Telten wirb der Synchronismus verlegt, um ben Zuſam⸗
Bang ber Materie nicht zu flören: LI, 34.
23) Bgl Dionys, De Mc. 8.
3) Ein Beifpiel von Thukydides feiner Weberlegung finde ih u. X:
nn, daß er Nilias Depefche nicht bei bem Zeitpunkte mittheilt, wo
gefchrieben, fondern wo fie gelefen wird, alfo praktiſch wirkfam aufs
E(V31,10f.). Nicht wahr, ein Tchönes Zeugniß, wie lebendig er die
chichte auffaßte!
374 Whukhdides. Kap. 12.
felten vollkommene Lcherfeer find. - Von Kratippos
plementen fehlt jede nähere Nachricht, Iſokrates munter
Theopompos wegen feines ſtürmiſchen Charakters auf,
kydides Gefchichte fortzuſetzen; Ephoros, der gelehrt
hige Mann, follte die frühere Gefchichte Bearbeiten, |
follten alle drei Bücher nach Iſokrates Idee zuſamme
griechiſche Univerſalgeſchichte Bilden. -— Auch & enop!
Helleniten wollen den Thukydides ergänzen, mit Berk
feines Vorgängers, doch nicht ohne Seelengröße.
niftifche Sinn des Xenophon Tonnte ſich nicht darin
daß Die Schickſale von Athen Hauptfache im pelopomn
Kriege fein follten. Ihm ſchien die Uebermacht von -A
mon deſſen wichtigſtes Reſultat zu ſein. Man verglei
Reden VI; 5, 38 ff. und VII, 1, pr., ſowie den |
des ſlebenten Buches. Hier wird en großartiger Rückb
die Kämpfe von Athen und Sparta geworfen, auf ihre
mittel, — natürliche Befhaffengeit, Ausbildung der M
und Stüt von oben her — auf ihre mythiſche Geſchich
wechſelſeitige Bedürftigkeit. Thukydides hatte begonnei
Athen und Sparta einander noch ziemlich gleichſtanden;
phon ſchloß, als ſie nach buntem Wesſel der Dei
wieder gleich geworden waren.
2 te des Sees ao ri erſt mit dem De
he: Duüs erſie eat den Leſer in bier atüßen 46:
me Yin EN Affen, Biete entgegen. Die Vorrede
23). Hierzu gehdren
n Hu Selen Die-Einz
u 9 Mode anrei⸗
et die Eee Have ven pelo⸗
Öfen SKcieg fort.” Siechif Folgen ig Veranlaſ⸗
hi 487.) und VWorbaeltimgen zum Kiuͤcge felbſt (118
. 139—146.). — Daß der dritte Abſchnitt zwiſchen
erſten und zweiten eingeſchoben worden, tadelt ſchon Dio⸗
Doch witd der Leſer An —* — auf echt dramatie
Bee, ‚glei mitten in bie Sache geführt, Auch it es
Yu Sharafker, N m
der aigeniigen Drama u) site der -Siftos
rn. Nun ee Bu 2
ı
Rn Ich gehe bei ·dein verften Bucht ehe detaillirt zu Werke, um
derfer zur eigenen Analyfe.der folgenden beffer anzuleiten.
376 Thulvdides. Kap. 13.
riker gen in Form einer fpartanifchen Rebe gegeben, w
würde fie am rechten Drte fichen. Für eine Rede indef
das Ganze zu ſehr entwickelnd, zu wenig ſchildernd: e&
als Rede unendlich vielen Raum gekoftet Haben;
z. 1.
Vorrede)y.
———— Aria
verleihen, Hat fie Thukydides duch Grörterimg feineß e
fegeifteeeifen Merfapırnd: Ania don va. elgefilef
1. 20 fi.) ; fie zugleich auch nach dem durchlaufenden 0
Een von der Größe des Krieges angeordnet 2).
Was Hier nun zunächſt das innere Wachſen be
Sie run ag ty, ſo finden wir Die äfteften H
au Eitie zund ung bon, ben, baren, nur er
ſhieden >. dr Unftätigkeit, alles. Sänderbefi es, di
Batselandäfieke, ——— nficherheit alles 4
thumg, und, Perlehrs überh nt F durch Rautzig
Bro % Ra nude; machten,
I andfehaften dad
Kr Ju Al
) Fr ferung: inncriit
9 Hi at varie —J
‚Kamen, Arch
er be iühehungemdebige, Pr 3 n Biete hu
ſche Kichäötogte Sas "Sefegmähige, "Eefenttigerzu'Hkeffen verfteht
dem Leſer am entlichfien werden, töeni'’eg'aus-bein Mittelalter d
ern Völker eine politifhe, militärifhe und dkonomiſche Parallel
ben zu zeichnen fucht.
) Auch diern ſtimmt Seatoro⸗ weit ber. Thukydibes
(V, 58.). Ren cu?) Vo en
8 Bormebei:. 3577.
ie (2.).Als Daher: ſpuüter Uberall das eigene Intereſſe
Schwaächeen⸗dear MReichen: und Mächtigen die: Herrſchaft
rließ (8) ;> da nie: vs in Attika der:weiſe Theſeuswel⸗
durch: die Grundung ſeinen Hauptſtadt die ſpätere Ein⸗
ht. und "Größe beſonders vorberellete (II, 45.). Duh
Ige Oellatßz gelantztenerſt ſpit erſt nach heim teoifchen Kriege
riner Sonſolidirung feier Völkerſitze (12.). —MNun war
en wiesen Die. exſte Stadt⸗:die mit den: Waffen zugleich
bie: rauhe Sitteider: älteſten Zeiten. ablegte :. freilich nun,
ſpäter von Neuem zum einer rauhern Kraft zurückzickehren.
ꝛ Eabedämoruer "zeichneten. ſichgleſchzeliige Vurch athletiſche
ffachheit aus.Hier/ alſo⸗ ber. erſte⸗ Gegenſautz dieſer Beiden
ichte: Feinheit auf der einen, Strengoauf der andern
Re! (6.). Während überall der Wohlfland zunahnr ging
Rote Herrſchaft der Könige in die neue der Tyrannen über
5) 3: ſelbſt in Athen wo der erſte Verſuch allerding& miß⸗
ee CL, 126.).ſpater jeboch dad Regiment des Briffiträitos
"Aa: volles Menſcheualtet zu !Stande kam. Dileſe: Tyran⸗
mar n Milde imd Geſeizlichkenr,“ ſowie an welſer; Fhrde⸗
ug: be: atheniſchen Staates voͤllkoimmmen würdig, eine Vor⸗
agerinn: ber perikleiſchen Verwaltung genannt’ zit: wetden
3,544.) 2). Nur Lakedlmont blieb feiner alten Verſaſſung
Ba, wie es auch in der Bauart feiner Stadt: ganz den Cha⸗
er Der: Altıflen Wnfievelumgen. - fölgehalten Hatte. (10);
eldft von Tyrannen unberührt, war es derſelbe conſerna⸗
© Geiſt im FJurnern,der es befähigte, durch Vertreibung
3 fremden Ryrannen: feine. Macht auch ad Außen hin gel⸗
Du machen (18: Vi, 50.).
Bor dem troifchen Striege Tonnie : or : bebentenden aus:
ärtigen Unteruchmungen wohl kaum die Rede fein
» Daher auch Pindar und Eupolis ben Peififtratos, wie ven Kies
a, nicht Tyrann, fondern König. nennen: Schoel, Arist Ach. 6l.
378 Thukydides. Kap. 13.
(3.), weil Ranbzüge und Waudernungen alle kriegeriſche
tigkeit in Anſpruch nahmen (5. 8.). Erſt nachdem ſich
Art von Principat: unter den helleniſchen Stammeshänpter
bildet hatte (9:), mar der troiſche Feldzug denkbar: für
Zeit ein großartiges Unternehmen, doch aus Mange
Hüulfsmitteln an ſich nur unbedeutend (10. 11.). Sm de
genden. Jahrhunderten wird aller Unternehmungsgeiſt v
in kleinen Gränzkricgen zerſplittert (15.) 5: ganz: beſonders
die Tyrannen, um. ihrer eigenen Sicherheit willen, auf!
riſche Großthaten Verzicht: Leiſten müffen (17.). Deſto
tiger. war das Gewiähtner-Perferkriege, . wır mar ber |
nad. Zafeämon:. bad Cemmando führte, ‚tn. der Ahet
Athen entichien (Ad... .:
Von dieſer Kraftentiwisfung nach Inen. und Kufe
die Sermadrt fomohl eine; Urſache, als eine Wirkung
An: der allgemein, verbroiteten und ritterlich Betriebenen
vuheral (S.), woran die harbariſchen Inſelbewohner nid
ringeren ‚heil nahmen (8), erhob ſich zuerſt Die Seemach
Minos,.. die jenem Unweſen größtentheils ein Ende n
(4.) ).., Späterhin befaß Mykene die Herrſchaft des 9)
(9.) 3. ſo unvollkommen auch aus Mangel an Vermöge
Schiffe damals noch fein mochten (10, 11.). Nach der
lichen Anusrottung des Seeraubes ging die Lieberinacht zu
von ‚einen großen: Hanudelsſtaate auf Den andern. über:
den Korinthiern 2). auf Die Jonier.(43.)5;..von. diefen au
ſikeliotiſchen Tyrannen und die Einwohner non Kerkura (
immer'noch mit Geringfügigfeit. der äußern Hülfomittel,
wohl man fchon damals die Inſeln als eine leichte Deu
eriten Seemacht betrachten konnte (15 fg.). — Sch:
—
| — —
1) Herodot's Forſchungen hatten hierüber zu einem ganz
Refultate geführt: 1, 171. Bgl..indeffen auch Aristot. Polit.
2) In Korinth Tamen bie erften Dreivuber auf: I, 13.
$. 1. Vorrede. $. 2. Einleitung. 379
nos Zelt was Derfelbe Hall geweſen. Schon Minod hatte
e Einkünfte Hauptfählih aus den. Inſeln gezogen (4.);
» feit der Anlage der exften Kolonien, : welche Athener und
opunnefier: nach entgegengefehten: Richtungen Hin vornah⸗
. ‚war dieſe Bedeutung der Diarine “ng unendlich geſtei⸗
worden (12.).
An eigentliche Bünd niſfehat man jedoch im Anfange
wenig zu denken ,. daß ſelbſt der: gemeinſchaftliche Name des
mer: Volkes Henlid fpät erſt auflanı. " Nur. die Sprache
vete ſchon ein Nationalkand (3.). Die erfte Ahnung eines
ter. verbreiteien Parteinehmens brachte der berühmte Städte⸗
g auf Enbda (15.); - Nach den Berferkriege jedoch ,. wenn
h eine kurze Friſt noch der Geſammtbund der Hellenen fort
uerte, wurde das ganze Volk in die Bündniſſe der Athener
d: Oakedämonier getheilt (18.). Die Letztern waren Arifüh-
von gleichberechtigten und gleichconſtituirten Bundesgenoſ⸗
bie Erſtern dagegen Herrſcher von zinspflichtigen Unter⸗
ai 1), Stärker war der een. Bund, aber dauerhaf⸗
der ialchicioniſche.
er
Einleitung
In dem zweiten Abſchnitte wird Der Gegenfak von Athen
d Sparta in höchſter Schärfe feſtgehalten. Auch viel außs
brlicher noch, als in der Vorrede. Sehr ſchoͤn läßt Thuky⸗
bes feine Abſatze bis zum Kriege ſelbſt immer ſtufenweiſe au⸗
wellen. Der Hauptbeſtandtheil dieſes Gemäldes iſt nach
ukydideiſcher Art durch die Vergleichung des Themwiſtokles
it dem Pauſanias rahmenartig eingeſchloſſen (89 ff. 126 ff.)-
t ber Mitte bildet wieder bad ſiebenundneunzigſte Stapitel ei⸗
1): 19: vgl. I, 75 ff.
579 Thulydides. Kap, 12.
zahlreiche Refrains. Von demſelben Verfahren bei T
haben wir einige Beiſpiele ſchon in den Epiſoden ke
lernt; auf andere werde ich gelegentlich auſmerkſamen
Hierdurch kommen jene Faden, welche durch die
Verarbeitung den Auge waren entrückt werden, form:
thig iſt, wieder zum Vorſchein. Diefe Spuren fei
den Lefer am beiten in Stand, bie eigentliche Dekan
Werkes Tennen zu lernen. — Was endlich Die fchi
- einigung dieſer verſchiedenen Momente hervorbri—
das fortwährende Streben des Verfaſſers, wo es nu
in den einzelnen Reden und Erzählungen ein analo
des ganzen Krieged niederzulegen )Y. Damit merbe
zelnen Scenen, fo lebendig und abgerundet fie auch
Zwede des Ganzen doch ſtreng untergeordnet. —
kennt aber aus dieſer verwickelten und mühfamen
tung, Daß Thukydides von Nichts in der Welt fer
al8 von einer falfchen Gelehrſamkeit, melche. der
Form, und von einer falfchen Genialität, welche di
fien Ueberlegung im Einzelnen glaubt entbehren zu fi
Wie e8 aber nicht felten bei großen Meiſtern der
fo verbirgt fih auch beim Thukydides die überlegte
unter ſcheinbarer Kunſtloſigkeit. Mit grof
Hält er fih an die Chronologie feined Gegenſtandes
nicht bloß Jahr für Jahr und nach Sommer und Ü
folgt, fondern in der Negel auch Monat für Monat.
die Ginleitung ijt mit chronologifcher Strenge abg
Diefe Anordnung. hat von jeher manchen Tadel erfah
Dionyfiod Epiſtel an den Pompejus big auf Crenze
ter. Und in der That, fie erfchwert dad Stut
1) Bol. Er. Schlegel’s Geſchichte der griechifchen und
Poeſie I, 1, ©. 171., ber etwas Aehnliches bei Homer bemerf
für eine homeriſche Eigenthümlichkeit hält. Es ift jedoch
weniger allen großen Künftlern gemein.
$. 3. :Anorbnung bes Materie. 075
ſakydides außerordentlich. Ob fich indeſſen Thukydides Le⸗
gewünſcht hat, welchen dieſe Mühe zu ſchwer erſcheint,
g. dahinſtehen 2). ; Auch jſt die zerhackte Erzählung der er⸗
Bücher 3) im Gegenſatze mit den großen, geſchloſſenen
ſſen der letzten vortrefflich geeignet, den verſchiedenen Cha⸗
der beiden Kriegshälften darzuſtellen 2). —. „Soviel iſt
Ar: mittelſt der chronologiſchen Ordnung wird ein engerer
on die Wirklichkeit erzielt. Nun bin ich zwar weit
Beni, nach, dem Grade, wie ein hiſtoriſches Werk den Ges
teindruck der zu Gruude liegenden Wirklichkeit wieder⸗
fr. er auch feigen Kunſtwerth beſtimmen zu wollen,
| ** würde ich für das höchſte, mir bekannte Ge⸗
ahmerk Caſar's galliſchen Krieg erklären müſſen: ein Buch,
fe ich doch glaube nachweiſen zu können, daß es nur von
"rad, eines Andern, vielleicht wenig Berufenen aus Cäs
Dahrebherichten an ben. Senat iſt zuſanmengeſtelit wor⸗
u. Aber ſoviel Plelbt doch ausgemacht, die Congruenz mit
Bieflichteit muß nicht ‚bloß. für ein Haupterforderniß,
1 7— die unerläßliche Bedingung des Hiſtorikers gelten.
Merızes dieſer, nach der ſtqaͤrkſten geiſtigen Verdauung ſeines
fſes,die uiſprüugliche Gſtalt deſſelben wiedergiebt, deſto
e wird er Lob verdiegen.
Ein Autor von ſo ſtrenger Einheit iſi natürlich ſchwer
tzuſetzen, am ſchwerſten von einem andern großen His
7. Aus demfelben Grunde, weſſhalb große Dichter nur
2) Höchſt felten wird der Synchronismus verlegt, um ben Zuſam⸗
Bang ber Materie nicht zu ftören: II, 34.
%) gl Dionys. De Fuc. 8.
» Ein Beifpiel von Thukydides feiner Meberlegung finde ich u, A
u, daß er Nikias Depeſche nicht bei dem Zeitpunkte mittheilt, wo
wichrieben, fondern wo fie gelefen wird, alfo praktiſch wirkfam aufs
-(V14,10ff.). Nicht wahr, ein fchönes Zeugniß, wie lebendig er die
hichte auffaßte!
57% WThukydides. Kap. 12.
. felten vollkommene Ueberſetzer find. - Von Kratippos
plementen fehlt jede nähere Nachricht. Iſokrates munter
Theopompos wegen feines ſtürmiſchen Charakters auf,
kydides Gefchichte fortzuſetzen; Ephoros, Der gelehrte
hige Mann, follte die frühere Geſchichte bearbeiten. €
follten alle drei Bücher nach Iſokrates Idee zuſammen
griechiſche Univerſalgeſchichte bilden. — Auch X enopfı
Helleniken wollen den Thukydides ergänzen, mit Vecken
feines Vorgängers, doch nicht ohne Sedlengröße, Der
niftifche Sinn des Xenophon konnte ſich nicht darin fi
dag die Schickſale von Athen Hauptſache im peloponneß
Kriege fein ſollten. Ihm ſchien Die’ Uebermacht von La
mon deſſen wichtigſtes Refultat zu fein. Mari: wergleid
Reden VI; 5, 38 ff. und VE, 1, pr., ſowie den S
des ſiebenten Buches. Hier wird ein großartiger Rückblie
die Kämpfe von Athen und Sparta geworfen, auf ihre d
mittel, — natürliche Beſchaſſenheit, Ausbildung der Mer
und Glück von oben her — auf Ihre imythiſche Geſchichte,
wechſelſeitige Bedürftigkeit. Thukydides hatte begun
Athen und Sparta einander noch ziemlich gleichſtanden; 3
phon ſchloß, als fie nach buntem Bee der Ber
wieder gleich geworden waren.
—* mit dem mir
Pe Daß erſte ehe den Sefer in vvrt gt atuge
ei naher vd aher Kiffen giele intgegen.“ Ole Vorrede
Anhfahrt va ſaden nork er Feiften bis
Proie yerie Ze Ho —
Eviſoden dan Weftug
Bing (88-117,), or
fest die Gnäekttin berfelgenl" abe AUF den velo⸗
einefifägen SEE Tore SÄRRAHE "Fofgen ebtich "Die Veramlaf⸗
then 487.) und Worselättingen fm Krcege ſelbſt (t18
127. 139—146.). — Daß der dritte Abſchnitt zwiſchen
Li erften und zweiten, eingeſchoben worden, tabelt ſchon Dio⸗
ſios "Doch wid der Leer cheu Steh ai echt dramatie
e Weiſe gleich BE die Sache geſu hrt Auch fe
Ey
Ihh gehe bei dein -etſten Buche fehe:bitailtet- zu Werke, um
ı Eefer zur eigenen Analpſe der folgenden beſſer anzuleiten.
376 Thulydides. Kap. 13.
riker gem in Form einer ſpartaniſchen Rede gegeken, m
würde fie am vechten Orte ſtehen. Kür eine Rebe inte
dad Ganze zu ſehr entwidelnd, zu wenig ſchildernd: «8 ı
als Rede unendlich vielen Raum geloftet Haben.
z. 1.
Borredeh.
Um feiner Spyache ejne für ji befkchenipe Akrında
verleigen, Bat fie Thrlfydides durch‘ Crörterimg feines e
ſchriftſtelleriſclen Verfahrens Hipigı von vorn. Angeihleni
1.0 f1.); fie zugleich auch nach dem durchlaufenden C
ten von der Größe des Krieges angeorbnet 2).
Was hier nun zunächſt dad innere Wachſen ver
Siena Prag fo, finden wir Die äfteften &ı
it, —X ung bon den, Ba Iren nur wenig
fhirden, + ie, Unftätigteit ‚ale Länderbefiges, di
Baterlandsfieke, Sau fEommen Heh; ; die. hficherheit alles (
thume und, Berkefis iberhaunt Ice Durch, Naubzügı
Art zi Lande und zu Waſſet ei Munde, machten |
i efenshibapfien und beſtge Saudfhaften dad
r 7).In All
fſelbe ülkerung: innerlic
u sen, geſuch ‚auf
) „Der bewinberungemürh
ſche Keäjäblogte Das Gefegmäßige, e zu Hoffen verficht,
dem kLeſer am 'Sentficiflen werben, tdenitiegde‘ Fr Mittelalter de
ern Völker eine politiſche, militärifhe und ökonomifche Parallele
ben zu zeichnen fucht.
>) Auch Hierin Pinms Denotos it ıbem: Shulybibes i
(V, 58.). a ze I Po er w
Stegen ſelbſt Kehfnmitenft, mit vem
Dis Aether den Sefer I wie —V——
enden nt näßer didfen. „Ziele entgegen. Die Borrede
-127. —— — Daß ber dritte ein zwiſchen
eiten und zweiten, eingefepoben worden, tabelt ſchon Dio⸗
hast" "Doch witd der Hefte Ach "steil auf eat drämatie
be Beife, gleich misten in bie
m; ig} Eparakier „nei Zihydh
Y
1 ZA’gihe beiden -erſten Bade Teherbilnikiet: zu Werke, um
en Eefer zur eigenen Analyfe-ber folgenden beſſer anzuleiten. '
379 Thukydides. Kap. 13.
(3), weil Raubzůge und Wauderungen alle, kriegeriſche
tigkeit. in Anſpruch nahmen (5. 8.). Erſt nachdem ſich
Art von Principat: unter dar helleniſchen Stammeshäupterr
bildet Hatte (9:), war her troiſche Feldzug denkbar: für.
Zeit ein großartiges Unternehmen, doch aus Mangel
Hulfsmitteln an ſich nur unbedeutend (10. 11.) Sn den
genden. Jahrhunderten wirh’’aller Unternehmungsgeiſt m
in Keinen Gränzkricgen zerſplittert (15.) 3; ganz: befonhas,
die Tyrannen,: um ihrer eigenem Sicherheit willen, auf kr
riſche Großthaten Verzicht: Zeiften. müffen (17.). Oeſto u
tiger. war das Gewicht /net Perſerkriege, wo zwar der ð
nad). Lakehämon. das Commnando führte / in. ber hat
aha. entſchied (Ad... 2: ©
Von dieſer Kraftentwicklung nach men. und Außen
die Seemact ſowohl eine Urſache, als: eine Wirkung (
Ana: der allgemein. verbrejteten und ritterlich Betriebenen |
wurberet (8.), woran die harbariſchen; Inſelhezwohner nich!
ringeren Theil nahmen (8), erhob fich zuerſt die Scemadt
Minos, die jenem Unweſen größtentheild ein Ende m
(4.) ).., Späterhin beſaß ‚Miykene die Herefchaft des M
(9.) 3. ſo unvollkommen auch aus Mangel an Vermögen
Schiffe damals nad) ſein mochten (10. 11.). Nach der
lichen Ausrottung des Seeraubes ging die Uebermacht zur
von einen großen: Handelsſtaate auf den andern. über:
den Korinthisen 2). auf die Jonier (43.);.. von Diefen auf
ſikeliotiſchen Thrannen und die Einwohner non Kerkyra (1
imnierx noch mit Geringfitgigkeit. der äußern Hülfomittel,
wohl man ſchon damals die Inſeln als cine Leichte Bautı
erſten Seemacht betrachten konnte (15 fg.). — Sehe
nn — —
1) Herodot's Forſchungen hatten hierüber zu einem ganz ar
Nefultate geführt: 1, 171. Bol. .indeffen auh Aristot. Polit 1
2) In Korinth Tamen die erften Dreivuder auf: I, 13.
6. 1. Vorrede. 6. 2. Ginleitung. 379
nos Zeit war derſelbe Hall geweſen. Schon Minos Hatte
re Einkünfte hauptſächlich aus den. Inſeln gezogen (4.) 3
5 ſeit ber Anlage der exften Kolonien, : welche Athener und
loponneſier nach entgegengefehten: Richtungen hin vornah⸗
rt, woar dieſe Bedeutung ber Marine noch unendlich geſtei⸗
t worden (42.).
An eigentliche Bünd if ferhat man jcdoch im Anfange
wenig: zu Denken, daß ſelbſt der: gemeinſchaftliche Rame des
nzen Volkes vlemlid fpät erſt auflan. ” Nur. die Sprache
ete ſchon ein Nationalband (3.). Die erſte Ahnung eines
Eter. verbreiteten. Parteinehmens brachte der berühmte Städte⸗
55 auf Enke (15.); Nach dem Perſerkriege jedoch, wenn:
ch eine kurze Frift noch der Geſammtbund der Hellenen fort-
irerte, wurde dad ganze Volk in die Bündniſſe der Athener
d: LEakedämonier getheilt (18.).- Die Letztern waren Anfüh⸗
: von gleichberechtigten und gleicheonftituirten Bundesgenoſ⸗
3 die Erſtern dagegen Herrſcher von’ zinäpflichtigen Unter
ae 1). Stärfer mar der er Bund, aber dauerhaf⸗
der ° Iatehäinanifäe,
8. 2.
Giüleitun g.
In dem zweiten Äbſchnitte wird der Gegenſatz von Athen
rd Spatta in höchſter Schärfe feſtgehalten. Auch viel aus⸗
Ka noch, als in der Vorrede. Schr ſchoͤn läßt Thuky⸗
des feine Abſatze bis zum Kriege ſelbſt inmmer ſtufenweiſe an⸗
zwellen. Der Haupibeſtandtheil dieſes Gemäldes iſt nach
ukydideiſcher Art durch die Vergleichung des Themiſtokles
it dem Pauſanias rahmenartig eingeſchloſſen (89 ff. 126ff.).
a der Mitte bildet wieder das ſiebenundneunzigſte Kapitel ei⸗
19: vgl. 3, 75 ff.
380 Thukydides. Kap. 18.
nen weſentlichen Abſchnitt. Vorher die Erwerbung, ı
die Fortbildung der atheniſchen Hegemonie 1).
Die beiden Principalmächte werden non Thuk
gleicherweiſe aus einem: dreifachen Geſichtspunkke geſchi
zuerſt im Tone des Vorwurfs durch Die Korinthier, da
ruhiger Lobrede durch ihre eigenen Vertreter, endlich ü
ſchichtlicher Erzählung durch den Hiſtoriker ſelbſt 2).
Zuerſt Athen; Man gehe hier aus, von dem Cha
des Themiſtokles, der, wie fchon nben geſagt, zu.ben fe
Gemälden von. Perikles und Alkibiades einen: wertrefi
Gegenſatz bildet (£, 138.) . Daran fchliegen ſich zunäch
Berbienfte der Athener im Perferkriege 3) (I, 73 fg.) 9:
1 I. . ... “a « .” -
f} . . .. . . .. } rl ” 271
1) Auch bier zeigen ſich wieder bie wehe martisen ef
und 96, 97.und 118.
2) Da bie nachfofgende Darftellung bes Thutdhdides einen Zeil
betrifft „ der zu den dunkelften Theilen des beglaubigten Xiterthum
hört, To werde ich, um dem Lefer ein lebendigeres Verſtändniß zu
nen, einige weitergehende politifche Anmerkungen hinzufügen. |
ift unfer Quellenftudium hier eigentlich nur auf zwei Stubengeli
und zwar einer fehr viel fpätern Zeit, befchränkt, Diodor und Plul
denen ein wirkliches Eindringen in politifche Vorgänge unmöglid
Kein Wunder alfo, daß unfere Grammatiker ebenfalls nicht
daraus zu machen wiſſen!“
2) Mol. das ganz übereinſtimmende Urtheil bei. Hero bot:
139. — Fielen doch auch alle Entſcheidungskämpfe theils auf. dem
niſchen Gebiete vor, theils auf dem, ber berbünbeten Platäer!
4% Bor allen Dingen thut ed bier Roth, dae Flue tuiren
in Athen herrſchenden Parteien überſichtlich zuſammenzuft
Kleiſthenes hatte ſich begnügt, die ſoloniſche Verfaſſung wiederherz
len: nür ſuchte er durch den umſturz der altariſtokratiſchen Stam
theilung und Localverwaltung, welche Solon inconſequenter Weiſe
fortbeſtehen laſſen, ſowie durch Einführung des Oſtrakismos jeder
derkehr eines Oligarchen- oder Tyrannenregimentes vorzubeugen.
Marathon hatten ſich die Führer der gemäßigten Conſervativen, 9
tiades und Arifteides, am meiften hervorgethan. Ihre Partei !
daher nad) der Schlacht den Staat verwaltet haben (Arisı Pol.
4
$. 2. Geſchichte der athen. Deinagogie. Oſtrakismos. 384
unge Rede der atheniſchen Geſandten bietet wieder eine höchſt
lehrende Vergleichung dar: nämlich mit Themiſtokles Wor⸗
» Der unglüdtiche Seezug bed Miltiades erſchuͤtterte dieſes Neberges
H. Themiſtokles und mit ihm bie bemokratifche Partei wußten
großartigften Neuerungen im Binanzs und Seeweſen, nachmals auch
B--@eelrieg wider bas ariftofratifche Aegina burchzufegen. Ariſteides,
Echee noch vor Kurzem die wichtigfien Kinanzgefchäfte (Plur Arist.
‚amd faſt die ganze Rechtspflege (Ib. 7.) beforgt hatte, unterlag dem
Eratismos.
Der günftige Lefer wird an biefer Stelle eine Eleine Excurſion zu
Eichulbigen wiffen. Ueber das Inftitut des’ Oftrafismos nämlich
& die craffeften Irrthümer eingewurzelt. Um bie moralifivenden Ges
rinpläge der Frühern, von ber Undankbarkeit der Athener u. ſ. w.,
Klig zu übergeben, ſo erklärt fchon Ariftoteles (Polit. III, 9), der
Zrafismos fei in Demolratien eingeführt, damit nicht durch übermüch⸗
ve Zubividuen die allgemeine Gleichheit gefährdet werde. Aus einem
mlichen Grunde alfo, meßhalb in ber Gage die Argonaufen den Hera⸗
xg nicht mitnehmen wollten. Beſſer freilich, meint Ariftoteles (V,
F, wenn man einem foldyen Uebermächtigwerden bei Zeiten vorgebeugt
te. — Wen nun bie glänzende Auctorität des Ariftoteles, der Übri«-
us dieß ganze Inſtitut auch nur aus Büchern kennt, nicht blendet,
er frage ich zuerft: Wie ift es überall nur möglich, daß ein Uebermäch⸗
zer feiner Macht wegen aus dem Lande gejagt wird? Wenn er in
sahrheit übermächtig ift, wird er fi ich verjagen laflen? Ich weile fers
x auf den Beitpuntt Hin ber biftorifch bekannten Dftralifirungen.
kann wirb Xrifteides verbannt? Nicht nach ber Schlacht bei Maras
on, wo er, mit Eriegerifchen Lorbeeren geſchmückt, bie gewid)tigften
eiedensgämter bekleidete; nicht nach dem platäifchen Siege, wo er mit
tögedehntefter Machtvolllommenheit über die Infeln und Küftenftäbte
Got: ſondern nur damals, wo ihm Themiſtokles in Belaufchung des
sitgeiftes ben Vorſprung abgewonnen, ihn entbehrlich gemacht hatte.
Bäre nachher Themiſtokles feiner Macht wegen verbannt worden, es
itte im Jahre 478 gefihehen müffen, wo er der erfte Mann von Gries
enlond wars; nicht 472, wo ihn die confervativen Häupter entfchieden
erdunkelt hatten. Ganz baffelbe gilt von Kimon, von Thukydides u. A.
Bir haben ben Oſtrakismos ganz nach Art unferer conftis
sstionellen Miniſterwechſel aufzufaffen. Der ‚, äußere
dergang babei, wie er beſonders Schol. Arist. Equitt. 865. und
<hol. Vespp. 982. beicyrieben wird, ſtimmt volllommen zu dieſer Ans
382 Thukyddeß. Kap. 13.
ten I, 91. In Beiden derſelbe Charakter, tur Hier im Kei
dort in herrlichſter Entfaltung. Hieran knüpfen ſich endlich
ſicht. Bon Zeit zu Zeit wird eine Volksverſammlung eigens in di
Anficht gehalten. Derjenige Staatsmann, der eine bebeutende M
tät, wenigftens 6000 Stimmen, gegen fi) hatte, mußte für eim
flimmte Friſt das Land meiden. Dieſer letztere Zuſatz ift ben mr
Staaten unbefannt; bei der Kleinheit ber alten Republiten aber,
die Staatsmänner weit unmittelbarer mit dem Wolke verkehrten, we
im ganzen Jahre Volksverſammlungen gab, war er burdhaus noth
big, um ber jeweilig am Ruder flehenden Partei nicht ihre ganze
mit Eriftenzlämpfen auszufüllen. Unfere Minifter gewinnen ſchon bw
die Vertagungen des Parlamentes immer eine foldhe Muffezeit. —
war .es in Athen, in Argos, in Megara, in Milet, in Syraknd;
vermuthlid) in allen Demokratien. Hierdurch läßt fi) benn and ®
Erlöſchen des ganzen Inflitutes auf das Einfachſte erklären. Nele
Lich ift Hyperbolos Exil die legte Anwendung des Oftrakismos.
dem fich nämlich das ganze Hellas in zwei große Lager gefpalten
ein confervatives , latebämonifches, und ein revolutionäres, athenifl
wo ber Verbannte, wehn er in Feindesland Überging, ber herrfd
Partei feiner Heimath unendlich viel mehr ſchaden konnte, als uk
den Augen feiner Mitbürger: ſeitdem waren die Vortheile bes Oftrel
mos illuforifch geworden. Alkibiades Flucht, alfo das nächſte ber
tende Exil nach dem Hyperbolos, mußte dieß Jedermann begreiflich m
chen. Ich kehre indeß zu meinem Thema zurück.
8
4
Sm großen Perſerkriege wiederum das ſchönſte Zuſammenwirken be
der Parteien. Was Themiſtokles hier gethan, iſt allgemein bekanak
aber auch Arifteides erfcheint ale Gelandter zu Lakedämon, — welt
Poſten zu jener Zeit! — und als Felbherr bei Platin. Kimon war MAR:
Erfte, welcher ben genialen Vertheidigungsplan des Themiſtokles bar
fegen half (Plut. Cimo 5). Nach Ariftoteles Berichte gab ber Ant
pag das Geld her, um die Flotte vor Salamis zu befolden (Id. T
mist. 10.). Was würde entftanden fein, wenn bie athenifchen Genfer
vativen dem Beiſpiele der böotifchen Ariftolratie gefolgt wären! wied
die Ultras ihrer Partei fchon bei Marathon (Herod. VI, 109. 1%
120 sqq ) und wieder bei Platäa verfucht hatten (Plut. Arist. 13).
Ein Volk, das fo zu Eämpfen weiß, wie das athenifche im Perferkrirk,
wird fich nicht fehr bevormunden laffen. Wie Plutarch naiv, aber ſch
richtig bemerkt, ber atherifche Demos hatte fich der Herrfchaft wär
gezeigt, und hatte Waffen in der Hand (Arist. 22.). Go wurden am
$. 2. Gefchichte der. athen. Demahogie. Oſtrakismos. 383
Khilderungen‘ des atheniſchen Geiſtes ſelbſt, während feiner
tũthezeit, wie ich fü. im Anszuge © oben witgetheit habe. —
3. R
* 2
legten Schranken der Volksherrſchaft hinweggenommen: Jedermann
ftelt zur Archontenwürde und ſomit zum Areopagos freien Zutritt.
ı biefelbe Zeit muß das Bohnenloos eingeführt ſein; es hätte früher
Ftiſch Leinen Sinn. gehabt. Daß ſich Herobot VI, 109. geirrt has
1. müſſe, ſcheint mir unzweifelhaft: find doch auch ſpäterhin militä⸗
2 wichtige Aemter immer durch bandewahi befegt worden.
TNach Beendigung :ber Kriegsgefahe mochten Ariſteides und Themi⸗
kles gleich viele Macht beſitzen. Die Emaneipation von Sparta leite⸗
f Beibe (Thuc. I, 91. Plut: Arist. 16), den Mauer⸗ und Hafens
2. Themiſtokles, den Verkehr mit ben Bundesgenoſſen Arifteides. . Es
wubarauf an, wer fih in jenen demokratiſchen Reformen ber Leitung
mächtigen würde. Hier liefen nun bie Häupter ber .confervativen Par⸗
bdem Themiſtokles den Rang ab; nicht lange darauf erfolgt die Ver⸗
anung, endlich der Hochverrathsproceß des Letztern, hauptſächlich von
mıon und Alkmäon durchgeſetzt (Plut. Arist. 25. Themist. 23. sqq.).
tzaon tritt an bie Spige der Staatsverwaltung, unter warmer Bes
nftigung von Seiten Lakedämons (Plut. Cimo 16.). Damals ein
Bes Glück für Athen! . Ich will den Themiſtokles nicht geradezu ty⸗
Käifcher Projecte anfchuldigens aber er würbe allzufrüh mit Sparta
rochen, allzufrüh bie Bundesgenoſſen ‚gemißhandelt ‚haben. Man
ae nur an’ feinen Vorſchlag, bie Flotte ber Alliirten in Brand zu
Ben) Xuc war bie weife Rechtlichkeit bes Arifteibes, die leutfelige
keralität des Kimon gewiß beffer geeignet, Athens Bunbesherrichuft
Sefeſtigen, als bie übermüthige Habgier, welche Themiſtokles bei al
mer Größe mit den meiften plebejiſchen Emporkfömmlingen gemein bat
‚Aut. Them. 5. 18. 21... — Seit 471 beginnt ber glänzende Ober⸗
Ehl des Kimon; und ‚den. Gipfel feiner Macht bezeichnet die Zurück⸗
Bzung ber Gebeine des Theſeus: für den athenifchen Demos von ders
Sn Bedeutung, wie bie Rapoleonsafche für den franzöfifchen.
— "gglitten in biefem Siegeslaufe des Kimon wird gleihwohl feit dem
Hre 464 die conſervative Partei, im. übrigen Griechenlande furchtbar
Hüttert. Faſt um biefelbe Beit erfolgt die demokratiſche Revolution
x. ganz Bicilien und das Erdbeben nebft dem Helotenaufftande zu La⸗
on. Dieß konnte natürlich auch auf Athen nicht ohne Einfluß
üben. Während Kimon’s Abwefenheit werden die befannten, aud)
ch Aeſchylos bekannten Vorſchläge des Ephialtes gegen den Areopa⸗
581 Fe Thukydioes.. Kap, 13,
AB den Grundcharaͤkter der auswärtigen Politik find
ſchon damals ein ungebändigtes Streben in Die Ferne
bunden mit einer entfprechenden Zufammenziehung der
lichen Baſis des Staates, Sn zuerit ſchon dag Steha
der Athener auf dem Sriegefchauplage, während bie
— —
4 2* —
gos durchgeſetzt; und als Kit on ſie nachmals wieder rüdgängig
chen fucht, muß die ganze Wuth ber Komödie über ihn herfallen (Plı
15.). Er felbft hatte ſchon früher den Anklagen bes Perikles
Mühe entgehen können (Ib.. 2&.)a ... Nach heftigen Debatten eg
tled Vorkämpfer Ephialtes.:(Ib. 16.) . gelingt. e& dem .Kimon
. noch, eine Hülfsarmee hen Lalebämoniern zuzuführen. . Aber
ſcheint ein demokratiſch gefinäter Feldherr an feine Stelle get
fein, und den Lalebämoniern wirblich Veranlaſſung zu. bem 2
gegeben zu haben, ‚wetcher nun als. Vorwand bed Kriebensbruch
mußte (Ib. 17... Kimon wich ‚verbannt, .:: Seine gemäßigten 2
zeigen bei Zanagra, wie fie aud in ber Dppofition den Tod fi
terland zu flerben wiffen (Ib. 17. Pericl. 10.). .. Die Ultras
confpiriren mit Lakedämon (FThuc..L 107... Doch ſchon bie t
{he Niederlage zwingt ben Perikles, feinen Rebenbuhler vom
rückzurufen. In diefe Zeit möchte ich. den. Morb des Epbialtes ı
den XAriftoteles der ariftotratifchen Partei, Ibomtenens lieber bi
kles Schuld giebt (Plut. Pericl. 10.).. Perikles wird unmillic
zens dazu gefchwiegen haben, Bis zu Kimon’s Tode währte ba
gewicht der confervativen Partei fort: wie es der Friede mit
der Krieg mit Perfien anbeuten. — Als er aber nachmals durc
kydides den Staatsmann erfegt worden war, gewann bie gaı
teiftelung einen andern Charakter. Thukydides war nicht meh
riſch, wie es auch bie.. folgenden Dligarchenhäupter nicht mehr
dafür 309 er feine Anhänger 'bichter zufammen, fonderte fie von
Thärfer ab. Der Streit: ſcheint mehr im Innern des Staates
nad) Principien geführt zu fein. Run erft fommen bie fpätern
namen auf. Auch Perikles mußte deßhalb viel demofratifcher
Waren früher Thon die Befoldungen,, die Scaufpielgelder u. f
thig geweſen, um ber kimoniſchen Liberalität die Wage zu hal
wurden jeso die Spenden aller Art, bie Kolonifationen u. f. ı
Höchfte getrieben (Plut. Pericl. 11.). Der Sturz des Thukybil
endete nun bie ſchrankenloſe Demoktatie, die freilich noch funfzeh
lang mit geringen Unterbrechungen am Anfang und ain Ende vi
les beinahe unbefchränkt regiert werben follte ' ""
$. 2: Ginkitung, Athen. 588
Kee: aus doriſch⸗ conſervativer Sinnedart wieder abzogen
7.). Hiermit zugleich die ſchlau errungene Befeſtigung
Stadt (90 ff.), welche in Verbindung mit den ſtackrn
Neus Athen erſt völlig zu einer Seemacht, faft mit infula⸗
er Sage, erheben konnte. Schon Themiſtokles war der
mung, welche Perikles fein Leben lang feſthielt, man ſollte
Eandmacht entſagen, und, auf den Peiräeus geſtützt,ul⸗
mit der Flotte den Feind bekämpfen 1). Berelts vor dem
Ber Perſerkriege hatte er als Archon den Peiraͤeus zu befe⸗
Br angefangen. Denn auch er hatte eingeſehen, daß Mee⸗
eerſchaft und Bundesherrſchaft Eins waren (93.).: Wie
yhukydides dieſer themiftofleifchen Anficht Beipflichtet ,;- er⸗
it man and einer fpätern Yeußerung des Hiſtorikers felbft,
er das Ende des Krieged nicht in die Einnahme der Stadt,
ern in die Defegung des Hafend und der langen Mauern
rat (V, 26.). Diefe Richtung der atheniſchen Politik
— —
V Wie ſehr die atheniſche Seem acht Hand in Hand mit ber athe⸗
en Demokratie ging, bemerkt und erklärt zugleich der Pſeudo⸗
„phon De rep. Athen. 1, 2. 11. 19. 2, 13 sqq. Nach Stefims
28 opponirte ſich dephalb der confervative Miltiades allen maritimen
mungen. tan warf dem Themiftokles vor, er habe ben Athenern
Ib und Speer genommen, Ruder und Ruderkiſſen dafür wiebergeges
(Plut. Them. 4). Man rief den alten Charakter von Attila zu
e, wie er in dem mpthifchen Wettlampfe zwifchen Athene und Po⸗
n ausgeſprochen fei (Ib. 19.). Aber während alle Andern die mas
snifche Schlacht für das Ende des Krieges: hielten, hielt Themiſto⸗
fie nur für den Anfang (Ib. 3.). Als fpäter die oligarchifche Re⸗
n ber Dreißig am Ruder war, drehete man bie Rebnerbühne, die
w aufs Meer gefehen, nach der Landfeite um (Ib. 19.). Schon
thenes hatte eine Menge von Sklaven und Fremden in das Bürgers
: aufgenommen (Aristot. Pol. IU, 1.); Themiſtokles die Metö⸗
und Handwerker um der Marine willen ſteuerfrei gemacht (Diod.
43.). Die dreißig Oligarchen äußerten die Abſicht, dieſe zu Skla⸗
zu machen; jene waren factiſch proſcribirt (vgl. De rep. aib. I,
aq. Plato De legg. IV, 706. Auch Arist Pol. VII, 5, 3.
2, 12. V, 3, 5. VI, 4, 3.).
Ä 25
596 hukydides. Kap. 13.
wird alsdaun urit; der Beendigung jener laugen Maue
kommen durchgeführt (107.) 1). — Bon Zeit zu Ze
wuß̃te ſawohl die eigentliche confervative Partei, als
mokraten· welche die Kraft ihres Vaterlandes zu ho
ten, das Intereſſe der Bürger wieder auf den Lanbhı
zulenken. Ihnen hat man die Einfälle in Böoti—
ſchreiben, die nach wechſelndem Erfolge endlich bei
auf. lange Jahre vereitelt wurden (107 fg. 113.) 2). -
vend es alſo die Athener ihrem kühnen Unternehmu
verdankten, daß fie allmählig zur erſten Macht von (
land herammuchjen (I, 122.), jo war es Doch aud
Unternehmungsgeiſt, der ihre Unfälle hervorbrachte. |
) Wie die Seemacht und commercielle Größe von Ather
tiſch war, fo hingen au bie langen Mauern mit ber 3
zufammen. Nun erft war die Hauptftabt von ben Sntereffen
Eratifchen Landbefiger völlig unabhängig, vor den Angriffen
kratiſchen Nachbarn völlig ſicher (De rep. Ath. 2, 14 sqq.).
hefte Verbindung der athenifdyen Dligarchen mit Sparta ha
flörung diefer Mauern zum Zwecke (Thuc. I, 107... und t
fie von Kimon begonnen worden (Plut. Cimo 13.)! Sonde
gend, daß man ben Megareern früher zu diefem Inſtitute ver
den Athenern felbft (Thuc. I, 103... Die Abfperrung des ı
durch Perikles hat denfelben Zweck (Plut. Pericl. 19.).
2) Sobald im Perferkriege ber Kampf zu Lande gef
tritt fofort Arifleides an die Spitze. Noch bei Salamis hat
zu Schiffe, fondern auf der Infel Pfyttalia gefochten (Her
%.). Nach diefer Seefchlacht ift er die Hauptperſon, bei „Pi
nifcher Oberfeldherr (Plut. Arist. 10.). Simon war gleich
neral und Admiral. — Der böotifche Feldzug wurde befann
den Willen des Perikles unternommen (Plut. Pericl. 18.).
war ed die Abficht diefes Zuges, die gefährlich erſtarkende?
Theben, das feit dem Perferkriege darniederlag, nun aber v
aus begünftigt wurde, im Keime zu erdrüden (Diod. XI, 8
Schienen feine Refultate im Anfang überaus glänzend (Ib. 8
ſcharf mußte das Auge bed Perikles fein, um hiervon nicht gı
werden! — al, übrigens De rep. Ath. 2, 1.
$. 2. Cinleitung. Athen. Lakedaͤmon. 397
sänöfehenden und chimärifchen Plane, die Züge nach Thraͤ⸗
D (100.), nach Aegypten (104. 109 fg.), nach Theſſalien
12.) , werden ohne Erfolg, meiſt fogar mit Niederlaͤgen ver
fu). le ln tn
Wir gehen zu Lakedämon übe. - Schon die kbrinchi—
m: Mtede ſetzt eö in Parallele mit Athen, und die Wotte des
hidamos entiprechen durchaus denen der athenifchen Geſand⸗
2 Bon dem Perferkriege an bis auf das Ende des pelo⸗
aneflichen ſteht Lakedämon Hinter Athen zurück. Keineswe⸗
B-sedoch eine Folge politiſcher Abgelebtheit! Beide Bar
Ye, verſichert Thukydides, Hätten zu Anfang des Krieged
Toller Kraft geftanden 2). Diefe Dorier blieben ſtehen
Krend die Athener fortfchritten: nicht jeder Staat: fann: fe
8 bleiben, wer es aber kann, der pflegt fpäter zu-alteri.
ſich Athen daher politifch: überlebt hatte, mußten vie Dos
B von felbft wieder die Oberhand gewinnen, — Daher dl
Berpürfe der Korinthier, als ob die Lakedämonier unempfind⸗
», forglos (I, 122.), wo es zu handeln gälte, träge Zauz
ꝛer feien (69 fg.), und bei gefährlichen Umſtänden ihrer
se zum Alten mit eigenem Schaden nachhingen 2). Wer
u ihren Bundeögenoffen noch unverfehrt geblieben, der fe
mehr durch die Fehler von Athen, als durch die Hülfe der
3) Diefe weiten Züge nach Aegypten und an diePerferküfte miß⸗
Eigte Periktes (Plut. Pericl. 20.). Athen konnte dergleichen nur un⸗
ehmen, fo lange es feiner Bundesgenoffen volllommen ſicher war.
Be fehr verfannten dieß aber Perikles Nachfolger! Der Zug. nad) Yes
inten ſcheint der vorlegte Verſuch des Kimon zu ſein, den neuerungs⸗
itigen und antilakoniſchen Geiſt der Athener gegen Perſien abzuleiten.
de Mißlingen dieſes Zuges 458 zieht 457 ſchon Kimon's Verbannung
ah fi.
2) 5,1. 18: vgl. I, 71. II, 11.
3) 71: ogl. IV, 55. W—
SS ne Xhutyeibeh. Kap. 18.
Sobenämnnie.(69.). . Seit dem Perferkriege Hätten fie}
zugelerut. —:: Diefe. Bonvitrfe !) ſiud zu einer wahr
rakteriſtik genacht in Archidamos Rede (I, 84.). Bad
ſem Verfahren fel der lakedämoniſche Staat Dech imm
und vuhmvoll geweſen. Die omppocusn laſſe fie Im:
nicht Äbermithig,. im Unglück nicht verzagt werden, fe‘
durch Lobſprůche, noch durch Kabel dahinreißen. Di
„oowos mache fie kriegeriſch und wohlberathen: kriegeriſch
die. Müßigung mit der Scham, mit der Scham aber di
pierkeit zuſammenhänge; wohlberathen, weil fie allın |
erzogen feien, als daß fie die Geſetze hofmeiſtern und va
fannten. - In Worten freeifich feier fie ſchwach, aber fl
Thaten, und mit ihrer Behutſamkeit ſtehe Die Sichech
Bunde. — Auch verſichert Thukydides, Lakedämon ſe
Oberbefehle des Perſerkrieges zurückgereten aus Furch
einreißender Verderbniß, wie fie den Pauſanias er
hatte 2). D. h. wohl namentlich aus Furcht vor einrei
1) Daß fie nichts weniger, als ganz unbegründet find, bem
Stiftung von Zhurii. Hierzu wurden Lakedämon und Athen eing
die Lalebämonier aber Ichnten es ab (Diod. XII, 10. Eusta
Dionys. Perieg. 373. Vgl. Bergk Commentt. de a
comoedia Attica p. 52 sqq.). Diefe Kolonifation hat Überhaup
ed fcheint, ein großes Verföhnungswerk bilden follen. Perikl
Thukydides ber Aeltere, Protagoras und Lampon haben gleichmäßig
Theil genommen.
2) 1,95: 091.75. — Die lakedämoniſche Ariſtokratie ha
frühzeitiger und weifer, als in irgend einem andern Staate, zur Aul
demokratiſcher Elemente herbeigelaffen: wie bas Alterthum fchon rüh
fand in Sparta eine glückliche Miſchung ariftokratifcher Beſtan
mit demokratiſchen und monarhifchen Statt. Wie der Monard)
hohe Anfehen, bie Lebenslänglichkeit und Erblichkeit der Krone
fpricht, fo dee Demokratie die fchöne Gleichheit der herrfchenden Bi
gemeinde, und die große Macht der Volksverſammlung, die aus
Bürgern Über breißig Jahre beftand, und außer ben Beamtent
über Krieg, Frieden und Gefeggebung wenigftens mit Sa oder Re
$. 2. GEinleltung. Lakebamon. 968
— Die + amtabeaifigen Berfoflungen pfugen u
— —** .. UL wi... *
ni 2 at I... Br ir: M' allatgaii: ! 2
ben Kälte. im vieler Meẽßigunz willen Haben f ch BR: ariokfatis
emente ungefchmätert erhalten können: die Lebensdlänglichkeibe Hi)
lt os: Genates, das Borherrſchen bes Grundbeſiges, der zugleich
Be: Verbot ber Zheilungen und Veräußerungen compact in jey
lie erhalten. wurde, bie Stärke der Gorporationen, indem. nut
talieder eines Gyffltiong am activen Hürgerredite Theit hatten
eiiralgewelt in der Hätid eines ſtändigen Ridhteteollegiums,' UN
Min vor jeder fehriftlichen Gefeßgebung , endlich die ftrenge Abflufung
nbe, das Anciennetätöprincip und bie im Befehlen und Gehors
di’ ſtarke Hierarchlẽ des ſpartaniſchen Gtaatövienftes: Man iſt
—522 Bir Ephoven als demokratiſche Beamts anzuſchen: gewiß ſehr
Auuahtı Bier bie Geſchichte vom Venedig kennt, wich keinen. Aus
— ſie als ein Analogon der venetianifchen Dieci zu ber
alfo recht eigentlich als den Schlußſtellr der latedãmoniſchen
e. — Alle bemokratiſchen Bewegukßgen7 ſowie deren Vorboreü⸗
D Aie Tyrannid, hat Sparta glücklich abgewehrt. Der- Parſerkrieg/
* große Nationalanſtrengung, mußte dem demokratiſchen Gejſte
erlich fein. Dazu bie Gefahr von Pauſanias Berbindung mit Per:
"und Heloten (Artist. Pol. WII, 14.)8 Su einer ſotchen Bade
Ste: die latedaͤmoniſche Regierung: nadı Anfen Kin: witmäglic) große
fe entiwideln, Jede Fortſetzung bes Perſerkrieges würde zur ‚Sees
ind· Geldwirthſchaft geführt haben, deren innigen Zuſammenhang
Demokratie wir bereits kennen. Als die Athener eben zut Der
8* gekommen waren, ſcheint das Volk von Lakedämon mit großem
veftüm einen Krieg zur Wiedererlangung derſelben gefordert zu haben.
a bezog das Orakel, Sparta folle fich vor dem hinkenden Regimente
t nehmen, auf bie Einfeitigteit der bloßen Landmacht. Aber die
lerung unterdrückte dieſe Tendenzen (Diod. XI, 530.). Sie konnte
um ſo leichter, als die damaligen conſervativen Machthaber von
en - gewiß Alles aufboten, ‚um der Form nad Sparta gefällig zu
Kr: Bie man fih eben.go weit wieder erholt. hatte, um an thäts
w Einmiſchung in Athens Kämpfe mit den Bundesgenoſſen zu benten,
Kbas Erbbeben den Periöken⸗ und Helotenaufftand hervor, der das
m,@alebämon in bie hoͤchſte Lebensgefahr brachte. Nicht einmal das
Degelegene und engbefreundete Mykene Tonnte damals gegen Argns
wegeidigt. werben (Diod. XI, 65.)! Innerhalb: derfelben zehn Jahre
mon verbannt, bie ſikeliotiſchen Zyrannen geftürzt, Böotien von My⸗
idas erobert, ſelbſt im Peloponnes die Demokraten boffnungsvoll :
ze hätte da wohl die Infandrifche Beit vorauögefegen!: : .
0 Thukydides. Kap. 13.
Tywvanneti hindurch im demokratiſche überzugehen. Pau
aber Hatte große Anlage zum Tyrannen (I, 95.). Wa
fich einerfeitd auf die Perfer zu ftügen fuchte 1), ſo vel
er andererjeit3 den Heloten das Bürgerrecht (I, 132.).
inpig die conſervative Politit der Lafedämonier im 3
mit ihrer auöwärtigen Staatöverwaltung zufammenbänge;
ben auch die Korinthier auseinander (70 fg.). — Uek—
ift in Archidamos Rede und in denen der Korinthier ein!
fer Gegenſatz zwiſchen dem alten und bem jungen Dei
unverkennbur.
Aus der alfo beſchriebenen Natur der beiden Sauyn
ergab ſich ihr Verhältniß zu den Bundesgenoſſen fül
Nothwendigkeit. Dieſen Inſel- und Küſtenbewohnern,
ſchon ſo oft ihren Bezwingern mit den Lohne des @
auch die Mittel zu deſſen Behauptung dargeboten, fdie
Herrſchaft des Pauſanias nicht länger erträglich. Sie
ten ſich an das’ ſtammverbrüderte Athen ?), den fie ja
zugömeife ihre. Befreiung von dem Barbarenjoche verdanktt
— Jedem Bundesgliede ftand eine .befondere Stimme zu.
mählig aber ging die Anführung, weiſe geleitet, zur wi
Sereiigaft über, Dieß geſchah zumächit durch Die Scha
1 Das hatten nicht allein die Peififtratiden gethan, ſonder
Sylofon alle Zyrannen des den Perfern unterworfenen Griechenlan
2) Als Paufanias ein edles byzantinifches Mädchen zum D
feiner Enft genöthigt und dann aus Berfehen erfchlagen hatte, bra
Byzanz eine Meuterei gegen ihn aus. Nun drangen Arifteides
Kimon in Sparta felbft auf feine Abfesung (Plut. Cimo 6).
unterwarf fich den Athenern um fo williger, als gerade -jegt ihre $
durch Kimon zu Sieg und Beute geführt, die Kataftrirung der Bu
eontribution aber (Plut. Arist. 24.) durch den redlichen und einfi
vollen Finanzmann Ariſteides geleitet wurde.
3) 95 fg. VI,.82 ff. I, 75 fg. III, 10.
6. 2. Einleitung... Bunbeögenofien. 381
Eumg in Delos (96.). Kerner durch eine Reihe won: Un⸗
wehrrungen, welche der Bund audführen mußte, deren Vox⸗
We jedoch den Athenern allein zufielen (98 fg.) Am mei⸗
Sandeß dadurch, daß feit dem Vorgange von Naros (900.)
WMundesgenoſſen einzeln abfielen, dann aber mit. Gewalt
eine fchärfere Abhängigkeit zurückgebracht wurben... Die
Inſeln wurden .am längfiten gefchont, um ſich ihren
gegen die ſchwächern bedienen ziı können, und bieifok
Maxsoch fortbeftchenbe Bundesgleichheit mußte das Ganze! bei
eigen. Statt gegen die Perfer zu: fechten 1) , ſtrebte Athen
Wi Bergrößerung feiner Bundesmacht, und der vielkoöpfige
Bin. Der Bundesgenoſſen vermochte: Ddeut Einen Willen: der
>ener feinen Widerjtand zu leiften. Wie die Exftern ſelbſt
rend diefer Entwicklungen geſtimmt waren, ift in der mi-
näiſchen Geſandteurede dargeſtellt (111, 9 fſ.). Was ‚aber
ganze Verfahren weſentlich erleichterte, war die freiwillige
wuafinung. der Stleinern, die mit Gelb -ihre Gontingente
u 1) Kimon war ber Lebte, der gegen Perf ien Krieg führte: aber
we Waffen drangen weiter, als irgend ein Vorgänger fie. getragen
Me. Unter Perikles und feinen Nachfolgern feuerte die conſervative
umöbie vergebens zur Nachahmung an. Dreierlei Gründe mußten jede
wetfegung des Perierkzieges ben demokratiſchen Staatsmännern zuwider
sihen : 1) weil er.gegen bie Unterbrüdung ber Bundesgenoſſen und ges
u die Betämpfung von Sparta eine gefährliche Diverfion wärbe -gebils
. Haben. 2) Weil er, ernſtlich betrieben, mehr zu Lande, als zut
kp hätte geführt werden müflen. 3) Weil er die Erinnerung an das
mehellenifche Vaterland, an bie gleiche Berechtigung aller Bunbesglies
=, an den alterthlimlichen Borrang von Sparta. flets würde erneuert
Den. — Der legte Verſuch, welchen Lalebämon zur Aufrechthaltung
Mer Ideen anſtellte, war die Forderung, ben Themiſtokles, als Mit⸗
mildigen des Pauſanias, vor ein panhelleniſches Gericht in Sparta zu
Men (Diod. XI, 55.). Erſt nad) dem völligen Siege der oligarchi⸗
en Reaction Eonnte der Perferkrieg. in großartiger Weile wieber:- aufs
Eaommen werben. Xenophon’& Kyrupäbie iſt in der Hoffnung geſchrie⸗
un, daß Agefilaos thun würde, was Alerander that. |
392 Thukydlbes. Kap. 13.
abfduften 2).099.).%). — Mit dem Aufſtande der Tha
ginnt Lakedämens Einmiſchung in Die atbenifchen 8
känpfen: (101.): für dieß Dial freilich durch das €
und den meſſeniſchen ‚Krieg noch erfolglos. Hier u
Uar,: was fpäter fo bedeutend einwirken follte, daß
mon an feinem eigenen Heerde am. verwundbarſten wa
gleich auch, daß es in Belagerungen wenig Geſchid
Ju: dieſem Kriege wird das alte Bundniß der beiden
bihler auch der Form nach zerrifſfen (102.) 5 mit da
ſtühung ven Miegara,:duch bie Athener beginnt du
Feindſchaft der Korinthiev, ſowie andererſeits in der
fehen: Koloniſirung 2): von Nanpaktos den Lakedämoni⸗
9) Wie allmählig und von felbft ſich dieß Alles machte, {
am beſten daraus, baß die athenifchen Feldherrnein folches A
ber. Eontingente Anfangs: gar nicht bulden wollten. Er
ftellte ihnen vor, wie vortheilhaft es den Athenern fein müſſe
Cimo 11.). Nachmals fandte Perikles alle Jahr 60 Trieren ı
mit feine Bürger den Seebienft lernen, die Bundesgenoffen iı
halten, und acht Monate lang Sold ziehen könnten (Plut. Pe
2) Den Vorichlag zur Verlegung des Schatzes von D
Athen Ließ man befanntlich durd, die Samier thun, ungefähr |
ben Zeit, wo der Areopag feine politifhe Macht einbüßte. Ku
muß.auch die Vermenbung bed Schages für das athenifche Bau
gonnen habenı.nicht oßne heftige Debatten. Kimon hatte ſich n
hen Buumpflangungen begnügt (Plut. Cimo 13.) Die coı
D:ppofitiog erklärte ed für tyranniih, wenn Athen, einem put
Weihe gleich, : basjenige Gelb zu feiner Verſchönerung verwen!
ganz Hellas zu feiner Vertheidigung wider bie Barbaren zuf«
bracht. Perikles dagegen meinte, Athen habe bie Vertheid
Bauſch und Bogen auf ſich genommen. Wenn nun Alles fid
Beughäufer gefüllt feiern, fo dürfe es den Ueberfchuß immer als
genthum betrachten. In ber That mußten Handel und Inbı
Athener ungemein baburd) gewinnen: Plut. Pericl. 12. %g
eifen Geſch. Griechenlands, Ah. 1, ©. 246.
2) Man beachte wohl! Durch Berftörung des Seeräubern
Skyros (Thuc. 1, 98. Plut. Cimo 7.) hatte Athen feine eige
$. 2. Einleitung. Erſter peloponn. Krieg. 395
Bi, :0ft wieder anfbrechende Wunde geſchlagen wird (203.),
We kommt es denn auch zum. eigentlichen: Kriege, Anfang
BB nur gegen die: Bundesgenofſen von Sparta -(105 fg.),
ral aher auch zegen Sparta ſelbſt (107 F.)-T) wobei ſchon
BR nDdurch den erſten Raubzug um die Küſten des Palau
Bim8: (108.) 3), dinch die Landungen auf dem feindlichen
Mirto (111.) und die eigenthümlichen Einfälle: in. Böotien
WEB) der nachmalige ſtehende: Charakter des Krieges
Defahrt wird. Ebinſor machen ſich auch fchen: jetzt die ums
Denchuien Folgen bemetklich, welche fire die Athener aus
Ber: ſvoppelt feindlichen Stellung gegen Lakedämon und:igd
Aiden Großherrn 2) hewargehen müſſen (100.). — ah
vor jeber Sefahr fider geffeite.” "og iwürbe Korinth, das vor⸗
Emporium der votiſchen Staateit, von beiden’ Selten her ein⸗
sagt: weſtlich durch bie Beſetzung von Naupaktos, öſtlich durch die
eoberung von Aegina.! Hieraus erklärt ſich, was die Athener nach⸗
aus in Alarnanien zu ſuchen hatten. kt
* "Was den Kimon zum Frieden mit Sparta, hinneigte, “
at begreiflih. War er doch in Volksreden felbft gewohnt, das Mus
% von Sparta anzupreifen (Plut. Cimo 15.). Aber auch Perikies
Ehte den Krieg, fo lange wie möglich, aufzuſchieben. Er wollte erft
Fig: Ianen zu und gegen die Bundesgenoffen ficher werden. Als daher
nun 'mandherlei Zwiſtigkeiten entflanden waren, bemühete ex fich, -eine
erfammlung aller Hellenen in Athen zu Stande zu bringen; bier ſoll⸗
m. bie gemeinfamen Intereffen der Nationalheiligthümer, des Barbas
mfrieges „ ber Meeresfiherheit von Neuem belebt werben. ‚Das Pros
et. fheiterte an den Lakedämoniern (Plut. Pericl. 17... Nach Theo⸗
wwoft’s Bericht hätte Perikles auch fpäter noch. längere Zeit hindurch
Un Talente jährlich nach Sparta geihidt, um die Gphoren zum Aufs
aube bed Krieged zu vermögen (1b. 23.).
Bei diefen Raubzügen pflegte Tolmides nur bie Küfte zu vers
ren; Perikles zuerft drang vorfichtig, aber tief in’s Land ein (Plut.
ericl. 19.).
8) Doch Fonnte fidy Lakedämon noch Tange zu keinem Bünbniffe ent⸗
ließen, wozu es von Perfien fchon während des ägyptiſchen Krieges
594 | Thukydides. Kap. 13.
das Vorberrichen der kimoniſchen Partei bewirkt alsbald <
Wafſenſtillſtand mit Sparta und eine nachdrücklichere Füße
des Perſerkrieges. Uber fchon kurz darauf wird Durch Ei
ſchung in die delphiſchen Streitigkeiten von Neuem de $
mit Lakedämon eröffnet (112.). In dieſem zmeiten pelt
nefifchen Kriege !) iſt vornehmlich der erſte Verwüſtungẽzug
Lakedämonier nach Attila zu bemerken, dem noch fidte
viel ähnliche nachfolgten ?) ; deßgleichen Die Demokratiſt
von Samos, durch welches Mittel ſich Athen won jetzt anf
ner. Bundeögenojien zu fichern wußte (115.). De g
Kampf wird hierdurch aus einen bloßen Exroberungätrige-
Prineipienkrieg, wie jchon frühere Vorgänge hatten erwen
laſſen (106. 111—113.) 3).
%
ie in diefer ganzen Periode die Demokratie überuige
fo ift auch die See macht das politifch Entjcheidende, *
Hatte ſchon Kerred anerkannt *), als ex nach der ſalaminiſhe
dringenb aufgefordert wurde (Diod. XI, 74.). Auch während bei}
mifchen Krieges unterflügt ber perfifche Satrap auf's Eifrigfte bie fen
fhen. Dligarchen (Plut. Pericl. 25 sqq. Thuc. I, 116.).
1) Ich fpreche von brei peloponnefifchen Kriegen, wie man von ai
perfifchen,, drei fchlefifchen Kriegen zu ſprechen gewohnt ift. |
2) 114: vgl. 11,21.— Man fieht, Thukydides hebt immer basjem
hervor, was er als Anfang einer im großen peloponnefifchen Arie
charakteriſtiſchen Richtung auffagt.
3) Doc hatten die Athener ſchon in den früheften Kriegen mE
Chalkis und Xegina, als fie felbft demokratifirt waren, fich ben Anfı
zu geben verſucht, als ob fie nur den Adel jener Staaten befämpfte
(Herod. V, 77. VI,91.). 3u Anfang bes großen peloponnefijchen Krieg:
fheinen die Bundesgenoffen von Athen ſämmtlich demokratifche Berfik
fung gehabt zu haben, nur die unabhängigern, Chios, Rhodos und Mr
tolene ausgenommen. Indeſſen binderte diefe ganze Yarteiftellung nihl,
daß in den epibamnifchen Händeln ber Abel von Epidamnog durch Kt
Athener, der-Demos durch die Peloponnefier gehalten wurbe.
) Das hiftorifche Auge des Hekatäos hatte fchon zwanzig Jahe
früher daflelbe eingefehen: Herod. V, 36. 124 sqq.
$. 2. Einleit. Zweiter pelop. Krieg Seemacht. ZA
Hhlacht, obwohl fein Landheer unbeſiegt war, die. DOauptſache
I verloxen glaubte (I, 73.). Den. Themiſtokles hatte die
hwendigkeit, ¶gegen Perſien zur See gerüftet zu fein ,wie
w;telbit auf Die Seemacht geführt, (I A3.). Weil es neh
wis Wiethotruppen gab, ſo pflegten Die Landzüge nux den
Bwiner. hindurch zu dauern (141.). Weil die Belagerungs
u noch in ihrer Kindheit war, ſokonnte ein. Landheer sel
g:größern Schaden anrichten, als die Verwüſtung ber Fel⸗
’ (82.). Den eigentlichen, Hülföquellen der Athener, ihren
epflichtigen Bundesgenoſſen ‚ ihrer Handelsgröße war zu
Ikbe gar nicht beizukommen; wogegen die Athener, als Her
Kar Ser, auch daB innerfte Binnenland durch ihre Han⸗
Aſperre beläſtigen konnten (120.)... Erſt durch: Braſidas
Bye: wurde. die Landmacht wieder bedeutender; ſeit Ageſilaos
x vollkommen wieder Hauptſache. Während. die. Seeſchlacht
pont Athen unterjocht hatte, konnte Die ebenſo eut⸗
ebene Niederlage der Lakedämonier bei Knidos nicht einmal
we Hegemonie. umftürzgen. — Noch im Sabre 458 war bie
Binifche Secherrſchaft nichts weniger, als unbeftritten gewe⸗
% Erſt die. Schlacht ‚bei. Aegina entfchied ihr Uebergewicht
.).: .. Unmittelbar darauf erfolgte: die Eroberung: von Ae⸗
ma. und die Zeritörmg der lakedämoniſchen Schlfſowerfte
08.) Beim Anfange des peloponnejifchen Krieges gab es
ne zwei felbftändige Seemächte außer Athen: Korinth und
erfyra (25. 33. 36.). Die legtere trat nun auch auf Sei⸗—
der Athener 1).
2 Von dem ſamiſchen Kampfe bis auf den Ausbruch der
mein dinde war Athen wider ſeine Gewohnheit in
mech in der Seeſchlacht zwiſchen Korinth und Kerkgra, verſi⸗
irt Thukydides, ſei das Seeweſen ziemlich roh erſchienen: mat habe
* See, gleichwie auf dem Lande gefochten (T, 49.). Dieß iſt vas letzte
ement in der kurzen Geſchichte der nautiſchen Kunft, wett fi durch
eVorrede hinzieht.
306 .Thukyhdides. Kap. 13.
Ruho. Die war der. Zeitraum‘, wo Perilidg, S’ldyan rei
npasöbe "Övsarsbeinog ,: in ulgeltörter : Alleinhreiſchaſt
Staat verwaltete. -:. Hier die Akme bed „athenifehen e |
Ale: Bande'waren’gelöft, welche feine. Kraft noch 4
haften. Wenn aber der Meiſter hinwegging, der dieß gef
fo muren auch die Damme verſchwunden, wache dal
Daten Vewerbriß hatten wehrent kbanen *
7 a = [ij N) a 1, FR
..ıy .. FE a u Pad gs
- end
Bocbereitungen zum Kriege.
. 2 ben fünf Reden, welche den Ausbruch des Sign
ittäißer vorbereiten, liegt der Gang deſſelben im Wein
ſchon augedeutet. Uebrigens zerfällt dieſer ganze Abſchnitt Inh
Höchst einfach angeorduete Gruppen, Zuerſt die kerkyr
Handel. (20 — 55.), womit ſich die makedoniſchen coorbiu
(G8.66.); hierauf die Verhandlungen zu Sparta: (67-87,
endlich; die. letzten Vorbereitungen zum Kriege, melde dı
die Themiſtoklesepiſode in der Mitte getheilt, durch die beide
Schinpreden vor und hinten begrängt werben (118-146,
Das einfache Band, weiches. dieſe Gruppen zuſammenhli
tritt zu Anfang und zu Ende je Unterebtheilung beſouden
Ba herwor 2),
——— — — — — —
⸗ —
i
1) Man achte ſchließlich noch auf eine Feinheit des Thukydl
Kimon hat die langen Mauern begründet (Put. Cimo 13), d
Eroberung von Skyros den Handel ficher geftellt (Ab. 7.), bie
fung der Bunbdescontingente eingeführt (Ib. 11.), bie abgefallenen She
fier unterworfen (Ib. 14.): lauter Thaten, deren charakteriftifche Wide
tigkeit Thukydides hervorhebt, ohne jedoch den Namen ihres Bollbriw
gers zu nennen. Nur wo es gegen die Perfer geht, ober für bie kalo
dämonier, lefen wir Kimon’s Namen. — Eine Einleitung bedurfte leu
ner vollſtändigen Nomenclatur. Und wie fein werden die eigentlichs
Tendenzen des Kimon ſchon durch dieſe Auslaſſung hervorgehoben!
2) 55. 56. 66. 67. 87. 118. 146.
6. 3... Vorbereitungen am Kriege. 3
ar Ber. 'nllan Seiten wird das hohe Gewicht: und Die Uns
lichkeit: des beyprſtehenden Krieges anerkannt 1). Seit
Belt Hhaben bie Athener ſich auf. den Krieg gerüſtet (68,),
loponneſier ihu heebeigemfinicht (33. 20,). Jene ſehen
‚Laß. die. kleinſte Nachgiebigkeit den Verfall des ganzen
Begrüude (140.) 5: dieſe, daB es ſich hier um. einen
nd gegen völlige Unterdrücking handelt 2), Heide
mepfen nicht um Vergroͤßerung, fondern darum, daß die er⸗
Die Macht ihren Nachkommen nicht geſchmälert werde (71,
5). Dieſes rein erhaltende Streben trat freilich auf
Ban Seiten gar. bald in den Hintergrund: bei den Athenern
; Perikles Tode, beiden Laledimoniern wenig ſpäter (II,
* Kerkyräer 2) verſchern von ſich ſelbſt, daß ſie ge⸗
en ſeien, mit Aufgebung ihrer lange bewahrten Neutra⸗
Di an die Feinde ihrer Mutierſadt, die Feinde ihrer
a Ei
2 neber die Urſachen des peloponneſiſchen Krieges führt
Marchos (Pericli 81 sq.) drei verſchiedene Angaben an: zuerſt das
Mpeit des Thukydides; ſodann ein zweites, daß Perikles nur aus Ehr⸗
Ey und Hartnäckigkeit den Frieden gebrochen hättes endlich die aus
Eobor bekannte Erklärung des Ephoros. Hiernach wäre Perikles zum
lege geichritten auf den Rath des Alkibiabes, um einiger gefährlichen
»ozeffe über Anaragoras, Pheidias und feine ganze Flnanzverwaltung
R zu werben. Daß Ephoros die Sadye nidyt eben großartig nahm, iſt
ifelhaft: doch wage ich nicht genau zu beflinnmen, was hier von
or herrühren könnte. Jedenfalls muß er die Klatichereien der Kos
als Quelle benugt haben. Den Ramen bes Alkibiabes finden wir
m̃ dei Gelegenheit des megariſchen Dirnenraubes wieder (Aristoph.
eh, 529 Schol.).
3) 71. 122. 124: vol. VI, 77.
"3 Während der Anweſenheit der Zerfyräifchen und Zorinthifchen
Mandten in Athen find Euripides Herakliden aufgeführt worden. Dieß
tuck enthält eine fehr burchgearbeitete mythiſche Allegorie der damali⸗
B Frage: die Heralliben find bie Kerkyräer, ihre Verfolger die Ko⸗
sthier. Bol. unten die dritte Beilage.
3508 Thukydives. Kap. 13.
Stannneßbtüder anzuſchließen 1). Ihre ganze Rede
fih an den kuͤhnen Unternehmungsſinn dee Athener; fe
die Eriveme deſſelben, welche ſchon damals den verla
Blick nach Sicilien und Stalien hinüberwarfen (36.)
Dagegen warnen die Korinthier, es ſei bedenklid
auf die erſte Lockung in gefahrdrohende Erweiterungen
laſſen (42.). Ganz dieſelbe Treuloſigkeit, welche
jetzt von ſeinem Mutterlande abwendig mache, müſſe
auch die auf Bundestreue gebaute Macht der Athener
zen (40.).
Welche Feldzugsplane mochten die Parteien num
fen? welche Hoffnungen des Sieges faſſen?
Was Hier die geiftige Verfchicvenheit der beiden
kämpfer an Die Hand gab, ift in den Wechfelreden zu |
dargeftellt ; wir haben e8 früher ſchon befprechen müſſen
mehr materielle Schilderung geben Archidamos, die Kor
(I, 120 fi.) und Perifles (1, 140 fſ.) 2). Ganz di
Hauptzüge find zu jeder Zeit wicdergefehrt, wo Staat
einander in Conflict gerietben , von denen der Eine die
Stufe feine Machtentwicklung bereits erftiegen hatte, d
1) 32: vgl. 37.
) So ſchlecht fi Kerkyra im Perferkriege auch benommeı
fo war es doch von jeher ein Lieblingsproject der athenifchen D:
tie gewejen, ein freies Bündniß mit dieſer Infel aufzurichten.
wünfchte in biefer fernen Gegend eine fichere Station. Dazu dü
lität zwifchen Korinth und Kerfyra. So hatte Themiftokies bie
gung der Kerkyräer verhindert (Schol. Thuc. I, 136.)3 nadın
einem Schiebögerichte zwifchen Mutter- und ZTochterftadt für die
entſchieden (Plut. Themist. 24.). Der frühere Seekrieg, deſſer
nelius Nepos erwähnt, könnte noch in die Verwaltung des '
des und Arifteides fallen (Ib. 2.)
3) Das finanzielle und militärifche Detail in ber kndirect
des Perikles: IL, 13.
=>
F. 3. Kriegsmittel ver beiden Parteien. 309
w fie noch erftelgen follte 1). — Die: Beloponnejter
wers Ackerbauſtaaten, die Atbener mit ihren Bundesgenoſ⸗
wBandeld- und Induſtrieſtaaten (141.) 2). Die Ueberle⸗
rheit, an Gelbe ſowohl, als an Kriegematerial, war durch⸗
3 auf Seiten der Athener (80. 141.). Die Bevölkerung
er Gegner war im Ganzen freilich zahlreicher (81. 121.),
Bu die athenifche viel concenteixter (80... Die große De
glichkeit und Reifeluft der Athener, gegenüber der Tas
Manonifchen Häuslichkeit (I, 70.), iſt jeder höhern
fe ! der Volkswirthſchaft eigen 3), Wie es in je
ur. Staate die Periode der ſpätern Demokratie oder der
Fiboligarchie mit fich zu bringen pflegt, fo war Athen durch
tegeſetzte Uebung feiner ganzen Straft bewußt geworden, im⸗
"2 Dieb bat man in dem ganzen non Thukydides gefchilderten Ger
nfage des athenifchen und Takebämonifchen Charakters viel zu fehr
Inefehens viel zu einfeitig geglaubt, daß hier nur ber allgemeine Ges
ap des doriſchen und ioniſchen Stammes vorläge. Faſt jedes
Eieb unfers Gegenfages kommt in ber Geſchichte jedes
wites voor. Aber freilich, wer dieſes merken will, muß auch die neuere Ges
Echte Tennen. Der fonft fo vortrefflihe R.F.Hermann 3.8. würde als⸗
zen gewiß nidyt verſucht haben, das hellenifche Staatsprincip im Allgemeinen
w den Schriftftelleen einer einzigen Epoche zu abstrahiren (Staates
Berthümer $. 51.). Die ariftotelifhe Staatsidee entfpricht dem dra⸗
watifchen und dem homerifcyen Staate gerade fo gut, wie Herrn von
Dtted’8 Vernunftrecht den Zeiten des Gonftanzer Concil's und bes Her⸗
ws Goffredo.
= Bgl. De rep. Athen. 2, passim, und Thuc. Il, 13. Auch
ww höchft merkwürdige Kragment des Komikers Hermippos: Athen.
pP: 27.
3) Sie hängt natürlich als Urfache und Wirkung mit dem Zuftande
w GSommunicationsmittel zufammen, welchen Perikles bedeutend verbefs
wt Baben muß. Pilut. Pericl. 17. Unter ihm eine eigene Wegbaus
Hörde errichtet, während früher der Senat bieß mitbeforgt hat
Bergk Comment. p. 15.).
400 | Thukydides. ‚Kap, 10.
mer bertit, auf jede einzelne Unternchnmug Die hboehſte
ſtrengung aller Bürger zu wenden (70.). Hier beſtan
Freiheit des Einzelnen mr in der Theilnahme an der ©
verwaltung. Der Lakedämonier hingegen mar wenig ge
hnmer Alles an den Staat zu engen. Miit feiner *
zwar ließ Die angeborene Tapferkeit ihn germ diesen, abı
Steuern war er nicht gewohnt, Lichte auch keinen Staatl
(80. 141.)). Sn einer einzelnen. Laudſchlacht waͤre
Athener daher nhne, Frage die Schwächen geweſtu;
ganzen Krieg aber konnten fie beſſer führen: zumal:
Seekrieg, der mehr duch Gold, ald durch Eifen wall
führt fein (83. 141.). . Die Lakedämonier waren zu A
die Athener zur Ser überlegen; aber. Sie athemifche Ud
genheit war anf ihrem Elemente größer (142. I, 62.
Ach die Bündniſſe der beiden Staaten waren von m
chenden Charakter. Bei der unbedingten Unterordnun—
athenifchen Bundesgenoſſen wurde der Krieg nach dem al
gen Ermeſſen und zum alleinigen Vortheile des Hauptei
führt 2) 5 der lakedämoniſche Bund hingegen mußte die b
dern Intereſſen jedes einzelnen Gliedes berückfichtigen.
Krieg, glaubte Jeder, werde auch ohne ihn feinen Fort
haben (141). ber die Lakedamonier waren im Inner!
res Staates an Eintracht und Gehorfam gewöhnt; bei
Athenern ließ fih Willkür und Barteienfampf erwarten,
bald Fein Perikles mehr das Ruder führte. Die lakedän
chen Bundesgenoſſen waren freiwillig, durch Verwandtiſch
bande zufammengehalten. Wenn es gelang, durch F
oder Hofjnung ihr ntereffe zu fleigern, fo Tonnte man
1) Alſo auch hier fchon das allgemeine Gefeß, daß auf ben ni
Wirthſchaftsſtufen Naturalbienfte, auf den höhern Geldabgaben am
teften ertragen werden. Das Schatzweſen ift für jene Zeiten ganz,
a8 Öffentliche Greditwefen für unfere Tage. Die großen Tempel ı
ie vornehmften Bankierhäufer.
2) gl. De rep. Athen. passim, und Thuc. I, 143.
$. 3. Krlegämittel und. Kriegäplane. 40%
usten Anſtrengungen gewiß fein (121... Umgekehrt aber,: -
EU ıbie..atheniichen Bundeögenofien mit. wenig Ausnahrien
FE ans Zwang gehorchten, fo mußte. die erfie Gelegenheit
12Abfall Herbeiflühren. Treue Vaterlandspertheidiger find.
Bönueruiber, als wohlbezahlte Miethsſoldaten (121.) 2),
= Hiernach mußten ſich die Kriegsplane geſtalten.
Der Entwurf des Perikies war auf die eigenthümlichen
petßeite f die eigenthümlichen Gefahren der athenifchen Macht
gnet. Das attifche Landgebiet, das ja doch nicht ges.
2 werden könne (142 fg.), ſollten ſie nur als einen Luſt⸗
zyn, eine entbehrliche Verſchönerung ihres Reichthumes ber.
gen. (A, 62.) Hatten. ed doch fon die Väter fo ge
Et, als fie auf Themiſtokles Rath die Schiffe beſtiegen,
B ihr Land dem Barbarenkönige Preis gaben, (144,). Ein,
dl: Lande würde wenig Nutzen bringen; .eine Niederlage
fe in Gefahr ftürgen. Athen müffe ſuchen, einer Inſ d
wich zu werben. Die Verheerungen ber ‚Sakebämonier
Kde : man durch "a an der peloponneſchen ai herz
}..; oo. « W .. . W— 714
— — — —
1, Ich kann es mir nicht verfagen, aus den nächſten Quellen noch
ige andere Unterfchiebe ber beiden Hauptlämpfer beizubringen, bie
walteriftifch zugleich und heutigen Tages leicht zu verflehen find. Won
» öffentlichen, raſchen, aber unfihern NRechtöpflege ber Athener,. und
» geheimen, fchwerfälligen, aber fichern der Latedämonier ift ſchon
Iher und nach Thukydides felbft die Rede geweſen (S. 382). Die
spublica Atheniensium fügt nocd eine Erklärung von brei andern
arakterzügen hinzu. Die Genfurfreiheit der Komödie: ‚nur barf fie
bt gegen bas fouveräne Bolt gemißbraucht werden (2, 18). Die
He Menge. von öffentlichen Anftalten und Keften., zur Bequemlichkeit
db Grgögung des Yublicums (2, 9.). Große Volks feſte find an ſich
on demokratiſch, am allermeiften, wenn fie auf Koften des Etaate&
en. Sodann die unendliche, faft büreaufratifche Complicirung ber
aatsmafchine , die allenthalben nothwenbig ifl, wo ber Staat bas
13€ Leben verfchlingen, feine böchfte Energie entfalten will (3, pass)
n bem Allen mäüffen die Lakedämonier das Gegentheil beſeſſen haben.
26
402 Thukhdides. Kap. 13.
unter mehr als vergelten 1). Denn der Feind Habe fein a
deres Land, die Athener aber ihre zinöpflichtigen Juſeln
142.). Dieſe zu erhalten, müſſe alles Gewicht auf die E
macht gelegt werben. - Die Höchite Gefahr fei work
wenn der Feind jemals mit einer Flotte vor der Statt:
feinen follte (II, 24). ine einzige Niederlage zu ©
meinen auch die Korinthier, koͤnne Athen zu Grunde r
(1, 121.). Was Perikles am dringendſten widerräch, iſt
neue Eroberung (I, 144. II, 65.) 2), — Wie unenme
diefe Politik den Lakedämoͤniern war, ſehen wir aus Mi
damos Rede (11, 11.). Nichts deſto meniger konnte eine fe
Art der Kriegsführung dem großen Haufen begreiflicen
nicht einleuchten. Die weiſeſte Mäßigung mußte biefem d
Schwäche erſcheinen; und wo die naheliegenden Boriit
fiegtlich verloren gingen, da war es natürlich, daß berg
uteine Mann die größern, aber fernher winkenden überfefl
forinte (11, 15. 21 ff. 59.). Wer köonnte ihm dieß am
wohl verargen, wenn noch in unfern Tagen, wo dod Tu
kydides laͤngſt gefchrieben 3), der Erfolg Tängft gerichtet hal
ein vortrefilicher Hiſtoriker in Perikles Plane die Zaghaftigla
des Alters zu erkennen glaubt )?_ Durch Verlaffen del
nn
1) Daher fid) die Athener auch ganz vorzugsweife um bie Bunkb
genoflenfchaft ber Kerkyräer, Kephallenier, Akarnanier und Zakynthie
bewarben (ll, 7.).
2) Weil das allmählige Verlaſſen diefer Rathſchläge im Krieg
felbft einen Hauptfaden der thukydideiſchen Gefchichte bildet, fo fin
der Hiftoriter für gut, biefe Rathfchläge nicht bloß in Perikles Kt,
fondern auch zweimal in bdirecter Erzählung auszufprechen (11, 8
65.). '
9) ol. II, 6.
“ 4) Deeren’s Alte Geſchichte, ©. 246. (IM. Aufl.).
6. 3. Kriegsplane der beiden Parteien. 403
rrikleiſchen Kriegsplanes iſt Athen zu Grunde
Bang en !),
1.Bei den Zakedämoniern kam , um ben Sing zu
Binnen, Hauptfächlich auf drei Punkte an: Sie mußten
Bien feiner Hülfsquellen berauben; Fe mußten durch Gelb
WUchbung zur Seemacht werben 81); fie. mußten ihren
Wat. un ihren Bund auf ähnliche Weiſe concentriren, wie
hder atheniſche u Ihre Fähigkeit zu bereichen wächſt in
Bifelben Maße, wie ihre Begierde nach der. Serrfchaft,
Barum find zu Anfange des Krieges die Korinthier das bes
Kgende Element: zwar ein ariftofratifcher Staat, aber durch
Beiiche und mercantile Natur ben. Athenern am ähnlichſten.
in der Folge werden die Syrakuſier Spartad Lehrmeiſter,
Wie mit atheniſcher Rührigkeit und Demokratie (VI, 34;
25:55.) lakedämoniſche Strenge und Suborbination verbuns
—* Haben, — Schon die atheniſche Gefandifchaft prophezeit,
atedämon werde den Krieg zu früh beginnen, und erſt nach
Üttenen Unfällen an Unterhandlung denken (I, 78.). Archi⸗
mod iſt derſelben Anſicht (82. 85.), und Thukydides nennt
jn einen verſtändigen und gemäßigten Mann (79.). Er ſagt
ſit Beſtimmtheit den ſchlechten Erfolg des. }. g. archidamiſchen
xieges voraus: Attika ſei entlegen, ſelbſt die Verwüſtung
on Attika werde Nichts helfen (81.), den Feind wohl gar
pe hartnäckiger machen (82.). Darum werde der Krieg auf
h Kinder forterben (81.) 2). Vor Allem fe eiſorderlich,
9) Darum vergleicht auch Plaͤtarchos den um das Wurren des
rſichtigen Volkes unbekümmerten Perikles mit einem Steuermanne,
& im Sturme keine Rückſicht nimmt auf das Jammern der ſeekranken
aſſagtere (Pericl. 33). u
7 Wie Binkeifen fehr richtig bemerkt, fo konnten bie erften
eiegslahre Schon deßhalb Leine Entfcheidung bringen, weil die beiden
zupttämpfer ganz verfchiedene Waffen führten, Hopliten und Trieren,
it denen fie einander kaum erreichen konnten (Geſchichte Griechenlands
1, ©. 271.)
26 a
404 CThukydides. Kap. 13.
zur Verſtürkung der See⸗ und Geldmacht unter Hellenen
Barbaren neue Bundesgenoſſen anzuwerben (82.). —
Korinchier freilich Hoffen ſehr auf geiſtlichen Beiſtand (12
insbeſendere auf Darlehen der olympiſchen und delphij
Tempelſchätze (121. 143.) 1). Aber fie meinen zugleich, fi
die Lage. dee: erſten Streitpunkte Jei bemerkenswerth. X
Potidäa⸗ weiſe auf die: thrakifchen Tributſtädte Hin, Ka
auf das Meer, :.ald. die eigentlichen Schaupläße des bem
henden Kampfes (68.). ... Ihre nautifche Unerfahrenheit,
merken: fie richtig, muͤſſe ſchon durch den Krieg felbft zur
fahrung werben (121.). . Der Abfall der athenifchen Dam
genoffen. :ındı: der Bau von Feſtungen in Attika felbit w
furchtbare Hulfsmittel ‚bieten (122). . Auch nach Perikles
theile war eine Seemacht des Keindes, oder eine Verſchan
deſſelben in Attika, jedes fire ſich allein noch sicht gefaͤh
(442.) 2 deſto gefährlicher ihr Zuſammenwirken! — 9
warnt Archidamos,Keiner moͤge ſich durch eine doriſche
achtung der Jonier zu migeiſchen Hoffnungen verleiten
ſen) G4.) ). ..
I, Eine ſelbſtändig und: als Macht daſtehende Kirche iſt im
mit ber Ariſtokratie verbündet. Schon bei ber Gründung von 2
hatte ſich ber beiphifche Gott den Athenern nicht allzu günſtig erwi
Diod. XII, 35.
2) Dieß 'ift nämlich der währe Sinn von 84 extr., welches
denſelben alerdings eine Sentenz von: großer Schönheit enthalten,
ganz außer Zufammenhang ftehen würde. — Ueber jene Berad
vgl. I, 124. V, 9. VI, 77. 79. VII, 5. VIII, 25.
3). Sowohl Perikles, als bie Eorinthifchen Gefandten Laffen bie
wartung durdhllingen, daß ber. Krieg.auf beiden Seiten nicht mit
anfänglichen Eifer (II, 8.). werde fortgeführt werden... Beide hebeı
ZIrüglichleit des Glüces hervor und ben ungewiffen Ausgang felbf
weifeften Rathichläffe (120. 140.). Auch. erllären bie Korinthier,
Bang des Krieges fet nicht im Voraus zu beſtimmen; fondern gar $
ches entwickle ſich nad) zufälligen Umftänden (122.). Hierdurch
Thukydides den Leſer warnen, nicht Alles, was in dieſen Reden
für wirklich damals ſchon beabfichtigt und geäußert zu halten.
$. 3. Kriegsplane ver Beinen Parteien. A05
= &inen tiefen Eindrud wird es hier auf jeden wohlgeſinn⸗
bi Lefer machen, wenn ex in Perikles letzter Rede gleichem
WB Teſtament des großen Staatsmannes vorfindet. Hier
die Vaterlandsliebe gepriefen, welche das eigene Wohl
fe dem allgemeinen unterordnet, aber eben dadurch am
| rettet; wird der Staatömann gepriefen, der für ein
iS Volk geeignet fei (II, 60.). Hier wird bie
e der Herrſchaft, die auf dem Spiele ſtehe, der Ruhm
B Väter, den man behaupten müffe (62.), endlich das
der Knechtſchaft, welches den Feigen erwarte (63.), je
Mäßigter, deito eindringlicder zu Gemüthe geführt, Am
hluſſe noch der Hiftoriiche Troft für die Zukunft gegeben,
unfterblicde Schönheit uns früher fchon erhoben hat (64.).
— —
f des Krieges von lakedämoniſcher Seite würde ihn ſonſt man⸗
Macher Lügen ftrafen. Die wirklichen Erwartungen, welde die Pelo⸗
nwefier hegten, find 120 auögefprohen. Wie befcheiden lauten fie,
In wir an Lyſandros Erfolge denken! W
r,
Vierzehntes Kapitel.
Exfter Sauptfaden — Umwandlung der politii
Gefinnung.
— —
8. 1.
Ende bes Perikles.
Wie es aber die Natur aller menſchlichen Dinge mi
führt, daß jeder Stillſtand den Rückſchritt zu beginnen y
fo konnte auch Athen auf feiner perifleifchen Höhe nicht
bleiben. Während Perikles noch lebte, mard das g
Maß, nach Sinnen wie nach Augen, im Ganzen feilgeh
Als aber der Mann Hinmweggegangen war, „der feinen
dern an richtigem Urtheile und eindringlicher Mittheilun
felben, an Vaterlandsliebe und Uneigennützigkeit nachgefl
hatte” 1); und nun Keiner mehr da war, der das Bol
1) 11, 60. Jedes Wort hier ift ein Wegweifer durch bier
gende Geſchichte. Perikles allein befaß jene vier Eigenfchaften
men. Nikias hatte Urtheil, Vaterlandsliebe und Wireigennügigteii
keine Mittheilung Kleon weiter Nichts, ale Mittheilung. Al
endlich Urtheil und Mittheilung im höchſten Grade, aber wede
gennützigkeit, noch Baterlandsliebe. — Bol. die ſchöne Entwidlu
Plutarch, welcher die beinahe königliche Gewalt des Perikle
feiner Beredtfamkeit und Necdytlichkeit noch ber großen Complicir
F. 4. Ende des Perikles. 4AD7
tzefochten, wie er, hätte regieren: innen: - da: wurde die
seeichaft unter dem mwetteifernden Kampfe felbitfächtiger Staats⸗
an den Demos verrathen. Der große Haufe, der
jec geleitet morben war, leitete jetzt ſelber, natürlich mit
ndigen Fehlgriſſen. Wo früher das allgeineitie Intereſſe
waltet hatte, da regierte don num an der Egoismus’ der
eelnen 1).
Was hier fchon von ſelbſt mit dem nachwachſenden Ge⸗
te hätte kommen müſſen, das wurde noch in entſetzlicher
e beſchleunigt durch die Peſt, welche den Kern der alten
gerſchaft Hinmegrafite; welche auch bei den Uebriggebliebe⸗
die alte Gottesfurcht und Sittenſtrenge nicht wenig er⸗
Witterte 2), Diefe Peſt zu Athen ift Übrigens nicht bloß für
— — — — —
Etaatsmaſchine zuſchreibt, die eben deßhalb kein Anderer habe
> tönnen (Pericl. 15.). Ueber feine Beredtſamkeit füge ich bie
ggleichliche Stelle aus Eupolis Aynos hinzu (Diod. XII, 40.
. Arist. Ach. 535.):
one Ilegıniig HVÄvuzsog
i "Horoaztev s ‚Speorea, ovsexrxa 179 "Ellada.
*. Kodtıoros oſüroc dyiver’ avdgurew Alyem,
n Onsr: napildoı, wog oi ayadoi dporeis,
hi "Enxaidexa nodar Axeı Akyay tous ÖnTogas '
. Tayus Alysm uiv, nrpös dt yavıov zw Tayeı
Dudu x; dnenadıoey ini Toig zeilsow.
Ovrug dunleı, za uovog Tor bmTogwv
To xirtpov dynarilıze Tois aupompivor.
4) II, 654 Redende Beilpiele find IV, 28. 47.
2) IL, 62 ff. III, 87: vgl. VI, 26. Die Stärke ber alten Bür-
wichaft vorher: II, 31. Die Zahl der an der Peſt Geflorbenen giebt
Kodor. XI, 58. — Eine fehr anziehende Meinung hat Riebuhr
ggeſprochen: daß nämlich große Peften auf unerklärbare Weife mit
Bitifcher Ausartung zufammenhängens er erinnert namentlich an bie
kuche unter M. Aurelius (Briefe Ih. II, S. 167.). Der Krankheits⸗
mins ganzer Beiträume dürfte überhaupt mit dem politifcyen Zeitgeifte
sunichfady verwandt fein. Ich gebenfe der Brouflaiß’fchen Entzün⸗
mgötheorie, welche der franzöfiichen Revolution entfpricht 5’ der heuti⸗
r
„"ı
408 Thukydives. Kap. 14.
ven Berfall des politiſchen Geiſtes von Bedeutung, ſu
auch als / Wirkung der übertriebenen VolfSconcentration.
Die erſten "Spuren des Verfalles Hatte Perikles
noch zu erle eben. Die Unbequemlichkeiten der Blockade,
Perikleb stein keinen Bebeutenbern Ausfall art
gen Wofferheittunbe, welche ebenfo ‚wie in K. Auguſtus 3eit, mi
durch Ueberreljung fhlaff gewordenen Zeit zufammentrifft. N. hl
» Das Xnftärmen der kampfluſtigen Athener gegen Derikteis
foftem, wobei Kleon zuerft auftaucht, bat u. X. Bermippos’
nen Mören ausgefpeochen, worin er ben flürmifchen Muth der I
ausmalt (Athen. XI, 487. XV, 668). Er wirft dem Perikle
mit Worten freilih fei er ein Held; fobalb es aber zum St
komme, trete er zurüd (Plut. Pericl. 33... — Sn die Gchred
riode diefer Peft muß nach vielen Andeutungen ber ſophokleiſche 4
Debipus gefegt werden. Hierauf würde fchon die malerifche, ti
dem Leben gegriffene Schilderung der Seuche felbft führen, weld
Dintergrund des ganzen Stüdes bildet. Dann aber betet ber Ch
Abwehr des Ares (183.), obgleich bag Theben der Zragöbie ni
Kriege begriffen war. Diefer Ares wird fchildlos genannt: wi
Athen damals, ohne eigentlich das Schwert zu ziehen, alle Dri
des Krieges erdulden mußte. Die athenifche Peft war ja Halb ur
direct eine Kolge bes Krieges; wenigftens hatte ber Blockadezuſta
Furchtbarkeit gefteigert. Selbſt die Anrufung der Götter, ber
ſchen Athene, der auf dem Markte thronenden Artemis, danı
des peftheilenden Apollon mußte nah Schöll’s treffender Bem
(Sophokles Leben, S. 178.) die Zufchauer mehr an Athen, als a
ben erinnern. Wenn ber Zeuspriefter feine Aufforderung an £
mit den Worten fchließt: Mauern und Schiffe find Nichts, wenn
Menſchen darin beraubt find (56.), fo denkt Jeder unwillkürlich
Athen jener Zeit und an die Kriegsführung des Perikles. Wi
‚ Konnte Sophokles, der meiner frühern Bemerkung zufolge wohl
lich unbedingter Anhänger bes Perikles war, wie leicht Eonnte ı
ald die Haupturſache des gegenwärtigen Unglücks Perikles al
Starrſinn betrahten! Cine Menge Orakelſprüche Tiefen zu Anfa
Krieges um, bie Perikles gewiß mit Verachtung ignorirtes ber I
und Heilgott felber hatte den Peloponnefiern feine Hülfe zugeſagt
bem Haupte bes Perikles, wie der Keind noch kürzlich erſt in
-
§. 1.. Ende bes: MPerikles. 08
der Pet, welche "eine natürliche Kolge des
sehen‘; endlich der: Umſtand, daß Die Seezüge des
ken: Zahres nur mit geringem Erfolge unternommen wur⸗
1,:56. 58.) 1): alles dieß mußte die Popularität des
GStaatsmannes erfehüttern.. Man .verurtheilte ihn zu
je Geldbuße (II, 65.3; ja, man fchickte ſogar, feinem
Plane ‚zuwider, eine Friedensgeſandtſchaft nach Lake⸗
(U, 59.) 2). Wie Thukydides ſelbſt andbeutet, fo war
sicht allein der Demos, welcher fich zu ſolchen Schritten
eigen ließ, fondern auch die duvaroi: Lebtere aus Zorn
den Verluſt ihrer Landgüter, namentlich aber aus
Belgung wider den Krieg im Allgemeinen (II, 65.). Alſo
4 Verbindung der äußerſten Ariſtokratie mit dem Pöbel,
File te gemäßigte Partei vom Ruder zu drängen: eine Ver
ug, wie auch unſcre Tage ſie ſo häufig geſchen haben 3)!
hg gebracht, Laftete die alte Schuld des Alkmäonidenfluches. GE iſt
I unwahrſcheinlich, daß die Verleumdung jener Zeit dem Perikles
Shipodifche Frevelthaten vorgeworfen, die Ermorbung feines Freun⸗
s@phialtes (Idom. bei Plut. Per. 10.) und bie Blutichande mit
Ber Scwiegertochter (Plut. Per. 13. 16. Cim. 4. 16. Ath. p.
BE. Bol. Schöll a. a. O. ©. 181). Alles dieſes mochte dem So⸗
Kes auf dem Herzen liegen. Die furdhtbare Sittenlofigkeit, welche
Be der Peſt zum Vorſchein kam, mochte Veranlaſſung fein, die ers
Itternde Wirkung der göttlichen Strafgerichte, wenn auch vielleicht
F Koften ber tragifchen Katharfe, darzuftellen.
» Plut. Pericl. 35.
' 2) Diodor. XII, 45.
E, 3) Diefes Bufammenwirken ber ertremen Gegenfäge wird aud aus
Notizen deutlih. Unter den Männern, weldhe während ber
gegen das Stillefiten bes Perikles lärmten, that ſich befonders
feon hervor, der auf dieſe Weife zur Demagogie emporfleigen wollte
lat, Pericl. 33). Auch ber fpätere Antrag, den Perikles zu entfes
und an Gelde zu firafen, ift von Kleon geftellt worden (Ib. 35.).
Dat fi) Kleon, wie ihm Ariftophanes vorrüdt (Equitt. 438.), wirklich
440 . Xhwlypives. Kap. 14.
— Die Tegte Rede des Perikles ſucht ſich gegen folk
griffe zu vertheidigen. Sie vermittelt folglich die große
die font zwiſchen den Athenern der Leichenrebe und
des Kleon liegen würde. Statt der alleinigen Baterlan
fangen ſchon damals die Privatinterefien an hervorzutret
60.). Das Volk, wankend und kleinmüthig, blieb fä
mals Hinter feinem früher erworbenen Ruhme zurüd
Männern, wie Nitiad, wird auf das Eindringlichſte wo
von den Potibäern beftechen laſſen, fo ift auch das vermuthlid «
pofition gegen den Perikles gefchehen. Richt lange vorher, — ı
gewöhnlichen Angabe kurz vor dem Ausbruche bed peloponnefifche
ges, — waren von ber entgegengefegten Seite aus ganz ähnli
griffe verfucht worben. Diopeithes, einer ber Hauptrepräfentai
damaligen Pietiömus, hatte den Anaragorad wegen Unglauber
klagt (Plut. Pericl. 32.). Nach einer andern Angabe (Sotio
Diog.) wäre aud) hier Kleon der Denunciant gewefen. Ein Ba
jedenfalls, bas ebenfo, wie bie gleichzeitigen Verfolgungen des 9
und der Afpafia , indirect gegen Perikles felber gerichtet war. |
nanzverwaltung des Perikles endlich wurde durch Drakontibes ı
richt gezogen (Pluc. 1. 1.) : denfelben Mann, ber fpäter ben
gemacht hat auf Einfegimg der dreißig Tyrannen, ber felbft mi
diefen figurirt, und den berüchtigten Vorſchlag gethan Hat, alle
werfer in die Sklaverei zu verfegen (Lysias adv. Eratosıh
sqq. Schol. Arist, Vespp 157. Petit. Legg. Au. V,
Die Komiker und, auf diefe geftügt, die fpätern Pragmatiker, bi
al nach Eleinlichen Erklärungsgründen für ‚mächtige Ereignifle fı
haben es aufaebradyt, diefe Angriffe gegen Perikles als die Urfac
zuftellen, welche ihn zum Kriege bewogen. Sc) drehe die Sadı
um: es waren die legten, erfolglofen Verſuche der Friedenspartei
Gegner vom Staatsruder zu entfernen. — Uehrigens verfteht
von felbft, fo wie Kleon zur Herrſchaft gelangt war, Eonnte von
frühern oligarchifchen Verbindungen Feine Rede mehr fein. Da
fontides namentlich muß er zu ber Beit, wo die Wespen gegeben
den, mit Prozeflen geängftigt haben (Vespp. 157.). Noch allge
bekannt ift fein Kampf mit den Rittern. Die Scholien zu Equit
äußern fich etwas dunkel darüber: Kleon fei den Rittern verhafl
fen, weil ex fie Schlecht behandelt habe, örı 77 ek auruw.
F. 1. Ende des Perikles. 5. 2. Kleon. 411
ihre Unthätigkeit, bei allem Scheine der Rechtlichkeit,
-unfehlbar müſſe zu Grunde richten (63.).
8, 2.
Kleon.
nächften Ruhepunkt, aus welchem ber Verfall des
Jeiſchen Geiſtes zu betrachten tft, gewähren bie Wechfelre-
Ye Kleon und Diodotos 1). Schon zur Zeit der Untere
Hung von Mitylene, alfo im Sommer 427, mar unter
Demagogen, die um Perikles Gewalt wetteiferten, Kleon
EWeitem der einflußreichfte (III, 36.) 2), Was fih aus
— Bgl. Er. Paſſow Zur Geſchichte der Demagogie in Griechen⸗
sin Wachler’s Philomathie III, ©. 269 ff
n Le unbeſchraͤnkter in der That die Alleinherrſchaft des Perikles
Ken war, deſto ſchwerer mußte es nach feinem Tode fein, als Nach⸗
entſchieden anerkannt zu werden. Unter den Nebenbuhlern um
z Ehre nennt Ariſtophanes beſonders drei: zuerſt den Eukrates, eis
Hebehändler und Mehlfabrikanten; darauf den Viehhändler Lyſikles,
lic) den Lederfabrikanten Kleon (Equitt. 129 sqq.). Da fie von Aris
janes ausdrücklich in chronologifcher Ordnung aufgeführt werben
Beles aber fchon im Herbfte 428 umgelommen ift (Thucyd. III,
J, fo muß die Gewalt des Eukrates in das erſte Jahr nach Perikies
he fallen. Im Sommer 427, wie wir aus Thukydides wiffen (ILL,
2), war Kleon fchon entichieden der Mächtigfte. Wenn man aus dem
rakter des Diodotos auf ben feines Vaters (2) Eufrates (Thuc. Ill,
h fließen darf, To ift ber Lestere im Ganzen noch von perikleifcher
Bfigung befeelt geweſen. Wielleicht könnte unfer Eufrates auch der
Kannte Bruder des Nikias fein, der zur Zeit des Iyfandrifchen Fries
—3— von den Oligarchen ermordet wurde (Lysias adv. Pol. 5. Bgl.
Wistoph. Lysist. 103.). Die Fragmente von Ariftophanes Babylo⸗
Ben machen es wahrfcheinlih, daß Eukrates dem Kleon erlegen iftz -
Ne auch die Ritter müſſen dazu mitgewirkt haben (Id. Equitt. 254.).
eo aud) damals noch das früher bemerkte Zufammenhalten der ertres
Mm Parteien gegen die gemäßigte Mitte! eine Idee, - welche bekanntlich
R Kitten des Ariftophanes zu Grunde liegt. Aber felbit Lyſikles
212 Thukydides. Kap. 44.
dieſen Streitreden zur Schilderung des Kleon ſelber und’f
Demos entnehmen laſſe, habe ich früher ſchon zu
ſucht. Bei Perikles herrſchte eine marmorne,
Ruhe, hier eine hitzige, von ihrem Gegenſtande
weglichkeit. Dort wurde das Volk gezügelt und geſtraſt
als oberſter Schiedsrichter ehrfurchtsvoll angerufen.
Grundſatz der äußerſten Demokratie war durchgedrungen,
sicht einmal die Ariſtokratie der Klugen ertragen wollte: A
ſchienen die Ereigniſſe ſelbſt zu reden, Gier tritt forheßf
Er
ſcheint nody einigermaßen in Perikles Sinne gehandelt zu haben,
feine Bermählung mit der Afpafia vermutben läßt. — Dean u
ſchon von felbft erwarten können, daß das Unterliegen in einer fo'
tigen Zrage, wie die mitylenäifche, dem Anfehen des Kleon übef
verberblich fein mußte. Directe Beugniffe beflätigen dieg. kan
dem Kleon vor, daß er fi von den Mitylenäern babe beftechen |
(Arist. Equitt. 832 sqq.): durchaus Feine fo unfinnige Verleum
wie Droyfen meint (Ariflophanes II,290.). Seine Graufamteit
alsdann bezweckt, die Mitwiffer feiner Schulb für immer flumm zu
hen. In ber ganzen zunächſt folgenden Zeit fehen wir alle wit
Poſten entweder von notorifcy gemäßigten Männern bekleidet, ode
Zeinden bes Kleon, oder gar von Solchen, bie fpäter unter ben Di
gen eine Rolle fpielen. Schon 426 Eonnte Kleon feine Anklage ı
Kalliftratos, den Didaskalen ber ariftophanifchen Babylonier,
wirklich durdjfegen (Acharn. 377 sqq.). In den Acharnern (%
425.) wird darüber triumphirt, daß Kleon kurz vorher durch bie 8
zu einer Gelbbuße von fünf Talenten genöthigt worben (5. 300 #
Dropyfen fragt mißbilligend: Wie war das möglich? da body die
terſchaft an fich mit dem Gerichtswefen Nichts zu thun hatte (II, !
Allein man braucht die Sache nicht fo buchftäblich zu nehmen: vid
durch einen Gerichtseranos , wozu bie angefehenften Ritter verht
waren. Während Ariftophanes fpäter in den Rittern ben Kleon nlı
zu nennen wagt, wird beffen Name in den Acharnern ganz ungel
durchgezogen. Wir werben tiefer unten fehen, wie der pyliſche Fe
Kleon's geſunkenes Anfehen wieder zum höchſten Gipfel erhebt, w
fih an den Rittern zu rächen ſucht, wie er abermals fintt, und e
buch den Tod allen Schwankungen des Glüdes entnommen wird.
2%. Kleon. 45
ichkeit. dee beiden Nebenbuhler in. den Vordergrund.
: par das Sanze wie aus. Einem Guſſe, und ohne Daß
por dem andern weſentlich hervorträte; hier dagegen
es yon Gemeinplatzen, deren jeder auf den Vorrang
e:macht!),. Dort endlich war nur ein und ein ‚abe
harmoniſchex Wille, bier dagegen ein Zwieſpalt,
dom Thukydides heide Gegenſätze ungefähr von glei⸗
Sewichte ſchienen (N.A9.).). Dabei iſt jedoch nicht zu
„daß bei Diodotos allerdings. nach ein Ueberreſt pe⸗
ihexr Feinheit und Würde ‚gefunden wird, freilich nicht
I.nebunken mit verilleiſcher Sicherhein und venſchoemali.
his | Den un 8, 3.
vn Bu u Rebolution in gKertora.
ae weitere Audficht über . bie griechiſchen Staatsverhalt⸗
wird ung auf ber beitten Entwicklungsſtufe eröffnet, bei
” jeit der blutigen. Unruhen zu Kerkyra, die noch in
| Zahr des Krieges. fallen 3). Die ee Zwienracht des De⸗
Du h . Io a: . nitee.d . 322
Au; Drama fpricht fi) zu derſelben Zeit -biefelbe geiflige Ver⸗
jrung nes. Auch Euripihes, ‚bevor er. felbft ein Urtheil wagt, horcht
e aͤngſtlich nach dem Vorurtheile bed Publicums (Arist. Ranae
Auch in feinen Stüden drängt jeder Einzelne ſich eitel hervor,
Weiner verſteht zu ſchweigen, wie es Aefchylos Helben oft mit fo
Mfelber. Wirkung zu thun Tiebten (Ibid.: :946. sqq.). —*
"it Bezug auf meine obige Benierfung über bie Aufeihander⸗
nee Reden (S. 165 fg.) mache ich aufmerkſam barauf, : daB hier
de des Diodotos, welche ihren Zweck vollkommen ‚erreicht, gleiche
niet ſteht. Aber eineötheils achtet Thukydides ſelbſt bad praktis
vicht | der beiden Reden für gleich; anderntheile aber und haupts
hai erhielt in diefem alle zwar bie Beredtſamkeit des Diodotos mit
den: Sieg; fie war jedoch im Ganzen durchaus: die ſinkende, Kleon
feine Manieren die fleigende Sonne.
3) Buerft vorbereitet I, 55.
A1lA Thukydides. Kap. 14.
mod und der Dligacchen, die fchon In Platäa dem Erif
die Thore gedfinet, die Mitylene der Rache eines Klemm
liefert Hatte: fie war in Kerkyra jetzt zum ungeftörten
bruche gelommen, Nach einer charakteriftiichen Dark
diefed Ausbruches -felbft (III, 70—81.) fpricht nun V
ded einige allgemeinere Worte von der jetzt begonnenei
wandlung der hellenifchen Parteikäĩmpfe überhaupt. Syewe
tracht war vor Alters und in glüdlihern Zeiten auch
einer mildern Form aufgetreten; - Seht aber, wo ber:
ein Lehrer der Gewaltihat geweſen, wo jedwede Partel:
Lakedämon oder- Athen aus Hülfe erwarten Tonnte, |
rückſichtslos überall in Helle Flammen aus. Se fpäte e
Stadt Hiervon ergriffen wurde, deſto fchlimmer war in
Negel die Wuth felber. Die alten Namen der Dinge wu
umgetauſcht; parteilofes Zuſehen war ferner unmöglich;
der Leidenſchaftliche konnte gelten; wider die allgemeine SA
tigkeit meinte auch jeder Einzelne fehlechter Mittel zu bedirh
die alten, natürlichen Bande wurden um der neuen,
hen willen aufgelbſet. Nicht mehr waren die Yreundfik
auf das göttliche Gefe begründet, fondern auf die gemd
fame Uebertretung deijelben; und die Rache fchien ſüßer,
die Freiheit von Beleidigungen. Unter ſchönen Nam,
bürgerliche Gleichheit und Regiment der Edelſten,
ſteckte Jeder feine eigene Herrfchfucht, wohl gar noch fü
mere und gemeinere Lajter (III, 81.). Das Vertrauen m
zum Epott, und beim allgemeinen Argwohn, da alle
in den Wind geredet wurden, da geichah ed, daß die Sy
mit ihrer Klugheit zu kurz kamen, die Ungebildeten aber,
fie ohne viel Ueberlegung gleich zur That fchritten, indge
den Sieg dapontrugen (83.) '). Die Reichen waren von
bermuthe mehr, als von Mäßigung befeelt, und fie zeig
dieß in der Art und Weiſe ihrer Strafen. Die Armen, «
I) Eine Erſcheinung, die fi, wie bie meiften hier angeführten, i
allen tiefgehenben Revolutionen von demofratifcher Art wiederholt hat.
8.3. Revolution in Kerkhra. $.4. Nitias. A153
en, dem Blende zu entgehen; ſahen ſcheel auf den
- Anderer. Wer endlich; felbit- in uneigennütziger
Icht zur Gleichheit Aller. mitwirkle, der pflegte and Leiden⸗
und Verblendung zu mwüthen::—- Gar manche Züge
Gemäldes fanden wir ſchon oben in Kleon's Rede vor
Bitet. Die vaernehmſten Triebfedern der Revolution find
Ba in Diodotos Rede bloßgelegt (III, 45.), Der eigent⸗
‚Ausbruch der. Krankheit :aber erfolgte zu Athen exit: fpäs
:.und wird und auf ber, letzten Entmiclungsftufe ausführs
beſchäftigen. Denn für Thukydides Gefchichte: find jene
Parretümpfe eben nur Vorbereitungen zu ee Si
! 3. 4. u
p Kit in 8. ’ 7
Nikias war ſchon bei Lebzeiten des Perilleb von ft
tung geweſen, daß er: nicht bloß in Gemeinfchaft mit
am, ſondern auch allein zu wiederholten Malen das Feld⸗
t bekleidet hatte 1). Nach Perikles Tode erſcheint er
Ei:bald als der Parteifährer der: gemaͤßigten Conſerva⸗
Bu,
) Wie nun im Jahre 427 Kleon’s zrauſamer Vorſchlag
die beſiegten Mitylenäer geſcheitert mar, ſehen wir dieſe
igte Partei das Ruder des States ergreifen. In dem⸗
un Sommer noch befehligt Niklas die Expedition nach Ms
.(IH, 51.). Nikoſtratos, den wir als Feldherrn zu Raus
08 finden (III, 75.), von wo aus er ben kerkyräiſchen
emofraten Hülfe Bringt, wird und fpäter wiederholt als
Bitfelogere genannt bald des Nikias (IV, 53. 119.), Bald
B gleichfalls gemäßigten Laches (V,61.). Eurymedon, wel
in kurz darauf die größere Flotte nach Kerkyra anvertraut
e (III, 80. vgl. 91.), nachmals fogar der Feldzug ge
rn Syrafus (IH, 115. IV, 2.), ift nah Kleon's Wieder
1) Plut. Nicias 2.
216 a re; Kap. 14.
Kuffommen: mit: einer Geldſtraft Belege; worden (IV,
Laches, der An denfelden: Sommer noch gegen: Stwah
ſendet wird (IH, 86), zahlt notoriſch zu den Gegner
Kleon und zu den Freunden des Spartanerfriedens (EV,
V, 19. 24). Sm Jahte 426 treten als Feldherrn aufı
kias,: Eurymedon, der reiche Hipponikos, dem fein X
ge. schon. eine conſervative Stellung: anweiſet.
mofthenes ‚:. der aus. den Ritternalsß Kleon's Feind 5
iſt III, 9475 endlich: Ariftoseleß ‚.‚fpäterhin;, wie. ich v
the, riner von den dreißig Xyrasiten (IH, 105.) ). 9
dere. uns Sophofles,. die:i nächſtfolgenden Jahre ba
rymedon nad Sicilien begleiten, find beide nachher vı
Partei des Kleon verbannt worden: Sophokles wahrſch
derſelbe, welchen wir ſpäter unter den dreißig Tyranne
den;. Pythodaros, welchen Diogenes ala. Schüler des
ſophen Zenon neben Ariſtotelzs erwähnt 2), der. belannt
Haw.in der Zeit. der Drejßiger.
ESglches war die Lage der Verhältniife, als Demofl
kühne Geſchicklichkeit den Athenern bei Polos ein ganz
Held der glänzendften Ausfichten eröffnete. Freilich nu
bffneter — bad. war eben dad Unglück der gemäßigten
tei.. ‚Denn: fofort wurde. die Kriegsluſt des Volkes au
Aeußerſte wieder angefacht; die lakedämoniſche Friedensge
figaft ,. welchen Nikias und feine Anhänger ficherlich allen
ſchub thaten, wurde, auf. Kleon’3. Betrieb. ſchnöde zu
wjefen (IV, 21,) 53). Al die Breigniffe darauf im Pel
3,
2) Boal. Xenoph. Hell. I, 2, 17 sqq. Plato Par
127 D. | |
2) Diog. Laert. IX, 54. Plat. Parm. p. 126.
3) Als die Laledämonier während ber Belagerung von Sph
um Srieden baten, Tam es, wie Philohoros erzählt, zu
$. 4. Niklas, 417
doch nicht fo glüdlich von Statten gingen, wie man ge-
ft Hatte, und Kleon deutlich genug von Verrath fprach,
be ex bekanntlich jelber nach Pylos gefhict (IV, 27 fſ.).
Bartei der äußerten Demokratie wirkte hierbei niit Den
Bäßigten zufammen: jene natürlich wollte ihrem Lieblinge
‚Eommando zuwenden; diefe, den Nikias an der Spike,
Be. indgeheim, daß er fich felbit Hier unmiederbringlich. zu
Br de: richten follte. Nichts charakterifit den Nikias fchärfer,
i Diefer negative, indolente und nicht ſehr patriotiſche Plan,
Be Gegners [08 zu werben (IV, 28.) Als aber Kleon
pe die allgemeine Erwartung fein großprahlerifches Verfpres
x vollkommen erfüllt Hatte: mas Wunders nun, wenn
7 populare Macht jet ihren höchften Gipfel erreichte‘?
“ Triumph des Nikias gegen die Korinthier konnte hiermit
has. verglichen werden '). Ebenfo wenig die Eroberung. von
Hera, die ja nur der zweite Schritt auf dem won Kleon,
hien es, gebahnten Wege war (IV, 53.fj.). . Wie Die
Feldherren nach ihrer Rückkunft beftraft warb, habe
jr früher erwühnt (IV, 65.1 2).
j
en in der Volksverſammlung (orcoiioou⸗ zir dexingiar) ‚ bis die
partei fi iegte. Nach der Einnahme der Inſel ſchickten die Spatta⸗
n bermais um Frieden, indem ſie ſich erboten, die von ihnen genom⸗
Schiffe der Athener auszuliefeen Auch hier war £8 Kleon, ber
erwerfung ihrer Anträge durchfeste Schol. Aristo ph. Pax 666..
B, Ariflophanes zufolge hätten. bie Lakedämonier Togar, dreimai verge⸗
um ‚Brieden nachgeſucht Ubid. 660 sqq.).
sm .IV, 42 ff. vgl. 40.
r:
ı- 9 Kieon’s Erfolge auf Sphakteria ſtellten den: aias nicht —
Iirect. in Schatten, ſondern man tadelte ihn auch direct wegen der
gmeintlichen Beigheit, womit ex freiwillig ben Obexbefebl aufgeopfert,
BU.die Belegenheit zu den. fchänften Lorbeeren feinem;:Zobfeinhe zuge⸗
benbt babe : Beine Anhänger .felbft mochten ihm jetzt vorwerfen, daß
es eigentlich ſei, welcher ben. Kleon gehoben .(Plur Nicias &%
Belohnung feiner Kriegstgaten erhielt Kleon bean Morfig. im Theater
27
418 Thukydides. Kap. 14.
- Die glänzenden Erfolge inzwifhen, welche Braſida
und in der Volköverfammlung (Aristoph. Equitt. 702.) €
ward er jest zum Schagmeifter des Volkes ernannt, und führte ai
cher das ‘große Staatsfiegel (Ibid. 946 sqq.) Diefes Amt wir
fonntlid immer auf vier Zahre vergeben, am großen Panatheaia
mithin zum Wintersanfange jedes dritten Olympiabenjahres. Key
es folglidy im Herbfte 426 angetreten. Auch in den Rittern (46
Schol.) heißt er erft Eürzlich in feine Würde eingefegt. Wir fehen
Aus übrigens, beiläufig gefagt, daß Kleon zur erften Bermögens
gehören mußte; denn nur Solche Eonnten zum Echagmeifter ga
werden. — Was nun feine politifhe Wirkfamkeit in diejer ı
Sphäre anbetrifft, To mag es Verleumdung fein, daß er feine Ge
fhaftsreife nad) Argos, wo er den Staat gewinnen follte, neb
alich benukt: hätte, für fich felbfl mit den Lalebämoniern ein Löfegel
Gefangenen zu unterhandeln (Ibid. 465 sqg.). Dagegen iſt es nic
wahrſcheinlich, ‚daß die gewöhnlich dem Kleon zugeſchriebene Er
de8 Gerichtsſoldes von einem Obolen auf drei in dieſer Zeit vorge
nien iſt (vgl. Bockh Staatshaushalt I, &.250 ff. Und andererfeits G.E
mann:Praeß' ad Nubes p. L sqq.). Wäre. nicht damals etwe
Art wirktic erfolgt, fo würde Ariftophanes in feinen Rittern (79
ſchwerlich darauf gekommen fein, dem Volke in Kleon's Namen dv
fpiegeln, daß es Eünftighin für fünf Obolen, und zwar in Ark
mitten im Binnenlande, richten werde! In berfelben Zeit muß J
der Nitterfchaft, feinen alten Feinden, grimmig zugeſetzt haben.
er fie wegen Dienftverfäumniß angeklagt, ift ficher (Theopomp
Schol. Equit. 226); ja, wenn wir ben Ausdruck ragatınzöarg
den Ariſtophanes "gegen ihn ſchleudert (Ibid. 256.), buchftäblich neh
fo mag er wohl gar an Auflöfung, Reorganiſirung, wie man es a
des ganzen Corps gebacht haben. Seiner Feldherrnverfolgung hab
im Texte erwähnt. Namentlich fällt der bekannte Prozeß gegen &ı
in diefe Zeit (Aristoph Vespp. 832 sqq.): Laches wurbe angel
in Sicilien Unterfchleife gemacht zu haben. Im Jahre 424 mußte der berü
Feldherr als Fußſoldat in Böotien dienen Plato Conv. 36). Zmeige
chen Prozefie iſt er jedoch ohne Zweifel freigefprochen, wie er denn
darauf wieder an den größten politifchen Verhandlungen Theil nimm
Ich habe ſchon früher gezeigt, daß ſich aus Ariftophanes Rittern fi
aus dem Verfchweigen von Kleon’3 Namen, aus der Furcht aller 9
Benmacher u. f. w. am bdeutlichften erkennen läßt, wie fehr die 9
des Demagogen gegen die Beiten ber Acharnerkomddie geftiegen war.
Prügel, welche Kleon bem Ariftophanes zu. Wege bradyte (Vespp.
$. 4. Nikias. 419
dakien erreicht Hatte, werbunden mit der Niederlage der
hener in Böotien, mußten auch in Athen die confervatiwe
Koenöpartei wieder emporbringen. Es kam 423 im Früh⸗
‚zu einem einjährigen Waflenftillftande, der von atheni⸗
Seite durch Nikias, Nikoftratos und Autokles unterzeich-
‚wurde. Laches Hatte den Antrag geſtellt (IV, 118fg.) i).
tion die erſte Schwierigkeit, welche fih der Ausführung
Vertrages durch den Abfall: der Skionäer entgegenfekte,
fe Kleon wieder heben (IV, 122.). Nikias, wie gewöhn⸗
fah fih gezwungen, die Plane feiner Gegner in's Wert
ten : ihm mit Nikofteatos wird die Unterwerfung der Ab-
lenen aufgetragen (IV, 129.). Nach Ablauf der Waffen-
wie bekannt, zog Kleon perfünlich gegen Braſidas zu
Aber das Glück von Sphafteria begleitete ihn nicht
Dei Ampbipolis ward er befiegt und ſelbſt erfchlagen.
ftellte natürlich den Nikias und die Friedenspartei ent-
Ben in den Vordergrund. Der nächite Winter wurde mit
ſrchandlungen zugebracht, und im Frühjahre 421 ein funfs
Friger Frieden abgefchloffen. Als Unterzeichner won Seiten
08 werben außer Nikias, Laches, Demofthened und La⸗
08 noch befonders genannt: der fromme Priejter Lampon,
| ydemos, der im großen fyrakufifchen Kriege Nikias Un⸗
Höhere war 2); der von Kleon verbannte Pythodoros ;
Pon, der Vater des Theramenes; der vornehme Schlem-
und Schuldenmacher Theagenes 3), wenn es nicht gar
1 veränderter Lesart der fpätere Dreißiger Theogenes fit;
Asfrates, wahrſcheinlich der Vater des fpätern Dreißigers
h⸗ find vermuthlich die Kolge feiner Holkaden, eines Friedensſtückes,
bald nach den Rittern gegeben wurde.
1) Wal. V, 88
VII, 16. 69.
y 3) Vgl. Aristoph. Aves 822. 1125 sqq. Pax 929.
27 *
420 Thukydides. Kap. 14.
Ariſtoteles 1); Leon, einer von den Siegern der Argi
ſchlacht, aljo bis an’8 Ende zur gemäßigten Mitte geh!
endlich Ariftofrates, der in der Revolution der Vieh
mit Theramenes zufammenhält (V, 19. 24.) 2). Wir
bier alfo beinah alle Schattirungen der confervativen '
zuſammen 3).
„Nikias wollte, fo lange ex noch glüdlich und am
war, fein Glück in Sicherheit bringen; wollte für die (
wart felbft von Mühfalen frei fein, und feine Mitbing
1)" Thucyd. III, 108.
2) VIII, 89. Ic, ziehe die Lesart Ariflotrates der andern
koites vor.
3) Nach Plutarch's Berichte (Nicias 9.) wurde das Fı
werk des Nikias vornehmlich von ben Reichen, den Alten und ba
leuten unterftügt, d. h. alfo den confervativen Beftanbtheilen bı
tes. Der Waffenftilftand Hatte die Sehnſucht nach dem wirkliche
den boppelt aufgeregt. Dan trug fih mit Sprüdmörtern umhe
im Kriege die Trompete, im Frieden der Hahnenfchrei aus dem
wede. Man fang: „Still ftehe mein Speer, und es webe ihr $
Spinne darum.’ Alle. Ehre des Friedens fiel auf den Rikias.
led, fo bieß es überall, habe den Krieg um Kleiner Urfachen will
gefangen, Nikias ihn beendigt teog ber größten Hinderniſſe. —
Ariftophanes Frieden ſtellt die attifchen Landleute als die von
Hülfe des Nikias dar (511.). Andererfeits waren bie Volksredner
nnmos (446 ) und Hyperbolos (625. 905.), Towie alle Diejenige
noch Feldherren zu werden gedachten, die Waffenfabrikanten u.
(447 ff), der arme Feldherr Lamachos (473.), felbft die Sklave
im- Kriege fo leicht defertiren konnten, hauptſächlich gegen den Fr
ſchluß. Nur ald Inconfequenz müflen wir es betrachten, wenn aı
oligarhifche Peifandros 1395.) und ber pietiftifche Hierokles (10
Geaner des Friedens find. Selbft der Dichter Eupolis hat in
erften Autolykos wenigſtens XAriftophanes Friebensermahnungen v
tet: Schol.Plat p.331. Aus den Wespen 1115 läßt fich übrigen
muthen, daß man, um auch den Pöbel friedlich zu flimmen, unt
Vorwande der Kriegskoften beantragt hat, bie Gerichtsgelder
ſchränken. Gute Behandlung ber fphakterifchen Gefangenen bahn
Nikias in Sparta feinen Weg: Plut. Nicias 9.
6. 4. Nikias. 421
frei machen, für die Zukunft aber den Ruhm hinterlaſſen,
unter feiner Verwaltung Fein Unfall den Staat betroffen
Et Etwas egoiftifch, wie man ſieht! „Dieß glaubte er
hen zu konnen Durch Vermeidung der Gefahr, und indem
an Zufall möglicht Wenig anvertraute” (V, 16.) Es
Saum möglich , die Grundanfichten eines confervativen
Btsmannes, welcher dad Sinken des Vaterlandes vor Aus
Bat, allgemeingültiger und präciſer auszubrüden, — Dies
—** gemäß trachtete er wenig nach Ehrenſtellen (VI,
2: .); er war ein forgfamer Haudvater, und pflegte die
Anung auözufprechen, daß ein Solcher in der Regel auch
meiſte Vaterlandsliebe hege (VI, 9.). Bon feiner ſtren⸗
& aber ſuperſtitioſen Rechtſchafſenheit und Gottesfurcht (VII,
5 iſt oben die Rede geweſen 1). Auch abgeſehen von allen
schen Verwicklungen, mußte ein folcher Mann perfünlich
Bad von Lakedämon fein, weil er dem Charakter des lake⸗
aniſchen Staates fo nahe verwandt war 2).
i N Bel. oben S. 216 ff.
13) Was den Nikias populär machte, war zum Theil eben feine
iche Scheu vor dem Volke (Plur. Nicias 2.). Er war freigebig,
die Suten aus Bumanität, gegen die Böfen aus Furchtſamkeit
0) Aus Furcht geſchah es auch, daß er ſich, wo nicht Amtsge⸗
e ihn herausführten, immer zu Haufe hielt, Feine Saftmähler bes
u. fe w. Dieß gefiel nun bem Volke, baß er ſich fo ganz beffen
e zu wibmen ſchien (5.). Als einer feiner Sklaven mit Beifall
kchos fpielte, gab ihm Nikias auf der Stelle die Freiheit, weil
ziemlich fei, daß ein nad) dem Urtheile des Volkes Bakchos
Körper in Sklaverei bleibe (3.). Dieß kann zugleid) feine Re⸗
it und feine Popularität ſchildern Bis zum ſyrakuſiſchen Feld:
hatte er an keiner mißlungenen Unternehmung Zheil gehabt: weder
böctifchen, noch der ätoliſchen u. ſ. w. (6.),
A223 Thukydides. Kap. 14.
8. 5.
Alkibiades.
Wenige Staatsmänner des Alterthums Haben ſo
Räthſelhaftes, wie Alkibiades. Daß er nach der erſten!
in Athen und weiterhin in ganz Griechenland geſtrebt Hal
gewiß; an Tyrannei mag er nicht felten gedacht haben,
gleichwohl fein Ziel ganz feit im Auge zu halten. E
zugleich, was den Weg dahin betrifft, immer geſchwault
ex fich auf Demagogifche, oder oligarhifche Grundlagen |
ſollte. Seinem Herzen nach, wie Thukydides ausdrücklich
fichert, gehörte er Keiner von beiden Parteien an; er be
tete beide nur als Werkzeuge feines Chrgeizes (VII,
Daher die Widerfprüche in feiner Handlungsweiſe, . die
bis Heute verhindert haben, daß fich ein unbezweifeltes U
über ihn feſtſetzen konnte. Nichts Hat ihm ſelbſt und f
Vaterlande mehr geſchadet, als feine eigene LUnfchlüffigfe
Thukydides erwähnt des Alkibiades zuerft im -
420 2). Sein hoher Stand würde ihn fehr natürlich de
fervativen Seite zugeführt haben 2). Um fich bei den Lata
niern beliebt zu machen, und die vordem feiner Familie
bende Proxenie mit Lakedämon wieberherzuftellen (VI,
1) Wenn idy auch die Erzählungen, wie Altibiabes auf ber
kles gewirkt, als apokryphiſch ganz bei Seite laſſez fo muß er dod
in zarter Jugend auf feine Alterögenoffen bedeutenden Einfluß
haben (Plut. Alcib. 2.). Dieß geht auch aus den Zechbrüde
Ariftophanes hervor. Nachmals gewann er während der Belageru
Potidäa den Preis der Tapferkeit, wenn auch hauptſächlich durd
nerion; bei Delion wurbe er Lebensretter bes Sokrates (IL
Plut. De genio Socr. 11. Plato Conv. 36. Isocr. Debig
2) Obwohl in früherer Zeit feine Familie ald demosfreund
rühmt gewefen war: Isocr. De bigis 10. Thucyd VI, 89.
die ehemaligen gemäßigten Demokraten hätten jest wohl fämmtl
Ariſtokraten gegolten.
$. 5. Alkibiades. A225
Re er den Gefangenen von Sphakteria . allerhand Artigkeiten
eſen. - Aber auf diefem Wege. den Nikias und Baches gu
unten, mar ſchwer; zumal fein jugendliches Alter ihn im
seta wenig empfehlen konnte. Da befann er ſich. Wir
pt ih unter den Heftisften Gegnern des Friedens; ja, bei
B’eriten Streitigkeiten, welche die Ausführung der Verträge
Jelaßt, Sucht er auf jedwede Art das euer wieder anzus
Sp durch aufreizende Volköreden !), durch heimliche
efpondenz mit den Argeiern (V, 43.); endlich jogar durch
Belfitige, um nicht zu fagen meineidige, Täufchung der la⸗
monifchen Abgefandten (V, 45.). Nikias Anfehen, diefen
Beu gegenüber, wird weſentlich geſchmälert, als ex ſelbſt,
Friedensſtifter, in Sparta Nichts ausrichten kaun; und
5 jeht an erfcheint Alkibiades als der Hauptlenker der auss
Agen Verhältniſſe (46 ff.). Nicht allein bei den Unter⸗
ungen, ſondern auch bei allen kriegerifchen Expeditionen
er der Anführer, Erſt im Jahre 418 gelingt e8 den Häup⸗
der nikiſchen Partei wieder, am den Staatsgefchäften im
ſoponneſe Theil zu nehmen. Das den Argeiern zugeführte
Mader wird won Laches und Nikoſtratos befehligt; Alkibia=
‚geht nur als Sefandter mit. Da er aber in die ganze
Reiguie mit den Dundesgenoffen von Lakedämon, fowie it
$ Berfonalverhältnijfe von Argos ohne Zweifel beſſer einges
et, auch beim Gelingen der ganzen Unternehmung weit
intereffirt war, fo ziwveifle ich faum, daß er auch das
das Meiſte vermocht (61.). Die Schlacht bei Manti-
„ welche den Jahre Iang gehegten Plan der Athener plög-
und für immer abfchnitt, mußte den Nikias, der ſtets da⸗
B geweſen war, bedeutend wieder heben. Im Winter
— —
) Er warf u. A. dem Nikias vor, er habe als Feldherr die Lake⸗
ier auf Sphalteria nicht einfangen wollen, nachher fie freigelaflen
ıp w. (Plut. Alcib. 14). Daß Niemand die Mittel des Alkibiades
‚biefer Angelegenheit billigte, verfichert Plutarch ausdrücklich: Ib. 15.
'
424 Thukydides. Kap. 14.
417 fingen wir ihn als Feldherrn an der makedoniſch
(V, 83.). Bei den Verhandlungen wegen des ſiciliſch
nes ſtehen Nikias und Altibiades offenbar auf derſelber
ſtufe !). |
Sn den Reden, welche: deßhalb gehalten werben
die Berfünlichkeit der beiden Feldherren eine Hauptrolle
Kapitel find damit angefüllt. Dieß tft, merkwürdig aber E
genug, der gemeinſame Charakter beinah aller Reden des‘
des feit Perikles Tode, Nach dem eigenen Urtheile des
1) Bei dem Zuge nady Melos, der in das Jahr 416 fü
fowohl Nikias (Schol. Arist. Aves 363), als Alkibiades |
Adv Alcib. p. 152 Plut. Alcib. 16.) eine bedeutende
fpielt haben, obwohl Feiner von beiden unmittelbar das (
führte. Als es zwiſchen diefen Nebenbuhlern durch ben Oſtraki
offenen Kampfe Tommen follte, achtete jeder die Kraft bes 2
fo bedeutend, daß fie Beide im Momente der Entfcheidung zuı
und fich lieber zur Vertreibung des Hyperbolos vereinigten (I
cias 11. Alcib. 13.). Plutarch räfonnirt dabei fehr naiv:
kias damals den Alkibiades befiegt, fo wäre es zum forakufi
gar nicht gekommen; hätte er ihm unterlegen, fo würde er
den Zod durch die Syraßufier vermieden haben (Nicias 11.)
Theophraſt dieſelbe Gefchichte ftatt von Nikias und Alkibiades
und Altibiabes erzählt, To wird ihm nicht allein von ber Me
andern Gewährsmänner widerſprochen, fondern es ift aud
Grade unwahrfcheinlidh, daß Phäax, ein bloßer Schwätzer nad
der fonft fo wenig erwähnt wird, jemals auf dem Wege bei
mod an eine Verdrängung bes Alkibiades hätte denken könr
Anficht, weldye der pfeudo=andokideifhen Rede gegen Alt
Grunde liegt, als ob Andokides der Nebenbuhler des Alkibiat
wäre, bedarf keiner befondern Wiberlegung. Uebrigens ift ı
los erft nad Kleon’s Tode zu einiger Bedeutung gelangt: 8
stoph. Nubes 626. Pax 692. Es ift befannt, daß nur
magogen moralifh in fo geringem Anfehen ftanden. Seiı
wurde behauptet, goß er betrüglicher Weife flatt des Erze
aus (Schol. Aristoph. Nubes 1055. Vol Nubes 551 sqı
874. 1060 sqq: Equitt. 1300 sqq. 1360. Thesmoph. 847 s
ceyd. VIII, 73.). Daher auch die fonderbare Anficht aufkom
der Oſtrakismos fei bewegen mit feiner Verbannung zum !
geübt, weil ſich das Volk gefhämt hätte, einen ‚Dyperbolt
zu haben (Plut. Nicias 11. Alcib. 13.)
5. 5. Alkibiades. 425
Ei Alkibiades vornehmlich deßhalb zum Kriege, weil
Dagegen mar; dann auch, weil ex felbit, mit großem
Me und ebenjo großem Vortheile feines Vermögens, Sici⸗
di und Afrika zu erobern hofſte. Durch fein prunkvolles
iftreten nämlich, insbeſondere durch feine olympifchen Sies
Fl), war fein Vermögen zerrlittet worden (VI, 15.). Dem
as natürlich mußte ein ſolcher Mann eben feines Aufwan⸗
und feiner jugendlichen Prahlereien halber doppelt zumiber
h (12.): wenn auch Alkibiades ſelbſt mit einigem Grunde
führen konnte, daß feine vielen und eiuflußreichen Verbin
ngen nach Außen weſentlich auf dieſem Glanze beruheten,
B folglich auch der Staat nicht geringen Vortheil davon
be (16.) 2). Doch ift das Hauptargument, welches er ges
) Wohl nicht ohne ‚Seund treffen wir benfelben Lichas, ber in
ompia, gewiß auf Alkidiabes Betrieb, To entfeglich behandelt worden
e (Thuc. V, 50.), den aber ſchon fein bloßes Auftreten im Wagens
mpfe als reihen Mann bezeichnel, nachmals bei den biplomatifchen
ebhandlungen zu Argos wieber als Gegner des Alkibiades an (Ibid.
76.).
3) Die vielen Wagenfiege des Alkibiades erinnern einigermaßen an
alte Zyrannenzeit Nichts charakterifirt ihn mehr, als ber Umſtand,
b er zu Olympia mit dem Eigenthume bed Staates feinen Feftzug
Bidymüct, dann aber diefes zurüdhält, um den Öffentlichen Feſtzug minder
imzeud ausfallen zu laffen. Das vollftändige Regifter von Alkibiades Fre⸗
Shaten, häuslichen fowohl als öffentlichen, von feiner Übermüthigen
zachtung der Gefege, von der Enechtifchen Ehrfurcht, welche die Bun⸗
genoffen ihm erwiefen u. f. w., enthält die befannte Rebe bes Pſeudo⸗
dokides. Plutarch flimmt mit dem Inhalte derfelben völlig übereinz
r flellt er bie Thatfachen offenbar in ein für Alkibiades viel zu gün⸗
yes Licht: vgl. Andoc. p. 124. mit Plut. Alcib. 16., und An-
‚ec. p. 127 sq. mit Pluc. Alcib. 12. Die Befchuldigungen wider
kibiades Lebendwandel find großentheild einer Schrift bes Antiphon
fehnt: Athen. XII, p. 535. Plut. Alcib. 3. Daß er eine Klage
ven ihn felbft, bie ſchon angebradyt und niebergefchrieben war, eigens
tig ausgelöfht habe, erzählt Athen. IV, c. 18 Auch in ber
„de war Alkibiades Epoche machend: Athen. XII, p. 5634. Pol-
426 Thukvdides. Kap. 14.
gen Nikias Angriffe gebraucht, . nichts weiter, als übern
ges Hohnfprechen (16.); und Nikias ſelbſt Deutet auf dem
giſche, um nicht zu fagen tyrannifche, Mittel bin, met
ee auf die Volksverſammlung zu wirken verftand (13.).
Brigens läßt Thukydides feinem kriegeriſchen Talent vol S;
rechtigkeit widerfahren (15.) 1). |
Die Myfterienverlegung und der Prozeß!
Hermofopiden find fhon durch die Natur der Sache Me
in tiefed Dunkel gehüllt, welches durch die Unterfuchungl
hörden eines demokratiſchen Staates begreifliher
nicht völlig gehoben werden konnte. Selbſt Thukydides
fteht, in diefem Punkte nicht überall klar zu fehen (VI, é
Wir werden den muthmaßlichen Grund tiefer unten fe
lernen. Nur die Außerfte, die ignorantefte Anmaßung Fi:
es demnach über fih nehmen, Hier Gewißheit und voll %
klärung zu geben: zumal unfere Hauptquelle außer Thurn:
die Vertheidigungärede eines Mitangeklagten ift, ver über
lange Jahre nach dem Greigniffe redete, und alfo doppelt Inh
lux X, 7. Das Urtheil der Sokratiker über ihn, den man gewöhnlid
neben SKritiad dem Sokrates zum ſchwerſten Vormurfe machte, ſubde
ſich Xenoph. Memorab. I, 2, 12 sqq. Plato De rep. VI, p. M
Von den Rednern für ihn Isocrat. De bigis 2 sqq.; gegm iR
Lysias Adv. Alcib. Endli Demosth. Midian. p. 562 (R.)
1) Ueber fein Zalent vgl. die Schöne Darftelung von Gornelins
Repos, die mit den Worten ſchließt: ut, si ipse fingere vellet, ne
que plura bona comminisci neque maiora posset consequi, quas
vel fortuna vel natura tribuerat. Was Zimäod und Tcheopompei
vorzüglich an ihm bewundern, das iſt die ungemeine Vielfeitigkeit feine
GSeiftes und Körpers, womit er es in Athen den Athenern, in Böstie
den Böotiern, in Lakedämon den Lakedämoniern, in Thrakien den Thre
tieren, in Perfien den Perfern, Jedem in feiner Lebensweife zuvor
tbun wußte (Ibid. Alcib. 11. Plut. De adulat. p. 52 C. Aldi
23. Vortrefflich ftellt ihn felbft das Wappen feines Schildes dar: e
Blige fchleudernder Liebesgott (Plut. Alcib. 16.).
$. 5. Alkiblades. Hermolopidenprozeß. 427
K Gelegenheit beſaß, Die Wahrheit zu entflellen. Das
‚ was ich zu thun verfpreche, iſt Die Widerlegung der
Mer gewöhnlichen Anficht, welche gänzlich unhaltbar fcheint,
b die Anbahnung eines neuen Weges, der vielleicht zum
Me führen koͤnnte.
Die gewöhnliche Anficht, welche ſchon Iſokrates in feiner
ne vom Zweigeſpann aufgeftellt und noch Droyſen Türzlich
ktheidigt hat ı), betrachtet all dieſe Vorgänge als ein Ränke⸗
BI Der oligarchifchen Partei, mit dem Zwecke, den Alkibia⸗
9, der ihrem Plane Hauptfächlich im Lichte geftanden, aus
° Stadt zu Schaffen 2). Auf die Auctorität eines Iſokrates
EB wohl Niemand viel Gewicht legen. Behauptet ex doch
Derſelben Rede, Alkibiades habe vor der Abfahrt nach Sy⸗
Ars feine Gegner widerlegt (3.): während es boch gerade
i Unglück war, daß er fie nicht vorher zu widerlegen
wurchte 3). Den Sfokrates, welcher alle oligarchifchen Ten⸗
eaen des Alkibiades hinwegläugnet, wiegt die entgegenfte-
ride Einfeitigkeit des Lyſias auf, der felbft in der lyſandri⸗
en Schlacht Alkibiades zum Mitfchuldigen des Adeimantos
chen will). — Meine Gegengründe find folgende.
A. Die Namen der Angeklagten, die wir beim Anz
ides finden, gehören, ſoweit fie näher bekannt find, faſt
hne Ausnahme oligarchiſchen Kreifen an. Unter denen,
delche gleich Anfangs durch Andromachod angezeigt wurden,
Mlindet fich neben Alkibiades felber noch Panaitios, den mir
Us einen Hauptanführer des ariftophanifchen Ritterchores ken⸗
1) Zn der mehrerwähnten Abhandlung Über Ariftophanes Vögel
mb den Prozeß der Hermokopiden.
3) Shambeau (De Alcibiade p. 39.) will fogar ben Nikias
olcher Umtriehe verbächtigen !
2) Thucyd, VI, 29.
4) Lysias Adv. Alcib. p. 150. (Tauchn.).
‘
A428 Ä Thulkydides. Kap. 14.
nen 1); Meletos, nicht der Ankläger des Sokrates, ſi
ein Anderer, der unter den Dreißigen, namentlich beim
zeſſe des Leon, eine bedeutende Rolle fpielt 2); und Bol
to8: vielleicht derſelbe, deſſen Sohn Lykios nachmals I
nophon als Befehlshaber der Neiterei dient 2). Die A
aber, die in der Anabafis angefehene Boften bekleiden,
gewiß ſämmtlich mißvergnügte Smigranten )y. De I
ſtratos, für welchen die bekannte Rede des Lyſias geſch
iſt, gehörte ſelbſt zu den Vierhunderten. — Unter
Myſterienfrevlern des Teukros erſcheint vor Allen Antip
Kephiſodoros, fpäter vielleicht ebenfalls Unterfeldherr dei
nophon in der Anabaſis 5); Phädros, wohl ver bei
Freund des Sokrates; Diognetos, wahrfcheinlich der V
des Nikias 6); endlich Andokides ſelbſt. Die Agariſte
vornehmlich den Alkibiades und den Adeimantos an, d
Name genug fagt; Lydos den Akumenos, den wir bei Pl
finden als Freund des Sokrates und Phädros 7). De‘
lippos, der zugleich als Verwandter der Angeklagten auf
koͤnnte der berühmte ſchönredende Syfophant fein, On
Sohn 8), der in den Wespen ein Opfer der demokrati
Nichter heißt 9). Stephanos der aus dem Menon bekannte ®
des ältern Thukydides. Unter denen, welche Teukros des Her
I) Aristoph. Equitt. 243.
2) Andoc. De myst. 94. Forchhammer Die Athener u
trates ©. 81 fo.
3) Xenoph. Anab. III, 3, 12.
*4) ol. Xenoph. Anab. III, 1, 4sqq. Pausan. V,
Forchhammer a. a. O. ©. 37 ff.
5) Ibid. IV, 2.
6%) Lysias Adv. Poliarch.
7) Plato Phaedr. p. 227. — Akumenos Vater des Euı
08, der im platonifhen Sympofton auftritt.
8) Aristoph. Aves 1692 sqq.
°) Id. Vespp. 421.
6. 5. Alkibiades. Germofopkenprozeß. 429
vels befchuldigt, könnte Alkifthenes der. Vater des Feldherrn
emoſthenes fein 1); Euphiletos der Bater oder Sohn des Charda⸗
', melcher letztere nach Kleon's Sturz mit Baches -zufammen in
eilien eommandirte 2). - Den Eiyrimachos Kennen wir als
e bon den Perfonen des platonifchen Gaſtmahls. So iſt
eodoros vielleicht der Vater des Prokles, welcher gleichfalls
Zeit von Kleon’d-geringerr Macht ein: Feldherrnamt bes
Dete 3), oder auch vielleicht der bekannte Sophiſt im Theätetos
Lyeuktos könnte der Sohn des großen Themiſtokles ſein ). Me⸗
kratos erſcheint in dee Anarchie als Hauptdenunciant 6). Von
Okleides wird eine Menge Verwandter des Andokides ange⸗
gt: ex ſelbſt, fein Vater, fein Schwiegervater, fein Vetter
arınides 6) ; weiterhin noch Taureas, Niſäos, Kallias Al
ms Sohn, Euphemos, Phrynichos der Timer, Nikias
“uder Eukrates, endlich Kritias. Unter den beiden Senater
eden, die zugleich mit diefen verhaftet werden ſollten, iſt
epfion fonft nicht bekannt; Mantitheos tritt noch fpäter
B: Sreund. des Alkibiades und Gefandter an den Großheren
Fr. Andokides ſelbſt Hat als Hermenſtürmer u. A. den
rates denuncirt, der in den Wespen mit Phrynichos uud
atiphon zufammen in eine Hetärie gejegt wird 9). — Man
St, mie ſind in der vornehmſten Gefellfehaft, Die damals
cht gefunden werden konnte. Daher auch die vielen Namen
If ippos, als Charippod, Alerippos u. |. w., was bekannt⸗
») Thucyd. III, 91. IV, 66.
3) Thucyd III, 86.
3) Ibid. IH, 91.
) Plut. Themist. 32.
9) Lysias Adv. Agorat. 55 sqq. u 0
6) Ariftoteles Sohn, nicht der berühmte Sohn bes Glaukon. Ob
fer Ariſtoteles der befannte Dreißiger war, ſteht dahin.
7) Xenoph. Hell. I, 1, 10. 1, 3, 9. Lysias Pro Mantith.
8) Aristoph. Vespp. 1301 sqq.
A30 Thukydides. Kap. 14.
lich meiſt arijtofratifche Namen waren, nicht befremden k
fen ').
B. Um diejelbe Zeit, wie Altibiades zu Athen, g
viethen auch feine Gajtfreunde zu Argos in den VBerbadt, 4
was gegen die Volksherrſchaft im Schilde zu führen (VI, 614
Als Alkibiades geflohen war, wandte er ſich zuerſt nach Oi
(VI, 88.); offenbar, weil feine frühern Verbindungen I
bei den eleifchen Staatsmännern noch am erften eine gün
Aufnahme verfprachen 2). . Kurz darauf ward er nach Spa
förmlich eingeladen, unter Zufiherung eined freien Geleites!
Wer wird glauben, Daß die Lakedämonier einem Feinde
atheniſchen Dligarchie, alfo einen Feinde ihrer innigften u
Kündeten, alſo entgegengelommen wären? — Als a fi
mit dem Verfprechen, Athen perfiiche Hükfe zu verſchaſſen,
feiner Rückkehr arbeitet, .da find es die Vornehmen, mit!
chen er Unterhandlungen anfnüpft, und feine ausdrückliche?
dingung iſt die Einführung eines oligarchifchen Regine
(VID, 47 ff.). Der Antrag auf Alkibiades Zurüdt
iſt durch Kritias gejtellt worden, alfo einen Dligarchen $
ganz unzweidentigem Rufe 2). Es iſt freilich wahr, A
bat die oligarchifche Bartei, deren augenblickliche Hoffnungi
figkeit er bald einjah, kurz darauf wieder, und nun fire imm
1) Id. Nubes 60 sqqg. Sehr merkwürdig ift es, daß eine im
liche Anzahl fonft unbekannter Inculpaten bei Suidas als Dihter WR
ältern Komödie oder Tragödie vorlommen: fo Acchippos , Zeiten
Diogenes, Kephijodoros, Philonides , Polyeuktos.
2) Plutarch redet von Argos: nad) ber frühern Notiz dei A.
Eydides in hohem Grabe unwahrſcheinlich (Alcib. 23... Einer anal
Angabe zufolge wäre er von Eli zunächſt nach Theben geganget:
Corn. Nepos Alcib: 4.
3) Thucyd. VI, 88. Alſo nicht, wie Plutarch erzählt, nad
dem er felbft den Laledämoniern feine Dienfte angeboten hätte (1bid. 23.
+) Plut. Alcib. 33.
$. 5. Alkibiades. Hermokopidenprozeß. A531
aſſen. Wetterwendiſch ift feine Politik überall. Indeſſen,
lkte feine. Flucht von den Oligarchen veranſtaltet worden, fo
br eine Verbindung zwiſchen ihnen gar nicht mehr möglich
Pefen. Dligarchiſche Parteien find nicht im Stande, wie
| che; alle Schuld auf den einen oder andern Mathges
wälzen,. Ueberbieß erklärt Alkibiades felbft zu wieder⸗
Malen, daß ihn die demokratiſchen Parteihäupter ver-
«haben: ſowohl in Sparta (VL, 89.), was man vielleicht
{Xäufchung ausgeben könnte, als auch den Athenern gegen
ke, die doch jedenfalls genau davon untetrichtet waren
IH, 47).
C. Hiermit fimmen denn auch directe Keufenungen des
nkydides überein. Schon VI, 15. wird gefagt, daß bie
a0: fein hoffährtiges Leben. als ‚eine Vorſtufe der Tyrannei
achtet, und eben deßhalb ihn geſtürzt Haben, Will man
- aber auch nur auf fein ſpäteres Schickſal deuten, fo heißt
VI, 28, feine Gegner felen Solche geweſen, - denen er bei
Leitung des Volkes: im Wege geflanden (Beßaiug- od ön-
"zeosoraraı), Das wäre doch nur fehr gezwungen von
garchen zu verftchen. Und VII, 53. werden fogar die
Kuer: Des Alkibiades geradezu unter den Anhängern : der
Lko herrſchaft aufgeführt.
Unter den Verfolgern erwähnen die Quellen beſonders
onymos und Androkles: Kleonymos hatte den Vorſchlag
zan, tauſend Drachmen für den Angeber auszuſetzen 1);
drokles hatte die erſte Denunciation unterſtützt und ſie her⸗
hvorzugsweiſe gegen Alkibiades gewendet 2). Beide: find
weifelhaft demokratiſche Parteihäupter: Kleonymos aus dem
ſtophanes als Liebling des Volkes und Hauptſchreier gegen
Frieden bekannt, Androkles nachmals, um die Herrſchaft
1) Andocid. De myst. p. 93.
2) Plut. Alcib. 19. Thucyd. VIII, 65.
A539 ahukvdides. Kap. 14.
der Vierhundert einzuführen,. von den ODligarchen em
(VIII, 65.). — Deſto mehr künnte es befremden, da
auch den Charikles und Peiſandros hier antrefien. Ball
Hören zur Unterfuchungdbehörde ; von ihnen gebt die 9
aus, der Frevel Fünne nicht auf Wenige beichräntt fein,
dern müſſe eine allgemeine Verſchwoͤrung gegen die 7
Herefchaft im Hintergrunde Haben 1). Peiſandros Bring
Die Anzeige des Diokleides den Senat zu dem Entkh
freie Bürger, ſogar Senatömitglieder auf die Folter zu
den 2). Und während Kleonymos taufend Drachmen fü
Angeber beftimmt Hatte, ſchlägt Peiſandros vor, die P
auf zehntaufend zu erhöhen 3). Nun iſt bekannt, daß €
rd während der Anarchie nächſt Kritiad die angefehenfe!
fpielt. . Peiſandros erfcheint als das Hauptwerkzeug, m
Herrſchaft der Vierhundert durchzuſetzen. Nach deren €
flüchtet ex zu den Lakedämoniern (VIII, 98.). Maut
freilich annehmen, daß beide Männer ihr politifches Glan
bekenntniß gewechfelt hätten; der Renegat ift dann imme
Eifrigfte. Allein, während die Unbeftändigkeit eines The
nes fo weit berüchtigt geworden ift, hören wir von Cha
und Peiſandros durchaus Nichtd dergleichen. Auch jcheint
fandro8 gerade zur Zeit des Hermokopidenprozeſſes mit
Sokratikern in näherer Verbindung geftanden zu habe
Da drängt. fi mir denn eine andere Vermuthung auf. |
dem fich die Beiden Dligarchen des Prozeffes wirkfam |
nommen haben, wird zwar ungehener viel Lärm gemacht
ganze Bürgerfchaft zu den Waffen gerufen und auf den H
) Andocid. 1.1. p. 96.
2) Ibid. p. 98.
3) Ibid. p. 93.
*) gl. beſonders Xenoph. Memor. I, 2, 31. Ari
Pol. V, 5.
5) Aristoph. Aves 1551 sqq.
$. 5. Allibiades. Hermokopldenprozeß. 433
Bien. der Stadt confignirt, der Senat und :die Prytanen
tanent erklärt, auch Verhaftungen vorgenommen, Fol⸗
Fangebrohet:1): — allein daB ganze Ungewitter Veitet ſich
5 Undolides Anzeige auf die Häupter weniger Berfonen
von denen ein Theil doch fehon geflohen und jebenfalls
Sicherheit war. Vorher Hatte man eine Menge hingerich⸗
St es da wohl ganz unwahrſcheinlich, daß Peiſandros
Gharikles, fo lange ſie ſelbſt noch für sövouoraros zu
p galten 2), fih an die Spite der Unterfuchung gedrängt
a, um fie für die Ihrigen möglichft unfchädlich zu ma⸗
7 daß fie eben durch fcheinbare Leidenfchaft das Vertrauen
Bolkes zu gewinnen fuchten? Was insbefondere das Hin-
teigern des Angeberlohnes durch Peiſandros betrifft, fo
Bas in der That ganz. das Auſehen eines Kumftgriffes, for
Eiries plumpen Kunftgriffed, der nur bei einer aufgeregten
age wirken konnte. Alkibiades war zu bedeutend, um anf
€ Weiſe gerettet zu werden, Auch mochten die Dligars
haupter Bedenken tragen, für einen fo unzuberläffigen und
Müchtigen Freund ernftlich Gefahr zu Laufen 3). *
Ebenſo dunkel und räthſelhaft, wie die eilnahme den
Po
2») Andocid. De myst. p. 98 sqq- gl. Thucyd. vI,'60.
tt Alcib. 230 sqq. HI!
9 -Andocid. p. %.
3) Wenn Andokides behauptet, daß durch feine Denunciation Nie-
b bas Leben verloren, fo ift das ſchon aus Plutardy (Alcib. 21.),
gewiffer aus Thukydides (VI, 60.) leicht zu widerlegen. So
auch, dem Thutydides und Plutardy zufolge, Andokides ſich felbft
unter ben Hermenſtürmern angeklagt, Weßhalb der Redner die
r entftellen mochte, fieht Ieder ein. Wären aber viele Hinrichtun⸗
zuf feine Anzeige erfolgt, und nicht bei Weitem die meiſten vorher:
itten ihm bie Richter eine ſolche Lüge ſchwerlich durchgehen laſſen.
bebente nur, baß er reich, vornehm, mit Kritiad verwandt war,
2 vor einem athenifchen Vollögerichte fand, und den Lyfiad zum
er hatte.
28
434 Thukydides. Kay. 14.
Dligachen an der Berfolgung ihrer eigenen Partei !),
Bedeutung der verfolgten Frevel ſelbſt. Sollte die M
entweihung, die Sermenverftümmelung wirklich bloße
bruch eines trunkenen Muthwillens fein? Wenn ich di
ven und Beiſaſſen, die offenbar der Klage nur als U
dienten, ausnehme 2), fo können felbft die Kläger da
gemeint haben. Witterten fie doch gleich Verfchmärung
der den Demos. Der Miyfterienfrevel muß häufig wi
worden. fein, wie fihon aus den verfchiedentlichen A
über :den Ort der Handlung, mehr noch aus dem 9
hervorgehet, deſſen fich Andokides bedient (ZTocoürra,
naoUnog, ovunageivor x. r. 4.) 3), Bin bloße
märe durch ſolche Wiederholungen langweilig geworden,
gleich bedenke man wohl, daß Altibiades Damals Fein
mehr. war; Daß felbft Antiphon unter den Thätern g
wird, an deſſen Reife und Ernfthaftigfeit wohl Niemant
feln kann. Auch die Hermenverftümmelung iſt wiederho
fucht worden; einmal, wegen der Gefahr, Hinaudgek
dann, bei der erften günftigen Gelegenheit, wirklich
führt ). Mas fcheint denn wieder, Bei der großen
des Unternehmens, keinen Spaß zu verrathen. — Ich
fon früher bemerkt, daß mit der politifchen Reaction
Zeit eine kirchliche auf das Engſte verbunden gehet 5).
Miofterien find das Allerheiligfte, gleichfam die Samı
des griechiſchen Cultus; die veinften und zugleich ethifch
) So kann ich z. 3. keinen Grund angeben, weßhalb be
bes Kimon, Theſſalos, den man doch eher auf der oligarchiſchen
zu finden erwartete, die Eisangelie gegen Alkibiades eingebrad
Piut. Alcib. 22.
2) Plut. Alcib. 19.
%) Andoc. 1. I. p. 88 sqq.
9) 1bid. p. 103. Thuc. VI, 28.
5) Wal. oben S. 215 ff.
$. 5. Alkibinnes. Hermoloploenprozeß. A555
Deitandtheile der Religion hatten fich hier, . wasß man
über ihre nähere Beſchafſenheit denken mag, aus der
kzeit erhalten... Da bebarf es denn wohl keiner beſondern
Eisung, weßhalb eine Religiouspartei, die dem Sokrates
e ſtand, und die zugleich aus den abelftolgeften Reihen zu:
Bmengefeht war, eben die Myſterien abgefondert vom gry⸗
Saufen zu feiern wünſchte I). Was dieſelben Männer
den priapiichen Straßengott Hermes zu einnern hatten,
ſohnehin ald plebefifche Gottheit anerkannt war, leuchtet
falls ein. Ob nicht bei einigen Theilnchmern auch: der
zanke mitgewirkt hat, durch dad. Omen der Hermenſtürme⸗
von dem ſyrakuſiſchen Feldzuge abzuſchrecken, ſteht dahin.
erzu würde Alkibiades natürlich nie eingewilligt haben. Je⸗
RS geht aus dieſer ganzen Erzählung eine mißtrauiſche
äbarkleit der atheniſchen Demokratie hervor, welche m nur ein
wpton großer Schwäche fein konnte ). F
Alkibiades floh nach Sparta: nicht der: Gafie,. 1 A fein
terland durch Parteiränke nerloren Hatte. Aber Ariſteides
Aimon hatten in derfelben Lage für Athen gekämpft s: der
hzeitige Thukydides wenigſtens Dagegen Nichts unterneh⸗
a wollen. Was that indeſſen Alkibiades? „Sch. bin num: fo
ge ein Freund des Vaterlandes, als ich mit Sicherheit dar⸗
ur. 1 4
4) Ob Diagoras mit in biefe Kategorie gehört, If bei der Dücf:
eit dee Rachrichten wohl nicht mehr auszumachen. : "Der Preis‘ auf
en Kopf wurde bewegen ausgeſetzt, weil er die, welche in die My⸗
ien eintreten wollten, abhielt: za nuorygsa mürdlsler, räcı dunyeizo
ezosöy aura: Schol, Arist. Aves 1073. nach Melanthos De my-
jis und Krateros.
2) Wie entfeglich! Derfelbe Diokleides, ber in feiner falſchen Des
eiation ausgeſagt hatte, ex habe ſich von den Schuldigen eine grös
Summe, als die Prämie des Staates betrug, : verfprechen laffen,
denunciire nun, ‚weil ihm dieſes Verfprechen nicht gehalten fei:
be Menſch ward von Staatswegen befränzt als Netter des Water:
es, und im Prytaneion geſpeiſt: Andocid. De myst. C. 42. 45.
28 *
436 hukydtdes. Kap. 14.
in leben kann. Nicht der ift ein wahrer
dem Daterlande unrechtmäßig "vertrieben, |
fondern, der aus Sehnſucht es wiederzu
bietet (VE, RR) Y. — Wir haben
Alkibiades zwiſchen DOfigarchie und Demag
ſprochen. Was ihn anfünglich von den X
war u. A. der Umſtand, daß er bier allyı
folg ‚seiner Arbeit Hätte warten müſſen.
genblicke wollte ex der Erſte fein ?). Biel
nothwendig damit verbundene Unterordnun
der Verzicht auf die alte Herrſchergröße
hochfahrenden Sinne zu Hein dünkte. U
ganzes Aufteeten für einen Volksmann vie
Batte:da Nebenbuhler, Die ihm an rückſich
der Mitte Überlegen waren. Auch fit es
Demagogen nicht mohlgetban, ſich auf
von Haus zu entfernen. Die Oligarche
die Verbliegung innerer Ruhe, das Bol
auöwärtiger Siege wohl am Ende die
Aber fein Schwanken verdarb Alles 3),
mung ſchien zu fein, Bielerlei und mit gi
gen anzufangen; wenn es aber Halb voller
eigenen und feined Vaterlandes Verderben
Sch zmeifle nicht, daß er auch in Spa
Selbitvertrauen gehabt Hat, was er Heute
wieder gut machen zu koönnen.
1) Später fand man dieß ganz in der Drbı
des Alkibiades führten namentlich an, Thraſybr
gemacht. Welche politifhe Blaſirtheit! Vgl.
Lysias Aunorat. p. 148. (Tchn.).
2) Plut. Alcib. 2.
>) Diod. XIII, 69.
$. 5. Allibiades. $. 6. Revolutivn ber Vierhundert. 57
8 6. . j J
| Nevolution ber Biechundert ),, un
"es dunkel auch die Gründe ſiud, die währen. des Or
Enpibenprozefied einen. Theil der ariſtokratiſchen Partei zu
eyes Anſehen brachten: fo viel. ift: gewiß, daß dieſes An
ae, much nachher eine Zeitlang noch fortgedauert hat. Dan
ſpricht der gänzlich unangefochtene Oberbefehl des Nikiasıs
Ar Der Umſtand, daß zu feinen Mitfeldherren Eurymedon
»MDemoſthenes erwählt werden 2), daß überhaupt die Feld⸗
wen des Jahres 414. großentheils entfchteven ariſtokratiſche
men führen. So der berühmte. Charikles (VII, 20. 26.)
Saispodias (VI, 105.), der fpäter als Gefandter der Vier⸗
wert nach, Lakedämon auftritt (VIII, 86.); fo Pythodo⸗
CVI, 105.), den wir. von früher her als Gegner des
mon Sennen 2). — Der: furchtbare Schiffbruch, welchen. bie
wptratiichen : Sroberungsplane in. Sieilien erlitten, mußte
Hihrlich „Die. ganze Partei eine Zeit lang in Mißeredit brin⸗
Bi; Bir finden daher unmittelbar darauf, daß eine Ver
Pe von bejahrien Männern als engerer Rath gewählt wird,
fe g. Proßulen (VII, 1.)9); und wenn Thukydides
1) Es ift höchſt charakteriftiih, daB man zu jener Zeit die faft
ehematifch Elingenden Namen ber Vierhundert, der Dreißig, der Eifer,
Zehner zc. fo gern anwendet. Auch in neuern Revolutionszeiten — man
ike an das heutige Frankreich — finden wir Xehnliches: natürlich nur
» wo bie Formen ſehr raſch wechleln, und feine. recht entfchieben bes
unt werben kann.
2) Bel. oben S. 416.
3) Bol. oben ©. 416. — Bielleicht iſt ber Diitrephes, der VII,
.„ nach Thrakien gefchickt wird, ein und biefelbe_Perfon mit dem
garchiſchen Zeldheren Diotrephes, der VIII, 64. gleichfalls nad) Thra⸗
n geht, und weldhen Krüger für einen Sohn des Nikoftratos hält
ionys. Historiogr. p. 318.).
*) Einer davon erfcheint bekanntlich in Ariftophanes Lyftftrata.
ABB 2 :: .. :. Xhulybies. Kap. 14.
überhaupt fagt, das Volk fei im erften Schreien zu
guten Anordnungen geneigt geweſen, fo iſt dad, {m
befprochenen Geifte des achten Buches )r wohl bon ri
tiſchen Anordnungen zu verſtehen.
Mie Feldherren, die wir zu Anfang des achten 9
in Tätigkeit finden, find ebenfall3 großentheils von arl
tiſcher, „ober merlgftend von. ganäßigter. Gefluming.
Mes. (VIII, 13.) iſt in fpäserer Zeit einer. don den 3
nern geweſen, die auf die Dreißig folgten; ulſo ei
Theramenesß nen derſelben Farbe a). Phrynichos (25
bekannte Dligarch; Skironides wahrſcheinlich beſonde
ihm befteundet (VIII, 54.). Onomakles (25.) nachma
tee den Dreißigen 5). Euktemon (30.) mar: unter de
motopiden angeklagt ). Ariſtokrates (9.): erſcheint VII
als Parteigenoſſe des Theramenes, ſpäter als Miffeldhe
Alkibiades und als Steger in der Arginuſenſchlacht 5), €
bichides (10. 10.) iſt ein Mann der gemäßigten Partkt,
cher gegen das Ende des Ktrieges zwiſchen den Dligärche
Demagogen in der Mitte ſteht. Endlich Leon und
den, die als gemäßipte Demokraten genugſam bekam
(19..23.).
Die Oligarchenherrſchaft ) if entſchieden
Alkibiades zuerſt angeregt, und im Heere zu Samos vr
tet worden. Thukydides nennt insbeſondere die Trier
1) Bgl. oben S. 245.
2) Lysias Adv. Eratosth. 55.
2) Xenoph. Hell. II, 3, 22 Wenn es nicht derfelbe i
nach Vita Thuc. anon. $.2. mit Antiphon zufammen hingerichtet
9 Andocid. De myst. p. 18. (Reiske).
5) Xenoph. Hell. I, 4, 9. I, 5 sqgq.
6 Bel. H. Büttner Geſch der politifchen Hetärien i
(1840). With. Viſcher Die oligarchifche Partei und die Hetc
Athen (1836).
F. 6. Revolution ver Vierhundert. 459
melchen ber Entſchluß zur Ummälzung am früheſten reif
we CVIII, MA7.). Ganz matürlich, bei Männern, auf des
Schulter hauptſuchlich Die Laſt des Krieges ruhete, und
we gleicher Zeit Waffen in der. Hand Hatten; .: Dem gras
Marıfen des Heeres wurde: die ganze Sache, durch Ausſicht
MWechtfchen Sold einigermaßen erleichtert (483. ..: Während
Bolk in Athen durch den Rob oder Mißevedit feiner: bis⸗
nen Führer, eine Folge der ſyrakuſiſchen Niederlage, vbl⸗
mtl war, zugleich in Angſt wegen der Zukunft, und
Fonds: irre geleitet durch Die Oligarchen, die ſich In: alle Mens
Angedruͤugt hatten 1): treten Die oligarchiſchen Setärien, ‚die
We zur Unterftäkung ihrer: Mitglieder bei Wahlen
Mupzeſſen exiſtirt 2), jet auf Peiſandros Rath zum Sturze
Dewoktatle zuſammen (54.). Dieſe vereinigte Macht war
So bedeutender, als die talenwollſten Manner des damali⸗
Wiens an der Spike ſtanden. Antiphon halte den Plan
wirfen:. ein Mann, „der keinem feiner Zeitgenoſſen In
yen- an männlicher Tugend nachſtand, ebenſo ausgezeichnet
ich feine. Plane, wie: Durch die Mittheilung: derſelben;“ da⸗
ſelt langer Zeit entichiebener Gegner der Volkspartei. Pets
dres und Phrynichos waren nach Außen Hin Die vornehm⸗
E-DBefürverer des Planes. Auch‘ Theramenes wirkte Im
Kang.ınit (68.). — Bei der. Zlotte war der Verrath zus
P-angefpormen; Hierauf wurden bie Bundesgenoſſen von
ben tm oligachhifchen Sinne revolutionixt :(64 fg.), und
k nach feiner oligarchiſchen Rundreiſe, allenthalben verftärkt,
b Peifandros in Athen ſelbſt die Volksherrſchaft fürmlich
fe Die Klubs hatten inzwifchen durch Ermordung einiger
emagogen und durch Bearbeiten der öffentlichen Meinung
1) gl. u. &. VII, 66.
2) Bgl. Hesych. s. v. Aradaorns. Hüllmann Gtaatsrecht
Alterth. ©. 144 ff. Idem De Atheniensium £uswuooiass dns di-
gs mas doyası RK. 5. Hermann Staatdalterth. $. 70. 164.
“
448 Tyhukydides. Kap. 14.
den Schlag vorbereitet (65.).: Einſchüchterung, war bad
nchmſte Diittel der Verfhwornenz; wer irgend mihalı
wurde auf eine paffende Weile aus dem Wege geräumt;
mand wagte ed, den Mörbern nachzuforfchen ; ihre &
galt für weit größer, als fie wirflih war, da die kol
Ausdehnung der Stabt jeden Ueberblick der demoktai
Partei erſchwerte. Eine Menge Abfälle von der Iih
Seite ꝓr oligarchiſchen bewirkte, dag Keiner dem Anden:
trauete (65 fg. 69 fg.). Dieß ift immer das Hauptuitk
weien, durch welches eine numeriſch Kleine Partei, di
einig und. feit auftritt, die Mehrzahl tyrannifiven kann.“
es giebt wenig. Menfchen,, die fich in hoffnungsloſe Geſal
flürgen wagten; der Muth der Meiſten beruhet mefentlid
der Sicherheit, von ihren Nebenmännern nicht: verlajle
werden, Vertrauten auf die Verbindung fekbit.ift-die €
jeder Verbindung. — Die Hauptpuntte der neuen Verfe|
waren folgende: daß die Volfinerfammlung nur aus fün
fend Bürgern, und zwar den. wohlhabendſten, befichen;
Niemand, außer im Kriege, Sold empfangen; daß der
nat, die f. g. Vierhundert !),. nicht von Unten ber um
reet, fondern von Oben ber und indireet ?) gemählt mi
ſollte. Welch eine Veränderung gegen das bisher üblicye!
nenlond! Das Volt erwählte fünf Männer, viele hun
und von den hundert gefellte Jeder fich felbft drei Ande
(65. 67.). De geringer die Anzahl der zu Wählenden
defto mehr muß fih die Wahl auf diejenigen concent
) Offenbar eine Reftauration der Zeiten vor Kleiſthenes.
2) Man pflegt die indirecten Wahlen als ein Gegenmittel ı
Demokratie zu betrachten. Das ift an und für ſich nun freilich
wahr; Soviel aber gewiß, daß jede indirecte Wahl durch die beſte
und organifirte Gewalt, fei es nun ber Regierung felbf:
irgend einer action, leichter influirt wird. Hier trafen R
rung und Faction zufammen.
$. 6. Mevolutlon ber: Vlerhundert. AAl
ge ohnchin ſchon am Föchften fichen. Zu jenen fünf
Brnäglern: konnte man alfo wohl Mır.die Häupter der. zur
E tzerade: herrſchenden Partei mehmens: se... Somit: mar: dd
Iment: der Vierhundert, wen audy gewaltſam, doch .nicht
nixteben : ſie nahmen vur wenig Hinrichtungen, menig Ein⸗
weungen uitd Verbannungen vpr (70. 86.). Auch würde
Rihwser halten, ihren Friedensaͤnträgen an hie Lalcbämonier
BET Anfangs ’einen verrätheriſchen : Charakter. nachzuweiſen].
w erfünftelt übrigens und nur auf Leberrafchung . berwiyertb
a Stellung im Ganzen mat,’ ſehen wir. deutlich amd:sber
Ben. Rebe: VIII, 76. Dhne Zweifel würde Thukydides,
Böser noch die letzte Welle: anlegen koöͤnnen, eine groͤßere
we hiexaus gemacht haben, Denn alle Fäden feines Wer⸗
Sreffen hier zufammen: die Ausſichten der beiben Parteien
ESamern, ahre verſchiedenartige Stellung zur alten Größe
a Mihen, der: Gewinn des Feindes aus dieſem Zwieſpalte,
Wi: das Verhälinig: zum Perſerkonige und. zur Seemacht.
> Die bemiofratiiche Partei hatte inzwiſchen den Alkibia⸗
Bm Oberanführer gewählt (81 fg.), und dieſer, durch
Fichrung gewitzigt, ven Weg der Mäßigung und. Vaters
Mostiche eingefchlagen,. :den er won jetzt an nicht. mehr. ver⸗
Ran ſollte. Er war e8, der ben ſchon beabſichtigten Zug
h dem Peiräeus. hintertrieb, der. die Perſon der oligarchi⸗
kai Abgerrdneten ſchützte, der eine Verſöhnung aller innern
Mäfigkeiten, wenn nur erſt Die Kriegögefahr beſtauden wäre, -In
Mcht ſtellte (82. 86.). Ein wirklicher Bürgerkrieg würde
dieſem Augenblicke Alles rettungslos den Laledämoniern
lfert haben (96.).
Unter den Oligarchen andererſeits hatte die unſprimgliche
8* nicht lange Beſtand. Theramenes und Ariſtokrates,
annere Schwäche der Faction bemerkend, erklärten laut,
1) 48. 56. 63. 70 fg. 86.
142 Thulydides. Rap. 14.
man folle die Fünftaufend. wirklich zuſammenrufen. B
hatte: man fle nur im ‚Allgemeinen verheigen, un den A
Dligarchie zu vermeiden; man hatte aber nicht einmal bie‘
fonen beſtimmt, welche. zu diefer Zahl gehören ſollten (92
Jene abtrünnigen Regierungsmitglieder handelten Hierbei nl
ſehr aus Rechtsgründen, als wegen" ber Giferfucht auf
Collegen, . welche die mellten ,: aus einer bemofeil
Verfaſſung hervorgegangenen Oligarchien zu Grunde ri
Jeder will nicht mehr dem Andern gleichſtehen, fonbem ı
Weiteres der. Exfte fein (89.) 1). . Seht glaubten bie W
welchen die Umkehr verichloffen war, ein Pärunichos, 1
phon, Peifandros u. A., keinerlei Rüdfichten mehr nd
zu bürfen. Das Heer in Samos war verloren für fie;
eigene Partei fing an auseinanderzufallen: fo fchickten fie!
Geſandte nach Lakedämon, um auf jede, irgend eich
Weiſe Frieden zu fchliegen. Die Befeſtigung ber Hafen
delle von Eetionea follte. ihnen ſchlimmſtenfalls eine Zuf
gewähren (90.). Sp lange es möglich war, Hätten bie!
garchen der alten Größe von Athen gern fortgenofjen, oda
Stadt menigfiend unabhängig erhalten; che fie aber de
neuerten Demokratie ald Opfer fielen, wollten fie liebe
auswärtigen Feind in bie Thore laſſen (91.). Und doc |
man die neue Verfaffung dem Volke eben damit anndı
zu machen gefucht, daß fie die äußere Gefahr beſeitigen wi
Wie ſchön fticht Hiergegen das Benehmen dee Volkäpartı
(75 fg.) — Als Die Gefahr des Verrathes an eine la
monifche Flotte ganz nahe fehien, brach Theramenes 108:
Nitter waren gegen ihn, aber die Schwerbeimaftneten,, \
der Mittelftand, die |. g. Yünftaufend, für ihn (92,). €
weilen gelang es den Mlachihabern noch, durch Verſpre
gen den Aufruhr zu beichwichtigen (93.); allein der V—
1) VBgl. die übereinflimmende Bemerkung von Xriftoteles: Polit
6. 6. Mevolution der Vierhundert. 443
Eubba, da man ſtündlich einen Angriff der Peloponneſier
den. Peiräeus erwartete, führte die Abfegung der Vierhun⸗
„herbei (95 fſ.). Es ward eine gemäßigte Miſchung von
marchie und Demokratie errichtet : alle Gewalt der Volks⸗
zitmkung follte den Fünftauſend gebühren, zu denen jeder
werbewaffnete Zutritt erhielt; kein Amt ſollte bezahlt wer⸗
F Alkibiades und feine Anhänger enpfingen ihre bürger-
2. Meihte wieder. Thukydides uxtheilt, in der erſten Zeit
we: sseuen Berfaffung ſei der eigene Staat ganz befonders
verwaltet worden (97.). Uebrigens verfteht es fi
febbſt, dergleichen ſchnelle und vorübergehende Ummälzun
find überall nur in einer tiefgeſunkenen Zeit möglich. Wie
ri: Symptom. von geringer politifcher Lebenskraft find, fo
en. fie andererfeitö nicht wenig dazu bei, die noch vorhan⸗
s ‚Die berfelben völlg zu untengeaben 1),
y Diefe gemäßigte Berfaffung Tcheint benn auch in den nächſten Jah⸗
worüber freilich Xenophon’d Helleniken als Hauptquelle dienen,
Jebauert zu haben. Daß fie formell vor der Anarchie aufgehoben
pr, Lefen wir nirgends. Unter ben Felbherren ber Jahre 411 ff. tres
Aıeidbiadbes, der Übergegangene Ollgarch Theramenes, die Demos
en Thraſybulos und Thraſyllos hervor. Unter den Abgeorbneten bes
Blabes, vor welchen Pharnabazos den mit Athen gefchloffenen Vers
‚ befchwört, findet fi) Diotimos (Xenoph. Hell. I, 3, 12.), bes
ut nachmals ald warmer Unterflüger des Thraſybulos gegen bie Dreis
'(Lysias adv. Phil. 15 sq.)., Ron ben Gefandten, welche mit
zuabaz0s Bewilligung an den Großheren gefchidt werben follen, ken⸗
wie namentlich den Mantitheos, einen Freund des Alkibiades, auch
hdieſem in den Hermokopidenprozeß verwidelt (vgl. Diod. XIII,
5 . ferner Theagenes, wie ich vermuthe, der fpätere Dreißiger
»soph. Hell. I, 3, 13.). — Durch Alkibiabes Siege wirb biefe
binirte Partei immer ftärker und flärker, bis zue Rückkehr bes
herrn ſelbſt. Aus den mißtrauifchen Borkehrungen jedoch, welche
ber Laudung von feinen perfönlichen Anhängern getroffen werben,
man beutlidy ein, wie wenig Wurzeln der ganze damalige Zuftanb
, gefchlagen hatte (Ibid. I, 4, 18 sqq.). Gleichwohl ift es vollloms
: glaubwürdig, wenn Diobor dieſe Rüdlehr ungemein glänzend aus⸗
AAA Thukydides. Kay. 14.
malt, faſt wie die eines Königs: indem die Angefehenern ihn
beften Schirm gegen jede Pöbelherrichaft anfahen, dee Demos zu
Zeit ala den Vertreter ber äußerſten Demokratie, alle beide aber
einzigen Rettungsanker ber atheniichen Größe (Diod. XIII,
Mootẽ ie, drdalpe: dd, Parken d’ Uyew.
Damals fol ihn das gemeine Volk zur Berjagung der Demagogei
Sturze der Verfaffung und zur Tyrannei ermuntert haben. Di
rung aber, hierdurch inAngſt gefegt, ſchickte ihn zur Flotte zurüd (Pl
eib. 34 5q.),— Für die ganze Stellung des Alkibiades ift es fehr charakt
daß er zu Unterfeldberren den Konon und Ihrafpbulos, weiter]
Adeimantos und Ariftofrates erhielt (Xenoph. Hell. I, 4,1
Die erftern Zwei notorifche Anhänger der Volksherrſchaft; Adel
ertzemer Oligarch, Ariſtokrates früher mit Theramenes zuole
den Bierhundert abgefallen (Thucyd. VIII, 89.), endlih m
arginufifhen Feldherren hingerichtet (Xenoph. Hell. I, 7, 2).
ſieht, Alkibiades will die Parteien verföhnt halten. Dabei iſt
gleich den alten Grundfägen der athenifchen Politik durchaus anyı
daß die bemokratifchen Anführer der Flotte, die ariſtokratiſch
Landheere vorgefegt werden. — Allein gleich der erfte Verluſt,
die Athener unter Alkibiades Führung zu erleiden hatten, ftür
wieber: das Zreffen bei Rotion. Gerade bas unbefchräntte Ber
welches der Demos in fein Zalent feste, ließ jedes Mißlingen«
fer Abſicht erklären (Plut. Alcib. 35.). Es wurden Stimme
die ihn Iyrannifcher Abfichten, welche er mit Hülfe der Lakede
und Perfer durchzufegen hoffte, anfchuldigten (Diod. XIII, 73.)
ter feinen Gegnern wird namentlidy Thraſybulos genannt, der i
Unwürbigkeit feiner Günftlinge,, fein Schloß in Thrakien u. %. ı
Vorwurf madte (Plut. 1. 1. 36). Soviel ift nicht zu leugnen
ber Steuermann Antiochos, bie nächfte Veranlaffung bes Unfallei
Alters ber ein unbedingter Anhänger, ja Schmaroger, des All
gewefen war (Ibid. 10.).
An feine Stelle wurden zehn neue Felbherren gefegt (Xe
Hell. I, 5, 16... _ Doch war bie ganze Veränderung bes Com!
eine rein perfönliche: denn bie gerechte Mitte ift auch unter biefe
vorherrſchend. Konon, deflen großer Reichtum aus Lyſias (I
nis Aristoph.) erhellt, Leon, Diomedbon, Thraſyllos find ung alt
Bigte Demokraten, XAriftofrates als gemäßigter Oligarch fchon
befannt; Perikles vermuthlich ber Sohn des großen Perikles,
Memorabilien im Geſpräche mit Sokrates ſchildern. Sokrat
gute Hoffnungen auf die Amtsführung der Zehn (Xenoph. Mei
II, 5 pr). Man war fo eifrig bedacht, die Verföhnung der |
6. 6. Letzte Parteikaͤmpfe. 448
alten , daß ſelbſt der minder bedeutende Auftrag, nad der Argi⸗
ſich lacht die Leichen zu fammeln und den Konon zu retten, bem
jauchen Theramenes und dem Demokraten Thraſybulos gemeinfhafts
æctheilt wird (Hell. I, 6, 36.). — Man hat es von jeher räthfels
. gefunden, daß die Mehrzahl der zehn: Feldherren, unmittelbar nad
ir glänzenden Siege, mit Abfegung, bald darauf mit Hinrichtung
Haft wurden. Das Räthfel löͤſt fi, wenn wir ihre Parteiftellung
Auge faſſen. Wir begegnen hier, am Schluffe bes Krieges, dems
BSuſammenhalten der extremen Parteien gegen die gemäßigte Mitte,
ſchon kurz vor und nach dem Anfange des Kampfes gefunden
IB: foot. oben S. 409 fg.). An die Stelle ber Zehn — Konon allein
Fefin Amte geblieben — werden Abeimantos und Philokles gefeht:
jſtos der mutbmagliche Verräther im Hellespont, Philokles
B: Teidenfchaftlicher Demagog, von welchem nachmals der berüchtigte
g ausgegangen ift, jedem gefangenen Peloponnefier den Daumen
* en Hand abzuhauen. Als Kläger tritt zunächſt der Demagog
Besemos auf (vgl. Aristoph. Ranae 419. 588. Lysias adv.
Mi.), balb-aud, Theramenes. Der Senat beweifet ſich während ber
Fr Berhandlung als entichiebener Feind der Angeklagten; und ber
Mat war damals, fchon vor ber wirklichen Einfegung ber Dreißig, uns
Aeelhaft oligarchiſch gefinnt. Namentlih hatten bie berüchtigten
gjachhen Chremon und Satyros damals gewaltigen Einfluß im Ges
:QXKenoph. Hell. II, 3, 54. Lysias adv. Nicom. 14. Adv.
“rat. 20.). Als Organ bes Senates dient Kallirenos, welcher ſpä⸗
Bin zu ben Lakedämoniern floh, um endlich mit Thraſybulos wieder
Magutehren (Xenoph. Hell. I, 7, 39 sq. Diod. XII, 103.). In
2Bolksverſammlung felbft laͤrmt auch der Pöbel gegen die Feldherren.
b vornehmfter Bertheibiger ift Euryptolemos, ein Verwandter und
Esser Anhänger des Alkibiadee (Xenoph. 1.1 I, 4, 19. 7, 12.)3
Beect, wenigftens durch ehrenwerthe Weigerung, an ber Ungeſetz⸗
Teit heil zu nehmen, auch Sokrates (Ibid. I, 7, 18.) —
zb nad) dem Tode der Keldherren kam die Athener Reue an. Bie
wfen die hauptfächlichften Schuldigen in's Gefängnißz woraus biefe
ze unter dem Gewirr ber Unruhen, welche bem Iyfandrifchen Frieden
Naufgingen, flüchteten.
> Die atheniſchen Feldherren im Hellespont hat man mitunter
nutlich des Verrathes geziehen, etwa mit Ausnahme des Konon.
ia Hat insbefondere bie fchroffe Art, mit welcher Zybeus und Menan⸗
W ben guten Rath bes Alkibiades verfhmäheten, als verrätheriich bes
Allein diefe Männer urtheilten mit Recht, wenn fie irgend
e: Einmiſchung des Alkibiades zuließen, würde jeder Erfolg auf deffen
AA6 Thufybived. Kap. 14.
Rechnung, jebes Miflingen dagegen auf bie ihrige Fommen. De
Rand, daß Lyſandros nad) der Schlacht nur den Abeimantos verſcha
fpricht wohl genügend bafür, daß biefer ber einzige Werräther m
Die furchthare Niederlage mußte natürlich ber Volkspartei in Ak
Zodesftoß verſezen. Wänner, wie Kleigenes, der kleine Barbie,
Ihon zu Alkibiades Vertreibung mitgewirkt hatte (Aristopk.|
708 sqq.), und Kleophon, Eonnten keine Rettung bringen. Da}
fonnene Schreien bes Leätern und feine tyrannifche Gewaltſamkeit
schines De fals. leg. 76. Xenoph. Hell. II, 2, 15... Ly
adv. Agorat. 8.) mußte unter diefen Umftänden fogar ben gröftes,
den thun. — Der erftle Schritt ber Dligarchen „ bie Grnenam
fünf Sphoren als Kührer ber Volksverſammlung, brachte bie &
der höchſten Staatögewalt in ihre Hände. .. Kritias und Grat
waren barunter. Dieß war zugleich der Anfang jener confequenten
bildung lakedämoniſcher Inſtitute, welche die ganze Staatöverm
der Dreißiger durchdringt. Als den zweiten Schritt können wirt
babilitirung der Atimen anfehens wozu gewiß um bes allgemeinen
dens willen aud) mancher rebliche Waterlanböfreund feine Zuftim
gegeben hat, die aber zur Zeit nur ben Dligarchen förderlich fein ı
Da konnten benn Verrath und Hunger leicht das Uebrige thun.
Dreißig entiprechen nachmals der lakedämoniſchen Geruſie, ſelbſt i
Anzahl der Mitglieder. Kritiad und Charikles, könnte man |
fpielen bie Role der Könige. Die Dreitaufend find den Spar!
analogz das Übrige Volk follte zu Periöken erniedrigt werben.
bas Nähere hiervon liegt jenfeit der Gränze meines Buches. B
vorzügliche Eleine Schrift von Scheibe Die oligarch. Umwälzu
Athen und das Archontat des Eukleides. 1841. — Ich füge nur
hinzu, ber frühere Aufenthalt des Kritias in Theſſalien, um bie |
ſten aufwiegeln zu helfen, ber ihm fo vielfach zum Vorwurfe ga
worden, ift wahrfcheinlich dadurch zu erklären, baß er bier einer
kommenden Tyrannei förderlich zu werden dachte. Hier alfo dai
Symptom ber Vereinigung von Dligarchie und Zyrannei, welhe
nun an 3. B. ber lakedämoniſchen Politit immer eigen bleibt.
Es ift übrigens merkwürdig, wie fehr der Verlauf der erfle
sarhhifchen Reaction dem ber zweiten, unter ben Dreißigern, pa
gebt. Hier, wie dort, wird der Anfang des Verrathes bei ber |
. gefponnen. Gerade wie Peifandros, jo bewirkt auch Lyfandroß,
vor Athen ſelbſt rüdt, den Abfall und die Umgeflaltung der athen
Bunbesftädtes mittlerweile bereiten bie Oligarchen zu Athen Allet
und Lyſandros Erfcheinen giebt endlih den Ausſchlag. Die Beft
geht in beiden Zällen von ben echten Athenern außerhalb 3
$. 6. Letzte Parteikaͤmpfe. . 7. Lakedaͤmon. 447
8. 7.
Lakedämon.
Daß die Lakedämonier eine gewiſſe alterthümliche Religio⸗
E Tänger bewahrt haben, als die Athener, iſt ſchon oben
Aert worden 1). So erfahren mir auch, daß fie In einem
echten Kriege um der Gerechtigkeit willen zu flegen hoffen
EL, 18.); Daß fie, ungeachtet des allgemeinen Mißtrauens,
E08 mit Eiden zu überzeugen denken (IV, 86.). Auch
Eile ich nicht, die Lakedämonier haben in ihren wirklichen
chandlungen, ebenfo wie beim Thukydides, die Worte
SH, Pietät u. f. m. weit mehr im Munde geführt, als
Achener. Und dergleichen iſt niemals ganz ohne Grund,
E Verfchwiegenheit, welche fie in Staatöfachen beobachten
5 74.), tft jeder ariſtokratiſchen Regierung gemein; fie hat,
* der demokratifchen Deffentlichleit verglichen, ihre Stärken
5 Ihre Schwächen. Allein, was einen unzweifelhaften Vor⸗
‚ bildet, das iſt die Ehrfurcht der Lakedämonier vor dem
fee (V, 60.). — Aber die athenifchen Geſandten ſchon
en voraus, dag die Lakedämonier, wenn fie in's Ausland
men, ihren eigenen Geſetzen nicht minder Hohn fprechen
den, als den andern Hellenifchen (I, 77.). Selbft in
afdad Zeit war die Ernennung des erſten auswärtigen
uithalters eine geſetzwidrige (IV, 132.). Wir Hören fpä-
„ daß ſich mit Ausnahme des Hermokrates alle Feldherren
: peloponnefifchen Flotte von Tiſſaphernes beftechen laſſen,
t eine Soldverringerung ihrer Mannfchaft zuzugeben (VII,
» 50.). ine andere Entwicklung des lakedämoniſchen Staa⸗
Die oligarchiſche Behörde Tucht fich beibe Male dur einen Res
8 an ihre, wenigſtens etwas mehr demokratiſche Grundlage zu retten:
€ die Dreitaufend,, bier die Künftaufend. Beide Male folgt auf den
eteienkampf eine gemäßigte Mifchung von Demokratie und Dligardhie.
ı) Oben ©. 214 fo.
448 Muhkydides. Kap. 14.
tes, welche inöbefondere den oligarchiſchen Charakter dei
verfchärfte, wird tiefer unten erörtert werben 1) 2).
1) Kapitel XV, $. 2.
2) Ich babe ſchon früher bemerkt, daß fidh gleich » vom Anfon
peloponnefifhen Krieges an eine altdoeif he und eine jung
fe Partei unterfheiden lafſen. Thukydides felbft Hat uns
nidyt viel davon berichten Zönnen, weil bas bebeutenbfte Hero:
berfeiben erſt in die legten Kriegsjahre fällt. Braſidas vereinigt
Richtungen. Vom Altibiades hat bie junge Partei außerorbentli
gelernt. Am fchärfften aber wird ber Gontraft zwiſchen Kallik:
das und Lyſandros. Lyſandros Wahliprudy Iautet: Wo der
nicht hinkommt, da fchleicht der Fuchs hin (Plut. Lysand. 9.).
die Kinder mit WVürfeln betrogen werben, fo die Männer mit
(Ibid. 3.). Kallikratidas hingegen, wenn er den Feind angreifen
und ihn übermächtig findet, Hält die Flucht doch für fchmählid,
meint, fein Zob werbe bem Baterlande keinen großen Schaden
(Xenoph. Hell.I, 6, 32.). — Wir haben eine ähnliche Bielfeitigki
Lyſandros zu bewundern, wie an Alkibiades. So ging er mit ke
Barte einher und alterthümlich frifirt (Plut 1.), von Jugend au
firengfte Beobachter aller herkömmlichen Inſtitute, nur übertrieh
müthig gegen Vorgefegte (Ibid. 2.). Dieß mußte ihn zu Lakedämon en
len. Andererſeits verftand er fich bei dem jungen Kyros fo belie
machen, daß diefer, als er zu feinem Vater in's Innere des R
binaufreifte, dem Lyfandros inzwifchen feine Satrapie fcheint übert
zu haben (Ibid. 9. Xenoph. II, 1, 15.). Kallitrativas hatte
Zalent, noch Luft, den Höfling zu fpielen: er verwünſchte dieſen
zen Krieg, der die Lakedämonier zu Hülfsbittern der Barbaren ı
ftatt zu deren Beflegern (Xenoph. I, 6, 6 sqq. Plut. 6.) —
fandros Charakter hat manche ehrenwerthe Seiten: fo fehr er den
bereicherte, fo unbeſtechlich war er felbft, und ertrug feine Armut
Würde (Plut. 2. 31... Als ihm Kyros eine Gnade anbot, forde
für ſich Nichts, nur eine Zulage für feine Soldaten (Xenoph.
6: Plut. 4). Dieß fticht allerdings gegen die Habgier z. B. dei
lippos fehr ab (Ib. 16). Allein wo fein Ehrgeiz in Frage kam
glaubte Lyſandros fi an Nichts gebunden. Um feinem Nachfolger
likratidas zu fchaden, ftellte er das von den perfifchen Subfibien
vorräthige Geld ohne Weiteres dem Kyros zurüd. Auch feine:
guen, um bie Bundeögenofien dem Kallifratibas abwendig zu m
gränzen nahezu an Aufrufe. Wie einfach und edel, wie gefeslic
vaterlandsliebend erfcheint hiergegen bag Benehmen des Kallikr
$: 7: Lakedaͤmon. 449
ph. 1,6. Plut. 6.) — :Wenn man bie frühere Verfaſſung
edämonier im -vollften Sinne bes Wortes eing- Xriftofratie nens
mn, To gehört Lyſandros unter Diejenigen, welche zu ihrer Ums
ag in eine Dligarchie am meiften beigetragen :haben. Er war-
:allidifcher Abkunft, aber arm (Plut. 2.): ſolche Männer find
hteſten zu Ummwälzungen geneigt. Wir werben.tiefer unten fehen,
13 im Sinne dieſer Partei der .nikifche Frieden zu einer wefentlir
eſchränkung der Königsmacht benugt wurde. Lyſandros war fo
n ähnlichen Ideen ergriffen, daß er fpäter fogar damit: umging,
lichkeit des Thrones umzuſtoßen (Ibid. 24.). Seine Günftlinge
weber die Adligſten, noch die Neichften, fondern.bie Häupter der
Yifchen Klubs. Er hat die Mehrzahl diefer Klubs gegründet:
1. XI, 70.); in ihrer Leitung war er Meifter, nahm aber auch
en Mordthaten veichlichen Antheil (Plut. 5. 13.). Seine Graus
ift befannt: wie er z. B. nach ber Schlacht im Hellespont drei⸗
»gefangene Athener- niederhauen ließ (Ibid. 13. Xenoph. Il,
Als. in Milet die Parteien Kreundfchaft fchließen wollten, lobte
zwar Öffentlich‘ insgeheim aber tadelte er die Oligarchen, und
rte durch Verrath die Rache am Demos (Plut. 8). Nach dem
von Athen foll er den Vorſchlag gethan haben, alle Bewohner der
in die Sklaverei zu verfegen (Ibid. 15.). Kallitratidas hatte auf
ähnlichen Vorfchlag, den man gegen die befiegten Methymnäer ges
, die fchöne Antwort gegeben, fo lange er den Oberbefehl hätte,
kein Hellene zum Sklaven erniedrigt werden (Xenoph. I, 6, 14.).
Rn, wie fie unter den Dreißigen zu Athen üblich waren, dürfen
n Eyfandeos Zeit durch das ganze reactionirte Griechenland vors
en. — Auch auf die kirchliche Reaction wußte er vortrefflich ein=
n, wie u. %. feine prachtvollen Weihgefchente nad) Delphi zeigen
.. 18.). Als er zu Sparta in Ungnade gefallen war, machte er
sotivreife nad) dem ammonifchen Tempel (1bid. 20... Wie wenig
ı jedoch mit diefer Frömmigkeit Ernſt fein Eonnte, fieht man deut-
nug aus den Beftechungsverfuhen, womit er Delphi, Dodona
mmonium anging (Ibid. 25 sq.). — Was die Infandrifche Par-
ı meiften charakterifirt, ift die Einführung eines Schages in Lake⸗
Die Unterfchleife des Gylippos waren die Veranlaffung, daß
n gewaltiger confervativer Sturm gegen Lyſandros erhob, in wel⸗
er nur fo eben die Erlaubniß durchfesen Tonnte, daß der Staat
Metallgeld befigen dürfte (Ibid. 16 sq.). Bald nachher wurde ein
d bes Feldherrn, bei dem man privatim das verbotene Gelb fand,
ichtet (Ibid. 19.). Mit feinen finanziellen Neuerungen fleht es in
ımenhang , daß Lyfandros hauptfächlich und am liebften als Flot⸗
wer auftritt. — Beiläufig noch Zolgendes. Das fpartanifhe Ei-
430 Thukydides. Rap. 14.
fengetd iſt urfpränglich nichts weniger, als eine pofitive Inftitı
Geſetzgebers. Alle Völker beinahe, wenn fie dem Stadium be
und Romabeniebens, alfo des Pelze und Viehgeldes entwach
fangen mit Eiſen und Kupfer an. Ye höher nun die Wirthſcha
je größere Zahlungen alfo nöthig werden, zu deſto koſtbarern
muß man übergeben. Roch heutzutage hat das höchſtcultivi
in Suropa, England, größtentheild Golbcirceulation, Rußl
Schweden, was Metaligeld anbetrifft, größtentheils Kupfercir
So lange Sparta auf einer niedern Wirthichaftsftufe beharrte, ı
Gifengelb durchaus natärlicdys jest aber nit mehr. Man wird
Bebeutung der Infandrifchen Maßregel richtiger würbigen können
ſandros war Überhaupt ein tüchtiger Staatswirth, wie man 3
erneuerte Banbelsblüthe von Ephefos auf ihn zurädbatirte (Pl:
Theopomp iſt ein warmer Lobrebner bed Lyſandros, feiner Ar
keit, feiner Dienftfertigkeit gegen Sebermann , feiner Mäßig
Enthaltfamteit (Theopomp. Hell. fr. 21 sq. Eyss. '
— Die Ichönfte Vereinigung ber alt» und jungborifchen Partei
wie nachmals im Agefilaos.
— Sunfzehntes Kapitel.
Weiter Sauptfaden — Umwandlung der auswär—
tigen Politik.
UBTURE
Der eigentliche Kern diefer ganzen Gefchichte tft die Ausfüh-
mg des berühmten Gegenfaes in I, 69 fg. Was die Athe-
= groß gemacht, das follte in feiner Viebertreibung ihr Ver⸗
weben werden. Und andererfeits, das Verlaſſen der altdori⸗
pen Grundſätze mußte anfänglih den Lakedämoniern ihren
eg verichaffen, hernach aber im weitern Kortfchreiten fie
eichfalls zu Grunde richten. Während der athenifche Muth
Perikles Zeit aud der Herrfchaft über ihre Empfindungen
u Entfchlüffe hervorging (II, 39 fſ.), ſtützte er fich fpäter
nur auf die Unfälle der Gegner (VI, 11.). Wit Haben
Rt zu betrachten, mie die Athener gleich vom Anfange des
leges an überall im Nachtheile find, wo fie dem Rathe des
Berifled unfolgfam werden; bis ihre größte unperikleifche Un-
mehmung ihre Macht unmiederbringlich in's Verderben flürzt.
8. 1.
Archidamiſcher Krieg.
Zuerft begegnet und hier die Niederlage der Athener
oe Spartolos, wo fie auf ähnliche Art von den Bottiäern
29 *
A352 Thukydides. Kap. 15.
und Chalkideern befiegt werden, mie nachmals von den
lien (II, 79.). Weiterhin wird im Winter des vierten
res Lyſikles von den Kariern zu Grunde gerichtet (III,
Ein ganz analoges Vorſpiel des ſyrakuſiſchen Zuges iſt
der Zug des Demofihened gegen Die Aetolier: nur hi
Kleinen, was dort im Großen geſchah, und daß hier das
geftüct von den chimärifchen Planen eines Einzelnen (III,
dort eined ganzen Volkes, oder wenigſtens einer Partei
ging. Auch das ift beiden Kriegen gemein, daß die U
den eriten Stoß durch das Ausbleiben der erwarteten Du
truppen empfingen.
Minder Hochfliegend und darum näher an's Ziel ti
waren die Beweggründe, welche die Beſetzung von Bi
(IV, 3 ff.) und von Kythera (IV, 53 fg.) vera
Die frühere Kolonifation von Naupaktos war ein Vorfpu
von. Pylos Hatte einen worteefflichen Hafen, daher die
bindung mit Athen leicht zu erhalten war. Bon hie
konnte den Lafedämoniern dauernd und mit geringer !
derfelbe Schaden zugefügt werden, den man fonft mr
kurze Zeit und mit koſtſpieligen Rüftungen durh Rau
um die Küften des Peloponnes bewirkt hatte, Legte mar
lich eine meſſeniſche Beſatzung hinein, fo Fonnte man
bloß der äußerſten Vertheidigung gewiß fein, fonde
drohete Sparta auch von den Heloten eine ähnliche ©
als wenn die Engländer heutzutage Negerforts an der
küſte der Vereinigten Staaten anlegen wollten. Dah
große Eifer, womit Braſidas vor Allen fich der Sad
nahm. Seit der Befekung von Kythera war Lakonieı
auf der andern Seite eingefhlofien, um fo gefährlicher
man von bier aus die afrifanifche Kornzufuhr abfd
konnte. Verrath der einheimifchen Periöfen Hatte den
nern ihr Unternehmen erleichtert (IV, 54). — Set
die perifleifche Kriegämanier, fo zu jagen, aufs Aeußer
fteigert, alle eigenthümlichen Vortheile der Athener auf:
$. 1. Archidamiſcher Krieg. ABS
Fe benutzt. Daher ſich Thukydides Hier gedrungen fühlt,
Schilderung der lakedämoniſchen und atheniſchen Kriegs⸗
B-.turz, aber faſt mit denſelben Worten, wie im erſten
pe, zu wiederholen (55.) 1). — Allein es fit eine eigene
je mit Diefen Triumphen. Schon Thukydides warnt ,. kein
großes Gewicht darauf zu legen (IV, 18.). Das ift kein
h, was den Feind zum Siege zwingt; und jene beiden
anehmungen haben nach Thukydides ausdrücklichem Zeugs
die Lakedämonier unmittelbar zur Aenderung ihrer :alten
gemanier veranlaßt :IV, 79 fg.). Weil die Noth fo
WE wor, Hatten fie auf der Stelle ſchon beweglicher werden
— 55.) 2); Bald nachher kam es zum Feldzuge bes
‚ um die Helotengefahr abzuleiten, und die Athener
rem eigenen Gebiete zu befchäftigen. Darum iſt es auch
Zief ergreifend, wenn eben bier, auf.der Akme der atheni⸗
Die Kriegsgröße, die lakedämoniſchen Gefandten fo eindring-
Ü an die Unbeſtändigkeit des Glückes erinnern, und vor
Wh Sinaustreiben über das menfchliche Mia abrathen (IV;
N
=) Schon Herobdot macht aufmerkfam darauf, wie höchft gefähr-
,. ia wie gänzlich lähmend eine Feſtſetzung des Feindes in Kythera
® ein Krieg von borther für die Lakebämonier wirken müſſe. Das
“te fchon der weife Chilon eingefehen,, und K. Demaratos dem Xerres
erathen (VII, 235.). Aber auch fpäter noch fällten die Staatsmänner
Jelbe Urtbeil: Xenoph.Hell.IV,2,lısqq. Erft nady funfzehnjähri=
1 Beſitze verloren die Athener Pylos wieder: Diodor. XI, 6A.
; 3) Die Belegung von Kythera vermochte bie Spartaner, in ber
mptftadt felbft immer eine Wache zu halten: Schol, Bizet. in Ari-
oph. Eccles. 427.
9 Mitten im Siegeötaumel von Pylos fehrieb Eupolis fein
woouw yiros, worin Kleon ſcharf mitgenommen wurde. Den Chor
deten Kyklopen, und es mochte die Zruntenheit des Volles, wie in
ifophanes Vögeln, in ein erträumtes golbenes Alter hinaufgeleitet
den. Bol. Bergk Reliquiae comoed. Att. p. 361 sqq. Kurz
ABA Thukydides. Rap. 15.
ie die Athener im Uebermuthe des Glückes im
abfichtigt, fo machen fie auch damals wieder einen De
mit Hülfe einheimifcher Partelungen Bd ntien zu m
Die blutige Niederlage von Delion vereitelt dieſen Ve
Es ift bewunderungswürdig, wie ſchön in den beiden dd
Reden auf die früheren Schlachten von Koronea und k
phyti zurückgewieſen, alle Kolgen des gegenwärtigen Ka
vorausgefagt werden (IV, 93 ff.) ').
Die erften Jahre hindurch Hatten die Lakedämt
in feuchtlofen Plünderungszügen das attifche Gebiet v
ftet (wgl. V, 14.): eine Kriegsmanier, deren althergei
Volksthumlichkeit aus Archidamos Rede deutlich hervorl—
(11, 11.). Wir kennen Die Gründe ſchon, weßhalb bie
ner an ihrem eigenen Heerde am ſchwerſten verwundba
mußten. Die Lakedämonier hatten ihre unzufriedenen |
thanen im der Nähe, die Athener in der Ferne. Den
nern ſchadete felbft die dauernde Beſetzung von Dekele
dadurch fo ſehr, daß fie mit dem Abfalle der Kolonien z
mentraf (VII, 27.). — Die erfte Regung nun eines ı
derten Strebens der lakedämoniſchen Kriegsmänner finde
ihrem, freilich erfolglofen Angriffe auf Zakynthos (IH,
Dann in dem gleichfalls Halb oder ganz mißglüdten
nach den akarnaniſchen Städten Aftafos (IL, 33.) und
darauf wurden mit Ariftophanes Rittern als drittes Preisſtück A
menes ’Oiopvguoi gegeben, in weldhen F. Ranke (Vita Aı
p. CCCLXXXIII.) eine Anfpielung auf das Wehltagen ber fp
ſchen Gefangenen fucht.
1) Sehr merkwürdig ift es in PYagondas Rede, wenn er
binweifet,, wie die Athener ihren Gegnern bisher dadurch überle
ren, baß fie von Anfang an jedes Unternehmen mit dem Auf
Nachdrucke verfolgten. Best machten endlich einmal auch bie
Ernſt. Nur büte man fih, die Veränderung allein auf ihre
zu fuchen! °
$. 1. Archidamiſcher Krieg. A585
(HH, 80 fi.). Die früheſten Unternchmumngen der Art ſind
Weſten gerichtet, zumal gegen abtrünnig gewordene
Ve. Ehen dahin gehört die won Korinth betriebene
ung ber Amprakioten (IL, 80.). Offenbar noch ein
alter Pietätsideen. Diefe Züge haben. mefentlich noch
| „Refenfiven Zweck: durch Wegnahme ihrer weitlichen Stüg-
:wollen fie die Athener an der Umkreuzung des PBele-
e8 hindern. Auch Bald nachher fcheint in dem kühnen
d kaum nereitelten Handſtreiche des Braſidas auf den Pei⸗
ein ganz anderer Geiſt zu malten, als in den früheren
nach Attika (HI, 93. III, 51.). Es kam aber.ver
‚darauf an, dag die Arcana der athenifchen Größe1)
Sende bekannt wurden. Nur glaube Steiner, daß bier
BB: von einem Slügerwerben des Einen Theiles die Rebe
A Es giebt viele Stellen in der Geſchichte, wo eine grbße
Becht Durch fo einfache, ſcheinbar fo nahe Legende Mittel ges
Ing} wird, Daß man fragen könnte, warum denn vorher Ries
geb darauf gekommen if. Nur der Laie wird .alfo fragen
w. Derified. Zeit hat es Fein Lakedämonier ernſtlich gewagt,
u chrakiſchen Tributländer anzugreifen. Wenn es Einer ges
agt hätte, es würde ihm ficherlich Nichts geholfen Haben.
n Demfelben Maße, wie die Lakedämonier fähiger wurden
x Benutzung günftiger Umftände, haben ſich die Umftänbe
Bft. auch günftiger geftaltet.
Wie langfam übrigens die Fortſchritte der Lakedämonier
ff dieſem Wege fein mußten, erkennt man recht Deutlich bei
ns Aufftande von Mitylene. Schon vor dem Kriege hate
sv die Leöbier um eine Uinierftügung zu ihrem Plane nachge⸗
cht; arten fie aber nicht erhalten, weil Sparta Hier das
tgegengefete Verfahren anwandte, wie Athen bei Kerkyra
ı) Ich babe biefen Ausdrud ben befannten arcanis imperii bes
zcitus nachgebildet.
*
458 Thukydides. Kap. 15.
8. 2.
Trieben bes Nikias. Innere Reform des lakedämoniſchen Bi
Deſſenungeachtet war nach dem Tode des Klem
nur im Kriege Hoffen konnte, feine ſchlechte Verwaltun
zuſetzen, und des Braſidas, der feine ruhmvolle Sieg
hatte verfolgen wollen (V, 16.), immer noch ein |
möglich. Die Athener wurden inne, von welcherlei ©
fie umeingt waren; fie fingen an zu fühlen, daß fie den
ihres Glückes Hinter ſich Hatten (V, 14.). Die gab hı
nen, wie wir gefehen haben, der Partei des Nikias di
band. Man konnte fi immerhin auf Das Beifpiel dus
kles berufen, der ja au, ſowie Euboa abgefallen wma
Sparta Frieden gefchloffen hatte, - In Lakedämon v
umgefehrt zunächſt der Eigamuk eines Könige, meld
Trieben berbeiführte. Alle Diejenigen unterflügten ihn,
Verwandie auf Sphakteria gefangen waren (V, 16 fg.).
aber lernten die Lakedämonier erſt jetzt die wahre Be
des Krieges einſehen; lernten einſehen, daß. fie im June
res eigenen Landes und Bündniſſes fich erſt nnangreifl
machen hätten, ehe fie nach Außen Hin fich mit Erfolg
chen könnten (V, 14.). Wer daher auch Alles zugiebt
Nikias den Athenern über die Vortheile des Friedens e
(V, 46.), — obwohl auf Nikias die Warnung des P
Il, 63. zu geben fcheint — der muß doch eingeſtehen,
der Krieg mit Sparta ununterbrochen fortgebauert,
Hätte nimmermehr den forafufifchen in dieſer Ausdehnun
zugefügt !).
) An den großen Dionyfien bes Alkäos (März 421) ift A
phanes Zrieden aufgeführt. Seit dem Ende des Jahres 423
die Unterhandlungen begonnen: am 4. April 421 wurbe ber
felbft hefchworen. Das ariftophanifche Stück ift im Sinne der &
partei gefchrieben, um das Volk nach den Segnungen beffelben ı
$. 6. Letzte Parteikaäͤmpfe. $.:7. Lakedaͤmon. AA7
8. 7.
Lakedämon.
Daß die Lakedämonier eine gewiſſe alterthümliche Religio⸗
E länger bewahrt haben, als die Athener, iſt ſchon oben
dert worden 1). So erfahren wir auch, daß ſie in einem
Behten Kriege um der Gerechtigkeit willen zu flegen hoffen
WI, 18.); daß fle, ungeachtet des allgemeinen Mißtrauens,
Wo8 mit Einen zu überzeugen denken (IV, 86.). Auch
Me ich nicht, Die Lakedämonier Haben in ihren wirklichen
Maandlungen, ebenſo wie beim Thukydides, die Worte
„Pietät u. f. w. weit mehr im Munde geführt, ale
iger, Und dergleichen tft niemald ganz ohne Grund.
e — welche ſie in Staatsſachen beobachten
3 74.), iſt jeder ariſtokratiſchen Regierung gemein; fie hat,
E der demokratiſchen Deffentlichkeit verglichen, ihre Stärken
5 ihre Schwächen. Allein, mas einen unzweifelhaften Vor⸗
s bildet, das iſt die Ehrfurcht der Lakedämonier vor dem
fee (V, 60.). — ber die atheniſchen Gefandten ſchon
an voraus, daß die Lakedämonier, wenn fie in's Ausland
mer, ihren eigenen Geſetzen nicht minder Hohn fprechen
den, als den andern bellenifihen (I, 77.). Selbft in
kefidas Zeit war die Ernennung des erfien auswärtigen
dätthalterd eine geſetzwidrige (IV, 132.). Wir Hören fpä-
» daß fih mit Ausnahme des Hermokrates alle Feldherren
peloponneſiſchen Flotte von Tiſſaphernes beitechen Taffen,
| eine Solvverringerung ihrer Mannfchaft zuzugeben (VIIL,
» 50.). Eine andere Entwicklung des lakedämoniſchen Staa⸗
L Die oligarchiſche Behörde Tucht ſich beide Male durch einen Re⸗
D an ihre, wenigftens etwas mehr demokratiſche Grundlage zu retten:
E bie Dreitauſend, bier die Fünftauſend. Beide Male folgt auf den
Bteientampf eine gemäßigte Mifchung von Demokratie und Dligardhie.
) Oben ©. 214 fo.
A60 Thukydides. Kap. 13.
der. ganzen Politik. in Händen zu haben. Damals v
Alkibiades, zu andern Zeiten Octavianus, Conflan
Gr., Alberoni u. A. in energifcheres Auftreten 4
wäre ſchon durch das Gleichgewicht verhindert worden,
Alkibiades und Nikias ſtanden; ebenfo durch die Unfchlii
womit Altibiades ſelbſt zwiſchen den äußerften Parteien hin u
ſchwankte. Die Art und Weife übrigens, wie Alkibiade
Außen zu wirken fuchte, reihet fich zunächſt an die fi
Berfuche gegen Pylos an. Hatte man damals die |
der Lakedämonier empören wollen, fo dachte man jeh
Bundesgenoſſen zum Abfall zu bringen, und in Arge
gleich dem dorifchen Stamme ein andered Haupt aufm
Aber Lakedämon war weder verhaftt, noch verachtet
um von feinen Bundesgenoſſen wirklich ſchon verlafjen zu
den. Auch mochte die athenifche Oberherrſchaft menig 2
des mehr für dieſe haben. Im Allgemeinen war and
große Gewicht, das Alkibiades Hierbei auf Die Lant
legte, wenig im Geiſte der perikleifchen Politik. Die ©
bei Mantinea wies dieſe Mißgriffe ebenfo energifch zurüd
früher die bei Delion 1).
— — — — en —
1) Die Kriegsunternehmungen des Alkibiades ſind in mat
Hinficht viel großartiger, als die perikleiſchen (Plut. Peric
An die Aufwiegelung des ganzen Tpartanifchen Bundes, ober gar
Eroberung des gewaltigen Siciliens hatte Perilles niemals denk
gen. So bewundert au) Plutarchos die Größe des Planes
durch Alkibiades den ganzen Peloponnes in Bewegung geſetzt; er |
dert die Schlacht bei Mantinea, deren Verluft ben Athenern weni
den, deren Gewinn dagegen fie allmächtig machen konnte (Alc.
gl. Isocr. De bigis 6.). Aber auch die Feldzüge der alera
ſchen Zeit find fcheinbar viel großartiger, als die der Eimonifchen
baffelbe könnte man von den fullanifchen und cäfarifchen urtheile
Gegenfage zu denen der Scipionenz von ben napoleonifchen im
fage zu denen des großen Friederih. Die Siege der erflern A
viel enticheidender 3 ganze Reiche werben bier durch eine Schk
$. 2. Reformen zu Lakedaͤmon. 464
Si Bielmehr find gerade in jene Verwirrung der Bünd⸗
einige Haupturſachen des endlichen Sieges von Lakedä⸗
ſenachzuweiſen. Es waren vornehmlich drei Uebelſtände,
Be: Die äußere Machtentwicklung des lakedämoniſchen Staa⸗
Biöher zurückgehalten Hatten. Schon Thukydides hat fie
MWiudig zufammengeftellt, obgleich fie den Neuen hier ver⸗
Jen geblieben (V,.14.).
Zuerſt nämlich die geringe Suborbination, ja die
Meichartigkeit, die im ganzen Bundesweſen der Lake⸗
onier herrſchte. Die Verfaſſungen der einzelnen Staa⸗
earen weſentlich verſchieden. Elis mit feinem Rathe ver
chundert (V, 47.) hat in der That den Lakedämoniern
Bnäber ein beinahe demokratiſches Ausſehen. Mantinea ift
ven demofratifch (V, 29.). Auch im achäiſchen Paträ
n Die Demokraten geherrſcht Haben, weil ihnen Alkibia⸗
mals durch Grrichtung langer Diauern eine fichere Vers
Bang mit Athen verſchaffte (V, 52.) 2), Noch nor Kurs
. war es zwiſchen einzelnen lakedämoniſchen Bundesgliedern
BB Kriege gekommen (IV, 134.). — Nun haben wir ſchon
her bemerkt, daß die Leberlegenheit der Athener ganz vor⸗
wöweife auf der Gleichartigkeit und Concentrirung ihrer Bun⸗
Ekraft beruhete. So lange der Krieg dauerte, mußte Sparta
Bet:
Banen, dort höchftens einzelne Provinzen. Allein man täufche fich
I Es ift eben Eein größerer Heldenmuth, fondern nur eine veräns
e Kriegsmanier. Napoleon 3. B. hat auch fein eigenes Reich in
Monaten erobern fehen, zum andern Male fogar in wenig Wos
Ber immer Alles daran fegt, der Tann freilich Alles gewinnen,
ie auch Alles verlieren. In ben blühendern Zeiten des Volles, wo
„Helden nicht für ihre Perfon, fondern für das Vaterland Krieg führe
⸗ darf nicht Alles auf Ein Spiel gewagt werden.
«N Als bei dieſer Gelegenheit einige Paträer die Beſorgniß aus⸗
‚ Athen werbe fie verfchlingen, antwortete Alkibiades: Ja, viels
almäplig,, und von den Füßen herz Sparta aber auf einmal, und
* Kopfe her (Pbut. Alcib. 15.).
460 Thukydides. Kap. 13. .
der; ganzen Politit: in:Händen zu Haben. Damals ı
Alkibiades, zu andern Zeiten Detavianus, Conſtar
Gr., Alteroni u... Ein energiſcheres Auftreten
wäre ſchon durch das Gleichgewicht verhindert worden,
Alkibiades und Nikias ſtanden; ebenjo durch die Unfchlifl
womit Altibiades felbft zwifchen Den äußerften Parteien hin u
ſchwankte. Die Art und Weife übrigens, wie Alkibiabe
Außen zu wirken fuchte, reihet fich zunächſt an Die fi
VBerfuche gegen Pylos an. Hatte man damals die I
der Lakedämonier empören wollen, fo dachte man jeh
Bundesgenoſſen zum Abfall zu Kringen, und in Arge
gleich dem dorifchen Stamme ein anderes Haupt auf
Aber Lakedämon war weder verhaftt, noch veracjte |
um von feinen Bundeögenofien wirklich ſchon verlafien z
den. Auch inochte die athenifche Oberherrſchaft wenig !
des mehr für diefe haben. Im Allgemeinen war and
große Gewicht, das Alkibiades hierbei auf die Land
legte, wenig im Geiſte der perikleifchen Politik. Die ©
bei Mantinea wies diefe Mißgriffe ebenfo energifch zuric
früher die bei Delion 1).
1) Die Kriegsunternehmungen des Alkibiades find in mal
Binfiht viel großartiger, als die perikleifchen (Plut. Peric
An die Aufwiegelung des ganzen fpartanifchen Bundes, oder gar
Eroberung des gewaltigen Siciliend hatte Perikles niemals denl
gen. So bewundert auh Plutarchos die Größe des Planes
buch Alkibiades den ganzen Peloponnes in Bewegung geſetzt; er
dert bie Schlacht bei Mantinea, deren Verluft den Athenern wen
ben, deren Gewinn dagegen fie allmäcdhtig machen konnte (Al
Bgl. Isocr. De bigis 6.). Aber auch die Feldzüge ber aleı
ſchen Zeit find fcheinbar viel großartiger, als die der Eimonifchen
bafjelbe könnte man von ben ſullaniſchen und cÄäfarifchen urtheile
Gegenfage zu denen der Scipionen; von den napoleonifchen im
fage zu denen des großen Friederih. Die Siege der erftern 4
viel enticheidender 53 ganze Reiche werden bier durch eine Sch!
$. 2. Meformen zu Lakedaͤmon. ABl
MVielmehr find gerade in jener Verwirrung der Bünde
Bfe einige Haupturfachen des endlichen Sieges von Lakedä⸗
mwenachzumelfen. Es waren vornehmlich drei Uebelſtände,
Ishe: die Äußere Machtentwicklung des lakedämoniſchen Staa⸗
zhtöher zurlicigehalten Hatten. Schon Thukydides hat fie
Mandig zufammengeftellt, obgleich fie den Neuern Hier ver⸗
meen geblieben (V, 14.).
wi.A. Zuerſt nämlich die geringe Subordination, ja bie
Meichartigkeit, die im ganzen Bundesweſen der Lake⸗
meonter herrſchte. Die Verfaffungen der einzelnen Stans
riwaren weſentlich verfchieden. Elis mit feinem Nathe der
nhehundert (V, 47.) hat in der That den Lakedämoniern
mpnÄber ein beinahe demokratiſches Ausſehen. Mantinea tft
qieden demokratiſch (V, 29.). Auch im achälfchen Paträ
Biken die Demokraten geherrfcht haben, weil ihnen Alkibia⸗
damals durch Errichtung langer Mauern eine fichere Vers
ung mit Athen verſchaffte (V, 52.) 1). Noch vor Kurs
w.war e8 zwiſchen einzelnen lakedämoniſchen Bundesgliedern
u Kriege gekommen (IV, 134.). — Nun haben wir ſchon
uber bemerkt, daß die Vieberlegenheit der Athener ganz vor⸗
zömeife auf der Sleichartigkeit und Concentrirung ihrer Bun⸗
Sfraft beruhete. So lange der Krieg dauerte, mußte Sparta
nen, bort höchſtens einzelne Provinzen. Allein man täufche fich
I Es ift eben kein größerer Heldenmuth, fondern nur eine veräns
Kriegsmanier. Napoleon 3. B. hat auch fein eigenes Reich in
Monaten erobern fehen, zum andern Male fogar in wenig Wos
Ber immer Alles daran fest, der kann freilich Alles gewinnen,
‚auch Alles verlieren. In den blühendern Zeiten bed Volles, wo
nicht für ihre Perfon, fondern für bas Vaterland Krieg fühs
„ darf nit Alles auf Ein Spiel gewagt werben.
,») Als bei diefer Gelegenheit einige Paträer die Beforgniß aus:
- ‚ Athen werde fie verfchlingen, antwortete Altibiades: Ja, viel
allmählig, und von den Füßen her; Sparta aber auf einmal, und
ls Kopfe her (Pbut. Alcib. 15.).
264 Thulkydides. Kap. 15..
der Ephoren Bringt (V,63.) 1y. Während fo dje DI
nach Oben Hin ftärker wird, war fie ſchon früher dw
wordung von zweitauſend der tapferften Heloten nad
zu ficherer geworden (IV, 80.) — Wir fehen auf di
daß die Lakedämonier ihre Friedensmuſſe vortrefflich z
pen verſtanden. Auch in rein militärifcher Hinſicht. S
man zu Anfange ſchon die verdienten Seloten des %
mit der Freiheit beſchenkt, die auf Sphakteria gef
Spartiaten Dagegen zu Atimen erniebrigt (V, 34.).
In der athentfchen Politik finden wir ähnliche Bi
gen, feitbem Nikias durch die Schlacht bei Mantine
Alkibiades wieder gehoben war. Wie Lakedämon jept
Ioponnefe vollfommen Herr wird 2), fo wollen es die:
auf dem Meere werden. Daher die Unterfochung von
108, alfo des letzten unabhängigen Inſelſtaates.
Grundfäße, welche hier den athenifchen Abgefandten
Mund gelegt werden, find diefelben, wodurch jedes her
Neich feine Herrfchaft errungen hat. Sie tragen auı
nothwendig in fih, daß fie überall fiegen müflen,
Stärferer ihnen im Wege ſteht. Diefem werden fi
freilich ebenfo nothiwendig und vollkommen unterliegen.
eine Verbindung der alten Ideen von Gecherrfchaft ı
neuen Seen von Landherrfchaft, Beides zum Kolofie
fteigert durch die Verwegenheit des Alkibiades, Haben |
Zug nach Syrakus aufzufaſſen.
) Man erinnere fih nur an die Zeiten ber ausgebildeten
nifchen Xriftofratie, wo ja auch der Landfeldherr immer vor
Proveditoren begleitet wurde. '
2) Doch finden wir Mantineer felbft nody vor Syrakus in
ſchen Heere: VI, 29. 43. 61. 67 fo.
$. 3. Krieg in Sicllien. 268
Be . j ; 8 3, . a Bee Haze Zu
ot... ' Ka EEE er EI Bere
ko.:.. - Krieß in Sicilien.. .: wu
HN.
E Den flellifchen Faden ſehen wir con An: ver Rede der
m Athen vorbereitet (I, 36.). »Auch I, 4.
verſichert, daß die Athener ſchon beider Aufnahme
in ihr Bündniß an die Ueberfahrt nach Italien: an
gedacht haben )). Wenn Perikles ſo eindringlich ab⸗
Br won allen. Erweiterungen des atheniſchen Machtgebirtes,
„das vorzugsweiſe ſchon auf dieſe ſyrakuſtſchen Plane an⸗
je: (I, 144. II, 65.). . Gleich zu Aufange des Krieges
Syrakus init allen Übrigen doriſchen Sikeliotenals
enoſſinn von Sparta, Doch ohne weiter thätige Hülfe
(VE, 10.) Im fünften SKrlegsjahre. :eröffnewNotg
er. ihre Feindſeligkeiten: ſchon damals mit: des: Abficde,;
| für ſich zu erobern; mochten fie auch zunächkt nur
Abſchneidung der Conimunication zwifchen deſer daſ
Lakedämion im Sinne haben an 86. 9 rn
u) ; Der ficiliſche Feldzag. eine alte Lieblingsidee der Ytkrmens
d. xl, 54. Plut. Alcib. 17. Natürlich nur ‚der ertrem demo⸗
ingte. In Ariftophanes Babylontern war Thon heftig gegen Gor⸗
polemifiet, deſſen Beredtſamkeit den Krieg unmittelbar entzlindet
(Ranke V. Aristoph. p. CCOXXXVIII 599.).Thukydideg
m indeſſen die praktiſche Wirkſamkeit des Gorgias ziemlich gering ans
Wagen, weil er mit einem Worte feiner gebenft.
3) GSicilien verhält ſich zu Athen in wirthfchaftlicher und politifcher
Be vielfach, wie Nordamerika heutiges Zages zu England. Es if
mnentlich einer der größten Rohproducenten jener Zeit. geweſen: Korn
Ip Pferde ein Paar Hauptproducte von Sicilien (Thuc. VI, 20);
denn auch der ficilifche Käfe felbft bei den Komikern eine große Rolle
Kt Auch die bukolifchen Gedichte, worin Bicilien immer ausgezeich⸗
Ewar, weiſen auf die Eigenthumlichkelt eines Hirtenlandes hin. Wenn
rigens der Peloponnes nah Thucyd. III, 86. bedeutender Zufutr
30
A606 Thukydides. Kap. 15.
Der ganze fleilifche Krieg ſcheidet fi in Drei Haup
fen, welche den drei Perioden des Krieges im Mutter
parallel gehen. Die erfle, von Thukydides felbit der ler
niſche Krieg genannt (VI, 6.), ‚reiht vom Sonmer
fünften bis zu dem des achten Jahres. Hier kam umta
Sikelioten ein allgemeiner Frieden zu Stande, mobi
Arhener zum Rückzuge veranlaßt wurden (IV, 65.) 3
Charakter nach entjpeicht fie den früheren Streitigkeiten gel
Athen und Sparta und dem erſten Drittel des großen |
ponneſiſchen Krieges felbft, dem f. g. archibamtichen Ai
Kleine Unternehmungen auf die unmefentlichen Bunte
Ganzen, Plünderungszüge, geringfügige Anftvengungen |
auf. Seiten der Athener, mangelnde Eintracht und Entf
ſenheit auf Seiten ihrer Gegner bilden die Sauptmomente
fer Vergleichung 1). — Wie femer in Hellas die Zeit
dem nilifchen Frieden vornehmlich dazu benußt wurde, bie
entfchloffenen entjchloffen und die Ungerüſteten für große O
gerüftet zu machen, fo auch in Sicilien die Zeit nah
Frieden von Gelaz welchen die Athener nur einmal
vergebens zu unterbrechen fuchten (V, 4 fg... Aus de |
nen Rede ded Hermokrated zu Gela geht als Hauptreſi
hervor, daß Syrakus dermalen noch in ungefchmwächter 9
ftand (IV, 59.); daß die Zwietracht der Sikelioten A
den Weg bahnen mußte, daß die wahren Plane der Af
auf Unterjochung der ganzen Inſel zielten (60 fg.), daß
die Vereinigung Siciliens, melche durch Mäßigung umd r
von Lebensmitteln bedurfte, fo ift das ein ficheres Beichen, daß
gewerbliche Kultur doch nicht fo ganz geringfügig fein Eonnte.
1) Allibiades war immer gegen die Kleine Kriegführung ie 1
lien geweſen (Plut. Alcib. 17.). Auch der Eryrias ſpricht bie X
aus, die vielen kleinen Grpebitionen nad) Sicilien Eönnten KRichts
fen: es müſſe einmal etwas Ordentliches gefchehen: p. 392 B.
$. 3. Krieg in Sicilien. 467
Witiges Nachgeben möglich war, fie leicht vereiteln Tonnte
RE). — Wenn die Athener hiermit unzufrieden waren,
WR Das fehr begreiflich (IV, 65.); Thukydides felber giebt
den Srund an. Ihr übermäßiges Glück habe fie aufge
* „ Ihnen Jegliches ‚erreichbar ſcheinen laſſen. Darum iſt
h fo ſchoöͤn, daß ſich Hermokrates Rede unmittelbar am
phe der Athener von Pylos und Kythera anſchließt:
am die Mittagshöhe der atheniſchen Ueberlegenheit über Lakedä⸗
6. AS Die Athener nachmals ihre großen Unternehmungen
Ba den Peloponnes vereitelt fehen, wendet ſich ihre Tha⸗
ſt auf den eigentlichen ſyrakuſiſchen Feldzug.
-MDie Vermefjenheit des athenifchen Volkes war auf den
en Grad geftiegen. Die Dieiiten, wie Thukydides fagt,
pe völlig unbekannt mit der Größe der Inſel und mit der
Be ihrer Bevölkerung; fie wußten nicht, daß fie einen
% begannen. welcher nicht viel geringer war, als der ganze
nefiihe (VI, 1. 6.). Nicht bloß Sicilien dachten fie
Iimterwerfen, fondern Italien ſelbſt und das ferne Afrika
‚15. @.) Die Karthager waren fehon lange In Furcht
en (34.) 2). Umſonſt finden wir Nikias bemü—
) Ganz ähnlich, wie in Sicilien, hatten fi aud bie Chalkideer,
saen Athen fiher zu fein, mehr concentrirt, und ihre ganze Stärke
Otynthos geworfen (Thuc. I, 58.). Ebenſo die Mitylenäer (Id.
I, Tpäterhin auch die Rhodier. Man lernte den Athenern das
iß ihrer Macht ab. — Uebrigens wurbe die Bereinigung der
oten zu Bela gewiß nicht wenig durch dad Gerücht befchleunigt,
. Hyperbolos auf Ausfendung von hundert Zrieren nach. Karthago
pen? antragen wolle (Aristoph. Equites 1299 .sqq.). .
° Karthagiſche Projecte ſchon in Ariftophanes Rittern enmähnt:
ff. Ariflophanes war heftig dagegen. Auch Iſokrates in ſei⸗
edensrede ſpricht davon, freilich mitten unter Aeußerungen, die
Hiftorifche Unwiffenheit auf's Deutlichfte beurfunden. Man wollte
ran bie Güulen bes Herakles erobern (Plut. Nicias 12). Die
aben faßen in ben Ringfchulen und die Greife in den Werkftätten und
30 *
A6B Thukydides. Kap. 15.
het, von dem Tolofjalen Plane abzurathen. Seine af
Märt uns über die unſichere Natur des mit den Pelopon
beftehenden Friedens auf; wenn er fie auch mit Unre
Nänten des Alkibiades zuſchreibt. Bei dem erſten V
werden felbft die Lakedämonier, weil der Friede ihnen ı
fig umd nichts meniger als unbeftritten ift, über Athen |
len. Um fo mehr, ald ihnen die oligarchifchen Parte
der Athener ſelbſt ein gefährliches, gefährliches Hül
Darbieten (VI, 11.). Eine Menge ihrer Bundesgenoſſ
überhaupt noch nicht einmal Frieden gefchloffen. Nikl
richtet und, wie noch gar nicht alle abtrünnigen Unten
von then wieder beziwungen waren (10.); wie ma
der die Pet !), noch die Kriegslaſten völlig verfchment
(12.). Auch fpäter ‚wiederholt Thukydides, der ſyrak
Zug, den Perikles nimmermehr gemagt hätte, fei mit |
cheren Kräften, als die perikleifche Zeit befeffen Habe,
nommen worden (VII, 28.). Dieß war der verwegenſt
zug, wenn man die Hoffnungen, die er aufregte, mi
Marktplägen, um Karten von Sicilien auf den Sand zu zeichnen
1.1. Alcib. 17.). Selbſt die Sonfervativen wagten ed nicht, den
zu unterftügen, damit es nicht fcheinen follte, als fürchteten fie d
Eoften der Zrierarchie (Thuc. VI,24. Plut.Nicies 12.). Nur Se
und der Aftrolog Meton warnten vor dem Zuge (Id. Alcib. 17... -
bat uns Rom bewiefen, baß eine einzige Stabt die Welt beha
kann, aber zugleich bewiefen, daß fie ale Stadt es nicht kann;
mit jeder Verdopplung des. Staatögebietes auch der Staat felber fid
doppeln mußte: erſt durch Aufnahme der Plebejer, dann ber Lal
dann der italilchen Bundesgenoflen, zulegt des ganzen Orbis terr:
Daß aber Athen auf diefelbe Art fich etwa die Bundesgenoffen hätt:
verleiben follen, wie nad Mitford’s unmwahrfcheinlicher Annahm
rikles beabfichtigt hätte (History of Greece XTI, 5: nad Plut
riel. 17): dazu war in Hellas die Abfchleifung der Nationalitäten
Lange nicht weit genug gediehen.
1) Obwohl Nikias bier doch wohl etwas Abertrieben bat:
Thucyd. VI, 26.
$. 3. Krieg in Sicilien. 469
sitteln vergleicht, Die ihn zu Gebote ſtanden (VI, 31.).
mw Zeitgenofien, wie Athenagorad Rede zeigt, kam vie
‚Sache Anfangs geradezu unglaublich vor (36... .
MDeſſenungeachtet dürfen wir das Unternehmen nicht bloß
se Thorheit Halten. Abgeſehen von feinen perfünlichen
en, Hat Alkibiades vollkommen Recht, wenn ex
Krieg für eine nothwendige Folge des bisherigen Natio-
wenkterd und ber bisherigen Politik von Athen erklärt.
Fllnternehmen eröffnete jo viel günftige Ausfichten, daß
w nicht Athen hätte fein müſſen, um Verzicht darauf zu
#. Gin bisher fo raftlofer Staat, yplößlich in Ruhe ver
%, Hätte fich innerlich verzehren Eönnen (VI, 18.) 1).
Hermokrates fowohl, wie Euphemos erkennen es an,
hen nur feine gewohnte Politit in Bezug auf Sieilien
ge (76. 84.). Es fehlte wenig, fo hätte Athen den
I davongetragen, den Sieg mit all feinen unberechenbaren
3). Selbit Thukydides ift der Anficht, der ſyrakuſiſche
I fei weniger im Plane verfehlt gewefen, als in der Aus-
fung, 100 der ränkevolle Eigennuß der Einzelnen die all-
neine Sache verderbt habe (II, 65.)2). Wir begegnen
einem der tiefſten Entwicklungsgeſetze überhaupt: daß Die
Kräfte, die ein Volk auf den Gipfel feiner Größe ge-
„es in ihrem weiten Fortwirken auch wieder herabſtür⸗
ein Geſetz, das ſchon von Herodot als Hauptfaden ſeiner
te angewandt, von Ariſtoteles aber zuerſt in kurzen
ausgeſprochen iſt N.
2) ©. oben ©. 256 fo.
2) Daß gleihwohl an Feine dauernde Unterwerfung Siciliens zu
Ken war, lehrt die Rede des Nikias: VI, 11. Bgl. VI, 86.
| 3) Bgl. VI, 91. 103 fg. VII, 2.
4) Aristot. Polit. V, 7, 16.
A70 Wukydides. Kap. 15.
Was Thukydides über die innern Verhältn
von Sicilien fhon aus der Art feiner urſprünglichen
Lonifirung hervorgehen läßt, Haben wir früher betracht
Zu wiederholten Malen erklärt x, von allen borifche €
ten fei der fyrakuftfche Athen am ähnlichſten geweſen.
deßhalb fei Athen Hauptfächlich Durch Syrakus geflürzt m
(VII, 21. 35. VIII, 96.)2). Die Reden des Hermel
und Athenagoras liefern eine weitere Ausführung da.
waren die Volksredner in Syrakus nicht weniger voll I
fucht auf einander (VI, 38.), nicht weniger bemüket,
Gegner ftatt der Widerlegung berunterzumachen (39.),
der Belchrumg einzufchüchtern (36.). Es ift ungemein d
teriftifch, daß Athenagorad feine ariftofratifchen Gegner
bloß für das, mas fie thun, fondern auch für das, m
wünfchen, züchtigen wil. Man müſſe fi, meint e,
Voraus gegen feine Feinde fehüken (38... Und doch Ü
ganze Rede nur gehalten, um Vorkehrungen gegen den
nischen Angriff, wie Hermokrates fie empfohlen Hatte, zu
terteeiben! Auch das Bolt von Syrakus war im ©
nicht weniger zügellod, als dad athenifche (VII, 73.);
von Dligarchen und Tyrannen doppelt ſtark gefährdet
38.). Selbſt die auswärtige Politik beider Staaten war
ähnliche. Noch war allerdings dieUnabhängigkeit der Mei
Sikelioten wenig bedrohet; zugleich aber und eben darım
feine zuſammenhängende Oppofition gegen Syrakus vor
den (VI, 20.). Deſto gewiſſer konnte man für die Zul
den Syrakufiern die Herrfchaft ihrer Inſel vorausfagen 3).
) Oben ©. 19.
2) Bgl. VII, 26. 28 fg. 45. Auch bei Xenophon erfcheinen
Syrakuſier in Aſien als die disciplinirteften und bei ben Bundesgen
von Athen beliebteften Peloponnefier: Xenoph. Hell. I, 1.
3) VI, 11: vgl. IV, 64.
$. 3. Krieg in Sicilien. 271
gr früher Die Staaten unterjocht, welche ihm Ihre. Rettung
‚en Perſern verdankten, fo kam Syrakus zur Beherr⸗
3 von Sicilien, nachdem es die Athener daraus vertrie⸗
Matte Daß den kleineren Sikelioten nur Eine Wahl
; won Athen oder von Syrafus unterjocht zu werben, iſt
Dermokrates Rede zu Kamarinä mit fchneibender Schärfe
zeſprochen (VI, 78. 80. 85 fg.). Auch Euphemos fagt,
Eher Furcht vor Athen werde zugleich die heilfame Mäßi⸗
g der Parteien wegfallen (89.). Dieſe Richtung der
Bfiichen Politit war aber längft vorbereitet; und da bie
Daämonier nur duch Annahme athenifcher Grundſätze Athen
gen konnten, fo war ed für fie von dem größten Gewich⸗
E das fie in Syrakus eine Lehrmeifterinn derfelben antrafen.
geoßer Kunft Hat Thukydides die Reden des Hermokrates
JAthenagoras, welche den Innern Zuftand von Syrakus
firen, unmittelbar zwiſchen bie beiden Hauptgemälde
We Innern Athens geftellt, die in den Reden des Nikias
Alkibiades und in dem Prozeife der Hermofopiden enthal⸗
find.
&. Ungleich tiefer noch eindringend und allgemeiner zugleich
die Schilderung der ſiciliſchen Staaten in Altibiades Rede
n Athen (VI, 17.). Die Bewohner dort find zwar in große
E: dicht zufammengebrängt, aber von gemifchter Abftam-
; immer noch leichtſinnig in der Aufnahme feifcher Ein⸗
Iwderer, daher zu Parteizwiften doppelt aufgelegt. Eben
Einwanderer innen, fie das Land noch immer nicht als
* Vaterland anſehen. Jeder wünſcht hier nur reich
werden; mißlingt ihm das, fo hat er Nichts mehr, was
m an diefe Stätte feffeln könnte 1). Darum auch Alles vol-
es Zwietracht, und voller Schein ftatt des Weſens. Weder
1) Bgl. die ganz übereinftimmende Bemerkung in Plut. Ti-
n0l. 38. |
A478 Xhufgbived. Kap. 15.
die Staaten, noch. die Einzelnen in den Waffen gehörig
und getüſtet. Den Veteranen ‚von Athen konnte Syrakı
unerfahrene Landwehr entgegenftellen (VI, 68.). Eine
davon die bei großer Eitelkeit Doch :nach Außen bin kr
Neutralität der Sikelioten, welche den Athenern bauptf
Muth eingeflößt Hatte (34.). - Zu dem allen nod d
ftändige Gefahr, daß ein auswärtiger Feind an den be
fen Eingebornen Verbündete . finden möchte (17.
Thukydides war allerdings Fein Mann, fich durch das ı
Empormwuchern der materiellen. Kraft im „großen Gi
Iande” verblenden zu laffen 2)! Dieſe materielle Kraf
denn allerdings fehr bedeutend, nicht bloß an Menſch
und Pferden, ſondern auh an Geh, Schiffen md &
mitteln, Auch ließ im Innern der fifeliotifchen Städl
große politifche Ungebundenheit des Volkes nicht erwarten,
Athen hier eben viele Anhänger finden würde 3).
Meber den eigentlich militäriſchen Charakter des K
giebt die. zweite Rede des Nikias, weiterhin die Wehe
—— — —— un
1) Wie die Sikelier für Athen waren, fo die allerälteſten Ei
ner, die Silanier, für Syrakus: VI, 62. Vgl. au VII, 1.
"9 Ueber den materiellen Flor von Bicilien vgl. die be
Schilderung von Agrigent nady dem Zimäos bei Diod. XII
sqq. Diefes Aufblühen feibit ift bekanntlich die natürliche Folge
dag in allen Kolonialflaaten die Kapitalien und Arbeitskräfte eine
ultivirten Mutterlandes mit der unerfchöpften Kraft eines jun
chen und im Weberfluffe vorhandenen Bodens verbunden werben.
3) VI, 20. VII, 55. VBgl. aber VII, 49. 73.— Es beda
feiner ausdrücklichen Erinnerung, mit welcher Genialität Th
feinem Gemälde von Sicilien die Hauptzüge einverleibt hat, wı
len Aderbaufolonien, des Altertbums wie der neuern Zeit, gemi
Ic habe ihn nur getreu ercerpirtz gleichwohl ift beinah jedes I
das er von Sicilien erwähnt, mit geringen Veränderungen ı
Amerila anzuwenden. Und die Zukunft,wird meine Parallele ı
mer mehr beftätigen.
F. 3. Krieg in Sicilien. 473
Hermokrates und Athenagoras den erforderlichen Aufſchluß.
Mas erſpart durch feine Rede dem Thukydides die ausführ⸗
he Beſchreibung der mitgenommenen Kriegsmittel (VI, 21
J. Daß die Verſprechungen der Egeſtäer nur windige Prah⸗
eien find; wird hier vorausgeſagt (22.) 1). Als das vor⸗
ihunſte Hinderniß der Athener lernen wir die weite Entlegen⸗
it des Kriegsſchauplatzes kennen, von wo im Winter kaum
i:bier Monaten ein. Bote nach Athen gelangt (21... We
We große Seezüge, meint Hermofrateö, der Hellenen wie
E Barbaren, . die in meite Ferne hinaus unternommen find,
ben. Grfolg gehabt. Sie künnen niemals fo ſtark fein, daß
Fan’ Zahl. den Angegriffenen überlegen wären. Gerade
enun fie ſtark find, vereinigt die Furcht Alles gegen fie;
b. die Erhaltung der Streitkräfte muß natürlich mit ihrer
De immer ſchwieriger werben (33. 37.). . Alles dieſes
rde verſtärkt durch die Ueberlegenheit der forakufifchen Rei⸗
t (20. 37.)... Schon Nikias fagt voraus, daß es von ge
gem Ruben fein würde, falls Die erfte Expedition vereitelt
ze, eine zweite nachzuſenden; und die erſte fei Halb verei-
‚5 wenn nicht unmittelbar nach der Landung ein feiter Halt-
akt gewonnen würde (21.). An die Gewinnung eines fols
nr Buntes aber, wie Athenagorad urtheilt, war gar nicht
denken (37.). Als das Hauptmittel zum Siege bezeichnet
emokrates die Verbindung der Syrafufier mit den gleichbe=
Iheten Mächten, im Beloponnes fowohl, als in Afrifa
4). An allerficherften würde man gehen, wenn man ents
Neben die Dfienfive ergeiffe. Denn unerwartete Hinderniife
orher würden den Schwindelgeift der Athener dämpfen,
8 einzige Motiv ded Krieges alfo hinwegnehmen. Hermo⸗
ates entwickelt hierzu einen vortrefflihen Blan, der eine un-
1) Weber Alkibiades, noch Lamachos hatten dieß erwartet (Thu-
rd. VI, 46.).
A70 Tukydides. Kap. 15.
Was Thukydides über die Innern Verhältn
von Sicilien ſchon aus der Art feiner urſprünglichen
loniſirung hervorgehen läßt, Haben mir früher betrat
Zu wiederholten Malen erklärt ©, von allen dorifchen €
ten fei der ſyrakuſiſche Athen am ähnlichften gemein.
deßhalb fei Athen Hauptfächlich durch Syrakus geftürzt m
(VII, 21. 55. VIII, 96.)2). Die Reden des Hermel
und Athenagoras liefern eine weitere Ausführung dazu.
waren die Volksredner in Syrakus nicht weniger voll |
fucht auf einander (VI, 38.), nicht weniger bemühet,
Gegner ftatt der Widerlegung berunterzumachen (39.),
der Belchrumg einzufchüchtern (36.). Es iſt ungemein d
teriſtiſch, daß Athenagoras feine ariftofratifchen Gegner
Bloß für das, mas fie tfun, ſondern auch für dad, m
wünſchen, züchtigen mil. Man müſſe fih, meint er
Voraus gegen feine Feinde fchüken (38... Und doch i
ganze Rede nur gehalten, um Vorkehrungen gegen den
niſchen Angriff, wie Hermokrates fie empfohlen hatte, zu
tertreiben! Auch das Voll von Syrakus war im €
nicht weniger zügellod, als dad athenifche (VII, 73.);
von Dligarchen und Tyrannen doppelt ſtark gefährdet
38.). Selbft die auswärtige Politif beider Staaten war
ähnliche. Noch war allerdings diellnabhängigkeit der Hai
Sitelioten wenig bedrohet; zugleich aber und eben darım
keine zufanmenhängende Oppofition gegen Syrakus vor
den (VI, 20.). Defto gewiſſer konnte man für die Zu
den Syrakufiern die Herrfchaft ihrer Inſel vorausfagen >).
ı) Shen ©. 192.
2) Bgl. VIII, 26. 28 fo. 45. Auch bei Zenophon erfcheine:
Syrakuſier in Afien als die disciplinirteften und bei den Bundesgen
von Athen beliebteften Peloponnefier: Xenoph. Hell. I, 1.
32) VI, 11: vgl. IV, 64.
6. 3. Krieg in Sicilien. 275
t des Alkibiades eine heilſame Miſchung hervorzubrin⸗
imachos war ein tapferer Haudegen, aus Ariſtophanes
üge bekannt; ſonſt wegen ſeiner Dürftigkeit ohne be⸗
n Einfluß 1). Ex war nothwendig, um bei dauern⸗
nungsdifſerenz zwiſchen den beiden Andern den Aus⸗
ı geben. — Die Kriegöplane der drei Feldherren wer⸗
VI, A7ff. vorgelegt. Nikias Hatte den feinigen ſchon
e eriten Rede (VI, 11.) angedeutet. Er will den
Vorwand ded Zuges, Unterſtützung der Egeſtäer ge
inus, wirklich durchgeſetzt, die Feinde Athens durch
je Demonſtration geſchreckt, und, wenn es angeht, den ei⸗
: andern Heinen Vortheil behauptet wiſſen. Lamachos
rn augenblicklichen Angriffe, der in der erſten, unver
Beſtürzung den Feind in ihre Hände Tiefern werde,
es, wie gemöhnlich, ſchwankt in der Mitte zwiſchen
Srtremen. Er will mit ben einzelnen Sikelioten un⸗
In, — die Intrigue war ja überhaupt fein Lieblings⸗
d bier glänzte er allein, während er bei Kriegsthaten
ern hätte theilen müſſen, — und danıı allmählig auf
losgehen. Diefe Anficht mußte die Oberhand gewin⸗
on weil fie die mittlere war. Nikias Vorſchlag Hätte
zen Sieg aufgegeben, daher konnte Lamachos ihm
beitreten; andererſeits wollte Alkibiades doch auch vor⸗
nd zaudernd zu Werke gehen: alſo wird ihm Nikias
zu beftig opponirt haben,
; Alkibiades nun abgerufen war, der Einzige, der den
ebten und ganz auf feine perfünlichen Talente berechne⸗
n durchführen Konnte: da wollte das Unglüd Athens,
ias noch immer feine urfprünglicden Entwürfe damit
nden fuchte. Er geht zu Schiffe nach Egeſta: das ft
— — ——
daher auch nach Alkibiades Entfernung Ritias de facto ber
eldberr war: Plut. Nicias 15.
AR 9. CThufydides. Kap. 15.
die: Staaten, noch. bie Einzelnen in den Waſſen gehörig 4
und getüftet. Den Veteranen von Athen Fonnte Syrakıt
unerfahrene Landwehr entgegenftellen (VI, 68.). Eine di
davon die bei großer Eitelkeit Doch nach Außen bin fraft
Neutralität der Sikelioten,. welche den Athenern Hauptiäd
Muth. eingefköft Hatte (34.). Zu dem allen noch di:
ftändige Gefahr, daß ein auswärtiger Feind an. den Bash
ſchen Eingebornen Berbimdete . finden möchte (17.)
Thukydides war allerdings Fein Mann, fich durch das iq
Empormwuchern der materiellen. Kraft im . „großen Grid
Lande“. verblenden zu laffen 2)! Dieſe materielle Kraft ı
denn allerdings ſehr bedeutend, nicht bloß an Mienihen
und Pferden, fondern auch an Geld, Schiffen und Ye
mitteln, Auch ließ im Innern der fileliotifchen Städte:
geoße politiſche Ungebundenheit des Volkes nicht enwarten, |
Athen hier eben viele Anhänger finden würde 3)..
‚Meber den eigentlich militäriſchen Charakter des Kt
giebt die: zweite Rede des Nikias, weiterhin die Wechſelt
3) Wie die Stkelier für Athen waren, fo die allerälteften Ein
ner, die Sikanier, für Syrakus: VI, 62. al. auch VII, 1.
"2 Ueber den materiellen Flor von BSicilien vgl. die beri
Schilderung von Agrigent nach dem Zimäos bei Diod. XII
sqq. Dieſes Aufblühen feibft ift bekanntlich die natürliche Zolge d
daß in allen Kolonialftaaten die Kapitalien und Arbeitskräfte eines
tultivirten Mutterlandes mit der unerfchöpften Kraft eines jung!
dyen und im Weberfluffe vorhandenen Bodens verbunden werben.
32) VI, 20. VII, 55. al. aber VII, 49. 73.— Es bebar
feiner ausdrücklichen Crinnerung, mit welcher Genialität Thul
feinem Gemälde von Sicilien die Hauptzüge einverleibt hat, wel
len Aderbaufolonien, des Alterthums wie der neuern Zeit, gemei
Ich habe ihn nur getreu ercerpirtz gleichwohl ift beinah jedes M
das er von Sicilien erwähnt, mit geringen Veränderungen aı
Amerila anzuwenden. Und die Zufunft,wird meine Parallele nc
mer mehr beftätigen.
"Ds:
⸗
F. 3. Krieg in Sicilien. A477
elreden zu Sparta begonnen hatte. Die äußere Mög⸗
it, und Die innere Berechtigung der atheniſchen Herrſchaft
ilegen (VI, 76 fg. 82 fg.); den Beweis zu. führen, daß
Athener, gleich. den meiften Befreiern von Außen ber,
ern nicht die Freiheit, fondern nur eine neue Knechtſchaft
zen wollen; endlich zu zeigen, daß und wie jetzt für Athens
Be die letzte Stunde hexannahe !) : dieß find die Zwecke,
he Thukydides von zwei verſchicdenen Seiten de in die⸗
Neben ausführt: _ |
Die große, dringende Gefahr ‚in 1 welchen Syrakus jegt
ebte, wird durch Alkibiades Nede zu Sparta geſchildert (VI,
+ Zu gleicher Zeit aber wird den Lakedämoniern bier
der Weg gezeigt, wie fie vetten fünnen ; Eröffnung nnd
drüdliche Betreibung des Krieges im Mutterlande ; Unter
ung der Syrakuſier duch Hü ifstruppen P vornchumeich aber
h einen Feldherrn, der fie. zu Eintracht und Gehorſam
ez endlich Eile und Entſchloſſenheit in ber Ausrichtung
Planes (91 fg.). Wie Manches hiervon dem unmittel⸗
n Einfluſſe des. Alkibiades zuzuſchreiben iſt, erkennt man
ms, daß er die Ephoren erſt mühfam überreden mußte,
t durch Geſandte, ſondern durch Kriegsmänner den Syra⸗
rn beizuſtehen (88.). Waren dach auch vor Kurzem erſt
gerechten Erwartungen der Melier fo Bitter getäuſcht wor⸗
(V, 106 f.). Alkibiades Verrätherei ‚hatte ſchon früher
nnen: ſchon auf feiner Verhaftungsreiſe hatte er die An⸗
ge der Athener gegen Meſſene vereitelt (VI, 74.). Sparta
) Dieß Letzte findet ſich u. A. darin ausgeſprochen, daß Hermo⸗
3 auch ohne Hülfe von Kamarinä zu ſiegen hofft, Euphemos aber
dieſelbe nur Niederlagen erwartet (80. 85 fg.) 3 fowie der Athener
bei feinen wahren Abfichten in 86. fein Verderben felbft prophe⸗
ATA Thukyrides. Kap. 15.
gemähnliche Kenntniß des Seckrieges Überhaupt und ber gr
griechiſchen Küſten insbeſondere verräth (37.) 1). Wenn fi
Hermokrates die gewiſſe Hofinung des Sieges ausſpricht (5
fo erſcheint bei Athenagoras auch die Zuverſicht, daß
Kampf viel raſcher in Sicilien, als im Peloponnes mug
entichieden werden (37.) 2). — Wie merfwürbig aber, WW
gerade Nikias, der beftändige Gegner dieſes Zuges, dund.M
ungeheuern Mittel, bie ex dazu forderte, fein Mißlingen am;
recht werberblich machte! *
Thukydides ſagt ausdrücklich, der ſiciliſche Krieg ji ie
Plane inmer noch weniger verfehlt geweſen, als in dar
führung (II, 65.).. Schon Hermokrates erwartet, af ie
unwillige Unentjchloffenheit des Nikias den Syrakuflen mi
wenig zu Hülfe kommen werde (34.) 3). In der That im:
es befremden, wenn der gemäßigtefte, ja verzagtefle Aha
jegt die verwegeniten Plane ausführen follte (VI, 8.) «DR
Statt einem Einzigen das Commando anzuvertrauen, with
ed au Drei vertheilt, am Nikias, Alkibiades und Lamadıl
Daß die beiden Erſtern zuſammen gewählt wurben, lag ia
in dem Gleichgewichte ihrer Parteien begründet. Auch mod
man hoffen, durch die Vorficht des Nikias und die genkk
1) Bgl. VII, 21.
2) In VI, 34. Eur; ber Grund angegeben, weßhalb Athen biöke
gegen Sparta glücklich gewelen war, ebenfo aber gegen Syrakus verlie
ven mußte. Bier ift die ftrengfle Parallele möglih. Vgl. VIL, 55. -
Von der Rede, welche Rikias vor feiner erften Schlacht hält (VI, 6.)
ift ſchon früher gefprochen worden. Vgl. ©. 161. Ich füge noch hing,
daß diefe Betrachtungen dem Hiftoriker wichtig genug fcheinen, um fl
VI, 69. beinahe mit benfelben Worten zu wiederholen.
3) Bei der Abfahrt von Athen betrug fi Nikias wahrhaft fin
difh: er fah vom Schiffe zurüd, wiederholte fortwährend, Alles ge
fchehe gegen feinen Rath, und entmuthigte fo auch die Uebrigen (Plut.
Nicias 14.).
$. 3. Krieg in Sicilien. 479
Mauern, die Waffen und die Gunſt der Lage den Aub⸗
leg geben, fondern das Meifte auf die Zeit und den ver⸗
herten Sinn der Dienfchen ankommt. Noch deutlicher muß
S werden, fobald wir die Ankunft der zweiten Expedition
Syrakus (VIL, 42.) mit der Ankunft der eriten zufammens
ie. Beide waren an Zahl und Ausrüftung ziemlich gleich ;
doch, wie unendlich verfchieden an Erfolg, und felbit an
mblicklichem Eindruck auf die Feinde! Wer über das
hältniß der politifchen Naturgefeße zur Willtür der Einzel-
fchreiben wollte, der müßte an ſolchen Gefchichten vor⸗
weife zu lernen fuchen. — Demoſthenes nahm fofort den
t Plan des Lamachos wieder auf (42.), um Im alle des
Ungens den des Nikias durchzuführen. Allein auch dazu
ite fih die Zaghaftigkeit und nachher der Aberglaube des
as nicht entfchließen (48. 50.) 1). Den Syrakufiern mit
ſteigenden Zuverficht war es bald nicht genug, den Feind
vertreiben, fondern fie begehrten die völlige Vernichtung
sen (56. 73.) 2). Wie e3 gefchehen Tonnte, daß eine fo
je Kriegsmacht in fo geringer Zeit vernichtet wurde, fucht
Eydides damit zu erklären, daß gerade die überfpannte
2) Die legte Seeſchlacht, die Rikias allein lieferte, war gegen
un Willen durch die Unterfelbherren herbeigeführt, die vor Ankunft
Demofthenes etwas Großes zu thun dachten (Plut. Nicias 20.).
Rikias nachher den Rückzug verzögerte, mochte Demofthenes , deſſen
e Rath fo ſehr verunglüdt war, ihm nicht allzu lebhaft widerfpres
(Ib. 24.). Nach der vorlesten Seefchlacht und Eurymedon's Tode
mgten die Athener zu Lande abgeführt zu werben. Aber dem Ni⸗
ſchien es unpaflend, fo viel gute Schiffe zurüdzulaffen. Daher er
das legte Seetreffen nachlieferte (Ib. 24.). Der legte Flußüber⸗
bes Nikias bat mic, immer an die Berefina erinnert.
) Hatten doc auch die Athener förmlich den Beſchluß gefaßt, im
des Sieges alle Syrakufier und Selinuntier als SHaven zu vers
n, bie Übrigen ficilifchen Städte tributär zu machen: Diod.
2.
’
ABA Thukydides. Kap. 16.
fhwächern Sermacht, die auf den großen Flottenkan
zihtn muß, am meilten nützen; indem ihr der Gy
meiften Handelsfchifie zum PBlündern darbietet. So na
zwifchen Frankreich und England im Revolutionskri
Bon der Größe der atbenifchen Seemacht redet Perik
62: daß es Feinen König und Fein Volk gebe, wek
Schifffahrt der Athener ein Hindernig könnte in der
stellen 1).
Das erfte Zufammentreffen der beiden Flotten wi
I, 83 fi. geſchildert. Bier fehlugen unter Anführu
Phormion?) 20 attifche Schiffe 47 peloponnefifche
Flucht; ohne daß fie andere Hülfe gehabt hätten, ala il
wanbtheit, ihren ruhigen Dieniteifer und ihre Kennt
Meeresnatur. Je unbegreiflicher den Lakedämoniern die
derlage erfcheinen mußte (85.), deſto weniger glaub
kurz darauf unter Anführung des Brafidas fürdten ;
fen ; zumal fie jet dem unverftärkten Feinde 77 Segel
genftellen Tonnten (86.). In den Reden der beiden M
(87. 89.) pocht der Lakedämonier auf die überlegene
und bie angeborene Tapferkeit der Seinigen, mogegen ih
erfahrenheit fih mit jedem Kampfe verringern müſſe;
darauf, daß die lakedämoniſche Flotte immer ein Landh
Rückhalt beſitze. Das anfängliche Miglingen erklärt
mangelhafter Rüftung ; daraus, daß fie nicht ſowohl z
1) Wenn wir bie peloponnefifche Seemaht im Laufe bes
der athenifchen gleichlommen, zulegt fogar überlegen werben fel
glaube doc, Niemand, daß es fidy hier bloß um militärifche 8
handele. Wenn irgend etwas, fo ift die Seemacht ein Probuct |
wideltften Vorausfegungen; wo fie zunimmt, da müflen Gewerbfl
Handel, Stäbtewefen und unternehmungẽgeiſt der Bürger vorh
nommen haben.
2) Den Ariftophanes aud mit zu den Schwarzhintrigen
Lysistr. 805.
$. 3. Krieg in Siellien. A479
Blauen, die Waffen und die Gunft der Lage den Aus-
Weg geben, ſondern das Meifte auf die Zeit und den ver⸗
Herten Sinn der Menſchen ankommt. Noch deutlicher muß
wi werden, fobald mir die Ankunft der zweiten Erpebition
Eyrakus (VII, 42.) mit der Ankunft der erften zuſammen⸗
Bien. Beide waren an Zahl und Ausrüftung ziemlich gleich;
w doch, wie unendlich verſchieden an Erfolg, und felbit an
licklichem Eindruck auf die Feinde! Wer über das
Weältnig der politifchen Naturgefeke zur Willkür der Einzel:
a fehreiben wollte, der müßte an folchen Gefchichten vor⸗
hweife zu Lernen fuchen. — Demoſthenes nahm fofort den
Ben Plan des Lamachos wieder auf (42.), um im Kalle des
Mölingens den des Nikias durchzuführen. Allein auch dazu
Uinte fich die Zaghaftigkeit und nachher der Aberglaube des
Was nicht entfchliegen (48. 50.) 1). Den Syrakufiern mit
Bir fteigenden Zuverficht war es bald nicht genug, den Feind
"yerteeiben, ſondern fie begehrten Die völlige Vernichtung
Kelten (56. 73.) 2). Wie e8 gefchehen Tonnte, daß eine fo
oße Kriegsmacht in fo geringer Zeit vernichtet wurde, fucht
jukydides damit zu erflären, daß gerade die überfpannte
) Die legte Seeſchlacht, die Nikias allein lieferte, war gegen
wen Willen durch die Unterfeldherven herbeigeführt, die vor Ankunft
ÜDemofthenes etwas Großes zu thun dachten (Plut. Nicias 20.).
Y xitias nachher den Rückzug verzögerte, mochte Demofthenes , deffen
Jer Rath fo fehe verunglückt war, ihm nicht allzu lebhaft widerfpres
we (Ib. 24.). Rach der vorlesten Seefchlacht und Eurymebon’s Tode
Klangten die Athener zu Lande abgeführt zu werben. Aber bem Ni⸗
BB ſchien es unpaflend, fo viel gute Schiffe zurüdzulaffen. Daher er
das legte Seetreffen nadylieferte (Ib. 24.). Der letzte Flußüber⸗
ng des Nikias bat mic, immer an die Bereſina erinnert.
Batten doch audy die Athener förmlich den Beſchluß gefaßt, im
I des Sieges alle Syrakuſier und Selinuntier als Sklaven zu vers
fen, die übrigen ſiciliſchen Städte tributär zu machen: Diod.
IL, 2
ABO Thukydides. Kap. 15.
Verwegenheit der Athener beim erſten Mißlingen dem e
gengefetten Ertreme meichen mußte (21. 66.). Alfo du
Eigenthümlichkeit des athenifchen Charakters, welche dene
Anfangs fo Hoch erhoben, nachmals in dieſe verhänguij
Gefahr verwickelt hatte: fie wirkte noch in dieſer Gefahr
tee, und: befchleunigte und ſteigerte das endliche Verde
„Dieſes waren die Ereiguniſſe in Sieilien” (VII, 83.) 1).
8. A,
Dekeleifcher Krieg.
Während der Fortdauer des fyrakufifchen Krieges b
Thukydides Die Kämpfe im, Mutterlande nur dazu, um
allmählig auch dort entitehenden Bruch Der beiden Hauptu
einzuleiten 2). Doch iſt Die Befeßung von Dekelea
an vom größten Gewichte. Alfibiades verfichert
drücklich, daß die Athener ſelbſt ſich vor dieſer Maßregel
beſonders gefürchtet haben. Die früheren temporären Ei
in Attifa wurden hierdurch permanent gemacht, alſo um
gefährlicher. Das ganze Landgebiet, mit feinen Aeckern
Silbergruben, war für Athen jet verloren (VI, 81.91.).
Beſatzung von Dekelea Eonnte ſich mit Böntien, dem gi
Norden und felbjt mit Euböa fehr bequem in Verbindun
ben. Dazu Fam, daß mehr ald zwanzigtaufend atha
Sklaven zum Feinde überliefen (VII, 27.) ; daß auch die
fuhr aus Euböda, flatt auf dem Landwege, jet viel umf
licher zur See erfolgen mußte (28.). Wür eine fo dicht
drängte Bevölkerung, wie zu Athen, Fein geringes U
1) Daß Thukydides mit ben erſten fieben Büchern einen Hat
ſchnitt habe machen wollen, beweifet Ferd. Ranke auch dur
Wiederkehr des Gebantens von I, I. in VII, 87: Vita Aristop
CCCXVI.
2) Bel. VI, 105.
$. 4. Dekeleifcher Krieg. a8
a Stadt mar jet von der Landfeite faft ſchon im Belage-
Muſtande (VII, 28.). Und es ift leicht einzufehen, wie
ſetwaige Verbindungen des Feindes mit den Oligarchen
Dirmern durch dieſe Nähe gefördert werden mußten i).
Die Kriegsführung der Athener nach der Niederlage vor
ws iſt beinah ausſchließlich defenſiv. Sie verlaffen
Jumnũtzen Angrifföpunfte, und richten ihr Augenmerk vor⸗
weile auf Die Sicherung der Bundeögenofjen (VIII, 4.).
nichos, den Thukydides gerade in dieſem Stüde einen
indigen Dann nennt, will auf jede Art eine Entſchei⸗
Basfchlacht vermieden wiſſen. Wenn Die jebige Klotte ein
BE erleive, fo babe der Staat Feine zweite mehr
3). Eine Anficht, welche durch die Schlacht im Hellespont
allzu ſehr beftätigt werben follte.
L Ein Charakter, wie der lakedämoniſche, ift weder
‚ noch plöglich zu Neuerungen zu bewegen, Auch jebt
5 fehen wir fie durch das erſte Mißlingen im Seekriege
hlos werben; und es bebarf aller Beredtſamkeit des Alti-
jes, um fie zur Fortſetzung anzutreiben (VIII, 11 fg.) 2).
Ber wird noch kurz vor dem Ende des ganzen Werkes der
bekannte Gegenſatz der athenifchen und lakedämoniſchen
führung auf's Neue hervorgehoben (96.) 3).
D) Bol. Scheibe Die oligardhifche Ummälzung zu Athen und das
des Eukleides (1841.). ©. 5.
9 el. VII, 32. 78.
8 Den Krieg in Afien und zur See behalte ich bem nächſten Ka⸗
vor, weil bier die Bundeöverhältniffe den Hauptplag einnehmen.
Eins kann ich nicht umhin fchon bier anzumerken. Che felbft die
lacht im Hellesponte noch geliefert war, konnte ber Aus⸗
des Krieges „ Niemanden zweifelhaft fein. „Die lakedämoni⸗
Slotte von dem einzigen, Träftigen Willen des Lyſandros nad) fefter
geleitet, daher auch -mit energifcher Einheit handelnd, ſchlau
bis zum geeigneten Augenblicke; bie Athener dagegen ohne Eins
des Willens und Befehls, zur rechten Zeit ber Rafchheit erman⸗
31
ABO Thukydides. Kap. 15.
Verwegenheit der Athener beim erſten Mißlingen dem ı
gengefehten Extreme weichen mußte (21. 66.). Alſo di
Eigenthümlichkeit des athenifchen Charakters, melche dent
Anfangs fo. Hoch erhoben, nachmals in dieſe verhängnli
Gefahr verwickelt Batte: fie wirkte noch in dieſer Gefahr
tee, und: .befchleunigte und fleigerte das emdliche Verd
„Dieſes waren die Ereigniſſe in Sieilien“ (VIE, 83.) '),
8, 4.
Dekeleifcher Krieg.
Während der Fortdauer des fyrakufifchen Krieges b
Thukydides Die Kämpfe. im Mutterlande nur Dazu, wm
allmählig auch dort entitehenden Bruch der beiden Hauptn
einzuleiten 2). Doch ift die Befeßung von Dekelea
unmittelbar vom größten Gewichte. Alkibiades verfichert
drücklich, daß die Athener felbft fih vor Diefer Maßregel
beſonders gefürchtet haben. Die früheren temporären Gi
in Attila wurden hierdurch permanent gemacht, alfo un
gefährlicher. Das ganze Landgebiet, mit feinen Aedern
Silbergruben, war für Athen jekt verloren (VI, 81.91.).
Defakung von Dekelea Eonnte fi mit Böotien, dem gi
Norden und felbft mit Euböa fehr bequem in Verbindun
ben. Dazu Fam, daß mehr als zwanzigtanfend athe
Sklaven zum Feinde überliefen (VII, 27.) ; daß auch die
fuhr aus Eubda, ftatt auf dem Landwege, jebt wiel umf
Ficher zur See erfolgen mußte (28.). Wür eine fo did
drängte Bevölkerung, mie zu Athen, Fein geringes 1
1) Daß Thukydides mit ben erſten fieben Büchern einen Ha!
Schnitt habe machen wollen, beweifet Ferd. Ranke auch bu
Wiederkehr des Gedankens von I; 1. in VII, 87: Vita Aristop
CCOXVI.
2) Bgl. VI, 105.
5. 4. Dekeleifcher Krieg. A481
Stadt war jebt von der Landfeite faft fehon im Belage-
ande (VII, 28.). Und es tft leicht einzufeben, wie
etwaige Verbindungen des Feindes mit den Oligarchen
\ durch dieſe Nähe gefördert werden mußten 1).
z Die Kriegsführung der Athener nach ber Niederlage vor
8 iſt beinah auöfchlieglih Defenfiv. Sie verlaffen
ummühen Angrifföpunfte, und richten ihr Augenmerk vor⸗
Böweife auf die Sicherung der Bundesgenofien (VII, 4.).
08, den Thukydides gerade in dieſem Stüde einen
Kenia Mann nennt, will auf jede Art eine Entichels
abſchlacht vermieden wiſſen. Wenn die jebige Flotte ein
erleive, fo habe der Staat Feine zweite mehr
). Eine Anficht, welche durch die Schlacht im Hellespont
allzu fehr beſtätigt werden follte.
Sin Charakter, mie der lakedämoniſche, ift weber
„ noch plößlich zu Neuerungen zu bewegen. Auch jebt
fehen wir fie duch dad erſte Mißlingen im Seefriege
werden; und e8 bebarf aller Beredtſamkeit des Alki⸗
‚ um fie zur Fortſetzung anzutreiben (VIII, 11 fg.) 2).
wird noch kurz vor dem Ende des ganzen Werkes der
te Gegenſatz der atheniſchen und lakedämoniſchen
führung auf Neue hervorgehoben (96.) >).
[nz
nn)
u
HD Bel. Scheibe Die oligarchiſche umwälzung zu Athen und das
des Eulleides (1841.). ©. 5
9) Bol. VIII, 32. 78.
2 Den Krieg in Afien und zur See behalte ich dem nächſten Kas
vor, weit hier bie Bunbesverhältniffe den Hauptplat einnehmen.
e Eins kann ich nicht umhin ſchon Hier anzumerken. he felbft bie
lacht im BHellesponte noch geliefert war, konnte ber Aus⸗
des Krieges „ Riemanben zweifelhaft fein. „Die lakedämoni⸗
von dem einzigen, Träftigen Willen bes Lyſandros nach fefter
geleitet, daher auch ‚mit energifcher Einheit handelnd, ſchlau
bis zum geeigneten Augenblide ; bie Athener dagegen ohne Ein⸗
m oe Willens und Befehls, zur rechten Zeit ber Raſchheit erman-
31
489% Thukydtdes. Kap. 15.
geinb, zer kugehörigen Übereitt, madhläffig mit Abficht, oder
fhöpfung von der Uebereilung „ ficher und forglos aus Verken
Abſicht des Feindes bei feiner klugen Zögerung — dazu gleichgält
guten Rath aus @iferfucht und zu großem Selbſtvertrauen —: lauter A
ten und Genoſſen, ober wenigftens Beichen ber hinſinkenden Demokt
Lakedämonier mit guten Schiffen und reichlich mit perfifhem €
anderen Bubfidien, die Athener mit Nichts ald Waffen und Schi
geftattetz jene im Rüden durch Kleinaften gedeckt und im Bel
bequemen Hafens und einer reichen Stadt, diefe an einem flad
welches ohne Hafen und Stabt war, unb genöthigt, erſt na
funfzepn Stadien weit zu geben, um ſich Lebensmittel zu ver
jene dem Commando unbedingt zu folgen gewohnt, dieſe ohn
Mäannszuht. Dieb war die Lage der Parteien, die vor Aego
ſich feindlich aegenäbeeitanden” (Scheibe a. a. O. ©. 19.).
Es iſt merkpurdig, daß bie drei vornehmſten Niederlagen t
ner, zu Syrakus (VII, 40.), zu Eretria (VIII, 95.) und in
pont, faft auf die nämliche Weiſe veranlapt find: indem bie
beim Eſſen zerfireut-, durch den Feind überfallen werben.
Sechzehntes Kapitel.
und vierter Sauptfaden — Seemacht umd
Bundesbherrſchaft.
u |
8. 1.
Seemadt'’) nn
ah dem Ausbruche des peloponnefiichen Krieges fuchten Die
dämonier, was ihnen an wirklicher Kraft abgiug, durch
Jprahleriſche Beſtellungen zu erfegen; denn anders kann es
en genannt werden, wenn fie eine Flotte von fünfhundert '
Kiffen unter ihre Bundeögenofjen vepartiven mollen 2), wäh⸗
PD im Perſerkriege die geſammte Macht der Hellenen ‚nur
zhundert Segel betragen hatte (I, 74.). Sie vergaßen,
fe e3 Landmächte fo oft thun, daß die Schiffe immer noch
ter zu haben find, als die Mannfchaften. — Späterhin
a wir von Kaperbriefen, welche der lakedämoniſche Stadt
ſcheilt (V, 115.). Dergleichen Mittel merden immer der
I) Bol. Hierzu die vortrefflichen Unterfuchungen von Böckh in ber
haushaltung Ih. 1, ©. 288 ff. Auch ganz neuerlich in den Urs
zur Geichichte des athenifchen Seewefend. K. G. Krueger
ysii Historiogr. p. 286 sqaq.
2) II, 7: vgl. IV, 17 med.
31 *
ABA Thukydides. Kap. 16.
fhwächern Seemacht, die auf den großen Flottenkampf
zihten muß, am meilten nützen; indem ihr der Gegner
meiſten Handelsfchiffe zum Plündern darbietet. So
zwifchen Frankreich und England im Revolutionskriegte.
Bon der Größe der atheniſchen Seemacht redet Perikles
62: daß es Keinen König und Fein Volt gebe, welche;
Schifffahrt der Athener ein Hinderniß koͤnnte in den
Stellen 1).
Das erſte Zufammentrefien der beiden Flotten wich
I, 85 fi. geſchildert. Hier fchlugen unter Anführung
Phormion?) 20 attifche Schiffe 47 peloponnefifche in.
Flucht; ohne daß fie andere Hülfe gehabt hätten, ala ihre
wandtheit, ihren ruhigen Dienfteifer und ihre Keuntuiß
Meerednatur. Se unbegreiflicher den Lakedämoniern diefe
derlage erfcheinen mußte (85.), deſto meniger glaubten
kurz darauf unter Anführung des Brafidas fürchten zu
fen; zumal fie jet dem unverftärkten Feinde 77 Segel
genftellen Tonnten (86.). In den Reden der beiden
(87. 89.) pocht der Lakedämonier auf die überlegene
und die angeborene Tapferkeit der Seinigen, wogegen ihre IM
erfahrenHeit fih mit jedem Kampfe verringern müſſe;
darauf, daß die lakedämoniſche Flotte immer ein Landheer
Rückhalt befite. Das anfängliche Mißlingen erklärt er
mangelhafter Rüftung ; Daraus, daß fie nicht ſowohl zu
1) Wenn wir bie peloponnefiiche Seemacht im Laufe bes
der athenifchen gleichlommen, zulegt fogar Überlegen werben fehen,
glaube doch Niemand, daß es fich hier bloß um militärifche Bo
handele. Wenn irgend etwas, fo ift die Seemacht ein Product ber m
wideltften Vorausſezungen; wo fie zunimmt, ba müſſen Gewerbfleif
Handel, Städteweſen und Unternehmungsgeift dee Bürger vorher
nommen haben.
2) Den Ariftophanes auch mit zu den Schwarzhintrigen
Lysistr. 805.
$. 1. Seemacht. 485
lacht, als zu einer Landſchlacht ausgeſegelt waren ; ende
auch aus der Ungunft des Schickſals. Der Athener ans
Nſeits vertraut vor Allen auf die frühere Gewohnheit des
Biyen, welche den eigenen Muth hebe, den Feind in Angft
‚. jedenfalls aber ein Ausweichen ihnen. felbft moralifch uns
mache. Wie fchön diefe Reden die Natur und den
des ganzen Krieges abfpiegeln, Habe ich früher ſchon
tet. Was den Ausgang betrifit, fo gewährte. dieß
en auf keiner Seite Entfcheidung : die Athener zwar kämpf⸗
größerm Ruhme, die Lafevämonier aber waren Doch
feoh., Feine Niederlage erlitten zu haben 1).
re höchſte Stärke erreichte die Seemacht von Athen
ommer des vierten Jahres, wo fie bis auf 250 Segel
„ vie Staatökaffe freilich durch ſolche Anftrengungen
‘wenig erfchöpft wurde (III, 17.). Auf ähnliche Weife
Thukydides an, zu welcher Zeit Die athenifche Landmacht
Gipfel erreicht (IL, 31.), und bei welcher Gelegenheit
verſeits die Lakedämonier das fchönfte Heer in's Feld ges
haben (V, 60.) Ron jener athenifchen Landmacht
freilich der Kern der Schwerbewafineten bald hinwegge⸗
(il, 8.).
»Den früheſten Vorteil errang die lakedämoniſche Flotte
* des fünften Jahres (427.), zwar ebenfalls nur
6 bedeutende Ueberzahl und mit großer Furcht vor einer
uchlommenden, gleich ſtarken Abtheilung der Athener (III,
Bf). Sie Hatten auch fofort nach dem Mißlingen der les⸗
en Unternehmung eine Verſtärkung ihrer Flotte befchloffen
1, 69.). Die höchſte Ueberlegenheit der Athener zeigte fich
eachtet erſt fpäter, bei dem Kampfe um Pylos (3.
), wo die Athener fi auf dem Lande, und zwar auf
dlichem Lande, gegen einen Seeangrifſ der Lakedämonier
2) Wet. IV, 26.
A Thufppived. Kap. 16.
folglos bließen (V.J,:203. VIL,:57.). Auch fahen die
ner im Ganzen den adryſiſchen Sitalkes ?), Die Lakeda
den Perdikkas von Makedonien für ihren Verbiindeten
ren inconfequente und. launige Politik ihre Hulfe all
nicht wiel werih machte... Die fchöne Mede, worin B
für alle Zeiten. die ſich gleichbleibende Natur des Ba
krieges fchildert, ijt ohne Zweifel aus den eigenen ſtrate
Erfahrungen. des Thukydides herporgegangen 2). Durch
— — — ——— —
1), Sitalkes, und mehr noch fein Sohn, ſcheint ben Athem
von ‚feiner Freunbihaft vorgeredet au haben. Auch verſprachen fi
Maſſen von Hülfstruppen um Solb. In Ariſtophanes Xd
(Januar 425) kommt ein Geſandter vor, Theoros, ber an ben €
geichikt war, ‚und bem Volke :vielen Wind vormachte. Diefe G
haft -teifft in die Archontate. bed Diotimos und Stratokles (428-
F. Ranke Vita Aristoph. CCCLI sgq- Theoros erſcheint
Wespen als Volksſchmeichler (43 fg. 599.), daher ihn der Chor z
kämpfung der Oligarchen auffordert (448.)5 als Parafit und Freu
Aleon, doch aber als Achſelträger (1237 ff.). Im dem Wollen 9
Meiveidiger (399.). — Nach Schöli' s glücklicher Vermuthung
des Soͤphokles S. 162 ff.) wäre die Trilogie, womit Philokles de
nig Oedipus überwand, die Pandionis geweſen. Dieſer finftere ‘
der als Aeſchyleer, d. h. wohl conſervativ Gefinnter, dem pelop
ſchen Kriege abgeneigt ſein mußte, konnte leicht darauf verfallen
Bunde mit Teres eine mythiſch traurige Prognoſe zu ſtellen. Vgl
S. 127.
2) Unter Barbarenkrieg verſtehe ich hie Nomadenkrieg.
kriegeriſch überhaupt das Nomadenleben zu ſein pflegt (vgl. Gi
Hist. of the Roman empire: Ch. 26.), und ſo ſtark fie be
in. ber Defenfive find, fo tft ihr Angriff doch nur für jugendlih
und für altersſchwache Kulturvölker gefährlih. Die Stärke der
den befteht im flürmijchen Anlaufe; läßt ſich der Feind dadurdy je
gen, fo ift er die fihere Beute ihrer Gefchoffe und ihrer Schne
Gegen wohlbisciplinirte, fchwerbewaffnete Infanterie= ober Car
maffen vermögen fie wenig: Werheerung bes platten Landes, 4
bung der Zufuhr, Aufhebung kleiner Corps — mehr haben die {
gegen Braſidas, die Numidier gegen Rom, die Kofaden gege:
drich d Gr. und Napoleon niemals ausrichten können. Defto a
cher find fie für foldye Gegner, deren Fußvolk nicht die Seelenft
&l Seemacht. 487
heniſchen Segeln 25 korinthiſchen Stand zu halten. Ein
licher Wechfel, wenn man fich die obenerwähnten
dſätze des Phormion in's Gedächtnig ruft )! Dad
ten noch im Jahre 411 Die Peloponneſier ihre 112 Schiffe
un atheniſchen nicht gewachſen (VIIL, 79 fg.) ). Auch
‚um dieſe Zeit die Öffentliche Meinung den Korinthiexn
i Sieg iu, wenn fie uur keine völlige Niederlage. erlitten,
‚den Athenern eing Niederlage, wenn fie nur keinen Röllj—
Sieg errungen Hatten (VII, 34.). — Nach dem fidfin
Unfalle, welcher den Athenern ihre Seeübermacht und
zugleich ihre politiſche Größe überhaupt gekoſtet hatte
„G66.), mußten fie dennoch durch weiſe Einſchränkung
,„ 1.) und Eluge Vorficht im Welde (VIII, 26.) wenig⸗
" ein Gleichgewicht mit den Peloponneſiern wiederherzuſtel⸗
m. Mehr freilich auch nicht: indem beinah jedem Vortheile,
ſie davontrugen, ein ähnlicher Nachtheil entweder voran⸗
Bi oder nachfolgte 3). Hier ſollte ſich der Ausſpruch des
zerikles bewähren, wenn auch in umgekehrtem Sinne, als
ihn gemeint hatte, daß der Reichthum an Hülfsmitteln
herer den Krieg beendige, als einzelne gewaltfame Anfteen-
Bigen (I, 141.). Auch anderswo hatte ex ja gefagt, durch
eld und Klugheit müſſe der Sieg errungen werben 9) 5).
1) Man fieht alſo, diefe Veränderungen find erfolgt vor der ſyra⸗
Üfcyen Niederlage und vor ber Verbindung Lakedämons mit bem
DOoßherrn.
2) Körmliche Verachtung ber attiſchen Marine erſcheint bei den Pe⸗
onneſtern nur VIII, 8.
3) VIII, 10. 20. 94. 103.
4) 11, 13: vgl VI, 34. — In der Arginuſenſchlacht waren die
Loponnefier befiere Segler, und deßhalb zum eigentlichen Mandvriren
iger, als die Athener. So fehr hatten ſich die Verhältniſſe umge⸗
xt: Xenoph. Hell. 1, 6, 31.
5) Zwei Momente, die zue Gutſcheidung des peloponnefifchen Kries
"19% Thukydides. Kap. 16.
Friede gegönnt wurde (V, 94ff.).'). Ich Brauche wohl f
zu erinnern, wie fait nothwendig diefe Grundſäütze an.
entgegenfiehenben Natur der beiden Staaten hervorzin
Athen, das immer weiter fixebte, mit rlickfichtölofer Geige
ſamkeit weiter ſtrebte; Sparta, das mir erhalten iwollte, at
Alles zögernd von der Zeit erwartete. Athen, das diem
kräftigen Staaten von Hellad zu unterfochen dachte; ps
das erſt nach der Zerrüttuung von Athen die fchon gem
Sellenenwelt beherrſchen ſollte. Uebrigens Leuchtet es ein, n
Athens Verfahren nur fo lange nützen konnte, als feine Di
zugleich im Steigen war. Denn die Mehrzahl der Diener
ft unentſchloſſen. Als aber das Sinken begann, da Til
jene Politit nur die Zahl und den Ingrimm ihrer * u
vermehren helfen.
Die erſte Veränderung im Innern des atheniſchen *
niſſes beſtand nun darin, daß einige abtrünnige oder zei
bafte Alliirte lieber geradezu verfagt, ihre Städte aber wii
athenifchen Koleniften beſetzt wurden. So erging es Both
däa (HI, 70.); fo auch dem altberühmten doriſchen Aegi⸗
na 2). inigeemaßen mochte auch der Grund mitwirken, den
zuſammengepreßten Athenervolke durch Kolonifation einige Er f
leichterung zu verfchaffen 3).
Der erſte fürmliche Abfall gefhah von Mitylene: 1
einer Zeit, wo Athen freilich von der Peft geplagt, und ji
vielfacher Theilung feiner Seemacht gezwungen mar, wo Lo
kedämon jedoch den zweckmäßigen Schauplag feiner Angift
I) Die graufame Ermordung ber neutralen Seeleute, welche von
den Lakedämoniern berichtet wird, geſchah nur zu Anfang des Kriege,
und mag aus der allgemeinen Robheit ihres damaligen Kaperweſens fr
juleiten fein (II, 67.).
2, II, 27: vgl. I, 67.
3) Plut. Pericl. 34.
$. 2. Bundesgenoſſen. 489
nen langen Widerfland würde Ielften können (VIL,28. VIII,
124.). Eine ähnliche Erwartung bildet die Grundlage von
henagoras Rede im fechften Buche: fie iſt daraus zu erfläs '
weil Athen nach der bloßen Zahl der Hülfsmittel feinen
pen natürlich nachſtand, Die Wirkungen der Einheit aber
Concentration im Voraus meiſtens nicht Hoch genug ans
en werden !).
:Die wirklichen Bundeögenoffen beider Parteien werden
1:9. aufgeführt. Ein ähnlicher Katalog findet fih fpäter
9 einmal (VII, 57 fj.), unmittelbar vor der Kataſtrophe,
d nach mefentlicher Erweiterung des Kriegsſchauplatzes. Die
Fhündeten Athens Hielten nicht fowohl des Rechtes megen
x aus Verwanbtfchaft zufammen, fondern theils aus Zu⸗
» tbeild aus Eigennuß oder aus Zwang: Bunt gemifcht
I jedem Stamme 2), aus jeder Landfchaft, während Die
ner, mit Ausnahme der Böotier und etlicher Miethsſolda⸗
„ alle aus dorifchem Samen entfproffen waren. — . Von
& atbenifchen Bunde war der peloponneflfche geographiſch
wah umzingelt (Il, 7.) 2). Uebrigens waren die Bündniffe
»t auf Hellas eingefchränft. So wußten die Athener von
Hülfe der fieilifchen Barbaren mehrfach Nutzen zu ziehen.
e Tnüpften Unterhandlungen an mit dem fernen Karthago
> Etrurien (VI, 88.), die bei dem leßtern nicht ganz er⸗
1) Daher auch 3. B. im Anfange bed neuern Revolutionskrieges
älfsmittel Frankreichs viel zu niedrig tarirt wurben. Ebenfo die von
um; I. gegenüber Karl V.
2), Daß ed ben Athenern gar nicht mehr auf den Stammesunter-
Ed der Zonier, Dorier u. f. w. ankam, zeigt Hermokrates:
» 61.
—2) Man beachte wohl bie fchöne Symmetrie, womit die Aufzähs
ig dee ſämmtlichen Bundeögenoflen fireng von Oſten nach Weften forts
Beitet (II, 9.). Eine Symmetrie, welche bei Dichtern und Bilbnern
Thukydides Zeit bereitd abnahm,
AOA Ahuthdides. Kap. 16.
feine. Zwangsmittel gegründet (III, 37.). Auch wochte fg:
wie fo. oft gefchieht, die äußere Härte ein Deckmantel Vak
nern Furcht und Schwäche. fin — Daher iſt es vor
großen Gewichte, wenn in den: Wechſelreden ve Kleım
Diodotos der Eine beweifet, dag die Bundesgenoſſen Al
erbittertſte Yeinde und nur durch rücdfichtälofe Gewalt zu |
fein find (III, 37. 39 fg.); der Andere aber zeigt, uf
Gewalt hier zu gar Nichts Helfen Tann (45.), eher nic
die Milde, Die forgfältige Aufficht (46.) 1). und die Begik
gung des Demos gegen Die Höherfiehenvden (47.) 2).
Während aljo die fernen Zinspflichtigen für Di
noch wieder bezwungen wurden, fand der einzige treue
deögenofje der Athener in ihrer Nähe, fand das oft ereil
Platäa einen elenden Untergang, meil bier. der Feind zu Tui
auftreten Eonnte (IH, 68... — Sm meitern Verlaufe
Geſchichte wird von den Bundeögenofien zunächſt wenig W
nommen. Mit großer Genauigkeit aber fchildert der Hifer
in Jonien die geringfügigftn Ereigniffe, weil fie den kin
gen Abfall vorbereiten 3).
Weiterhin ziehen Brafidas Thaten an der nat
fehen und thrafifchen Küfte unfere Aufmerkſamkeit auf fd) R
Sie finden ſich vorbereitet durch die Kleine, aber Geiſt dh:
mende Nede des Teutiaplod (III, 30,), vie zugleich vu ik
— — — — —
1) Schon Perikles hatte ämſig dafür geſorgt, daß nicht einmd |
Seeräuber den Bundeögenoffen nahe Eommen follten (II, 32.). Lehalih
kurz nach ſeinem Tode (II, 69.).
2) Die Vertreibung der Delier, welche gleich nach dem nikiſen J
Frieden von Delphi aus rückgängig gemacht wird, ſchreibe ich vornei®
lic, aud) dem Beftreben zu, die Zonier und Übrigen Bundesgenoſſen b
nes altgemohnten Mittelpunftes zu berauben.
3) III, 32. IV, 52. 75.
9) Zrüheres Auftreten des Brafidas: II, 25. Dann dem Php
$. 2. Bundesherrfchaft. Braſidas. 295
deres Hervorheben von Alkidas Zaghaftigkeit den mächtigen
ſchritt von Hier zu Braſidas vecht in's Licht ſtellt. Nach
ber wurde Das Auge des Helden wohl dadurch gelenkt,
"Ach Hier die abgefallenen Bundesgenoſſen Athens ſchon
ſelbſt in ziemliher Unabhängigkeit erhalten Tonnten (II,
1 Hier fchlug num Brafidas durch feine Eluge Ehrlichkeit
Acthenern nicht bloß augenblicklich die tiefſten Wunden,
yern untergrub ihre Bundesherrſchaft much für die Zukunft:
Ach, mie fie Baufaniad durch ein entgegengeſetztes Betras
vorbem befbrdert hatte 1). Daher wird die erfte Hälfte
Krieges, die To ſchoön mit der Gefchichte des Paufanias
jeleitet war, mit dem Braſidas vortrefflich abgefchloffen. —
der Rede vor den Akanthiern (IV, 85 fi.) tritt Brafidas
udezu ald Befreier der Hellenen auf. Die bisherige Poli-
won Lakedämon wird als falfch anerkannt; anerkannt auch,
: "jene Bundeögenofjen die natürlichen Kreunde der Lakedü⸗
rrier find (85. Die weiſe Mäßigung des Braſidas, der
ner Partei Mißhandlung ihrer Gegner geftattete, wird in
ar ſehr deutlichen Gegenſatz geftellt zu der ausgearteten Po⸗
8: feiner fpäteren Nachfolger (85.) 2). Uber bei aller Milde
Teich Die Höchfte Entfehloffenheit geäußert (87.). Alles dieß
* augenfheinlichem Rückblicke auf das Achnliche in der. Ge-
ichte der athenifchen Hegemonie. Befondere Aufmerkſamkeit
S auch dem Abfalle von Skione gewidmet, das wenigſtens
ra praktiſchen Erfolge nach als die erſte abtrünnige Inſel⸗
Dt gelten konnte (IV, 120. 122.). Die lebte Nede des
afidas (V, 9.) und das folgende Apophthegma dienen wohl
>m gegenüber. Wieder in dem Handſtreiche auf den Peiräeus. Dann
» 76. 79. Sein glänzendes Betragen vor Pylos: IV, 11 fg. Nicht
re Wahrheit hat Platon den Brafidas mit Achill verglichen.
1) Bol. befonders IV, 81. 108.
2) Bgl. IV, 114.
A096 Thukydides. Kap. 16.
nur dazu, die Erfahrung und Heldentugend des großen
nes noch einmal zufammenzufaffen: eines Mannes, de
kydides als ein herrliches Gegenbild aller gleichzeitigen
ſchen Staatömänner fcheint betrachtet zu haben. — De
Erfolg diefer Unternehmungen Tonnte den Lakedämoni
jet noch nicht zu Theil werden. Kurzfichtige Famil
um die auf Sphakteria gefangenen Junker, ja fogar €
einiger Staatömänner auf den Braſidas ließen Die grof
fänge nur zu einem Beinen Ende benußen (TV, 108. \
Selbſt mit feinem Leben erkaufte Braſidas unmittelba
Nichts, als einen zweidentigen Frieden. Aber die ©ı
er geſtreuet, ſollte nach einem Jahrzehent die rei
Früchte tragen (1V, 81. VI, 10.).
Su den Verwirrungen des nikiſchen Frieden
e8 mehrmals den Anfchein, als wenn Durch den Lebe
niger Staaten Die ganze biöherige Lage der Bündniſ
umgeändeet werben. Aber es blieb bei dem Schein
denn ein fchnelles und inconfequentes Wechfeln der B
nur in der Kindheit und im Greifenalter der Politik
fein kann. Am allerwenigften da, mo auögebilbete 9
im Innern auch die auswärtigen Verhältniffe firirt Hal
Während des Krieges felbit muß fich Die Lage de
nifhen Bundeögenofjen auch in finanzieller Hinficht be
verfhlimmert Haben. Sn der angeblich andofideifche
gegen Alkibiades wird diefem vorgeiworfen, er babe de
but bei Gelegenheit einer neuen Abfchäkung durchgän
dad Doppelte erhöhet; d. h. im Vergleich zu dem altı
ſus des Arifteides 1). Ganz fo gefährlich wird die Sa
wohl nicht fein. Perikles ſchätzt zu Anfang des Krie
Tribut auf 600 Talente, während ex unter Arifteives ı
betragen Hatte 2, Nun ift ex fpäter in feiner Höchft
) Andocid. adv. Alcib. C. 11.
23) Thucyd. II, 13.
$. 2. Bunbeäherefaft. -Ixlbnt:; Abfall. 497
Prnicht Über. 1300 ‚Talente: geſtiegen ). Einige Erhlhung
Khuuß: ſchon vor dem nikiſchen Frieden erfolge: fein: weil
ev: Friedendaete felbſt für die autonomen Bumdenfläbte, aug⸗
iche die Fortzahlumg der ariſtideiſchen Steurr bedungen
3)... Eine andere, Echohung iſt nachher beliebte, während,
konßen ſyraluſiſchen Krjeges, womit, zugleich der ‚hirasta
kinzeinen Hafenzoll von fünf Prorent verwandelt mpg
98V Solglich,:harf Allibiadez, der; nicht wohl vor
inader Schätzungacommiſſton ſitzen Fopunte en. 2: Here
ngader Ahgohe nicht, zugeſchriehen erben... Erhöhet
meg er ſie immerhin. Was die Powanriu⸗g in einen
I betcifft, fo iſt: aß. ein allgemeines Gefetz der. Staatwirtha
in Daß ;auf den Ahern Kulturſtufen Indixeste Kaya her nam
eoier, werden, gis dixecte 2). Eine —— dieſes
ehe. wirde mich Gier; zu: meit führen. - Elta
Ro dex ſiciliſches Riederlage hatten * Die — |
1 faſt überall, zum An fſtam dee gerüſtet, der nun, während
mligerchiſchen Vepolutjon in Helle Flammen augbrach. Dieſe
Apsing hat Ark. oftmais wie derholt, daßß währen”: bedenl⸗
x Upmihen im Mutkerlande die „mündig gewordenen Im
ben, ſich loßreiffen. +. Schen im. Winter deß Jahreß, AlR
gen · hon Bubda ,. Lebbos Chios und dem ioniſchen Fe
Be, Upm Helleagpnte,aud den beiden Perſiſchen Stasthpts
nu: Alflapherned. una, Pharnabazos, Einladungen, an Die La⸗
Imonier, den Abfall ann -Althen zun unterſtützen £NIIR,.,D
eo Sommer 42 beſchloſſen. dieſe,exſt Chied,: dann
E08, dann! den Deren, Quibefreien: — — wur⸗
A a
than ig pe iayahrt as ANZ
ı) Plut. Arist. 24. Aeschines De fals. leg. 5l. Ando-
I. De pace. 9. Nach Xenoph. Anab, VII, 1,27. fogar nur 1000.
2) Thucyd. V, 18. IR “ . J 1*
3) Noch vor Kurzem wie in England 3. 8. y,, in Holland Y;,
Preußen , in DOefterreich Y;' des: ganzen Staatsbedarfes burch in⸗
cte Steuern aufgebracht.
32
A498 Thutyblves. Kap. 16.
den fie vermuthlich dadurch Kefimm, daß Ehio® von
athenifchen Bundesgenoſſen nicht Bloß am wichtigſten
fondern auch noch am unabhängigſten war ; auf Lesbos
ſtens die Metbunmäer gleichfalls. Auch Haben wir
ſchon gefehen, daß in Chios Damals eine ariſtokratiſche
faffung exiſtirte. Samos 5. B. wire aus dieſem Grunl
wertiger geeignet gewefen, den Lakedämoniern als Stil
zu dienen. Es war vielmehr von Anfang an das Haupti
der athenifchen Flotte (16.), namentlich ſeit dem Auf
des Demos (21.), weicher die Inſel den. Athenern nm
mehr fiherte !). Eubda wurde won den Belopannefle
lezt etſtrebt, weil hier die Athener, fo ganz in der NS
frärtiten ‚schienen. Wenn jet ein athenifcher Bundesſia
folleri will, fo finden wir in der Regel, daß er Feſtung
anlegt. Die Athener Im Zeitrauine ihrer wachferden He
nie hatten ſolche Beftumgsiverke niedergeriffen, um ihre
bebgenoſſen wehrlos zu machen. Und doch war der
Bund unſprünglich zum. Schutze tgegen · die Perſer be
geweſen! Die Inſelſtädte erbauen ſich nach der Er
gern einen Zufluchtsort auf dem Feſtlande. — Die
tigſten Momente in der Geſchichte des Abfalls find: der
ſtand von Chios (14.), Milet (17.), Knidos (35.
Rhodes (44.), Byzanz (80.), Euboa (95 fg.) Der
einer Seeſtadt war damald noch: wichtiger, als Heut
denn weil die Schifffahrt mit ſeltenen Ausnahmen Küfte
fahrt war, fo konnte man von einen feilen Hafen au
leichter Sperruugen eintreten laſſen (35.J: -
In dem Oberbefehl der peloponnefifhen Seemad
1) Wir fehen baher bei der Revolution der Bierhundert, di
mos dem bemokratiichen Athen länger treu bleibt, als Athen ſelbfl
noch Lyſandros Tann die Samier erſt nach der Einnahme von
unterwerfen.
F. 2. Abfall ver Bundetgenoſſen. A
auf einander Chalkideus (6.), Aſtyochos (20.), Minda-
GGB.), Krateſippidas, Lyſandros, Kallikratidos und aber⸗
3 Lyſandros. Dem Chalkideus kann man nur unei⸗
Nich das allgemeine Commando zuſchreiben; die drei letzten
Br in die Zeit der xenophontiſchen Helleniken. Indeſſen
Wach erſt ſehr ſpät eine gewiſſe Eoncentration bei ihnen ein⸗
Bien. Wie uneins zu Anfang die ganze Flotte war, wie .
g die Bundesgenoſſen der Lakedämonier, noch auch die
vfeldherren dem Aſtyochos recht gehorchen wollten, {chen
en deutlichſten VIII, 32. Zwiſchen dem Sarmoften Pe⸗
88 und dem Admiral Eonnte fih eine fürmliche Eiferſucht
(40.). Dazu kam der häufige Wechfel des Oben
Zange Zeit hielten die Lakedämonier eine eigene Klotte
Bonien und Tiſſaphernes, eine andere für den Hellespont
arnabazos (39.). Dieſe Zerfplittrung, welche bie
Meperationen ungemein hemmte, mußte natürlich feit der
kaung des Kyros zum Vicekönig von ganz Vorberafien
an. Die erfle große Vereinigung der peloponnefifchen
träfte finden wir 79, Bon jebt an werben auch die
Meexeigniſſe überfichtlicher und enticheidender. Doch leſen
" gnch 84 einige auffallende Deifpiele von der Zivietracht
Rec Ungehorfam der Verbündeten. Freilich, Hätten fie
sand gehorfam fein können, fie wären nimmermehr zu
Er der Perfer und Athener Herabgefunten 1). =
3) Seitdem Alkiviades wieder atheniih geworben war, bis zum
: des ganzen Krieges drehet ſich der Kampf größtentheild um ben
ont und Bosporos. Kinigermaßen wird dieß mit dem Abfalle
Bubba zufammenhängen. Die Kornlammer in ber Nähe war für
"nerloren; das platte Land wurde von Dekelea aus verwüftet : ließ
nun noch den Pontos fperren, fo mußte Hungersnoth auebres
* daher Alkibiades Siege in dieſer Gegend wieder Bahn ge:
‚, Hagt ber König Agis, der zu Dekelea befehligte, die
uhren im Peiräcus würden fo ſtark, daß feine Verheerungen
gelfen Eönnten (Xenoph. Hell. I,1, 35.).
v 32 *
OD Thukydides. Kap. 16.
- Mit dem Perfertönige Hatten bisher nur cm
Werbannte, suie Themiitofles (I, 137.), oder verzweifelt !
garchen, wie die ſamiſchen !), in Verbindung geftanven. 8
zu. Anfauge Des Krieges hegten beine Parteien die Abſicht,
Großherrn zu einem Bündniſſe einzuladen (IL, 7.). |
fee indeß die üffentliche Meinung doch eigentlich damals ı
ſolchen Idee zuwider war, ſehen wir aus den Entfhulk
gen 33. Archidamos (I, 82.). Etliche zwanzig Jahre fi
hatte Perſien felbit. mit nielem Gelde die Lakedämonier zu
nem Kinfalle in Attika nicht bewegen können (I, 10.)
Sur Sommer des Jahres 430 aber finden wir zuerſt lat
moniſche Sefandte nach Perſien unterweges; nachdem fie.
ber Schon mit. dem. Sohne des Pharnabazos unterhandelt
ten. .. Sie wollen befonderd. um eine. Geldhülfe nachſu—
Beim Sitalkes jedoch werden. fie aufgehoben, an vie At
ausgeliefert, . und..bier. zur Repreſſalie Hingerichtet (II, €
Eine nene Annäherung an den Satrapen Pifſuthnes wird
ferne gezeigt,. aber durch Die Unentfchloffenheit der Lakevi
uier vereitelt (II, 31.). Im Winter .425 langt die
Antwort des Großherrn an, welche denn freilich nur
deutlichere Willenserklärung der auch da noch. zaudernden
tedämonier fordert. Auch fie fällt den Athenern in die Si
(EV,:50.). Ein fürnliches Bündniß kommt erſt nach da
rafufifchen Niederlage zu Stande 2). |
1) Thucyd. I, 115. Schol. Aristoph. Vespp. 292.
2) Aus dem Gebete in Ariftophanes Zhesmophoriazufen |
ff.) erfennt man, daß noch damals an ben athenifchen Zeften — |
dergleichen Volksgebete find hier offenbar nachgebildet — immer ein]
vorkam gegen die Meder und Mederfreunde. Noch während bes a
thifchen Krieges war officiell der Haß gegen die Barbaren fo groß,
zu den Myſterien Eeiner zugelaflen wurde. Iſokrates fehreibt die Fu
an den troifchen Gefängen und Homer’s Ruhm zum heil bemfe
Haſſe zu (Isocr. Paneg. p. 91. Tehn.). Iſokrates ſelbſt ift der:
fiht, der gerechtefte Krieg fei der von Menfchen gegen wilde Thi
dann aber der von Hellenen gegen Barbaren (Panath. 66.). “ —
3) Die Verſuche, welche inzwifchen von Athen aus zur Antnüpfl
$. 2. Bere. :-: 50%
Sp gewaltfam die Staaten des Drientd in ihrer’ Kraft
werfahren pflegen, fo liſtig und ränkevoll in ihrer Schwäche:
sn Heutzutage Beine Politit an Intriguen reicher: iſt, als
: o8manifche oder chinefifche, fo damals die der perfifchen
Ben. Pforte (Mireı), Die Verwicklungen maren bier um
grebßer, als auch die beiden Satrapen, Tiſſaphernes und
wnabaz08 , gegen einander inteiguirten. Im :Anfange
He Tiſſaphernes, die Lakedämonier nur als eine Art von .
hichstruppen gebrauchen zu können, Der erſte Bundesver
a fpricht dem Großherrn ausdrücklich alles Land zu, wel⸗
I er ſelbſt oder -feine Vorfahren befefien Haben, . Die Lafe-
jener machen ſich verbindlih, jeden Abfall von Perfien
"eine Feindſeligkeit gegen ſich felbft zu betrachten (18.).
8 ward dem frühern Vertrage noch die Elaufel Hinzu-
‚ daß die Lakedämonier aus Feiner Stadt, worauf der
Anfprüche machte, Abgaben ziehen follten (37.). Dies
erträgen wurde nun freilich won Seiten der lakedämoni⸗
Behörde die Natification verweigert, weil man ja dar-
ein Recht des Großherrn auf alles griechifche Land bie
and. Böotien folgern Eünnte (43, vgl. 58.). Allein
.
8 Bündniffes gemacht wurden, läßt Shulydides unerwähnt. Aus
einfachen Grunde, weil fie zu gar Eeinem Ziele führten; auch nicht
en Tonnten, fo lange Athen die reichen Küftenpläge in Vorderaſien
srichte.e Daß gleichwohl Unterhandlungen flattgefunden haben, ift
weifelhaft. Im den Acharnern wird eine Gefandtfchaft nad) Perſien
pottet: alfo im Januar 425. Sie hatte an Diäten täglich zwei
ren gekoſtet, und brachte nun, außer fchönen Gelbveriprecdhungen,
mw großherrlichen Gommiffarius mit, den Pſeudo-Artabas, des Kös
B Auge. Dazu eine Menge Eoloffaler Xuffchneidereien, über die Weite
Meiſe, über die Goldberge von Ekbatana, Über die großen Gaſtmäh⸗
ps wozu ganze Rinder im Ofen gebraten würden u. f. w. (vgl. jedoch
hrod. I, 133.). Etwas Factifches muß diefem Scherze zu Grunde
em. — Zur Beit der Ritterkomödie, wo ein vornehmer Perfer, der
b Sparta gefandt war, in Athen eingebracht wurde, fcheinen die
harchen mit ihm unterhandelt zu haben: Aristoph. Equitt. 478.
y
503 Thukydides. Kap. 16.
Tiſſaphernes fand ſich num veranlaßt, einen andern Ze ı
zuſchlagen. Gerade wie neuerdings der Drient nur buch
Uneinigkeit und das Gleichgewicht der Abendländer fein &
friften kann, fo auch damals ſchon. Tiſſaphernes entwarf
Plan, die Hellenen fi unter einander aufreiben zu laf
Alkibianes war der Dann, der ihm diefen Plan, wenn ı
nicht eingeredet, doch menigftens klar gemacht und Beil
hatte. Es gehört zu den erfolgreichiten Ideen des genl
Mannes, daß er auf ſolche Art dem perfifchen Hofe die P
tik vorzeichnete, welche diefer bis an’8 Ende verfolgt hat(46.).
Was nun die abtrünnigen Bundeögenoffen angeht,
wird fchon in der erftien Rede der Athener geradezu, ind
auch von Brafidas prophezeist, Daß ihnen die lakedämon
Herrſchaft noch ſchwerer fallen würde, als die atheniſche
Es leuchtet von ſelbſt ein, daß ſich die kleineren Staaten
zwei rivaliſirenden Großmächten beſſer ſtehen, als bei e
überwiegenden (VI, 89.). Auch den Perſern verkündigt?
biades die Gefahren der agefilaifchen Zeit voraus (VII, 4
So haben von jeher alle Lieblingöplane ſinkender Zeiten,
ftatt der Freiheit und Glückſeligkeit, die fie verhießen,
gefteigerte Knechtſchaft und Drangfal zur Folge gehabt.
1) Auch Jaſon von Pherä hatte nachmals die Politik, keine
niſche Macht allzu groß werben zu laſſen (Xenoph.Hell. VI,4,A
Die ganze durch Alkibiades angeregte Politik des perfifchen Hofe
nur eine kurze Unterbrechung erfahren, durch den jüngern Kyros,
offenbar mit Hülfe der Lakedämonier feine Anfprüche auf den ?
durchzufegen gebachte. Alkibiades wollte diefe Anfchläge dem Artaı
binterbringen, und verlangte zu diefem Ende von Pharnabazos Keil
tel. Pharnabazos aber eignet fich das Verdienft zu, ſchickt nad)
Könige, und läßt, um unentdedt zu bleiben, den Alkibiades töten.
nach Ephoros Berihte (Diod. XIV, 11).
2) Bel. VIII. 48. und bie geiftuolle Darftellung in Isocr:
De pace.
nn — —— man —
et) ur
wid \ XR DR a nn y u .. 4 . . 21 ae i ..". ft;
Ze 9— nur PP Pur . ae? un. Jljeen ni.
u TI ıtr Ira SIE. v ———— in. Niitcp I. I'.,
nz nei pe Beilige J
—— von Abaͤrvdides n. 35-46. mit
na übrigen Leichenreden und Wanegpeiten. des
Alterthums.
“ ı 93?
HHNW . 3 "
stter ‚nen. Leichenreden des Alterthums, melche mit der peri⸗
Ichen bei Thukydides verglichen werden Tünnen, zeichnen fich
I. Die.. des Lyſigs, Die: des Blaton im Menexenos uud
des Demoſthenes für. die Gefallenen von Chäronea. Ver⸗
edene Stellen ifokratifcher Reben müſſen zugleich in Betracht
ogen werden. Auf die Echtheit nder Unechtheit biefer Schrif⸗
kommt es mir jeht nicht an )). — Wie Dahlmann
ſend bemerkt, ſo mußte in jenen alten Leichenreden dem
veränen Volke ebenſo ſehr geſchmeichelt werden, wie heut⸗
age den Fürſtenhäuſern. Ja, wohl mehr noch. Das Volk,
einen Theil von ſich felbit. begrub, wollte ſelbſt gelobt
t, während bei und der Nachfolger immer ſchon leichter zu⸗
den geſtellt werden kann. Sogar das Unglück des Volkes
y Dahlmann (orſchungen auf dem Gebiete der Geſchichte Sp. 1,
27.) hält ſowohl den Lyſias, als den Demoſthenes für echt; und
b ich befenne, daß mich die bisher vorgebrachten Gegengründe auf
e Weife überzeugt haben.
506 Grite Beilage.
mußte möglichft vertufcht werden, weil das Unglück,
Zeichen göttlicher Mißgunſt, Schande brachte. Dieß
einzige Gelegenheit, wo der Redner Frauen unter fe
hörern zählte. Alles Lob mußte dem Volke ſelbſt
die Themiftofles, Kimon, Perikles durften ebenfo n
nannt werden, wie heutzutage Die großen Minifter uı
herren eine8 durch fie glänzend geivordenen Königs. -
brigend finden ſich in der thukydideiſchen Leichenrede
Spuren, daß der Werfaſſer Den gtwähnlichen Hey
Epitaphien gemißbilligt Hat. So ſchon bie Zeitve,
welche der gewöhnlichen Auf chlung aller Kriegẽthate
worfen wird (X.); die Wohlfeilheit der Gemelnplä
über den Werth der Vaterlandsvertheidigung ſtehend war
De Epitaphios de Lyſias fpielt be
im korinthiſchen Kriege. Während Thukydides 1
thenzeit nur kurz abfertigt, nach feiner gewöhnlichen :
kritckk nur das ganz Sichere, die hiſtoriſchen Zuſtünde,
zu Grunde liegen, hevaushebt, nimmit fie bei Lyſias
den am meiſten Platz weg. Die Beflegung der %ı
Die Beflattung der Sieben nor Theben, die Vertheidi
Heralliden gegen Euryſiheus, dieſe Hauptlichtpunkte
niſchen Sagengeſchichte, werden mit glänzenden Karba
koloſſaler Größe hervorgehoben. Dabei verfährt unſe
ganz, wie ein pragmatiſirender Geſchichtſchreiber. €
er z. B. die große Macht ber Amazonen daraus, be
erſt eiſerne Rüftungen und Reiterei beſeſſen Hätten.
öffentlichen Leichenreden Mnäpft ſich überhaupt der My
matismus der ſpäteren Geſchichtſchreiber ganz natürlich
nehmen mußte der Redner die Urzeit jedenfalls; kein
daß er ſie, um ſie dem Ohre ſeiner Zuhörer genehn
chen, ganz fo behandelte, als wenn fie geſtern erſt
wäre 1). Und alle pragmatifche Mythenverfälſchun—
— *
1) Ganz parallel hiermit laufen die fingirten Gerichtsret
Luilas. Epitaphios. 8037.
rauf, daß man. jich in die Sinnesweiſe der Vorzeit niit
r hineindenken kann. — Hierauf. gebt Lyſias, dem ers
mlichen Stile gemäß, zu dem Lobe der atheniſchen Au-
thonie über, und daß Athen zuerit: das Recht des Stär⸗
mit dem gefehlichen Zuftande demokratifcher Freiheit ver
Gt Habe. Weil dieß eine biftorifche Wahrheit iſt, ſe hat
Thukydides ſie aufgenommen.
Alsbald ſolgen die Perſerkriege. Es iſt ein Hauptunter⸗
d des Lyſias gegen Thukydides, daß es Ihm auf geſchicht⸗
Treue durchaus nicht ankommt. Sp meint er, Dareios
tdeßhalb von allen Hellenen Athen zuerſt bekriegt, weil
Kon damals unzweifelhaft die Hauptſtadt geweſen. Den
athoniſchen Sieg feiert er mit glänzenden Antithefen. Die
vener hätten gedacht, zu fterben fei Allen gemein, ruhmvoll
Rerben Wenigen vorbehalten. Sie Hätten ihre eigenen Ges
e mehr gefcheut, als das Schwert des Feindes. Daher
m auch Das übrige Hellas Den Einfall der. Barbaren erſt
Bach mit ihrer Niederlage vernommen hätte Bon Xerxxes
werzählt, er jei auf dem Meere marfchirt, und Durch Das
22 geſegelt. Lauter Dinge, denen man eine gewiſſe Schoͤn⸗
it nicht abfprechen kann; freilich Keine, die mit den einfachen
orten des Herodot zu vergleichen wäre, — Die lebhafte
Nnalung ber Gefühle, welche die Athener bei Salami für
ſelbſt, ihre Stadt, ihre Weiber und Kinder empfunden,
echt lyſianiſch; Thukydides verſchmähet dergleichen, da es
nesweges für den Gegenſtand der Schilderung charakteriſtiſch
vielmehr vom Leſer gar leicht ſupplirt werden kann. Auch
eint es nicht eben nobel zu fein, wenn der Redner ausruft:
Gophiften jener Zeit ben alten Heroen in den Mund legten. So—
Antifthenes Ajad und Odyffeus , des Alkidamas Obyffeus gegen Pas
vedes u. X. m. Auch fie erforderten ein möglichft lebendiges „Verge⸗
wärtigen” ber mythifchen Zeit. Hatte doch Euripides ſchon feine
dsleute gewöhnt , die Heroen wie ihres Gleichen zu betrachten. :5-' +
508 Erſte Beilage,
Weicher Gott hätte Damals die Athener nicht bemitleibet,
cher Menſch nicht Thränen darlıber vergoffen !
Zuwiſchen dem Berferfriege und. dem Ende des
neſiſchen Hält Lyſias nur ein einziges Factum für erwäh
werth: als die Männer von Athen Aegypten und Aegina be
kriegen, und nun der inzwiſchen gewagte Angriff der wi“
thier durch Die Greiſe und Knaben unter Myronides Anſchſ
rung zurückgeſchlagen wird. Allerdings ein ergiebiges Jay
um redneriſche Blumen zu pflüden! Hierauf folgt die
hauptung, die athenifche Hegemonie Habe nur den Zweit iR"
folgt, in Griechenland ſelbſt jeden einzelnen Staat mabkiir
umd frei, das Ganze aber den Barbaren furchtbar zu erhal P
In ſolchen Epitaphien ſchien der fonft fo leidenſchaftliche R%
nee alles einheimiſche Parteiweſen zu vergeſſen; daher die mie
Beurtheilung der Schlacht von Aegospotami. Hiergegen MR
es wieder echt vhetorifch Tügenhaft, wenn die neu auflerimene
Perſermacht ziemlich unzweideutig den Lakedämoniern Schub
gegeben wird. Ganz im Sinne der früher befprochenen, yfas
dogeijtreichen Geſchichtsmanier I) werden Hegemonie von Alhen
und Beflegung der Perſer identifieirt; obwohl doch gerade in
der perikleifchen Zeit die Berfer am wenigſten zu Teiden hat
ten, in der agefiftifchen am meiften 2). — Sm foharfen In
terfchiede von Thukydides kommt die Gegenwart bei Lyfias
ganz kurz weg; freilich mar fie bei ihm auch Das wenigſt Er
frenliche. Die reſtanrirte Demokratie wird gepriefen ; die Mi
Bigung, welche in der Amneſtie hervorleuchte. Daneben er
halten auch die Böotier ihr Lob, als damalige und jetzige
Bundesgenoſſen von Athen. Die Gefallenen ſelbſt werben
— — — — m nn
1) Bol. oben ©. 185 fo.
2) Daß durch Leichenreden die Gefchichte Überhaupt ganz vorzugs
weife verfälfche worden ift, Lehren Cicero Brutus 16. und Livius
VIII, 40.
Lyſtas Epitaphios. 509
x kurz beſprochen, wobei er das großnrüthige Benehmen
B: Staates gegen Korinth erhebt. - Dann: beklagt er Rie Hin⸗
Wiebenen, und fchlieft mit glänzenden Smeinplägen üben
in ruhmvollen Tod. ne hl
4
KThukydides beginmi feine Rede mid einer er Sieciigen. an
to lectoris, : um die Wahrheit feiner Schilderung, zu „per;
3 Lyſias mit einer chetoriihen,; ea.habe ihan.an Heit
St Er stellt fih von Anfang an als petteifernd. day, auf
früheren Leichenrednern. Dennoch- jſt das Ganze, Henkbnz
ades asıch..al& Lobrede viel geſchickter mugeopfuek.,ig: Pg8,
eiſen der Vergangenheit hei. Lyſjas, hat mit dem .Pupme ‚Dax
fallenen wenig zu. fchaffenz,” wohl, hen. bag; der, Gegampant
Thukydides, weil ja die Gefallenen dieſer Hegenwarj⸗ ſolbiĩ
jehören.. Dadurch verliert ;pie Rede auch Das Iıufanktiches
ttenartige; fie. wird eine. Schilderung) ::ein. Syrien. SEN,
es übertzeibt nicht: ex läßt den Gefallenen ihre wenſchlichen
hwächen (II, 42.).Intereſſant für: den Charakter. hide
mer iſt es,: daß Thukydides, obwohl Hiſtyriker, praktiſche
mahnungen einwebt (40.); Vyſias, abnohl Ma Ak
tzlich umnterlͤßt, vwenigſtens nicht: geradezue Mus ph
fallenen iR: bei Lyſias ſo, daß e8 zu jeder Geit spe,
zde;... Bei: Thukydides (42, fg.) Paßt es DUCHAndsann u
perilleiſche Blüthe, ‚und würde 3. B. fan. gegen Demaz
med. Zeitgenpſſen einen ſchrofſen Gegenſatzbilden. Role
rede an wis Hinterbliebenen iſt bei- SyBad:.zman afftehollen
d. umuhiger, auch viel allgemeiner umd vageyij. Aha
ukydides freundlicher, was dem ernften Manne unvergleich-
ı anfteht, dabei ruhig und mit den feinften Beobachtungen
menfchlichen Weſens durchflcchten,, die für iedes Geſchlecht,
»3 Alter beſonders berechnet find. —— ννννισ mnd
or X
Daß der Menexenos von Platon herrührt, wird
ch einige Anführungen in Ariſtoteles Rhetorik außer: Imci⸗
80H .Thukydides. Kap. 16.
Mit den Perſerkönige Hatten bisher nur cin
Verbannte, snie Themiftofles (I, 137.), oder verzweifelte
garchen, mie Die ſamiſchen 1), in Verbindung geſtanden. (
zu. Anfauge des Krieges hegten beide Parteien die Abſicht,
Großherrn zu einem Bündniſſe einzuladen (IL, 7.).
fee indeß die Affentliche Meinung doch eigentlich damals
folchen Idee zumider war, fehen wir aus den Entichuli
gen Des, Archidamos (I, 82.). . Etliche zwanzig Sabre fi
heute Perſien ſelbſt. mit vielem Gelde Die Lakedämonier p
wen Einfalle in Attika nicht bewegen können (I, 100.)
Ir Sommer des Jahres 430 aber finden wir zuerſt lal
moniſche Geſandte nach Perfien unterweges; nachdem fie
ber. ſchon mit dem Sohne des Pharnabazos unterhandelt
sen. .. Sie wollen beſonders um eine Geldhülfe nachſu—
Beim Sitalkes jedoch werden ſie aufgehoben, an die Ad
ausgeliefert, .. und hier zur Reppreſſalie bingerichtet (II, 6
Eine une Annäherung an den Satrapen Pifſuthnes wird
ferne gezeigt, aber durch Die Unentichloffenheit der Lakerı
nier vereitelt (III, 31.) Im Winter 425 langt die
Antivort des Großherrn an, welche. denn freilich nur
deutlichere. Willenserklärung der auch da noch. zaudernden
kedämonier fordert. Auch fie fällt den. Athenern in die Si
(1V,:50.). Ein fürnliches Bündniß kommt erſt nach da
rafufifchen Niederlage zu Stande 3). :
) Thucyd. I, 115. Schol. Aristoph. Vespp. 292.
2) Aus dem Gebete in Arifiophanes Zhesmophoriazufen
ff.) erfennt man, daß noch damals an den athenifchen Feften — |
dergleichen Volksgebete find hier offenbar nachgebildet — immer em}
vorfani gegen die Meder und Mederfreunde. Noch während des ı
thifchen Krieges war officiell der Haß gegen die Barbaren fo groß,
zu ben Mpyfterien keiner zugelaffen wurde. Iſokrates fchreibt die Fr
an ben troifchen Gefängen und Homer’d Ruhm zum Theil def
Haſſe zu (Isocr. Paneg. p. 91. Tchn.). Iſokrates ſelbſt ift der
fiht, der gerechtefte Krieg fei der von Menfchen gegen wilde Th
dann aber der von Hellenen gegen Barbaren (Panath. 66.)
3) Die Verfuche, welche inzwifchen von Athen aus zur Aitnip
$. 2. Perfer. 508
Sp gewaltfam die Staaten des Drients in ihrer Steak
werfahren pflegen, fo liftig und ränkevoll in ihrer Schwäche;
An Heutzutage Beine Politit an Intriguen reicher: iſt, ats
osmaniſche oder chinefifche, fo Damals die der perſtſchen
Ken Pforte (TTiraı). Die VBerwiclungen waren bier. um
größer, als auch die beiden Satrapen, Tiſſaphernes und
Fernabazos, gegen einander inteiguicten. Im Anfunge
qte Tiſſaphernes, die Lakedämonier nur als eine Art von .
Kelhstruppen gebrauchen zu können. Dex erſte Bundesver⸗
rg fpricht dem Großheren ausdrücklich alles Land zu, wel⸗
5 ec ſelbſt oder-feine Vorfahren befeffen haben. - Die Lake-
Wionier machen fich verbindlich, jeden Abfall von Verfien
Ü eine Feindſeligkeit gegen ſich felbft zu Betrachten (18.).
B, es ward dem frühern Vertrage noch die Clauſel hinzu⸗
Migt, daß die Lakedämonier aus Keiner Stadt, worauf der
Brig Anfprüche machte, Abgaben ziehen follten (37.). Die:
! Verträgen wurde nun freilich von Seiten der lakedämoni⸗
en Behörde die Ratification verweigert, weil man ja dar-
z ein Recht des Großherrn auf alles griechifche Land bie
ika und Böotien folgern könnte (43. vgl. 58.). Allein
8 Bünbniffes gemacht wurden, läßt Thukydides unerwähnt. Aus
ı einfachen Grunde, weil fie zu gar feinem Ziele führten; auch nicht
xen konnten, fo lange Athen die reichen Küftenpläge in Vorderaſien
errihte. Daß gleichwohl Unterhandlungen flattgefunden haben, ift
weifelhaft.e In den Acharnern wird eine Gefandtichaft nad) Perfien
Tpottet: alfo im Zanuar 425. Cie hatte an Diäten täglich zwei
achmen gekoftet, und brachte nun, außer fchönen Geldveriprechungen)
en großherrlichen Commiſſarius mit, den Pſeudo-Artabas, bes Kö⸗
IB Auge. Dazu eine Menge Eoloffaler Auffchneibereien, Über die Weite
Reiſe, über die Goldberge von Efbatana , Über die großen Gaſtmäh⸗
wozu ganze Rinder im Dfen gebraten würden u. f. w. (vgl. jedod)
erod. J, 133.). Etwas Ractifches muß diefem Scherze zu. Grunde
den. — Zur Beit der Ritterlomödie, wo ein vornehmer Perfer, der
ch Sparta gefandt war, in Athen eingebracht wurde, fcheinen die
igarchen mit ihm unterhandelt zu haben: Aristoph. Equitt, 478.
Y
5083 Thukydides. Kap. 16.
Tiſſaphernes fand fih mım veranlagt, einen andern Weg
zuſchlagen. Gerade wie neuerdings der Drient nur durh
Uneinigkeit und daB Gleichgewicht der Abenbländer fein dı
friſten kann, fo auch damals ſchon. Tiſſaphernes entwarf
Blan, die Hellmen fi unter einander aufreiben zu laj
Alkibiades war der Dann, der ihn diefen Plan, wen ı
nicht eingeredet, doch wenigſtens klar gemacht und befe
hatte. Es gehört zu den erfolgreichiten Ideen des gen
Mannes, daß er auf ſolche Art dem perfifchen Hofe die P
tik worzeichnete, welche dieſer bis an’8 Ende verfolgt Hat (46.).
Was nun die abtrnnigen Bundesgenofjen angeht,
wird ſchon in der erften Rede der Athener geradezu, ind
auch von Braſidas prophezeist, dag ihnen die lakedämon
Herrſchaft noch ſchwerer fallen würde, als die atheniſcht
Es leuchtet von ſelbſt ein, daß ſich die kleineren Staaten
zwei rivaliſirenden Großmächten beſſer ſtehen, als bee
überwiegenden (VI, 89.). Auch den Perſern verkündigt ?
biaded die Gefahren der agefilaifegen Zeit voraus (VII, 4
So haben von jeher alle Lieblingsplane finkender Zeiten,
ftatt der Freiheit und Glückſeligkeit, die fie verhießen,
gefteigerte Knechtſchaft und Drangfal zur Folge gehabt.
1) Auch Zafon von Pherä hatte nachmals die Politik, keine
nifhe Macht allzu groß werden zu laffen (Xenoph.Hell. VI,4,%
Die ganze durch Alkibiades angeregte Politik des perfilchen Hofe
nur eine kurze Unterbrechung erfahren, durch den jüngern Kyros,
offenbar mit Hülfe der Laledämonier feine Anſprüche auf den i
durchzufegen gedachte. Alkibiades wollte diefe Anfchläge dem Arta
binterbringen, und verlangte zu diefem Ende von Pharnabazos Kei
tel. Pharnabazos aber eignet fich das Verdienft zu, ſchickt nad
Könige, und läßt, um unentdedt zu bleiben, den Alkibiades töbten
nach Ephoros Berichte (Diod. XIV, 11).
2) Bol. VIII, 48. und die geiftvolle Darftellung in Isocı
De pace.
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Beilagen
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Ahrigen Leichenreden und Banegyeiten des
| Alterthums.
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—* den Eeichenreden des tertgung, welche mit der peri⸗
Eichen bei Thukydides verglichen werden Können, zeichnen ſich
S die des Lyſias, die des Platon im Menexenos und
des Demoſthenes für. die Gefallenen von Chäronea. Ver⸗
&edene Stellen iſokratiſcher Reden müſſen zugleich in Betracht
gogen: werden. : Auf die Echtheit oder Unechtheit diefer Schrife
R kommt es mir jeht nicht an ). — Wie Dahlmann
send bemerkt, fo mußte in jenen: alten: Leichenreden dem
aweränen Volke ebenfo ſehr geſchmeichelt werben, . wie heute
Lage den Fürſtenhäuſern. Ja, mohl mehr noch. Das Volk,
u einen Theil von ſich ſelbſt begrub, wollte ſelbſt ‚gelobt
in, während bei uns der Nachfolger immer ſchon leichter zu⸗
ieden geſtellt werden kann. Sogar das Unglück des Volkes
1) Dahlmann (Forfchungen auf dem Gebiete der Geſchichte Th. 1,
3. 27.) hält ſowohl den Lyſias, als den Demofthenes für et; und
uch ich befenne, daß mich die bisher vorgebrachten Gegengrände auf
ine Weife überzeugt haben.
508 Erſte Beilage.
Welcher Gott hätte Damals die Athener nicht bemitleidet,
her Menſch nicht Thränen darliber vergofien !
Zwiſchen dem Perſerkriege und dem Ende des
ueſiſchen Hält Eyſias nur ein einziges Factum für erw
werth: als die Männer von Athen Aegypten und Aegina bo
kriegen, und num der inzwiſchen gewagte Angriff der ra i
thier durch die Greiſe und Knaben unter Myronides
rung zurückgeſchlagen wird. Allerdings ein. ergiebiges HAT
um redneriſche Blumen zu pflücken! Hierauf folgt die WE
hauptung, die atheniſche Hegemonie habe nur den Zweck vo) t
folgt, in Griechenland ſelbſt jeden einzelnen Staat unabhüng
und frei, das Ganze aber den Barbaren furchtbar zu erhalin Jr
In folgen Epitaphien fchien der fonft fo Teidenfchaftliche Ab FT
ner alles einheimifche Parteiweſen zu vergeſſen; daher die nik J
Benrtheilung der Schlacht von Aegospotami. Hiergegen RI
e8 wieder echt vhetorifch lügenhaft, wenn die neu auflonimen
Perſermacht ziemlich unzweideutig den Lakedämoniern Schi
gegeben wird. Ganz Im Sinne der früher beſprochenen, Has
dogeiſtreichen Geſchichtsmanier 1) werden Hegemonie von Alta
und Beflegung der Perſer identificirt; obwohl doch gerade in
der perikleiſchen Zeit die Perſer am wenigſten zu leiden hat |
ten, in der agefiftifchen am meiften 2. — Sm feharfen Ir
terfchiede von Thukydides kommt die Gegenwart bei :Lufin
ganz kurz weg; freilih war fie bei ihm auch Das wenigſt Er
freuliche. Die reſtaurirte Demokratie wird gepriefen ; die Mi
figung, welche in der Amneſtie hervorleuchte. Daneben
halten auch die Böntier ihr Lob, als damalige und jekige
Bundesgenoſſen von Athen. Die Gefallenen felbft werden
— — — — — —
1) Bol. oben ©. 185 fg.
2) Daß durch Leichenreden die Gefchichte überhaupt ganz vorzugs⸗
weife verfälfcht worden iſt, lehren Cicero Brutus 16. und Livius
VIIE, 4.
Lyſtas Epitaphios. 509
u. kurz beſprochen, wobei er das großnrüthige Benehmen
diStaates gegen Korinth. erhebt. Dann: Beklagt er Bier Hin⸗
Wlieherien, und ſchließt mit tglänzenden Gonieinplägen: üben
Rn ruhmbollen Tat. Er er, setz, J— 11% dl
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1 KChutybides beginnt feine Rede mi einer. ex Sieden ‚map
bo. lectoris, um: die Wahrheit. feiner ESchilderung, BU DA
Wen ;: Lyſias mit-einer.chetoriichen,; eänhabe ihyan Heit
it Er ſtellt ſich von; Anfang an als aAFxetteifernd dar mik
früheren Leichenednern. DOennoech iſt dae Ganze, Hein öng
ides auch als Lobrede ‚niel: geſchickterf nrgeopfurhrig 98,
fen der Vergangenheit hei. Lyfins ‚kat mir dam. Ruhms „Ag;
jolfenen wenig zu fchaffenz;” wohl, hen. haider. Gegaupatt
Thukydides, weil ja die Gefallenen. tiefer Gegeawarja ſealbũ
jehören.. ¶ Oadurch verliert / die Rede auch das Analdatſche⸗
tenartige?. fie: wird eine. Schilderggn gin⸗ Pulp hu,
ed übertreibt nicht: ex läßt. den Gefallenen ihrq menſchlichen
wächen (II, 42.) - Interefiaut ‚Tür: den Eharaktar· heiten
inner iſt es, daß Thukydides, Obrahl Hiſyriker y yrakhiſcha
nahmıngen: einmebt «48.) 3 Put: mich en A
tzlich unterlaͤßt, wenigſtens nicht: gemanıs: | MORE RTE HR
falleneniſt ei Lyſias ſo, daß ner
rde3.. het Mhukydides CAR. fg.) -pRBb: 0 durchansvurmau
Pperikleiſche; Blilthe, ‚und würde 3. B. ſchnngegen Memag
mes „Zeitgeuufien einen ſchrofſen Gegonſatzu⸗bilden. pls
rede an die Hinterbliebenen iſt bei Lyßlab⸗gau, affechvollen
unruhiger, auch viel allgemeiner umd vageyiz: ahae
ukydides freundlicher, was dem ernſten Manne unvergleich⸗
anſteht, dabei ruhig und mit den feinſten Beobachtũngen
menfchlichen: Weſens durchflochten, die far jedes Geſchlecht,
es Alter beſonders berechnet ſind. rien But riaS. und
EST Ee 8 u ze
Daß. der Menexenos von Platon herrihn, wird
ch einige Anführungen in Ariſtoteles Rhetorik außer ut
Da Zur Bu}
510 VUrcſte Beilage.
fel geſtellt). Die wirkliche Abſaſſumgszeit kann wohl nf"
bedeutend fpäter fallen, als die fingirte. Um des Publick«
willen mußten die neueſien Ereigniſſe behandelt werden, die natiel'
lich am meiſten Intereſſe hatten. Alfo gegen DI. 98, 2:
dem Frieden des Antalkidas zufammentreffend. Ron eine
zu Grunde liegenden Studium des Thukydides find ziel
unzweideutige Spuren vorhanden 2). _ Platon Hat mähe
diefer ganzen Periode in Heftiger Polemik gegen die Schule
ner gelebt, die ihrer Manier den Namen einer Kunft wind
ven wollten. in gebiegener Kenner der alten Philoſophi
Herr Profeffor Krifche in Göttingen, vergleicht den Die
xenos in dieſer Beziehung mit dem Phädros. Gerade wie Mi
Phadros der Liebeörede des Lyſias eine andere, von befehl:
Standpunkte aus entgegengehalten wird, um zu zeigen, WAR!
der Redner die Komm behandeln mühe, auch vom Saba
gahzlahgefehen: fo will der Menerenos eine ähnliche ſtritik WE
Eeichemeden liefern. Alfo es beifer machen, aber nur w
Standpunkte der gewöhnlichen Epitaphien aus. Den ii
denfi’her Philoſoph durchaus nicht zu vertreten. Das 2b Fr
der atheniſchen Staatöverfafjung, die in Wahrheit eine Arikes
Pati fein foll, ift entichieden unplatonifh. Damit dieß abe
auch Niemanden verborgen bleibe, ift der einleitende Dialeg
ſo anachröniſtiſch, ja burlesk gehalten, wie faft in keinem an |
dein Werke Platon’. Sokrates tritt darin auf, und dad
Stück fpielt Doch lange nach feinem Tode. Gewiß noch lin
ger nach dem Tode der Aſpaſia, welcher Die Rede felbft zuge |
feßrieben wird. Dazu fortwährend die bitterfte Ironie gegen |
3) Im erfien Buche wird eine Stelle des Menerenos ſchlechthin
dem Sokrates beigelegt, im dritten Buche aber geradezu dem Sokrates
iv u Änmrapip.
. 2) Menex. p. 236. B. Auch der anfängliche Gegenfag von Rede
und That. erinnert durchaus an den Eingang des thukydideiſchen Epita⸗
phios.
Platon’ Menerenos. 51 1
Nedner überhaupt, und die Leichenreden insbefondere.
ai hachſt anzehende und geiſtwolle kleine Schrätl. . ...:
„Wie ganze diede iſt durchaus ſyſtematiſch gejchrieben, wit
wor. ſichtlichen Streben nach logiſchen Zuſammienhange.
ch zu: Anfang des Prodmiond wird das Geſetz erklärt,
WB. die Feier :angeorbnet: hat 1); zugleich auch. Die. Dwecke
Wiebe nollflännig neben einander geſiellt: Lob der. Gefalle⸗
Bi Troſtimg des Alters, Ermunterung der Sugentu:. : Siere
Koh das. Hauptthema. in drei Theile geſondert: : tie Ab⸗
Wi: Der. Geprieſenen, : ihre Erziehung, ihre. Thaten ſelbſt.
kibich denn zunächſt ihrer, Autochthonie gepackt, wie Die
ker ‚Sein: zuſammengelaufenesVolk ſind, vielmehr now ner
tter ſelbſt, die. fie geboren, auch groß geſäugt. Daſſelbe
%:bat ja num: auch: die gefallenen Helden in. feinen. mütten⸗
rSchooß:zurkeigenonmen. Dieſes Land ift.non jcher DER
Kern apı theuerſten: geweſen: um ben Beſitz von Attila ha⸗
Gotter gekämpft! Hier in Attika ih: die Wiege des menſcha
en Geſchlechtes zu fuchen. MB. Beweis dafürn kaun Den
Sand dienen, daße die Natur an den Enſtehungsort ‚eine
Beier Nahrung deſſelben veriegt. Hat ::. Jahr
ter anpfängt hady.der Geburttauch. Wilch für: das Neuge⸗
Bei. : Num iſt Attila. notorifch Die Seimath des Harnnd;: deu
kt: Speife fir Menſchen. Folglich, u. ſ. m. Götter: feibk
hen den exfteh Underricht der Athener verfchen, :wig. bie: Dig
es bezeugen. lin Zebildet, Find’ die Vorfahren na Skaale
wgegangenz.:zu einer Ariſtokratit; denn ariſiokratiſch. ft der
niſche Staat von jeher geweſen. Bei der Beſchzungaller
batöämtete third: allein Auf. Weisheit nt Tugent geſehen⸗
e nathrliche: Folge der: gleichen Akjtammung dis VBolfess::tt
Auf ‚folgen Grundlagen konnte ein: ſchoönes ; pin thatru
ed Beben .erkmut warden, ;:. Van’ der: Mythengeſchichte vll
1) Wie es bei ſolchen Gelegenheiten herkönimlich war: Thü F J
35. W 9. te) ,” 5
ros Eſte Beilage, °
Weicher Gott hätte damals die Athener nicht ben
cher Meiiſch nicht: Thränen darüber vergoffen !
Zwiſchen dem Perferkriege und. dem: Ende
neſſchen Hals Lyſias nur ein einziges Factum für
werther als, die Männer von Athen Aegypten un
kriegen, und ‚min der inzwiſchen gewagte Angri
thier durch Die Greife und Knaben unter Myro
rung: zurückgeſchlagen wird. Allerdings ein. erg
um: redneriſche Blumen zu pflüden! Hierauf {
hauptung, „bie atheniſche Hegemonie babe nur de
folgt, in Griechenland ſelbſt jeden einzelnen Staa
und frei, dab Ganze aber den Barbaren furchtbar
In ſolchen Epitaphien fchien der fonft fo leidenfd
ner alles einheimische Barteimefen zu vergefien; di
Benrtheilung ‚der Schlacht von Aegospotami.
es’ wieder echt chetorifch lügenhaft, wenn die ncu
Perſermacht ziemlich unzweideutig den Lakedämo
gegeben wird. Ganz im Sinne der früher beſpre
dogeiſtreichen Gefchichtömanier I) werden Hegemon
und Beflegung "der Perſer identificirt; obwohl d
der perikleiſchen Zeit die Berfer am wenigſten zu
ten, in der agefifhifchen am meiften 2). — Sm
terfchiede von Thukydides kommt die Gegenwar
ganz kurz weg; freilich war fie bei ihm auch Das
freuliche. Die reſtaurirte Demokratie wird geprie!
figung, welche in der Anmeflie hervorleuchte.
halten auch die Böotier ihr Lob, als damalig
Bundeögenoffen von Athen. Die Gefallenen
1) Bol. oben ©. 185 fo.
.2) . Daß durch Leichenreden die Gefchichte überhaupt
weife verfälfcht worden ift, lehren Cicero Brutus 16.
VIII, 40.
Lyſtas Epitaphios. 500
kurz befprochen, wobei er das großmüthige Benehmen
Staates gegen Korinth erhebt. Dann beklagt er die Hin⸗
liebenen, und ſchließt mit glünzenden Sememplüten üben
nn ruhmvollen Tod.
KThukydides beginnt ſeine Rede mit einer Sitorifggen Bu
© lectoris, um die Wahrheit feiner Schilderung zu per⸗
gen; Lyſias mit einer rhetoriſchen, ed..habe ihm an Zeit
B Er ſtellt fih von Anfang an als wetteifernd dar, mit
früheren Leichennednern. Dennoch. it das Ganze bei. ,tbnz
Eheß auch als Lobrede viel geſchickter uuıgeorinet..: Das
fen der Vergangenheit bei Lyſias hat mit dem Ruhme der
jallenen wenig zu ſchaffen; wohl aher dag der Gegnuhart
Thukydides, weil ja die Gefallenen dieſer Gegenwari⸗ ſelbft
hören. Dadurch vexliert: die Rede auch dasAnekdotiſche⸗
tenartige; fie. wird eine Schilderung, ein ESyſtem. Fuufyr.
es übertzeibt nicht: ex läßt den Gefallenen ihre menſchlichen
wãchen (II, 42.). Intereſſant für den Charakter heine
Inner iſt ed, daß Thukydides, obwohl Hiſtoriker, yraktiſche
mahnungen einwebt (43.); Lyſias, obwohl Reduger MR
lich: umterläßt, wenigſtens nicht. gerabpzu,: . Das Lohlien
ſallenen iſt vei Lyſias ſo, daß es zu jeder Beiti.majlen,
we; Bei: Thulydides (42 fg.) paßt ed durchqus nur. auj⸗
peitieiſc⸗ Blüthe, und würde z. B, ſchon gegen Dem⸗⸗
mes Zeitgenoſſen einen ſchrofſen Gegenſatz. ‚Bilden: „Pie
rede an die Hinterbliebenen iſt bei Lyſias zwar affeetyoller
anruhiger, auch viel allgemeiner und vager; abau;Apk
akydides freundlicher, was dem ernſten Manne unvergleich⸗
anſteht, dabei ruhig und mit den feinſten Beobachtungen
menſchlichen Weſens durchflochten, die für ies Geſchlecht,
8 Alter beſonders berechnet ſind. BE
Daß der Menerenos von Platon herrührt, wird
h einige Anführungen in Ariſtoteles Rhetorik außer Zwei⸗
300 Thukydides. Kap. 16.
- Mit dem Perſerkönige Hatten bisher nur einzd
Berbannte, wie Themiftofles (I, 137.), oder verzweifelte Q
garchen, wie Die ſamiſchen 1), in Verbindung geftanden. G
zu. Ainfange des Krieges hegten beide Parteien die Abficht,
Großherrn zu einem Bündniſſe einzuladen (I, 7.) %
fehr indeß die nffentliche Meinung doch eigentlich damals d
ſolchen Idee zumider war, fehen wir aus den Entfchulki
gen des Archidamos (I, 82.). Etliche zwanzig Sabre
hatte Perfien ſelbſt mit nielem Gelde die Lakedämonier zu
wem Einfalle in Attifa nicht bewegen können (I, 1001
In Sommer des Jahres 430 aber finden wir zuerſt la
monifche Sefandte nach Perfien unteriweged ; nachdem fie h
ber ſchon mit dem Sohne des Pharnabazod unterhanbelt
ver. Sie wollen beſonders um eine Geldhülfe nacfud
Beim Sitalkes jedoch werden fie aufgehoben, an die At
ausgeliefert, . und..bier. zur Repreſſalie hingerichtet (II, 67
Eine neue Annäherung an den Satrapen Pifſuthnes wich ı
ferne gezeigt,. aber durch Die Unentfchloffenheit der Lakedan
uier vereitelt (II, 31.) Im Winter 425 langt die ı
Antwort des Großherrn an, melde. denn freilich nur
deutlichere Willenserklärung der auch da noch. zaudernden 3
kedämonier fordert. Auch fie fallt den Athenern in die Hä
(IV, 50.). Ein fürmliches Bündniß kommt erſt nach de]
rakuſiſchen Niederlage zu Stande 3). \
) Thucyd. I, 115. Schol. Aristoph. Vespp. 292.
2) Aus dem Gebete in Ariftophanes Zhesmophoriazufen |
ff.) erkennt man, daß noch damals an ben athenifchen Keften —
dergleichen Volksgebete find hier offenbar nachgebildet — immer ein
vorfam gegen die Meder und Meberfreundee Noch während bei
thifchen Krieges war officiell der Haß gegen die Barbaren fo groß,
zu den Myfterien Keiner zugelaffen wurde. Iſokrates ſchreibt die 9
an den froifchen Gefängen und Homer’s Ruhm zum Theil &
Haſſe zu (Isocr. Paneg. p. 91. Tehn.). Iſokrates ſelbſt ift ber.
fiht, der gerechtefte Krieg fei der von Menfchen gegen wilde .
dann aber der von Hellenen gegen Barbaren (Panath. 66.) '
3) Die VBerfuche, welche inzwifchen von Athen aus zur Ant *
Beilagen
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Beilagen
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eid * bon Ihaͤrvdides uk, 35— 46! mit
n * Leichenreden und Vaneaveilen des
Alterthiums. |
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.. 5.71
Ist, ..
‚den. ELeichenreden des Alterthums, welche mit ber peri⸗
iſchen bei: Thukydides verglichen werben koͤnnen, zeichnen ſich
323. Sie des Lyſigs, die: des Platon im Menexenos und
des Demoſthenes für die Gefallenen von Chäronea. Ver⸗
iedene Stellen iſokratiſcher Reden müſſen zugleich in Betracht
ger: werden. Auf die Echtheit oder Unechtheit dieſer Schrif⸗
kommt e3. mir jebt nicht an ). — Wie Dahlmann
end bemerkt, fo mußte in jenen: alten: Leichenreden dem
weränen Volke ebenfo fehr. gefchmeichelt werben, wie heut⸗
age den Fürſtenhäuſern. Ja, wohl mehr noch. Das Volk,
3 ;eimen. Theil von fich. ſelbſt begrub, wollte ſelbſt gelobt
r, während bei uns der. Nachfolger immer ſchon leichter zu⸗
den geftellt werden kann. Sogar. das Unglück des Volkes
») Dahlmann (Forfchungen auf dem Gebiete der Geſchichte IH. 1,
27.) hält fowohl den Lyſias, als den Demofthenes für echt; und
h ich befenne, daß mich bie bisher vorgebracdhten Gegengründe auf
ve Weiſe überzeugt haben.
508 Erfte Beilage,
Weicher Gott Hätte damals die Athener nicht bemitleivet, w
cher Menſch nicht Thränen darüber vergoſſen!
Zwiſchen dem Perſerkriege und. dem Ende des pelo
nchſchen Halt Lyſias nur ein einziges Factum für erwähnunzt
werth: als die Männer von Athen Aegypten und Aegina bo
kriegen, und mm der inzwiſchen gewagte Angriff der Aw
thier durch die Greife und Knaben unter Diyronides Auf
zung zurückgeſchlagen wird. Allerdings ein. ergiebiges FF"
um redneriſche Blumen zu pflücken! Hierauf folgt die Du
folgt, in Griechenland ſelbſt jeden einzelnen Staat mabtisdif
und frei, das Ganze aber den Barbaren furchtbar zu helm F
In ſolchen Epitaphien fehlen der fonft fo leidenſchaftliche R& T
ner alles einheimifche Parteiweſen zu vergeffen ; daher die milk f'
Beurtheilung der Schlacht von Aegospotami. SHiergegn 1
es wieder echt vhetorifch Tügenhaft, wenn die neu auflonimenk
Perfermacht ziemlich unzweideutig den Lakedämoniern Schuh F
gegeben wird, Ganz im Sinne der früher befprochenen, yle |
dogeiſtreichen Geſchichtsmanier 1) werden Hegemonie von Attın |
und Beflegung der Perfer identificirt; obwohl doch gerade in
der perifletfchen Zeit die Berfer am menigften zu leiden hat
ten, in der agefiftifchen am meiften 2). — Sm fcharfen Un
terjchiede von Thukydides kommt Die Gegenwart bei Sfr
ganz kurz weg; freilich mar fie bei ihm auch das wenigft Er
freuliche. Die reſtaurirte Demokratie wird gepriefen ; die Mi
Bigung, welche: in der Amneſtie hervorleuchte. Daneben er⸗
halten auch die Böotier ihr Lob, als damalige und jebige
Bundeögenofien von Athen. Die Gefallenen ſelbſt werden
— — —— ——— —
1) VBgl. oben ©. 185 fo.
2) Daß durch Leichenreden die Gefchichte überhaupt ganz vorzugs⸗
weife verfälfcht worden ift, Lehren Cicero Brutus 16. und Livius
VIII, 40.
Lyfias Evitaphios. 807
Barauf, daß man: ſich in die Sinnesweiſe der Vorzeit aidht
ge Hineindenten kann. — Hierauf geht Syfiad, dem her⸗
amlichen Stile gemäß, zu den Lobe der ‚athenifchen Au-
zthonie über, und daß Athen zuerſt das Hecht des Stäxs
m mit dem gefelichen Zuſtande demokratifcher Freiheit ver
rſcht Habe. Weil dieß eine Hiftorifche Wahrheit iſt, ſe hat
3 Thukydides fie aufgenommen.
Alsbald folgen die Perſerkriege. Es iſt ein Sanptunter-
Rd des Lyſias gegen Thukydides, daß es ihm auf gefchicht-
De Treue durchaus nicht ankommt. So meint er, Dareios
Be deßhalb von allen Hellenen Athen zuerſt bekriegt, weil
ſchon Damals unzweifelhaft die Hauptftadt gemein. Den
mathoniſchen Sieg feiert ex mit glänzenden Antitheſen. Die
—— Hätten gedacht, zu ſterben ſei Allen gemein, ruhmvoll
ſerben Wenigen vorbehalten. Sie hätten ihre eigenen Ges
we. mehr gefchent, als das Schwert des Feindes. Daher
wen auch das übrige Hellas den Einfall der Barbaren erſt
gleich mit Ihrer Niederlage vernommen hätte Bon Kerreß
Ep erzählt, er fei auf dem Meere marfchiet, und durch das
and gefegelt. Sauter Dinge, denen man eine gewiſſe Schoͤn⸗
wit nicht abfprechen kann; freilich eine, die mit den einfachen
Berten des Herodot zu vergleichen wäre, — Die lebhafte
kabmalung der Gefühle, welche die Athener bei Salamis für
4 ſelbſt, ihre Stadt, ihre Weiber und Kinder empfunden,
& echt lyſianiſch; Thukydides verſchmähet bergleichen, da e8
einesweges für den Gegenſtand der Schilderung charakteriſtiſch
R, vielmehr vom Leſer gar leicht ſupplirt werden kann. Auch
cheint es nicht eben nobel zu fein, wenn der Redner ausruft:
ie Sophiften jener Zeit den alten Heroen in den Mund legten. So—
es Antifthenes Ajas und Odyſſeus, des Alkidamas Obyffeus gegen Pas
amedes u. A. m. Auch fie erforderten ein möglichft lebendiges „Verge⸗
enwärtigen‘ der mythiſchen Zeit. Hatte doch Euripides ſchon feine
andsleute gewöhnt, die Heroen wie ihres Gleichen zu betrachten. : -: +
510 Erſte Beilage.
fel geſtellt). Die wirkliche Abfaſſungszeit kann wohl nid
bedeutend fpäter fallen, al8 die fingirte. Um des Publ
willen mußten die neueiten Sreignifje behandelt werden, die natig
lich am meiften Intereſſe hatten. Alfo gegen DL. 98, 2:
dem Frieden des Antalkidas zuſammentrefſend. Von ei
zu Grunde liegenden Studium des Thukydides find zlanlk
unzweideutige Spuren vorhanden 2). Platon hat währe
dieſer ganzen Periode in heftiger Polemik gegen die Schul
ner gelebt, die ihrer Manier den Namen einer Kunft vindic
ven wollten. in gediegener Kenner der altern Philoſop
Here Profeſſor Krijche in Göttingen, vergleicht den Die
xeno® in dieſer Beziehung mit dem Phädros. Gerade wie
Phadros ter Liebebrede des Lyſias eine andere, von demſelle
Staudpunkte aus entgegengehalten wird, um zu zeigen, will
der Redner die Form behandeln müſſe, auch vom Sf
ganz“abgeſehen: fo will der Menerenes eine Ähnliche Kritik
Eeichenreden liefen. Alfo es beifer machen, aber nur m
Standpunkte der gewöhnlichen Epitaphien aus. Den Jubel
denkt der Philoſeph durchaus nicht zu vertreten. Das Ef
der atheniſchen Staatöverfaffung, die in Wahrheit eine Ark ık
kratie fein ſoll, iſt entichieden unplatonifh. Damit dieß abe"
auch Niemanten verbergen Bleibe, ift der einleitende Dialeg'
fo anachroniſtiſch, ja burlesk gehalten, wie faft in keinem ar
deren Werke Platon's. Sokrates tritt darin auf, und def
Stück fpielt Doch Immge nach feinem Tode. Gewiß noch lin"
ger nach dem Tode der Afpafia, welcher die Rede felbit zuge |
fißrieben wird. Dazu fortwährend die Bitterfte Ironie gegm
5 Im erften Buche wird eine Etelle des Menexenos ſchlechthin
dem Sofrates beigelegt, im dritten Buche aber geradezu dem Sokrates
iv to inıtapig.
. 2) Menex. p. 236. B. Auch ber anfängliche Gegenfag von Rat
und That erinnert durchaus an den Eingang bed thukydideiſchen Epita⸗
phios. |
6. 2. Abfall ver Bundeggenoſſen. 49%
auf einander Chalkideus (6.), Aftyochos (20.), Minda⸗
(85;), Krateſippidas, Lyſandros, Kallikratidos und aber
JLyſandros. . Dem Ghalkiveus Tann man nur unei⸗
Kb das allgemeine Kommando zufchreiben; Die drei lebten
r in die Zeit der renophontifchen Helleniten. Indeſſen
och erſt ſehr fpät eine gewiſſe Eoneentration bei ihnen eih-
im. Wie uneind zu Anfang die ganze Ylotte war, wie
e die Bundesgenoffen der Lafedämonier, noch auch die
rfeldberren dem Aſtyochos recht gehorchen wollten, fehen
um beutlichften VIII, 32. Zwiſchen den Harmoften Bes
88 und dem Admiral konnte ſich eine fürmliche Eiferfucht
Ifden (40.). Dazu kam der häufige Wechfel des Ober
8. Lange Zeit hielten die Lakedämonier eine eigene Klotte
donien und: Ziffapheened, eine andere für den Hellespont
Pharnabazos (39.). Dieſe Zerfplitterung, welche die
Boperationen ungemein hemmte, mußte natürlich feit der
inung des Kyros zum Vicekönig von ganz Vorberafien
en. Die erite geoße Vereinigung der ‚pelopormefifchen
ckräfte finden wie 79. Bon jest an werden auch die
gereigniſſe überfichtlichee und entſcheidender. Doch leſen
noch 84 einige aufſallende Deifpiele von der Ziwietracht
bein Ungehorfam der Verbündeten. Freilich, hätten fie
and gehorfam fein können, fie wären nimmermehr zu
tern der Perfer und Athener Herabgefunten 1).
\ Seitdem Alkibiades wieder athenifch geworden war, bis zum
des ganzen Krieges drehet ſich der Kampf größtentheild um. den
pont und Bosporos. Einigermaßen wird bie mit dem Abfale
ubsa zufammenhängen. Die Kornlammer in ber Nähe war für
‘verloren; das platte Land wurde von Dekelea aus verwüftet : ließ
ich nun noch den Pontos fperren, fo mußte Hungersnoth ausbres
. Sowie daher Alkibiades Siege in diefer Gegend wieder Bahn ge-
‚gaben, klagt der König Agis, ber zu Dekelea befehligte, die
ufuchren im Peirädus würben fo ſtark, daß feine Verheerungen
‚helfen könnten (Xenoph. Hell. I,1, 36.).
ET . 32 *
512 Erſte Beilage: ..'.
der NRedner lieber ſtillſchweigen. Der Kampf gegen:&
pos, die Amazonen, bie Bbotier, den Euryſtheus ke
den Poeten ſo wiel ſchoͤne Bearbeitungen gefunden, %
Preſa, bei der Kürze der iht zugemeſſenen Zeit, Ha
wegfallen müßte... Deko ausführlicher wird er in der
lich hiſtoriſchen Periode, die mit dem Perferkriegea
Hier ſehen inte die: „geiſtreichtMefchichtsbehandlung de
hereu Redner vnllkommen ausgebildet. Elegante ,:iberik
Gruppirung bed. Stoffes: wienz. B. im Perſerreiche die
fen bed: Kyros, des Kambyfes andı des Dareios ſcharf ge
werden, und bei demletztenwieder ſeinz Landzüge von
StezugenAus ſchmuckung! der: Begebenheiten: anit:glän
Aneldoten: ſo zu Buͤrdaß die Perſer bei. der Bekriegun
Set fürn: den -Hänten gefaßt: unbe: ſon von Mi
Beer :chie lange Reihe gebildet haben‘, um ihre : Gegner.
fangen: Die: Sieget von: Marathon ‚Fin: qucht PBloß die
Khan Bätet des athenifchen: Wolles,: FJondern. aueh die
ſeineriFreiheit; ja⸗ der Freihelt von ganz Europa. Sie
die Kühmer;::: warew bie: Lehrer. von.: Sriechenlaus ,: da
Perſer überwindlich ſeien, und daß Reichthum wie Men
zahl; der Tapferkeit wrichen müfſe. Hiernach bringt. der
ner noch eine ſcharfſinnige Diſtinetion: zum: Vorſchein: be
rathon ſei die Furcht: votnder perſiſchen· Eundmacht zer
bel Artemiſion ‚und. Salami: nor der perſiſchen Seemacht.
diedritter Epoche. des Perſerkrieges wird einerſeits die So
von Platäa, andererſeits: die. Seczüge ber: Athener bezei
bis zum Eurhmedon, bis uach Kypros und Aegypien;
Dusch: feiennudem Großherrn feine helleniſchen Bundesge
ſämmtlich wieder entfremdet, .ex, felbft. aber in den Sta
Defenſive gedrängt worden.: m. Sanz auf ähnliche Art t
jetzu andy Die. pelopouneſiſchen⸗Kriege abgehandelt. Die
fälle der Athener in Böotien erſcheinen als Verſuche zu
freinng der Böotier ſelbſt; wie auch Die öffentliche Mi
ſeit der Demokratiſirung von Theben wohl entſchieden urt
Beilagen
Be u -
Beilagen
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— 200 np MR Te 12 u RS
17 "7: if H !
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ap pe Beilage...
leid u von IThaͤrvdides IL, 35—46! mit
| übrigen Leichenreden und Panegpeiten des
WM Alterthums.
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æ* den. Leichenreden des Alierthuuis, welche mit der peri⸗
hen bei: Thukydides verglichen werben koͤnnen, zeichnen ſich
adie des Lyſias, Die des Platon im Menexenos und
Me Demofihenes für. die Gefallenen von Chäronea. Ver⸗
jene Stellen ifofratifcher Reden müſſen zugleich in Betracht
been werden. : Auf die Echtheit ander ‚Unechtheit diefer Schrife
Banmt ed. mir jeßt nicht an 1)J. Wie Dahlmann
ad bemerkt, fo mußte in jenen: alten: Zeichenreden dem
iränen Volke ebenfo fehr gefchmeichelt werben, . mie heut⸗
pe den Fürſtenhäuſern. Ja, wohl mehr noch, Das Volk,
hainen Theil von fich felbit. begrub, wollte jelbit gelobt
y während bei und der Nachfolger immer ſchon leichter zu⸗
m geftellt werden kann. Sogar. das Unglück Des Volkes
9 Dahlmann (FKorichungen auf dem Gebiete der Geſchichte Ih. 1,
9.) hält ſowohl den Lyſtas, als den Demofthenes für et; und
ich befenne, daß mich die bisher vorgebrachten Gegengründe auf
Beiſe überzeugt haben.
506 \ Grfte Beilage.
mußte möglichit wertufcht werden, weil das Unglüd,
Zeichen göttlicher Mißgunft, Schande brachte. Dieß
einzige Öelegenheit, wo der Redner Frauen unter ſei
hören zählte. Alles Lob mußte dan Volke felbft ı
die Themiftofles, Kimon, Perikles durften ebenfo w
nannt werden, wie heutzutage Die großen Miniſter un
herren eined Durch fic glänzend geivordenen Könige. —
brigens finden fich in ber thukydideiſchen Leichenrebe |
Spuren, daß der Verfaſſer den gemähnlichen Her
Epitaphien gemißbilligt hat. So ſchon bie Zeitverg
welche der gewoͤhnlichen Aufzchlung aller Kriegẽthaten
worfen mird-(36.)5 die Wohlfeilheit der Gemelnpiät
über den Werth der Vaterlandsvertheidigung ftehend ware
Der Epitaphios de Lyſias fpielt bei
im korinthiſchen Kriege. Während Thukydides di
thenzeit nur kurz abfertigt, nach feiner gewöhnlichen I
Weit nur das ganz Sichere, die hiſtoriſchen Zufläinde,
za Grunde liegen, heraushebt, nimmt fie bei Luflad ı
den am meiſten Bla weg. Die Beflegung der An
De Bellattung der Sieben vor Theben, die Vertheidig
Herafliden gegen Euryſtheus, dieſe Hauptlichtpuntte d
nifchen Sagengefchichte, werden mit glänzenden Karben
koloſſaler Größe hervorgehoben. Dabei nerfährt unfe
ganz, wie ein pragmatifitender Gefchichtfchreiber. ©
er 3. B. die große Macht der Amazonen daraus, dal
erſt eiferne Rüftungen und Reiterei befeften Hätten,
dffentlichen Leichenreden knüpft fi überhaupt der Myt
matismus der fpäteren Gefchichtfehreiber ganz natürlich a
nehmen mußte: der Redner bie Urzeit jedenfalls; Tein !
daß er fie, um fie dem Ohre feiner Zuhörer genehw
chen, ganz fo behandelte, als wenn fie geftern exit v
wäre 1). Und alle pragmatifche Mythenverfälſchung
D Ganz parallel hiermit laufen die fingirten Gerichtsred
Lyſias Eyitaphios. 807
rauf, daß man: fih in die Sinnesweiſe der Vorzeit aidät
ve Hineindenten kann. — Hierauf geht Lyſias, Tem her⸗
unlichen Stile gemäß, zu dem Lobe der athenifchen Au⸗
ſthonie über, und daß Athen zuerſt Das Recht des Stär⸗
u mit den geſetzlichen Zuſtande demokratiſcher Freiheit ver
ſcht Habe. Weil dieß eine Hiftorifche Wahrheit iſt, ſe hat
5 Thukydides fie aufgenommen.
Alsbald folgen die Perſerktiege. Es iſt ein Hauptunter⸗
ed des Lyſias gegen Thukydides, daß es ihm auf geſchicht⸗
De Treue durchaus nicht ankommt. So meint ex, Dareios
Be deßhalb von allen Hellenen Athen zuerſt bekriegt, weil
fon. damals unzweifelhaft die Hauptitadt gewefen. Den
wrathontichen Sieg feiert er mit glänzenden Antithefn. Die
hener Hätten gedacht, zu fterben fei Allen gemein, ruhmvoll
Berben Wenigen vorbehalten. Sie hätten ihre eigenen Ges
ge mehr geſcheut, als das Schwert des Feindes. Daher
un auch das übrige Hellas den Einfall der Barbaren erſt
gleich mit ihrer Niederlage vernommen hätte Bon Zerreß
Kb erzählt, er fei auf dem Meere marfchirt, und durch das
and gejegelt. Lauter Dinge, denen man eine gewiſſe Schoͤn⸗
ut nicht abfprechen kann; freilich eine, die mit den einfachen
dorten des Herodot zu vergleichen wäre, — Die lebhafte
nsmalung der Gefühle, welche die Athener bei Salamis für
4 ſelbſt, ihre Stadt, ihre Weiber und Kinder empfunden,
k echt lyſianiſch; Thukydides verſchmähet dergleichen, da es
inesweges für den Gegenſtand der Schilderung charakteriſtiſch
t, vielmehr vom Leſer gar leicht ſupplirt werden kann. Auch
heint es nicht eben nobel zu ſein, wenn der Redner ausruft:
e Sophiſten jener Zeit den alten Heroen in den Mund legten. So—
8 Antifthenes Ajas und Odyffeus , des Alkidamas Obyffeus gegen Pas
mebes u. A. m. Auch fie erforberten ein möglichft lebendiges ‚Berge:
nmwärtigen” der mythiſchen Zeit. Hatte doch Euripides fchon feine
ındsleute gewöhnt, die Heroen wie ihres Gleichen zu betrachten. -: -: +
310 Exfte Beilage.
fel geftellt '). Die wirkliche Abſaſſungszeit kann wohl n
bedeutend fpäter fallen, als die fingirte. Um des PBußlke
wilfen mußten die neueſten Sreignifje behandelt werden, die nat
lich am meiften Intereſſe hatten. Alfo gegen DL. 98, 2:
dem Frieden des Antalkidas zufammentrefiend. Bon em
zu Grunde liegenden Studium des Thukydides find ziemil
unzweideutige Spuren vorhanden 2). _ Platon Kat wäh
diefer ganzen Periode in heftiger Polemik gegen die
ner gelebt, die ihrer Mlanier den Namen einer Kunft vindic
ren wollten. Bin gediegener Senne der alten Philoſophi
Hert Profeffor Krifche in Göttingen, vergleicht den Me
xenos in diefer Beziehung mit dem Phaͤdros. Gerade wie Hi
Phadros ver Liebedrede des Lyſias eine andere, won beufelhde
Standpunkte aus entgegengehalten wird, um zu zeigen, WR!
der Rednet die Form behandeln müſſe, auch vom Saba
gühztabgefehen: fo ill der Menexenos eine Ähnliche Kritik Wi
Selchenreden liefern. Ufo e8 beffer machen, aber nur vol:
Siandpunkte der gewöhnlichen Epitaphien aus. Den Juhifk
denkt der Philoſoph durchaus nicht zu vertreten. Das ii
der athenifchen Staatsverfaſſung, die in Wahrheit eine Ake:f
kratie ſein Toll, iſt entichieden unplatonifh. Damit dieg ae‘
auch Nienanden verborgen bleibe, iſt der einleitende Dialeg
fd: auachrsniſtiſch, ja burlesk gehalten, wie faft in keinem am }
dein Werte Platon's. Sokrates tritt darin auf, und da
Städ fpielt doch lauge nach feinem Tode. Gewiß noch le
der nach dem Tode der Aſpafia, welcher die Rebe felbft mge
fißrieben wird. Dazu fortwährend die bitterfte Ironie gegen
\
My Im erflen Buche wird eine Etelle des Menerenos fchlehthin
dem Sofrates beigelegt, im dritten Buche aber geradezu dem Sokrates
dv zo inrapip.
-%) Menex. p. 236. B. Auch ber anfängliche Gegenfas von Rede
und That erinnert durchaus an den Eingang bes thukydideiſchen Epita⸗
phios.
Lyſtas Epitaphios. 509
x Turz beſprochen, wobei er das großnzithige Benehmen
B: Staates gegen Korinth erhebt. - Dann. beklagt er Die Hin⸗
Sliebenen, und fchließt mit glänzenden Veme mplüden über
ven ruhmoollen Tod. ed
; hukvdides beginnt ſeine Rede mit einer hidtoriſhen an
* en um die Wahrheit feiner Schilderung, zu „pers
3 Lyſias mit einer vhetoriicgen, : ed..habe ihm ‚an Heit
Fan. Er stellt fig won Anfang-an als Apetteifernd. Day, auf
ug früheren Leicherrednern. Dennoch it das Ganze, beinthnz
Dides auch als Lobrede viel geſchickter nugeoppuet,:c Dg8,
reiſen der Vergangenheit bei. Lyſias, bat: mit dem NRuhms der
etallenen. wenig zu. ſchafftnz "wohl. aber bag: der, Geganatt
5 Thukydides, weil ja: die Gefallenen Diefer Gegeumazisjelhkt
agehören. Dadurch verliert ;die. Rede auch das Anakdatiſche⸗
eitenartige ;. fie. wird eine ‚Schilderung, ein Eyſtem. Fhucu
des übertzeibt nicht: ex läßt. den Gefallenen ihre wenſchlichen
krachen (IE, W.). Intereſſant fir. den Chayaktar, Me⸗
inner iſt ed;;.daB. Thukydides, obwohl Hiſtoriker, praktiſche
rinahmmgen einwebt (48.); Lyſias, obwohl, MDR A
Atzlich unterlaͤßt, wenigſtens nicht: geradezu, , Ond Bpbiäg
nafallenen if :Sei: Lyſias fo, daB :e- zw; jeder ‚Beh. Palin,
ürde; bei: Thukydides (42. fg.) paßt es durchqus ann muß
es perikleiſche Blüthe, ‚und würhe 3. B. ſchon: gegen Demaz
henes Zeitgenbſſen einen ſchrofſen Gegenſatz bilden Hie
weebe an die Hinterbliebenen iſt bei Lyfias zwar. affecchvollen
1d umuhiger, auch viel allgemeiner. und vager;., aharrhet
hukydides freundlicher, was dem ernſten Manne unvergleich⸗
H anſteht, dabei ruhig und mit den feinſten Beobachtungen
8. menfchlichen Weſens durchflcchten, die fir ve Geſchlecht,
des Alter beſonders berechnet ſind. rs nnd
Dag der Menexenos von Blaton hereuhm, wird
ach einige Anführungen in Ariſtoteles Rhetorik außer Zwei⸗
312 Eerſte Beilage: ...
der ⸗Nedner lieber ſtillſchweigen. :Der. Kampf. gegin: E
pos, die Amazonen, die Boͤotier, den Euryſcheus hat
den Poeten ſo⸗vwiel fchöne Bearbeitungen gefunden, %
Preſa, bei der Kürze der ihr zugemeſſenen Zrit, hie
wegfallen müßte. Deſto ausführlicher wird er im der
lich hiſtoriſchen Periode, die mit dem. Perferkriege «
Hier ſehen wir die. „geiftreichet: Eefchichtsbohandlimg d
heren Redner villkommen ausgebildet. Elegante,:überſi
Gruppirung des Stoffes: inte: B. im: Perſerreiche vi
fon des: Kyros, des Kambyſes und des Dareios scharf. gi
werden, und bei dem letzten nieder feine: Landzüge von
Steigen... Auefchüuärkung:: dev: Begebenheiten, mit:glän
Anekdoten: In: Baͤrdaß bie Perfer ;ber:dexr: Bekriegun
Gretriu ſichicin: den Händen gefaßt: unbe. fo..non M
Mier ehie lange Reihe gebilbet haben, um: ühre : Gegner
fangen." Die: Sieget ontr Marathon ‚Fink: äsicht bloß di
Hehe Bätet des atheniſchen Wulids ‚,: ſondern. Auch Die.
feinen Bpeeiheit; ja-der. Freihelt von ganz Europa. Sie
die Hühner: weren die Lehrer. dcr. Sriechenlaub;;: da
Perſer überwindlichſeien, und: daR Reichthum wie ‚Die
zahl. der Tapferkeit wrichen müſſe. Hiernach bringt. der
ner noch eine ſcharfſinnige Diſtinction zum: Vorſchein: be
rethan. feiidie Furcht voruder /perſiſchen· Kundmacht zer
bei-Artemifion und Salamis: vor der perſiſchen Seemacht.
dierdötte. Epoche des Perſerkrieges wird einerſeits die ©ı
von Platäa, anderexſeits: die. Seczüge: der Athener bezt
bisa zum Eurymedon,“ bis vach Kypros und Aegypten;
durch feienudem Großherrn feine helleniſchen Bundesge
ſämmtlich wieder entfremdet, ‚ex: ſelbſt aber in den Star
Defentive: gedrängt worden. Ganz auf rähnliche Art ı
jeht: and die prlepouneſiſchen⸗ Kriege abgehnndelt. Die
fälle der Athener in Böotien erſcheinen als Verſuche zu
freiung der Böotier ſelbſt; wie auch die öffentliche Me
ſeit der Deinofratifi irung von Theben wohl entfchieden rt
Platon’8 Menexenos. 811
Nedner überhaupt, und die Leichenreden insbeſondere.
ai höchſt angehende und geiſtvolle Heine Schriſt
Be ganze Rede iſt durchaus ſyſtematiſch geſchrichen, mit
on: ſichtlichen Streben nach logiſchem Zuſamnmienhange.
üch zu Anfang des Proömions wirt: das Geſetz erklärt,
ed. die Feier augeordnet Hat 1); zugleich auch die. Zwecke
Mede vollfländig neben einander gefiellt: Lob der. Gefalle⸗
SRrhflung.des Alters, Ermmmterung. der Jugentc. Hier⸗
Dird dad. Hauptthema in drei Theile gefondert: . Die Ab⸗
Fe: der Geprieſenen, ihre Etziehung, ihre Thaten ſelbſt
Awird denn zunächſt ihrer, Autochthonie gedacht, wie Die
Ener Bein: zuſammengelaufenesVolk find, vielmehr von der
witer: ſelbſt, die ſie geboren, auch groß geſäugt. Daſſelbe
ur hat ja num auch Die: gefallenen Helden in feinen mitten
en. Schuof -zurkeigenommen. Dieſeg Land if von jcher den
tern am theuerſten: geweſen: um den Beſitz von Attika ha⸗
Gotter gekümpft. Hier in Attika iſt Die Wiege des menſch⸗
um. Gefchlechtes zu ſachen. ME. Beweis dafür: kannder
ufland dienen, duß die Natur au den Entftehungänrt eines
eh: Seſchopfes auch die Nahrung befjelben: verlegt. Hat ::. ehr
kitter empfängt hady.der Geburt auch. Milch für das Neuge⸗
Eike... Nunm iſt Attika notoriſch die Heimath des Kornd, den
ben: Speiſe Für Menſchen. Folglich, u. ſ. m. Götter: jelbſe
best den exiten Linterricht der Athener verſehen, wie die: My⸗
de bezeugen. Alſp zebildet, ſiad die Vorfahren zune Staats
wgegangenz.:zu einer Ariſtokratie; denn ariſtokratiſch Fi der
eniſche Staat von jeher geweſen. Bei der Beſetzungaller
hatsänter wird allein auf Weieheit und — —
Auf ſolchen Sirumblagen konnte ein ſhones, yon‘ —
hes Zeben erbuut werden. ‚Bon hen Aytengaſcha:⸗ vom
„ Bie es bei ſolchen Gelegenheiten beetömmtich war: : Thücyd,
35.
312 Exſte Veilage
der Reimer: lieber ſtillſchweigen. Der Kampf gegen: €
903, die Amazonen, die Bootier, den Guryſtheus hai
der Poeten formiel fchöne Bearbeitungen gefunden, %
Preſa, bei der Kürze: der -ihtrzugemeflenen Zeit, hier
wegfallen. müßte. Deſto auöführlicher wird er in der e
lich hiſtoriſchen Periode, ;die mit dem Porſerkriege au
Hier ſchen inte die „geiſtreichtc.Meſchichtsbohaudlimg de
hereu Redner vllkommen ausgebildet. Clegante⸗überſich
Gruppirung des Stoffes. Anieıy B. im Perſetxeiche die
fon des: Kyros, des Kambyſes: und: des Dareios ſcharf get
werden, und bei dem letzten nnieder ſeine Landzüge ivon.f
StezugeneAusſchmũckung der Begebenheiten mit:gkim
Anekdoten: ſo z2. Baͤrdaß Die Perſer ;bei.:dexi Belriegung
Gretuin cyan: den Händen gefaßtin unbe foumose Die
Meerenne lange Reihe gebildet haben, -um:ähre: Gegner ei
fange: Die: Sieget ontr: Marathon find: qucht bloß die
Khax Väter des atheniichen: Mulkes ,ı; ſondern. sah Die X
feinecıPpeißeit; ja⸗der⸗ Freihelt vongaag Burepası! Sie w
Die Rühren: wearen bie: Lehrer von. Griechenlaud,? daß
Perſer übenpindlich ſeien, und daß Reichthum wie Menſ
zahl der Tapferkeit wbichen müſſe. Hiernach bringt der.‘
ner noch eine ſcharfſinnige Diſtinetion: zum: Vorſchein: hai
reihen fer die Furcht: votnder /perſiſchen· Landmacht zerſt
beb Artemiſion und Salamisvor der perſiſchen Seemacht.
diendrittei Epoche des Perſerkrieges wird einerſeits Die Sch
von Platäa,anderexſeits: die. Seczüge ber: Athener bezeid
biasaym Eurymedon,“ bis vach Kypros and Aegypten;
durch feien dem Großherrn feine helleniſchen Bundesgen
ſämmtlich wieder entfremdet, ex ſelbſt aber in den Stan
Defenfive:igedrängt worden. Ganz auf ähnliche Art w
jetzu auch Die: pelopouneſiſchen⸗ Kriege abgehundelt. Die
fälle der Athener in Böotien erſcheinen als Verſuche zu
freiung der Böotier ſelbſt; wie auch die öffentliche Mei
feit der Demokratiſirung von Theben wohl entfchieden urtl
Platon's Menexenos. 313
wird die Großmuth gerühmt, womit die Athener der Ge⸗
genen von Sphakteria geſchont hätten; ihr Grundſatz laute,
Hellenen bis zum Siege, die Barbaren bis zum Tode zu
Impfen. Der ſieiliſche Krieg und das Weitere bis zum
mdriſchen Frieden wird als ein eigener, dritter pelo⸗
meſiſcher betrachtet, damit Athen dem einen verlorenen
E.geiwormene entgegenfeßen koöͤnnte. Auch diefen Krieg fol
In Befreiungsabfihten, für die Leontiner, unternommen
en, Nicht durch Feindesmacht, fondern durch innere Zivi-
Peit ift Athen den Beloponnefiern erlegen, . Von der Ne
sation durch Thrafybulos urtheilt der Redner, wenn ein⸗
Es Bürgerkrieg fein folle, fo könne jeder Staat um einen
Ben Bürgerkrieg beten, Die Gefallenen dieſes Krieges feien
Ft durch Haß, fondern durch Verhängnig zum Kampfe ge
Men Was weiterhin über den korinthiſchen Krieg gefagt
MR, ift durch und durch verfälfcht, zu Gunſten der Athener,
Beentlich wird jede mwahrhafte Verbindung Athens mit den-
wubaren. geläugnet, was der Nebner wiederum durch die
ochthonie feines Volkes erklären will 1).
+: Einen neuen ortfchritt in vieler Hinficht finden wir beim
Fotrated. Und zwar find es beſonders der Panegyrikos
der Areopagititos, die hier in Frage kommen.
a: Der Panegyrikos ift während des olynthifchen Krie⸗
n geſchrieben ‚, nach der verrätheriſchen Beſetzung der Kadmea
wc die Lakedämonier. Ex beginnt, wie faft alle Reden des
okrates „mit einer langen, literariſch⸗polemiſchen Einlei⸗
BB; mit einem glänzenden Zobe der Redekunſt, welche das
nen, das Neue alt mache; fo daß es auffallend ſei, wie
J 7) Wo Platon aus eigener Seele die Geſchichte behandelt, wie
ich in der Republik und den Gefegen, da ift zwar auch bie reale
kahrheit mitunter verlegt, allein die Behandlung doch eine ganz ans
be, als im Menexenos. Won philofophifcher Speculation enthält bie
m mir fogenannte geiftreiche Geſchichtsmethode der Rhetoren kaum
ne Spur.
| 33
314 Erſte Beilage.
man den Athleten, die doch tief unter dem Redner ſtehen,
ehrenvolle Preiſe Habe ertheilen köͤnnen. Auch gegen Se
wird geeifert, welche Prunkreden in Iſokrates Manier u
höher ſchätzen, als bloß praktiſche Gerichtsreden, und von I;
„den weiter Nichts, als plane Nüchternheit fordern: vers
lich ein Stih anf Lyſias und deſſen Schule (vgl. Isocr. A:
nath. 1.). Dabei charakterifirt es den Sokrates vortrefif
dag er die feinen Ausbildner der Redekunft Höher ſtellt, .
die Erfinder. — Die Rede felbft will zue Verführung
Sparta und Athen, zur Anerkennung Athens wenigftend
Seeherrſcherinn, zur gemeinfamen Befämpfung der Darbang
aufmuntern d. Die Hegemonie, dieſen unfeligen Zantap
folle man fahren laſſen. Athen habe das fchon gethan, ih
wenn irgend ein Staat auf die Obergewalt Anſpruch mare
könne, fo fei e8 doch eben Athen. Dieſes Thema wird =
ausgeführt: die Welt fol einfehen, daß Lakedämon gar Tape,
Recht darauf habe. Iſokrates ift wiel gründlicher und ſſug
matifcher, als Lyſias. Ex füngt, mie gewöhnlich, ab
an, mit der Autochthonie von Athen 2), mit der Schu
des Korns und der Myſterien durch Demeter; aber Ale weh,
terftügt mit Vernunftgründen und Hiftorifchen Beweiſen. Of
3. B. der Kornbau von Athen gelehrt fei, erhellt au m
Erftlingsfrücgten, die ſchon von vielen Hellenen alljähkd
nach Athen gefchickt werben, und dem Befehle des Dutd
en end
1) Lauter Dinge, welche ber Redner fein ganzes Leben hindurd iM
Auge gehabt hatte: vgl. den Anfang bes Panathenailos, der in mande!
Hinfiht als eine flark vermehrte Ausgabe des Panegyrikos gelten kan.
Schade nur, daß die panathenäifche Rede, mit ihrer DOppofition zb
fchen Sparta und Athen, Eurz vor ber Schladht von Chäronea etwa
zu fpät fommt, und die fichtbare Altersſchwäche des jährigen Berfik
ſers einen wehmüthigen Eindrud hinterläßt.
2) In einer fpätern Rede fest Iſokrates mit der Autochthonie i
Verbindung, daß Athen von pelopibilchen und labdakidiſchen Gräueltie
ten verjchont geblieben: Panath. 46 sqq.
Iſokrates Paneghrikos. 313
h won allen gefchieft werden follten. Die Belegung der
rbaren 1), Die Kolonifirung der Inſeln, welche Iſokrates
Die Mythenzeit verlegt, iſt ihm ein vorbildliches Analogon
fpätern athenifchen Hegemonie Wenn Athen der Zu-
Htdort der verfolgten Seroen war, mo fie zu Recht zu ſte⸗
ſich erboten, fo ſchließt Iſokrates daraus, daß hier zuerft
cht und Geſetz gegolten Habe, Wie mußte dergleichen die
Yterwuth der Athener im nachperifleifchen Zeitalter ki⸗
ur2)! Hiermit ſteht es in leicht erklärlichem Zufammenhange,
3 Athen auch den Verkehr und Handel erfunden Hat. " Die
Echte Controverſe übrigen? , ob dergleichen Erfindungen
wrichlichen oder göttlichen Urſprungs feien, läßt Iſokrates
entfhiden! |
Mit vieler Intelligenz und ebenfo vieler Beredtſamkeit
weh nun der Kulturwerth großer Volksverſammlungen geſchil⸗
=t: nur ift ed charakteriſtiſch, daß Sokrates Hauptjächlich
ar ihnen rühmt, die Einen könnten ihre Geſchicklichkeit da
Enzen laſſen, die Anden fih an dieſem Spiele ergötzen.
Eßhalb geht er auch fofort zu den Schaufpielen über und zu
wi vielen Fremden, die um ihretwillen nach Athen ftrömen.
ker werde nicht allein in Stärke und Schnelligkeit, fordern
wi in Verſtand und Bildung geiwetteifert. Athen fei beitän-
&, was Olympia ꝛc. mährend der großen Spiele fei.
ab mehr noch, der Sit aller Beredtſamkeit und aller Kul⸗
©. Schüler zu Athen werden die Lehrer der übrigen Welt;
then hat bewirkt, daß, Hellene zu fein, weniger die Ab-
immung als die Bildung und Humanität bezeichnet 3).
2») Die Gefchichte von Kabmos, Pelops, Danaos betrachtet Iſo⸗
tes ald Beweis, daß die Barbaren damals, bis auf den troifchen
jeg, den Hellenen überlegen waren: Panath. 29 sqaq.
3) Dffenbar eine weitere, wenn auch Tarrifirte Ausbildung ber
ukydideiſchen Mythenbehandlung. gl. Isocr. Helena 16.
3) Ob dem Redner hierbei wohl Thucyd. II, 41.: maidevas aijs
l2cdos vorgeichwebt hat?
33 *
518 Erſte Beilage,
am Megiment hätten; daß ein Theil der Bürger im 9
lande felbit des natürlichen Bürgerrechtd entbehrte. Un
find die, welche den Athenern ihre Hegemonie zum Ve
machen? Dich benukt der Redner, um eine grelle, aba
eben untrene Darſtellung der Dreißigherrſchaft und der |
mondfchen Reaction überhaupt einzuflechten,. — Am €
nimmt er feinen frühen, über alle Parteikämpfe erh
Standpunkt wieder ein. Welche Thorheit, ruft er aus
vertilgen und gegenfeitig, um Kleinen Gewinn, mähre
Darbar ſich die Hände reibt; und wenn wir vereint I
ten, fo wäre es und leicht, die ganze unermeßliche Da
Perferreiches davonzutragen, Diefe Aufforderung wird
flütt durch eine Darlegung der Heillofen Schwäche, d
Großherr in allen Kriegen der leiten Vergangenheit be
habe. Es wird die unkriegerifche Weichlichkeit feines 7
der Uebermuth und Knechtsſinn der Großen, ihre abgi
Verehrung vor dem Könige, ihre Treulofigkeit gegen Frı
ihre Feigheit gegen Feinde, endlich die glänzende Geleg
des Augenblids, um die Ermahnungen des Redners ji
flärfen, in ein Helles Licht geſetzt.
Sm Areopagitilos (8 ff.) !) entwirft und der
ner ein Gemälde der alten Herrlichkeit von Athen, zur
ahmung und Wiederheritellung für feine Zeitgenofien.
etwas näherer Betrachtung erkennt man fogleich, daß ih
Leichenrede des Thukydides zum Mufter gedient hat 2).
) Diefe Rede ift gelchrieben während ber blühenden Ma
Theben, nachdem bie Laledämonier Athens Hülfe gegen ihre Fei
gefprochen hatten (Cap. 28.).
2) Photios (Bibl. Cod. 260.) behauptet zwar, bie vie
bereinflimmungen zwifchen Sokrates Panegyrikos und Thukydid
chenrede jeien nur zufällig; allein das Verhältniß des Areopagitif
Thukydides hat er nicht bemerkt. Auch möchte fchon jenes Läug
für fprehen, daß andere alte Gelehrte allerdings eine Rad)
fanden.
Sokrates Paneghrikos. | 517
uuı Vergnligen verweilt er bei der Schifverung der maratho-
chen Zeitz hier fließt der Strom feiner Perioden am fchön-
8, aber es find faſt nur redneriſche Autofchedtasmata, glän⸗
De Antithefen, die jeher Zeit= und Ortsfarbe gänzlich er⸗
reigeln. Häufig fogar mit entfchiedenen Irrthümern gemifcht.
L Ber Gefchichte des Perferkrieges machen fich zwei Eigen-
kuulichkeiten bemerkbar: zuerſt nämlich, daß Iſokrates, ans
em gelehrten Streben nad) Vollſtändigkeit, es nicht ver-
znähet, die egregie dieta feiner Vorgänger unverändert
Füberzunehmen, Hier 3. E. das ſchöne Wort des Lyſias
er die Hellespontäbrüde und den Athoskanal. Sodann,
88 den Inhalt betrifft, ein ſtarkes Hervorheben der Eintracht
Eichen Athen und Lakedämon, welcher Hauptfächlich der
keg zugefchrieben wird. — Die nun folgende Schilderung
e athenifchen Hegemonie ift natürlich an Entſtellungen der
Bahrheit reich; und im fofern Hat es großes Intereſſe, fie
t der Athenerrede im erſten Buche des Thukydides zu ver⸗
eichen ). So wird Athen z. B. gegen den Vorwurf der
rauſamkeit wider Stione und Melos damit wertheibigt,
zen abgefallene Unterthanen müſſe Jeder Hart verfahren. Es
zb geradezu behauptet, Athen habe die Inſeln als Bundes⸗
anfien behandelt, nicht als Linterthanen. Man fieht, Iſo⸗
tes weiß die Athener nur duch Lügen rein zu wafchen.
ergleichen fand aber damals ebenfo und aus denfelben Grün⸗
a bei der liberalen Partei Glauben, wie Heutzutage manche
wpoleoniaden in Deutfchland. Hatten die Athener doch allen
‚en Unterthanen dafür den Himmel der Demokratie eröffnet!
iefe Demokratie wird glänzend herauögepußt: es fei unnas
rlich, daß die Vielen den Wenigen gehorchten; Daß die au
ermögen Aermeren, aber perfünlich Gleichen Feinen Anteil
3) In der Rede vom Frieden, wo es freili darauf anfam, die
enen Mitbürger des Sfokrates zur Mäßigung zu flimmen, finden wir
e ganz andere, viel ungünftigere Darftellung der athenifchen Politik.
520 Erſte Beilage.
dieß zu thun, für Glückſeligkeit hielten: ſondern indem
Staat folche Dienfchen verabjcheute und züchtigte, machte
alle’ Bürger weifer und beſſer“ ). Thukydi des fährt
„Bei Privatrechtähändeln genießen Alle nach den ©ejeken
gleiche Recht; in Bezug aber auf die Staatsämter wird
nach dem guten Rufe, welchen er in irgend etwas
hat; nicht nach einer Nangabitufung, fondern nad) |
Tüchtigkeit ausgezeichnet. Und auch Fein Armer, der
Staate Nuben bringen kann, wird Durch die Unfchein
feiner äußern Lage davon abgehalten.” Iſokrates
tert Dich zu folgender Diatribe: „Was aber damals für
Hauptfächlichite Mittel zu einer glücklichen Staatsverfaſſ
galt, war, daß man won den zwei verfchiedenen Arten
Gleichheit, entweder Allen daſſelbe zu ertheilen, oder
dad Geziemende, die befjere auszuwählen verftand. See
Gleichheit, wo die Guten und die Schlechten gleichftchen, m
warf man, als ungereht; man zog aber die andere vet
welche Jeden nach Verdienft ehrt und ſtraft; und mit ihr mm
waltete man den Staat, indem man die Aemter nicht un
Alle verloofte, fondern die Beſten und Gefchickteften zu jem
Geſchäft voranwählte. So, hofſte man alsdann, wire
auch die andern Staatsbeamten werden. Dieſe Methode hich
man felbjt fiir demofratifcher, als die durch's Loos. Dem
beim Loofe entfcheidet der Zufall, und häufig Kommen fl
Anhänger der Oligarchie an das Staatsruder; wählt ma
aber die Paßlichſten, fo ftcht e8 dem Volke immer frei, di
eifrigſten Freunde der beſtehenden Verfaſſung zu wählen.”
Ein Plagiator iſt natürlich immer bemühet, durch Dr
— —
—
1) Im Panathenailos (51.) erklärt Sokrates diefe alte Demokra
für eine wahre Ariftofratie, während feine Beitgenoffen aus forgle
Unwiffenheit Ariftofratie für gleichbedeutend mit Timokratie hielt
Die Inkurgifche Verfaffung fol der athenifchen nachgebildet fein, in
fondere die Gerufie dem Areopage: Ibid. 63.
Iſokrates Areopagitikos. 519
Okrates fucht feinen Vorgänger zu übertreffen; es ift daher
Semein Ichrreih, dem Grunde feiner Abweichungen nachzu⸗
Ichen ). Die Anordnung des Stofſes bei Thukydides iſt
w einfach: er ſpricht zuerſt von der Staatsverfaſſung der
hener, dann von ihrem Kriegsweſen, endlich von der har⸗
weriichen Vielſeitigkeit ihres Lebend überhaupt, immer mit
imderer Rückſicht auf Staat und Krieg. Auch Sokrates
innt natürlich) mit der Demokratie (8.). Selbit eine
Lechte Demokratie fcheint ihm beſſer, als Oligarchie. Er
we freilich an die Volksherrſchaft ebenfo gebunden, wie heut⸗
Enge etwa ein Guizot an die conftitutionelle Verfaffung: exe
ufte nicht den leifeften Zweifel an ihrer Vortrefflichkeit Aus
en (29.). Dabei iſt es höchſt charakteriftifch für den Diege
men und fophiftifchen Sinn des Iſokrates, daß er auch Bei
m Lakedämoniern eigentlich eine Demokratie zu finden meint
4) — Das achte Kapitel entfpriht 'Thucyd. II, 37.
ww den Thatfachen aber, welche ſchon Thukydides erwähnt,
md theils die näheren Detaild angegeben, theild die Folgen
wickelt, Die der Hiftoriker dem Lefer überließ. Thukydi⸗
es 3.8. fagt: „Unfere Verfaffung trägt den Namen Volks⸗
zeihhaft, weil fie zum Beſten nicht der Minderzahl, fondern
x Mehrzahl eingerichtet if.” Iſokrates: „Die Athener
wichteten damals ihre Staatöverfaffung nicht fo, daß fie zwar
u Namen nach Die gemeinnützigſte und mildeſte geweſen
re, in der That aber ſich den Betheiligten ganz anders ge⸗
igt Hätte; auch erzogen fie die Bürger nicht auf die Art,
iß fie Steaflofigkeit für Volksherrſchaft, Geſetzwidrigkeit fir
reiheit, Nedefecchheit für Sleichheit, und die Macht, alles
— — — — —
3) Ich erinnere an den Uebermuth des Theopompos, welcher gera⸗
me ſagt, die früheren Hiſtoriker ſeien ungleich ſchlechter, als feine Zeit⸗
noſſen, felbft als die vom zweiten Range. Namentlidy in Bezug auf
» Ktedbenz denn diefe Kunft habe feitbem die größten Kortfchritte ges
icht (Theopomp. Fragm. 26. Eysson. Wich.).
533 Erfte Beilage.
tracht der Armen und Reichen fagt, find ofſenbar Lauter?
tofchediagmata, zum Theil, um volkswirthſchaftliche Fi
anzubringen. Die Armen follen ſich ebenfo fehr für den &
fit der Reichen intereffirt Haben, wie für ihren eigenen;
den’ Reichen foll es perfünlich unangenehm geweſen fein,
geringften Bürger in Armuth zu ſehen. Etwas laienhe
klingt e8, wenn die ehemals niedrigere Landrente einem grüße
Wohlwollen der Gutsbeſitzer zugefchrieben wird (12.). Am eige
thümlichften und beften zeigt fich Ifofrates in. Dem, was
über die Erziehung der Jugend ſagt. Dieß war fein Yale
aber den Triegerifchen und politifchen Geift des Thufgk
vermiſſen wir auch bier. Seine ganze Schilderung fteht n
in einem andern Gegenſatze mit Thukydides: mährend der Ki
tere die perikleifchen Zeiten ausmalt, hat Iſokrates in der?
riode des Solon und wiederum des Kleiſthenes die Blüthe
feines Volkes entdeckt ). Ebenſo ift ed ungemein * 4
ſtiſch, daß Iſokrates alle Reform von einer ſtrengern Auf
des Areopags erwartet; dieſe Aufſicht hält er für den * 71
grand des frühen Glückes Wenn ber Staat üben! wf
Laufe der politifchen Entwicklung den übrigen Vereinen ve
Bürger, der Yamilie, Corporation, Gemeinde, Provinz, im
mer mehr Terrain abgewinnt, fie immer völliger beheridt:
fo pflegt man inöbefondere, wo Die Sitte ausartet, von cine
Immer grögern Thätigkeit der Polizei und Gefeßgebung Hilft
zu fordern. In corruptissima republica plurimae leges ?)'
ı) Im Panath. 59. heißt es fogar, die gute alte Verfaffung habe
nicht weniger als taufend Jahre bis auf Peififtratos fortgedauert.
2) Den Unterfchied zwifchen Lyſias und Iſokrates, was ihr
Derföntichkeit betrifft, Tann ich hier freilich nicht ausführen. Nur:
Eins möchte ich erinnern, weil eö unbekannter if. Nichts charakteriit J
die beiden Redner mehr, ald ihre Büften, die im Museum Capitolinua J
ſtehen. Lyſias hat einen kurzen, dicken Hals; Haar und Bart ſtach,
hart und kurz gekräuſelt; eine Habichtsnaſe; alle Einſchnitte des Pro—
fils, unter dem Munde, der Naſe und Stirn, tief und hart; das Aug
Sokrates Areopagitikos. 921
derung der Worte, Umstellung Im Einzelnen, tweitere Aus⸗
Brung u. ſ. w. feine Gedankenarmuth zu verſtecken. — Was
® abgedankte Offizier Thukydides Kap. 39. von Kriegswe⸗
3 Beibringt, hält der gelehrte Profeſſor Sfokrates für nicht der
Fühe werth. Thucyd. 40. über die Verbindung des Oef—
sıtlichen und Häuölichen erweitert ex zu einer Charakteriſtik
x ehemaligen Aeinterverwaltung (9... So wie ihn aber
tzukydides im Stiche laßt, fo verſchwindet gleich der hiſtori⸗
Se Boden unter feinen Füßen. Er räfonnirt in's Blaue
mein, Indem ex bloß das Thema, damals fei es beſſer ge=
eſen, variirt. Oder gar Fehler macht: 3. B. daß fich da=
als, weil man die Aemter ohne Eigennutz verfehen uud fie
sehr als eine Laft, denn als einen Vortheil betrachtet, Kei⸗
pr recht dazu hätte hergeben wollen (vgl. Idem Panath. 58.).
an der ſyſtematiſchen Vollſtändigkeit willen fügt Iſokrates
em Kapitel von der Verfafjung noch die Lehre von der Vers
gitvortlichkeit der Beamten Hinzu, ſtark idealifirt natürlich
3.) — Dom Staate geht er alsdann zu dem fonftigen Les
wen der Athener über, exit zu ihrem Werhältniffe mit den
Böttern, dann zu ihrem Verhältniſſe unter einander, endlich
3 ihrer Erziehungsweiſe. Die Religion Hatte Thukydides
an; unerwähnt gelaſſen. Höchſtens gebenft ex beiläufig der
Ipfer und Kampffpiele (38.); indeß nur in fofern, als fie
un Bürgern zur Erholung dienen. Iſokrates lebt in einer
Kammern Zeit. Das elfte Kapitel handelt ausfchlieglich von
Religionsfachen: daß die alten Athener, nicht etwa, wenn es
hnen einfiel, dreihundert Rinder zugleich geopfert, und ein
inderes Mal das Opfer ganz verfäumt hätten, fondern daß
ie fromm und regelmäßig ihrer Pflicht eingedent waren. Ue⸗
rigens geht bei dieſer Gelegenheit das vhetorifche Roß dem
Iſokrates wenigſtens infofern duch, als er anführt, wie für
a8 Alterthum charakteriſtiſch, daß damals Land beſtellt, und
dorn darauf gewachfen wäre. — Was er min weiter, als
jommentar der letzten Hälfte von Thucyd. 38, über die Ein
524 Erſte Beilage.
tochthonie begegnen wir dem platoniſchen Beweiſe aus ı
Einheimiſchſein Der Früchte In Attika. Selbſt das %
mit der Mutter und Amme iſt aus dem Menexenos $
übergenommen (p. 1390.). Dem Iſokrates entlehnt Den
fihenes feine Vergleichung der Perferkriege mit dem troiſch
(p. 1392.). — Die ganze Vorzeit ift hier auf den au
Raum einer Einleitung zufammengebrängt; ſtreng nad ci
rischen Regeln. Der Berfaffer betrachtet die Mythenperiode ni
eben als ungewiſſer; er fagt nur, Die fpäteren Ereigniſſe fer
als näher liegend von den Boeten noch nicht fo verherrlicht work
(p. 1391.) Alfo wieder ganz, wie Platon. Für den Anlaf de
ift es ſehr pafjend, wenn er hervorhebt, daß die Athener audi
mythiſcher Zeit immer nur Defenſivkriege geführt Haben. —V
er auf die Gefallenen felbit übergeht, da fpricht er allerdin
mit hinreißender Schönheit; fo 3. B. wer im Kampf fie,
der werde nicht beſiegt. Auch mit Wehmuth über die Lg
des Vaterlandes, indem die Einen die Gefahr werfen,
die Andern falſch wären (p. 1394.). Aber Ale i
doch viel allgemeiner, als bei Thukydides, könnte ebenſo pıt
Bei jeder andern Niederlage von den Gefallenen ausgeſagt
werden. Denn der Umftand, dag die Schlacht von Chären
eine Niederlage war, färbt die Nede allerdingd ganz eig
thümlich. Eine ſtark rhetoriſche Zumuthung an den Kim
fheint e3 gewefen zu fein, dag PHilippos mit Athen Friede
gefchlofjen habe, weil er eingefehen, daß die Entſcheidunz
von Chäronea nur dem Glü zu verdanken, ud eine zweir
Brobe für ihn felbft zu fürchten fei (p. 1395.). Durch dm
Tod der Helden, meint Demofthenes, fei der Staat geworden,
wie die Welt, wenn ihr das Licht genommen wäre. Du
erinnert einigermaßen an den wahren Epitaphios des Perifle,
— In Dligachien werde der Bürger nur durch Furcht un
Gehorſam, in Demokratien aber durdy Ehrgefühl in dm
Kampf getrieben (p. 1396.). Um feinen Gegenftand etw
—
—
Demoſthenes Epitaphios. 325
m au behandeln, Kringt der Redner vie mythiſche Partie
En nur kurz an; am Ende aber fagt er, jeder Sefallene
Pau durch die Specialmythen feines Stammes begeiftert:
ie Grechthiden durch dad Opfer des Erechtheus u. ſ. w.
K 1397 8qq.). Ber Schluß wiederum iſt ganz flerentyp:
Sefallenen werden felig gepriefen, vie Hinterbliebenen ges
Wet ; zuletzt ſoll Jeder nach Haufe gehen. Ä
’
Zweite Beilage.
Ueber Zeitalter, Verfaſſer und Gelegenheit .
angeblich zenopbontifchen Schrift vom St
der Athener ').
Aug. Fuchs Quaestiones de libris Xenopho
de republica Lacedaemoniorum et de republica Ath
ensium. Lips. 1838. 107 Seiten in 8.
Die vorliegende Schrift ift freilich weder ganz neu, noch
Umfang oder Inhalt gerade vorzugsweiſe bedeutend.
ich ihre Anzeige gleichwohl übernommen Habe, fo mar d
Wichtigkeit des Gegenstandes, die mich beſtimmte. Es
delt fich Hier zumächft um die angeblich zenophontifä
Schrift vom Staate der Athener, eine der anzie
ften und geiftwollften Reliquien des ganzen Alterthums ;
Schrift zugleih, deren Zweck und Verfaffer in tiefes Duntl
gehüllt, von den wunderbarften Kritiken Hin und ber gegogl
find, und die chen deßhalb für das Gefammtgebiet der phile
Ingifchen Wiffenfchaft ihre befruchtende Kraft noch gar mel
Hat äußern können. Unfere Philologen haben das Buch nid
recht anzufaffen gewußt. Vielleicht gelingt es mir, jen
Dunkel mittelft neuer Gründe aufzuklären; wielleicht au
was mir noch mehr am Herzen liegt, zu der eigentlichen 2
nußung diefer merkwürdigen Schrift den Weg zu zeigen.
1) Diefer Aufſatz ift in NE 42 ff. der Göttingifchen gelehrten I
zeigen von 1841 als Recenſion erfchienen.
Demoſthenes Epitaphios. 525
2 zu behandeln, Bringt der Redner die mythifche Partie
en nur kurz anz am Ende aber fagt er, jeder Gefallene
auch Durch die Specialmythen feines Stammes begeiftert:
Me Erechthiden durch das Opfer des Erechtheus u. f. w.
„ 1397 sqq.). Der Schluß wiederum iſt ganz ſtereotyp:
E Gefallenen werden felig gepriefen, die Ginterblicbenen ge⸗
bftet ; zuletzt ſoll Jeder nach Haufe gehen.
528 Zweite Beilage.
ftelfen enthalten ganz im Allgemeinen nur Verachtung da
naufifhen VBolliverfammlung, Grimm über die Unterdrüt
der Optimaten, über den Ungehorfam ded Demos gegen
Obrigkeit, über die Progepfucht und Beftechlichkeit der Rit
kurz, lauter Dinge, die freilich einen Dligarcchen, und.
der nachperikleifchen Zeit, verrathen, woraus man aber
ſo gut auf Platon oder Andokides ſchließen Tünnte,
wollte felbft im Iſokrates völlig ebenfo viele Analogien
den. Gerade Zenophon tft fo leicht wieder zu erkemen:
einfache Ideenkreis, in dem er fich immer beivegt, feine h
eigenthümlichen Anfichten über Kindererziehung, Voller
ſchaft, Kriegskunſt treten allenthalben fo unverhüllt w
auf. Und von dergleichen Seen keine Spur in unferm Bi
Daß bier Übrigens die Metöken eine andere Rolle. fpielen,
in der Schrift nepl nooow, will ich nicht urgiren. Iſt
diefe Finanzwiſſenſchaft des Xenophon ſelbſt nicht ganz zw
108. . Defto bedeutender ift eine andere Verſchiedenheit:
Urtheil nämlich, welches in der Republik über die Friedli
der Landbefiter gefällt wird (II, 14.), ſteht in Directem
derfpruche mit einer Grundanſicht des Kenophon, der 2
bau und Kriegätugend immer zufammen glaubt. Bag. ı
Oeconem. VI, 6 ff.
Daß die Republik nicht von Zenophon Herrüf
könne, dafür nur Einen, bisher noch nirgends urgi
aber, wie ich Hoffe, unmiderleglichen Beweisgrund. Im
fange des zweiten Kapitelö redet der Verfaffer von der Ki
macht der Athene. Ihre Landtruppen freilich feien
ſchwach, aber das fchade nichts, fei ihre Seemacht dod
fo viel ſtärker. Und eine Seemacht habe mancherlei Bor
Unter andern kann die Flotte, fo weit von der Heime
irgend will, den Keind angreifen; „einem Landheere ab
es unmöglich, viele Tagereifen von Haus zu marfchiren. |
die Märſche find langſam, und Lebensmittel auf lange
mitzunehmen, ift bei einem Landzuge nicht möglich, Um
Pfeubo = Xenophon vom Staate der Athener. 529
Bande zieht, muß duch Freundes Land ziehen, oder vor⸗
us Kämpfen und fliegen“ u. ſ. w. (II, 15. vgl. Thucyd. 1,
w IV, 78.). Und das hätte Xenophon gefchrieben? derfelbe
Sun, der mit Kyros bis nach Kunaxa vorgedrungen war;
wi feine Zehntaufend vom Herzen Afiens her durch die unbe
mestteiten Länder, die feindfeligften und treulofeften Barba⸗
Muedlker glücklich nach Haufe geführt; der den Agefilaos auf
Üben kühnen Eilmärfchen vom Hellespont bis nach Koronea
leitet Hatte? Nimmermehr. Sch gehe noch weiter. Das
Ben überhaupt nicht gefchrieben fein vor dem makedonifchen
Möge des Braſidas. Seit dem Perſerkriege, das ift unläug-
ww, geht die Enticheidung aller politifchen Händel auf dem
exe vor fih. Aller Kampf drehet fih um die Inſeln und
Miken des ägeifchen Meeres. Sparta bleibt zurück, weil e8
wien Zeitgeifte nicht huldigen kann. Da fpielt der Landkrieg
un. allerdirigs eine untergeordnete Rolle. Die verunglückte
Bepedition der Lakedämonier gegen Naupaktos, die in's Jahr
BE fällt, mag unferm Verfaſſer zunächft vor der Seele ftehen
wl. Thuc. III, 100 fj.). Noch der peloponnefifche Krieg
Urd durch eine Seefchlacht entjchieden. Aber unmittelbar nach⸗
we wendet fich das Verhältniß. Von dem Frieden des Ly-
midros an bis tief in die makedoniſche Zeit herein beruhen
We großen Erfolge auf der Landmacht. Dem Enidifchen See
Bge folgt der Frieden des Antalkidas: nicht bei Naros, fons
wen bei Leuktra wird die Landmacht Lakedämons gebrochen.
Bud ſchon durch Brafidas Unternehmung, ich wiederhole es,
Biren jene Worte unſers Pfeuto-Kenophon zu Schanden geworden.
Sch gehe zur Bekämpfung der Böckh'ſchen Gründe über: ein
Itterfangen, wozu der vortreffliche Mann ja ſelbſt ermuntert hat.
= A. Unfere Schrift fpricht von der Seeherrſchaft der
lchener, als etwas noch Vorhandenem, völlig Unbeſtrittenem.
Dex letztere Umſtand aber wurde ſchon duch die Niederlage in
Bleilien aufgehoben; die ganze Seeherrſchaft endlich Durch Ly⸗
edres Eiege umgeftürzt. Die Abfaſſung folglih muß früher
34
530 Zweite Beilnge.
fein, als 413, jedenfalls früher, ala 405. — Se
größtentheils ſchon J. ©. Schneider argumentirt
auh Manfo Sparta Th. 2. ©. 496.) Hiergegen a
Böckh, Die Seeherrfchaft der Athener fei Durch den knid
nachmald den narlifchen Sieg von Neuem befeftigt m
Nun Handelt aber die Republit von der athenifchen Buı
herrſchaft, mit Einfchluß fogar des Gerichtsba
über die Bundesgenoffen (I, 16 fſ.). Da meint dem i
vielleicht fei auch der Gerichtsbann damals wieder eing
worden. Allein ich zweifle fehr an dieſem wielleicht; ;
ſehr, daß die kümmerliche Nachblüthe der athenifchen Bı
herefchaft jemals wieder zu dem Aeußerſten — denn d
der Gerichtsbann — habe führen fünnen. Zwiſchen der
fhen Schlacht und dem Frieden des Antalkidas gewiß
das beweiſt die Friedensrede des Andokides (p. 138. B
Hiernach Hatten die Athener Lemnod, Imbros und €
damals ſchon wieder gewonnen; von der Cherfonnes hin,
von den Apoikien, den Eyxrnuare und zoca (Grundbefli
Leipkapitalien im Audlande) fagt Andokides, fie Fünnte
nur mit Hülfe des Großherrn und der übrigen Bundes
fen erlangen, die aber wollten es nicht. Iſokrates ſchrei
gar die Scecherrfchaft nach der Schlacht bei Knidos nid
Athenern, fondern dem Grofheren zu ; der Großherr habe K
erobert (Paneg. p. 80. Tauchn. Die platäifche Rede
17, ſpricht nicht dagegen). Auch von den Chiern era
an, daß fie Durch ihren Zutritt jeder von beiden Pe
beliebig hätten das Uebergewicht verfchaffen können (P.
p- 85.). Da wird an Gerichtäbann fchwerlich zu denken
Vielleicht aber im Laufe des narischen Krieges? Ya
zeugt der Panathenaikos des Iſokrates. Der gooos,
xgiosıs erwähnt diefe Rede nur in der eigentlichen Hegen
zeit, wo auch die Melier und Skionder vorkommen (c.
Bei dem apologetifchen Zwecke der Rede Hätte aber Se
viel Teichter in der frühern Zeit etwas den Athenern Nad
Pſeudo⸗Xenophon vom Staate der Athener. 551
m verſchweigen können, als in der füngiten, allgemein noch
erlichen. Andere Mebelthaten werden aus der lebten Be
Be genug angeführt (38.). Auch ift es nicht ohne Bedeu⸗
RW, daß die Bundestribute in der Republik immer noch
os heißen, nicht ewrafsis, wie ed die Milde der fpätern
Ielomatie verlangte (Areop. 1. Harpoer. p. 279.). Die
chereinführung der Kleruchien ift zwar aus Diodor bekannt
—* in Timarch. 23.). Aber Kleruchien find Teich
tragen, als Gerichtobann. Wie, wenn zu jenen das
BE nur die conflöchtten Güter einzelner Verbrecher mären
Mancht worden)? — Es ift Sammerfchade, daß ſich die
von Sokrates Äginetifcher Rede nicht genau beſtimmen
Die ſe Rebe fit unzweifelhaft, und zwar in einem be
Binden Prozeſſe, nicht zu Athen gehalten. Es wird die
Beberung von Paros darin ermähnt (9), möglicherweiſe dies
BR, die in Platon's Menexenos vorfommt (Vol. IV.p. 197.
Imchn.). Alfo jedenfalls nach der knidiſchen Seeſchlacht, viel⸗
Bit ſogar nach der naxiſchen. Sch bemerke noch, daß unſer
ido⸗ Xenophon das Aufkommen einer andern Seemacht ges
Mer ſcheint für unmöglich zu halten (II, 11 fſ.). Ein ſtar⸗
BBaneis für die frühere Hegemonie!
Er: B. Die Republik fagt ferner (II, 18.): „Im der Kos
Ndie geben die Athener nicht zu, daß der Demos verfpottet
Nde; die d2 xersvovow, & zig zıva Bovisrau" x. 1. 1. In
— ** Rittern, wie bekannt, erſcheiut der Demos als
Mon auf der Bühne. Schneider hatte Hieraus geſchloſſen,
unfer Buch vor DI. 88, 4, müſſe gefchrieben fein. Ich
hinzu, daß der Berfaffer, ſelbſt ein Athener, feiner
Beyen antivemokratifchen Richtung nach, die Ritter durchaus
iR Vergnügen feben mußte, um fo weniger folglich igneriren
.— Hiergegen erinnert nun Boch, Daß ſchon die
arner, ja die Babylonier des Ariftophanes (Ach. 502:-
— —
i .4) Die Stelle Isocr. De pace 11. kann für und gegen Böckh
tet werben. Wer find die dort erwähnten ouvedgo: !
34 *
553 J Zweite Beilage.
eum schol.) den Staat komodirt hätten. Allein
Staate ſpricht ja die Republik gar nicht, ſondern vom
mod. Man wird ſich die politiſche Freiheit der alten K
die:.am lebendigſten vergegenwärtigen, wenn man fi
heutigen Sournaliftit vergleiht. Da iſt es deu
was himmelweit Verſchiedenes, den ganzen Staat
greifen, und den Souverän felbit, unverhüllt, in e
Berfon auf's Theater zu bringen. Die Erfcheinung dei
mos in den Nittern mußte unerhörtes Aufſehen m
Kannte der Verfaffer die Ritter, fo durfte er nimmer
fo fchreiben, ohne als Lügner offenbar zu werden. —
das wenige Vofitive, das und von der Gefchichte der atti
Xheatercenfur aufbewahrt worden, ſtimmt vortrefflich mit |
Zeitangabe überein. Im Jahre 440 wurde unter Mord
die Berfpottung beſtimmter Perfonen abgefchafft: zwei J
fpäter jedoch von Neuem geftattet (Schol. Ach. 67.).
erfolgte das Geſetz des reichen Kalliad, zov “pyorza um
veoug xoumdery (Schol. Nub. 31.) Während des fin
ſiſchen Feldzuges wird ein Verbot erwähnt, um zum
oüg Enedvuuv» (Schol. Av. 1298: von Droyſen bein
U auf die Verbannung des Alkibiades Bezogen). En
das berühmte Geſetz des Antimachos. Alſo zwiſchen 438
424 völlige Freiheit der Perſonalangriſſe, wie fie unfere
publit vorausfeßt. Und in diefe Zeit gerade verlege ih
Abfaffung. — Ein beftimmted Verbot, den Demos zii
höhnen, finde ich zwar nirgends erwähnt. Aber auch die!
publik fpricht nicht davon: oöx Eur, heißt e8 blog. 9
in der Türkei giebt es ſchwerlich ein pofitives Geſetz, wei
die Verfpottung des Padiſchah unterfagte,
C. Die Höchft eigenthümliche Schilderung, welche m
Republik von der militärifhen Lage der Athenert
wirft, kann durchaus nur auf die Zeiten vor der Mitte
reloponnefifchen Krieges paſſen. Die Athener, Kern
See, überall mit ihrer Flotte die Küften der Feinde Beam
Pſeudo⸗ Zenophon vom Staate ver Athener. 535
We. Am ſchlimmſten da, wo fie ein feftes Kap, oder eine nah vor⸗
jhende Inſei als Haltpunkt benutzen fünnen (Plato De legg. IV,
B06.). Sie ſelbſt Hingegen in ihrer Hauptſtadt unangreifbar. Das
nidgebiet freilich mit feinen ariftokratifchen Intereſſen bleibt den
waſionen feindlicher Heere bloßgeſtellt; aber ihre Hahe Küns
pe fie. Leicht auf Inſeln ‚Hinüberflüchten (vergl. Thucyd. H,
5). Bollendet würde dieſe Kriegämanier fein, wenn Attifg
BR eine Inſel wäre (IL, 1 fi. 11 fſ.). Schon. Delbrück
we.ed aufgefallen,. daß die bier: gefchilderten. Zuftäude mit
Be Anfange des peloponnefifchen Krieges vollkommen überein⸗
Beamten (Xenophon ©. 144.). Die erſte Beriklea: des Thu⸗
Biss läuft ‚beinahe wörtlich parallel. Böckh kann auch
Wi. weiter dagegen einwenden, als die Möglichkeit einer
hen Rückerinnerung. Allein unfer Verfaſſer zeigt ſich durch⸗
M.ald einen genial praktifchen Kopf; ein folches Zurückträu⸗
in die Vergangenheit ift bei ihm geradezu undenfbar, - ,
> D. Ein Baar Negativbemweife werden zu demſelhen
efultate führen. Sn II, 12 fg. wird die Gefahr erörtert;
che dem. athenifchen Staate von Seiten der Atimen drohe,
Ätte der Verfaſſer nach der Anarchie geſchrieben, er würde
herlich erwähnt Haben, dag mährend der Belagerung, auf
atrokleides Vorſchlag alle Ehrlofen wieder ehrlich wurden
Andoc. de myst. p. 105. Bekker. Xenoph. Hell. II,2,
I — An einer andern Stelle heißt es, wenn. man ;die
Bein wolle in den Rath aufnehmen, fo werde gar bald bie
zolksherrſchaft geftürzt werden (I, 6 fſ.). Die Revolution
m 411 bot hier dad pafjendite Beifpiel dar. ihre Nichters
ähnung fcheint daher auf. eine frühere Abfaſſung Des Buches
nzudeuten. — Endlich würde e8 der Verfaſſer bei feinen
immigen Demagogenhaffe ſchwerlich unbenugt laſſen, daß
e Volksredner gleich nach Kleon's Tode größtentheild Aus⸗
der waren. Diefer Umftand. muß ihm alfo der. Zeit nach
tzugänglich geweſen fein.
E. Es ſind ſchließlich noch einige Cinwendungen zu be⸗
534 Zweite Beilage.
ſeitigen. Daß in Athen die Stlaven fo auffallen ı
behandelt werden mußten, erflärt der Verfaſſer ald eine |
tung der Demokratie Weil der gemeine Bürger uf
dem Selaven nahe fteht, fo kann er Mißhandlungen deſe
nicht gern fehen (I, 10 fſ.). Wie, fragt nun Böckh, f
ein gleichzeitiger Schriftjtellee den wahren Grund dieſes (
tzes ſchon wergeiien haben? Der Schallaft nämlich zu
Wollen V. 7. erzählt uns, weil die Sklaven damals jo |
fig zu den Lakedämoniern defertivt wären, habe man verbal
fie mit Schlägen zu mißhandeln. — Hier fcheint der gı
Gelehrte durch feine Gelehrſamkeit felbft irre geführt zu f
ben. Jenes Verbot mag wirklich erlajjen ſeyn: die Nm
führt den tiefer liegenden Grund au. Jeder Staat nänl
wenn er feine wirtbfchaftlih und politifc hoc
Entwicklungsſtufen erreicht Hat, fucht den Sklavenſiand
emaneipiren, Bei den neueren Völkern iſt dieß Beſtreben 1
lich Durchgedrungen. Bel den Athenern hat es wenigſtns
Lage der Sklaven weſeuntlich gemildert; in Lakedämon
Kriegsdienſte der Heloten eingeführt und ihre Freilaſſu
häufiger gemacht, wenn auch Paufaniad Verſuch, auf die
Inten geftügt, eine Tyrannei zu gründen, ſchmählich mißli
mußte. Selbft in Rom nimmt die Zahl und Bebeunhm
Sreigelaffenen mit dem Steigen der Demokratie fortwäl
zu; e8 werben Rangſtufen der Sklaverei erfchaffen,, die ar
ſchon eine bedeutende Erleichterung vorausſetzen; werben 9
lien geftattet 2c. (vgl. Demosth. Phil. 3, p. All.
stot. Polit. V, 11. und VI, 4.). Auch fanden die
nischen Sklaven ſchon lange vor dem peloponnefifchen $
einen Zufluchtsort in Megara (Thueyd. I, 139.).
Es ift ferner die Klage des Iſokrates bekannt, dal
den Kriegsfchiffen feiner Zeit Bürger dad Ruder, F
linge die Waffen führten: in früherer Zeit fei der umg
Fall geweſen De pace 16.). Doch waren fchon im pel
neftfchen Kriege die Ruderer der Paralos ohne Aus
Pſeudo⸗ Zenophon vom Staate ver Athener. 555
(Thucyd. VIII,73.). Nun fol aber unfere Republik,
der Meinung von Wuchs, die Bürger ſelbſt ala
[Hilden (I, 19 fſ.). Bei näherer Befichtigung
en fagt Die Stelle weiter nichts, ald daß die Athener und
Dre oixdras auf ihren vielen Seereifen den Seedienft ler⸗
ww Durch die Erfahrung werden fie alsdann gute Steuer
inner; oi de moAloi &Aavvew eudeng olol ze x. z. 4. Hier
28 Doch wirklich nicht gezwungen, wenn man das Lebtere
wiptfächlich auf die vixerus, das Erſtere auf die Athener felbft
teht. — Ich füge noch Hinzu, daß bei unferem Autor (III,
' Die Trieracchen im Voraus ernannt werden. Dieß ift aber
e Einrichtung der Altern Periode, unter Themiſtokles (P o-
men. Str. I, 30, 5) und Beritleö (Thucyd. Il, 24.),
Eche wenigftend.zur Zeit von Demofthenes erfter Philippika
Ht mehr eriftitte.
Gleich Im Anfange heißt es won den Athenern: eilorzo
. nv Önnospariav. Wuchs deutet dich fo, als wen den
henern zwifchen mehreren Verfaffungsformen die Wahl vor
gen hätte, und erinnert darauf an die Reftauration durch
zraſybulos. Sch kann Herrn F. noch weitere Hülfsmittel
Kieten- Gr hätte z. B. Dion. de Lysia anführen können,
Bach Lyſias feine Rede zur Aufrechthaltung der Alten Ber
fung für einen Hochgejtellten Mann ausarbeitete, als Phor⸗
iſios, auch Einer von den Peiräenömännen, im Auftrage
e Lakedämonier vorfchlug, nur den Zandbefigern Antheil
3 Negimente zu geben. Allein liegt das in eirovro? Da
ante man doch cher aigsiodaı = fih nehmen überfeken,
d Damit auf das den Ariſtokraten Ubgedrungene der atheni-
en Demokratie beziehen. — Fuchs iſt genöthigt, weil
8 Buch doch einmal von Zenophon foll verfaßt fein, es in
: Zeiten nach der Schlacht bei Naxos zu verfegen. Gr em⸗
chlt Hier das Jahr 371. Weßwegen? Weil es II, 17.
St, demokratifche Staaten fein von Natur geneigter, den
erträgen und Bündniſſen untren zu werden. Kenophon foll
3R6 Dritte Bellage.
au der Spitze, ſuchen ein anderweitiges Aſyl zur Gefeftigen, |
den Fall, daß fie auch Hier keine Aufnahme fänden.
nit den Enkelinnen fit won fern. Alle Hoffen als lee:
tung anf die Söhne des Theſeus, welche in Attila die Ag
rung führen. — Aber auch Hier verfolgt fie der Abg
ihres unerbittlichen Feindes. Kopreus tritt auf, um-fen
Gewalt vom Altave des Zend heimzuführen. Nach der ge
euripideifcher Helden entſpinnt fich auf der Stelle zwiſchen
und Jolaos ein Wortgefecht, das eben in Thätlichkeiten ı
zuarten beoht, als der Chor, ans athenifchen Bürgern ba
hend, darüber zukommt. Alle Gewalttbat muß jeht a
ren, 'eine geregelte Debatte tritt an die Stelle. Nammil
als der Landesherr Demophon erfcheintz denn am bieen
pellirt der Herold, da er die Bürger nicht gewinnen 1
Das Hauptargument des Koprens geht Immer dahin, die Ih,
rakliden feten die Unterthanen des Euryſtheus, er alſo vl
in feinem Rechte. Die Athener gehe der ganze Handel #
am (VB. 110,). Wenn fie wirklich, wie fie vorgäben, na
bleiben wollten, jo müßten fie ihn ruhig das Geine una
lafien. |
ß Äog under’ Wia Tan” Ewmv are Eu. (V. 176) A
Wäre ja eine Schuld dakei, fo fiele fie ihm zu (256.). Bau,
die Athener jetzt den aufrühreriſchen Herakliden Schub gewchh
ven, fo wird gar bald jeder Mifjethäter ihr Gebiet aufuha,
(260.). Nebeuher weiſet er auf die große Macht des Cut
ſtheus Hin, mit der fich Keiner ungeſtraft werfeinden Fam;
und gegen welche die armſelige Hülfe der Herakliden waiz
fügen werde (58 fi. 156 fi.). Die haben auch die aueh,
griechifchen Staaten vollkommen eingefehen, und deßhalb Ma
Flüchtling nicht Bei fich geduldet (145 ff.). — Joelaes Wi
gegen läugnet vor Allem, daß die Seinen noch Argeier FR: ſ
Argos Habe fie verfagt, alſo jett kein Recht mehr af RK
(186 ff.), und es ſei durchaus Kein Gefeß, daß, wer Arad
meide, darum fofort auch ganz Hella meiden müſſe. Fl
Pſeudo⸗ Zenophon vom Staate der Athener. 837
ıbleiten zu wollen, würde bevenklich fein. Bei dem un⸗
5 Lünftlichen und berechnenden Thukydides aber thue ich
ne Bedenken. Hiernach würde die Republik fpäter fein
30. — Sie ift aber auch fpäter ald 427. Denn &
ıen darin Erpeditinnen der Athener. vor nach Lydien, Ky⸗
Aegypten, Bontos, Italien, dem Peloponnes und Sis
en Al, 9). De afte ſieiliſche. Zug aber fällt in's
427.
In IH, 5. wird unter den Geſchäften der Volksverſamm—
auch die alle vier Jahre wiederkehrende Umlegung
pooo. erwähnt. Nun ſcheint aber bis auf den Ausbruch
yeloponnefifchen Krieges das alte SKatafter des Arifteides
änderlich feſt gehalten zu fein. Die Erhöhung von 460
00 Talente (Plut. Arist. 24. Thucyd. Il, 13.) weiß
) vortrefflich daraus zu erklären , daß neue Bundeie
ten hinzugetreten, . alte Bundeögenoffen gegen ein Ablij⸗
jgeld ihrer Dienftpflicht entbunden fein. Bor dem’ nikir
Frieden aber muß eine neue Umlegung erfolgt fein,. denn
x Friedensacte felbft werden die Tribute auf dem alten
e garantirt, Nach dem Frieden, der in diefem Stücke
niemals vecht vollzogen tft, erheben die Athener über
Talente jährlich (Audoc. de pace p.137. Arsch. de
p- 337.). Man jchreibt dieſe Ummandlung inögemein
Alkibiades zu (vgl. z. B. Andoc. adv. Aleib. p.149.).
Rhodos und Samothrake ſcheint ihm Antiphon opponirt
aben (Böckh a. a. O. S. 444.). Gleichwohl iſt es
ſcheinlich, daß der 415 ſtatt aller Bundestribute einge⸗
e Hafenzoll bis zum Ausgange des Krieges unveränderlich
edauert GBöckh 1. S. 430 fſ.). Es künnen alſo in ver
en Hegemoniezeit der Athener ſolche Kataſtrirungen nur
hen Pexikles Tode und den Jahre 415 vorgenommen
Plutarch verſichert ausdrücklich, daß die Demagogen
Perikles den Tribut ganz allmählig auf ſeine ſpätere
geſteigert haben (Arist. 24.).
558 Zweite Beilage.
Zwiſchen 427 alfo und 425 ift die Abfafin
unferer Schrift zu ſetzen. Eine noch fchärfere Bella
mung werde ich tiefer unten verfuchen. - Vorläufig ein ek
über den Anhalt und Werth des Buches. Unſere Phildk
gen haben hierüber die drolligiten Irrthümer aufgebracht, sk
fo oft, wo politifche Dinge in Frage kommen. Ri
einmal darüber find fie einig, ob das Ganze im Emil ne
ironiſch, für oder gegen die athenifche Verfaſſung geſchif
ben iſt ı). |
Ueber den unmittelbaren. Zmwec des Buches ala
sh mir zum Schluffe noch eine Vermuthung aufzuftelln. A
Verfaſſer ift augenscheinlich ein Athene. Er fpricht zu milk:
derholten Malen vom athenifchen Volke in der erften Pa:
des Plurals (I, 12.) Daß er in der Verbannmg geldyie
möchte ich aus den Wörtchen aurods, welches er von All
gebraucht, noch keinesweges fchließen. Jedenfalls ift das dmg
ein Sendfchreiben an einen auswärtigen Freund, der übt WR
Verfaſſung des atheniichen Staates aufgeklärt werden fih ik
Aus 1, 11. vermuthe ich einen lakedämoniſchen Diploma
Eine Publication in Athen würde den Verfaſſer ſchlecht be
kommen fein. — Sch mache nun folgende Combination. & f
viel ift gewiß, ziwifchen 427 und 425, wie wir fahen, RW
Schrift erfchlenen. Im Frühlinge des Jahres 425 war M
Beſetzung von Pylos erfolgt. Etwa im Junius ſuchte dw
lakedämoniſche Geſandtſchaft zu Athen ſelbſt vergeblih m
Frieden nad. Unmittelbar darauf die treulofe Verhöhnum
des Waffenftillftandes. Zum Theil alfo Begebenheiten, wie
ich oben gezeigt babe, auf die unſer Schriftchen anzufpiem
ſcheint. An den Lenäen deſſelben Jahres find die Ritter da
Ariſtophanes gegeben. Zwiſchen diefe Zeitpunkte würde die
Abfaſſung des Sendſchreibens zu ſetzen ſein. Sn feiner Ver
zweiflung über die Noth der in Sphakteria Klofirten Spatir
1) Hierauf folgt in der Necenfion, was ich oben S. 248 fi. in
Buche mitgetheilt habe.
Pſeudo⸗ Zenophon vom Staate der Athener. 559
über die treulofe Wegführung der peloponnefifchen Flotte
yte der lakedämoniſche Staatsmann feinen Gaftfreund ges
t Haben, ob denn gar nicht auf eine oligarchifche Revolu⸗
in Athen felbft zu hoffen fe. Die Verfaſſung fei doch
chlecht, die Atimen doch natürlich zum Aufruhre geneigt
+ 1, ſin.). Wie fehr man zu Sparta in den politifchen
ein die theoretifche Schlechtigkeit ber athenifchen Verfafjung
eine ausgemachte Sache hielt, Ternen wir aus Thucyd.
839. Diefe eiteln Hoffnungen fucht daB Sendfchreißen
zu enttäufchen. Daß die Spartaner fehon vor dem ſyra⸗
chen Feldzuge mit den Oligarchen in Verbindung ftanden,
eiit Thucyd. VI, 11. Die Gefandichaft nach Athen war
geeignetes Mittel, frühere Sympathien (Thucyd. I, 107.)
dee anzufachen. Unſere Schrift ift offenbar ohne Anfang
ohne Schluß. Vielleicht fchämte man fich fpäter dieſer
werrätherifchen Correſpondenz, ohne gleichwohl die vor⸗
liche Mitte des Schreibens opfern zu wollen. Daß die
errefte gerade unter Xenophon's Werke geriethen, iſt Leicht
Das Buch von der lakedämoniſchen Staatsver⸗
fung dem Zenophon zu vindiciren, ift Hm. F. viel beſ⸗
gelungen. Ich hatte niemals an der Echtheit gezweifelt.
e kommen die eigenthümlichten Ideen des Kenophon wieder
ı VBorfehein: über Mädchenerziehung (Oecon. VII. X.),
e Knabenliebe (Conv. VIII), militäriſche Wettübungen
r. Discipl. Tl, 1, 22. VII, 1, 18. et pass. Ages. II,
‚ Nutzen der Jagd (Ven. XII. C. D. 1, 2, 10. VIII,
34.), ſelbſt Sleinigkeiten, wie der Anzug der Kämpfenden
p. C. IH, 2, 7. C. D. IV, 4, 3. VI, 4,4)
3530 Deitte Beilage. -
Enripides den Kerkyrãern gewogen iſt. Hier, wie gewoͤhn
erſcheint er als trenes Abbild der oͤffentlichen Meinung. M
das nnetmeßliche Gewicht dieſer Frage iſt ihm keinedwegte
borgen. Wenn er auch einſieht, daß der Krieg Tann gu
meiden ftehtz wenn er den Ares auch als den Feind ie]
gernden fchifdert (WB. 722.): fo verwahrt er Doch immej
gleich ſorgfältig feine Friedensliebe, und verhehlt ſich nid
Unbeſtändigkelt des Glückes (869.) 1). Es verſicht
von ſelbſt, daß die fremden Geſandten damals für das —
niſche Publietum im höchſten Grade intereſſant waren. E
pides ſchmähet ſie bald (293.), bald wieder urgirt mil
Unverletzlichkeit (271 ff.). Wir müſſen und die ge
Stadt der Athener damals in der lebhafteſten Aufregung W
ftellen, um fo mehr, als eine ungewöhnlich lange Ruhezeit u
anögegangen war. Wünſche flir Kerkyras Aufnahme hegten m
die Mieiften, aber Manche fürchteten die Folgen derfelben. 8
her auch in dee erſten Vollöverfammlung die Stimmen ze
geweſen waren (Thuacyd. 1, 44). Wenn men die DM
eröffnet wurde, md ein Chor von Schutzflehenden auftrat
wem hätten da nicht die kerkyräiſchen Geſandten einfal
müſſen, die in Ber Volksverſammlung beweglich genug ı
zur Theilnahme ſtimmend geredet hatten? Hierauf iſt die e
Antwort ded Jolaos zu beziehen ‚auf Die Frage, wern
woher er ſei:
Ou vnowWıyv, ů Eevor, Toißw Plov. (B. 85.)
Denn Die Inſelbewohner lagen Jedermann im Sinne, |
Gefandten werfuchten zuerjt natürlich, die Bürger einzeln
gewinnen. Da ınochten Die Korinthier denn gar wenig Sr
pathien finden. Kopreus Hort deßhalb auch fchnell auf, ı
dem Chore zu verhandeln; er will an die höchſte Inſtanz
ber gehen:
1) Bol. die ängftliche Sorge der Athener, wenigftens die gi
des Friedens möglichft Tange zu wahren: Thucyd. IJ, 49. 53.
Anſpielungen der: Tragoͤdie. 341
mndrr laſſen, die kaum von deu Kritiken des jungen Deutſch⸗
rd übertroffen wird, obgleich. fie hoch Über diefe hinwegzu⸗
hen meinen 1). | Be Ä
Wenn das Lefen einer Tragödie an gewiſſe politifche Er⸗
Agmiſſe während der Lehzeit des Verfaſſers erinnert, fo darf,
“euch meiner Anfiht, nur unter zwei Umfländen, auf die Abs
Efſungszeit des Stückes daraus gefchloffen werben.
A. Denn der Berlauf des Stüdes im Ganzen einem
Bekannten politifchen Ereigniſſe fo: fehr entfpriht, daß man
tlich ſieht, der Verfaſſer hat ein mythiſches Analogon des
tern geben wollen. Am wahrfcheinlichiten wird dieſer Schluß,
Wet der Boet, eben der Analogie halber, feinem Stoffe
gend Gewalt anthut. Jedenfalls aber muß das politifche
Wecignig von der Art fein, daß es eine bedeutende Mehrzahl
WE Volkes wirklich intereffirt; und dem Dichter muß bei ſei⸗
Wr Behandlungsweife ein vernünftiger Zweck nachgewieſen
erden, der Ermahnung, Warnung, Grmuthigung, Trö⸗
S ung u. ſ. w. 2).
4.
1) Nicht viel anders iſt es einer zweiten herrlichen Entdeckung ber
geuern Zeit gegangen, der Welder’fchen über die Trilogie bes Ae⸗
ſchylos.
Ss" 2) So verſett Herr Zirndorfer z B. den Ion nicht ohne
viuc in die Zeiten der ſiciliſchen Expedition, wo der kriegeriſchen Par⸗
F ei Alles daran lag, die ſchutzflehenden Sikelioten als Jonier und
.. Mtammverwandte von Athen darzuftellen. Die Friedensmänner mochten
=. hiergegen auf die Autochthonie ihres Volkes und auf die befannte
Mi nft des Son berufen. Es konnte alfo viel Intereffe haben, den
ng WBiderfpruch zu befeitigen (De chronologia fabularum Euripidearum,
— pp 78 794. Bol. God. Hermann ad Ionem p. XXXII) Run
— Win ich freilich der Meinung, daß hier die erfte ficilifche Unternehmung
YS. 427.) wahrfcheinlicher ift, als bie zweite: bei der zweiten waren ja
3 Ye Hülfsfiehenden gar Feine Zonier, fondern Egeftäer. Auch läßt fidy
denen, daß gerade Gorgias in feiner Geſandtſchaftsrede auf die mythi⸗
_ on Stammesverhältniffe großes Gewicht gelegt hat. Hiermit flimmen
D ngleich die Anfpielungen im Einzelnen zufammen, welche Musgrave (zu
8. 216) und Böckh (Graecae tragoed. principes p. 192.) aufgefuns
552 Dritte Beilage,
vordem erobert Habe (WB. 741.). Die Verachtung des Rufe
tfums an derfelben Stelle (745.) ſcheint auf das vilgen
Korinth zu gehen. Mit großer, wahrhaft glänzender@riig =
lichkeit läßt der Poet den Jolaos auöfprechen, daß die Geile
kliden Durch ihre Aufnahme den Athenern zu ewiger Danliwierli
keit verpflichtet find (V. 308 fi.).
Zoripag ael xal giioug vonikere.
Kal unnor’ eig ynv E1dg0v aipsodas dopv 3. 1. z.
ie empörend alſo würde es ſein, wenn die Peloponne J
jetzt Krieg anfangen wollten, weil dieſelbe Wohlthat, if
Kerkyräern zu Theil geworden! Zur Beruhigung endlich WE
athentfchen Publicums dienen die Flüche des Euryſtheus, er
mit er die Herakliden bei einem Kriege wider Attika unfehtke |
zu verderben gelobt (1035 fſ.).
Es bleibt fchlieglih noch Die Frage übrig, ob die tu
gödie während der Anweſenheit der beiden Geſandtſchaften, J
oder nach ihrem Abgange, alfo nach Entfcheidung der Haupt
fache gegeben ift, Sch glaube das Erſtere. Die Aufführung
muß entweder auf die Lenäen, oder die großen Dionyfien fal
Ien, alfo in den Winter oder Frühlingsanfang. Die Anweſenheit det
Geſandtſchaften aber ift wahrfcheinlich auch in den Winter, ge
gen das Ende defjelben zu feßen, wo man ohnedieß Feine
Beindfeligkeiten vornehmen Fonnte. Vgl. Thucyd. J,3l.
Nicht lange nach der Entfcheidung (od od Üozegov) ging
das athenifche Geſchwader nad) Kerkyra ab, alfo jedenfalls zu
einer Zeit, wo die Schifffahrt ſchon wieder offen mar (Ibid.
45.). Dazu kommt eine Menge von Aufpielungen, die teit
oben auf die Anweſenheit der Gefandten bezogen haben. Ich
vermuthe alfo, denn mehr ald Vermuthungen kann es hier
über nicht geben, daß die Aufführung zwiſchen der erjten und
zweiten Volksverſammlung ftattfand, welche in der kerkyräi⸗
ſchen Angelegenheit gehalten wurden. Wie fi von felbit ver
Euripides Herafliven. 5453
Dieß fcheint u. A. Boͤckh bei feiner Zeitbeſtimmung der
rakliden vergefien zu haben. Das Stück enthält mehrere
eöfälle gegen Argos: fo heißt es V. 285:
DIeipov’ To c0v yap "deoyog ov Öedun Eyo.
Igl. 354. 759,). Diefe Ausfälle, meint er, deuten auf ei⸗
Mn Krieg der Athener gegen Argos, alfo auf Ol 90, 3: wo
x argeiſche Staat unter einer kurz dauernden Herrfchaft der
Mgarchen mit Lakedämon verbündet, mit Athen aber in of-
mer Feindſchaft Iebte 1). — Allein die Stellen, auf welche
Iückh ſich beruft, werden durch den Zufammenhang des Trau⸗
fiel faft nothmendig herbeigeführt. Wenn Euripides Geg-
er aufammenbringt, fo muß er fie zanken und einander ſchmä⸗
m laſſen. Wollte er alfo den Gegenftand der Heraflidenfage
berbaupt behandeln, fo maren jene Invectiven gegen Argos
wermeidlich. Oder man könnte vielleicht aus den Lobreden
8 Elend der Verbannung angeftellt werben, find. im böchflen Grabe
tig und unpaflend, wenn fie nicht auf einen beftimmten Verbannten,
e im Eril Zeind feines Baterlandes geworden war, und den man nun
rechtfertigt haben will, bezogen werden. Ich denfe natürlich an Alki⸗
ides, alfo an das 3. 41l. Kine Menge Anfpielungen auf Sehertrug,
f die eigenthümlicyen Berhältniffe einer belagerten Stadt u. ſ. w.
terftügen diefe Vermuthung. — Der Vollftändigkeit halber füge ich
ch hinzu, daß wir von ſechs andern Stüden directe äußere Beugniffe
ben. Bon der Alkeftis wiffen wir aus einer neugefundenen Didas⸗
te, daß fie OL 85, 2 aufgeführt worden ift(Dindorf Edit. Oxon.
34.). Die Medea ift Ol. 87, 1 gegeben (Argum. Medeae), der Dips
(ptos Ol. 87, 4 (Argum. Hippolyti), die Zroaden OL. 91, 1 (Ae-
an. V. H. II, 8. Schol. Aristoph. Aves 842.), die Helena DI.
‚4 (Aristoph, Thesmoph. 850. Schol. Aristoph. Thesm,
12. Ranae 53.), endlich der DOreftes DL. 92, 4. (Schol. 371. 772.).
ızu kommt noch die befannte Sontroverfe Über die aulifche Iphigenie
b die Balchen (Schol. Aristoph Ranae). Bon ben übrigen Zraus
pielen des Euripibes Täßt fich nady meiner Ueberzeugung aus innern
finden für jest nichts Gewiffes ermitteln.
1) Boeckh Graecae tragoediae principes p. 19% sqq.
554 - Dritte Beilage. .
Ziradorféer Kon. ähnlihen Argumegten Bebraudy macht, einen
ten Proteſt einzulegen. Die Anzahl der metriſchen Nachläſßgkeiten
ein ungef ähres Kennzeichen allerdings; allein man darf un
ſchließen, wenn in einem Stücke vielleicht 40 oder SO Auflöfungen ı
vorkommen, als in tinem andern / daß es darum nun auch ſogleich
ter. ſein müſſe, Der Dippolytos iſt erweislich ſpäter, als die
oder gar als die, Alkeſtis, und bat dod) weniger Colutionen. Die tan
riſche Sphigehie, die 250 zählt, und defhalb von Zirndorfer in das Jah
414 gefent wird, muß -doch fihon im Jahre 425 bekannt gewefen kik
da in den Acharnera Anfpielungen. barauf vorkommen (Aristopk
Acharn. 47. Schol.). Noch viel übeler ſi ieht cs mit einer andern Cu
dedtung aus. Birndorfer bemerkt nämlich, daß die älteften Stüct vb
Euripibes’ einen traurigen, bie jüngſten einen froͤhlichen, mehr [har
fpielartigen Ausgang haben. Zunächſt wird diefe Kegel freilich nur af
vier Dramen geftüst, die Medea und den Hippolytos, die Helena ud
den Oreſtes. Gewiß eine fehr kleine Zahl von fichern Beifpielen! ©
verbindet dieß mit der Annahme, daß in Aeſchylos Tragödien nur tw
rige Ausgänge üblich find, und glaubt eine allgemeingültige Erklärm
dieſes Verhältniſſes in der finkenden moraliſchen Kraft der Athene #
finden, die eine erfchütternde Kataftrophe immer weniger geduldet ak.
Hiernach theilt er die euripideifchen Stüde drei verfchiedenen Perim
zu: in die erfte gehören die mit traurigem, in die Ie&te die mit fröill,
chem Ausgange. Kine Mittelperiode bilden folche Stüde, die fin
reihte Einheit befigen, und deren eine Handlung traurig, die an
fröhlich iſt. Hierdurch hat der Poet fein Publicum allmählig vorber*
ten wollen. Bei der Zeitbeflimmung jedes einzelnen Dramas legt Bin
dorfer auf diefen innern Grund das vorzüglichfte Gewicht. Er Hin
auch recht hübfch. Schade nur, daß die ganze DObfervation gar nihl
Stid) hält! Davon fehe ich einjtweilen ab, wie außerordentlich fubjectio Kt
ganze Begriff ‚‚trauriger und fröhlicyer Ausgang‘ iſt. Bor einer ir
gend geläuterten Aefthetil wird er vermuthlich ganz verfchwinden. AM
es ift entſchieden falfch, daß eine finkende Gefchmadsbildung heftig
und traurige Gemüthöbewegungen verfchmähet. Im Gegentheil, I
mehr der Menfch fi) am Zragifchen verwöhnt hat, defto mehr wird e,
um feine abgeftumpften Sinne zu Atzeln, zu immer ftärkerer Würze, ju
Abfcheulichkeiten und Gräßlichkeiten übergehen. Sch erinnere nur au
die neufranzöfiihe Didytung. Ebenfo wenig Tann ich zugeben, dab IF
ſchylos nur traurige Ausgänge hat. Sit auch in den Hiketiden, of
gar in den Eumeniden der Ausgang traurig? Sc) begreife fogar kaum,
wie in einer äfchyleifchen Zrilogie das Schlußſtück eigentlich trauris
fein Eönntee Wenn fic) alfo bei vier chronologiſch feftftehenden Zar
Euripides · Herakliven. 555
» bes Guripides bie Sache auch wirktih fo verhält, fo müßte bas
ein reiner Zufall betrachtet werden. In der That, bei der großen
»L von Zrauerfpielen, die jeber Verfaſſer zu fchreiben hatte, und bei
verhältnißmäßig Beinen Menge tragifcher Stoffe, wäre der Dich
auch ein Thor geweien, ſich muthwillig die Auswahl fo gewaltig zu
hrãnken.
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348 - Dritte Beilage.
an der Spitze, fuchen ein anderweitiges Aſyl zu befeſtigen,
den Fall, daß fie auch Hier keine Aufnahme fänden. Ah
mit der Enkelinnen fit von fen. Alle Hoffen als Ich‘
tung anf die Söhne des Theſeus, welche in Attika die R
rung führen. — Aber auch Hier verfolgt fie der Abzch
ihres unerbittlichen Feindes. Kopreus tritt auf, um ſi
Gewalt vom Altare des Zend heimzuführen. Nach der!
euripideiſcher Helden entſpinnt ſich auf der Stelle zwiſchen
und Jolaos ein Wortgefecht, das eben in Thällichkeiten
zuarten droht, als der Chor, aus atheniſchen Bürgern
hend, darüber zukommt. Alle Gewaltthat muß jetzt a
ren, eine geregelte Debatte tritt an die Stelle. Name
als der Landesherr Demophon erfcheintz denn an die
pellirt Der Herold, da er die Bürger nicht gewinuen
Das Hanptargument des Kopreus geht Immer dahin, di
rakliden felen die Unterthanen des Euryſtheus, er alſo
in feinem Rechte. Die Athener gehe der ganze Handel 9
an: (V. 110.). Wenn fie wirklich, wie fie worgäben, m
bleiben wollten, fo müßten fie ihn ruhig das Seine kind
laſſen. |
Adosſs under’ wa ran Em ayeıv Eu. (V. 176
Wire ja eine Schuld dabei, fo fiele fie ihm zu (256.). 2
die Athener jet den aufrühreriſchen Herakliden Schub gr
ren, ſo wird gar bald jeder Miſſethäter ihr Gebiet auflı
(260.). Nebenher meifet er auf die große Macht des €
tens hin, mit der ſich Keiner ungeſtraft verfeinden fi
und gegen welche die armſelige Hilfe der Herakliden ı
[hüten werde (58 fi. 156 fſ.). Dieß haben auch die m
griechifchen Staaten vollkommen eingefchen, und dephalt
Flüchtling nicht Bei fih geduldet (145 ff.). — Jolaes
gegen läugnet vor Allen, dag die Seinen noch Argele |
Argos habe fie verjagt, alſo jetzt Fein Recht mehr au
(186 ff.), und es fei durchaus Fein Geſetz, daß, wer?
meide, darum fofort auch ganz Hellas meiden müſſe.
xXenophon's Gmandgakeneg Thukydides. 397.
einlich, Ba: Die: Familie des Thukyeldes aan. pn zundia eintx
chen Arbeit beauftragen: konnte Hieraus wirde ſich zugleich
e Umftond- ertläcen, daß Thukydides Werk-srit, längere Zelt
ch dem Tode des Verfaſſers bekaunt ganordeu iſt )Y. xcq
xhon..anır natürlich, feiner. laugmierigen Feldzüge:halber,
ut wohl vor der Schlacht bei Korxonen zudergleichen Unterz
hmungen Zeit gehabt haben ). 7.Allſe vermuthlich erſt zu
Eilfuö;,; wo: ‚denn freilich die ſtille Frirdlichkeit ſeiner klejnen
erefiyaft 3) und die Nähe, des olyumpifchen: Feſtes, Das alle
er Sabre ganz Hellas zufanimenführte, die. Ausarbeitung, sie
x bellenifchen Gefchichte nicht werdig. hegünſtigen mußten. - Up
igens Haben wir vorhin gefehem,. daß Iſokrates jedenfalls,
ahrſcheinlich auch Platon im Jahre 387, den Thukydides
mutzt haben. Hieraus würde ſch die Zeit der Herausgabe
über beſtimmen laſſen. DE
. Niebuhr Hat: vermuthet, : def; ve; erfien. zwei Bücher
v Helleniten zum Thukydides in einem ganz ‚befondern Ver⸗
Utniſſe ſtehen )). — Soviel: iſt gewiß, dieſe ‚zwei erſten
ücher müſſen zu einer ganz andern,pieb frithern Zeit ges
wieben fein, als die Lebten fünf. Am Ende des zweiten
uches wird die Amneftie erwähnt, weldye unter Thrafybulos
Kerleitung der oligarhifchen Partei: bemilligt worden. Der
chriftſteller fügt hinzu: „Und och jet verwalten fie den
tant gemeinfam, und der Demos bleibt. feinem Eide treu. *
a glaubt denn Niebuhr:mit Acht, daß eine Solche Aeuße⸗
ng um DI. 106,’ wo jene alten Streitigkeiten längſt vergeſ⸗
a waren, kaum einen Sing mehr haben Fonnte. Ich füge
u , fe wäre. damals / nach tauſend chicaüſen Aullagen 5)
u BR
War Aue UT
1) Aavdavorıa: Diog: ı.l
2) Bl. Krüger a. a. O. 8.81.
2), Vgl. Paus an. V, 6.
4) ‚Rhein. Muſeum: Abtheilung £ Philologie L. siteine Schrif⸗
1 ©. 464 fi. .. *1
) Wovon uns Lyſi as eine Menge Beifpiele tiefere. uch
318 Drlite Weilage;
Eirtigfees- iñ heldenmũthigen Neſignatibnen überall, feine &
hat. Baͤkð ertönt auch die Kunde von dem Anmarſche
feinblichen HOeeres, und daß Oyllos an der Spike der Ü
Herafliden fi ſich mit den Athenern vereinigt habe. Ders
Solaoh; fühlt fich hiervon fo begeiftert, daß er mühſen
Waffen 'ankegt-, und, fo ſchwer ihn auch Die Laſt der |
drückt, ſich zuin: Kampfe hinausführen läßt. Und die €
find ihm gnädig: Herakles und Hebe ſelbſt in der Geſtalt
zwei Sternen kommen dem btetter ihres Hauſes zu |
Euryſthens wird als Gefangener eingebracht. Seht, ı
Altmene;'tbircfe fie nicht meht zweifeln an der Gottheit
Sohnes 3Zens habe ſein Verfprechen erfüllt. — Dem
fühgenen hatten die Athener "eigentlich das Leben gefchenft
lein Alkniene will ihre "Rachfucht an ihm befricdigen.
wird hmm Tode geführt, nachdem er vorher ein Drakel
kündigt hat, buß er den Athenern ein freundlicher, ven:
ktiven⸗ em felndfeligee Dämen fein werde. Seinem €
wird eine -Ahnlide Gewalt beiwohnen, wie dem des De
in der ſophokleiſchen Tragödie. . Sollten jemals die He
den, ihrer gegeuwärtigen Rettung vergeſſend, wider Atha
Felde ziehen, ſo werde ſeine Macht ihnen verderblich wer
Der Punkt alſo, um welchen ſich Das ganze Stück
het, iſt die Aufnahme won Schutzflehenden, der Krieg d
ihre Verfolger, endlich der glänzende Sieg und dauernde ?
theil,, welchen Athen davonträgt. Sch vergleiche hier
die Bundedgenofjeifhaft der Kerkyräer, de
Entſtehung im erjten Buche des Thukydides
zählt wird;
ie die Herakliden von ihrem Landsmanne y ja Bl
verwandten (U. 990 fi.) verfolgt werden, fo die Kerky
von Dar Korinthiern, deren Pflanzvolk fie Doch waren. |
die Heralliden,. um Schuß zu fuchen, ganz Griechen!
durchſchweift hatten, überall jedoch, auf Autrich non E
ſtheus Botſchaftern, abgeiwiefen waren: fo hatten au
Niebuhr's Hypotheſe. 5359
se. So ehr. ich bis hierher der Nicbuhr'ſchen Obſervation
heipflichten muß, fo entſchirden trete ich: doch einer allgemei⸗
wu Behauptung deſſelben entgegen. Die zwei erſten Vücher
Bimlich ſollen eine ‚ganz. andere Gejinuung athmen, als die
Bhien. Sie follen unparteilich ſein, fire Athen patriotiſch,
FR die Demokraten gerecht: lauter Eigenfchaften, die Nichuhr
Arıben ſpäteren Echriften. des Kenophori- nach feiner Verbau⸗
ug nur allzu ſehr wermißt, deren Mangel ihn zu der härte⸗
den Berurtheilung des großen Atheners Hingerifien hat. Ich
SE den. Kenophon gegen die Vorwürfe Niebuhr's au dieſer
Belle nicht: in Schub nchmen. So viel aber ſcheint mir ge
5, daß fie. die zwei erſten Bücher der bellenifchen Geſchichte
u demfelben Grade treffen müßten. Die Rede des Thraſy—
wos zwar iſt vortrefflich im Tone gehalten; allein, daß
Zenophon gar nicht aus feinem eigenen Weſen hätte heraus⸗
ſehen können, wird ſelbſt Niebuhr nicht behaupten wollen,
Dagegen wird zu wiederholten Malen hervorgehoben, wie
ehr die Athener doch ihr trauriges Geſchick verdient hätten
U, 2,.3. 10.). Die begeiſterte Darſtellung des ehrenwerihen
Lallikratidas, wogegen Lyſandros fo ſchwarz erſcheint, iſt ganz
m Sime eines Bewunderers von Ageſilaos. Die Gräuel⸗
haten, welche Klearchos nach Diodor's Bericht in Byzanz
rübt haben foll, werden: I, 3, 15 ff. mit keinem Worte er⸗
vähnt. Aus I, 3, 19, läßt fich vermutben, daß der Verfafe
er vorzugöweife aus peloponnefiichen Quellen gefchöpft hat.
Selbſt das bekannte Pylos nennt er lieber mit feinem lakedä⸗
nonifchen !) Namen Koryphafion (I, 2, 18.). — Dazu noch
ine große Menge einzelner Kenophontismen. Wie Kenophon
iberall das Betragen feiner Helden ald ein praktiſches Muſter
am Vermeiden oder Nachahmen darzuftellen licht, fo auch
ie Handlungsweife des Hermokrates, feine Würde im Eril,
ein charakteriftiiches Beſtreben, die Soldaten nicht allein zu
ı) Thucyd. IV, 3. Paus. Messen.
5330 Deitte Beilage. -
Enripided den Kerfuriern gewogen Hi: Hier, wie gewoͤhr
erſcheint er alb trenes Abbild der Bffentlichen Meinung.
das unetmeßliche Grwicht dieſer Frage iſt Ihm keineswegt
borgen. Wenn er auch einficht, daß der Krieg Tamm pi
meiden ſteht; wenn er den Area auch als den Feind ir
gernden fchifdert (WB. 722.): fo verwahrt er doch imme
gleich ſorgfältig feine Friedensliebe, und verhehlt fi nid
Unbeftändigfelt des Glückes (869.) 1). Es verſichi
von ſelbſt, daß die fremden Geſandten damals für das
niſche Publicum im Höchiten Grade intereffant waren.
pides ſchmähet ſie bald (293.), Bald wieder urgirt er
Unverletzlichkeit (271 fſ.). Wir müffen und die;
Stadt der Athener damals In Der Iebhafteften Aufregung
ſtellen, um fo mehr, als eine ungewöhnlich lange Ruhezeit
ausgegangen war. Wünſche fr Kerkyras Aufnahme hegten
die Meiſten, aber Manche fürchteten die Folgen derſelben.
her auch in der erſten Volksverſammlung die Stimmen g
geweſen waren (Thucyd. I, 44). Wenn mn bie Bi
eröffnet wurde, und ein Chor von Schutzflehenden auftrat
wen hätten da nicht die kerkyräiſchen Geſandten cin
müſſen, die in der Volksverſammlnug beweglich genug
zur Theilnahme ſtimmend geredet hatten? Hierauf iſt die
Antwort des Jolaos zu beziehen, auf die Frage, wer
woher er ſei:
Ob vnowenv, & Eevor, Teißw ßtov. (V. 8.)
Denn Die Inſelbewohner Tagen Jedermann im Sinne,
Gefandten verſuchten zuerft natürlich, die Bürger einzeln
gewinnen. Da mochten Die Korinthier denn gar wenig St
pathien finden. Kopreus Hort deßhalb auch fehnell auf,
dem Chore zu verhandeln; er will an die höchſte Inſtanz
ber gehen:
\
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1) Bol. die ängftliche Sorge der Athener, wenigftens bie $'
des Friedens möglichft Iange zu wahren: Thucyd. I, 49. 53.
Euripides Heralliden. 51
hr
TToög zivö’ aya is aga Touds run, Aöyou ..
-„. Mealisor' iv ein‘ alla d' .Euipyzu, narmV. (B. 117 ſz.
u. Könige hingegen ſucht ex mit dem Unwillen der Bürger
Zſt zu machen, wenn er den Staat in einen gefährlichen
eg verwickle (166 fſ.). Soviel konnte Perikles Leicht
causſehen, daß Beim erſten Opfer, welches ſeine Politit den
1zelnen anflegte, eine große Anzahl gegen ihn ſchreien
wde. Hierauf bezicht fich V. 416 fi.
In dein biöherigen Kanıyfe zwiſchen Korinthiern und Ker—
ern hatten die letztern eine unerhörte Rohheit und Graue
akeit an den Tag gelegt. Sie hatten ſich mit Barbareu
ven Hellenen verkündet (Thuc. I, 26.) 1), und die Ges
genen der Seeſchlacht, mit Ausnahme der Korinthier, Falls
* ermordet (30.). In Athen billigte man dieß gewiß
t; auch Euripides nicht. Deßhalb ſtellt er es in keinem
rigen Lichte dar, wenn die Großmutter der Herakliden,
alte Alkmene, den Euryſtheus tödten läßt. Der Vote
Demophon, ſowie der Chor, ſuchen ihr abzurathen:
Os ?tcoro Golov Tovde 004 xuraxtaväiv.
. -Ooy övw av ye tür” Dooı Ev nayn.
. K1 ff.). — Die Erzählung von der jugendlichen
pferkeit des greifen Jolaos erklärt fih nun aus der Ge⸗—
chte vortrefflih. Wenn die Athener damals für den bevor—
Jenden Kampf ihre Kräfte überfchlugen, fo konnte Mancher
Leicht unruhig werden, indem er an das hoheAlter der mei—
u Friegderfahrenen Staatsmänner, eines Perikles, Phor-
on u, A. dachte Dergleichen Sorgen will Enripides be—
wichtigen. Am dentlichſten zeigt fih dieß an der Stelle,
Jolaos feine Nechte ausſtreckt, mit welcher er Sparta
-
N Das verfchmäheten auch die Korintbier niht: Thucyd. 1,
Bol. auch ihr Benehmen in ber Seefchlacht nachher: Ibid. 50.
vr rohe und gewaltıhätige Charakter von Kerkyra hat fidy fpäter in
: Revolution dieſer Infel deutlich genug verrathen.
552 Dritte Beilage,
vordem erobert Habe (B. 741.). Die Verachtung des Re
thums an derfelben Stelle (745.) fcheint auf das rel
Korinth zu gehen. Mit großer, wahrhaft glängender Gef
lichkeit läßt der Poet den Jolaos aufbrechen, daß bie He
kliden durch ihre Aufnahme den Athenern zu ewiger Da
keit verpflichtet find (WB. 308 f.).
Zourngag ael xal gikoug vonilere. |
Kai unnor eig yıv E1dg0v aipeodaı dügv x. 1. |,
Wie empörend alfo würde e8 fein, wenn die Pelopome
jet Krieg anfangen wollten, weil dieſelbe Wohlthat, 4 "
welche ihre Väter Rettung gefunden hatten, nun and da
Kerkyräern zu Theil geworben! Zur Beruhigung endlih Wr
athentfchen Publicums dienen die Flüche des Euryſtheus, mt
mit er die Herakliden bel einem Kriege wider Attila isch
zu verderben gelobt (1035 fi.).
Es bleibt ſchließlich noch die Frage übrig, ob de iu
gödie während der Anweſenheit der Beiden Gefandtfhafte,
oder nach ihrem Abgange, alfo nach Entfcheidung der Sms Fi
fache gegeben ift. Sch glaube das Erſtere. Die Auffühug pr
muß entweder auf die Lenäen, oder die großen Dionyſien ſib fF
Ien, alſo in den Winter oder Frühlingsanfang. Die Anefenhitte F
Geſandtſchaften aber ift wahrfcheinlich auch in den Winter, gef
gen das Ende deſſelben zu feßen, wo man ohnedieß fir P
Feindfeligkeiten vornehmen Konnte. Vgl. Thucyd. LLf:
Nicht lange nach der Entfcheidung (od oAd üorego) ME:
das athenifche Geſchwader nach Kerkyra ab, alfo jedenfald m IT
einer Zeit, wo die Schifffahrt ſchon wieder offen war (Ibid. |
45.). Dazu kommt eine Menge von Aufpielungen, die it]!
oben auf die Anweſenheit der Gefandten bezogen haben. Al
vermuthe alfo, denn mehr als Vermuthungen kann es hir
über wicht geben, daß die Aufführung zwifchen der erſten m |
zweiten Volköverfammlung flattfand, welche in der kerkyrü⸗
ſchen Angelegenheit gehalten wurden, Wie fih von ſelbſt vr
Euripides Hevrakliden. 553
t , fo mußte das Stück wefentlich, zur Durchfeßung der pe=
eiſchen Rathſchläge beitragen.
SE: Diefer Anficht ſtimmen denn auchdie Übrigen Indie
E, woraus man das Alter eines Stückes" eruiren faniı, vor⸗
Tg, aufanımen. . Sottfeiep. Hermann bat die ſchtzue Enthe⸗
tag gemacht, daß in den ſpäteren Tragödien „ber, Versbau
er nachläffiger wird, daß insbeſondere immer mehr Anflð⸗
igen yon langen Siten und Anapãſte in den Trimetern
D Setrametern vorkoninien a. Diefe Licenzen find bei Sor
okles· im Allgemeinen ſeltener, als bei: Guripides , bei Ae⸗
Hhlos wiederum feltener, als bei Sophokles. Was die fechs
ripideiſchen Stücke betrifft, . deren Zeitalter feſtſteht, ſo hat
irndorfer in der Alkeſtis 35, in der. Medea 72, im Hippo⸗
tos 49, in den Troaden 203, in der Helena 390, im Dre⸗
569 Auflöfüngen gezählt 2). In den Seraftiden kommen
r 54. vor. und fünf Anapäfte im Anfange: ein ziemlich uns
—* Beweis, daß dieſe Tragödie zu den früheſten ge⸗
mt. — Auch läßt ſich im Ganzen nicht verkennen, die Jünz
ven Stüe werden der Anlage nach, immer fehlerhafter; Eins
it der Handlung, Idealität der Perfanen werden immer
ehr vermißt. Erſt am fpüten Abend feines Lebens, wo der
ichter fo vielfach einen Keffern Weg wieder einfchlägt, erſt
den Bakchen und der auliſchen Iphigenie, vafit er ſich auch,
ermit wieder. auf. . Da läßt ſich denn ebenfalld nicht läug-
n, daß die Herafliden noch eine völlige Einheit der Händ-
ng beſitzen, und daß Feine einzige Perfon darin, felbft den
uryſtheus und Kopreus nicht ausgenommen, auch nur von
ne zu jener fpießbürgerlichen Gemeinheit herabſinkt, die wir
der Elektra oder im DOreftes finden 3), |
1) God. Hermann. Elementa doctrinae metricae p. 71. 8.
> 119. 123. |
2) Zirndorfer L. p. 4.
2) Ich kann hier zum Schluſſe nicht umhin, gegen bie: Art, wie
... ..
” nn an — —— ——— — re Sa | —
Zirnd orfer Kon ähnlichen Argumenten Gebrauch macht, einen lebhaß ih
ten Proteſt einzulegen. Die Anzahl der metriſchen Nachläãſßgkeiten i
ein ungefäh res Kennzeichen allerdings; allein man’ darf unmögld
fließen, wenn in ‘einem Stüde vielleicht 40 oder 50° Auflöfungen mie
vorkommen ‚: als in. seinem andern). duß es darum nun auch ſogleich ib
ter jein müſſe, Der Dippolytos iſt erweislich ſpäter, als die Diem,
oder ‚gar als die, Alkeſtis, und. hat doch weniger Eolutionen. Die tur
riſche Sphigehie, die 280 zählt, und defhalb von Zirndorfer in das dahr
414 gefest wird, muß doch fhon im Jahre 425 bekannt geweien kin,
da in den Acharnera‘ Anfpielungen. darauf vorkommen (Aristopk
Acharn. 17. Schol.), Noch viel übeler fieht es mit einer andern Enk
deckung aus. Zirndorfer bemerkt nämlid), daß die älteften Stück Mi
Euripides' einen traurigen, bie jüngſten einen fröhtidyen, mehr fh
fpielartigen Ausgang haben. Zunächſt wird diefe Kegel freilich nur af
vier Dramen geftügt, die Mebea- und ben Hippolytos , die Helcna mM
den Oreſtes. Gewiß eine fehr kleine Zahl von füchern Beifpielen! &
verbindet dieß mit der Annahme, daß in Aeſchylos Tragödien nur trar
rige Ausgänge Üblidy find, und glaubt eine allgemeingültige Erkärum
dieſes Verhältniſſes in der finkenden moralifdyen Kraft der Athener #
finden, bie eine erſchütternde Kataflrophe immer weniger gebuldet hak.
Hiernach theilt er die euripideifchen Stücke drei verfchiedenen Periett
zu: in die erfte gehören die mit traurigem, in die Icste die mit frähli
chem Ausgange. ine Mittelperiode bilden folche Stüde, die fein
reihte Einheit befigen, und deren eine Handlung traurig, die and
fröhlich iſt. Hierdurch hat der Poet fein Publicum allmählig vorberer
ten wollen. Bei der Beitbeflimmung jedes einzelnen Dramas legt Zirn
dorfer auf diefen innern Grund das vorzüglichfte Gewicht. Er Hinu
auch recht hübſch. Schade nur, daß die ganze DObfervation gar nidt
Stid) Hält! Davon fehe ich einſtweilen ab, wie außerordentlich jubjectiv de
ganze Begriff ‚‚trauriger und fröhlicyer Ausgang” iſt. Bor einer ir
gend geläuterten Aeſthetik wird er vermuthlich ganz verfchwinden. Abt
es ift entichieden falfch, daß eine finkende Geſchmacksbildung heftig
und traurige Gemüthsbewegungen verfchmähe.e Im Gegentpeil, je
mehr der Menich ſich am Zragifchen verwöhnt hat, defto mehr wird er
um feine abgeftumpften Sinne zu Are ‚zu immer flärkerer Würze, ji
Abfcheulichkeiten und Gräßlicykeiten übergehen. Sch erinnere nur un
die neufranzöfiihde Dichtung. Ebenfo wenig kann ic) zugeben, daß Ar
ſchylos nur traurige Ausgänge hat. Iſt auch in den Hiketiden, oder
gar in den Eumeniden der Ausgang traurig? Sc, begreife fogar kaum,
wie in einer äÄfchyleifchen Zrilogie das Schlußſtück eigentlich trauri
fein Eönntee Wenn fich alfo bei vier chronologiſch feftftehenden Tragö⸗
Euripides ˖ Herakliden. 3
en bes Euripides die Sache auch wirklich fo verhält, fo. müßte das
8 ein reiner Zufall betrachtet werden. In ber That, bei ber großen
ah von Zrauerfpielen, bie jeder Verfaſſer zu fchreiben hatte, und bei
x verhältnißmäßig Leinen Menge tragifcher Stoffe, wäre ber Dichs
m audy ein Thor geweſen, fich muthwillig die Muswahl fo gewaltig zu
Schränten.
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Vierte Deilage.
Literariſche Schiekfale des thufydideifchen Wald
im Alterthume.
Wir haben geſehen, daß Thukydides mitten in der Ander
beitung feines Werkes durch einen gewaltſamen Tod unterhre J
hen wurde !). Da fragt es fich denn zunächſt: Wer hat
diefes Werk in feiner vorliegenden G©ejtalt da:
ausgegeben? — Nach der Angabe des Diogenes fıl
Kenophon es gethban Haben, Diogenes knüpft biam
da8 Lob, mährend Xenophon fihb das Werk Hätte zw |
eignen Türmen, habe er es vielmehr felbft aus der Dunkelheit
an's Licht gezogen 2). Die ganze Notiz wird übrigens durch
den abgerijfenen Anfang der renophontifchen Helleniken offer
bar beitätigt, die fih auf Dad Engite an die Schlußtnorte dei
Thukydides anreihen. Auch macht ed der Geburtsort, der
Etand, die confervative PBarteiftellung und das früh begew
nene Geſchichtsſtudium des Kenophon in hohem Grade wahr
1) Oben ©. 101.
2) Diog. II, 59. Wie Krüger (Leben des Thukydides ©. 9.)
richtig bemerkt, ein wunderliches Lob. Man würde ja das Plagiat auf
der Stelle erfannt haben.
Xenophon's Hmaudgaberned Thukydides. 57,
reinlich , Bag die: Familie des Thukyredebeaben ihaumllr einex
Echen Arbeit beauftvagen: konnten: Hieraus muͤrde ſich zugleich
x Umſtand erklären, daß Thukydides Werkeegſt langere Hait
sch dem Tode des Verfaſſers bekaunt genorden HA): Ag
»phon kann natürlich, ſeiner laugmierigen Feldzige ‚halber,
cht wohl: vor ver Schlacht bei Korauck gu dgagleichen. Unter⸗
hmungen. Zeit gehabt haben 27. +.Aflfe,.nermuthlich.. exit. zu
Eilins;y too: denn frelich die ſtille Frirdſichkeit feiner, Heinen
rerſchaft 3) ‚und die Nähe: des -olympifcpen; Beiled,.. das alle
er Sabre ganz Hellas. zufantwenführte,; die. Ausarbeitung sie
re helleniſchen Geſchichte nicht werdig. hegünſtigen mußten. - Ue⸗
tigens haben wir vorhin gefehen, daß Iſokrates jedenfalls,
abrfcheinlich auch Blaton im Jahre 387, den Thukydides
mutzt haben, Hieraus. würde 1 die Seit der Herausgabe
iher beitimmen: laſſen. . a „
Niebuhr hat vermuthet, — Ye: ern. wei Bücher
r Helleniken zam Thukydides in einem.gang ‚Befondern Ver⸗
iltniſſe ſtehen ). — Soviel: iſt gewiß, dieſe ‚zwei erſten
ücher müſſen zu einer ganz andern,‚vpieb frithern Zeit ‚ges
yeichen fein, als die Ietten fünf. Am Ende de8 zweiten
uches wird die Amneftie erwähnt, welche unter Thrafybulos
Berleitung der oligarchiſchen Partei- bewilligt worben. Der
‚ehriftfteller fügt hinzu: „Und noch jetzt verwalten ſie den
taat gemeinfam, und ber Demos. bleibt, feinem Eide treu.“
a glaubt denn. Niebuhr:mit Recht, daß eine ſolche Aeuße⸗
ing um Ol. 106, wo jene alten Streitigkeiten längſt vergefs
a waren, kaum einen Sinn mehr haben kounte. Ich füge
nzu, ſie wäre zamals, nach tauſend Sinnen Aullagen 5)
ha
I re tr. 4
1) YAavbavore: Dice. 1.
2) Bpl. Krüger a a. O. S. 81.
2) ‚@gl. Pausan. V, 6.
4). Rhein. Mufeum:. Nitellne Boiioie L aleine Sei
a S. 464 5 u
5) Wovon uns Lyfi as eine Menge Beiſpiele üeferi. —W
niid Wiederherſtellimg der zügeliojeiten Volksherrſchaft,
Lich falſch geweſen. Die fünf letzten Bücher hingegen
um DT. 106. geſchrieben ſein, wie aus der Geſchichte von den
ſchen Tyrannen erhellt. — Auch in anderen Beziehungen liegt cm
große Kinft zwiſchen dieſen beiden Hauptmaſſen der Hellenila. J
den erſten Büchern haben wir noch wirklich eine Geſchichte ver
Griechenland: Athen und Sparta werben gleichmäßig beide p
fichtigt , ſelbſt Die ſiciliſchen Begebenheiten, wenigſtens in da
Kürze, angemerkt; ‚ganz, wie es eine Fortſetzung der thuha⸗
deiſchen Hiſtorie an die Hand geben mußte. Dahingegen fat
die fünf letzten Bücher durchaus mir eine Ageſilais zu nennen
Agefilaod Lehen. iſt der Mittelpunkt der ganzen Erzählung; P
Athen, ſelbſt Theben ſtehen völlig im Hintergrunde. — ER
wohl möglich, daß die Familie des Thukydides, wenn ſe
dem Xenophon Die Heransgabe feines großen Vorgängers af
trug, ihm auch deſſen übrige Vorarbeiten und Papiere ann
tranet hat. Inſofern koönnten alsdann Die Aladden des The
kydides der renophentifchen Darftellung in den zwei erſer
Büchern zu Grunde liegen !).
1) Dieß fiheint auch durch die Ueberfchrift angedeutet: zu werben,
die Xenophon's Helleniten in der Aldinifhen Ausgabe führen: Paralı
pomena Thucy didis. Niebuhr will da8 allein auf die zwei erften Bi
cher bezogen wiflen. Wie fich von ſelbſt verfieht, ein etwas fchlüpfrige
Boden! Noch unbebeutender ift ein anderer Grund, den Riebuhr au
den Zahlenverhältniffen der beiden Werke herleitet. Die beiden ara
Büd)er der Helleniten hätten das neunte und zehnte, oder das neunte
Bud) des Thukydides bilden follen. Bei der erftern Zahl follen wir ar
die zehn Stämme von Attika denken, bei der letztern an die neun Ns
fen des Herodot. Dann machten die lesten Bücher ein eigenes Berl
aus in fünf Abtheilungen. Sieben Bücher, wie fie jest die ‚Hellenite
enthalten, fei eine ganz unbegründete, zufällige Zahl. — Hatte dr
große Hiſtoriker nicht bedacht, daß unfere acht thukydideiſchen Vücher
ſelbſt im ſpäteſten Alterthume noch keinesweges die einzig übliche Ein
theilung bes Thukydides bilden? Hatte er vergeſſen, daß die Anabaſi
unzweifelhaft ſieben Bücher zählt, welche direct von Renophon abgetheilt
fcheinen ?
Niebuhr's Hypotheſe. 3309
So fehr. ich bis Hiechee der Niebuhr'ſchen Obſervation
pflichten nniß, fo entichieden trete ich: doch einer allgemei-
wa Behauptung deſſelben entgegen. - Die zwei erſten Vücher
lich füllen eine ‚ganz. andere Geſinnung athmen, als. bie
am. Sie follen unparteifich ſein, fir Athen patriotiſch,
die Demokrat gerecht: lauter Eigenſchaften, die Nichuhr
den fpäteren Schriften des Kenophori nach feiner Verbau⸗
ag: nur allzn ſehr vermißt, deren Mangel ihn zu der härte⸗
ur Verurtheilung des großen Atheners bingerifien hat. Sch
H:den Xenophon gegen die Vorwürfe Nichuhr’3 an dieſer
telle nicht in Schub nehmen. So viel aber fcheint mir ge⸗
IB, daß fie. die zwei eriten Bücher der hellenifchen Geſchichte
demſelben Grade treffen müßten. Die Rede des Thraſy⸗
los zwar iſt vortrefflih im Tone gehalten; allein, daß
nophon gar’ nicht aus feinem eigenen Weſen hätte heraus⸗
ben können, wird ſelbſt Niebuhr nicht behaupten wollen,
agegen wird zu wiederholten Malen hervorgehoben, wie
jr die Athener doch ihr tramiges Geſchick verdient hätten
I, 2, .3. 10.). Die begeliterte Darftellung des ehrenwerthen
allikratidas, wogegen Lyſandros fo ſchwarz erfcheint, ift ganz
ı Sinne eines Bewunderers von Ageſilaos. Die Gränele
aten, welche Klearchos nah Diodor’d Bericht in Byzanz
rübt Haben foll, werden I, 3, 15 ff. mit feinem Worte er⸗
ühnt. Aus I, 3, 19, läßt-fich vermutben, daß der Berfafe
e vorzugöweife aus peloponnefiichen Quellen gefchöpft ‚hat.
elbſt das bekannte Pylos nennt er lieber: mit feinem lakedä⸗
onifchen !) Namen Koryphafion (I, 2, 18.). — Dazu noch
ne große Menge einzelner Kenophontismen. Wie Xenophon
yerall das Betragen feiner Helden ald ein praktiſches Muſter
am Vermeiden oder Nachahmen darzuftellen liebt, fo auch
e Handlungsweife des Hermofrates, feine Würde im Eril,
in charakteriftiiches Veftreben, die Soldaten nicht allein zu
— — — — —
)) Thucyd. IV, 3. Paus. Messen.
0 Vierte Beihge;. -
befehligen, ſendern and) zu überzeugen nud zu Bilden,
kydides würde auf: dergleichen Dinge weuiger geachtet Bi
wie er dem ja auch beim. ſyrakuſiſchen Feldzuge Nichts d
orwähnt. Euryptolemes Nede fire die Arginufenfeldhan
meit mehr beweiſend und rührend., - zoeit minder politiid
partelfchildern® „ als. fie Thnkydides. gegeben hatte. .
behandelt auch die erſte Rede des Thraſybulos fait auöfl
lich allgemein rhetoriſche, religiöſe und taktiiche Gegmt
(I, 4,:13 fr). Die Geſchichte mit dem Wahrtager (I
48.) Hätte Thukydides ſchwerlich der Aufnahme gewin
Auchdie Daritellung des tücifchen Tiſſaphernes und de
lern, . titwwrlihen Pharnabazos ſtimmt ‘mit den zweife
Schriften. des RXenophon durchaus: überein 1).
In Demofihened Zeit, ſo berichtet Zoſimos?)
‚mit der Bibliothek zu Athen auch das Werk des Thuf
verbrannt ſein; Demofthened aber, .der ed auswendig v
es nachmals wiederhergeſtellt haben. Ohne Zweifel cin
dichtung der ſpäteren Grammatiker, vielleicht, wie
vermuthet, aus einer Hyperbel entſtanden, indem irgen
mand, um die vertraute Bekanntſchaft des Redners mi
Geſchichtſchreiber auszudrücken, behaupten konnte, we
letztere verbrannt wäre, ſo würde der erſtere ihn au
Kopfe reſtituirt haben 2). Bekannt iſt eine andere Aı
wonach Demoſthenes achtmal den Thukydides abgeſch
hätte 9).
Der Titel des thukydideiſchen Werkes rührt mohl f
1) So ift auch das Strategem des Eteonikos in feiner didal
Vorbildlichkeit (II, 1 pr:) und die kleine taktiſche Notiz IE, 4, 27
tommen dem Xenophon angemeffen.
2) Zosimus V. Demosth. in Reiske's Rebnern IV, p
Bol. Arsenius in Fabricius Bibl. Gr. II, p. 826. Harl.
3) Krüger. a. O. S. 8.
% Lucian. adv. indoct. 4.
Heutige Einthellung des Thukydides. | 561
vom Verfaſſer felbft Her. Deßhalb die große Verfchichen-
E der Handfchriften in diefem Stücke. Die, beiten Codices
kan das einfache vurreugN; , andere ieropias, nder iozogıav
ren ). J
Auch. die Eintheilung in Bücher iſt auf keinen Ball
JIrünglich. Der Zeitgenoſſe Kratippos citirt das achte Buch
8 den Worten za Teisvrama ing iorogias 2). Dionyfiod .
® Diodoros hingegen brauchen fchon unfere Abtheilung 3).
uch Marcellin, ſowohl der erſte, als der dritte Schriftſteller
ſes Namens, betrachtet ſie als die herrſchende (22. 43. 54.
I. Defgleichen der anonyme Biograph (9.). Diefe Einz
eilung iſt wahrſcheinlich yon den Alcrandrinern gemacht wor⸗
n, mie ihr ſpäteres Vorwiegen vermuthen läßt. Von Mar
lin ©) erfahren wir. den-Namen Asklepios, welcher fle nach—
als kritiſch gebilligt Hake. Wenn es Vergnügen macht, eine
tenge von Wahrfcheinlichkeiten und Möglichkeiten über diefen
Flepios zu leſen, den perweiſe ih auf Krüger a. a. O.
. 83 fg. — EFinige alte Gelehrte eitixen neun Bücher des
hukydides, Die aber auch nur den jetzigen Umfang unſers
jerkes ausmachen 5). . Spuren einer Eintheilung in dreizehn
ücher kommen in, den. Scholien vor 6). Hierbei zerfiel unfer
*) Bol. Poppo Il, 1, p. 165.
2) Dionys. De Thuc, p. 817.
3) Diodor. XII, 37. XIII, 412. Dionys. I. 1. Cap. 16. 26.
. 36. (Krüg.).
) Marcell. 57.: H nisom x 7 xoer7 xengaitqxe zo niypi
iv dura demojodas 179 mgaynarsiav, us xas Ertinpivev 6 “AorAnrtıos.
s) Diodor. XII, 37. XII, 42.
6) Schol. II, 78. III fin. IV, 78. 114. 135. %sel. Mar-
ell. 57.
36
362 Dierte Vellage,
erftes Buch in zwei Bücher; das wierte fig mit II, 79,
das fechfte IV, 1., das fiebente IV, 78. Diodoros ei
diefer Eintheilung nicht; fle wird alfo wahrſcheinlich
entftanden fein. In Bezug auf unfere heutigen acht Di
haben fich die Scholiaften den Kopf zerbrochen, wie es w
zugehe, daß Thukydides, deffen Name doch mit einem 6
ähm, 7 Bücher (8) geſchrieben, Herodot aber, der mit
nem 7 anfüngt, 9 Bücher (9). Sie erklären die I
würdigkeit dadirch, daß von © bis o acht Buchftaben ge;
werden, von Z/ Bis o dagegen neun, — Die Kapiteltgeil
rührt erft von den neueren Editoren her ?).
Daß die Scholien von Mehreren herrühren, ben
fon ihre Unvollitändigkeit in den einzelnen Handſchrificu)
Unter den Berfafjern werden aufgefliget Antyllos (IH, &
IV, 19.28.), Asklepiades oder Asklepios (I, 56.) und Pb
Bammon (I, 53.). Den Phöbammon fett Fabricius unter K.
Arkadios; Antyllos und Asklepios müſſen jedenfalls vor Mas
cellin gelebt Haben. Citirt werben in den Scholien Heros
no8 (II, 19. 99. VII, 44.), der bekannte Gecſchichtſchu⸗
ber 2); Chöroboskos (VIII, 44.), der zum Dionyjiod Thy
Noten verfagt hat in Bekker's Anekdotis; ferner Oros (Il
19. V,1.) und Tzetzes (I, 113. 123. II, 102. IN, 61)
An fonjtigen Quellen hören wir dur) Suidas von Sera
Unouvsne zum Thukydides, Sabinus Commentar, der um
K. Hadrian verfaßt wide, Numenius Werk zuv Gouxrdidor
— — — — —
) PoppoJ,1, p. 74 sq.
2) Bgl. Duker in praefat. und Poppo II, I, p. 66 sqg.
9) Herodian ift ein Nachahmer des Thukydides: vgl. Herodian.
VI, 3, 2 und Thuc. 1, 1. Ebenſo den Anfang des Erftern mit der
thukydideiſchen Vorrede.
Scholien. 363
a Anuoodevovs yosıwv ovvayayı) aus derfelben Zeit. . Eva⸗
as Schriften negi zuv naga Oovxvdidn Imrovasvow Kard
=) und Govxvdidov Teyn Önrogeny in fünf Büchern.
Eudiud Didymus Teo? av juaprnudtav nag& Tv uvalo-
er Govxvdidn. Julius Veſtinus endlich fehrieb eine. Zxioyı,
uarov aus Thukydides, Iſäos, Sokrates und Thras
wuachod, — Sun einzelnen Scholien merden beſtimmte
zeignijje citirt: jo III, 38. auf die Apoftelgefchichte
‚21 geblidt; I, 132. einer That Conſtautin's d.
E. gedacht 1); III, 37 Gregor von Nazianz gelobt;
7, 83 Beliſar erwähnt 2). — Was den Werth der
cholien betrifft, jo find fie allerdings reich an Gemein⸗
Aben, arm an eigentlich factifcher Belehrung. Mit—⸗
rter enthalten fie Widerfprüche. Uber für die unmittelbare
regefe des zumeilen fo ſchwierigen Textes find fie äußerſt
tzbar. Einer unferer trefſlichſten praktifchen Schulmänner,
erd. Ranke, ift der Meinung, daß fie fir den Schüler
feiner Vorbereitung das beite Hülfsmittel bilden. Ich
um fchlieglich noch einen Wunſch nicht unterbrüden, den
wiß jeder Alterthumsforſcher theilen wird: daß doch vecht
fd eine gelchrte-und fleigige Hand die Realnotizen aus allen
choliaſten der alten Literatur ſammeln, und in Ierikalifcher
vonung herausgeben möge. Das bloß Paraphraſtiſche müßte
wtürlich zurückbleiben. Wer jet über alte ©efchichte fehreiben
EU, fieht fich zu feiner eigenen Beruhigung gezwungen, alle
scholiaften durchzuſehen. Dft bringt er mit vieler Mühe
ar den Troft nad) Haufe, daß für feinen Zwec Nichts darin
r fuchen iſt. Nichts wäre wünſchenswerther, als wen ir⸗
— —
1) gl. Spanhem. ad Callimach. Hymn. in Del. p. 391.
2) Den Sprachgebraud; der Scholien und X. dgl. hat 5. Ste⸗
banus in einer eigenen Proparafteue erklärt. Sie findet ſich bei
oppo im eriten Theile des dritten Bandes.
36 *
564 Vierte Beilage.
gend. eine Akademie Durch Preisaufgaben dieſem unläugbam
Bedürfuiß entgegenkäme.
Ueber die Nachahmer des Thukydides, die Handſchrijien,
die Ausgaben und andere Hülfsmittel findet mar bei Poppo
reichliche Belehrung. Ich Habe in diefem Stücke eigene jur
fhungen weder anftellen können, noch wollen. Dixi.
Negifter))
A.
zuch des Thukydides S. 124.
162fg. 233. 354. 358.
atos ©. 311. 428. 444ff.
©. 99. 393. 395 492.
iſche Bildwerke ©. 60.
tami Schlacht ©. 395. 445
31.
n ©. 72. 387.
©. 305.
8 ©. 69. 170 197. 202.
227. 235. 270. 284. 286.
312 ff. 318. 338. 371. 383.
3.53
5. 102 fg. 542.
ı ©. 72. 205. 452.
ınon ©. 239.
ı 6. 18. 173.
8 ©. 218.241. 395.450. 558.
5. 187 fo.
rien ©. 72 454. 457.
3. 138.
08 ©. 428.
riner ©. 6l.
Sc) Habe nur diejenigen Wörter bier aufgenommen,
Alkäos ©. 71.
Alfibiades ©. 146. 156. 159. 202.
223. 233. 252. 256. 268. 274.
312. 324 fo. 364 fg. 382. 397.
422 fi. 438 ff. 441 ff. 448. 460
ff. 466 ff. 496 fa. 499. 502. 575.
Alkifthenes ©. 429.
Amphipolis &. 97 fo. 419.
Amprafia ©. 235. 455.
Avayıy &. 19.
Anatreon ©. 69.
Anaragoras ©. 94. 131. 196. 216.
221. 225. 410. 575. |
Andolides ©. 124. 185. 424. 426 ff.
Androkles ©. 431 fg.
Anfpielungen der Dramatiker ©.
300. 340 ff.
Antiocyos der Hiſtoriker S. 111.
113. 139. 282.
Antiochos der Seemann ©. 444.
Antiphon ©. 94. 146. 227. 231,
‚255. 336 ff. 428. 439.
Antiftrophen S. 371.
Antithefen ©. 338.
Aphthonios ©. 85 fg. 574.
die mit
iechifchen und vömifchen Alterthume in directem Zuſammenhange
\
566
Apollodor &. 140.
xratos ©. 71.
Archäologie des Thukydides S. 376.
Archaismus &. 336.
Archedemos S. 445.
"Agın ©. 182.
Arhidamifcher Krieg S. 357. 403.
451 ff.
Archidemos S. 150. 156. 403.
Archilochos S. 53.
Areopag ©. 296. 332 ff. 518 ff.
Arginuſen ©. 443. 487 fg.
Argos ©. 430. 462 ff.
Arifteides ©. 380 ff. 336. 390.
Ariftippos ©. 274.
Ariftogeiton ©. 91.
Ariftokrates ©. 420. 433 ff. 444.
"Agsoroxparia S. 245.
Ariftofratie &. 239 ff.
511. 520.
Ariftophanes S. 69 120. 131. 156.
171. 204. 223. 226 ff. 242. 270.
284.296fg. 357.412. 418.458.500.
Ariftoteles der Oligarch ©.416.419.
Ariftoteles der Philofoph S. 14.
22. 27. 63. 66. 69. 73. 147.
247. 337. 381. 469.
Arkadien ©. 72. 205. 461 ff.
Arrian ©. 62.
Artikel ©. 336.
Asklepios ©. 561.
Alpafia ©. 410. 510.
Athen ©. 72. 110. 135. 158. 205.
240. 248 ff. 324 ff. 367 ff. 376
ff: 399 ff.
Athenagoras ©. 243. 470 ff. 489.
Athleten ©. 50. 129.
Atimen ©. 533.
Atthiden S. 123. 140. 358.
Atticismus ©. 336 ff.
Augufteifches Alter ©. 62.
Autochthonie der Athener ©. 135.
"207. 376. 507. 511. 514.
Axiochos ©. 217.
338 fg.
Regiſter.
B.
Bakchylides S. 71. 285.
Barbaren S. 72. 124. 133.
Batrachomyomachie S. 53.
Beſoldung S. 305. 418. 420.
Bevölkerung S. 399.
Bohnenloos S. 383.
Bosporos S. 499.
Bottiäer S. 451.
Braſidas S. 97 fg. 230. 395.
448. 455 ff. 484. 490. 491
Breviloquenz S. 349.
Bücherverfehr der Griechen ©.
Bunbescontingente ©. 392.
Bundesgenoffen der Athener ©.
264 ff. 302. 306. 379. %
400. 488 ff. 530 fg.
Bundesgenoffen der Lakedäm
©. 461 ff.
Byzantinifche Hiftoriker ©. 1
C.
Cäcilius von Galakte ©. 9.
Cäſar ©. 56. 344. 373. 460.
Gafus ©. 336.
Eentralifirung des Staates ©.
306. 326 fg.
Chalkideer ©. 452. 467.
Charikles ©. 432 fg. 437.
Charmides ©. 429.
Chardades ©. 429.
Chios ©. 183. 493. 497.
Chremon ©. 445.
Chronologie ©. 141 ff. 186.
Cicero ©. 56. 231. 314.
Cikade ©. 314.
Cornelius Nepos ©. 128.
Eurtius ©. 63.
D.
Dädalos ©. 59.
Acunoriov ©. 195 fg.
Damon ©. 212.
Dared ©. 64.
Regifter.
S. 357. 480 ff.
ſcher Krieg
Schlacht S. 454.
S. 219. 49.
S. 213 ff. 404.
ogen S 248. 302. 308. 321
33. 533.
©. 91 fg.
‚Eos ©. 252.
:atie ©. 239 ff. 248 ff. 301.
itos ©. 221. 371.
henes der Feldherr ©. 310.
419. 429. 437. 452. 478 ff.
yenes der Redner S. 69.
336. 523 ff. 560.
en ©. 112 fg. 163.
18 ©. 214. 435.
bes S. 437.
©. 64.
8 &. 128. 18}. 194. 380.
8 ©. 156. 267. Alk. 491.
0 ©. 428.
8. ©. 4135.
on ©. 438.
08 ©. 40. 62
375.
hes ©. 215. 410.
85. 443.
S. 205. »
des ©. 410.
er.S 100. 385. 446.
©. 109.
85. 366.
E.
en S 360.
5. 473. 475.
. 98
S. 131.
©. 97.
. 430. 468.
©. 33
8 ©. 383 fo.
ı zu Athen ©. 446.
ı zu Sparta ©. 359.
567
Ephoros ©. 136. 140. 142%, 181.
358. 374. 397. 523.
Epidyarmos ©. 131. 300. 318. 338.
Epigenes ©. 575.
Epifoden ©. 219, 359 ff.
Enoroiy ©. 113.
Eratofthenes ©. 416.
Eryxias ©. 212.
Eryximachos ©. 428 fe.
’H9os S 285.
Etrurien ©. 490.
Euböa S 497 ff.
Evxoouov ©. 388,
Eufrates ©. 302. 305, 411. 429.
Euftemon ©. 438.
Euphemos ©. 471. 477.
Euphiletos S. 429,
Eupolis ©. 147. 217. 297 fg. 301.
315. 319. 407. 420. 453.
Euripides S. 35. 31. 33. 132 fg.
148. 170. 172. 198. 202. 214.
216. 223. 273. 297. 309. 312.
317. 333. 338. 371. 397. 413.
507. 516. 540 ff.
Eurymedon ©. 415. 437.
Eurpptolemos ©. 445.
Euthydemos ©. 419.
Euthyphron ©. 339.
F.
Fechterbilder S. 77. 147.
Pevyıw ©. 101.
dnloßapßapos ©. 133.
Florus ©. 63.
Frieden ©. 307. 320. 356. 393.
416 fg. 419 ff. 423. 458 ff. 496.
Fünftaufend ©. 442 ff.
G.
Gela Frieden von S. 466.
Geld in Sparta ©. 449 fo.
Genvs und Demos ©. 91 fg.
Genus ©. 345.
568
Ger heameien zu Athen ©. 249. 806.
—* S. 305. 399.
Iyayın kunnaca ©, 162 fo.
Goldenes Alter ©. 133. 313 fo.
Gorgias S. 253 ff. 308. 339. 357.
465.
Goͤtter S. 195. 225 ff.
Grammatiker der Kaiferzeit S. 12,
Toagıxov S. 338,
Gylippos ©. 449. 478 ff.
| H.
Hagnon S. 419.
Halimus S. 85.
Handel ©. 399. 450.
Handſchriften S. 168. 351.
Harmodios ©. 91.
Hekatäos ©. 119. 131. 133. 290.
342 fo. 394,
Heulanikos ©. 85. 113. 118. 137
fg. 140. 142. 276 ff.
Hellespont ©. 497 ff.
Heloten 330. 383. 452 ff. 464.
Heraklea ©. 241. 456,
Herakleitos ©. 131.
Hermippos ©. 91. 409.
Dermofopiden ©. 217. 334. 364 ff.
426 ff-
Dermotrates ©. 264. 466 ff. 559.
Herodot ©. 23. 40. 57. 71. 85.
91. 92 ff. 103. 107. 111. 213 ff.
123. 131. 142. 143. 166. 171
fa. 184. 189 fg. 192. 196. 213.
220. 222. 234. 246. 278 ff. 284
ff- 315. 339. 353. 365. 376. 378.
330. 469.
Hefiodos ©. 54. 214. 223. 310.
Hetärien ©. 439 ff. 449.
Hierokles S 216. 420,
Dippias der Sophiſt ©, 274.
Hippodamos S 212.
Dippofles ©. 438. .
Dippofrates ©. 66. 221. 357.
Regiſter.
Hippon S. 214.
Hipponax S. 53.
Hipponikos S. 416.
Homer ©. 8. 21. 23. 48. 69.
. fg. 136 ff. 148. 211. 214.
310. 337. 372.
Hopliten ©. 488.
Horaz ©. 39.
Hyperbolos ©. 233. 297.
305 fg. 382. 420. 424. 467
J.
Jaſon von Pherä ©. 491.
Sndirecte Wahlen ©. 440.
Inſchriften S. 88. 122. 129.
Son S. 291 fg.
Sonien ©. 72. 497.
Sphikrates ©. 71.
Iſokolon ©. 340.
Iſokrates S. 71. 123. 133.
194. 217. 234. 246. 260 fi.
315. 342. 374. 427. 500. {
’Ioorowia ©. 245.
’Ioyxvov ©. 82.
Judäa S. 72.
K.
Kallikles S 257.
Kallikratidas S. 448 fg.
Kallinos S 56.
Kallixenos S. 445.
Ka)oi xayadoi ©. 218 ff. 3
Kamarinä ©. 243. 471 ff.
Kanonos ©, 99.
Kaper ©. 483.
Karthago ©. 72. 467. 4%.
Kadapcıs ©. 236.
Kephifoboros ©. 428 ff.
Kerkyra ©. 263. 263. 397 fg
413 ff. 456. 548 ff.
Kimon ©.90. 232. 292. 301
fg. 392 ff. 336. 390. 392.
Kinefias S- 309.
Kleigenes ©. 446.
Regiſter. 569
ones ©. 380. 385. 575.
©. 98. 147. 156 ff. 169.
219. 230 fo. 267. 297.
fa. 305 fg. 310. 317. 408
15 fi. 494.
mos ©. 302. 306. 420.
fg.
on ©. 302. 306. 311. 446.
Schlacht ©. 39.
2» ©. 72. 470 ff.
ie ältere ©. 127. 131. 250.
ff. 401. 531.
ie neuere ©. 33.73. 148. 298.
©. 441 ff. 486.
h&. 263. 395. 398.403 518ff.
a Schlacht ©. 386.
yafion ©. 559.
o ©. 217.
©. 131. 295. 300. 315.
08 ©. 215. 217. 295 fg.
301. 315.
pos ©. 106. 149. 374.
08 ©. 339.
3 ©. 133. 217. 307. 336.
fg. 446.
©. 283.
er ©. 49. 129.
©. 221 362.
S. 499.
a S. 417. 452. 478.
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©. 307. 416. 418 ff. 423.
dias ©. 437.
mon ©. 72. 110. 124. 205.
fg. 232. 240. 267. 307.
ff. 376 ff. 387 ff. 399 ff..
ff. 462 ff. 481. 499.
„08 ©. 419 fo. 474 ff.
n ©. 215. 221. 419.
u ©. 304. 399.
ieg ©. 386. 528 ff.
Mauern ©. 386.
n ©. 77. 141.
Leichenredben ©. 151 fg. 207 fg.
368. 505 ff.
Leleger ©. 205.
Leon ©. 420. 438..
Leontiniſcher Krieg. ©. 466.
Lepreon ©. 462.
Lesbos S. 263. 497.
Lichas ©. 425.
Livius ©. 40. 51. 174.
Logographen ©. 50 fg. 56. 123.
129 ff. 141. 188. 212. 214. 276
ff. 291. 343. 358.
Aoyoı ©. 119.
Lucanus ©. 33.
Lukianos ©. 92 fg. 180.
Lykios ©. 428.
Lyriſche Metra ©. 289.
Lyſandros S. 218. 236. 241.
448 fo.
Lkyſias S. 160. 246. 306. 339.
312. 427. 433. 506 ff.
Lyſikles S. 305. 411. 452.
Lyſippos ©. 60. 77. 147.
Enfiftratos ©. 429.
mM.
Makedonien ©. 72. 49.
Maxpurtaror ini oxonoum. ©.133.
Mantinea ©. 161. 423. 461.
Mantitheos ©. 429. 443.
Marathon ©. 380 fo.
Marathonkämpfer S. 314.
Marcelin S. 81 ff. 574.
Margites ©. 53.
Miyalongenis ©. 352.
Miysdos ©. 352.
Meletos S 423. |
Melos S. 236. 268 fg. 424. 464.
Memoiren 54 ff. 291 fi
Meneftratos S. 429.
Mioor ©. 82.
Meflenien S. 236.
Metiopog ©. 324. i
Meton ©. 143. 223. 309. 468.
Sams
570
Mileſiſche Märchen S. 279 fg.
Miltiades S. 89. 232. 30. 3,
Miunoıs ©. 7. 338.
Minos S. 378.
Mitylene ©. 455 ff 467. 492 ff.
Myzua ©. 105.
Mnefiphilos ©. 242.
Modus &. 346.
Morychides S. 29.
Muſäos ©. 48.
Mufen Anrufung derſelben ©. 8.
Myronides ©. 508.
Myfterien S. 212. 426 ff. 434 fg.
500. 611.
N.
Naupaktos S. 236. 393. 457.
Neutrale S. 491.
Nikias S. 156. 163. 216. 235.
252. 256. 298. 307. 310. 316.
410. 415 ff. 423 ff. 437. 458 ff.
467 ff.
Nikoſtratos S. 415. 419, 423,
Nomadenkrieg ©. 494.
Novellen S. 279 fg. 287.
Numerus ©. 315 fo.
O.
Odyſſee, ihre Einheit, ©. 23
Denobios ©. 101.
Dien ©. 48.
Oligarchie S. 239 ff. 248 ff. 382,
430 fg. 437 ff.
Oloros ©. 83 fo.
Onomakles ©. 438.
Orakel S. 212. 222 fg. 449.
Oratio obliqua ©. 148 fo.
Oratio variata ©. 344 ff.
Opyar S. 92 fg.
Orpheus ©. 48.
Orphiker ©. 53. 212.
Oftrafismos ©. 99. 380 ff. 424.
Drymora ©. 338.
Regiſter.
®.
Pagondas S. 454.
Pallas S. 210.
Pamphila S. 85.
Pamphos S. 48.
Panätios S. 427.
Parallelismen S. 350.
Pariſon S. 340.
Parrhaſier S. 462.
Parrhaſios S. 159.
Particip S. 347.
Partikeln S. 336.
THa80os ©. 236. 285.
Daträ ©. 461.
Yaufaniad S. 363. 379. 38 4
Peiräeus S. 385.
Peifandros S.420. 432 fg. 4391.
Peififtratiien S 91 fg. 15%
219. 362 ff. 372.
Pelasger ©. 205.
Deloponnefiihe Kriege ©. 38 f.
Deltaften ©. 488,
Perikles ©. 146. 150 fi. ME
214. 216 fg. 221. 232 237. %1
fi. 274. 2%. 292. 305. 307 fe.
313. 334. 392. 396 ff. 399. 401
ff. 451. ası.
Merikles der Züngere ©. 441.
Periode ©. 340 fg.
Perferkriege ©. 213. 261. 209.
308. 366 ff. 331 ff. 391 fg. 507.
512.
Perſien S. 72. 500. 513 ff.
Heft in Athen ©. 95. 110. 18.
223 fa. 407. 468.
Phäax S. 424.
Phädros ©. 428.
Phaleas ©. 247.
Pheidias S. 60. 77. 147. M.
210. 213. 217. 342 314. 357.
410.
Pherefrates ©. 249. 315.
Pherekydes von Leros ©. 279 fi.
Philippos ©. 428.
Regiſter.
okles der Dichter S. 490.
okles der Feldherr S. 445.
mion ©. 297. 484 fg.
ı ©. 496 fg. 530. 537.
ios ©. 85.
nicho8 der Feldherr ©. 429.
3 ff. 481.
nicho8 der Komiler ©. 313.
nis ©. 309.
smus ©. 215 ff. 311.
ır ©. 7. 8. 68 fg. 71. 130.
2. 196. 213. 218. 284 fe.
ia ©. 260 ff. 494.
ın ©. 7. 16. 25. 69. 78. 95.
3. 186. 203 fg. 217. 311.
6. 319. 342. 509 ff.
ıasmen ©. 350.
u8 ©. 40. 63.
ıch ©. 45.62.85. 111. 128.380.
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3. 204. 364..
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Elet ©. 77. 213.
ftratod ©. 428.
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rätbüften der Alten S. 107 fg.
2 fo.
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ulen ©. 437.
itos ©. 242. 339.
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les ©. 429,
mion bes Thukydides ©. 354.
6 ff. 376 ff.
agandakrieg ©. 307. 394.
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agoras ©. 225.253. 291. 371.
8 ©. 417. 452 fo. 478. 485
536. 538.
agoras ©. 56.
odoros ©. 416. 419, 437.
571
N.
Kätionalismus S. 214. 309.
Nedefiguren S. 340 ff.
Redensarten S. 337.
Reifen ©. 72 fg. 111.
Rhodos ©. 467.
Ritter ©. 303 fg. 418. 442.
©.
Salluftius ©. 63. 344. 350.
Samos ©. 394. 498.
Satyros ©. 445.
Gatyripiele S. 280. 287.
Schatz ©. 392. 400. 449.
Zynnara ns Atkewg
Zynnara ns dıavoias |e. 310 fi
Scholien ©. 831.562 fe »
Scipivo ©. 71. 460.
Seeherrſchaft S. 249. 327. 378.
385. 394 ff. 483-ff. 529 ff.
Seeraub S. 200. 378.
Sruvoens ©. 352,
Senat ©. 445.
Sicilien ©. 192. 307. 383. 465 ff.
470 ff.
Siebentes Bud) des Thul. S. 168.
Sikanier
Sitte ©. 172.
Sikyon ©. 462. 486.
Silbernes Alter der Eiteratur ©.
337 ff.
Eilius Stalicus ©. 33.
Simon ©. 186. 203. 217. 271.
365.
Simonides von Amorgos ©. 53.
Simonides von Keos ©. 70 fe.
123. 213. 285. 338.
Siſyphos S. 252.
Sitalkes S. 490.
Skionä S. 270.
Skironides S. 438.
Sklaven ©. 531.
Skopas ©. 77.
Styros ©. 392,
872
Skythen S 183.
Sokrates S. 69. 140, 148. 198.
217 fg. 225. 232. 271 fg. 297.
311. 315. 318 fa. 357. 446.
468.
Söldner S. 488.
Solon S 56. 305.
Sophiſten S. 93. 133. 147 fg.
214. 234, 242. 217. 253ff. 311.
338.
Sophofles S. 25. 31. 71. 77. 118.
139. 148. 170. 197. 202. 213.
222. 225. 235. 271 fo. 234
286, 292. 300. 313. 333 ff. 357.
408.
Sophokles der Oligarch ©. 416.
Zuggosun ©. 383.
Sphalteria f. Pylos.
Spiele ©. 73.
Stephanos S 428.
Stefihoros S. 71. 131.
Stefimbretos ©. 293 fg.
Steuern ©. 400.
Strabon ©. 62.
Strombichides ©. 438.
Sueton ©. 63.
Suidas S 81. 93.
Zvvorsonos ©. 327. 467.
Zwratss ©. 531.
Syrafus ©. 403. 465 ff.
Sprakufifche Flotte S. 486.
T.
Tayos tijs onnasias ©. 337.
Tacitus ©. 40. 63. 166. 204.
239. 350 fg.
Zanagra Schlacht ©. 394.
Tapatınnöorgaros ©. 418.
Teleklides ©. 315.
Zempus ©. 336. 346.
1) Ich habe in das Regifter natürlich nur bie Etellen aufgenem:
Regiſter.
Zeres | 6. 127. 400.
Tereus
Thales S. 53.
Thaſos S. 97. 100.
Theagenes S. 419. 443.
Theben S. 205. 260 ff. 382. 36.
454. 493. 512.
Themiſtokles S. 202%. 305. 38.
362 fg. 379. 331 ff. 385. 3%.
398. 401.
Theodoros ©. 429.
Theognis ©. 54. 56. 71. IH.
251.
Zheopompos ©. 133. 139 fg. 10.
234. 294. 338. 354. 358. 374.
519. 523.
Theoros S. 49.
Theramenes S. 146. 241. |.
419. 439 ff. 443 ff.
Theſeus S. 135. 361. 365. 383.
Tcheffalien ©. 72. 387. 457. 891.
Oovpwnavreıs ©. 216.
Thrakien ©. 99 fg.
337. 457. 490.
Zhrafybulos)
Thrafpllos S. 443 ff.
Thraſymachos S. 257.
Thukydides Meileſias Sohn S. W.
99. 273. 384.
Thukydides Oloros Sohn ©. 21
fo. 57. 69. 71. 712.
Thukydides der Dichter ©. 209.
Thurii ©. 387. 401.
Zimäos ©. 104. 234.
Zimotrates ©. 419.
Zolmides ©. 393.
Tragiter ©. 32. 68. 73. 171.235.
Trierarchen ©. 531 fo.
Zrogus Pompejus ©. 116.
Zroifdher Krieg ©. 239. 377 fi.
127. 1%
’
men, weldye in den Prolegomenen von Thukydides handeln,
J
eu.
Regifter.
©. 195.
ınnen ©. 239 fg.
7 fe.
täos ©. 56. 71.
362 fg.
u.
erfalgefchichten des Alterthums
. 298,
ınden ©. 112.
rung des Staates ©. 214.507 ff.
V.
hundert ©. 437 ff.
Esfefte ©. 73. 401. 515.
Esfouveränetät ©. 242. 328.
17 fo.
W.
hnſinn der Alten ©. 7. 16.
nderungen ber Stämme S. 200.
76 ff.
3bau ©. 399.
975
MWeiberemancipation &. 309.
Weihgeſchenke S. 50.
Weifen die fieben ©. 56.
Wortbildung ©. 337. »
Wortipiele ©. 338.
Wortftellung ©. 337.
X.
Xanthos Lydos ©. 142. 282 fg.
Zenophon ©. 140. 142. 148. 173.
177 fg. 189 fg. 197. 203. 217
fg. 221. 234. 236. 212. 217 ff.
285. 287 ff. 291. 342. 354. 358;
374. 428. 523. 526 ff. 556 ff-
Zoana ©. 59.
V.
Yynrıv ©. 822. ..n
Zu 3. 1
Zakynthos S. 451. 41
Zufäße und Beridhtigungen.
*
Zu S. S. Z. 3. v. u. Ganz beſonders aber die herrliche Aus
führung in Platon’s Theätet p. 149 sqq.
Zu &. 75. extr. Die hellenifche Nationaldkonomie hat fi vor:
zugsweife ber ethifchen Seite zugewandt, wie die neuere ber materialen
Seite. Beides freilich Einfeitigkeiten, aber die erflere nicht die ſchlech
tefte. Bol. Gött. gelehrte Anzeigen 1842, ©. 1179.
Zu ©. 84. Der fleißigen Abhandlung von Heinrich Wuttle
De Thucydide scriptore belli Peloponnesiaci (Vratisl. 1838.) Part.
I, p. 17 qq. verdante ich die Bemerkung, daß ber erfte Marcellin weit
mehr Auctvritäten citirt, alſo den Anfchein einer größern Belefenkeit
befist, als bie fpätern Abfchnitte.
3u ©. 86. extr. Unterfuht man bie Stelle des Aphthonios
genauer, ws eis ardgas apixero, fo findet man fogar, daß fie gegen
Krüger zeugt. Cs ift ja bekannt, daß die Alten das männliche Alter
fpäter anfangen laffen, als bie Neuern. Bol. Wuttke a. a O. p.il.
Richt minder ift es W. gelungen, die Uebereinftiimmung aller übrigen
Berichte mit der Angabe der Pamphila zu erweifen: fo daß allerdings
der Hauptgrund von Krüger darin beruhen möchte, die herodoteiſche
Borlefung vor Thukydides zu retten.
3u & 99. Das Thukydides fehr bald nad) feinem Unfale
vor Amphipolis geflüchtet fein müffe, vermuthe ich aus IV, 118. Die
ganze Waffenftilftandsurtunde nämlich, die hier mitgetheilt wird, ob
gleich fie in attifcher Sprache gefchrieben ift, fcheint aus der lakedämo⸗
fchen Redaction entnommen zu fein. Ei ds zı vniw eire nallıov site die
xaÖTEgov TOoVTWv ÖoXei sivaı , tovres zig Aaxedainova Ördaonıte. Golde
Stellen zeugen offenbar dafür. Alſo ſchon damals, wenn meine Angabe
gegründet ift, hätte ſich Thukydides Leichter aus Laledämon, als aus
Athen die Materialien feiner Geſchichte verſchaffen können.
Zufige und Berichtigungen. 575
Zu &. 198. 3. 1. v. u. Schon Anaragoras hatte das Wort
Schickſal für ein leeres erklärt.
Zu ©. 215. 3. 11. v. 0. Die heudjlerifche Religiofität der
Korinthier erhelt aus V, 305 die der Eleer aus V, 49 ff. recht deut⸗
wi. Dagegen ift es wieder hübſch, daß die Lakedämonier bei ihrem
Einfalle in Attila aus Pietät die f. g. attifche Zetrapolis verfchonen,
vo bie Heralliden ehedem gelagert hatten (Diod. XII, 45... Nach
Dem peloponnefifchen Kriege ift bekanntlich Lyſandros der erfte hellenifche
Staatsmann, dem bei Lebzeiten göttliche Verehrung erwielen worden;
ein bedeutendes Moment im Verfalle der griedhifchen Religiofität (Plut,
Lys. 18. Athen. XV, p. 696. Hesych. v. Avsavögıc).
S. 2328. 3. 11. v. u, lies verklären flatt erflären.
S. 3267. 3. 2. v. u. lied ertremes flatt eretremes.
Zu S. 260. 3.14. v. 0. Der Starke thut und der Schwache
duldet das Aeußerfte.
Zu ©. 342. 3. 14. v. u. Vgl. auch VI, 31.2 wo die unges
beuere Pracht und Koftfpieligkeit des ſyrakuſiſchen Zuges in einer langen
Periode gefchildert wird, und nun bie ganze Aufzählung mit den Wor⸗
ten fchließt: „Wenn man berechnet, co. . fo würde man finden, daß
damals zufammen vine Menge 'von Talenten aus der Stadt gefchleppt
worden find.“
Zu &. 430. 3. 6. v. n. Iſokrates erzählt dagegen, Alkibia⸗
des fei Anfangs nach Argos geflohen. Bier aber hätten ihn die Athener
verjagt, und fo nad) Sparta zu gehen gezwungen. Isocr. De bigis3.
Zu ©. 443. 3. 5. 0.0. Die blutige Reaction"gegen die Theil⸗
nehmer an ber Herrihaft der Vierhundert, mit ihren Hinrichtungen,
Sonfiscationen und Verbannungen, weldye Epigened, Kleifthenes u. A.
Leiteten und felbft Tchon reich dabei wurden, ſcheint nur kurze Zeit ge⸗
dauert zu haben (Lysias De aff. tyrann. p. 226. Tchn.).
Zu ©. 465. 3. 8. v. 0. So wurde Kerkyra bei Gelegenheit
des großen ſyrakuſiſchen Zuges ja auch wirklich als Sammelplag ges
braudt: VI, 30.
Gedrudt bei Eruſt Auguf Huth,
|
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MIMMIININLUNG
ified time.
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