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Full text of "Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere"

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LEHRBUCH 


DER 


HISTOLOGIE 


DES 


MENSCHEN  UND  DER  THIERE 


VON 


DR.  FRANZ  LEYDIG, 

PROFESSOR    AN    DER   UNIVERSITÄT    ZU    WÜRZBURG. 


MIT   ZAHLREICHEN   HOLZSCHNITTEN. 


FRANKFURT  a.M. 
VERLAG  VON   MEIDINGER  SOHN  &  COMP. 

1857. 


SolmellprcsHcntlnicIt   von  C.  W.  Leske.     —     lldlzHtu-lie   vnn  W.  Pfuor. 


In  Dnnustadt. 


VORWORT. 


VTegenwärtige  Blätter  könnten  vielleiclit  auch  den 
mehrsagenden  Titel  führen:  „vergleichende  Geweblehre"  5 
in  Erwägung  jedoch,  dass  ein  zu  grosser  Abstand  herrscht 
zwischen  Dem ,  was  ich  anstrebte  und  dem  Geleisteten 
schien  es  mir  etwas  Anmassliches  zu  haben,  dem  Buche 
diese  Aufschrift  vorzusetzen.  Falls  man  überhaupt  mir 
nahe  legen  wollte ,  noch  sei  es  bei  dem  niedrigen  Stande 
unserer  Kenntnisse  nicht  an  der  Zeit,  ein  wirklich  ver- 
gleichend-histologisches  Gebäude  aufzuführen,  so  würde 
ich  nicht  widersprechen ;  betrachte  ich  doch  das  hier  Ge- 
botene nur  als  einen  schwachen  Versuch,  aus  den  durch 
fremde  und  eigene  Forschungen  über  die  Thierwelt  erwor- 
benen histologischen  Einzelheiten  eine  übersichtliche  Dar- 
stellung zu  gewinnen  und,  wenn  thunlich,  über  die  Einzel- 
heiten hinweg  zu  allgemeineren  Sätzen  zu  gelangen. 


IV  Vorwort. 

Es  kann  zwar  meine  Schrift  eine  grosse  Mangelhaftig- 
keit aller  (^rten  und  Enden  nicht  verbergen,  auch  dürfte 
die  Ungleichmässigkeit,  welche  ich  mir  in  der  Behandlung 
der  Materien  erlaubt,  wodurch  manches  Kapitel  ein  oft 
nahezu  notizenhaftes  Gepräge  hat,  zu  tadeln  sein,  aber 
trotz  solcher  und  noch  anderer  Ausstellungen,  welche  zu 
machen  sind,  möchte  ich  mir  dennoch  mit  der  Hoffnung 
schmeicheln,  dass  das  Unternehmen  Nutzen  stiften  kann. 
Ich  habe  mir  n'ändich  angelegen  sein  lassen,  die  bis  jetzt 
ermittelten  Daten  der  menschlichen  Histologie  so  gedrängt 
als  möglich  vorzulegen  und  in  Zusammenhang  zu  setzen, 
und  was  ich  über  die  Geweblehre  der  Thiere  aufnehme, 
dürfte  doch  zum  Mindesten  dazu  dienen,  den  Gesichtskreis 
unserer  histologischen  Ideen  zu  erweitern,  vielleicht  auch 
Andere  zu  ferneren  Untersuchungen  anzuregen. 

Die  Neigung  zu  histologischen  Forschungen  ist  ja  bei 
der  jüngeren  Generation  der  Naturforscher  und  Aerzte  in 
erfreulicher  Zunahme  begriffen  und  die  feindliche  Stellung, 
welche  mitunter  vorzügliche  Physiologen  und  die  Pi-nktiker 
der  Histologie  gegenüber  einnehmen,  gilt  wohl  weniger 
diesen  Studien  an  sich,  als  der  Meinung  von  überschweng- 
lichen Leistungen  unserer  Wissenschaft,  wie  wenn  wir  jetzt 
durch  das  Mikroskop  etwas  von  dem  alten  über  den  Lebens- 
erscheinungen schwebenden   Hunkel  verscheucht  hätten! 

Wir  befinden  uns  aber,  wie  mir  däucht,  leidei-  in  gleichem 
Falle  mit  Einem,  der  „das  Leben"  etwa  einer  AViese,  eines 
Waldes  eine  Zeit  lang  von  einem  fernen  Standpunkt  aus 
studii't  hat  und  nun  glaubt,  es  würde  sich  ihm  ein  besseres 
Verständniss  von  dem  A\'achsen,  von  dem  Grünwerden  und 


Vorwort.  V 

sich  Entfärbet!  aufthun  dadurch,  dass  er  näher  tritt,  um  die 
einzehien,  die  grünende  Fläche  zusammensetzenden  Pflanzen- 
arten ins  Auge  fassen  zu  können.  Allerdings  wird  er 
jetzt  mancherlei  interessante  neue  Beobachtungen  machen, 
allein  in  der  Hauptsache  bleibt  das  Eäthsel  von  vorhin ; 
er  steht  noch  immer  vor  denselben  Fragen,  nur  mit  dem 
Unterschied,  dass  er  die  Veränderungen  gegenwärtig  an 
jedem  Pflanzenindividuum  ebenso  gewahrt,  wie  zuvor  an 
der  grossen  grünenden  Fläche.  Aus  demselben  Grunde 
ist  es  für  den  Zweck  des  strengen  Physiologen ,  auch  für 
den  Arzt  ganz  gleichgültig  und  bringt  ihn,  sobald  es  sich 
um  letzte  Erklärungen  handelt,  um  keinen  Schritt  weiter, 
.  mag  er  nun  die  Lebenserscheinungen  in  die  mikroskopischen 
Zellen  und  Zellengebilde  legen  oder  mag  er  sich  bloss  an 
die   Leistungen    der   grösseren   organischen  Massen    halten. 

Es  ist  eben  zuzugestehen,  dass  die  histologischen  Studien 
nur  den  bekannten  Satz  vom  Enthaltensein  des  Makrokosmus 
im  Mikrokosmus  bestätigen,  besser  zu  sagen:  die  mit  dem 
Mikroskop  gesehenen  Formen  sind  immer  nur  eine  Wieder- 
holung ,  ein  Abglanz  dessen,  was  schon  das  freie  Auge  an 
den  Dingen  gewahrt;  in  den  mikroskopischen  Formen  spie- 
geln sich  fortwährend  die  makroskopischen.  Lässt  man 
diese  Wahrheit  ausser  Acht,  so  dürfte  man  leicht  dem 
Göthe'schen  Ausspruch:  „Mikroskope  und  Fernrohren  ver- 
wirren eigentlich  den  reinen  Menschensinn",  verfallen  und 
die  histologischen  Ergebnisse  allzusehr  überschätzen. 

Lnmerhin  muss  die  Histologie  als  ein  der  mensch- 
lichen Thätigkeit  würdiger  Gegenstand  gelten,  sie  präcisirt 
unsere   morphologischen  Vorstellungen;    schärft,  was  eben- 


VI  Vorwort. 

falls  nicht  gar  zu  gering  anzuschlagen  ist,  die  Sinne  für  die 
Auffassung  der  Formen  überhaupt,  und  wenn  es  vv^irklich 
w^ahr  sein  sollte,  dass  mit  dem  Vorrücken  unserer  Kennt- 
nisse über  die  Eigenschaften  der  Materie  hin  und  wieder 
ein  Blick  in  die  Geheimnisse  der  Lebensprozesse  gestattet 
würde,  so  hätte  die  Geweblehre  nicht  den  kleinsten  An- 
theil  an  solchen  Enthüllungen! 

Und  so  übergebe  ich  denn  eine  Arbeit,  „die  eigentlich 
nie  fertig  wird,  die  man  aber  für  fertig  erklären  muss, 
weim  man  nach  Zeit  und  Umständen  das  Möglichste  gethan 
hat",  den  Liebhabern  ähnlicher  Studien  mit  dem  Wunsche, 
dass  sie  beitragen  möge,  der  Histologie  immer  mehr  Freunde 
zu  gewinnen. 

Würzburg,  Ende  October  1856. 


Inhaltsverzeichniss. 


Erster  Theil. 

Seite 

Einleitung 3 

Erster  Abschnitt. 

Von  der  Zelle  und  ihrer  Fortbildung  zu  den  Geweben 8 

Zweiter  Abschnitt. 

Von  den  Geweben  der  Bindesubstanz 22 

1)  Gallertgewebe 23 

2)  Das  gewöhnliche  Bindegewebe '25 

3)  Das  Knorpelgewebe 32 

4)  Das  Knochengewebe        34 

Dritter  Abschnitt. 

Gewebe  der  selbständig  gebliebenen  Zellen 38 

Vierter  Abschnitt. 

Vom  Muskelgewebe 42 

Fünfter  Abschnitt. 

Vom  Nervengewebe 49 

Zweiter    Theil. 

Erster  Abschnitt. 

Von  der  äusseren  Haut  des  Menschen 65 

Lederhaut 65 

Oberhaut       69 

Haare        70 

Nägel 73 

Zweiter  Abschnitt. 

Von  der  äusseren  Haut  der  Wii'belthiere 78 

Lederhaut 78 

Hautdrüsen 84 

Hautpigmente 89 

Hautknochen 89 

^^äm^^g  tf                Oberhaut 95 

^j^Twf  \                 Haare  und  Federn 98 


VIII  Inhalt. 

Dritter  Abschnitt. 

Seite 

Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbellosen 101 

Mollusken 101 

Arthropoden 111 

Würmer 118 

Strahlthiere 121 

Protozoen 124 

Vierter  Abschnitt. 

Vom  Muskelsystem  _  des  Menschen 129 

Perimysium         130 

Verbindung  zwischen  Sehne  und  Muskel        131 

Fünfter  Abschnitt, 

Vom  Muskelsystem  der  Thiere ^  .     .  133 

Sechster  Abschnitt. 

Vom  Skelet  des  Menschen 142 

Knochensubstanz 143 

Knochenmark 144 

Verbindung  der  Knochen 144 

Entwicklung 146 

Siebenter  Abschnitt. 

Vom  Skelet  der  Wirbelthiere 148 

Der  Fische 148 

Der  Reptilien 159 

Der  Säuger  und  Vögel 159 

Achter  Abschnitt. 

Vom  Skelet  der  Wirbellosen 164 

Neunter  Abschnitt. 

Vom  Nervensystem  des  Menschen 165 

Nervencentren 165 

Peripherisches  Nervensystem 170 

Zehnter  Abschnitt. 

Vom  Nervensystem  der  Wirbelthiere        174 

Nervencentren 174 

Peripherisches  Nervensystem 179 

Elfter  Abschnitt. 

Vom  Nervensystem  der  Wirbellosen 181     " 

Zwölfter  Abschnitt. 

Von  den  Nebennieren 188 

Dreizehnter  Abschnitt. 

Von  den  Ta.stwerkzeugen  des  Menschen 192 

Vierzehnter  Abschnitt. 

Von  den  Tastwerkzeugen   der  Wirbelthiere 1>^4 

Tastkörperchen '94 

Pacini'sche  Körperchen ^  •     •  ^^ 

Sogenannter  Schleiniai)pnrat  der  Fische j     -W  f^P^ 


Inhalt.  IX 
Fünfzehnter  Abschnitt. 

Seite 

Von  den  Tastwerkzeugen  der  Wirbellosen 210 

Sechzehnter  Abschnitt. 

Vom  Geruchsorgan   des  Menschen        214 

Siebzehnter  Abschnitt. 

Vom  Geruchsorgan  der  Thiere 215 

Riechnerven        i 215 

Riechschleimhaut 216 

Jacobson'sche   Organe -218 

Geruchsorgan   der  Wirbellosen 219 

Achtzehnter  Abschnitt. 

Vom  Sehorgan  des  Menschen 220 

Sclerotica  und  Cornea 220 

Chorioidea 222 

Iris        223 

Retina        224 

Linse 226 

Glaskörper 227 

Accessorische  Augentheile 227 

Neunzehnter  Abschnitt. 

Vom  Auge  der  Wirbelthiere 229 

Sclerotica 229 

Cornea 230 

Chorioidea     . 232 

Iris        236 

Retina        238 

Linse 239 

Accessorische  Augentheile 243 

Zwanzigster  Abschnitt. 

Von  den  Augen  der  Wirbellosen 249 

Netzhaut 250 

Chorioidea 254 

Linse 256 

Glaskörper 257 

Sclerotica,  Cornea 258 

Einunclzwanzigster  Abschnitt. 

Vorn  Gehörorgan  des  Menschen 262 

Aeusseres,  mittleres  Ohr 262 

Inneres  Ohr 263 

Zweiundzwanzigster  Abschnitt. 

Vom  Gehörorgan  der  Wirbelthiere 266 

Aeusseres,  mittleres  Ohr 266 

Inneres  Ohr        267 

Dreiundzwanzigster  Abschnitt. 

Vom  Ohr  der  Wirbellosen 277 

Weichthiere 278 

Arthropoden        280 


X  Inhalt. 

Vierundzwanzigster  Abschnitt. 

Seite 

Vom  Nahrungskanal  des  Menschen 284 

Mund-  und  Rachenhöhle 284 

Zähne 288 

Magen  und  Darm        292 

Fünfundzwanzig'ster  Abschnitt. 

Vom  Nahrungskanal  der  Wirbelthiere 298 

Mundhöhle  und  Zunge 298 

Zähne        302 

Magen,  Darm ; 304 

Sechsundzwanzigster  Abschnitt. 

Vom  Nahrungskanal  der  Wirbellosen        329 

Darmepithel 330 

Cuticula 332 

Darmdrüsen 336 

Muskelhaut,  seröse  Hülle 340 

Fettkörper 341 

Siebenundzw^anzigster  Abschnitt. 

Von  den  Speicheldrüsen  der  Thiere 347 

Achtundzwanzigster  Abschnitt. 

Von  der  Bauchspeicheldrüse  des  Menschen 351 

Neunundzwanzigster  Abschnitt. 

Von  der  Bauchspeicheldrüse  der  Thiere 352 

Dreissigster  Abschnitt. 

Von  der  Leber  des  Menschen 354 

Einunddreissigster  Abschnitt. 

Von  der  Leber  der  Wirbelthiere 358 

Zweiunddreissigster  Abschnitt. 

Von  der  Leber  der  Wirbellosen 361 

Dreiunddreissigster  Abschnitt. 

Von  den  Respirationsorganen  des  Menschen 367 

Lungen 367 

Schilddrüse 370 

Vierunddreissigster  Abschnitt. 

\on  den  Respirationsorganen  der  Wirbelthiere 371 

Lungen 371 

Schilddrüse 376 

Schwimmblase 378 

Kiemen 381 

Fünfuiuhh'cissigster  Abschnitt. 

Von  (Ion  Respirationsorganen  der  Wirbellosen 383 

Lungen 384 

Kiemen 384 

Tracheen        386 

Wassergef'ässsysteiti 391 


Inhalt.  Xr 
Sechsiinddreissigster  Absclinitt. 

Seite 

Vom  Gefässsystem  des  Menschen 398 

Herz 398 

Blutgefässe 399 

Lymphgefässe 403 

Lymphdi'üsen 404 

Milz • 405 

Thymus 407 

Siebenunddreissigster  Abschnitt. 

Vom  Gefässsystem  der  Wirbelthiere 410 

Herz 410 

Blutgefässe 413 

Lymphgefässe 419 

Lymphherzen 421 

Lymphdrüsen 421 

Milz 424 

Thymus 429 

Aclitunddreissigster  Abschnitt. 

Vom  Gefässsystem  der  Wirbellosen 432 

Herz 432 

Blutgefässe 436 

Lymphgefässe 442 

Neununddreissigster  Abschnitt. 

Vom  Blut  und  der  Lymphe  des  Menschen 445 

Vierzigster  Abschnitt. 

Vom  Blut  und  der  Lymphe  der  Wirbelthiere        448 

Einund vierzigster  Abschnitt. 

Vom  Blut  und  der  Lymphe  der  Wirbellosen 451 

Zweiundvierzigster  Abschnitt. 

Vom  Harnapparat  des  Menschen 452 

Niere 452 

Harnwege 454 

Dreiundvierzigster  Abschnitt. 

Vom  Harnapparat  der  Wirbelthiere 456 

Niere 456 

Harnwege 462 

Vierundvierzigster  Abschnitt. 

Von  der  Niere  der  Wirbellosen 464 

Arthropoden        464 

Mollusken 467 

Echinodermen 469 

Anhang  zu  der  „Niere  der  Wirbellosen" 471 


XIl  Inhalt. 

Fünfundvierziffster  Abschnitt. 

°  Seite 

Von  den  Geschlechtsorganen  des  Menschen "f^ö 

Hoden 477 

Samenleiter "^^^ 

Samenbläschen        ^^'^ 

Ruthe -483 

Prostata 484 

Cowper'sche  Drüsen 484 

Eierstock        485 

Eileiter,  Gebärmutter 487 

Scheide,  Prostata,  Bartholini'sche  Drüsen 488 

Schamtheile 488 

Milchdrüsen 488 

Sechsundvierzigster  Abschnitt. 

Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbelthiere 490 

Hoden       .     .     .     .     • 490 

Samenblasen,  Prostata 498 

Cowper'sche  Drüsen 500 

Ruthe 50.3 

,    Eierstock 506 

Eileiter 515 

Uterus 516 

Milchdrüsen 520 

Siebenundvierzigster  Abschnitt. 

Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbellosen 528 

Hoden 528 

Accessorische  Geschlechtsdrüsen 530 

Zoospermien 532 

Spermatophoren 536 

Eierstock,  Eileiter 538 

Scheide,  Uterus 539 

Zwitterdrüse        540 

Accessorische  Geschlechtsdrüsen 542 

Samentasche        543 

Eier 545 


Erster  oder  allgemeiner  Tlieil. 


Lieydig,   liistologie. 


Einleitung. 


§•  1. 


Di 


'ie  Histologie  oder  Geweblehre  befasst  sich  mit  den  für  un-  p^grifr. 
sere  sinnliche  Wahrnehmung  letzten  Formelementen  des  thierischen  Orga- 
nismus, ihr  fallt  sonach  die  Aufgabe  anheim,  die  einfcicheren  Bildungen, 
aus  denen  der  thierische  Leib  besteht,  bezüglich  der  Entwicklung, 
Gestalt,  Verbindung  und  wo  möglich  auch  ihrer  Lebenserscheinungen 
zu  beschreiben.  Daraus  folgt,  dass  sie  zumeist  bloss  eine  ins  Feinere 
gehende  Anatomie  und  Zootomie  vorstellt,  und  man  belegt  sie  dess- 
wegen  häufig  mit  dem  Namen  mikroskopische  Anatomie;  es  ist 
auch  geradezu  unmöglich,  scharfe,  natürliche  Grenzen  für  das  Gebiet  der 
Histologie  zu  ziehen,  indem  sie  nach  dieser  und  jener  Seite,  in  die 
descriptive  Anatomie  wie  in  die  Embryologie  mannichfach  sich  ver- 
liert. Theoretisch  freilich  lässt  sich  für  Histologie  und  Anatomie  eine 
strenge  Demarkationslinie  stecken:  die  erstere  habe  bloss  die  Elemen- 
tartheile  zu  betrachten,  der  Gegenstand  der  Untersuchung  für  die 
letztere  seien  die  Formverhältnisse  der  Organe,  allein  da  es  eben  und 
namentlich  in  der  niedern  Thierwelt  viele  Organe  giebt,  die,  obschon 
aus  mancherlei  Elementen  zusammengesetzt,  doch  wegen  ihrer  Klein- 
heit nur  auf  mikroskopischem  Wege  erkannt  werden  können,  so  darf 
die  Histologie  auch  die  Beschreibung  solcher  zusammengesetzten  Werk- 
zeuge in  ihren  Bereich  aufnehmen,  und  in  den  folgenden  Zeilen  wird 
dieseFreiheit  nicht  selten  in  Anwendung  gezogen  werden. 

§•  2. 
Um  auch  ein  Wort  über  den  Entwicklungsgang,  den  unsere   oeschicüt. 
Doktrin  genommen  hat,  zu  sagen,  so  bemerkt  man,  dass  schon  die  alten 
Naturforscher  und  Aerzte,  welche  ein  einlässlicheres  Studium  aus  dem 
Bau  des  thierischen  Körpers  machten,  histologische  Vorstellungen  sich 
erwarben.     Wie    hätte    auch    einem    sorgfältigen  Beobachter  entgehen 

1* 


llches. 


4  Einleitung. 

können,  class  bei  aller  Mannichfaltigkeit  der  Organe  denn  doch  gewisse 
einfache  Grundbestandtheile  der  Form  in  den  verschiedenen  Partien 
des  Körpers  immer  wiederkehren.  Sie  unterschieden  auch  wohl  gleich- 
artige und  ungleichartige  Theile,  manche  versuchten  selbst  eine  syste- 
matische Gruppirung  der  Gewebe.  (Wer  sich  für  die  älteren  Be- 
arbeiter der  Histologie,  Fallopia,  Vesal  u.  a.  interessirt,  findet  die 
nöthigen  Nachweise  in  dem  gelehrten  Werke  Heusinger's ,  System  der 
Histologie,   1822.) 

§.  3. 

Mit  der  Erfindung  der  Mikroskope  und  der  dadurch  erhöhten 
Schärfe  des  Gesichtssinnes  waren  die  Hilfsmittel  der  Untersuchungen 
vermehrt  worden,  ja  man  könnte  auch  erst  von  da  an  (Mitte  des 
17.  Jahrhunderts)  den  Beginn  der  Geweblehre  datiren,  wenigstens  legt 
man  gerne  dem  Marcellus  Malpighi  den  Ehrennamen  des  Stifters 
der  mikroskopischen  Anatomie  bei ;  auch  auf  den  EinHuss ,  welchen 
die  gleichzeitig  oder  etwas  später  thätigen  Männer  wie  Sicammerdam, 
Leeuwenhoech  auf  die  Entwicklung  der  Geweblehre  ausübten,  wird 
immerfort  in  der  Geschichte  dieser  Wissenschaft  hingewiesen  werden 
müssen.  Selbst  zahlreiche  dilettirende  Naturforscher  des  vorigen  Jahr- 
hunderts (y.  Gleichen,  Ledermüller  u.  a.),  welche  nicht  gerade  ernsten 
Problemen  nachgingen,  vielmehr  in  ihren  mikroskopischen  (Observationen 
ein  vortreffliches  Amüsement  fanden  und  sich  gar  sehr  freuten ,  zu 
sehen,  wie  auch  im  Kleinsten  die  Naturprodukte  „schön  gearbeitet 
seien,  haben  viel  Neues  und  Interessantes  zu  Tage  gefördert. 

Nachdem  dergleichen  Anfänge  vorausgegangen  waren,  wurde  das 
leitende  Princip  der  Geweblehre  zuerst  \on  Btchat  (geb.  1771,  gest.  1802) 
ausgesprochen  und  zur  allgemeinen  Anerkennung  gebracht.  Bichat 
war  sich  klar  bewusst,  was  die  Histologie  anzustreben  hat,  sein  Plan 
ging  dahin,  die  Gewebe,  Avelche  durch  ihr  Zusammentreten  Organe 
bilden,  einzeln  und  nach  allen  ihren  Eigenschaften  kennen  zu  lernen. 
Obwohl  das  von  ihm  aufgestellte  histok)gische  System  sich  nicht  hat 
halten  können,  da  viele  von  seinen  vermeintlichen  einfachen  Geweben 
complicirter  Natur  sind,  so  hat  sich  Bichat  doch  ein  ehrendes 
Andenken  erhalten ,  weil  er  zuerst  Methode  in  die  Wissenschaft 
brachte  und  eine  richtige  Behandlung  des  Stoffes  lehrte.  Sein  Grund- 
gedaid<e,  (.Ich  Organismus  in  eine  Anzahl  von  einfachen  Geweben  mit 
bestimmten  Eigenschaften  aufzulösen,  durch  deren  Spiel  die  Thätig- 
keitsäusserungen  des  thierischcn  Körpers  sich  entfalten,  schwebt  noch 
jetzt  den  Naturforschern  zwar  als  Ziel  vor,  dot'h  wird  sich  jeder  Kun- 
dige zu  dem  Geständniss  be(|uenien  jnüsseu,  dass  dieser  Kndpuidvt  nie 
wird  ganz  erreichbar  sein. 

Die  Sclu'iftstcller  zunächst  in  dei'Zeit  mx^XxB ichat  brucliten  mancher- 
lei Aendoj-uugen  an  den  Gewebseintheilungen  auf,  von  denen  man 
füglich  Umgang  nehmen  chirf;  mir  scheint  kein  wesentlicher  Fort- 
schi-itt    in    der   Erkcnntniss    des   Materiales   damit  verbunden   zu  sein; 


Einleitung.  5 

man  begnügte  sich  eigentlich  damit,  die  histologischen  Kunstausdrücke 
in  andere  Bezeichnungen  xungeprägt  zu  haben.  Späterhin  aber,  wenn 
wir  zurückrechnen,  seit  ungefähr  80  Jahren,  als  das  verbesserte  Mikro- 
skop von  Neuem  und  zwar  in  consequenter  Art  gehandhabt  wurde, 
und  eine  allgemeine  Vorliebe  für  dergleichen  Studien  erwacht  war, 
kam  eine  Menge  von  werth vollen  Spezialbeobachtungen  über  den  fei- 
neren Bau  der  Organe  in  Umlauf. 

Allmählig  findet  man  bei  diesem  und  jenem  exakten  Forscher, 
ich  nenne  z.  B.  Purhinje^  Valentin j  mit  grösserer  oder  geringerer 
Sicherheit  darauf  hingedeutet,  dass  die  zusammengesetzteren  Bildungen 
des  thierischen  Organismus  aus  gleichartigen  Bläschen  beständen  oder 
wenigstens  daraus  sich  herleiten,  doch  kam  dieser  hin  und  wieder 
geäusserte  Gedanke  wie  es  scheint  bei  den  Genannten  nicht  zur  Reife, 
er  erhielt  erst  seine  Realität  durch  Schwann,  der  im  Jahre  1839  mit 
der  Schrift:  „Mikroskopische  Unters,  üb.  d.  Uebereinst.  in  d.  Strukt. 
u.  d.  Wachsth.  d.  Thiere  u.  Pflanzen"  hervortrat,  in  welcher  er  den 
Nachweis  lieferte,  dass  kernhaltige  Bläschen,  sog.  Zellen,  die  Grund- 
lage aller  thierischen  wie  pflanzlichen  Bildung  seien.  Hervorgehoben 
muss  übrigens  werden,  dass  die  so  vielfach  gescholtene  Naturphilosophie 
auch  nach  ihrer  Art  die  Dinge  zu  betrachten  schon  lange  vorher  den 
gleichen  Gedanken  construirt  hatte.  Oken  lässt  sich  in  dem  Progranun 
über  das  Universum  1808  folgendermaassen  vernehmen:  „-^^r  erste 
Uebergang  des  Unorganischen  in  das  Organische  ist  die  Verwandlung 
in  ein  Bläschen ,  das  ich  in  meiner  Zeugungstheorie  Infusorium  ge- 
nannt habe.  Thiere  und  Pflanzen  sind  durchaus  nichts  anders,  als  ein 
vielfach  verzweigtes  oder  wiederholtes  Bläschen,  was  ich  auch  zu  sei- 
ner Zeit  anatomisch  beweisen  werde.''  —  Was  Oken  mit  richtigem 
Vorausgefühl  bestimmt  hatte ;  wurde  durch  Schwann  zur  Thatsache 
erhoben. 

§.  4. 
Man  lässt  und  mit  vollem  Rechte  mit  dem  Schwann'sohQTi  Buche 
eine  Neugestaltung  der  Histologie  anheben ;  dieses  Werk  hat  einen 
nicht  geringen  Enthusiasmus  für  dergleichen  Forschungen  hervorge- 
rufen und  ihr  eine  Schaar  von  Liebhabern  zugeführt,  die  emsig  be- 
müht sind,  die  Entwicklung  und  Eigenschaften  der  Gewebe  beim  Men- 
schen und  den  Thieren  aufzuhellen,  und  die  sich  zugleich  angelegen 
sein  lassen,  über  die  sich  immer  mehr  anhäufenden  Einzelerfahrungen 
Herr  zu  werden,  wenn  es  auch  seltner  gelingt,  das  Detail  auf  Sätze 
zurückzuführen ,  welche  von  vielen  Einzelbeobachtungen  als  der  ein- 
fachste Ausdruck  gelten  können.  Es  lässt  sich  daher  kaum  die  Mei- 
nung aufdemonstriren ,  als  wären  wir,  wenn  es  sich  um  allgemeine 
Regeln  handelt ,  trotz  aller  im  Detail  vorgeschrittenen  Erfahrung  um  ein 
Erkleckliches  weiter  über  (\q\\  8c hioann^ ^c\\en  Satz  hinausgekommen; 
unsere  letzte  histologische  Weisheit  bleibt  immer  noch  die  Erkennt- 
niss,  dass  der  thierische  wie  pflanzliche  Leib  aus  Zellen  von  bestimmten 


Q  Einleitung. 

Eigenschaften  sich  aufbaut  und  dass  alle  späteren  Bildungen  Differen- 
zirungen  dieser  Bläschen  oder  Zellen  sind.  Jedoch  muss  immerhin 
dankbar  anerkannt  werden,  dass  innerhalb  dieses  Grundschemas  mehre 
Forscher  unsere  Kenntnisse  und  Vorstellungen  über  die  Lehre  von 
der  Zelle  überhaupt,  über  Beziehung  der  Gewebe  zu  einander,  sowie 
über  den  Antheil,  den  gewisse  Zellenlagen  im  Embryo  zu  den  späteren 
Geweben  kundgeben,  in  bedeutender  Weise  bereichert  und  geläutert 
haben.  Nach  meinem  Gefühle  möchte  ich  hier  vorzugsweise  Reichert, 
Bemale  und  Virchow  als  die  Männer  bezeichnen,  welche  sich  um  die 
Verallgemeinerung  rein  histologischer  Ansichten,  sowie  um  die  Ent- 
wicklung leitender  Ideen  auf  dem  Gebiete  der  Geweblehre  das  meiste 
Verdienst  erwarben.  Von  Reichert  rührt  jene  Eintheilung  der  Ge- 
webe her,  die  gegenwärtig  immer  mehr  Anhänger  zählt,  jene  Gruppirung 
nämhch,  welche  das  Bindegewebe,  den  Knorpel  und  Knochen  als  zu- 
sammengehörig unter  der  Bezeichnung  Bindesubstanz  begreift,  gewisser- 
maassen  im  Gegensatze  zu  den  muskulösen,  nervösen  und  zelligen 
Geweben.  Virchoio  hat  mit  der  Genauigkeit  und  Schärfe,  die  ihm 
eigen  ist,  die  Bindesubstanzfrage  in  eine  neue  Phase  gebracht;  die 
sehr  fruchtdar  für  unsere  histologischen  Gesammtanschauungen  zu 
werden  verspricht. —  i?e?/i«/c 's  Untersuchungen  über  die  Entwicklung 
der  Wirbelthiere  haben  sorgfältigere  Aufschlüsse  gegeben,  welchen 
Antheil  die  drei  Keimblätter  in  der  Anlage  des  embryonalen  Leibes 
an  den  Geweben  und  Organen  haben,  und  namentlich  bezeichnen  die 
Mittheilungen  RcTfiak^ s  über  die  Entwicklung  der  Drüsen  einen  wahren 
Wendepunkt  in  der  Auffassung  dieser  Gebilde,  das  Bild  der  Drüsen 
hat  dadurch  wesentlich  an  Abrundung  gewonnen. 

An  der  histologischen  Cultur  einzelner  Organe  und  Systeme  des 
Menschen  und  der  Thiere  haben  sich  viele  Forscher  betheiligt,  welche 
wir  zum  Theil  auch  sonst  als  die  Vertreter  und  Pfleger  der  thierischen 
Morphologie  kennen;    oben  an  steht:. 

Joh.  Müller  (vergl.  das  grosse  Drüsenwerk  [1830],  und  übrigen  all- 
bekannten Arbeiten,  trug  auch  zuerst  die  >ScAw«ww'schen  Ent- 
deckungen auf  den  Bau  und  die  Formen  der  krankhaften  Ge- 
schwülste über,  ist  also  Begründer  der  pathologischen  Histologie); 
R.  Wagner  (gab  1834  in  seiner  vergl.  Anatomie  eine  kurze  Geweb- 
iehre,  förderte  unsere  Kenntnisse  über  die  Blutkörperchen,  Ei 
und    Zoospermen,    in   neuester   Zeit    namentlich    die  Anatomie 
des  Nervensystemes,  seine  Icones  physiologicae  waren  für  die 
Verbreitung    histologischer     und     physiologischer    Kenntnisse 
äusserst  wirksam) ; 
Valentin  (üb.  d.  Verlauf  u.  Enden  der  Nerven,  1836,  Artikel  „Ge- 
webe" iniH.  W.  B.,  vergleichend  histologische  Angaben  über 
Wirbelthiere  und  die  \\  ii-bollose); 
Bruns  (von  ihm  ein  sehr  gutes  und  knapp  geschriebenes  Lehrbuch 
der  allgemeinen  Anatomie  des  Menschen,    1841); 


Einleitung.  7 

Henle  (allgemeine  Anatomie  des  menschliclien  Körpers,  1841,  mit 
naturgetreuen  Abbildungen  in  Stahlstich,  zeichnet  sieh  durch 
die  leichte,  lebendige  Darstellung  aus) ; 

Todd  und  Bowman  (the  physiological  anatumy  and  physiolugy  ot' 
man,  1845,  verschiedene  Artikel  in  der  Cyclopaed.  of  anat. 
and  phys.  mit  sehr  instruktiven  Figuren); 

KöHiker  (Geweblehre  des  Menschen,  185U — 1854,  „mit  möglichst 
vollständiger  Darstellung  des  feineren  Baues  der  Organe  und 
Systeme  des  Menschen",  zahlreiche,  zum  Theil  sehr  schöne 
Holzschnitte) ; 

Gerlach  (Handbuch  der  Geweblehre,  1848,  2.  Auli.  1853.  empfiehlt 
sich  durch  eine  bequeme,  fassliche  Stilisirung) ; 

Ecker  (edirt  Wagner  s  Icoues  physiologicae  in  neuer  selbständiger 
Ausgabe ,  die  meisten  Tafeln  sehr  geschmackvoll  in  der  An- 
ordnung und  Ausführung  der  Figuren,  Text  bündig  und  doch 
alles  Wesentliche  enthaltend) ; 

Bergmann  umlLeuckart  (vergleichende Physiologie,  1852,  einBuch, 
in  dem  man  eine  Fülle  der  treffendsten  Bemerkungen  findet). 

Ausser  den  Genannten  haben  die  Arbeiten  von  v.  Siebold,  ver- 
gleichende Anat.  d.  Wirbellos.,  1848,  dann  des  zu  früh  verstorbenen 
H.  Meckels,  von  Leuckart,  Schnitze,  Gegenbaur,  Meissner  {nicht 
bloss  exakte  Beobachter,  sondern  auch  sehr  geschickte  Zeichner),  Hux- 
ley ,  V.  Hessling  u.  A.  auf  die  Ausbildung  der  comparativen  Geweb- 
lehre sehr  fördernd   eingewirkt  und  viel  Neues  an's  Licht  gebracht. 

Die  ältere  Litteratur  ist  zusammengetragen  in  E.  H.  Weber,  Hand- 
buch der  Anatomie,  und  Bendz,  Haandhog  ij  almindelige  Anatomie, 
die  neuere  in  den  Jahresberichten  des  Archiv's  f.  Anat.  u.  Phys., 
Archiv  f.  Naturgeschichte,  Zeitschr.  f.  wiss.  Zoologie,  Canstatt'sche 
Jahresberichte. 


Von    der  Zelle. 


Erster  Abschnitt. 
Von  der  Zelle  und  ihrer  Fortbildung  zu  den  Geweben. 

§•5. 
Zerg-lieclert  man  nach  methodischem  Verfahren  den  thierischen 
Organismus  bis  an  die  Grenzen  unserer  sinnhchen  Wahrnehmung, 
so  machen  wir  zuletzt  vor  kleinen  und  kleinsten  Theilchen  Halt,  denen 
wir  den  Namen  Formbestandtheile  des  Organismus  beilegen.  Wenn 
wir  von  Formelementen  der  organischen  Materie  reden,  so  bedarf  es 
wohl  kaum  der  Zwischenbemerkung,  dass  dieser  Ausdruck,  strenger 
genommen,  nicht  passt,  Niemand  wird  sich  einbilden,  wirkliche  orga- 
nische Moleküle  direkt  beobachtet  zu  haben,  obschon  allerdings  die 
Ersten,  welche  sich  des  Mikroskops  bedienten,  Leewenhoeck  z.  B., 
darauf  ausgegangen  zu  sein  scheinen,  die  „Atome"  des  Sichtbaren 
aufzufinden;  wir  sprechen  von  Formelementen  der  Materie  nur  in 
Bezug  auf  unsere  jetzigen  optischen  Hilfsmittel.  Die  Ueberlegung 
fordert,  dass  dem,  was  wir  Formelemente  heissen,  noch  Reihen  von 
Bildungen  vorausgehen,  von  welchen  aber  unsere  Mikroskope  uns 
vorläufig  nichts  vor  Augen  rücken. 

§.  6._ 

Noch  müssen  wir,  ehe  ein  Schritt  vorwärts  zu  machen  ist,  uns 
über  die  Formelemente  nach  einer  andern  Seite  hin  weiter  verständigen. 

Der  Ausdruck:  letzte  Formbestandtheile,  Formelemente  kann  in 
zweifachem  Sinne  angewandt  werden.  Die  festere  organische  Sub- 
stanz oder  dl(;  geformte  Materie  geht  „durch  Verdichtung"  aus  dem 
Flüssigen  oder  der  formlosen  Materie  hervor,  und  da  dies  zunächst 
durch  Kügelchen  oder  Körnerbildung,  auch  in  Krystallform  geschieht, 
so  sprechen  Manche  diese  Körner,  Kügelchen  und  Krystalle,  welche 
bei  ihrer  Kleinheit  und  im  Flüssigen  suspendirt  eine  wimmelnde  Be- 
wegung, die  sog.  Broicnhchü  Molekularbewegung  zeigen,  als  die 
ersten  Formelemente  an.  Ich  ziehe  es  vor,  um  manche  Unbequem- 
lichkeiten in  der  Darstellung  zu  vermeiden,  die  Bezeichnung  Form- 
elenuiitc  nur  im  Hinblick  auf  einen  zusammengesetzten  Organismus 
zu  gebrauchen,  also  fiir  die  iclzlcn  o  rganischen  Einheiten,  durch 
d(M(  1)  Znsammenfiigung  und  Umgestaltung  ein  complicirter  Thierkörper 
entsteht,  mit  andern  Worten  die  sog.  Zellen  als  die  Forraelemente 
zu   bctrailitcn. 


genese. 


Zellengenese.  9 

,       ^        ■  §•  7. 

Was    ist   eine  Zelle?     Dere-leichen    kurz    zu    charakterisiren    hält  ""f'"^'^" 

~  Zelle. 

nicht  minder  schwer,  als  die  Merkmale  des  „Thieres",  der  „Pflanze"  test- 
zustellen; wir  müssen  uns  behelfen,  etwa  zu  sagen :  Zellen  sind  die  klein- 
sten organischen  Körper,  welche  eine  wirksame  Mitte  besitzen,  die  alle 
Theile  auf  sich  selber  und  ihr  Bedürfniss  beziehet.  Andere  erklären 
die  Zellen  für  Bläschen,  welche  wachsen  und  sich  vermehren  können^ 
doch  lässt  sich  dieser  Definition  entgegenhalten,  dass  nicht  alle  Zellen 
blasiger  Natur  sind,  nicht  immer  ist  eine  vom  Inhalte  ablösbare 
Membran  zu  unterscheiden. 

Zum  morphologischen  Begriff  einer  Zelle  gehört  eine  mehr  oder 
minder  weiche  Substanz^  ursprünglich  der  Kugelgestalt  sich  nähernd, 
die  einen  centralen  Körper  einschliesst,  welcher  Kern  (Nucleus)  heisst. 
Die  Zellsubstauz  erhärtet  häufig  zu  einer  mehr  oder  weniger  selbst- 
ständigen Grenzschicht  oder  Membran  und  alsdann  gliedert  sich  die 
Zelle  nach  den  Bezeichnungen  der  Schule  in  Membran,  Inhalt 
und   Kern. 

§.  8. 

Von  grosser  Bedeutung  ist  die  Frage  nach  der  Entstehung  derzeuen 
Zelle ;  denn  wie  man  schon  im  gewöhnlichen  Leben  einen  gewissen 
Maassstab  für  die  Beurtheilung  eines  Dinges  an  die  Hand  erhalten  zu 
haben  glaubt,  wenn  man  die  Herkunft  desselben  kennt,  so  ist  man  auch 
in  den  Naturwissenschaften  seit  Langem  bestrebt,  die  Art  und  Weise 
der  Entstehung  des  sichtbaren  Organischen  in  Erfahrung  zu  brin- 
gen. Es  hat  aber  die  Frage  nach  der  Genese  der  Zellen  ganz  ähn- 
liche Stadien  der  Beantwortung  durchlaufen,  wie  das  Forschen  nach 
dem  Ursprung  der  Thiere  überhaupt.  In  früherer  Zeit  hielt  man 
wie  bekannt  für  ganz  natürlich,  dass  verschiedene  niedere  Thier- 
formen  unmittelbar  aus  dem  Schlamme  und  anderen  modrigen  Stof- 
fen (die  Wissenschaft  wählte  dafür  den  Ausdruck  „primitiver,  thie- 
rischer  Urstoff"),  ohne  Eltern,  durch  sog.  Urzeugung  (generatto  aequi- 
voca)  hervorgehen  können.  Genauere  Nachforschungen  und  bessere 
Hilfsmittel  der  Untersuchung  deckten  später  auf,  dass  eine  mutter- 
lose Zeugung  bei  niedrigen  Thieren  so  wenig  existire,  als  bezüglich 
der  h Öhren  Geschöpfe  je  eine  derartige  Meinung  aufgekommen  war. 
Gerade  so  verhält  es  sich  mit  der  Entstehung  der  Zelle.  Woher 
und  wie  die  erste  Zelle  ihren  Ursprung  nahm,  kann  so  wenig  durch 
die  Naturforschung  ausgemittelt  werden,  als  woher  der  erste  Mensch 
stammt;  gleich  wie  wir  aber  sehen,  dass  in  der  aktuellen  Schöpfung 
die  Menschen  nur  durch  Fortpflanzung  da  sind,  so  kommt  auch  jede 
Zelle  immer  nur  von  einer  anderen,  eine  Urzeugung  (generafio  aequi- 
voca)  der  Zellen  lässt  sich  nicht  nachweisen,  die  Beobachtung  kennt 
nur  eine  Vermehrung  der  Zellen  von  sich  aus  und  es  dürfte 
dem  Satz  onims  cellula  e  cellula  dieselbe  Gültigkeit  zugesprochen  wer- 
den, als  dem  omne  vivum  e  vivo. 


10  Von   der  Zelle. 

Man  hatte  früher  nach  dem  Vorgang  von  Baspail  und  Schumann  die  Zellen 
gerne  mit  Krystallen  verglichen  und  diese  eine  Weile  sehr  beliebte  Parallelisirung 
begünstigte  ganz  besonders  die  Annahme  von  einer  freien  oder  mutterlosen  Ent- 
stehung der  Zellen,  man  dachte  sich,  dass  die  Zellen,  wie  die  Krystalle,  in  Flüssig- 
keiten sich  absetzen.  Die  Substanz ,  aus  der  die  Zellen  gewissermaassen  heraus- 
krystallisiren  sollten,  nannte  man  Cytoblastem  und  unterschied  dann  eine  extra- 
celluläre  Entstehung  der  Zellen ,  die  frei  im  Cytoblastem  erfolge ,  und  eine  intra- 
celluläre  oder  auch  endogene  genannt ,  die  von  bereits  fertigen  Zellen  ausginge. 
Erst  nach  und  nach  wurde  man  inne,  dass  die  Vorstellung  von  einer  freien  oder 
mutterlosen  Zellengenese,  abgesehen  davon,  dass  sie  nie  direkt  wahrgenommen  wor- 
den war,  bedeutende  theoretische  Schwierigkeiten  hatte,  und  in  Kurzem  dürfte  wohl 
die  Annahme  von  der  extracellulären  Entstehung  der  Zellen  zu  den  antiquirten 
Meinungen  gestellt  werden.  (Vergl.  die  gute  kritische  Darstellung  über  die  Zellen- 
theorie in  BemaJc's  Werk:  Untersuchungen  üb.  d.  Entwicklung  der  Wirbelthiere 
S.  164,  Virchovj,  Beitr.  z.  speciell.  Path.  u.  Therapie.)  Um  noch  einmal  auf  den 
Vergleich  der  Zellen  mit  Krystallen  zurückzukommen,  so  erblickt  man  gegenwärtig 
weit  grössere  Unterschiede  als  Uebereinstimmendes  zwischen  den  beiden  Bildungen. 
Von  besonderer  Wichtigkeit  in  dieser  Sache  war  die  Entdeckung  i?eic /* er  ^'a-  (1849), 
dass  auch  eiweissartige  Substanzen  die  Krystallform  annehmen  können. 

§.  9. 
Die  Eizelle.  j).^^  -^yii'  (.[^q  tVeic  Zellenbilcliiiig  in  Abrede  stellen,  so  miiss  unser 

Ausgangspunkt  die  Keimzelle  oder  das  Ei  sein,  welches  selbst  wie- 
der eine  Zeit  lang  einen  Theil  des  mütterlichen  Bodens  ausmachte. 
Das  Ei  zeigt  sich  uns  als  rundliches  Bläschen,  mit  einem  protein- 
und  fettreichen  Inhalt  und  enthält  ein  zweites  Bläschen  mit  innerem 
Kern  eingeschachtelt.  Man  unterscheidet  demnach  an  ihm  die  Wand 
oder  die  Zellenmembran,  den  Inhalt  oder  Dotter,  das  einge- 
schlossene Bläschen  repräsentirt  den  Zell  enkern  (iVi^c/ews)  und  der 
Kern  im  letzteren  lieisst  Kern  körperchen  oder  Nucleolus. 

Fig.  1. 


/:<> 


''"7 


Eizelle. 

a  Membran,    b  Inhalt,    c    Kern,    d  Kernkörpcrchcn.     (Starke  Vergr.) 

;  §•  10. 

/eiienvrr-  j)vY  Elzcllc  inhäHrt  das  Vermögen  sicli  zu  vermehren,  d.  h.  eine 

-inrch  Brut  neuer  Zellen  hervorzubringen.  Diess  geschieht  durch  deji  soge- 
nannten Furchungsprocess,  der  als  der  äussere  Ausdruck  der  Zellen- 
produktion des  Eies  zu  betrachten  ist.  Er  beginnt  (.hiniit.  dass  der 
Kern  der  Eizelle  (das  Keimbläschen)  sich  theilt,  worauf  um  die  so  ent- 


Thcilung. 


Zellenvermehrung. 


11 


standenen  zwei  Kerne  der  Dotter  sich  zu  zwei  Kugelhnufen  (Furch  urigs- 
kugehi)  gruppirt.     Indem   der   Kern    der   Furchungskugehi    dieselbe 

Fig.  3. 


Fig.  2. 


Fig.  4. 


Fig.  5. 


/m?' 


!:■ 


"i-s;: 


'■''is%ü;;'*Si3^""' 


Mehre  Furchungsstadien,  die  Vermehrung  der  Zellen  durch  Theilung  versinn- 

lichend.     (Starke  Yergr.) 

Theihmg  wiederholt  und  die  Umhüllung  das  Beispiel  des  Kerns  nach- 
ahmt, entstehen  neue  Furchungskugehi  und  durch  solch  fortgesetzte 
Theilung  des  Keimbläschens  und  steter  Umhüllung  der  Abkömmlinge 
des  Keimbläschens  mit  Dotterkörnern  wird  die  ursprüngliche  Eizelle 
in  eine  Generation  zahlreicher  neuer  Zellen  zerlegt,  für  welche  man  den 
Namen  Furchungskugehi  eingeführt  hat,  weil  erst  nach  und  nach  der 
helle  Rand  derselben  zu  einer  membranösen  Hülle  erhärtet  und  die 
Furchungskugel  so  zur  Furchungszelle  wird.  Dass  die  Grenze  der 
Furchungskugel  nach  aussen  zur  Membran  erstarrt  oder  erhärtet, 
erfolgt  nach  demselben  Princip ,  als  überhaupt  die  Grenzen  der 
organischen  Substanz  gewissermassen  entfernter  von  dem  centralen 
Lebensheerde,  und  daher  in  höherem  Grade  von  der  Aussenwelt  beein- 
flusst,  hart  wird,  man  könnte  sagen,  abstirbt. 

Es  liegt  nicht  in  meinem  Plane,  die  Modifikationen,  welche  der 
Furchungsprozess  in  den  Thierreihen  erfährt,  aus  einander  zu  setzen, 
nur  mag  erwähnt  sein,  dass  er  entweder  ein  sog.  totaler  ist,  wobei 
der  gcsammte  Inhalt  der  Eizelle  zu  Embryonalzellen  umgewandelt 
wird,  so  bei  Säugethieren,  Batrachiern,  den  meisten  AVirbellosen,  oder 
er  ist  ein  partialer,  d.  h.  nur  ein  bestimmter  Tlieil  des  Dotters  kann 
sich  zu  Embryonalzellen  gestalten,  dies    ist  der  Fall    bei  den  Vögeln, 


12 


Von    der  Zelle. 


Zellen- 

Tcrinchniny 

durch 

Knospen- 

bildung. 


Reptilien,  den  meisten  Fischen  (nicht  bei  Petromyzon,  wo  nach  Echer 
und  Schnitze  eine  totale  Furchung-  Statt  hat),  bei  vielen  Wirbellosen, 
den  Cephalopoden,  Crustaceen,  Arachniden,  Insekten.  Man  fühlt  sich 
daher  im  Hinblick  auf  die  partiale  Furchung-  genöthigt,  \mi  Reichert 
den  Inhalt  des  Eies  zu  scheiden  in  einen  solchen,  der  unmittelbar 
zum  Embryo  wird,  Bil dun gs dotier,  während  die  übrige  Inhaltsportion 
Nahrungsd Otter  heisst.  Remak  nennt  die  Geschöpfe  mit  totaler 
Furchung  holoblastische  Thiere,  mit  partialer  meroblastische. 

Es  schien  bis  vor  Kurzem  durch  die  ganze  Thierwelt  Eegel  zu  sein,  dass  der 
Kern  der  Eizelle,  das  sog.  Keimbläschen,  vor  der  Furchung  schwinde.  Joli.  Müller 
hat  zuerst  an  Entoconcha  mirahilis  (üb.  d.  Erzeugung  v.  Schneeigen  in  Holothurien) 
die  Betheiligung  des  Keimbläschens  an  der  Bildung  der  Kerne  der  Furchungs- 
kugeln  wahrgenommen;  ähnliche  bestätigende  Beobachtungen  hat  Geg enbaur  beim 
Furchungsprozess  der  Oceania  arviata  (zur  Lehre  v.  Generationswechsel  u.  d.  Fort- 
pflanzung d.  Medus.  u.  Polyp),  sowie  ich  selber  an  den  Eiern  von  Notommata  Sie- 
boldii  (üb.  d.  Bau  u.  d.  systemat.  Stellung  d.  Räderthiere)  gemacht.  B e  vi  ak^s  Wahr- 
nehmungen am  Froschei  sind  diesen  Angaben  nicht  gerade  entgegen ,  wenn  auch 
seine  Auffassung  anders  lautet,  worüber  das  citirte  Werk  nachzusehen  ist. 

§.    11. 

Das  Ei  steht,  wie  aus  dem  Vorhergegangenen  erhellt,  zu  den 
Furchungszellen  im  Verhältniss  der  Mutterzelle  zu  den  Tochterzel- 
len und  indem  nun  letztere  fort  und  fort  durch  T  hei  hing  sich  ver- 
mehren, in    bestimmter  Weise    sich   zusammenordnen,    alsdann    durch 

Fig.  6. 


Vermehrung  der  Zellen    durch  S  p  r  o  s  s  c  n  b  i  1  d  u  n  g. 

A  Eiertrauben  von  Gordius  (nacli  M eissner). 

B  Eibildung  von  Venus  decussata.     (Starke  Vergr.) 

fernere  Umwandlung  ihrer  Gestalt  luid  ihres  Inhaltes  zu  den  Ge- 
weben sich  metamorphosiren ,  bauen  sie  die  Organe  und  den  Ge- 
sammtorganismus  auf.  Eine  IModiHkation  der  Zellenvermehrung  durch 
Theilung,  hat  man  neuerdings  (durch  Meissner)  in  der  Knospenbil- 
dung- oder  Gemmification  der  Zellen  erkannt,  die  abermals  vom 
Kern  ausgeht.  In  der  sich  zur  Bruterzeugung-  anschickenden  Zelle 
entsteht  durch  Thciknig  des  Kerns  eine  Anzahl  neuer  Kerne,  sich 
an  die  Zeihvjind  anlegend,  und  diese  allmählig,  je(l(M-  für  sieb  hervor- 
drUngcnd.  So  entstehen  knopfförnn'ge  Ei-höhungen  ,  die  sich  zu  rund- 
lichen Abtheilungen  der  Mutterzellen  ausbilden  und  als  Tochterzellen 
durch  eine  Einschnürung  sich  von  ihr  absetzen.     Die  Verbindung  mit 


Porenkauale  der  Zelle.  13 

der  Mutterzelle   wird    nach   und    nach    stielförmig  ausgezogen,  bis  zu- 
letzt der  Sprössling  von  dem  mütterlichen  Boden  sich  ablöst. 

Man  hatte  bisher  noch  eine  endoyene  Zellenhildimg  aufgestellt,  welche  darauf 
beruhen  sollte ,  dass  der  Zelleninhalt  ohne  Theilnahme  der  Zellenmembran  sich 
theilt,  es  demnach  scheine ,  als  ob  die  neuen  Zellen  oder  richtiger  Inhaltsportionen 
der  Zelle  von  einer  gemeinschaftlichen  Membran  umhüllt  wären.  Eemak  verwirft 
diese  sog.  endogene  Zellenbildung  als  einen  Irrthum.  Nach  ihm  weisen  dergleichen 
von  gemein.schaftlicher  Membran  umhüllten  Zellen  ein  Leichen2)hänomen  auf,  inso- 
fern die  Membran ,  welche  schon  entsprechend  den  Inhaltsportionen  abgeschnürt 
war,  sich  wieder  erhoben  und  den  Inhalt  in  Portionen  abgeschnürt  zurückge- 
lassen hat. 

§.  12. 

Die  aus  der  Furchung  hervorgegangenen  Zellen  haben  die  wesent- 
lichen Eigenschaften  d.er  Eizelle;  sie  stellen  abermals  Bläschen  dar, 
bestehend  aus  einer  zarten  Membran,  einem  aus  Eiweiss  und  Fett  ge- 
bildeten Inhalt  und  einem  meist  blasigen  Kern  mit  einem  oder  mehre- 
ren Kernkörperchen,  von  jetzt  ab  tritt  eine  Difierenzirung  der  einzel- 
nen Zellen,  sowie  ihrer  sie  zusammensetzenden  Theile  ein.  Doch  sei 
vorher  noch  Einiges  über  die  feinere  Beschaffenheit  der  Zelle,  sowie 
über  ihre  Lebenserscheinungen  angedeutet.  Die  Zellenmembran  wird 
gemeinhin  homogen  genannt,  doch  müssen  in  ihr  a  priori  wegen  der  statt- 
findenden endosmotischen  Strömungen  feine  Porenkanäie  angenom- 1^°"^"''^"^,"^''^* 
men  werden.  Die  Anwesenheit  der  letzteren  als  ein  allgemeines  Vorkomm-  t^^r  zeiie. 
niss  ist  mir  um  so  wahrscheinlicher,  da  an  grossen  Eizellen  die  Poren- 
kanäle in  neuester  Zeit  erkannt  worden  sind,  und  doch,  in  dieser  An- 
gelegenheit wenigstens,  die  Grösse  weder  bei  unorganisirten  noch  organi- 
schen Körpern  einen  wesentlichen  Unterschied  begründet.  Der  kleinste 
Bergkrystall  z,  B.,  welcher  mit  freiem  Auge  nicht  mehr  gesehen  wer- 
den kann,  ist  in  seiner  Wesenheit  nicht  verschieden  von  einem  mehrere 
Fuss  grossen,  eben  so  wenig  die  winzig  kleine  den  hundertsten  bis 
zweihundertsten  Theil  einer  Linie  messende  Zelle,  und  eine  dem  freien 
Auge  wohl  sichtbare  Eizelle ! 

Obendrein  habe  ich  zu  bemerken,  dass  es  mir  scheint,  als  ob  man 
selbst  schon  mit  den  besseren  unserer  jetzigen  Mikroskope  an  gar 
manchen  Zellen  die  Poren  der  Membran  gewahren  könne.  Die  Epi- 
dermiszellen  z.  B.  von  Emys  europaea  und  anderen  Reptilien  boten 
mir  eine  so  dichte,  feine  und  dabei  eigenthümliche  Punktirung,  dass 
man  den  Gedanken  an  sichtbare  Porenkanäle  wohl  in  sich  aufkommen 
lassen  kann.  Späteren  Erörterungen  vorgreifend,  sei  gleich  erwähnt, 
dass,  WC)  n  die  Zellen  ihre  Wand  einseitig  oder  rings  herum  durch 
Auscheidungen  bestimmter  Substanzen  verdickt  haben,  die  Porenkanäle 
in  dergleichen  verdickten  Partien  kenntlicher  werden.  So  hat  z.  B.  Funke 
in  den  Cylinderepithelien  des  Darmes  der  Wirbel thiere  (Kaninchen)  an 
dem  hellen  Grenzsaum,  welcher  dem  Darmlumen  zugekehrt  ist,  Porenka- 
näle entdeckt.  Aehnliches  sehe  ich  in  dem  Darm  mancher  Raupen 
(s.  unten);  noch  auffälliger  werden  die  Porenkanäle,  wie  schon  gesagt. 


14 


Kern- 
kilrperchen. 


iiiiHseningen 
der  Zellf. 


Zellen   mit  ganz  oder  th  eilweise  verdickter   Wand  und  Porenkanälen. 

A   Eierstocksei    vom  Maulwurf:     a    die   Dotterhaut  mit   den  Porenkanälen    (b   von 

den  Zellen  des  Discus  proligerus). 

B  Epithelzellen  aus  dem  Darm  mit  einseitig  verdickter  Wand  und  Porenkanälen  in 

derselben.     (Starke  Vergr.) 

an  den  Eizellen  mit  verdickter  Wand,  so  bei  vielen  Fischen,  in  der 
Zona  pellucida  des  Säugetliiereies ,  des  Holotliurieneies,  vieler  Insek- 
teneier etc. 

Die  gleiche  Erscheinung  der  Porenkanäle  dürfte  mit  der  Zeit  auch 
an  der  Wand  des  Kerns  nachweisbar  werden.  Ich  sehe  wenigstens 
an  den  Kei'nen  der  riesigen  gelbkörnigen  Zellen,  welche  zwischen  die 
gewöhnlichen  Lappen  des  Fettkörpers  bei  Phryganea  grandis  u.  a.  ein- 
gebettet sind,  eine  eigene  Strichelung  und  Punktirung,  die  ich  auf  die 
x\nwesenheit  von  Porenkanälen  auslegen  möchte. 

Das  Kernkörperchen  {Nucleolus)  ist  kein  constanter  Theil  der 
Zellen.  In  mehreren  Fällen,  wie  z.  B.  an  den  Kernen  der  Linsenfasern  des 
Frosches,  am  Ei  der  Ratte,  Ganglienkugeln  der  Blutegel,  Ei  von  Synapta 
habe  ich  mich  überzeugt,  dass  dieses  Gebilde  nur  eine  verdickte  Partie 
der  W^and,  ein  Vorsprung  derselben  nach  innen  ist,  es  scheint  nach 
Verflüssigung  des  übrigen  Kerninhaltes  sich  abzuzeichnen,  macht  sich 
häufig  auch  erst  bcmcrklicli  in  späteren  Lebensperioden    der  Zelle. 

§.  13. 
Will  man  von  den  L  e  b  e  n  s  e  r  s  c  h  e  i  n  u  n  g  e  n  der  noch  indifferenten 
Zellen  reden ,  so  ist  man  gezwungen ,  nach  denselben  Ausdrücken 
zu  greifen,  welclie  schon  die  früheren  Autoren  {vf\Q,  Brown,  Reil  u.  a.) 
zu  Hülfe  rufen,  wenn  sie  die  höchsten  oder  letzten  Phänomene  der  or- 
ganischen Materie  bezeichnen  wollten.  Dem  zufolge  müssen  auch  wir  die 
Erregbarkeit  iincitabilitos)  als  die  gewissermaassen  primitive  Lebens- 
eigenschaft der  thierischen  Zelle  ansprechen.  Sie  ist,  in  der  Sprache 
der  Genannten  zu  reden,  „Grund  aller  vitalen  Aktion."  Von  ihr  lassen 
sich  abzweigen:  1)  Sensibilität  und  Irritabilität,  Empfindung  und  Be- 
wegung, oder  die  sog.  animalen  Lebenserscheinungen,  und  2)  die 
Erscheinungen  des  Stoffwechsels,  des  Wachsthumes  und  derVermelu-uug, 
welche  man  gemeinhin  die  vegetativen  Thätigkeiten  nennt.  Da  die 


Einzellige  Thiere.  15 

Zellen  eine  gewisse  Gliederung  ihres  Baues  haben ,  so  liegt  es  nahe,  die 
angedeuteten  Thätigkeitsäusserungen  innerhalb  des  Zellenorganismus  lo- 
calisirt  zu  wissen.  Doch  ist  Niemand  im  Stande,  hierüber  etwas 
Sicheres  auszusagen,  nur  scheint  vielleicht  so  viel  aus  den  Beobach- 
tungen hervorzugehen,  dass  der  Inhalt  der  Zellen  von  höherer  Dig- 
nität  ist  als  die  Membran,  und  dass  besonders  nur  der  Zelleninhalt  das 
Substrat  für  die  irritablen  und  sensiblen  Prozesse  bieten  könnte.  Be- 
züglich des  Kernes  weiset  Manches  darauf  hin,  dass  derselbe  mit  der 
Fortpflanzung  der  Zellen,  mag  sie  durch  Theilung  oder  Knospenbil- 
dung erfolgen,  in  Beziehung  stehe. 

Am  Dotter  verschiedener  Thiere  hat  man  merkwürdige  Bewegungen  an  der 
hellen  Substanz,  welche  die  Dotterkörner  und  Kugeln  zusammenhält,  wahrge- 
nommen; die  Bewegungen  erinnerten  an  die  Contractionen  der  Amöben.  Duj ardin 
beschrieb  sie  von  den  Eiern  einer  Limax ,  Ecker  vom  Froschei ,  Reviah  sah  sie 
auch  an  den  Dotterkugeln  des  Hühnereies,  ich  selber  kenne  sie  vom  Ei  des 
Pristiitrus,  wo  sie  mir  allerdings  den  Eindruck  eines  vitalen  Vorganges  machten, 
auch  Ecker  fasst  die  Sache  so  auf,  Remak  hingegen  lässt  die  Bewegungen  von  ein- 
dringendem Wasser  abhängen.  Gelingt  es,  festzustellen,  dass  diese  Contractionen 
kein  physikalisches,  von  molekularen  Strömungen  bedingtes  Phänomen  sind,  sondern 
eine  Lebenserscheinung,  so  hätte  man  ein  siunenfälliges  Beispiel  von  der  Irritabili- 
tät des  Inhaltes  der  primären  Zellen. 

§.  14. 

Erwähnenswerth  ist ,  dass  die  kleinen  homologen  Theile  oder  Zel-  Einzeilige 
len,  welche  den  Thierkörper  bilden,  innerhalb  gewisser  Abtheilungen 
des  Thierreiches  beslmmte  Gross endifferenzen  einhalten.  Man  weiss, 
dass  unter  den  Wirbelthieren  bei  den  Vögeln  und  Säugern  im  Allge- 
meinen die  Zellen  und  deren  Derivate  kleiner  sind,  als  bei  Fischen 
und  nackten  Reptilien,  und  unter  letzteren  überragen  wieder  die  zel- 
ligen Theile  des  Landsalamanders  und  des  Proteus  die  aller  übrigen 
Wirbelthiere  ;  doch  ist  zuzugestehen ,  dass  eine  strenge  Durchführung 
dieses  Satzes  nicht  wohl  möglich  ist,  denn  die  Ganglienkugeln  des 
Proteus  z.  B.  scheinen  mir  kaum  grösser  als  die  des  Frosches  zu  sein. 
In  den  Gruppen  der  Wirbellosen  dürfte  es  bei  den  Arthropoden  an 
vielen  Stollen  (Darm  der  Insekten ,  Serikterien ,  Harngefässe  etc.) 
grössere  Zellen  geben,' als  bei  Mollusken,  Würmern  etc.,  obschon  auch 
hier  bestimmte  Organe  (man  denke  z.  B.  an  die  grossen  Ganglienku- 
geln  im  Gehirn  und  die  langen  Cylinderzellen  im  Darm  der  Gastero- 
poden)  sehr  umfangreiche  Elementargebilde  haben.  Immerhin  mag 
man  an  dergleichen  Grössenverhältnisse  der  Elementartheile  sich  dess- 
halb  erii  uern,  als  bei  den  sog.  Protozoen  oder  Infusorien  die  den 
Zellen  homologen  Theilchen  meist  so  ausserordentlich  klein  zu  bleiben 
scheinen,  dass  man  herkömmlich,  und,  wie  mir  dünkt,  irrthümlich  de- 
ren Körpersubstanz  als  eine  gleichartige,  homogene  Masse  ansieht.  Bei 
dieser  Betrachtung  möchte  ich  geflissentlich  etwas  verweilen.  Gleich 
nach  dem  Bekanntwerden  der  Schwann^achen  Entdeckungen  sprach 
sich    Meyen  (Müll.  Arch.    1839)    dahin    aus:    die    Infusionsthierchen, 


Tliiere. 


16  "Von  der  Zelle. 

welche,  weil  die  kleinsten  als  die  niedrigsten  Tliierformen  angesehen 
werden,  seien  einzellige  Geschöpfe  im  Gegensatz  zu  den  übrigen  Thie- 
ren ,  die  allein  Zellencomplexe  oder  iVggregate  niehrer  zu  einem  Gan- 
zen zusammenwirkender  Zellen  repräsentirten,  v.  Siehold,  Kölliker 
u.  A.  haben  sich  zu  derselben  Meinung  erklärt.  Es  kann  zugegeben 
w^erden,  dass  bei  manchen  der  kleinsten  Formen,  Monaden  z.  ß.,  selbst 
noch  von  grösseren,  z.  B,  von  Polytoma,  Difßugia,  Enchelys  (vergl. 
die  genauen  Abbildungen,  welche  Ä.  Schneider  in  Müllers  Arch.  1854 
darüber  veröfFenthcht  hat)  eine  derartige  Behauptung  auf  einer  gewis- 
sen Basis  ruht,  was  aber  die  complicirteren  Formen  anlangt,  so  müsste 
man  im  Bestreben,  an  ihnen  einzellige  Thiere  zu  erblicken,  nach  dem 
richtigen  Vergleich  vom  Oskar  Schmidt,  den  Begriff  der  Zelle  in  ähn- 
licher Weise  erweitern,  und  ich  möchte  hinzusetzen,  verschieben,  wie 
diess  die  natürphilosophische  Schule  mit  dem  Wirbel  gethan  hat.  Der- 
gleichen Meinungen  wurzeln  auch  nur  in  unzulänglichen  Beobachtungen. 
Mag  Ehrenherg  im  Einzelnen  mehrfEich  geirrt  haben,  sein  Grund- 
gedanke ,  dass  den  Infusionsthieren  ein  diffcrenzirter  Organismus  zu- 
komme, wird  durcb  neuere  Untersuchungen  immer  mehr  bestätigt. 
Bei  den  grösseren  Arten  lässt  sich  unter  gehöriger  Vergrösserung 
auch  von  histologischer  Differenzirung  reden.  Prüfe  ich  z.  B.  um- 
tänglichere  Thiere  von  der  Gattung  Vorticella,  Epistylis  u.  a. ,  bei 
78Umaliger  Vergrösserung  [Kellner,  Syst.  3.  0.  IL),  so  ist  unterhalb 
einer  deutlichen,  häufig  quergestrichelten  Cuticula,  welche  Zeichnung 
nicht  etwa  von  Falten  herrührt,  sondern  im  ausgestreckten  Zustande 
des  Thieres  gesehen  wird,  die  Leibessubstanz  keineswegs  eine  gleich- 
artig-gallertige Masse,  sondern  verhält  sich,  w^enn  schon  im  verkleiner- 
ten Maassstab,  wie  die  Substanz  unterhalb  der  Cuticula  der  Rotatorien, 
der  Entomostraken  oder  zarter  Lisektenlarven.  Man  unterscheidet 
nämlich  sehr  wohl  rundliche  Körner,  in  Essigsäure  schärfer  werdend,  die 
ganz  vom  Habitus  der  Nuclei  in  einer  gewissen  Ilcgelmässigkeit  in 
eine  helle,  weiche  Substanz  gelagert  sind.  Bei  den  llotatorien,  Lisek- 
tenlarven etc.,  ist  das  Bild  häufig  gerade  so,  nur  dass  die  Nuclei 
grösser  sind,  und  eben  desshalb  deutlicher  wird,  wie  zu  jedem  Kern 
ein  gewisser  Bezirk  der  jetzt  gleichmässigen  *  Substanz  ursprünglich 
als  Zellenterritorium  gehört  haben  mag.  Die  Mittheilungen  ferner, 
welche  Max  Schnitze  von  der  Beschaffenheit  der  llhyzopoden  giebt, 
sind  gar  nicht  darnach  angethan,  um  nicht  einmal  für  diese  Thiere  eine 
rein  homogene  Substanz  als  Körperconstituens  anzunehmen :  es  finden 
sich  in  der  feinkörnigen  Grundmasse  viele,  auch  wieder  Bläschen  ein- 
schliessende  Kerne.  Und  ferner,  es  kommen,  woniui  0.  Schmidt,  der 
sich  immer  gegen  die  „Einzelligkeit"  gestennnt  hat,  aufmerksam  machte, 
in  der  Haut  eim'ger  Infusorien  [Faramaecium ,  Bursaria,  P.  aurelia, 
P.  caudatum,  Bursaria  leucas)  die  nämlichen  stabfönnigen  Körper  vor, 
welche  man  bei  höheren  Gruppen  als  Inhalt  der  Ilautzellen  kennt. 
Lachmann  u.  Clarap^dehnhQu  ähnliche,  nui- weit  dickere  Körperchen, 


Einzellifte  Tliiere.  17 


■o 


^welche  den  Nessclorg'tanen  der  Campanularicn  tüuschcnd  ähnlich 
sehen",  in  einem  wahrscheinlich  zu  den  Acinetinen  zn  rechnenden 
Thier  gefunden ,  je  zwei  bis  neun  dieser  Körperchen  waren  von 
einer  eignen  rundlichen  Blase  (Zelle?)  umschlossen.  Allmann  will 
auch  aus  den  spindelförmigen  Stäbchen  der  genannten  Infusorien 
Nesselfäden  hervortreten  gesehen  haben.  Dass  in  Opalina  ranarum 
nach  Anwendung  von  Reagentien  zahlreiche  Kerne  sichtbar  wer- 
den, davon  wollen  wir  Umgang  nehmen,  da  die  Stellung  dieses  Ge- 
schöpfes unter  den  Infusorien  etwas  zweifelhaft  geworden  (von  be- 
sonders schönzelligcm  Bau  erscheint  mir  die  helle  Handzone  an  der 
Opalina  aus  dem  Mastdarm  des  Bomhinator  igneus),  doch  sei  noch 
an  einiges  Andere  erinnert.  Der  sog.  Kern  der  Infusorien  ist,  wie 
schon  mehrere  Forscher  sahen ,  und  ich  am  spiraligen  Kern  der 
Vorticellinen  ebenfalls  w^ahrnehme,  nicht  ein  durchaus  homogener 
Körper,  sondern  wenn  er  aus  dem  verletzten  lebenden  Thier  heraus- 
getreten, bemerkt  man  an  ihm  deutlich  eine  helle,  ziemlich  weit  ab- 
stehende Schale  und  einen  granulären  Kern.  Ferner  weicht ,  was 
mir  ein  triftiger  Grund  scheint,  die  „contractile  Substanz '^  im  Stiel 
der  Vorticellinen  auch  gar  nicht  von  den  Muskeln  ganz  niederer  Wir- 
bellosen ab.  Man  wähle  zur  Beobachtung  grosse  Arten,  gute  Ver- 
grösserung  und  man  ward  finden,  dass  dieser  Muskel  dieselben  Son- 
derungen kund  giebt,  wie  die  Muskeln  vieler  Rotatorien,  Turbella- 
rien  etc. ,  mit  anderen  Worten,  der  Muskel  zeigt,  wo  er  einige  Dicke 
hat,  eine  zarte  Hülle,  das  sog.  Sarcolemma,  und  innen  die  contractile 
Substanz ,  letztere  (im  expandirten  Zustande !)  mit  derselben  eigenen 
Querzeichnung ,  als  ob  sie  aus  quer  ineinander  geschobenen  Keilen 
(den  primitiven  Fleischtheilchen)  bestehe ;  gegen  das  Thier  zu ,  wo 
der  Muskel  an  Dicke  abnimmt,  wird  er,  entsprechend  der  Verringerung 
seines  Dickendurchmessers ,  mehr  homogen.  Auch  in  der  Licht- 
brechung, in  der  Art  wie  er  sich  bröckelt,  giebt  sich  der  Stiel- 
muskel der  Vorticellinen  ganz  wie  die  gleichgebildeten  Muskeln  an- 
derer  Evertebraten. 

Schon  nach  diesen  fragmentaren  Ergebnissen  der  Untersuchung 
möchte  ich  daran  halten ,  dass  auch  bei  den  Infusorien  kleinste  or- 
ganische Einheiten  oder  Aequivalente  der  Zellen  zur  Bildung  des 
Thieres  zusammenwirken ,  aber  bei  der  äusersten  Kleinheit  dieser 
Theile  versagen  uns  vorläufig  die  gegenwärtigen  optischen  Instru- 
mente  die  Mittel,   ihren  weiteren  Eigenschaften   nachzugehen. 

Die  Melirzalil  der  Forscher ,  welche  sich  neuerdings  mit  dem  Studium  der 
Infusionsthiere  befassen,  z.  B.  Stein  (d.  Infusionstliiere  auf  ihre  Entwicklungsgesch. 
untersucht),  Colin  (Zeitschr.  f.  w.  Zool.),  Perty,  Clarapede  (üb.  Actinophrys  Eich- 
hornii,  Müll.  Arch.  1854),  Lachmann  (de  lufusoriorum ,  imprimis  vorticellinorum 
structura,  1855,  übersetzt  und  mit  wichtigen  Zusätzen  in  Müll.  Arch.  1856),  wollen 
nicht  viel  von  der  Einzelligkeit  der  Infusorien  wissen  oder  bekämpfen  sie  gerade- 
zu; doch  hat  sich  neuerdings  wieder  Auerbach  zu  (?nnsten  „der  Einzelligkeit  der 
Amöben"  bekannt  (Zeitschr.  f.  w.  Z.  1855).  —  Bei  Lachmann  erfährt  man  auch, 
Leydig,   Histologie.  2 


18 


Von  den  Zellen. 


Metaiiior- 

pliosen    der 

Zelle. 


dass  Übrigens  Job.  Müller  in  s.  Vorträgen  über  vergl.  Anatomie  scbon  seit  Jahren 
geo-en  die  vermeintliche  Analogie  eines  Infusoriums  mit  einer  Zelle  sich  ausge- 
sprochen hat.  Noch  am  ehesten  könnten  die  Gregarinen,  die  mir  freilich  nur 
unentwickelte  Thierformen  zu  sein  scheinen,  für  die  Stütze  der  in  Frage  stehenden 
Ansicht  angerufen  werden.  Doch  verwirft  Stein  mit  verschiedenen  Gründen  auch 
diese  Meinung. 

Nach  diesem  Exkursus,  der,  indem  er  Manches  anticipirte,  auf 
den  Gang  unserer  Betrachtungen  etwas  störend  eingewirkt  haben 
mag,  lenken  wir  wieder  zu   der  Zelle  und  ihren  Metamorphosen   ein. 

§.15. 

Es  legt  jede  Zelle  ein  eigentliümliches,  man  könnte  sagen,  indi- 
viduelles Leben  an  den  Tag,  in  Folge  dessen  die  ursprünglich  (nach 
der  Furchung)  von  gleichartigem  Charakter  gewesenen  Zellen,  ge- 
wisse Veränderungen  ihrer  Gestalt  und  ihres  Inhaltes  durchmachen. 
Sie  erfahren  Metamorphosen,  die  selbst  mit  dem  Aufgeben  der  selbst- 
ständigen Form  der  Zelle  endigen  können.  Um  nun  einzelne  dieser  Ver- 
änderungen  aufzuführen,    so    kann   sich  die  kuglige   Zelle   abplatten, 

Fig.  8. 


■"^•<^ir^  -^4^ 


A-  «• 


Zur   Zellenmetamorphose. 
A    Zelle  aus  den  Serikterien  der  Raupe  von   Saturnia  car])iiii  mit  vielfach  ver- 

ästeltem  Kern  a. 
B  Zelle  aus  dem  Tapetum  von  einem  Hai  (Spinax)  mit  krystallinischem  Inhalt  a. 
C  Fettzelle  von    einem  Weissfisch. 
D  Fettzelle  vom  Fischegel  (Piscicola) :    a  der  Fetttropfen. 

kegelförmig  werden,  nach  den  verschiedensten  Richtungen  auswachsen, 
auch  der  Kern  kann  aus  seiner  rundh'chon  Form  in  das  Ovale  und 
Stabförmige  übergehen,  in  seltenen  Fällen  sich  verästeln,  (bei  In- 
sekten in  den  Sekrctionszellcn  der  Spcicheldi'üsen  odci-  Spinngefässe,  in 
den   Malpighischen  Gefäissen  gewisser  Schmetterlinge ;   ist   bis  jetzt  das 


Zellenmetamorpbose. 


19 


einzige  Beispiel ,  dass  der  Kern  in  eine  complicirte  Form  übergeht, 
während  die  Zellenmembran  in  einfacher  Gestalt  verbleibt);  der  Kern 
kann  sich  ferner  vermehren,  ohne  dass  die  Zelle  sich  theilt,  sondern 
eben  dadurch  zu  einer  vielkernigen  Zelle  wird  (Muskelzellen,  gewisse 
Zellen  im  Knochenmark).  Im  Nucleolus  treten  zuweilen  kleine  Hohl- 
räume auf  (Keimflecke  vieler  Wirbellosen).  Seltner  wird  das  Kern- 
körperchen  länglich ;  ich  habe  dergleichen  beschrieben  aus  den  Epi- 
dermiszellen  der  Cohitis  harbatula-^  ÄemaA;  bildet  welche  ab  von  den 
grossen  Randzellen  des  Hornblattes  in  dem  sich  entwickelten  Hühn- 
chen a.  a.  O.,  Taf.  I.  Fig.  14. ;  endhch  haben  diese  Formen  auch  die 
Nucleolim  den  Kernen  der  Linsenfasern  beim  Frosch.  Der  Zellen- 
inhalt wandelt  sich  manchfaltig  um  in  Nervensubstanz,  in  contractile 

Fig.  8  a. 


Zur  Z  e  1 1  e  n  m  e  t  a  m  0  r  p  h  0  s  e. 
A  Muskclzelle  aus  der  Stammmuskulatur    eines    Haiembryo  (Spinax  acanthiaß). 
B  Zelle  aus  der  Linse  desselben  Thieres. 

C  Stark  verästelte  Pigmentzelle  aus  dem  Eierstock  von  Piscicola.  (Starke  Vergr.) 

2* 


20  Von  den  Zellen. 

Materie,  in  Farbstoffe :  Hämatin,  Sepia,  körniges  Pigment,  Chloro2)hyll 
(bei  Hydra ^  unter  den  Turbellarien  bei  Vortex  viridis,  Convoluta 
Schultzii,  Bonellia^  unter  den  Infusorien  bei  Euglena^  Loxodes,  Sten- 
tor)j  in  Fette,  Concretionen  verschiedener  Art,  auch  die  phosphores- 
cirende  Materie  der  Leuchtkäfer  ist,  wie  ich  an  Lampyris  sehe,  deuthcher 
Zelleninhalt. 

Nimmt  man  auf  die  körperlichen  Theile  des  Zelleninhaltes  Rück- 
sicht, so  kann  er  einfach  körnig  sein,  oder  es  sind  krystallinische  Bil- 
dungen (z.  ß.  die  FHtterchen  des  Metallglanzes  bei  niederen  Wirbel- 
thieren);  häufig  umschliesst  der  Inhalt  auch  grössere  Bläschen,  so' 
die  Eiweissbläschen  im  Dotter  der  Vögel;  Selachier,  auch  die  Fett- 
bläschen, Chlorophyllkügelchen   sind  hieher  zu  ziehen. 

Eine  merkwürdige  Erscheinung  bei  der  Umwandlung  des  Zellenin- 
haltes ist,  dass  häufig  die  Bildung  gewisser  Sekrete  in  eigenen,  innerhalb 
der  Zelle  hegenden  Bläschen ,  den  „  S e  k r  e  t  b  1  ä  s  ch  e n  "  erfolgt.  So  die 
Harnsäure  bei  Mollusken ,  Bilin  bei  Mollusken  und  Krebsen ,  wie 
zuerst  durch  H.  Meckel  bekannt  geworden  ist,  ich  finde  denselben 
Vorgang  in  den  Schleimzellen  der  Epidermis  vieler  Fische,  in  den 
Speicheldrüsen   von    Limax   und   a.   a.  O. 

Eine  sehr  eingreifende  Metamorphose  ist  ferner ,  dass  die  Zellen 
Substanzen  von  mancherlei  chemischer  Qualität,  cellulosehaltige, 
leim-,  chondrin-,  chitinhaltige  nach  aussen  absetzen.  Die  Abschei- 
dung erfolgt  in  dem  einen  Falle  in  so  geringer  Menge,  dass  ledig- 
lich die  früher  überaus  zarte  Zellenmembran  jetzt  etwas  verdickt 
wird  und  sich  gegen  Reagentien  resistenter  zeigt ,  oder  es  ist  an 
andern  Orten  die  abgeschiedene  Substanz  in  so  geringer  Menge 
zwischen  den  Zellen  vorhanden ,  dass  sie  für  die  gewöhnliche  Beo- 
bachtung kaum  nachweisbar  ist  und  nur  gleichsam  zum  Verkleben 
der  Zellen  unter  einander  dient,  andrerseits  aber  wird  zwischen  die 
Zellen  ein  StcjfF  in  so  reichem  Maasse  ausgeschieden ,  dass  die  zel- 
ligcn  Theile  weiter,  ja  selbst  sehr  weit  auseinander  zu  liegen  kommen. 
Eine  solche  Zwischenmatcrie  wird  gewöhnlich  als  Intercellular- 
substanz  bezeichnet  und  durch  die  Mächtigkeit  ihrer  Masse  wird 
sie   für  die   Construction  des  Organismus  von  AVichtigkeit. 

Endlich  bei  jenen  Metamorphosen  ,  welche  die  Individualität  der 
Zelle  gefährden,  auch  wohl  ganz  vernichten,  verwachsen  die  Zellen 
zu  fusi-igen  und  netzförmigen  Zügen,  oder  schmelzen  zur  Darstellung 
von  Hold  räumen  zusammen,  was  bei  der  Bildung  der  Blut-  und  Lymph- 
gefässc,  der  Tracheen,  der  Höhlen  und  Bäume  im  Knorpel,  Kno- 
chen etc.  geschieht,  vielleicht  verwachsen  auch  abgeplattete  Zellen  mit 
ihren  Rändern ,  um  dünne  Häute  zu  erzeugen  (das  Epithel  im  Herzen  ? j 

§•  16. 
ooweb«.         Das  Ziel    der  Zcllemnetamorphosen    ist  die   PJrzeugung   der  Ge- 
weihe, \v<iri(iitcr  man  die  grösseren  Massen  begreift,  zu  welchen  sich  be- 
stimmter I'unctionen  halber  die  Zellen  und  Zellengebilde  vereinigt  haben. 


Gewebe.  21 

Ehe  ich  daran  gehe ,  die  Gewebe  zu  griippireii ,  glaube  ich  die 
Bemerkung  vorausschicken  zu  dürfen,  dass  alles  Systematisiren  mit 
etwas  Willkührlichkeit  behaftet  ist.  Jeder  wird  nach  seiner  Art  zu 
denken  und  nach  seinen  individuellen  Forderungen  diesen  oder  jenen 
Gesichtspunkt  wählen  und  darnach  die  Dinge  zusammenstellen.  Die 
Aufmerksamkeit  des  Einen  lenkt  sich  mehr  auf  die  Differenzpunkte, 
der  Andere  fasst  lieber  die  Achnlichkeiten  ins  Auge  und  so  trennt  der 
Eine  da  und  macht  viele  Abtheilungen ,  wo  der  Andere  nur  wenige 
Gruppen  gelten  lässt.  Was  nun  speziell  die  Classifizirung  der  Gewebe 
betrifft,  so  däuclit  mir,  dass  eine  solche  kaum  mit  Consequenz  sich  auf 
die  Form  der  Theile  stützen  lässt;  man  ist  z.  B.  nicht  im  Stande,  die 
letzten  fein  gewordenen  Netze  der  Nervenfasern  ;etwa  in  der  Hornhaut 
der  Wirbelthiere  von  den  anastomosirendcn  Hornhautkörpern,  isolirt  ge- 
dacht, wegzukennen,  und  nur  ihr  Zusammenhang  mit  den  unverkenn- 
baren Nerven  giebt  den  Entscheid;  ebenso  wxnig  vermöchte  man 
nach  der  Form  allein  gewisse  verlängerte  Epitlielzellen  von  glatten 
Muskelfasern  auseinander  zu  halten  u.  dgl..  Ich  nehme  desshalb 
die  physiologischen  Beziehungen  der  Elementartheile  zur  Richtschnur, 
indem  ich  mir  nach  folgendem   Schema  die   Gewebe  zurechtlege. 

.§._  17. 

Es  bestellt  einem  guten  Theile  nach  der  menschliche  und  tliie- 
rische  Leib  aus  einem  Gewebe,  welches,  den  ganzen  Körper  und 
seine  Organe  stützend,  das  Gerippe  für  den  Körper  im  Grossen,  wie 
für  die  einzelnen  Organe  abgiebt.  Diese  Substanz  erzeugt  das  Skelet 
der  Wirb  eltliiere,  sowie  bei  Wirbellosen  die  ein  Skelet  vertretenden 
Massen ;  sie  bildet  die  Grundlage  aller  Pläute,  das  Gestell  der  Drüsen 
und,  durch  den  ganzen  Körper  im  Continuitätsverhältniss  stehend,  ver- 
leiht sie  ihm  Halt  und  Zusammenhang.  Diese  erste  Gruppe  umfasst 
dieGewebe  der  Bindesubstanz.  Man  kann  ihr  vom  physiologischen 
Gesichtspunkte  aus  einen  gewissermaassen  indifferenten  Charakter  bei- 
legen ,  da  sie  nur  zur  Stütze  für  andere  mehr  spezifische  Gewebe  dient, 
ja  letztere  öfters  in  die  weicheren  Formen  der  Bindesubstanz ,  wenn 
ich  mich  so  ausdrücken  darf,  eingeleimt  sind. 

Eine  zweite  Gruppe  von  Geweben  scheint  sich  hauptsächlich  an 
den  Hergängen  der  Absorption  und  Sekretion  zu  bethcihgen.  Wir 
können  uns  deren  Zellen  wie  kleine  chemische  Werkstätten  vorstellen, 
die  Stoffe  aufnehmen,  umwandeln  und  abgeben.  Hieher  gehören  die 
Epithelialgebilde  und  die  Drüsenzellen:  Gewebe  der  selbständig 
gebliebenen    Zellen. 

Die  dritte  Gruppe  der  Gewebe  giebt  die  Unterlage  für  die  Em- 
pfindung, wie  für  die  Seefischen  Thätigkeiten :  das  Nervengewebe. 

Endlich  viertens  wird  durch  das  Muskelgewebe  die  Bewegung 
vermittelt. 

Die  Bindesubstanz  ist  das  stützende  Gewebe,  das  Grundgerüst  des 
Körpers,  zwischen  dessen  grösseren  und  kleineren  Lücken,  sowie  auf 


22  Von  den  Geweben. 

dessen  Flächen  sowohl  die  selbständig-  gebliebenen  Zellen  ihr  Leben 
führen,  als  auch  jene  Elementartheile,  welche  höhere  animalische  Ener- 
gien offenbaren,  die  Muskel-  und  Nervensubstanz  nändich,  ihre  Thätig- 
keit  üben  können. 

§.   18. 

Wir  entnehmen  aus  der  Entwicklungsgeschichte,  dass  die  durch 
den  Furchungsprozess  gewordenen  Zellen  sich  nach  einem  durch- 
gängigen Plane  bei  den  Wirbelthieren  in  hautartige  Lagen  ordnen, 
in  die  sogenannten  Keimblätter,  in  ein  oberes,  mittleres  und  unteres, 
wovon  jedem  ein  ganz  bestimmter  Antheil  an  der  Bildung  der  Ge- 
webe zukommt.  Es  hat  sich  nämlich  ergeben,  dass  das  mittlere  Blatt 
die  Gewebe  der  gefässhaltigen  Bindesubstanz,  das  Nerven-  und  Mus- 
kelgewebe liefert,  während  das  obere  und  untere  Blatt  rein  zellige 
(oder  epitheliale)  Bildungen,  die  gefäss-  und  nervenlos  sind,  aus  sich  her- 
vorgehen lassen.  Dem  Versuche,  dieser  Auffassung  zu  einer  gewissen 
theoretisch  sehr  ansprechenden  Allgemeinheit  zu  verhelfen,  kommt  aber 
die  Erfahrung  Remaks  in  die  Quere,  dass  das  Medullarrohr  aus  der 
centralen  Verdickung  des  oberen  Keimblattes  hervorgehe,  uhne  dass 
eine  epitheliale  Sonderung  an  der  ursprünglichen  Medullarplatte  oder 
dem  späteren  Medullarrohr  zu  entdecken  wäre. 

Unsere  nächste  Aufgabe  besteht  darin,  die  oben  aufgestellten  vier 
Gewebsgruppen  nach  ihren  allgemeinen  Eigenschaften  näher  zu  be- 
leuchten. 


Zweiter  Abschnitt. 


Von  den  Geweben  der  Bindesubstanz. 

§.  19. 
Wer  eine  Anzahl  von  Thierformen,  sei  es  auch  nur  oberflächlich, 
ins  Auge  fasst,  wird  von  vorneherein  die  Ansicht  aussprechen,  dass 
die  Bindesubstanz  nach  ihren  physikalischen  und  wohl  auch  chemi- 
schen Eigenschaften  sehr  abändern  müsse,  da  ja  doch  im  Körper 
einer  weichen  gallertigen  Qualle  z.  B.  das  gestaltgebende  und  stützende 
Gewebe  nicht  wenig  verschieden  sein  nmss  von  dem  Gewebe,  welches 
z.B.  bei  einer  Schildkröte  oder  bei  einem  Krebs  den  starren  Panzer  bildet! 
Auch  dringt  sich  uns  dieser  Gedaidcen  nicht  bloss  auf  bei  der  Durch- 
musterung ganzer  Thierreihen,  sondern  ebenso  lebhaft,  wenn  wir  in 
die  Organisation  eines  einzelnen  höheren,  z.  B.  Wirbelthieres  blicken. 
Nehmen  wir  der  Veranschaulichung  halber  zwei  Extreme!  Ein  Kno- 
chen und    der   Glaskörper    im   Auge    werden  beide    zu    den  Geweben 


Gallertgewebe. 


23 


der  Bindesubstcanz  gestellt,  die  Funktion  beider  ist  aucli,  abgesehen 
von  Nebenbeziehungen ,  das  Stützen ,  der  eine  als  Tragbalken  eines 
Körpergliedes  dienend,  der  andere  als  Mittel,  die  Form  des  Augapfels 
durch  Ausspannen  der  Augenhäute  zu  wahren.  Und  welch  grosser 
Unterschied  ist  dabei  zwischen  dem  festen,  harten  Knochen  und  dem 
wässrigen,  leicht  zerfliessenden  Glaskörper! 

Das  Vorbemerkte  kann  genügen,  um  die  Ueberzeugung  zu  schöpfen, 
dass  die  Gewebe  der  Bindesubstanz  in  ihren  jihysikalischen  Eigen- 
schaften alle  Grade  der  Cohäsion  repräsentiren  müssen,  und  dass  sie 
eine  förmliche  Stufenleiter  vom  Halbllüssigen  bis  zum  ganz  Festen 
und  Starren  zu  durchlaufen  haben. 

§.  20. 

Den  morphologischen  Charakter  oder  die  wesentlichen  Merk- 
male des  in  E-ede  stehenden  Gewebes  kann  man  so  ausdrücken :  in  der 
Mehrzahl  ihrer  Formen  besteht  die  Bindesubstanz  aus  Zellen  und  ho- 
mogener Zwischenmaterie. wobei  das  Mengenverhältniss,  in  dem  das 
eine  Constituens  zum  andern  tritt,  in  der  Art  wechselt,  dass  entweder  beide 
in  gleichem  Maasse  sich  an  der  Zusammensetzung  betheiligen  oder  dass 
sich  ein  Uebergewächt  auf  die  eine  oder  die  andere  Seite  neigt,  bald 
denmach  die  Zellen  vorherrschen  und  die  Zwischensubstanz  zurückge- 
drängt wird,  ja  sogar  auf  ein  Minimum  reducirt  sein  kann,  oder  lun- 
gekehrt,  die  Zwischensubstanz  waltet  vor  oder  ist  so  massenhaft  ge- 
worden, dass  die  Zellen  nur  noch  in  Resten  zugegen  sind,  auch  wohl 
gänzlich  verdrängt  werden  können. 

Mancherlei  Wechsel  oftenbart  sich  auch  in  der  Form  und  dem 
Inhalt  der  Zellen  sowie  in  der  ßeschafienheit  des  IntercellularstofFes. 
Die  Zellen  können  rund  sein  und  von  da  durch  zahlreiche  Ueber- 
gänge  zu  strahligen  Gebilden  werden ,  die  selbst  wieder  netzartig 
unter  einander  in  Verbindung  treten,  ein  andermal  wachsen  sie  zu 
langen,  feinen,  verästelten  Kanälen  aus  (Zahnkanälchen  z.  B.)  Der  Zel- 
leninhalt erscheint  bald  von  mehr  indiö'erenter  Natur,  oder  er  zeigt  sich 
als  Fett,  Pigment,  Kalk,  Luft^  zum  Theil,  wie  mir  dünkt,  selbst  als  con- 
tractile  Materie.  Der  Intercellularstoff  ändert  sich  ab  von  halbtlüssiger 
Substanz  zu  Gallerte,  Schleim,  Leim,  Cellulose,  er  kann  chitinisiren, 
er  kann  verkalken. 

Je  nachdem  Zellen  und  Zwischensubstanz  in  angedeuteter  W^eise 
gewisse  Eigenschaften  einhalten,  sondert  man  die  Bindesubstanz  in 
folgende  Arten. 

§.  21. 

1.     Das  Gallertgewebe. 

Solches  ist  in  den  Embryonen  der  Wirbelthiere  (subcutanes  Ge- 
webe, Whartoniscbe  Sülze  etc.)  stark  verbreitet,  doch  auch  im  fertigen 
Körper  kommt  es  vor.  Ich  zähle  hieher  nicht  bloss  den  Glaskörper 
aller  Wirbelthiere,  sondern   auch  z.  B.    die    weiche  Substanz ,    welche 


Allgemeine 

K(^nnzeiolien 

der  IJinde- 

substanz. 


Gallert- 
gewebe. 


24 


Von  den  Geweben. 


bei  Vög'cln  den  Sinus  rlionihoidaUs  des  Rückenmarkes  ausfüllt;  in  be- 
deutenderer Anhäufung  treffen  wir  das  Gallertgewebe  bei  vielen  Fi- 
schen unter  der  äusseren  Haut  an  und  in  den  wirklichen  und  pseudo- 
electrischen  Organen,  sowie  in  der  Umgebung  der  sogenannten 
Schleimkanäle. 

Manche  Autoren  {Virchoio)  nennen  diese  Form  der  Bindesubstanz 
Schleimgewebe. 

Die  Zellen  bilden  gewöhnlich  hier  durch  strahliges  Auswachsen 
und  Anastomosiren  ein  Fachwerk,  in  dessen  Maschen  ein  sulziger 
Stoff  liegt,    der  beim  Kochen  nicht  Leim  giebt ,    sondern  Eiweis  und 

Fig.  9. 


-a 


G-allertiges  Bindegewebe, 
a  das  Zellengerüst,    b  die  sulzige  Masse  dazwischen.     (Starke  Vergr.) 

einen  dem  Sehleimstoff  ähnlichen  Körper  enthält.  Der  Kern  der 
Zellen  markirt  sich  häufig  noch  in  den  Knotenpunkten  des  Gerüstes, 
in  andern  Fällen,  wie  z.  B.  im  ausgebildeten  Glaskörper,  sind  nicht 
einmal  mehr  Zellenrudimente  nachzuweisen,  da  die  homogene  Zwi- 
schenmaterie allein  übrig  geblieben  ist. 

Bei  vielen  Wirbellosen  spielt  besagtes  Gewebe  eine  grössere 
Rolle,  namentlich  bei  den  Quallen  und  Mollusken  (zahlreichen  Ga- 
steropoden,  Heteropoden  ,  Cephalopoden,  Tunikaten)  auch  bei  Krebsen 
an  gewissen  Körperstellen  wird  es  gefunden.  Die  Zcllcnnetze  sind 
anfangs  dichter  und,  wie  Gegenhaur  an  jungen  Rippenquallen  sah,  es 
erscheinen  die  Zellenausläufcr  als  deutliche  Röhrchen:  später  mit  dem 
Wachsthum  des  Thieres  und  der  Zunahme  der  hyalinen  Zwischensub- 
stanz werden  sie  zu  solid  aussehenden  Fasern.  Die  Intercellularmassc 
giebt  nach  Schnitze  weder  Leim  noch  enthält  sie  Schleim.  Sehr 
isolirt  steht  bis  jezt  die  Thatsache,  dass  sie  bei  den  Tunikaten  cellu- 
losehaltig  ist  {Schacht,  Müll.  Arch.  1851). 

§  22. 

Von  Interesse  und  wie  mir  dünkt  auch  wichtig  fiu-  die  Entstehung 
der  elastischen  Fasern  sind  die  Mittheilungen,  welche  Virchoio  (Arch. 
I".  path.  Anat.  1855  S.  558)  und  Schnitze  (Müll.  Arch.  1856)  über 
Fasern  In  der  Gallertsubstanz  der  ^ledusen  gegeben  haben.  Sie 
stehen  mit  den  Ausläufern  der  Zellen  nirgends  in  Veibindung,  sondern 


Bindegewebe.  25 


■  ö 


bilden  ein  ganz  selbständiges  Fasersystem,  sie  sind  verschieden  breit, 
homogen,  glashell,  verlaufen  gestreckt  in  allen  Richtungen,  theilen  sich 
häufig  und  verbinden  sich  untereinander  unter  alle  möglichen  Winkeln, 
oft  verschmelzen  mehrere  Fasern  zu  breiteren  Platten.  Sie  verleihen 
der  Gallertmasse  Festigkeit  und  Elasticität. 

Icli  kann  nicht  umbin,  hier  anzumerken,  dass  vielleicbt  in  den  lokalen  Be- 
ziehungen des  Gallertstoffes  zu  den  Zellen  nicht  bei  allen  Wirbellosen  Alles  mit 
dem  oben  aufgestellten  Schema  stimmt.  Frühere  Ai^fzeichnungen  von  mir  über  das 
gallertige  Bindegewebe  von  Thetys,  von  der  Haut  der  Cephalopodeu  ,  auch  vom 
Fettkörper  einiger  Insekten  (z.  B.  von  Larven  der  Äeshna,  wo  mir  die  Gallerte  so- 
gar in  eigenen  Bläschen  der  Zellen  enthalten  zu  sein  bedünkte)  lassen  vermuthen, 
als  ob  die  Gallerte  hier  Zelleninhalt  und  laicht  Intercellularsubstanz  wäre,  das  Ge- 
webe nimmt  sich  aus,  wie  wenn  es  von  verschieden  grossen,  mit  hyaliner  weicher 
Masse  gefüllten  Blasen  zusammengesetzt  wäre.  Doch  sind  erneute  Untersuchungen 
abzuwarten,  um  zu  sehen,  was  daran  Wahres  ist. 

§  23. 

2.     Das  gewöhnliche  Bindegewebe. 

Es  wird,  obschon  nicht  recht  passend,  das  fibrilläre  Bindegewebe ^!°''!',?.''™''f^ 
'  L  ■  o  dei-  Wirbel- 

genannt,  früher  hiess  es  zumeist  Zellgewebe  und  tritt  uns  im  Körper     ti>'eie. 

der  Wirbelthiere  bald  in  festerer  Gestalt  entgegen,  z.  B.  in  den  Sehnen, 
Bändern,  als  Grundlage  von  mancherlei  Häuten,  oder  wir  sehen  es 
von  mehr  weicher,  lockerer  Art  und  dann  fungirt  es  als  interstitielles 
Bindegewebe. 

§  24. 
Die  Grund-  oder  Intercellularsubstanz  finden  wir  beim  gewöhn- 
lichen Bindegewebe  als  eine  festere  oder  auch  nachgiebige  Materie, 
die  leimhaltig  ist  und  sehr  allgemein  eine  Schichtung  aus  zarten 
Lamellen  aufweist,  wodurch  sie  eine  streifige  Zeichnung  erhält,  die 
früher  gemeinhin  auf  eine  Zusammensetzung  aus  Fäserchen  bezogen 
wurde,  woher  auch  die  Benennung  „fibrilläres  Bindegewebe"  stammt. 

Fig.  10. 


J M 

iMÜMMII'li! 

Festes  Bindegewebe, 
a   die  Bindegewebskörper,    b   die  streifige  Grundsubstanz.     (Starke  Vergr.) 

Die  zelligen  Elemente,  Bindesubstanzzellen  (Bindegewebskörper- 
chen  Virchow)  bleiben  entweder  mehr  rundlich  oder  sie  sind  strahlig  aus- 


•26 


Von    den  Geweben. 


Fettgewebe. 

Pigmcnt- 
zellen. 


gewachsen;  vei-zweigt  und  hängen  untereinander  zusammen.  Durch 
die  Art  und  Weise,  wie  die  verzweigten  Bindegewebskörper  die  ho- 
mogene, geschichtete  Grundsubstanz  durchsetzen,  grenzen  sie  letztere 
zu  cjlindrischen ,  bänderartigen  Strängen,  den  sog.  Biudegewebs- 
bündeln  ab. 

§  25. 

Der  Inhalt  der  Bindegewebskörper  kann  sehr  variiren ,  die  Zelle, 
rundlich  geblieben,  füllt  sich  mit  Fett  und  man  wendet  jezt  für  diese 
Form  der  Bindesubstanz  den  Ausdruck  Fettgewebe  an,  ein  andermal 
führen  die  Zellen  des  Bindegewebes  körniges  Pigment  und  werden- 
dann  in  den  histologischen  Schriften  unter  dem  Namen  „verzweigte 
oder  sternförmige  Pigmentzellen  "  aufgeführt.  Oben,  als  von  den 
Zellen  der  Bindesubstanz  ganz  im  Generellen  die  Rede  war,  habe  ich  unter 

Fig.  11. 


Bindegewebe,   dessen  Körperchen   zu  „Fettzellen''    und  „l'igment- 

z eilen"    geworden    sind, 
a  die  fetthaltigen  Bindegewebskörper,    b  die  pigmenterfüllteu,   c  die  Inter- 

cellularmasse. 

dem  möglichen  Inhalte  der  Zellen  auch  die  contractile  Substanz  auf- 
geführt, wobei  ich  eben  die  verästelten  Pigmentfiguren  in  der  Le- 
derhaut der  Amphibien  im  Sinne  hatte,  denn  es  scheint  mir,  dass  es 
jener,  die  Pigmentkörnchen  zusammenhaltende  hyaline  Inhalte  der 
Zellen  wäre,  welcher  die  Contractionserscheinungen  bewirkt.  —  Be- 
züglich der  Art,  wie  die  Zellen  mit  Fett  gefüllt  sind,  fällt  mir  auf, 
dass  bei  manchen  Fischen  (Stör  z.  B.)  und  Vögeln  (z.  B.  bei  der 
Taube  unter  der  Zunge)  die  Fettzellen  ein  maulbeerförmiges  Aus- 
sehen haben,  indem  nur  einzelne  dichtgedrängte  Fettklümpchen  in 
der  Zelle  liegen ,  die  so  selbständiger  Natur  sind ,  dass  selbst  ein 
starker  Druck  nicht  vermag,  sie  aus  dieser  Form  zu  verdrängen  und 
etwa  zum  Zusammenfliessen  zu  bringen.  —  Die  Farbe  des  Fettes 
wechselt,  ausser  weissem  Fett  sieht  man  gelbes,  rothes,  blaues,  nament- 
lich bei  Wirbellosen.  —  Die  Fettzellen  beim  Menschen  und  den 
Sängern  zeigen  nach  dem  Tode,  beim  Erkalten  häufig  Fett-  (Mar- 
garin)  Krystalle,  sternförmig  gruppirt,  oder  auch  wohl  die  Zelle 
grosscntheils  erfüllend.  Die  unten  erwähnte  Beobachtung  am  Fett- 
körper des  Coccus  spricht  dafür,  dass  auch  bei  Wirbellosen  Aehn- 
lichcs  vorkomme. 


Elastisches  Gewebe. 


27 


§.  26. 

Ganz  besonders  mnss  hervorg-ekclirt  werden,  duss  die  verzweig- 
ten Zellen  der  Bindesubstanz  sich  unmittelbar  zu  den  Capil- 
laren  der  Blut-  und  Lymphgefässe  fortzubilden  vermög-eU; 
und  es  kann  im  concreten  Fall  (wozu  die  Folge  Beispiele  geben  wird) 
lediglich  von  der  individuellen  Betrachtungsweise  abhängen,  ob  man 
die  verzweigten  und  anastomosirenden  Holilgange  in  der  Biudesub- 
stanz  Capillargel'ässe  oder  netzförmig  zusammenhängende  Bindege- 
webskörper  nennen  will. 

§.  27. 

Ein  allgemeiner  wichtiger  Charakter  des  gewöhnlichen  Bindege- 
webes, der  recht  gewürdigt  zum  Ausgleichen  einiger  Streitfragen 
dienen  könnte,  äussert  sich  darin,  dass  die  Intereellularmasse  eine 
eigenthümliche  Härtung  und  Verdichtung  erfährt  entweder  bloss  an 
den  Grenzschichten  oder  auch  wohl  in  Streifen  mitten  durch  das 
Ganze.  Auf  solche  Art  umgewandelte  Grundsubstanz  des  Bindege- 
webes trägt  den  Namen  elastisches  Gewebe,  da  es  sich  durch  grosse 
Elastizität  auszeichnet.  Bezieht  sich  die  Härtung  bloss  auf  die  Grenz- 
lagen, so  entstehen  dadurch  die  sog.  MemJiranae  propriae,  die  Glas- 
häute  der  Autoren,  die  Basement  meruhrdm;  (.■ugliselier  Histologen. 
Durch  diesen  Vorgang  der  Härtung  und  Verdichtung  gewinnt  das 
Corium  der  äusseren  Haut,  der  serösen  und  Schleimhäute  einen 
hellen  Grenzsaum  oder  Rinde,  und  in  den  Drüseneiustülpungen  wird 
die  Schicht  zu  den  Memhranae  projjriae.  Verdichtet  sich  hinge- 
gen die  Grundsubstanz  in  netzförmigen  Zügen,  so  entstehen,  wie 
ich  mit  Henle  und  Reichert  behaupten  muss,  die  elastischen  Fasern 
und  Platten.  Aber  auch  von  den  sog.  Spiralfasern  lässt  sich  nach- 
weisen, dass  sie  (obschon  Kunstprodukte)  aus  den  elastisch  verdick- 
ten Grenzsäumen  der  sog.  Bindegewebsbündel  hervorgehen.  —  In 
gedachter  Art  metamorphosirte  Grundsubstanz  des  Bindegewebes  ist 
sehr  resistent,  bricht  das  Licht  stark  und  beim  Kochen  verwandelt 
sie  sich  nicht  in  Leim,    wie    der  übrige  Intercellularstoff.     Von  dem 

Fig.  12. 


Elastisches 
Oewebe. 


Bindegewebe,    dessen  G r  u n  d s it b s t a n z  sich  zum  T li  e i  1  in  elastische 

Fasern  verdichtet  hat. 
a  die  Bindegewebsköviier,  b  die  Grundsubstanz,  c  die  elastischen  Fasern.  (Starke  Vergr.) 


Bindegewebe 
der  Wirbel- 
losen. 


28  ^'^on   den  Geweben. 

Grade  der  Härtung;  welchem  die  Grnndsiibstanz  unterliegt,  hängt 
wahrscheinlich  auch  ab,  ob  die  Conturen  des  elastischen  Gewebes 
dunkler  oder  heller  sind.  Die  Tunicae  propriae  der  Drüsen  z.  B.  sind 
nicht  so  stark  schattirt,  als  z.  ß.  die  elastischen  Fasern  der  Säuger, 
wobei  ich  anfügen  will,  dass  bei  niedren  Wirbelthieren  (den Fischen 
und  Reptilien)  das  elastische  Gewebe  mir  immer  blasser  zu  sein 
scheint  als  bei  den  bohren.  Die  oben  beim  Schleimgewebe  erwähn- 
ten Fasern  der  Intercellularsubstanz ,  welche  in  der  Gallertscheibe 
der  Medusen  nach  Virchoiv  und  Schnitze  sich  finden  und  nicht 
mit  den  Zellen  zusammenhängen,  halte  ich  nach  Genese,  Form  und 
Funktion  für  analog  dem  elastischen  Gewebe  der  Wirbelthiere.  Mit 
dem  elastischen  Gewebe  verwandt  nehme  ich  auch  die  Fasern  der 
Zonula  Zinnii,  des  Ligamentum  ciliare  bei  Fischen,  die  Fasern,  welche 
in  den  Pacinischen  Körpern  der  Vögel  den  Nervenkolben  umspinnen. 

§.  28. 
Das  Bindegewebe  der  Wirbellosen  verhält  sich,  obschon  seltner, 
in  seinen  morphologischen  Merkmalen  wie  das  der  Wirbelthiere.  An 
gewissen  Körpergegenden  der  Hirudineen,  bei  Cephalopoden,  bei 
Echinodermen  (Bänder  des  Kaugerüstes,  Gekröse  des  Darmes. von 
Ecliinus)  hat  die  Intercellularsubstanz  die  gleiche  lockige  oder  wellige 
Streifung,  meist  nur  etwas  steifer  gehalten,  und  Aetzkali  bringt  Binde- 

Fig.  13. 
AM 


Bindegewebe  von  Echinns  esculentns. 

A  im  frischen  Znstande,   B  dasselbe  nach  Behandlung  mit  Essigsäure: 
a  die  homogene  Grundsubstanz,  b  die  Bindcgcwcbskörper.     (Starke  Vcrgr.) 

gewcbskörper  zum  Vorschein.  Häufiger  allerdings  bilden  bei  Wir- 
bellosen rundliche,  entwickelte  Zellen  des  Ilauptconstituens  des  Binde- 
gewebes und  die  homogene  Zwischensubstanz  tritt  in  den  Hinter- 
grund (z.B.  in  der  Lederhaut  der  Pteropoden,  vieler  Gasteropoden, 
Arthropoden.)  Die  Zellen  des  Bindegewebes  können  sich  mit  Fett 
oder  fettähnlichen  Stoffen  füllen,  was  z.  B.  in  grosser  Ausdehnung 
am  sog.  Fettkörper  der  Insekten,  in  der  sog.  Leber  der  Hiru- 
dineen geschieht,  in  andren  Fällen  erzeugt  sich  Kalk  in  diesen  Zellen 
(bei  Paludina  vivipara  z.  B.),  sehr  häufig  Pigment,  auch  die  leuchtende 
Materie  bei  Lampyris  liegt  in  den  Zellen  des  Fettkörpers. 


Chitiugewebe.  29 

§.  29. 
Auch  das  Bindegewebe  der  Evertebraten  kann  sich  in  eigen-  chuinisntes 
thümlicher  Weise  erhärten,  was  man  kurzweg  mit  dem  Ausdruck 
bezeichnen  mag,  es  clnünisirt  (von  /^rwV  Panzer,  weil  man  zuerst 
an  den  Hautbedeckungen  der  Käfer  und  Krebse  auf  diese  Här- 
tungsprodukte aufmerksam  wurde).  Die  Aelinlichkeit  im  histologi- 
schen Verhalten  zwischen  dem  „Chitingewebe"  der  Arthropoden  und 
dem  Bindegewebe  der  Wirbelthiere  springt  so  recht  in  die  Augen, 
wenn  man  vergleich ungsweise  einen  senkrechten  und  mit  Kalilauge 
behandelten  Hautschnitt  etwa  eines  Frosches  und  einen  in  Kali 
gelegenen  senkrechten  Schnitt  der  Flügeldecke  eines  grösseren  Kä- 
fers neben  einander  betrachtet:  hier  wie  dort  hat  man  sehr  regel- 
mässig geschichtete  homogene  Massen,  die  durchsetzt  sind  von  Hohl- 
räumen, und  die  Lückeu  der  in  Kalilauge  macerirten  Chitinhaut  zei- 
gen mitunter  in  der  Art  ihrer  Begrenzung  eine  lebhafte  Ueberein- 
stimmung  mit  den  Bindegewebskörpern  der  Wirbelthiere.  Durch 
ihre  zarten  verästelten  Ausläufer  wird  die  homogene  Grundsubstanz 
ebenso  in  cylindrische  Massen  abgesetzt,  wie  im  Bindegewebe  der 
Wirbelthiere  die  sog.  Bindegewebsbündel  auf  gleiche  Weise  entste- 
hen. In  andren  Fällen  haben  die  Lücken  der  Chitinhaut  ganz  das 
Aussehen  von  Zahnröhrcheu,  die,  wie  angegeben  auch  nichts  anders 
als  in  bestimmter  Richtung  ausgewachsene  Bindegewebskörper  vor- 
stellen. Früher  wusste  mau  nur  von  dem  Chitin  der  Arthropoden, 
gegenwärtig  aber  hat  man  es  durch  alle  Klassen  der  Wirbellosen 
bis  zu  den  Infusorien  herab  wenigstens  in  Andeutungen  gefunden. 
Die  Chitinfrage  erwartet  noch  von  Seite  der  Chemiker  mancherlei 
Autklärungen,  denn  das  Verhalten  zu  Aetzkali  und  den  concentrir- 
ten  Miueralsäuren  ist  bei  den  Chitinsubstanzen  der  verschiedenen 
Wirbellosen  ein  wechselndes;  sie  legen  zwar  im  Allgemeinen  eine 
grosse  AYiderstandsfähigkcit  gegen  Kalilauge  an  den  Tag,  aber 
es  giebt  doch  mancherlei,  ich  möchte  sagen,  jüngere  Zustände,  wobei 
sie  selbst  in  kalter  Kalilauge  nicht  unversehrt  bleiben.  Bei  der  ge- 
genwärtig noch  herrschenden  Unsicherheit  über  die  chemische  Na- 
tur des  Chitin's  mag  daran  erinnert  sein,  dass  G.  Schmidt  (z.  vergl. 
Phys.  wirb.  Thiere  184.5)  beweist,  die  Chitinsubstanz  werde  haupt- 
sächlich auf  Kosten  verzehrten  Pflanzengewebes  gewonnen,  sowie 
dass  Fremy  das  Chitin  mit  der  Cellulose  auf  eine  Linie  gestellt  hat. 
Uebrigens  kann  nicht  bloss  Bindegewebe  chitinisiren,  sondern  auch 
Muskeln,  wovon  ich  Beispiele  anführen  werde,  und  sehr  häufig  andre 
Zellenausscheidungen.  Mich  führen  meine  histologischen  Untersuchun- 
gen zu  der  Annahme,  dass  das  chitinisirte  Bindegewebe  der  Wir- 
bellosen, insbesondere  der  Arthropoden  mit  dem  elastischen  Gewebe 
der  Wirbelthiere  parallelisirt  werden  muss,  es  scheint  mir  wenig- 
stens die  Verwandtschaft  zwischen  beiden  eine  unverkennbare.  Ich 
empfehle  in  dieser  Hinsicht  z.  B.  die  aus  „elastischem  Gewebe"  be-   • 


30  Von   den  Geweben. 

stehenden  kleinen  Sehnen  vom  Haiitmuskehietz  der  Vöa-el  mit  dem 
Aussehen  der  chitiuisirten  Sehnen  der  i\.rthropoden  zu  vergleichen 
und  man  wird  die  vollständige  Uebereinstimmung  beider  in  .dem  mor- 
phologischen und  chemischen  Verhalten  nicht  in  Abrede  stellen  kön- 
nen. Ein  andres  Beispiel  von  „chitinisirter"  Bindesubstanz  bei  Wir- 
belthieren  sind' die  „Horufäden",  welche  die  Flossen  in  der  Haut 
der  Selachier  und  andrer  Fische  steif  erhalten ! 

Seit  längerer  Zeit  sjiinnt  sich  ein  unerquicklicher  Streit  durch  die  histologischen 
Schriften  darüber  fort,  ob  die  Streifung  in  der  Grundsubstanz  des  gewöhnlichen 
Bindegewebes  von  präformirten  Fibrillen  oder  nur  von  feinen  Faltenzügen  oder 
Schichten  herrühre.  Die  letztere  Ansicht,  welche  durch  Bei  eher  t  eingeführt  wurde, 
kommt  gegenwärtig  immer  mehr  und  mit  Recht  in  Aufnahme.  Der  Einwurf,  dass 
an  Querschnitten  getrockneter  Sehnen  die  sichtbaren  Pünktchen  gar  nicht  weiter 
zu  bezweifelnde  Beweise  für  die  jn-äformirten  Fibrillen  abgeben,  ist  von  keinem 
Belang.  Reichert  hat  schon  daran  erinnert,  dass  wenn  die  Lamellen  so  fein  und 
die  Fältchen  so  klein  sind,  dass  sie  sich  bei  der  Flächenansicht  und  der  stärksten 
Vergrösserung  nur  als  dunkle  Streifen  markiren ,  so  dürfe  man  nicht  verlangen, 
dass  die  Fältchen  der  Lamellen  auf  Querschnitten  als  Kurven  hervortreten;  sie 
können  sich  eben  nur  als  punktförmige  Schatten  zu.  erkennen  geben. 

Die  oben  angeführte  Darstellung  bezüglich  der  Bindegewebskörper  erscheint 
vielleicht  Manchem  etwas  zu  dogmatisch  gehalten  und  obschon  ich  sie  vertreten  zu 
können  glaube,  so  sei  doch  nicht  verhehlt ,  dass  andere  Forscher  die  Sache  anders 
ansehen.  Henle  erklärt  die  „Bindegewebskörper''  für  eine  „sehr  gemischte  Gesell- 
schaft", in  welcher  sowohl  verzweigte  Spalten  im  Bindegewebe,  als  auch  Zellen, 
in  solchen  Lücken  eingeschlossen,  unterlaufen.  Ihm  schliesst  sich  Bruch  an.  Wenn 
ich  nun  auch  gerne  zugebe,  dass  die  der  Zellen  ermangelnden  verzweigten  Räume 
(„Spältchen")  vielleicht  eben  so  häufig  sind,  als  jene,  welche  Zellen  einschliessen, 
so  scheint  mir  das  dem  obigen  Schema  keinen  Eintrag  zu  thun,  denn  mir  däucht 
eben,  dass  um  die  Zellen  des  Bindegewebes  die  Tntercellularsubstanz  sich  in  ähn- 
licher Art  verdichtet,  wie  die  gleiche  Materie  um  die  Knorpelzellen  herum  die 
„Knorpelkapseln"  bildet.  Schwindet  im  Verlaufe  die  ursprüngliche  Zelle,  so  wird 
das  „Bindegewebskörperchen"  allerdings  bloss  von  den  verdichteten  Conturen  der 
Intercellularsubstanz  umrissen,  aber  man  kann  doch  kaum  desswegen  letztere  für 
wesentlich  verschieden  halten  von  jenen,  die  ursprüngliche  Zelle  noch  aufweisenden  ! 

Dass  die  Fetizellen  nicht  für  eine  besondere  Bildung  gelten  dürfen ,  sondern 
lediglich  auf  die  Bedeutung  von  fetthaltigen  Bindegewebskörpern  zurflckzuführen 
sind,  wird  klar  durcli  die  Betraclitung  solcher  Stellen,  wo  Knorpelzellen  in  Zellen 
des  Bindegewebes  übergehen  und  sich  allmählig  mit  Fett  füllen.  Sehr  günstig  der 
aufgestellten  Ansicht  sind  auch  die  Mittheilungen  und  Abbildungen,  welche  KöUiker 
in  s.  gross,  mikrosk.  Anat.  S.  19  u.  20  über  die  Veränderung,  welche  die  Fett- 
zellen  bei  Ilautwassersucht  erfahren,  gibt,  ohne  dass  freilich  dieser  Autor  sie  in  dem 
gemeinten  Sinne  deutet.  Aber  es  ist  unverkennbar,  dass  die  fettarmen  oder  fett- 
losen spindelförmigen  oder  sternartig  ausgezogenen  Zellen  (cf.  a.  a.  O.  Fig.  9)  echte 
Bindegewebskörper  sind,  die  nach  dem  Schwund  des  Fettes  ihre  ursprüngliche  Ge- 
stalt wieder  angenommen  haben. 

Aiicli  die  Auffassung  der  „verziveigten  Pigmentzellen^^  als  pigmcntlialtige  strah- 
lige Bindegewebskörper  ist  leicht  zu  rechtfertigen,  z.  B.  durch  die  Betrachtung  des 
gefärbten  Ilornhautrandes  vom  Einde  oder  der  Lederhaut  der  Fische  und  Reptilien. 

Was  die  sog.  S^nralfasern  betrifft,  Avelche  der  gang  und  gäben  Beschreibung 
nach  unter  der  Form  feiner,  elastischer  Fasern  die  Bindegewebsbündel  umspinnen 
sollen,    so  müssen    dieselben    künftighin    für    Kunstprodukte   erklärt   werden.      Sie 


Die   Spii'alfaseni. 


31 


existiren  durchaus  nicht  als  eigentliche  Fasern,  sondern  sie  sind  Theile  der  elastisch- 
verdichteten Rindenschicht  der  sog.  Bindegewebshüiidel.  Lässt  man  nämlich  letztere 
durch  Essigsäure  aufquellen ,  so  reisst  die  hautartige  Rindenschicht  stellenweise  ein, 
zieht  sich  zusammen  und  stellt  jetzt    die   reifähnlichen    (spiraligen)  Fasern   um    die 

Fiff.   14. 


Veranschaulicht  die  Entstehung  der  sog.   Spiralfasern. 
A   frisches  Bindegewebe:     a  die  Bindegewebskörper,    b   die  Grundsubstanz,  welche 

durch  erstere  in  Bündel  abgesetzt  wird. 
B    ein  mit  Essigsäure    behandelter  Bündel,    die  Grenzhaut    des    Bündels    ist    einge- 

gerissen  und  hat  sich  auf  einzelne  Reife  zurückgezogen.  (Starke  Vergr.) 

Bindegewebsbündel  vor.  Eine  ganz  entsprechende  Beobachtung  hat  schon  vor  meh- 
ren Jahren  Luschha  am  Bindegewebe  des  Omentum  majus  gemacht  und  auch  Rei- 
chert hatte  bereits  damals  die  Spiralfasern  den  Täuschungen  überwiesen.  Nimmt 
man  (mit  Henle)  die  Bindegewebskörper  für  spaltförmige  Lücken  zwischen  den 
Bindegewebsbündeln  (in  denen  zwar  nach  dem  Zugestäudniss  desselben  Autors  noch 
Zellen  eingeschlossen  sein  können),  so  müssen  die  Membranen,  welche  zu  „Spiral- 
fasern" zerreissen,  lediglich  als  die  elastisch-verdichteten  Grenzschichten  der  homo- 
genen Bindegewebsbündel  gelten,  sieht  man  hingegen  die  Bindegewebskörper  als 
sternförmige  und  mit  den  Ausläufern  anastomosirende  Zellen  im  Bindegewebe  an, 
welche  die  Intercellularmasse  zu  cylindrischen ,  bänderartigen  Strängen  absondern, 
so  kann  man  der  elastischen  Haut,  welche  zu  „Spiralfasern"  zu  zerklüften  vermag,  die 
Bedeutung  einer  festgewordenen  Zellenmembran  beilegen.  Mit  der  von  mir  oben 
ausgesprochenen  Vermuthung,  dass  ähnlich  wie  am  Knorpel  die  Zwischensubstanz 
um  die  zelligen  Theile  herum  zu  den  „Knorpelkapseln"  verdichtet,  so  auch  hier 
am  Bindegewebe  derselbe  Hergang  zu  statuiren  wäre,  Hessen  sich  wohl  die  bei- 
derlei Ansichten  mit  einander  verschmelzen. 

An  manchen  Orten  des  menschlichen  und  thierischen  Körpers  haben  sich  die 
Bindegewebskörper  so  vergrössert,  dass  sie  die  Grundsubstanz  dazwischen  an  Aus- 
dehnung überwiegen,  was  ganz  besonders  der  Fall  ist  an  der  Ärachnoidea  des  Ge- 
hirns und  Rückenmarkes,  auch  im  Bindegewebe  des  Kniegelenkes  u.  a.  O.,  und  im 
Zusammenhang  damit  werden  auch  gerade  solche  Stellen  gewöhnlich  empfohlen, 
wenn  es  darum  zu  thun  ist,  die  „Spiralfasern"  mit  Sicherheit  zu  deniQnstriren. 
Auf  das  eben  Bemerkte  werden  unten  noch  einige  spezielle  Anwendungen,  nament- 
lich vom  Gesichtspunkte  der  capillaren  Lymphräume  aus  gemacht  werden,  wess- 
halb  es  nothwendig  sein  dürfte ,  hier  nochmals  hervorzuheben  ,  dass  ich  die 
grossen  Räume  z.  B.  in  der  Ärachnoidea  nach  Genese  und  Bedeutung  ganz  gleich 
setze  mit  den  Bindegewebskörpern  oder  kleinen  spaltförmigen  Räumen  des  Binde- 
gewebes. 


32 


Von   den  Geweben. 


Zur  weiteren  Begründung  der  soeben  bezüglicli  der  Spiralfasern  aufgestell- 
ten Meinung  dient  auch,  dass  man  die  Muskelprimitivbündel  von  ganz  gleichen 
scheinbaren  Spiralfasern  umsponnen  sehen  kann.  Es  fiel  mir  dies  lebhaft  auf  in 
der  quergestreiften  Mviskulatur  des  Schlundes  von  Torpedo  marmorata,  die  Primi- 
tivbündel sind  schmal  und  das  Sarcolemma,  sich  in  engen  Touren  einschnürend, 
erzeugt  dasselbe  Bild  der  Spiralfaser  wie  am  Bindegewebe.  Aehnliches  gewahrt 
man  auch  au  den  Remalc'schen  Nerven  und  dem  Nervus  olfactorius  der  Wir- 
belthiere. 

Mitunter  beobachtet  man  auch  eine  e  i  g  e  n  t  h  ü  m  1  i  c  li  e  Q  u  e  r  s t r  e  i  f u  n  g  der  Binde- 
gewebsbündel  nach  Anwendung  von  Essigsäure,  so  dass  sie  an  Muskeln  erinnern.  Und 
diese  Erscheinung  rührt,  wie  ich  mich  an  der  Haut  des  Polypterus  überzeugte,  von 
den  Bindegewbcskörpern  her,  indem  die  queren  Ausläufer  sehr  dicht  sich  folgen; 
Statt  weiterer  Erörterung  verweise  ich  auf  die  beistehende  Figur. 

Fig.   15. 


Knorpol- 
gcwebe. 


Aus    der  Lederhaut   von    Polypterus   bichir. 

a  Bindegewebskörper.  b  die  Grundsubstanz,  welche  durch  die  zahlreichen 
Ausläufer  der  erstercn  eine  Querstreifung  erhält.     (Starke  Vergr.) 

Man  hatte  bisher  das  ,^Ohitingetvehe''^  der  Arthropoden  beim  Horngewebe  oder 
den  Epithelialgebilden  untergebracht,  indem  man  sicli  bei  der  geringen  Kenntniss 
des  Balles  besonders  daran  hielt ,  dass  das  Chitingewebe  häufig  die  äusserste  Be- 
grenzung des  Thierkörpers  ausmache.  Ich  musste  nach  meinen  hierüber  angestellten 
Untersuchungen  es  der  Bindesubstanz  einreihen,  vergl.  Müll.  Arch.  1855  (z.  feineren 
Bau  der  Arthrop.).  Auch  in  der  Schrift  von  Dr.  Morawitz  (Quaedam  ad  anat. 
Blattae  germ.  2)ß'>~iinentia  1853),  scheint  bereits  auf  die  histologische  Verwandt- 
schaft der  beiden  bezeichneten  Substanzen  hingewiesen  zu  sein  (cf.  lieicherfs  Jahres- 
bericht 1854.) 

lieber  das  Chitin  in  chemischer  Beziehung  vergl.  Schlossher ger:  Zur  näheren 
Kenntniss  der  Muschelschalen,  des  Byssus  und  der  Chitinfrage  in  den  Ann.  der 
Chem.  und  Pharm.  XCVIIl.  Bd.   1.  Ilft. 

§.    30. 


3. 


Das  Knorpelg-c\vcbe.  - 

Dies  Gewebe  ist  nicht  blos    sehr  biegsam  und  elastisch,    sondern  ■ 

Cä  besitzt  auch  einen  höheren  Grad  der  Festigkeit  und  Steifigkeit  als  " 

das  vorhergegangene  Gewebe.     Für  das  freie  Auge  nn'lchweiss,  bläu-  » 

lieh  oder   gelblich ,    besteht    es   mikroskopisch    entweder  fast   nur  aus  I 

Zellen  (der  Zellenknorpel  der  Autoren),  oder,  was  häufiger  der  Fall  1 
ist,    aus  Zellen  und  Grundsubstanz,    wobei  wieder   die   ersteren  oder 
die  letztere  überwieü'cn    kann. 


Knorpelgewebe. 


83 


§.   31. 

In  ganz  ähnlicher  Weise,  wie  man  vom  gewöhnlichen  Bindege- 
webe als  eine  Abart  desselben  das  elastische  Gewebe  trennen  kann, 
scheidet  man  auch  das  Knorpelgewebe  in  den  hyalinen  oder  echten, 
und  in  den  gelben  oder  Faserknorpel.  Und  abermals  wie  beim  Binde- 
»■ewebe  licet   die    Differenz    zwischen    beiden    nicht    in   den   Zellen, 

Fig.   16. 


A 


s 


o-'a 


im 


m'i'- 


Hy  alink  110  rpel. 
A  Knorpel,    an  dem  die  Grundsubstanz  vorherrscht, 
B  Knorpel  mit  Vorwalten  der  zelligen  Elemente. 
Ein  Theil  der  Zellen  hat  in  beiden  Stücken  Fetttropfen  zum  Inhalt.  (Starke  Vergr.) 

sondern  in  der  Beschaffenheit  der  Intercellularmaterie.  Letztere  beim 
echten  Knorpel  gleichförmig ,  homogen  und  gekocht  sicli  in  Chon- 
drin  verwandelnd ,  hat  sich  beim  gelben  Knorpel  in  derselben 
Weise  zu  netzförmigen  Zügen  verdichtet,  wodurch  die  Intercellular- 
substanz  des  Bindegewebes  zu  elastischen  Netzen  umgewandelt  wurde. 
Die  Fasern  im  Knorpel  verlaufen  seltner  einander  einigermassen  pa- 
rallel, meist  sind  sie  wie  verfilzt,  haben  auch  wohl  ein  rauhes  oder 
wie  aus  Körnchen  zusammengesetztes  Ansehen.  Die  Grundsubstanz 
des  Faserknorpels  zeigt  grosse  Resistenz  gegen  Kalilauge,  giebt  kein 
Chondrin  etc.,  mit  einem  Worte  verhält  sich  wie  elastisches  Gewebe. 
Die  KnorpelzelJen  variiren  sehr  in  ihrer  Gestalt,  sie  sind  bald 
rundlich ,  länglich ,  spindelförmig  etc. ,  mitunter  sehr  lang  gestreckt, 
auch  verästelt  und  (bei  Fischen)  deutlich  durch  ihre  Ausläufen  zu  ei- 
nem Canalnetz  anastomosirend.     Mag  auch    im  Inneren  der  Knorpel- 

Fig.  17. 

J 

B 


A  Zellenknorpel  aus  der  Chorda  dorsalis  von  Polypterus. 
B  Faser-  oder  Netzknorpel,  die  Intercellularsubstanz  hat  sich  zu  elastischen 

Fasernetzen  verdichtet.     (Starke  Vergr.) 
Leydig,  Histologie.  3 


34  Von  den  Geweben. 

(heile  die  Form  der  Zellen  noch  so  verschieden  sem,  sobald  sie  gegen 
den  freien  Rand  des  Knorpels,  also  zur  Peripherie,  zu  liegen  kom- 
men ,  platten  sie  sich  ab  und  gehen  mit  ihrem  Längendurchmesser 
dem  Rande  parallel.  Auch  der  Inhalt  ist  dem  Wechsel  unterworfen, 
bald  eine  helle  Substanz,  ist  er  ein  andermal  körnig-krümlig,  nicht 
selten  auch  besteht  er  ganz  oder  theilweise  aus  Fett,  was  so  weit 
gehen  kann,  dass  stark  fetthaltiger  Knorpel  dem  aus  Bindegewebe  ge- 
wordenen Fettgewebe  aufs  Haar  ähnlich  sieht.  Betrachtet  man  z.  B. 
die  Kchlkopfknorpel  der  Nager  (Ratte),  so  glaubt  man  nicht  Knorpel 
vor  sich  zu  haben.,  sondern  echtes  Fettgewebe;  erst  genaueres  Zu- 
sehen belehrt,  dass  ein  Knorpel  vorliege,  dessen  Zellen  fast  durch 
keine  Zwischensubstanz  geschieden  und  prall  mit  Fett  erfüllt  sind.  — 
Pigmentkörner  werden  seltner  von  Knorpelzellen  eingeschlossen,  doch 
kenne  ich  auch  davon  ein  Beispiel:  in  der  hyahnknorpeligen  Sclero- 
tica  von  Menopoma  alleghanensis ,  sieht  man  klar  und  deutlich,  dass 
die  meisten  Zellen  in  verschiedener  Menge  braune  Pigmentkörner 
zum  Inhalt  besitzen.  —  Um  die  zelligen  Theile  herum  verdichtet 
sich  auch  im  Ilyalinknorpel  gerne  die  Grundsubstanz  und  wird  dann  als 
Knorpelkapsel  von  den  eingeschlossenen  Knorpelzellen  unterschieden. 

§.  32. 
Bei  den  Wirbellosen  dürfte  echtes  Knorpelgewebe  seltener  vorkom- 
men, wenigstens  ist  es  meines  Wissens  bisher  nur  an  den  Cephalopo- 
den  und  am  Rcspirationsskelet  der  Kiemenwürmer  beobachtet  worden, 
x/  obschon  im    gewöhnlichen  Sprachgebrauch    gar  Manches  Krorpel   ge- 

nannt wird,  wenn  die  Consistenz  des  Gebildes  daran  erinnert.  Uebri- 
gens  möchte  ich  kaum  mit  Jemand  darüber  rechten,  wenn  er  etwa 
den  Mantel  der  Tunikaten  lieber  dem  Knorpelgewebe,  anstatt,  w^ie  es 
oben  geschehen,  dem  gallertigen  Bindegewebe  einreihen  wollte.  Auch 
bei  Wirbelthieren  kommen  Formen  vor,  die  man  nach  dem  Anblick 
mit  freiem  Auge  für  Knorpel  anspricht,  während  die  mikroskopische 
Untersuchung  eher  einer  Einreihung  in  das  feste  Bindegewebe  das 
Wort  reden  dürfte,  dahin  i^ehörcn  z.  B.  die  Knorpelscheiben  im  un- 
teren Lid  de.i  Vögel  und  Saurier,  der  Knorpelrahmen  in  der  Schnecke 
der  Vögel,  zum  Thoil  die  Wand  des  sog.  Seitenkanalsystemes  bei 
Selachicrn  etc.,  es  sind  das  Knorpel,  in  denen  verästelte,  den  Binde- 
gewebskörpern  durchaus  ähnliche  Zellen  liegen,  und  die  von  der 
Grundsubstanz  auch  nicht  in  dem  Grade  abgeschieden  sind,  als  die 
Zellen  im   echten  Knorpel. 

§.  33. 

4.     Das   Knochengewebe. 

Knocbon  Dicsc  Spccics    der   JJindesubstanz    wird    dadurch    i>ekennzeichnet, 

uass    die  Interccllularmatcric    sich    mit    anorganischen    Verbindungen, 

msbesondere    mit    |)hos])h()rsaureni    und    koldensnnrciii   Kalk    gemengt, 

und   d;i(liircli    den    hr.clisfcii    Gi-.-id    (h'i-   Fcstiiikcit    erreicht    hat. 


Knochengewebe. 


35 


Die  lutcrcellular Substanz,  in  seltenen  Fällen  hei  einigen  Fi- 
schen {Belone,  Lepidosiren)  von  grüner  Farbe,  hat  die  gleiche  geschich- 
tete Natur,  wie  das  gewöhnliche  Bindegewebe,  und  die  Lamellen  sind  in 
Folge  des  härteren  und  damit  schärfere  Conturen  gebenden  Ossifika- 
tionsprozesses  noch  klarer  und  markirter  als  bei  jenem.  Die  zelligen 
Elemente  behalten  ihr  Lumen  und  tragen  den  Namen  Knochen- 
körperchen,  ihre  Grösse  ist  verschieden  und  ihr  Kern  bald  bleibend, 

Fig.   18. 

B 


A  Verknöcherung  des  Hyalin  knorpels  vom  Zitterrochen:  <a  Hyalin- 
knorpel  mit  seinen  Zellen ,  b  abgelagerte  Kalksalze ,  durch  welche  die 
Knorpelzellen    in  c  Knochenkörperchen  umgewandelt  werden. 

B  Verknöcherter  Zellenknorpel  aus  dem  Basaltheil  eines  Hantstachels 
von  Raja  clavata.     (Starke  Vergr.) 

bald  geschwunden.  Unrichtigerw^eise  wurden  die  Knochenkörperchen 
längere  Zeit  für  Kalkbehälter  angesehen,  doch  vertrat  schon  1835 
Treviramis  die  gegenwärtig  allgemein  geltende  Meinung,  dass  sie  mit 
Flüssigkeit  gefüllt  wären.  Lidessen  will  es  mir  vorkommen ,  als  ob 
auch  mitunter  in  lufthohlen  Knochen  der  Vögel  bezirkweise  die 
Knochenkörperchen    schon   während    des  Lebens  Luft  enthielten,    ich 

Fig.  19. 
Ä  B 


AVerknöchertesBindegewebe:  a  strahlige  Knochenkörper,  b  die  Grundsubstanz. 

B  Incrust  ation  von  Zellenknorpel  (aus  der  Luftröhre  der  Eingelnatter):  a  die 

Zellen,    b    die  Kalkablagerungen.     (Starke  Vergr.) 

glaube  wenigstens  am  Brustbein  des  Reihers  so  etwas  wahrgenommen 
zu  haben.  —  Die  Knochenkörper  haben  meist  eine  verästelte  Ge- 
stalt, wie  die  Zellen  des  gewöhnlichen  Bindegewebes,  seltner  er- 
mangeln sie  der  Ausläufer  (so  durchweg  bei  den  Selachiern).  Im 
Zahnbeine,  welches  dem  echten  Knochengewebe  zugerechnet  werden 
muss,  erscheinen  die  Zellen  zu  langen,  verästelten  Kanälchen,  (den 
sog.  Zahnkanälchen)  ausgewachsen. 

3* 


36 


Von  den  Geweben. 


§.  34. 
Man  spricht  von  Inrcustation  und  wahrer  Verknöclierung". 
Bei  ersterer  verbleiben  die  sich  absetzenden  Kalktheile  selbständiger  und 
stellen  grössere  Kalkkugeln  oder  Kalkkrümeln  vor,  bei  letzterer  erhal- 
ten sie  sich  in  dieser  Form  nicht,  sondern  verschmelzen  mit  der  Grund- 
substanz morphologisch  zu  einer  Masse.  Doch  ist  hervorzuheben,  dass 
bei  Wirbelthieren  gewölmlich  die  Incrustation  ein  Vorläuferstadium 
der  echten  (3ssifikation  bildet  und  seltner  permanent  bleibt.  —  Bei 
der  Ablagerung  der  Kalksalze  in  die  Grundsubstanz  wandeln  sich  die 
zelligen  Theilc  in  die  Knochenkörper  um,  und  es  erhält  sich  entweder 
die  Form  der  Zelle,  wie  es  bei  der  Verknöcherung  des  gewöhnlichen 
Bindegewebes  statt  hat,  wo  eben  der  verästelte  Bindegewebskörper 
in  den  verästelten  Knochenkörper  übergeht,  oder  auch  bei  den  Se- 
lachiern,  wo  die  runde  Zelle  des  Hyalinknorpels  bei  der  Verkalkung- 
gerade  so  bleibt,  und  ein  rundliches  oder  ovales,  strahlenloses  Knochen- 
körperchen  wird ;  oder  man  beobachtet  bei  der  Ossifikation  des  Hya- 
linknoi-pels  —  und  diese  Erscheinung  ist  sehr  verbreitet,  —  dass  die 
rundlichen,  strahlenlos  gewesenen  Knorpelzellen  während  der  Verkal- 
kung sternförmig  auswachsen  und  so  ebenfalls  zu  verästelten  Knochen- 
körpern werden. 

Fig.  -20. 


Ossificationsstelle  eines  Kiemen knorpels  von  Polypterus  bicliir. :  a  Hya- 

liiikiiorpcl    mit    seinen    Zellen,    b    abgelagerte    Kalksalze    in  und   um  die 

Knorpelzellen.   (Starke  Vergr.) 

Dass  der  Modus  der  Ossifikation  auch  ein  anderer  sein  könne,  der 
von  dem  eben  aufgestellten  Schema  abweicht,  lehren   meine  Beobach- 
tungen   bezüglich    des  üeberganges  des  Hyalinknorpels    in  spoiigiöses      ■ 
Knochengewebe  bei  Polypterus  (Zeitschr.  f.  w.  Z.  1854.  S.  51).     Hier    .1 
imprägniren    die   Kalksalze   zuerst   molekular,    dann  in  Schichten    die     \ 
Knorpclzellen  und  wandeln  ganze  Gruppen  derselben   zu  maulbeerar- 
tigen Kalkmasseu  um  ,    welche  sich  nach  dem  Ausziehen  der  erdigen 
Substanzen  als  Hohlräume  zeigen,  die,  mit  einander  verschmolzen,  ein 
grosses  Lückensystem  erzeugen,    zwischen  dem  sich  vcrhältnissmässig 
nui-  dünne  Ncfzc  des  übrig  gebliebenen  Knorpelgewebes  hinziehen. 


Knochengewebe.  37 

'     §.  35. 

Alle  Species  der  Bindesubstaiiz  können  bei  Wirbelthieren  ossifi- 
ciren ,  und  zwar  verknöchern  die  bindegewebigen  und  knorpeligen 
Skeletanlagen  der  Säuger  zumeist  von  innen  heraus,  während  bei 
Vögeln,  Amphibien  und  Fischen  fast  häufiger  die  Yerknöcherung  den 
Weg  von  aussen  nach  innen  nimmt. 

Nicht  bloss  das  innere  Skelet  kann  verkalken,  sondern  auch 
Theile  der  äusseren  Haut  und  der  Schleimhäute,  sowie  interstitielle 
Bindesubstanz. 

§.  36. 

Ob  bei  wirbellosen  Thieren  knochenharte  Theile  vorkommen, 
deren  Struktur  selbst  im  Feineren  mit  dem  Knochengewebe  der  Wirbel- 
thiere  übereintrifFt,  scheint  zweifelhaft  (vergl.  unten  die  Notiz  über  die 
Haut  von  Sijhaerom.a).  Wenn  gleich  Henle  seinen  Ausspruch,  dass  der 
Bau  der  Seeigelschalen  mit  dem  der  Knochen  höherer  Thiere  überein- 
stimme, kaum  mehr  zu  vertheidigen  Lust  haben  wird,  so  sind  es  doch 
gerade  die  Skeletthcile  der  Echinodermen,  und  noch  mehr  der  ver- 
kalkte Panzer  von  Arthropoden  welche  noch  am  ehesten  dem  Knochen- 
gewebe der  Wirbelthiere  sich  vergleichen  lassen,  denn  beide  stellen 
mit  Kalk  imprägnirtes  Bindegewebe  vor,  welch  letzteres  aus  ho- 
mogenen Lamellen  besteht,  und  in  den  feinen,  den  Panzer  der  Ar- 
thropoden durchsetzenden  Kanälen,  darf  man  die  Analoga  der  Kno- 
chenkörpcrchen  erblicken.  Eine  entferntere  Verwandtschaft  mit  dem 
Knochengewebe  bieten  die  Schalen  der  Weichthiere  dar,  insofern  sie 
meist  lediglich  aus  homogenen  und  mit  Kalk  imprägnirten  Lamellen 
bestehen,  sie  gehören  eher  in  die  Kategorie  der  verkalkten  Sekrete 
oder  Zellenausscheidungen ,  wovon  man  auch  ein  hieher  zählendes 
Beispiel  bei  Wirbelthieren  kennt,  den  Zahnschmelz  nämlich,  der  nach 
seiner  Struktur  sich  unmittelbar  an  die  Muschelschalen  anschliesst. 

§.  37. 

Eine  der  Bindesubstanz  ausschliesslich  inne  wohnende  Eigenschaft 
ist,  dass  sie  überall  als  Trägerin  der  Blut-  und  Lymphgefässe  auf- 
tritt, ja  die  feinsten  Gefässe  oder  Capillaren  können,  wie  mitgetheilt,  nur 
für  entwickelte  Bindegewebskörper  angesehen  werden.  Nirgends  cxi- 
stiren  daher  Capillargefässe,  als  im  Bereiche  der  Bindesubstanz,  womit 
aber  nicht  gesagt  ist,  dass  alle  Arten  dieses  Gewebes  und  allerorts 
gleichmässig  von  Gefässen  durchzogen  werden.  Vielmehr  zeigt  sich 
z.  B.  der  Knorpel  der  höheren  Wirbelthiere  ziemlich  selten  gefäss- 
haltig  (Knorpelrahmen  in  der  Schnecke  der  Vögel  und  Reptilien,  dicke 
Knorpelwand  am  Larynx  hronchialis  der  Ente,  Kehlkopfknorpel  vom 
Ochsen  z.  B.).  während  das  Gegentheil  hievon  bei  Fischen ,  (Sela- 
chiern  ,  Stör  u.  a.)  sich  bemerkbar  macht.  Wo,  wie  bei  vielen  Wir- 
bellosen die  Blutbahnen  weniger  individualisirt  sind  und  ein  Blutlauf 
in  sog.  Lakunen  Statt  findet,  da  geschieht  solches  dennoch  innerhalb 
von  Räumen,  die  von  Bindesubstanz  begrenzt  werden. 


38  ^'^on  den  Gtweben. 

Auf  Grund  der  innigen  Verwandtschaft  hin,  in  welcher  die  Ge- 
webe der  Bindesubstanz  zu  einander  stehen,  vermögen  sie  sowohl  alle 
continuirlich  in  einander  sich  fortzusetzen,  sowie  sie  auch  stellvertre- 
tend für  einander  fungiren  können.  Um  nur  ein  Beispiel  anzuziehen, 
so  erscheint  die  Sclerotica  des  Auges,  welche  bei  dem  Säugcthier  aus 
gewöhnhchem  Bindegewebe  besteht,  beim  Vogel  grossentheils  knorpe- 
lig und  selbst  stellenweise  verknöchert. 

Die  zwei  wichtigsten  Arbeiten  über  das  Bindegewebe  sind:  Beichert ,  verglei- 
chende Beobachtungen  über  das  Bindegewebe  und  die  verwandten  Gebilde,  Dor- 
pat  1845.  Virchow,  die  Identität  von  Knochen-,  Knorpel-  und  Bindegewebskörper- 
chen,  sowie  über  Schleimgewebe  in  Würzb.  Verh.  1851.  II.  S.  150  u.  314.  Auch 
sei  mir  erlaubt,  anzuführen,  dass  ich  bereits  in  m.  Arbeit  über  Paludina  vivijyara 
in  der  Zeitschr.  f.  w.  Z.  1849.  Bd.  II.  das  Bindegewebe  folgendermaassen  beschrieb: 
„Die  Bindesubstanz  ist  ihrer  Hauptmasse  nach  gebildet  aus  hellen  grossen  Zellen 
mit  relativ  kleinem,  wandständigem  Kern.  Zwischen  diesen  Zellen  kann  sich  eine 
homogene  Substanz  in  verschieden  grosser  Ausdehnung  bilden ,  wahrscheinlich  als 
einfaches  Abscheidungsprodukt  dieser  Zellen"  (S.  190  a.  a.  O.)  Auch  habe  ich  in 
diesem  Aufsatz  zuerst  den  Ausdruck  „Bindesubstanzzellen"  angewendet,  sowie  ich 
auch  vor  Virchow  in  m.  Aufsatz  über  die  Haut  der  Süsswasserfische  (Zeitschr.  f. 
w.  Z.  1850)  der  „Lücken"  im  Bindegewebe  gelegentlich  gedacht  habe:  „durch  die 
Einschnürungen  von  Seiten  der  Spiralfasern  entstehen  Lücken  zwischen  den  Bindege- 
websbündeln,  welche  von  hellem  scharfconturirtem  Aussehen  sind  und  je  nachdem 
man  sie  im  Längen-  oder  Querschnitt  sieht  eine  veränderte  Gestalt  zeigen.'*  Später 
deutete  ich  sie  nach  den  Anschauungen    Virchoio'' s. 


Dritter  Abschnitt, 

Gewebe  der  selbständig  gebliebenen  Zellen. 

§.  38. 

In  den  vorausgegangenen  Geweben  war  die  Intercellularsubstanz 
man  könnte  sagen  das  liuuptconstituens  des  Gewebes:  in  den  jetzt 
aufzuzäblendon  behalten  die  ZcIKmi  die  Oberliand.  Meist  ist  der  In- 
tercellulai-stoff"  so  auf  ein  Minimum  beschränkt,  als  eben  hinreicht,  die 
Zellen  unter  einander  zu  verkleben. 

Es  zählt  hieher 

1)  Blut  und  Lymplie,  hei  welchen  die  Intercellularsubstanz  flüssig 
bleibt  und  den  liqaor  sar^yuinis  repräsentirt,  die  Blut-  und  Lymph- 
kiigclchen  sind  die  isolirt  gebliebenen  Zellen. 

2)  Die  Epithelien,  biei-  sind  die  Zellen  zu  liautartigen  Lagen  an 
einander  gereiht  und  decken  freie  KörperHächen.  Bleiben  die  verei- 
nigten Zellen   weiche,  kendialtige  ])lä.selien ,    so    lieisst    die    aus  ihnen 


I 


Epithelien. 


39 


g-ebikletc  Haut  Epithel i um,  haben  sie  hingegen  theilweise  die  blasige 
Natur  aufgegeben,  sind  sie  härtlich  geworden,  oder  nach  gewöhnlichem 

Fig.  -21. 


Epithelformen. 

A    Geschichtetes  Plattenepithel,    B    Cylinderepithel,    C  Cyliderepithel ,    dessen 

Zellen  nach  unten  so  comprimirt  sind ,  dass  sie  bei  gewisser  Stellung  in  einen 

Faden  auszulaufen  scheinen  (aus  den  unteren  Epidermisschichten  von  Triton). 

Ausdruck,  verhornt,  so  nennt  man  dergleichen  Zellenlagen  Epidermis. 
Je  nachdem  die  Zellen  in  ein-  oder  mehrfacher  Schicht  das  Epithel 
zusammensetzen,  oder  ihre  Gestalt  vom  Rundlichen  ins  Polygonale 
oder  Kegelförmige  abändern,  oder  in  Flimmerhaare  und  undulircnde 
Membranen  ausgewachsen  sind,  spricht  man  von  einem  einfachen  Epi- 
thel, einem  geschichteten  Epithel,  Platten-,  Cylinder-,  Flimmer- 
epithel. Doch  darf  man  nicht  ausser  Acht  lassen,  dass  z.  B.  das  geschich- 

Fig.  22. 


WI/iiiÄ. 


"rm 


B 


Flimmerepithel. 

A    Cylindrische  Zellen    mit    massig    langen ,    B    mit    Längeren    Flimmerhaaren, 

C  rundliche  Flinimerzellen  (von  Räderthieren  und  vom  Fischegel),  D  Flinimer- 

zelle  mit  einer  einzigen  starken  Cilie  (aus  dem   Ohr  von  Petromyzon). 

(Starke  Vergr.) 

tete  Plattenepithel  in  seinen  verschiedenen  Lagen  sehr  difterente  Zellen- 
formen hat,  man  beobachtet  so  in  den  untersten  Schichten  der  Epidermis 
der  Fische,  des  Epithels  der  Conjimctiva  oculi  der  Säuger  u.  a.  0.  cylin- 
drische Zellen  von  bedeutender  Länge,  in  dem  Flimmcrepithel  der  Nase 
von  allen  Wirbelthieren  scheinen  die  untersten  Zellen  sogar  eine  verästelte 
Form  zu  haben  u.  dergl.  mehr.  Die  zackigen  Formen,  welche  Kölliher 
als  etwas  Eigenthümhches  vom  Epithel  des  Blasenhalses  abbildet,  kom- 
men überall  in  den  untern  Lagen  der  geschichteten  Plattcnepithelien  bei 
Wirbelthieren  vor,  wie  man  gut  nach  Aufbewahrimg  in  dopjielt  chroni- 
saurem    Kali   sieht.       An    den    Flimmmerzellen    sind   die    Cilien    von 


Ep^'cCe 


40  "Von  den  Geweben. 

wechselnder  Länge,  unter  den  Wirbeltliieren,  nach  meiner  Erfahrung, 
mit  am  allerfeinsten  an  den  äuseren  Kiemen  der  Batrachierlarven  und 
des  Proteus,  am  dicksten  und  borstenähnhch  im  Gehörorgan  von  Pe- 
tromyzon^  wo  sie,  wie  Ecker  nachwies,  aus  einem  Bündel  von  Härchen 
bestehen;  von  ähnlicher  zussammengesetzter  Art  giebt  es  auch,  wie 
ich  sehe,  Cilien  am  Kopfende  der  Rotatorien.  Die  Stellen  der  Ci- 
lien  werden  ferner  durch  „undulirende  Membranen"  vertreten;  ja  am 
freien  Rande  von  häutigen,  undulirenden  Säumen  können  noch  Wimper- 
haare eingefügt  sein,  wovon  Busch  (Müll.  Arth.  1855)  ein  Beispiel  an 
dem  Infusorium   Tricliodina  nachgewiesen  hat. 

Es  giebt  endlich  Epithelien,  deren  Zellen  dadurch,  dass  sie  stachelar- 
tig auswachsen,  an  Flimmerzellen  erinnern,  ohne  jedoch  Bewegungser- 
scheinungen kund  zu  geben.  Hieher  gehören  z.  B.  die  Epithelzellen 
in  den  sog.  Schleimkanälen  des  Notidanus ,  in  der  Schnecke  der  Vö- 
gel, der  Säuger  (s.  unten). 

§.  39. 
Der  Inhalt  der  Epithelzellen  ändert  sich  ab  von  einer  morphologisch 
indifferenten  körnigen  Substanz  zu  Fett  (z.  B.  in  den  kahlen,  lebhaft 
gefärbten  Hautstellen  der  Vögel),  oder  in  Pigment,  oder  er  umschliesst 
auch  wohl  Bildungen  von  ganz  specifischer  Art,  (z.  B.  die  Nesselor- 
gane der  Polypen  und  Quallen).  Interesse  verdient,  dass  in  bestimm- 
ten Epithellagen  einzelne  Zellen  einen  besonderen  Inhalt  entwickeln  und 
dann  hiedurch,  sowie  durch  vergrösserte  Gestalt  von  den  Nachbarzellen 
beträchtlich  abweichen.  Dahin  gehören  die  von  mir  „Schleimzellen" 
genannten  Bläschen,  welche  in  der  Epidermis  mancher  Fische  und  Am- 
phibien zwischen  die  gewohnten  Zellen  eingereiht  sind;  ferner  markiren 
sich  auf  der  Schleimhaut  des  Tractus  und  der  Respirationsorgane  aller 
Wirbelthiere,  sowie  auf  der  äusseren  Haut  von  Wirbellosen,  im  Falle 
sie,  wie  bei  Schnecken,  Muscheln,  der  Schleimhaut  ähnelt,  zwischen 
den  Cylinderzellen  in  Abständen  etwas  keulenförmig  angeschwollene 
Zellen  mit  dunkclkörnigem  Inhalt.  Sie  entsprechen  wahrscheinlich 
nach  ihrer  Function  den  Schleimzellen  der  Plattenepithelien  und  bersten 
von  Zeit  zu  Zeit,  um  ihren  Inhalt  zu  entleeren. 

§.  40. 
3)  Die  Drüsen  Zellen,  welche  die  verschiedenen  Drüsenräume 
auskleiden,  auch  wohl  anfüllen  und  mit  den  Epithelien  der  betreffen- 
den Häute  continuirlich  zusammenhängen.  Auch  sie  können  die  ver- 
schiedenen Zellenformen  wieder  haben,  also  von  rundlicher  cylindri- 
schcr  Gestalt  sein,  selten  aber  flimmern  sie.  Ich  kenne  wenigstens 
bis  jetzt  wimpernde  Drüsenzellen  nur  in  den  Zungendrüsen  des 
Triton  igiieus ,  in  den  Uterindrüsen  des  Schweines,  in  den  Nieren- 
kanälchen  der  Fische  und  Reptilien,  und  in  der  Leber  von  Cyclas. 

§.  4L 
cntirninr-  Sowohl  dic  frcicu  Epithelien,  wie  jene  der  Drüsenräume  (Sckretions- 

zellcn),  vermögen  homogene,  hautartige  Lagen  abzuscheiden,  denen 


)>il(liingf«n. 


Cuticularbildungen. 


41 


man  den  Namen  Cuticula  beigelegt  hat.  Man  sieht  nämlich  bei  Wir- 
belthieren  und  Wirbellosen  häufig  am  freien  Rande  der  Flimmer-  und 
Cylinderzellen  eine  verdickte  helle  Schicht,  welche  durch  die  regel- 
mässige Aneinanderlagerung  der  Zellen  eine  homogene  Haut  nachahmt, 
und  es  gelingt  an  einzelnen  Orten  durch  Zusatz  von  Reagentien  zu 
zeigen ,  dass  die  Haut  nur  scheinbar  selbsständig  sei ,  indem  beim 
Auseinanderweichen  der  Zellen  jede  den  'ihr  zukommenden  Theil  der 
Cuticularschicht  an  sich  reisst.  Die  verdickten  hellen  Enden  der  Zel- 
len können  aber  wirklich  mit  einander  verwachsen,  so  dass  nach  Ein- 
wirkung von  Reagentien  ein  selbständiges  ,  hautartiges  Gebilde  isolirt 
werden  kann,  auf  dem  selbst,  wenn  es  ein  Flimmerepithel  war,  die 
Cilien  aufsitzen  bleiben.  Gar  nicht  selten  erlangt  ferner  bei  Wirbel- 
losen die  Cuticula  der  äusseren  Haut  oder  des  Darmkanales,  (wo  sie 
gewöhnlich  Tunica  intima  heisst,)  der  Drüsen,  der  Tracheen  eine  be- 
deutende Härte,  indem  sie  chitinisirt.  Auch  scheint  es  eine  weit  ver- 
breitete Erscheinung  zu  sein ,  dass  solche  homogene  Cuticularbil- 
dungen von  Kanälen  durchbrochen  werden,  durch  w^elche  die  darunter 
gelegenen  Zellen  mit  der  Aussenwelt,  dem  Darm-  oder  Drüsenlumen 
communiciren.  Man  kennt  die  Porenkanäle  in  der  Haut  bei  Arthro- 
poden, in  der  Cuticidu  des  Darmes  der  Wirbelthiere ;  in  manchen 
Drüsen  der  Insekten  sind,  entsprechend  den  grossen  Sekretionszellen, 
die  Löcher  in  der  Cuticula  umfänglicher,  z.  B.  in  der  Explodirdrüsö 
des  Brachinus,  in  der  unteren  Speicheldrüse  der  Biene.  Zu  den  Cuti- 
cularbildungen der  Wirbelthiere  stelle  ich  auch  die  sog.  Hornlage  im 
Muskelmagen  der  Vögel,  die  das  in  Lagen  erhärtete  Sekret  der  darun- 
ter befindlichen  Sekretionszellen  ist.     Dieser  Deutung  geschieht  meiner 

Fig.   23. 


Durchschnitt    der    Schleimhaut    vom    Muskelmagen    der    Taube. 

a  Epithelzellen,    b    abgeschiedenes  Sekret,    zu  einer  dicken  Lage,    der   sog.  Horn- 

schicht  des  Magens  erhärtend.    (Starke  Vergr.) 

Meinung  nach  kein  Abbruch,    dass   sich  einzelne  Zellen  zwischen  den 
Schichten  eingeschlossen  finden,  was  mir  mehr  zufällig  und  von  unter- 


42  Von   den  Geweben. 

geordnetem  Belang  zu  sein  scheint,  denn  die  Hauptmasse  der  „Horn- 
schicht"  sind  eben  die  Lagen  einer  homogenen  und  hartgewordenen 
Zellenausscheidung.  Auch  in  den  dicken  Cuticularbildungen  der  Wirbel- 
losen, z.  B.  im  Kiefer  von  Helix  nach  längerer  Kalibehandlung  lassen 
sich  vereinzelte  Zellen,  namentlich  gegen  die  Wurzel  zu  erblicken. 

§.  42. 

4)  Das  Horngevs^ebe,  in  welchem  die  Zellen  den  höchsten  Grad 
der  Härte  und  Abplattung  erreicht  haben.  Hieher  zählen  Nägel,  Kral- 
len, Klauen,  Hufe,  Haare,  Federn  und  zahlreiche  andere  compacte  Horn- 
gebilde  der  Wirbelthiere,  wie  Hörnerscheiden,  Kieferscheiden  etc. 

5)  Die  Linse  der  Wirbelthiere,  w^elche,  wie  die  Entwicklungsge- 
schichte gelehrt  hat,  ein  Stück  umgewandelte  Epidermis  ist,  wobei  jede 
Zelle  zu  einer  röhrigen  Faser  sich  auszog.  . 


Vierter  Abschnitt. 


Öarcodc. 


Vom     Muskelgewebe. 

§.  43. 

Das  physiologische  Merkmal  dieses  Gewebes  ist  eine  ausgesprochene 
Contractilität  oder  das  Vermögen,  auf  Reize  sich  zusauunenzuziehen. 

Die  contractile  Substanz  ist  umgebildeter  Zelleninhalt,  obschou 
allerdings  nur  in  seltenen  Fällen,  z.  B.  am  Leib  der  Süsswasserpolypen 
{Hydra)  die  Zelle  zeitlebens  ihren  ursprünglichen  Charakter  beibehält. 
Einige  Jahre  lang  unterschied  man  von  den  Muskeln  oder  der  „ge- 
formten, contractilen  Substanz",  die  Sarcode  oder  die  „ungeformte, 
contractile  Substanz" ,  letztere  sei  structurlos  und  habe  nichts  mit 
Zellen  zu  thun.  Bezüglich  unsrer  Süsswasserpolypen,  Rotatorien  und 
zarten  Arthropodcnlarven ,  denen  man  eine  die  Muskeln  ersetzende 
Sarcode  zuschrieb,  ist  diese  Lehre,  wie  ich  nachgewiesen  zu  haben  glaube, 
gewiss  unhaltbar,  und  sie  soll  jetzt  auf  die  Organisationsverhältnisse  der 
Infusorien  gestützt  werden ;  allein  hier  scheint  mir  die  Unzulänglichkeit 
unsrer  optischen  Hilfsmittel  allein  Schuld,  dass  wii-  vorderhand  nicht 
im  Stande  sind,  das  Herkoramen  der  Sarcode  aus  Einheiten,  welche  den 
Zellen  äquivalent  sind,  zu  demonstriren. 

§.44. 

Mu«krifa»cr.  Dic  cmbryonalc  Muskclzelle  wächst  gewöhnlich  einfach  in  die  Länge 

aus,  wobei  der  sich  erhaltende  Kern  ebenfalls  die  Längsform  anninnnt, 

in  andern,    schon  seltneren  Fällen  verästelt  sich  die  Muskel/eile  und  die 

Ausläufer  von  mehreren  Zellen  treten  anastomotisch  in  Zusanunenhang. 


Muskelgewebe. 


43 


Wie  nachher  näher  erörtert  werden  soll,  so  verlieren  häufig  die  Mus- 
kelzellen die  Selbständigkeit,  indem  sie  durch  Verschmelzung  und  fiis- 
cikehveise  bestimmte  Abgrenzung  von  einander  ihre  Zellennatur  ganz 
einbüssen.  —  Die  contractile  Substanz  zeigt  sich  in  der  rohrartig  ausge- 
wachsenen Muskelzelle  entweder  von  gleichartigem,  homogenem  Aussehen 
oder  sie  bekundet  eine  Sonderung  in  kleine  Stückchen  von  bestimmter 
Form  und  Gruppirung,  welche  man  die  primitiven  Fleischtheilchen  (sar- 
cous  Clements,  Bowman)  nennen  kann.  Man  hat  sich  seit  langem  dahin 
geeinigt,  nach  der  ebengedachten,  verschiedenen  Beschaffenheit  der  con- 
tractilen  Substanz  zwei  Reihen  von  muskulösen  Fasern  aufzustellen,  wo- 
von die  mit  homogenem  Aussehen  die  glatten  oder  einfachen ,  jene  mit 
dem   in  kleine  Partikelchen  differenzirten  Inhalt  die  quergestreiften 

Fig.  24. 


Einfache  und  verästelte  Muskelzellen. 
A  sog.  glatte  Faser  mit  gleichmässigem  Inhalt,  B  eine  solche,  die  eine  Differen- 
zirung  von  Mark-  und  Rindensubstanz  zeigt,  C  eine  andere,  deren  Inhalt  eine 
quergestreifte  Masse  geworden  ist,  D  lang  ausgewachsene  und  platte  Faser, 
E  verästelte  Muskelzelle  von  einem  Weichtliier  (Carinaria),  F  verästelte  quer- 
gestreifte Muskeln  von  einem   Arthropoden  (Branchipus).     (Starke  Vergr.) 

heissen.  Neuere  Erfahrungen  haben  indessen  dargethan,  dass  die  Natur 
auch  auf  diesem  Gebiete  keine  strenge  Scheidung  liebt;  es  hat  sich 
vielmehr  gezeigt ,  dass  die  beiderlei  Muskelarten  durch  manchfache 
Mittelstufen  aus  der  einfachen,  glatten  Faser  in  die  echt  quergestreifte 
verbunden   werden   und    dass    eigentlich    nur    für    die   Endpunkte    der 


44  Von   den  Geweben. 

Reihe  die  Bezeichnung  „glatte  und  quergestreifte  Faser**  eine  Berechti- 
gung hat. 

Ausser  den  Gründen,  welche  vom  Inhalte  der  Muskelfasern  ab- 
geleitet, die  Grenze  zwischen  glatten  und  quergestreiften  Muskeln  ver- 
wischen, kommt  auch  noch,  dass  wie  Rem  ah  angiebt,  die  glatten 
Fasern,  denen  man  bisher  allgemein  nur  einen  einzigen  Kern  zuschrieb, 
zwei  und  drei  centrale  Kerne  besitzen  können. 

Die  Muskelzelle  vermag  zu  einer  sehr  langen  Faser  oder  was  dasselbe 
ist,  Muskelcylinder  auszuwachsen;  ich  glaube  z.  B,  an  Schnecken  gesehen 
zu  haben,  dass  im  Fuss  die  Längscylinder,  ohne  sich  zu  theilen,  nach  der 
ganzen  Länge  des  Fusses  sich  erstrecken.  Bei  den  Gordiaceen  geht 
jedes  „Primitivbündel"  ohne  Unterbrechung  und  ohne  Anastomose  von 
einem  Körj^erende  zum  andern.    [Meissner.) 

§.45. 

Die  „vita  propria'-'^  der  Muskelfaser  äussert  sich  verschieden,  je  nach- 
dem der  Inhalt  derselben  gleichartig  ist  oder  eine  Weitergliederung  in 
die  „primitiven  Fleischtheilchen'"  erfahren  hat:  der  glatte  oder  einfache 
Muskel  zieht  sich  langsam ,  allmählig  zusammen  und  seine  Zusanunen- 
ziehung  überdauert  den  Reiz ,  der  quergestreifte  Muskel  hingegen  ant- 
wortet auf  die  Erregung  mit  rascher  Contraction,  die  nachlässt,  sobald 
der  Reiz  vorüber  ist.  Rücksichtlich  der  homogenen,  contractilen  Substanz 
der  Muskelzelle  oder  Rühre  (glatte  Muskelfaser)  kann  vom  morpholo- 
gischen Standpunkt  aus  nichts  näheres  beigebracht  werden;  viele  Mühe 
hat  man  auch  darauf  verwandt,  um  hinsichtlich  der  „primitiven  Fleisch- 
theilchen",  welche  durch  eine  bestimmte,  regelmässige  Anordnung  die 
Querzeichnung  hervorrufen,  eine  bestimmtere  Vorstellung  zu  gewinnen. 
Die  noch  am  besten  begründete  Auflassung  lautet  dahin ,  dass  die  primi- 
tiven Fleischtheilchen  bald  mehr  nach  der  Länge,  bald  mehr  in  die  Quere 
mit  einander  verbunden  sind  und  demnach  beim  Zerfallen  eines  Muskel- 
stückchens in  linearen  (Fibrillen)  oder  in  scheibenförmigenFigurcn 
(Discs)  bcisammenklebend  gesehen  werden.  Mich  haben  wiederholte 
Untersuchungen  auf  die  Seite  jener  Forscher  (-Bow;maW;Ä  e«iaÄ;,i?rwcÄ;e 
U.A.)  gedrängt,  welche  behaupten,  die  sog.  Fibrillen  seien  Kunstprodukte 
und  nicht  als  die  eigentlichen  Elemente  der  Muskelsubstanz  zu  betrach- 
ten, doch  darf  nicht  vergessen  werden,  dass  an  manchen  Orten  „Fibrillen" 
sehr  leicht  darzustellen  sind,  wie  z.  B.  an  den  Thoraxmuskeln  der  Insek- 
ten, an  den  Muskeln  der  Mermis  beschreibt  sie  auch  Meissner.  —  Dieser 
Erklärung  sei  es  mir  erlaubt,  folgende  gewagtere  Ansicht  anzuschlicssen. 

§.  46. 

AchniHhkcu  Bekanntermaassen  übertrcfien    im  Ganzen  e-enommen  die  sarcous 

MuHkci  »n<i  Clements  der  Arthropoden  an  Umfang  die  dci-  \\  irbelthiere  und  auch  bei- 

organen.    läufig  bcnierkt,  sind  sie  bei  andern  \\  irbellosen,  wo  sie  vorkommen,  bei 

Sacjitta  z.  B. ,   grösser  als  bei   den  lu'ihei-en  Thieren.     Behandelt    man 

nun   frische  Muskeln   aus   dem  lebenden   Thier    (ich  gebrauchte    hiezu 

Forßcula)    mit    leicht    angesäuertem   A\'asser   und   studirt    die    Objecte 


Muskelgewebe.  .  4:5 

mit  sehr  starker  Vergrösserung  (TSOmaliger,  Kellner  Syst.  2,  Oe.  II.)  so 
erinnert  bei  sehcarfem  Zusehen  das  BikI  lebhaft  an  das  Aussehen  des  elek- 
trischen Org-ans  der  Fische.  Gleichwie  dort  eine  gallertartige  Substanz 
innerhalb  eines  regelmässig  vertheilten  Fachwerkes  liegt,  wodurch  eine 
Zusammensetzung  aus  prismatischen  Säulen  sich  darbietet,  so  grenzen 
sich  auch  die  primitiven  Fleischtheilchen  in  langgezogen  viereckiger 
Form  von  einander  ab.  Je  eine  Anzahl  von  derartig  aneinandergestellten 
Fleischtheilchen  tritt  von  neuem  zu  einem  gewissen  Ganzen  zusammen, 
wodurch  grössere  Abtheilungen  von  deutlich  hexagonalem  Umriss  ent- 
stehen. Ich  möchte  darnach  vermuthen,  dass  die  Muskelsubstanz  im 
Kleinen  ein  ähnliches  Schema  des  Baues  einhält,  welches  wir  vom  elek- 
trischen Organ  der  Fische  (der  Zitterrochen  z.  B.)  kennen  und  möchte 

Fig.  25. 


Stück  eines  sog.  Muskelprimitivbündels  von  Forficula,  um  die  Aehnliclikeit  in 
der  Anordnung  des  Inhaltes  mit  dem  elektrischen  Organ  der  Fische  zu  zeigen. 

(Starke  Vergr.) 

den  Gedanken  aufkommen  lassen,  dass  die  Muskeln  und  die  elektri- 
schen Organe  verwandte  Bildungen  seien.  Stellen  wir  uns  beide 
vom  morphologischen  Gesichtspunkt  aus  einander  gegenüber,  so  findet 
die  Substanz  eines  prinn'tiven  Fleischtheilchens  sein  Aequivalent  in  jenen 
Gallertportionen,  welche  von  den  kleinsten  Abtheilungen  der  Säulen  um- 
schlossen werden  und  der  ganzen  Säule  entsprechen  die  ebenfalls 
sechsseitig  begrenzten  Aggregate  der  sarcous  elements. 

_§.  47. 
Uebrigens  hat  sich  die  Meinung  von  einer  verwandtschaftlichen 
Beziehung  zwischen  Muskelsubstanz  und  elektrischem  Organ  schon 
mehrmals  in  früherer  Zeit  aufgethan.  Aeltere  Anatomen  nennen  z.  ß. 
die  elektrischen  Organe  Musculi  falcati]  G.  Carus  (in  s.  Zootomie) 
hebt  ausdrücklich  hervor,  wie  es  ihm  höchst  bedeutungsvoll  scheine, 
dass  sich  zwischen  dem  elektrischen  Organ  der  Fische  und  dem  ge- 
wöhnlichen Muskelfleisch  eine  auffallende  Uebereinstimmung  nicht  ver- 
kennen lasse.  Da  in  der  Wirbelmuskulatur  des  Petromyzon  sich 
zwischen  die  aponeurotischen  Scheidewände  zahlreiche  dicht  an  einan- 
der liegende  Septen  einschieben,  so  wird  die  Muskelsubstanz  in  ge- 
wissermassen  kleine  Kästchen  abgeschlossen  und  die  Aehnlichkeit 
dieser  Einrichtung  mit  der  Bildung  des  elektrischen  Organs  bei   Tor- 


MuskeN 
bUndel. 


46  Von   den  Geweben. 

vedo  ist  schon  mehrmals  aufgefallen.  Auch  Bergmann  und  Leuchart 
haben  in  ihrer  „vergleichenden  Physiologie"  die  elektrischen  Organe 
wenigstens  anhangsweise  mit  den  Bewegungswerkzeugen  in  Verbin- 
dung gebracht,  was  sie  damit  stützen,  dass  diese  merkwürdigen  Apparate 
wie  die  Muskeln  von  den  Centralth eilen  des  Nervensystems  aus  un- 
mittelbar in  Thätigkeit  gesetzt  werden  können  und  dass  auch  im 
Muskel  in  den  Augenblicken  des  Ueberganges  aus  Ruhe  in  Thätigkeit 
und  umgekehrt  Umwandlungen  des  elektrischen  Prozesses  geschehen, 
welche  eine  Wirkung  auf  die  nächste  Umgebung  des  Muskels  aus- 
üben. Dazu  kommt  jetzt,  wie  ich  angedeutet  habe,  die  Aehnlichkeit 
im  Baue  und  vielleicht  darf  man  hoffen,  dass  diese  Hinweisung  künftig- 
hin für  unsere  physiologischen  Kenntnisse  wird  ausgenutzt  werden  kön- 
nen. —  Noch  eine  andere  Betrachtung  gesellt  sich  hinzu.  Wenn 
Muskeln  und  elektrische  Organe  verwandte  Eigenschaften  darbieten 
und  man  sich  daran  erinnert,  dass  die  Wimperhärchen  durch  ihre 
Wiedererregbarkeit  in  Kalilauge  (Virchoio)  der  Muskelsubstanz  sich 
annähern,  so  ruft  man  sich  auch  die  Mittheilungen  Schnetzlers  (Bib- 
liotheque  de  Geneve,  xlvril  1849)  in's  Gedächtniss,  wornach  die  Wimper- 
bewegung von  elektrischen  Strömungen  abhängen  mögen,  da  nach 
seinen  Versuchen  Haare  an  den  Conductor  einer  Elektrisirmaschine 
befestigt,  in  feuchter  Luft  oder  bei  Benetzung  sich  krümmen  und 
abwechselnd  strecken,  in  analoger  Weise,  wie  die  arbeitenden  Wim- 
perhärchen. Und  so  scheint  mir  eben,  als  ob  alle  unsere  fragmcn- 
taren  Erfalirungen  über  Muskel  und  Ciliarthätigkeit  auf  etwas  Gemein- 
sames hinzeigen,  darauf  nämlich,  dass  sie  im  Anschluss  an  die  ge- 
dachten Organe  der  Fische  mit  elektrischen  Vorgängen  näher  ver- 
knüpft sind. 

§.  48.    _ 

Ueber  die  Weise,  nach  welcher  die  ursprünglichen  Muskelzellen 
in  späterer  Zeit  die  grösseren  Muskelstreifen  zusammensetzen,  herrscht 
noch  mancher  Zwist  und  ich  beschränke  mich  darauf,  meine  über 
diese  Frage  gewonnenen  Einzclbeobachtungen  kurz  in  Folgendem  zu 
ordnen. 

Eine  Anzahl  von  ausgewachsenen  Muskclzellen  (Faserzellen  der 
Autoren)  vereinigt  sich  in  so  weit  zu  einem  Ganzen  und  wird  durch 
Bindesubstanz  zusammengehalten,  dass  man  wenigstens  erst  auf  künst- 
lichem Wege,  etwa  durch  Einwirkung  von  Iieagentien,  namentlich 
durch  Salpeter-  und  Salzsäure  von  20^/0  die  Muskelzellen  wieder  zu 
isoliren  vermag.  Diess  gilt  für  die  einfachen  oder  glatten  Muskeln, 
sowie  für  die  Uebergangsformen  von  den  glatten  zu  den  quergestreiften 
Muskeln.  Ein  anderer  Modus  ist  der,  dass  eine  Gruppe  von  Muskel- 
zcllen  jede  seitlich  nn't  ihren  Rändern,  so  zu  einem  Längsstreifen  zu- 
sammenschmilzt, dass  die  einzelnen  Muskclzellen  in  der  Bildung  dos 
neuen  (Janzcn  entweder  ganz  aufgehen  oder  nur  noch  in  schwächeren 
od(u-  schärferen  Spnr(^n   ihre  Sidbständigkeit  durchblicken  lassen.     Mau 


Muskelgewebe. 


47 


nennt  einen  auf  derartige  Weise  entstandenen  feinen  Mukel streifen 
ein  Primitivbündel,  wobei  man  dann  ferner  für  die  den  Primitivbündel 
herstellenden,  ihrer  Selbständigkeit  beraubten  Muskelzellen  die  Be- 
zeichnung Primitivcylinder  wählen  darf  Früher  glaubte  ich  mit  An- 
dern  beobachtet   zu    haben,    dass    der  Primitivbüudel  seine  Längendi- 


Fig.  26. 


Muskelfasern    zu   neuen  Einheiten    oder  Bündeln   verbunden. 
A   aus  dem    Bulbus    arteriosus    des    Salamanders;    die    quergestreiften    Muskel- 
zellen haben,    obschon  sie  dicht  aneinander    gereiht    sind,    eine    gewisse 
Selbständigkeit  beibehalten. 

B  u.  C.  sog.  Muskelprimitivbiindel  mit  Verschmelzung  der  primitiven  Cylinder: 
a  das  Lückensystem  innerhalb  der  contractu en  Substanz,  b  das  Sarco- 
lemma.     (Starke  Vergr.) 

mension  durch  Ansatz  neuer  Zellenreihen  vergrössere ,  gegenwärtig 
aber  ist  mir  die  Annahme  wahrscheinlicher  geworden,  dass  nur  durch 
Auswachsen  der  ursprünglichen,  die  Primitivbündel  zusammensetzenden 
Muskelzellen,  dieser  in  der  Länge  zunehme.  —  Die  Abschliessung 
einer  kleineren  oder  grösseren  Gruppe  von  Primitivcylindern  (die  ur- 
sprünglichen umgewandelten  Muskelzellen)  zu  der  neuen  histologischen 
Einheit,  oder  dem  sog.  Primitivbündel  erfolgt  durch  homogene  Binde- 
substanz (Sarcolemma). 

§.  44. 

Es  gehört  zu  den  Eigenschaften  der  Primitivbündel,  dass  sie, 
wie  ich  gefunden,  von  einem  feinen  Lücke nsystem  durchbrochen  sind, 
welches  durch  seinen  Verlauf,  selbst  in  jenen  Bündeln,  an  welchen 
die  Zusammensetzung  aus  Primitivcylindern  sehr  verwischt  ist ,  die 
ursprünglichen  Abtheilungen  noch  errathen  lässt. 

Es  gibt  auch  verästelte  Muskelprimitivbündel,  die  entweder 
untereinander  anastomosiren,  oder  deren  Aeste  fein  auslaufend,  sich 
unmittelbar  in's  Bindegewebe  verlieren. 


48  Von  den  Geweben. 

Chemisch  betrachtet  erscheint  die  contractile  Substanz  stickstofF- 
haltio-  und  dem  Faserstoff  verwandt.  Man  führt  sie  unter  dem  Namen 
Muskelfibrin   oder  Syntonin  auf. 

Als  man  auf  die  Querstreifung  der  Muskelfasern  aufmerksam  geworden  war, 
versuchten  die  Beobachter  vielerlei,  mitunter  sehr  wunderliche  Erklärungen,  die 
man  jetzt  füglich,  ohne  ungerecht  zu  sein,  zur  Seite  stellen  kann.  Zuletzt  blieben 
viele  Forscher  dabei  stehen,  dass  „variköse  Fibrillen"  das  Ansehen  der  Querstreifen 
bedingen.  Ich  halte,  wie  oben  angegeben,  jene  Ansicht  für  naturgemässer,  welche 
in  den  „primitiven  Fleischtheilchen",  ohne  auf  ihre  Aneinanderklebung  nach  der 
Länge  und  Quere  ein  besonderes  Gewicht  zu  legen,  die  Elemente  erblickt,  und 
vielleicht  könnte,  was  ich  über  die  Aehnlichkeit  der  quergestreiften  Muskelsubstanz, 
mit  den  elektrischen  Organen  äusserte,  dazu  dienen,  unsre  Vorstellungen  über  das 
Muskelgewebe  etwas  abzurunden.  Im  elektrischen  Organ  wäre  eben  in  kolossaler 
Weise  ausgeführt,  was  am  Muskel  in  höchst  minutiöser  Art  sich  wiederspiegelt.  — 
Dass  in  den  sog.  glatten  Muskeln  manche  Mittelglieder  von  der  rein  homogenen 
contractilen  Substanz  zur  quergestreift  differeuzirten  vorkommen,  davon  werden  im 
speziellen  Theil  mehre  Beispiele  anzuführen  sein.  —  Das  feine  verzweigte  Lücken- 
system mit  Kernrudimenten  in  den  Knotenpunkten  wurde  bisher  verkannt,  indem 
man  {Boiüman,  K'ölliher)  auf  Muskelquerschnitten  die  Querschnitte  der  Lücken  für 
die  „Muskelfibrillen"  gehalten  hat,  die  eigentliche  contractile  Substanz  wurde  für 
eine  die  vermeintlichen  Fibrillen  verkittende  Zwischenmaterie  erklärt  (vergl.  m. 
Aufs,  in  Müll.  Archiv  1856).  Die  in  Distanzen  auftretenden  „Längsstreifen  des 
Primitivbündels"  sind  ebenfalls  die  Lücken  zwischen  den  das  Bündel  zusammen- 
setzenden Muskelcylindern,  auch  sieht  man  sie  an  naturgetreuen,  nicht  schematischen 
Abbildungen  quergestreifter  Bündel  in  diesem  Sinne  gezeichnet,  (man  vergl.  z.  B. 
die  Darstellungen,  welche  v.  Er  lach  in  Müllers  Archiv  1847  über  die  organischen 
Elementartheile  bei  polarisirtem  Licht  gab),  und  endlich  sind  die  fraglichen  „Längs- 
streifen" auch  von  Anderen  als  Reflex  von  Spaltungen  zwischen  Längstheilen  (Fi- 
brillen) des  Muskelbündels  angesehen  worden. 

Die  Verzweigung  der  Muskelprimivbündel  scheint  Leeuwenhoeh  zuerst  am  Her- 
zen wahrgenommen  zu  haben.  Nach  ihm  hat  unter  den  mir  bekannten  Schriftstel- 
lern Ramdohr  (1811)  die  nächste  Abbildung  von  solchen  Muskeln  gegeben.  Später 
wurden  ähnliche  Mittheilungen  von  Seite  R.  Wagner''s,  Leuchart,  Stein  nicht  beson- 
ders gewürdigt,  bis  man  erst  in  neuerer  Zeit  einen  gewissen  Wertli  darauf  legte,  indem 
man  sich  überzeugte,  dass  im  Herzen  der  Wirbelthiere  und  vieler  Wirbellosen, 
dann  namentlich  in  den  Eingeweiden  zahlreicher  Arthropoden  ramifizirtc  Muskel- 
primitivbündel eine  KoUe  spielen. 

Der  Ausdruck  Sarcolemma  kann  eine  doppelte  Anwendung  finden,  entweder 
für  das  bindegewebige  Rohr,  welches  die  zum  sog.  Primitivbündel  vereinigten  Pri- 
mitivcylinder  nmschliesst,  oder  auch  für  die  Membran  der  einfach  oder  ästig  aus- 
gewachsenen Muskelzcllcn ,  welche,  obschon  ihr  Inhalt  querstreifig  ist,  doch  eine 
gewisse  Selbständigkeit  bewahrt  liaben. 

Die  glatten  Muskelfasern,  welche  man  durch  Salpetersäure  isolirt  hat,  sind 
etwas  schmäler  geworden  und  besitzen    zahlreiche  Einknickungen    oder  Drehungen. 


Nervengewebe.  49 


kugeln. 


Fünfter  Abschnitt. 

Vom     Nervengewebe. 

§.  50. 

Das  Nervengewebe  vermittelt  die  Empfindung,  Bewegung,  die 
Seelenthätigkeiten.  Auch  die  Nervensubstanz  ist  umgewandelter  Zellen- 
inhalt, und  zwar  behalten  zum  Theil  die  Zellen  ihren  Charakter  bei 
und  heissen  Ganglienkugeln  oder  sie  wachsen  in  Fasern  aus  und  bilden 
damit  die  Nervenfibrillen. 

§.   51. 

Die  Ganglienkugeln  werden  nach  ihrer  Form  abgetheilt  in  sog.  «anguen- 
apolare  oder  rundliche,  in  unipolare  oder  solche  die  nach  einer  Seite 
hin  sich  faserartig  verlängern,  in  bipolare  oder  mit  zwei  Fortsätzen 
versehene  und  endlich  in  multipolare  oder  Ganglienzellen  mit  vielen 
und  selbst  wieder  verästelten  Ausläufern.  Da  bei  der  gewöhnlichen 
Präparationsmethode  die  Fortsätze  der  Ganglienkugel  leicht  abreissen, 
so  wird  von  mehren  Forschern  (B.  Wagner)  die  Existenz  von  wirk- 
lich apolaren  Ganglienzellen  in  Abrede  gestellt  und  die  so  scheinenden 
für  verstümmelte  Objecte  erklärt.  In  sehr  vielen  Fällen  hat  es  mit 
dieser  Verwerfung  der  apolaren  Ganglienkugel  gewiss  seine  Richtigkeit, 
ob  sie  aber  ausnahmlos  (wie  es  mir  fast  dünkt)  angenommen  werden 
darf,  müssen  noch  fernere  Untersuchungen  bestimmen. 

Die  multipolaren  Ganglienkugeln,  bei  Wirbelthieren  leicht  nach- 
weisbar, scheinen  bei  Wirbellosen  seltener  zu  sein,  doch  sind  sie 
auch  hier  mit  Sicherheit  beobachtet  worden  von  Meissner  an  Mermis 
und  den  Nervencentren  des  Oordius,  sowie  in  neuester  Zeit  von  Wedl 
am  Nervensystem  der  Nematoden. 

§.52. 
Fassen  wir  die  Natur  der  Ganglienkugeln  näher  in's  Auge,  so  Nähere  Be- 
zeigt sich,  dass  sie  sämmtlich  und  bei  allen  Thieren  einen  gewissen 
blassen,  meist  farblosen,  zarten  Habitus  haben  und  leicht  zerstörbar 
sind.  Sie  schliessen  sich  entweder  nach  aussen  durch  eine  zarte 
Membran  ab  oder  es  mangelt  ihnen,  wie  namentlich  in  den  Nerven- 
centren eine  membranöse  Umhüllung.  Ihre  Grundmasse  oder  der 
„Zelleninhalt"  ist  eine  homogene  zahlreiche  Körnchen  zusammenhal- 
tende Substanz,  die  Körnchen  meist  farblos,  häufig  auch  gelblich 
oder  bräunlich  gefärbt.  Bei  Wirbellosen  können  die  Anhäufungen  der 
Ganglienkugeln  selbst  für  das  freie  Auge    eine    ausgesprochene    gelbe 

Leydig,    Histologie.  ^ 


schaff enheit. 


50  Von  den  Geweben. 

oder  rothe  Farbe  haben,  was  wir  z.  B.  am  Gehirn  von  Lymnaeus,  Planoi^his, 
Paludina  sehen,  doch  ist  diese  Pigmentirung  diffuser  Art,  sie  rührt  her 

Fig.  27. 


Multipolare  Ganglienzelle.  (Starke  Vergr  ) 
von  einer  rothen  Flüssigkeit,  welche  das  ganze  Ganglion  durchtränkt 
und  nachdem  das  Neurilem  eingerissen  ist,  in  Tropfen  herausquillt. 
Aus  dem  Bereiche  der  Wirbelthiere  ist  mir  nur  die  gelbe  Färbung 
der  Macula  lutea  Betinae  bekannt,  die,  gleichfalls  von  diffuser  Art, 
hierher  gehört.  —  Der  Kern  der  Ganglienkugel,  immer  deutlich  aus 
dem  körnigen  Inhalte  herausscheinend,  ist  rund  und  besitzt  ein  oder 
mehrere  Kernkörperchen.  Die  Grösse  der  Ganglienkugeln  ist  ver- 
schieden ,  die  bedeutenderen  lassen  sich  mit  freiem  Auge  als  weisse 
Punkte  unterscheiden. 

§.  53. 
Nach  neueren  Mittheilungen  scheint  es,  .als  ob  im  Inhalt  der 
Ganglienzellen  noch  weitere  Differenzirungen  zur  Darstellung  ge- 
bracht werden  können.  Remak  beschreibt  nämlich  von  der  körnigen  Sub- 
stanz der  Ganglienkörper  derBaja  hatis  (nach  24stündiger  Aufbewahrung 
in  Chromsäure)  ein  faseriges  Gefüge  in  zwei  Schichten.  Die  innere 
Schichte  von  Fäserchen  umlagert  den  Kern,  die  äussere  geht  nach 
beiden  Polen  in  den  Canal  des  „Achsenschlauches"  über.  Ebenso 
hat  jüngst  Btilling  der  pariser  Academie  Untersuchungen  über  eine 
feinere  Zusammensetzung  der  Ganglienzellen,  als  bisher  angenommen 
war,  vorlegen  lassen:  die  Hülle,  welche  allen  Ganglienkugeln  zukomme, 
hänge  vermittelst  „Elementarnervenröhrchen"  nach  aussen  mit  benach- 
barten Ganglienkugeln ,  zusammen ,  nach  innen  mit  dem  Parenchym, 
welches  aus  einem  dichten  Netz  derselben  Röhrchen  bestehe.  Der  Kern 
der  Ganglienkugeln  von  gleicher  Struktur,  zeige  viele  doppelte  Con- 
turen,  unterbrochen  durch  Röhrchen,  welche  einerseits  in  das  Paren- 
chym, andererseits  zum  Nucleolus  sich  begeben.  Der  Nucleolus 
bestehe  aus  drei  concentrischen  Schichten  von  verschiedener  Farbe, 
die  centrale  sei  roth,  die  mittlere  bläulich,  die  äussere  oranggelb,  von 
jeder  Schicht  aus  lassen  sich  Verlängerungen  bis  zum  Rande  des 
Kernes  verfolgen.     Compt.  rend.  1855  N.  20  u.  21. 


Nervengewebe. 


51 


§.  54. 
Die  Nervenfasern  der  Wirbeltliiere  zerfallen  vom  Gesichtspunkt 
der  Struktur  aus  in  die  dunkelrandigen  und  in  die  blassen  Fibrillen. 

Die  dunkelrandigen,  auch  markhaltigen  genannt,  sind  von  wech- 
selnder Dicke,  so  dass  man  feinere  und  stärkere  unterscheidet,  und  beste- 
hen 1)  aus  einer  homogenen  Hülle,  hie  und  da  mit  Kernrudimenten 
versehen;  doch  scheint  diese  Hülle  oder  Scheide  keineswegs  con- 
stant  zu  sein,  sondern  kann  auch,  namentlich  an  den  feineren  Fa- 
sern fehlen,  2)  aus  der  Nervensubstanz;  da  nun  letztere  auf  künst- 
lichem Wege  durch  Einwirkung  von  Reagentien  (Chromsäure,  Su- 
blimat etc.),  sowie  bei  beginnender  Zersetzung  sich  in  eine  centrale 
Faser  und  eine  körnig-krümliche  peripherische  Schicht  leicht  son- 
dert, so  wird  herkömmlicher  Weise  die  dunkelrandige  Nervenfaser 
als  zusammengesetzt  betrachtet  aus  der  Markscheide  und  dem  Ach- 
sencylinder.     Die  Markscheide  ist  eine  fettreiche  Substanz,  welche 

Fig.  28. 


Nervenfasern. 
Ä  dunkelrandige,    a  breite  Fasern,    b  feine,  varikös  gewordene; 
B  Blassrandige  {Bern  ak'' sehe  Fasern). 
C  Mittelstufe  zwischen  den  beiden  vorhergehenden.     (Starke  Vergr.) 

der  Nervenfaser  die  dunkeln  Ränder  bei  durchgehendem  Licht  und 
den  Silberglanz  bei  auffallendem  verleiht.  Sobald  der  Nerv  erkal- 
tet ist,  gerinnt  sie  zu  der  erwähnten  körnig-krümlichen  Schicht,  häuft 
sich  auch  wohl  an  den  feinen  Nervenröhren  stellenweise  an,  macht 
sie  dadurch  in  Abständen  knotig  und  wandelt  sie  zu  den  sog.  varikö- 
sen Nervenfasern  um.  Der  Achsencylinder  erscheint  von  blassem 
Aussehen,  häufig  mit  unregelmässig  gezakten  Rändern,  homogen, 
granulär  auch  fein  streifig,  drehrund  oder  platt,  Habitus  und  Verhal- 
ten gegen  Reagentien  deuten  auf  einen  eiweisshaltigen  Körper.  Nach 
Bemak  wäre  der  Achsencylinder  ein  Schlauch,  was  mir  noch  nicht 
zu  sehen    geglückt  ist.     Sttllzng,    in  Uebereinstimmung    mit   seiner 

oben   erwähnten  Schilderung    des  Baues  der  Ganglienzelle,    behaup- 

4*      -v 


Dunkel- 
randige 
Nerven- 
fasern- 


52  Von  den  Geweben. 

tet  in  der  jüng-sten  Zeit,  dass  man  die  Struktur  der  Nerven  über- 
haupt verkannt  habe,  was  bisher  als  Scheide  und  Mark  der  Nerven- 
fibrille bezeichnet  wurde ,  bestehe  aus  einem  Geflecht  ausserordent- 
lich zarter  ßöhrchen,  welche  in  allen  Richtungen,  longitudinal,  trans- 
versal und  sehr  schräg  verlaufend  sich  theilen  und  anastomosiren,  so 
dass  sie  ein  wahres  Netzwerk  bilden,  in  diesen  feinen  Röhrchen 
sei  das  ölige  Nervenmark  enthalten.  Der  Achsencylinder  sei  aus 
wenigstens  drei  concentrisch  in  einander  geschachtelten  Lagen  zu- 
sammengesetzt, von  jeder  dieser  Lagen  entspringe  eine  Anzahl  fei- 
ner Röhrchen,  die  sich  nach  aussen  wenden,  um  in  das  Netzwerk 
der  peripherischen  Partie  einzugehen.  Mit  diesen  Angaben  Stilling's, 
welche  sich  auf  sehr  starke  Vergrösserungen  stützen,  mögen  wahr- 
sclieinlich  die  Figuren  der  geronnenen  und  hart  gewordenen  Nerven- 
substanz näher  geschildert  sein ,  aber  ich  vermag  nicht  denselben 
im  Augenblick  eine  rechte  Bedeutung  beizulegen,  um  so  weniger, 
als  ich  jener  gegnerischen  Auffassung  zugethan  bin,  nach  welcher 
der  lebende  Nerv  von  gleichförmiger  Mischung  ist  und  die  Schei- 
dung in  iVchsencylinder  und  Markhülle  für  eine  Zersetzung  post 
mortem  halte.  *) 

§.  55. 
Blasse  Die  blasscu  Nervenfibrillen  (marklose,  Bern ak' seh eYasern)  er- 

Ncr  VC  11" 

fasern,  mangclu  des  Fettreichthums  der  vorhergegangenen  Fasern,  sind  daher 
auch  nicht  nach  der  verschiedenen  Beleuchtung  dunkelrandig  oder 
weiss,  sondern  blass  conturirt  und  grau.  Sie  finden  sich  namentlich 
in  grösserer  Menge  im  Sympathicus  und  könnten  nicht  mit  Unrecht 
auch  den  Namen  sympathische  Nervenfasern  tragen.  Sie  bestehen  aus 
der  homogenen  kernhaltigen  Hülle  und  einer  fein  granulären  In- 
haltsmasse, welche  dem  Lihalt  der  dunkelrandigen  Fasern  nach  Ab- 
zug des  Fettes  gleich  zu  setzen  ist. 


*)  Ea  sind  unterdessen  die  ausluhrlichen  Mittheilungen  über  diesen  Gegen- 
stand erschienen  :  über  den  Bau  der  Nervenprimitivt'aser  und  der  Nervenzelle  von 
Dr.  Stilling.  Frankfurt  1856.  Kaum  dürfte  Jemand  nach  dem  gegenwärtigen  Stand- 
punkt der  Mikroskopie  im  Stande  sein,  über  die  Darstellungen  des  genannten  For- 
schers ein  sicheres  Urtlieil  zu  fällen.  Stilling  hat  nämlich  mit  Vergrösserungen 
gearbeitet  (7(jO — 900  linear)  ,  welche  man  bisher  allgemein  aus  Furcht  vor  optischen 
Täuschungen  nicht  anzuwenden  wagte.  Sollten  aber  neuere  Instrumente  so  ver- 
bessert sein,  dass  dergleichen  Vergrösserungen  mit  Erfolg  in  Anwendung  gezogen 
werden  könnten,  so  rauss  mau  a  priori  erwarten,  dass  Bildungen,  die  Avir  jetzt  noch 
homogen  oder  strukturlos  nennen,  bestimmte  Strukturverhältnisse  offenbaren  werden. 
Auch  üljer  den  andern  Punkt,  der  eingeworfen  werden  könnte,  dass  nämlich  die  so 
exakt  gezeichneten  Figuren  Ä^tV/i»?^'«  Kunstprodukte  versinnlichten,  lässt  sieh  schwer 
streiten,  denn  dieser  Vorwurf  würde  in  gleichem  Grade  alle  die  neueren  Untersu- 
chungen (über  lieiina  z.  B.)  treffen,  welche  mit  Hülfe  der  Chromsäure  angestellt 
wiir(h',n.  Stillhifj  selbst  übrigens  erwartet  eine  Bestätigung  seiner  Darstellung  nicht 
„von  der  nächsten  Zeit",  sondern  wünsclit  nur,  dass  man  seine  Methode  der  Unter- 
suclmng  sorgfältig  wiederliulen  solle. 


Nervengewebe.  53 

§.  56. 

Gleichwie  die  echt  quergestreifte  Muskelfaser  und  die  echt  glatte  Mutentufen 
Muskelfaser  durch  mannigfache  Mittelstufen  verbunden  sind,  so  Beiden, 
giebt  es  auch  zwischen  der  dunkelrandigen  Nervenfaser  und  der  blassen 
Bindeglieder.  Ich  habe  (Unters,  üb.  Fische  u.  Rept.)  darauf  aufmerksam 
gemacht,  dass  z.  B.  im  Grenzstrange  des  erwachsenen  Landsalamanders 
Nervenfibrillen  vorkommen,  welche  den  blassen  Fasern  dadurch  nahe 
stehen,  dass  sie  in  ihrer  Scheide  zahlreiche,  lange  Kerne  besitzen,  sich 
aber  den  dunkelrandigen  insofern  nähern,  als  die  Umrisse  der  Fasern  an 
Schärfe  die  der  blassen  Fibrillen  übertreffen,  ohne  die  dunklen  der  cere- 
brospinalen  zu  erreichen,  da  eben  die  Markscheide  oder  das  Fett  in 
geringerer  Menge  zugegen  ist,  als  bei  den  echt  dunkelrandigen.  — 
Für  den  leichten  Uebergang  der  beiderlei  Faserarten  in  einander 
spricht  auch  die  bekannte  Thatsache,  dass  die  dunkelrandigen  Ner- 
ven beim  Embryo  eine  Zeit  lang  genuin  blassrandig,  ohne  Fett- 
scheide sind  und  diese  erst  nachträglich  auftritt,  sowie  dass  an  gar 
manchen  Orten  die  dunkelrandigen  Fibrillen  bei  ihrer  Endverbrei- 
tung zu  blassen,  des  Fettes  entbehrenden,  Fasern  werden,  so  z.  B. 
die  Elemente  des  Nervus  olfactorius ,  die  Enden  der  Hornhautner- 
ven; endlich  giebt  es  Wirbelthiere,  welche  nur  blasse  oder  mark- 
lose Nerven  besitzen ,  z.  B.  die  Cjklostomen.  Mitunter  ist  die  Mark- 
scheide so  zart,  z.  B.  an  den  Ausläufern  der  Nervenfasern  im  elek- 
trischen Organ  von  Torpedo,  dass  man  erst  bei  sehr  starken  Ver- 
grösserungen  wahrnimmt,  wie  die  anscheinend  marklose  Faser  dennoch 
Spuren  der  Markscheide  besitzt. 

§•57. 

Die  Nervenfasern  und  die  Ganglienzellen  liegen  nicht  einfach  Verbindung 
neben  einander,  sondern  stehen  unter  sich  in  Verbindung  und  zwar '^^/euen^mir 
gehen  die  Fortsätze  der  Ganglien  kugeln  unmittelbar  als  Inhalt  der  ^^"^' 
Nervenröhren  fort.  Eine  unipolare  Ganglienkugel  dient  so  einer 
einzigen  Nervenfaser  zum  Ursprung,  die  sich  allerdings  bald  thei- 
len  kann,  wesshalb  auch  mehre  Fasern  in  Einer  unipolaren  Zelle 
wurzeln  können,  b(;i  den  bipolaren  verlängert  sich  die  Nervenzelle 
nach  zwei  meist  entgegengesetzten  Seiten  zu  Nervenfasern,  bei  den 
strahligen  Ganglienkugeln  werden  die  Ausläufer  ebenfalls  zum  Theil 
zu  Nervenfasern ,  zum  Theil  setzen  sich  die  Ganglienkugeln  dadurch 
selber  in  Vereinigung.  Der  weiche  granuläre  Inhalt  der  Ganglienku- 
geln stimmt  in  seinen  Eigenschaften  mit  dem  Inhalt  der  marklosen 
Nervenfasern  und  mithin  auch,  nach  Abzug  des  Fettes,  mit  dem 
Inhalte  der  dunkelrandigen  Fibrillen  überein  und  setzt  sich  daher 
von  Ganglienzelle  zu  Nervenfaser  continuirlich  fort  und  hält  man 
sich  an  die  durch  Chromsäure  bewirkte  Differenzirung  der  dunkel- 
randigen Faser  in  Markscheide  und  Achsencylinder ,  so  muss  man 
sagen,  die  granuläre  Substanz  der  Ganglienkugel  verlängert  sich 
als    Achsencylinder    in    die    Nervenfasern    (nach    Axnianti    soll    der 


erven- 
fasern. 


54 


Von   den   Geweben. 


Fig.   29. 


A  Zwei  multiijolare  Ganglienzellen  ans  der  Substantia  ferrnginea  unter  dem  Locus 
coeruleus  vom  Menschen.  Bei  a  eine  Commissur,  welche  beide  Zellen  ver- 
bindet.    (Nach  Jl.    Wagner.) 

B  Ganglienkugel  aus  dem  kleinen  Gehirn  vom  Hammerhai,  a  einer  der  blassen 
Fortsätze^,    er  wird  dicker  und  umhüllt  sich    b  mit  einer  Fettscheide. 

C  Nervenfibrillc  aus  dem  Ganglion  Trigemini  von  Scymnus  licliia  nach  Chrom- 
säurebehandlung :  a  der  Achsencylinder ,  der  unmittelbar  in  die  körnige 
Substanz  der  Ganglienkugel  übergeht.  Er  wird  bei  b  allein  von  der  ho- 
mogenen, jetzt  gefalteten  Nervenscheide  umgeben ,  während  das  Mark  aus- 
gcl'allen  ist ,    c  die  Kerne  der  Nervenscheide.     (Starke  Vergr.) 

Achsciicyliiulcr  unmittelbar  in  den  Kern  des  Ganglicnkörpers  iiber- 
gelien)  und  wenn  wie  an  den  bipolaren  Ganglienzellen  die  Nerven- 
faser auf  ihrem  Wege  vom   Centrum  zur  Peripherie    dureli  eine  ge- 


Nervengewebe. 


55 


wisserraaassen  eingeschobene  Ganglienkugel  unterbrochen  wird,  lässt 
sich  die  den  Kern  der  Ganglienzelle  umgebende  Substanz  auch  als 
ein  angeschwollener  Ach  sencylinder  auffassen.  An  den  bipolaren 
Ganglienzellen  geht  ferner  die  homogene  Hülle  der  Nervenfaser 
ebenso  continuirlich  in  die  der  Ganglienkugel  fort,  und  worauf  ich  schon 
früher  hingewiesen  (Rochen  und  Haie  S.  14,  z.  Anat.  und  Hist.  d. 
Chim.  monstr.  Müll.  Arch.  1851.)  auch  die  Markscheide  der  Nerven- 
faser breitet  sich  über  die  Ganglienkugel  aus  und  giebt  ihr  die  auf 
die  Hülle  folgende,  scharfe  Contur.  Auffallend  stark  finde  ich  diese 
Markscheide  an  den  Ganglienkugeln  des  Nervus  acusticus  der  Kno- 
chenfische {^Acerina  cernua  z.  B.)  und  der  Reptilien  {Lacerta  agi- 
lis  z.  B.) ,  wo  desshalb  die  Ganglienkugel  auf  ganz  gleiche  Weise 
wie  die  entsprechende  Nervenfaser  dunkel  gerandet  ist  und  man  beim 
ersten  Anblick  einfach  bauchige  Erweiterungen  der  Nervenfibrillen 
zu  sehen  meint.  Für  die  Ganglienzellen,  welche  an  zwei  Enden 
mit  dunkelrandigen  Nervenfasern  in  Verbindung  stehen,  ist  daher 
die  Ansicht  Bidder's  sehr  der  Natur  entsprechend,  dass  die  Gang- 
lienkugeln als  hüllenlose  Massen  in  Erweiterungen  von  Nervenröh- 
ren eingebettet  seien.  Eigenthüralich  ist  die  Erscheinung,  dass  die 
deutlich  nach  innen  gelagerten  Kerne  der  homogenen  Nervenfaser- 
hülle, sobald  sich  letztere  zur  Aufnahme  des  Ganglienkörpers  ausge- 
weitet hat,  so  zahlreich  werden,  dass  man,  wären  sie  noch  von 
einer  Zellenraembran  umgeben,  die  aber  durchaus  fehlt,  an  ein 
Epithel  denken  könnte. 

§.  58. 
Früher  glaubte    man    den  Satz    aufstellen  zu  können ,    dass    die 
Nervenprimitivfasern    während    ihres  Verlaufes    zur    Peripherie    sich 

Fig.  30. 


Verlauf  und 

Endigung 

der  Faoeru. 


End  ver  theiluiig  von  drei  Nervenfibrillen  ans  dem  Gallertkern  des  sog.  elektrischen 
Organs  aus  dem  Schwänze  von  Raja.     (Starke  Vergr.) 


56  Von  den  Geweben. 

nie  theilen.  Spätere  Untersuchungen  haben  das  gerade  Gegentheil 
hiervon  dargethan  und  man  weiss  jetzt,  dass  Theilungen  zu  den  ge- 
wöhnlichen Eigenschaften  der  Nervenfibrillen  gehören,  ja  es  scheint, 
als  ob  sämmtliciie  Nervenfibrillen  von  manchem  Muskel  oder  gewis- 
ser Organe  durch  Verzweigung  Einer  einzigen  centralen  Stammfaser 
entstehen.  So  ist  durch  Reichert  bekannt  geworden,  dass  in  einem 
Hautmuskel  des  Frosches  8-10  Fibrillen  des  Nervenstammes  in 
nahezu  400  terminale  Fasern  ausliefen  und  dass  ferner  die  bezeich- 
neten 8  —  10  Fasern  des  Nervenstammes  bei  der  Insertion  in  den 
Muskel  durch  weitere  Vereinigung  nach  dem  Kückenmark  hin  auf 
eine  Zahl  von  5  —  6  Fasern  sich  verringerten.  Ein  anderes  Bei- 
spiel von  noch  erhöhter  Vermehrung  der  Nervenfasern  durch  Thei- 
lung  kennen  wir  aus  den  von  mehren  Seiten  bestätigten  Mittheilun- 
gen Bilharzs  über  das  elektrische  Organ  yon  Mala'pterurus  electricus. 
wo  sich  ergeben  hat,  dass  alle  Nervenzweige  und  Fasern  durch 
Verästelung  aus  einer  einzigen  im  Stamm  enthaltenen  Primitivfaser 
hervorgegangen  sind. 

Eine  Frage,  die  vielfältige  Beantwortungen  erfahren  hat  und 
jetzt  noch  nichts  weniger  als  befriedigend  gelöst  wurde,  ist  die  nach 
der  Endigung  der  Nervenfibrillen.  Früher  hiess  es:  alle  Nerven- 
fasern enden  schlingenförmig,  jetzt  nach  einigen  Zwischenreden 
beeilt  man  sich,  die  Ansicht  von  den  Endschlingen  als  einen  Irrthum 
zu  verbannen  und  statuirt  1)  eine  freie  Nervenendigung,  wobei  ent- 
weder die  Fasern  sich  fein  zuspitzen,  so  in  den  Muskeln,  oder  sich 
kolbenförmig  verdicken,  wie  das  z.  B.  in  den  Pactw Aschen  Körper- 
clien  geschieht;  2)  eine  Endigung  in  terminale  Ganglienzellen,  z.  B. 
im  Nervus  vestihuli  des  Gehörorganes,  im  Geruchsorgan;  3)  eine 
Endigung  in  eigenthümliche,  stabförmige  Gebilde,  so  im  Auge,  in 
der  Schnecke  des  Gehörorganes.  Ich  werde  weiter  unten,  wenn  die 
einzelnen  Organsysteme  an  die  Reihe  kommen,  manches  au  diesem 
Schema  zu  berichtigen  finden.  Hier  sei  nur,  um  einstweilen  eine 
freiere  Uebersicht  zu  gewinnen,  vorgebracht,  dass  wie  es  nach 
neueren  Erfahrungen  scheint,  eine  Endigung  der  Nervenfasern  sowohl 
jenseits  ihres  bindegewebigen  Bodens  statt  haben  kann,  als  auch 
innerhalb  desselben.  Scheiden  wir  die  kolbige  Verdickung  des  Ner- 
venendes in  den  Pacinischen  Körpern  und  die  in  den  feinsten  Ver- 
hähnissen  noch  nicht  festgestellte  Nervenendigung  in  den  Tastkör- 
perchen aus,  so  dünkt  mir,  dass  die  Endigung  der  Nervenfibrillen 
nach  dem  Typus  der  verzweigten  Bindegewebskörper  erfolgt,  d.  h. 
eine  netzförmige  ist.  Wo  die  Lokalität  der  Untersuchung  einiger- 
maassen  günstig  sich  erweist,  hat  man  diese  Endigung  beobachtet 
{Axniann  in  der  Haut  des  Frosches,  Hiss  in  der  Cornea),  an  den 
meisten  Stellen  aber  hält  es  ausnehmend  schwer,  den  feingeworde- 
nen Fibrillen  weiter  nachzugehen,  so  dass  man  gewöhnlich  sie  mit 
fernen  Strichen  enden  zu  sehen  meint.     Die  Ansicht  von  einer  netz- 


Nervengewebe.  67 

förmigen  Endigung  der  Nervenfasern  scheint  mir  auch  gestützt  zu 
werden,  wenn  man  sein  Augenmerk  auf  die  Entwickking  der  Ner- 
venfibrillen richtet.  Ich  sehe  nämlich  mit  Reichert  und  Bidder  dass 
die  fraglichen  Fasern  in  einer  bindegewebigen  Grundlage  sich  bil- 
den und  zwar  so,  dass  in  den  sich  verlängernden  Bindegewebskör- 
pern  (die  „feinen,  röhrenförmigen  Höhlungen")  die  Nervensubstanz 
sich  ansammelt.  Auch  im  Schwänze  der  Batrachierlarven ,  ein  be- 
kanntlich sehr  günstiges  Objekt  für  dergleichen  Forschungen,  nimmt 
man  klar  und  deutlich  wahr,  wie  die  Nervensubstanz  sich  in  die 
verzweigten  Zellen  (Bindegewebskörper)  absetzt  und  zwar  von  den 
Stämmen  gegen  die  Peripherie  vorschreitend,  so  dass  zuletzt  das  Bild 
die  grösste  Neigung  zur  Verähnlichung  mit  dem  Endnetze  der  Horn- 
hautnerven zeigt.  Auch  sei  angefügt,  dass  z.  B.  die  dunkelrandigen 
Mesenterialnerven  einer  etliche  Tage  alten  Katze,  in  situ  naturali  ein 
auffallend  gezackt-randiges  Aussehen  mir  darboten  und  dadurch  an 
ihren  Ursprung  gemahnten. 

Fig.  31. 


Die  anscheinende  Nervenendigung  in  den  Nervenknöpfen  der  sog.  Schleim- 
kanäle vom  Kaulbarsch  :   a  die  Bogen  der  dunkelrandigen  Fasern,  b  die  Epithel- 
zellen  und  zwischen  ihnen  die  fraglichen  Bildungen.     (Starke  Vergr.) 

Was  die  Endigung  der  Nervenfibrillen  jenseits  bindegewebiger 
Straten,  in  den  Epithelien  nämlich,  betrifft,  wie  man  dergleichen  in 
neuester  Zeit  im  Geruchsorgan  gesehen  zu  haben  glaubt,  so  wage 
ich  vorläufig  nicht,  eine  bestimmte  Meinung  zu  äussern,  doch  ge- 
traue ich  mir  anzugeben,  dass,  wenn  die  Nerven  wirklich  in  das 
Epithel  hereintreten,  sie  gewiss  nicht  in  die  Epithelzellen  sich  fort- 
setzen, sondern  in  eigene  das  Licht  stark  brechende  Streifen,  die 
man  am  Nasenepithel  zwischen  den  Zellen  sieht;  noch  mehr  werde 
ich  darin  bestärkt  durch  die  Ansichten,  welche  man  an  den  von 
mir  aufgefundenen  Nervenknöpfen  in  den  sog.  Schleimkanälen  der 
Knochenfische  erhält,  wozu  man  die  beistehende  Figur  31  vergleichen 
möge.  Hier  gehen  nämlich  zwischen  den  sehr  langen,  den  Nerven- 
knopf deckenden  Cylinderzellen  eigenthümliche  fasrige  Züge  in  die 
Höhe,  ganz  vom  Habitus  blass  gewordener  Nervensubstanz  und  enden 
in  grubenförmigen  Vertiefungen  des  Epithels  mit  einer  zelligen  An- 
schwellung. 


58  Von  den  Geweben. 

§.  59. 
Die  beschriebenen  Elemente  des  Nervengewebes^  die  Ganglien- 
kugeln und  Nervenfasern  lagern  sich  in  grösseren  Massen  zusammen 
und  erzeugen  damit  Gehirn,  üückenmark,  die  Ganglienknoten 
und  die  Nervenstränge.  Die  Vereinigung  der  spezifisch  nervösen  Ge- 
bilde zu  grösseren  Abtheilungen  erfolgt  durch  Bindegewebe,  hier  Neu- 
rilem  genannt.  Die  weisse  Substanz  der  Nervencentreu  besteht  aus 
Anhäufungen  von  Nervenfibrillen ,  in  der  grauen  Substanz  walten  die 
Ganglienkugeln  vor,  ebenso  in  den  Nervenknoten  und  die  periphe- 
rischen Nerven  scheiden  sich,  wie  die  Primitivfasern  in  weisse  sil- 
berglänzende Stränge  oder  cerebrospinale  Nerven,  und  in  grau- 
röthliche  etwas  durchscheinende  oder  sympathische  Nerven.  Die 
ersteren  bestehen  aus  dunkelrandigen  Fasern.,  die  letzteren  haupt- 
sächlich oder  ganz  aus  blassen  oder  i?ewia/i;'schen  Fibrillen. 

§.  60. 

Es  ist  ein  allgemeineres  Vorkommniss,  dass  wenn  zahlreiche 
Nervenfasern  concentrirt  auf  kleinem  Umfang  enden,  zugleich  damit 
ein  reiches  Geflecht  von  Capillargefässen  die  Stelle  versorgt. 
Beispielsweise  sei  angeführt  das  dichte  Gcfässnetz  an  den  Septen  der 
Ampullen  und  in  der  Schnecke  des  Gehörorganes,  ebenso  an  den  Ner- 
venknöpfen in  den  sog.  Schleimkanälen  der  Fische ;  die  Plexus  cho- 
roidei  der  Nervencentreu  dürfen  vielleicht  unter  denselben  Gesichts- 
punkt gebracht  werden. 

§•  61. 
Nerven-  Mit  Ausuahmc  dcr  paar  Bemerkungen  über  Ganglienkugeln  bezieht 

osln.  sich  das  bisjezt  über  das  Nervengewebe  Gesagte  ausschliesslich  auf  die 
Wirbelthiere ,  wir  haben  daher  der  Wirbellosen  noch  besonders  zu 
gedenken. 

Die  Nervensubstanz  erscheint  morphologisch  auch  hier  als  Zellen- 
inhalt und  als  streifige,  den  Fibrillen  der  Vertebraten  entsprechende 
Materie.  Die  Ganglienkugeln  wechseln  sehr  in  ihrer  Grösse,  so^vohl 
nach  dcnThiergruppcn  wie  auch  häufig  in  einem  und  demselben  Thier;  die 
Muscheln,  Insekten,  Spinnen  haben  im  Allgemeinen  kleine  und  zarte 
Ganglienzellen,  doch  lassen  sich  auch  Ausnahmen  aufiühren  ;  das  Ganglion 
frontale  der  Horniss  z.  B,^  aus  w^elchem  die  Schlundnerven  hervorgehen, 
ist  aus  sehr  grossen  Ganglienkugeln  zusammengesetzt.  Umfängliche 
Ganglienkugeln  beobachtet  man  auch  beiniFlusskrebs,  dciiBlutegeln, 
wo  einzelne,  so  wie  auch  bei  Schnecken  eine  solche  Ausdehnung  er- 
reichen, (las  man  t^ie  mit  freiem  Auge  bequem  sehen  kann.  —  Von  Ge- 
stalt .sind  sie  rundlich,  länglich,  seltner  sternförmig,  haben  einen  oder 
mehrere  Jverne  sammt  Nucleolus.  Der  Inhalt  zeigt  sich  gewöhnlich  fein 
molekular,  seltner  {Piscicola,  Sangnisuga,  Haemopis,  Ztsch.  f.  w.  Z.  1849. 
S.  i;')())  von  bestimmten  Ganglicnkugeln  in  eigenthümh'ch  grobbröcke- 
liger Form. 


gewebe 
Wirbell 


Nervengewebe.  59 

§.  62. 
Was  die  fibrilläre  Nervensnbstanz  unLelangt,  so  springt  vor  Allem 
in  die  Augen,  dass  bei  keinem  Wirbellosen  dunkelrandige,  d.  i.  mit 
„Markscheide"  versehene  Primitivfaser]i  angetroffen  Averden ,  vielmehr 
entsprechen  vom  morphologischen  Standpunkt  aus  die  faserigen  nervösen 
Elemente  der  Wirbellosen  nur  den  blassrandigen  oder  sympathischen 

Fig.  32. 


Nervenstämmchen  von  einem  Insekt, 
a  die  fibrilläre  Nervensubstanz,  b  die  homogene   Scheide.     (Starke  Vergr.) 

Nervenfasern  der  Wirbelthiere  und  diese  Gleichstellung  erstreckt  sich 
auch  auf  die  geringe  Selbständigkeit,  welche  häufig  an  der  Fibrillenmasse 
der  Wirbellosen  bemerkbar  ist:  in  einer  bindegewebigen  Hülle  nämlich, 
die  zahlreiche  Kerne  besitzt,  liegt  eine  blasse,  feinkörnige  Substanz. 
Gerade  so  ist  das  Bild  vom  Olfactorius  (des  Frosches,  Proteus  z.  B.), 
welcher  Nerv  bei  allen  Wirbelthieren  ebenfalls  nur  aus  grauen  Elementen 
besteht.  Mitunter  zeigt  die  fibrilläre  Substanz  der  Nervenstämme  eine 
schärf  ere  Differenzirung  in  Fibrillen  von  zwar  blassen,  aber  bestimm- 
ten Umrissen,  was  mir  z.  B.  an  mehreren  Spinnenarten  gegenüber  den 
Insekten  aufgefallen  ist.  Eine  Erscheinung,  derman  noch  weitere  Aufmerk- 
samkeit zuwenden  darf,  ist,  dass  bei  Arthropoden  neben  und  mit  dem 
gewöhnlichen  fibrillären  Contentum  der  Nervenstämme  davon  sehr  ab- 
stechende faserig-röhrige  Gebilde  vorkommen,  die  vom  Flusskrebs  schon 
Ehrenber(j  und  Hannover  gekannt  und  namentlich  von  ÄewaÄ;  genauer 
beschrieben  worden  sind.  Reichert  hat  diese  „kolossalen  Nervenfasern", 
welche  noch  ein  centrales  Faserbündel  besitzen,  das  in  Stäbchen  zerfallen 
kann,  beanstandet  und  einen  Irrthum  vermuthet,  allein  ich  sehe  diese  Bil- 
dung wiederholt  und  nicht  minder  bei  Käfern,  z.  B.  an  den  vom  Gehirn 
abgehenden  Nerven  von  Lampyris  spendidula^  (das  lebende  Thier  unter 
Zuckerwasser  geöffnet) ;  sie  sind  hier  nicht  so  breit,  als  bei  Astacus,  auch 
vermisse  ich  noch  die  centrale  Masse ,  indem  sie  gleichmässig  hell  aus- 
sehen. Hätten  die  Nerven  Blutcapillaren  und  wären  die  Bohren  ver- 
zweigt, so  könnte  man  sie  für  solche  halten,  einstweilen  aber  wäre  ich 
geneigt,  in  ihnen  die  Aequivalente  der  dunkelrandigen  Nervenfasern  zu 


60 


Von  den  Geweben. 


Nervenfasern  aus  dem  Bauchstrange   des  Flusskrebses. 

a  ganz  breite  Röhren  mit  innerem  Faserbündel,  b  mitteldicke,   c  die  feinen, 

letztere  von  mehr  granulärer  Beschaffenheit.     (Starke  Vergr.) 

erblicken,  um  so  mehr,  als  ich  beim  Krebs  allmählige  Uebergänge  von 
den  granulären  Fibrillen  in  diese  hellen  und  in  den  Extremen  so;breiten 
Röhren  wahrnehme. 


§• 


63. 


Das  Verhältniss,  in  welchem  die  Fibrillen  der  Wirbellosen  zu  den 
Ganglienkugeln  stehen ,  ist  analog  dem,  was  hierüber  von  den  Wirbel- 
thieren  vorgetragen  wurde.  Die  Körnchen^,  jener  Masse  nämlich,  welche 
die  hellen  Ganghenkerne  umschliesst  (Inhalt  der  Ganglienkugel),  ordnen 
sich  nach  einer  oder  mehreren  Seiten  hin  linear  nnd  gehen  so  zu  einem 
feinstreifigen  Strang  vereint  von  der  Ganglienzelle  weg.  War  die 
letztere  mit  einer  deutlichen  Membran  versehen ,  so  begleitet  diese  das 
abgehende  Bündel  als  Nervenscheide  und  isolirt  dadurch  die'annerhalb 
des  Nervenstammes  gelegenen  Fibrillcnbündel ;  im  Falle  sie  nicht  vor- 
handen ist,  zeigt  der  Nervenstamm  nur  eine  gleichmässige  feine  Längsstrei- 
fung  innerhalb  seines  Ncurilems.  Es  steht  sohin  die  feinstreifige  Nerven- 
substanz der  wirbellosen  Thiere  zum  Ganglicjikiigelinhalt  in  derselben 
Beziehung,  wie  die  Substanz  der  Achsencylinder  bei  Wirbelthiercn  zum 
Contentum  der  Ganglienkugel:  beide  Gebilde  sind  unmittelbare  Fort- 
setzungen der  Körnermasse,  welche  die  Kerne  der  Ganglienkugeln 
umhüllt. 

§.64. 

Zugleich  mit  den  Ganglienkugeln  kommt  in  den  Nervencentren  vieler 
Wirbellosen  noch  eine  Punktmasse  und  zAvar  oft  in  reichlicher  Menge 
vor,  so  bei  Arthropoden  (bei  den  Spinnen  scheint  mir  die  Punktmasse 
die  Mitte  der  Ganglien  einzunehmen,  und  um  sie  herum  higern  sich  die 
Nervenzellen);  bei  manchen  Wüiinern,  Mollusken  {Unio,  Anodonta, 
Paludina  z.  B.)  enthält  die  (»hisse  farblose  Punktsubstanz,  in  der  die 
Gangüenkugcln  eingebettet  sind,  noch  glänzende,  gelbJiel)  gefärbte 
Körpcrchen,  bei  Cyclas  cornea  von  schmutzig  brauner,  bei  Aylysia  von 


Regeneration  der  Gewebe.  61 

schwärzlich  rother  Farbe.  Die  Punktsubstanz  kann  auch  nur  in  gerin- 
geren Spuren  zugegen,  selbst  ganz  geschwunden  sein  und  die  Ganglien- 
kugeln sich  unmittelbar  berühren.  Uebrigens  hängen  dergleichen  Diffe- 
renzen auch  damit  zusammen,  ob  die  Ganglienkugel  durch  eine  schärfere 
Hülle  abgegrenzt  wird  oder  nicht,  denn  häufig  sind  die  Formen  der  Art, 
dass  klare  Kerne  mit  NucleoUs  von  Partien  der  Punktsubstanz  bloss 
hofartig  umgeben  werden  und  vielleicht  lässt  sich  gar  kein  wesentlicher 
Unterschied  zwischen  solcher  extracellulärer  Punktsubstanz  und  der  in 
der  Ganglienkugel  eingesclilossenen  aufrichten,  da  bei  manchen  Thieren 
(Akalephen,  Nemertinen)  xia,Q\x  Leuckart  keine  Ganglienkugeln  an- 
wesend wären ,  sondern  eben  die  gleichmässige  Punktsubstanz  das  ver- 
zweigte nervöse  Röhrensystem  anfülle.  (Auch  in  den  Nervencentren,  den 
Nebennieren  und  sympathischen  Ganglien  der  Wirbelt  hier  e  existirt 
eine  solche  Punktsubstanz  und  man  könnte  in  ihr  vielleicht  einen  mehr 
indifferenten  Ätoff  erblicken,  mit  der  Bestimmung,  den  leicht  verletz- 
Kchen  Ganglienkugeln  eine  weiche  Unterlage  zu  geben.) 

Ein  Beispiel  von  Ganglien,  wo  die  Zellen  dicht  aneinander  gedrängt 
sind ,  ohne  Punktmasse  dazwischen,  bietet  nach  der  Darstellung  von 
Meissner  die  Gattung  Mermis  dar. 

Das  eigentliche  peripherische  Ende  der  Nervenfasern  zu  erforschen, 
wird  wegen  der  blassen  zarten  Beschaffenheit  der  in  Betracht  kommen- 
den Bildungen  natürlich  noch  schwieriger  als  bei  Wirbelthieren,  doch 
hat  sich  soviel  erkennen  lassen,  dass  nicht  selten  terminale  Ganglienzellen 
an  der  Endverbreitung  der  Nerven  sich  finden,  so  wie  dass  mitunter  das 
Nervenende  noch  eine  Ausrüstung  mit  eigenthümlichen  Körperchen  er- 
halten kann  (s.  unten). 

Die  Ganglienkugeln  wurden  zuerst  beobachtet  von  Ehrenberg  (1833),  Valentin 
hat  das  Verdienst,  sie  als  wesentlichen  Bestandtheil  des  Nervensystems  nachgewiesen 
zu  haben  (1836) ,  den  tieferen  Zusammenhang  der  Ganglienkugeln  mit  Nerven- 
fasern haben  später  ^e^mÄo/^s,  Hannover,  Will,  Kölliker,  B.  Wagner,  Bidder 
u.  A.  erforscht. 

§.  65. 
Wenn  man  die  aufgeführten  Gewebe  bezüglich  ihrer  Regen  erations-  Regene 
fähigkeit  nach  Substanzverlusten  mit  einander  vergleicht,  so  ergiebt  sich, 
dass  die  selbständig  gebliebenen  Zellen,  also  Blut,  Lymphe,  Epithelien, 
Horngewebe,  Krystallinse  sich  leicht  wieder  erzeugen ,  ebenso  die  Ge- 
webe der  Bindesubstanz,  besonders  das  gewöhnliche  Bindegewebe  und 
Knochensubstanz,  in  Knorpelwunden  hingegen  geschieht  die  Vereini- 
gung durch  Bindegewebe,  wohl  aber  tritt  Knorpelgewebe  gern  acci- 
dentell  auf.  Muskelgewebe  scheint  seltener  einer  Neubildung  fähig  zu 
sein,  während  sich  die  Nervensubstanz  leicht  regenerirt.  Von  den  beiden 
zuletzt  genannten  Geweben  ist  auch  ein  accidentelles  Vorkommen  beo- 
bachtet worden. 

Ii„  Ueber  die  Regeneration  des  Nervengewebes  haben  neuerdings  besonders  Bruch, 
Kültner,  Lent,  Schiff  uuä  TFa^^e»- Untersuchungen  angestellt.  —  Die  Rippenknor- 
pelbrüche  lieilen,  wie  auch  Klopsch  beobachtet  hat,  ausschliesslich  durch  Binde- 


ration  der 
(reNvebe. 


62  Von  den  Organen. 

gewebe,  und  zwar,  wie  es  scheint,  durch  Wucherung  des  an  der  Bruchstelle  vor- 
findlichen  Bindegewebes.  Dasselbe  kann  später  verknöchern  und  einen  Ring 
bilden,  der  die  Bruchfragmente  umgiebt. 

An  einer  Vo  Zoll  langen,  äusserlich  und  auch  awf  dem  Durchschnitt  schwärz- 
lich pigmentirten  neugebildeten  Schwanzspitze  einer  Eidechse  war  die  Muskulatur 
aus  verhältnissmässig  kurzen  Schläuchen  gebildet,  welche  eine  Rinden-  und  Achsen- 
substanz zeigten  und  in  letzterer  dicht  aneinander  gereihte  querovale  Kerne.  Mitten 
durch  die  regenerirte  Schwanzspitze  zog  ein  weisslicher  Streifen,  einer  Chorda 
dorsalis  vergleichbar,  bestand  aber  nicht  aus  den  grossen  Zellen  der  Chorden- 
substanz der  Fische  und  Batrachier,  sondern  aus  kleineu  spindelförmigen,  eng 
aneinander   liegenden  Zellen. 

§.  96. 
Durch  die  Vereinigung  etlicher  oder  aller  Gewebe  zu  einem  grösseren 
G-anzen  oder  einer  neuen  morphologischen  Einheit  zum  Zwecke  einer 
complicirten  physiologischen  Leistung  kommt  ein  Organ  zu  Stande,  und 
insofern  wieder  die  Organe  zu  grösseren  Gruppen  von  bestimmter  Funk- 
tion sich  zusammenthun ,  spricht  man  von  organischen  Systemen. 
Man  kann  deren  folgende  aufzählen : 

1)  das  System  der  äussern  Haut; 

2)  das  Knochensystem; 

3)  das  Muskelsystem; 

4)  das  Nervensystem  und  die  Sinnesorgane; 

5)  das  System  der  Verdauungswerkzeuge; 

6)  das  System  der  Athmungsorgane; 

7)  das  Circulationssystem; 

8)  das  System  der  Harn-  und  Geschlechtswerkzeuge. 

Unsere  Aufgabe  verlangt  jetzt,  über  diese  Systemgruppen  beim 
Menschen  und  durch  die  Reihen  der  Thierwelt  Rundschau  zu  halten, 
wobei  freilich  vorderhand  das  vorüberziifüln-ende  Material  grosse  Lücken 
zeigt,  welche  auszufüllen  noch  die  Thätigkeit  Vieler  in  Anspruch 
nimmt. 


Zweiter  oder  spezieller  Tlieil. 


Erster  Abschnitt. 


Von  der  äusseren  Haut  des  Menschen. 


§•  67. 

Die  äussere  Haut  bildet  die  allgemeine  Hülle  des  Körpers  und 
bestellt  aus  zwei  von  einander  sehr  verschiedenen  Lagen,  von  denen 
die  eine  —  die  Oberhaut  —  dem  gefäss-  und  nervenlosen  HorngewebCj 
die  andere  —  Lederhaut  —  der  gefäss-  und  nervenhaltigen  Binde- 
substanz angehört.  Dazu  kommen  als  besondere  Hornentwickelungen 
die  Haare  und  Nägel  und  als  Einsackungen,  an  denen  sich  sowohl 
die  Oberhaut  als  auch  die  Lederhaut  betheihgen,  die  Haarbälge  sammt 
Talgdrüsen,  endlich  die  Schweissdrüsen. 

§.  68. 

Die  Lederhaut,  Corium,   ist  eine  feste,    derbe  Membran,   deren  Lederhaut. 
Dicke  nach  den  verschiedenen  Körpergegenden  wechselt.    Sie  erscheint 
am    dünnsten   am   äusseren    Gehörgang,    an  den  Augenlidern,    ist   im 
Allgemeinen  stärker  an  der  hintern  Körperfläche ,  als  an  der  vorderen 
und  hat  den  grössten  Durchmesser  an  der  Ferse. 

Li  chemischer  Beziehung  offenbart  die  Lederhaut  die  Eigenschaften 
des  Bindegewebes,  sie  fault  ziemlich  spät,  schrumpft  in  kochendem 
Wasser  anfangs  zusammen,  löset  sich  aber  bald  in  demselben  zu 
Leim  auf  Wird  sie  aufgeweicht  und  hernach  mit  gerbsäurehaltigen 
Pflanzenstoffen  zusammengebracht,  so  fault  sie  gar  nicht  mehr,  sie  ist 
gegerbt. 

Blicken  wir  auf  den  feineren  Bau  der  Lederhaut,  so  besteht  sie 
aus  einem  an  elastischen  Fasern  reichen  Bindegewebe,  dessen  in  ver- 
schiedenen Richtungen  sich  kreuzenden ,  bündeiförmigen  Abtheilungen 
entweder  sehr  dicht  aneinandergefügt  sind  oder  in  mehr  lockerer 
Weise  sich  verweben,  so  dass  grössere  und  kleinere  Lücken  dazwischen 
bleiben  und  man  unterscheidet  desshalb  an  der  Lederhaut  eine  obere, 
dichtere  Schicht,  die  sog.  Pars  papillaris  und  eine  untere  netzförmig 

Lejdig,   Histologie.  ^ 


66 


Von  der  äusseren  Haut  des  Menschen. 


Haut 


Durchschnitt    der    Haut    an    einer    Fingerbeere. 

a  Hornschicht  der  Epidermis,  b  Schleiinschicht,  c  Lederhaut,    d  Papillen, 
e  Schweissdrüsen ,    f  Fettträubchen,    g  Nerven,    in  zwei  Papillen  in  Tast- 
körperchen ausgehend,  h  Blutgefässe.     (Geringe  Vergr.) 

durchbrochene  Lage,    die  Pars  reticularis,   wobei  nicht  zu  vergessen, 
dass    eine    derartige    Trennung   eine    rein   künsthche    ist  und  lediglich 
der  bequemeren  Beschreibung  halber  geschieht. 
Papillen  der  DJg  Obcrfläche  dcr  Pars  papillaris  erscheint  nicht  eben,  sondern 

erhebt  sich  überall  in  zarte  Erhöhungen,  die  an  einigen  Körperge- 
genden (Kopfschwarte  z.  B.)  nur  als  niedrige  Leistchen  auftreten, 
meist  aber  in  Form  von  kleinen  Hügelchen  oder  Wärzchen  in  eine 
oder  mehrere  Spitzen  auslaufend,  sich  darbieten.  Diese  Hautwärzchen 
oder  Papillen  stehen  einerseits  ohne  alle  auffindbare  Ordnung  hier 
zerstreut  (z.  B.  an  den  Extremitäten)  dort  dichter  gedrängt  (z.  B.  am 
männlichen  Glied,  Brustwarze),  andererseits  zeigen  sie  in  der  Hand- 
und  Fus.sfläche  eine  sehr  regelmässige  Gruppirung,  indem  sie  da  auf 
hervorspringenden  Leistchen  der  Lederhaut  wirbeiförmig  oder  spiralig 
verlaufende  Hiigeh-eihcn  bilden. 

Am  letzteren  Ort  sind  auch  die  Papillen  am  entwickeltsten  und  man 
kann  sie,  sowie  vielleicht  noch  an  einigen  anderen  Körperstellen  (Lippen, 
Zungenspitze)  nach  ihrem  Verhalten  zu  den  Gefässen  und  Nerven  in 
Getässwärzchen  und  in  Nervenwärzchen  scheiden.  Die  ersteren 
haben  nur  eineGefässschlingc  mit  eng  aneinander  liegenden,  oft  theilweise 
spiralig  umeinander  gedrehten  Schenkeln,  ohne  intermediäres  Gefäss- 
netz,  die  zweiten  die  Nerven-  oder  Gefühlswärzchon,  enthalten  in  ihrem 
Innern  einen  meist  eiförmigen,  tannenzapfenartlgen  Kein  das  von 
Meissner  und  R.   Wagner  vor  mehi'cren  Jahren  aufgefundenen  Tast- 


Basement 
membrane. 


Lederhaut.  67 

körperchon    und    ein   Nervenstämmchen,   mit   dem   Tastkörperchen    in 
näherer  Beziehung  stehend.     (Wovon  unten   ein  Mehreres.) 

§•  69. 

Gleichwie  schon  für  das  freie  Auge  die  Lederhaut  nach  der  freien 
Fläche  zu  compacter,  gewissermassen  homogener  wird,  so  wiederholt 
sich  das  auch  im  mikroskopischen  Aussehen.  Die  Bindesubstanz  geht  in 
eine  homogene  Grenzschicht  aus^  die  sich  als  heller  Saum  darstellt 
und  von  manchen  Autoren  als  eigene  Haut  (Basement  membrane)  unter- 
schieden wird.  An  den  Papillen  macht  die  bezeichnete  Grenzschicht 
durch  Faltung  den  Papillenrand  fein  gezähnelt. 

Die  Pars  reticularis  der  Lederhaut  verliert  sich  in  der  Tiefe  in 
das  Unterhautbindegewebe,  durch  welches  die  Verbindung  mit  den 
unter  der  Haut  gelegenen  Theilen  in  mehr  lockerer  oder  strafferer 
Art  bewerkstelligt  wird.  In  den  Maschenräumen  des  Unterhautbinde- 
gewebes findet  sich  eine  grössere  oder  geringere  Menge  von  Fett- 
zellen angesammelt,  daher  auch  der  Name  Panniculus  adiposus. 

§.  70. 

Die  Lederhaut  besitzt  auch  glatten  Muskeln,  so  im  Unterhautbin-  Muskeh, 
degewebe  des  Hodensackes  als  Tunica  dartos,  ebenda  am  Glied  und 
am  vorderen  Theil  vom  Mittelfleisch,  meist  in  netzförmigen,  schon 
für  das  freie  Auge  wahrnehmbaren  Zügen  verlaufend,  ferner  im  War- 
zenhof, wo  sie  circulär,  und  in  der  Brustwarze,  wo  sich  Längen-  und 
Ringmuskeln  geflechtartig  verbinden,  endlich  sind  alle  behaarten  Haut- 
stellen mit  kleinen  Bündeln  glatter  Muskeln  (arrectores  pili)  ver- 
sehen, welche  von  den  obersten  Theilen  der  Lederhaut  herkommen, 
schräg  gegen  die  Haarbälge  verlaufen,  um  sich  an  dieselben,  unter- 
halb der  Talgdrüsen  anzusetzen. 

Die   zahlreichen  zur  Haut  gehenden  Blutgefässe   lösen  sich  in    «efäase. 
theils    weitmaschigere,    theils  engere   Capillarverzweigungen   auf  und 

Fig.  35. 


Gefässpapille,    starke  Vergrösserung.     a  die  Blutgefässschlinge. 

bilden  zuletzt  im  Papillarkörper  ein  äusserst  dichtes  Netz  sehr  feiner 
Gefässe,  aus  denen  die  oben  erwähnten  Schlingen  in  die  Gefässpapillen 
aufsteigen. 

Die  Anfänge  der  Lymphgefässe,  welche  in  den  äusseren  Theilen 
der  Haut  ein  dichtes  Netz  formen,  sind  wohl  nichts  anderes,  als  die 
untereinander    zusammenhängenden  feineren    Hohlgänge     der    Binde- 

5* 


68  Von  der  äusseren  Haut  des  Mensehen. 

Substanz,  die  sog.  Bindegewebskörperchen.     (Vergl.  unten  Lymphge- 
fässsystera.) 
Nerven.  Die  Hciut    ist  veich  an  Nerven.    Diese  kriechen  erst  bogenförmig 

im  Unterhautbindegewebe  fort,  theilen  sich  hier  und  senden  ihre  Endäste 
senkrecht  in  die  Höhe  zu  den  Papillen.  In  jenen  Hautgegenden,  die 
sich  durch  ein  sehr  entwickeltes  Tastgefühl  auszeichnen,  bergen  die 
mit  Nerven  versorgten  Papillen  ein  Tastkörperchen  in  sich.  Ueber 
den  letzten  Bau  der  Corpuscula  tactus  herrschen  noch  verschiedene  An- 

Fig.  36. 


Nervenpapille,  starke  Vergrösserung.  a  Nerven,  b  Tastkörperchen. 
j  sichten.  Die  Einen,  {Meissner,  R,  Wagner,  Gerlach^  deren  Ansicht 
ich  zustimme)  halten  sie  für  wesentlich  nervös,  obschon  sie  das  mikro- 
skopische Bild  verschiedentlich  auslegen.  Nach  Wagner  und  Meissner 
dringen  die  Ncrvenfibrillcn  der  Papillen  in  die  Tastkörperchen  ein  und 
breiten  sich  büschelförmig  oder  handförmig  in  ihnen  aus,  um  da  zu 
enden;  Gerlach  deutet  die  Conturen  des  Tastkörperchens  auf  einen 
Nervenglomerulus ;  mir  scheint  das  Centrum  des  Tastkörperchens 
Nervensubstanz  zu  sein,  um  w^elche  herum  sich  eine  bindegewebige 
Schale,  Neurilem,  legt.  (Müller's  Arch.  1856.)  Doch  muss  ich  be- 
kennen, dass  mir  mitunter  die  Auffassung  Ger  lach! s  als  die  richtigere 
vorkam,  namentlich  an  solchen  Tastkörperchen,  die  von  möglichst 
frischen  Präparaten  entnommen,  einige  Stunden  lang  der  Einwirkung 
von  Natronlauge  ausgesetzt  waren.  Da  ist  die  Zeichnung  so,  als  ob 
die  scharfen  Querlinien  des  Tastkörperchens  verschlungene  Hohlräume 
begrenzten,  in  denen  die  helle,  durch  das  Natron  aufgequollene  Ner- 
r.  vensubstanz  enthalten  wäre.  Andere  erblicken  in  den  Tastkörpcrclicn 
nur  Organe  von  bindegewebiger  Natur,  eine  festere  Axe  der  Papillen, 
an  denen  die  Nervenröhren  äusserlich  iiei'aufgehcn  und  auch  ausser- 
halb der  Tastkörperchen  enden.  Wo  die  Papillen  ohne  Tastkörperchen 
sind  und  doch  Nerven  in  sie  eingehen ,  verlaufen  die  Fibrillen  der 
letzteren  bis  zum  Gipfel  der  Papillen  und  scheinen  fein  zugespitzt  mit 
freiem  Ende  aufzuhören. 

§.71. 
überimut.  Ucber    dlc   freie    Fläche    der   Lederhaut   weg,    zieht    eine  dünne 

Membran,  die  Epidermis,  die,  weil  zum  gefäss-  und  nerveidosen  Horn- 
gcwebc  gehörig,    bei  Verwundung  weder  schmerzt   noch    blutet.     Da 


Oberhaut. 


69 


sie  in  alle  Vertiefungen  der  Lederliaut  sich  einsenkt  und  wieder  über 
alle  Hervorragungen  weggeht,  so  wiederholt  sie  in  ihren  Conturen 
die  der  Aussenseite  der  Lederhaut,  giebt  daher  auch  in  der  Volar- 
und  Plantarfläche  der  Hand  und  des  Fusses  jene  zierlichen  Linien 
wieder,  die  von  den  darunter  liegenden  Leistchen  der  Lederhaut  be- 
wirkt werden. 

Die  Farbe  der  Oberhaut  ist  bei  der  weissen  Menschenrage  im 
Allgemeinen  durchscheinend  oder  leicht  gelblich,  bei  den  farbigen 
Stämmen  braun  bis  schwarz. 

Die  Stärke  der  Epidermis  ändert  sich  ab  nach  den  verschiedenen 
Körpergegenden;  sie  ist  dünn  im  Gesicht,  dicker  am  Rücken  und 
am  mächtigsten  in  der  Hohlhandfläche  und  Fusssohle. 

Vom  chemischen  Gesichtspunkt  aus  betrachtet,  zeigt  die  Ober- 
haut die  Eigenschaften  des  Hornstoffes.  Sie  ist  unlöslich  in  Wasser 
wird  von  kaustischen  Alkalien  und  concentrirten  Säuren  erweicht  und 
später  vollständig  gelöst. 

§.72. 

Mikroskopisch  besteht  die  Epidermis  aus  lauter  selbständig  ge- 
bliebenen Zellen,  sie  sind  in  dichter  Folge  auf  und  nebeneinander 
gereiht  und  bilden  dadurch  Lamellen,  die  zusammen  wieder  zwei 
schon  dem  freien  Auge  unterscheidbare  Hauptlagen  formen,  eine 
untere    die  sog.  Schleimschicht  [Bete  Malpighii)  und  eine  obere  die 

Hornschicht. 

Fig.  37. 


Epidermis    im  Durchschnitt,  starke  Vergrösserung. 

a  Hornschicht,    h  Schleimschicht,    c  Spiralgang  einer  Schweissdrüse,  d  die 

Käume  für  die  Papille  der  Lederhaut. 

Die  Schleimschicht  stösst  unmittelbar  an  die  Lederhaut  an,  ist 
weicher,    feuchter,    ihre  Zellen  sind  kernhaltige  Bläschen,   welche    in 


Schleim- 
Bchich.t. 


Haare. 


70  Von  der  äusseren  Haut  des  Menschen. 

der  untersten  Lage  eine  längliche  Gestalt  haben ,  dann  weiter  nach 
aussen  rundlich  werden  und  endlich,  indem  sie  der  Hornschicht  nahe 
kommen,  sich  horizontal  abplatten  und  polygonal  begrenzen.  Wo 
die  Haut  bräunlich  gefärbt  erscheint,  wie  an  den  Genitalien,  Umge- 
bung des  Afters,  Brustwarze  (oder  pathologisch  bei  Sommersprossen, 
Muttermälern  etc.)  sind  die  Zellen  der  Schleimschicht  in  höherem  oder 
geringerem  Grade  mit  Pigmentkügelchen  erfüllt.  Auch  die  dunkle 
Hautfarbe  des  Negers  hängt  von  dem  Pigmentinhalte  der  Zellen  der 
Schleimschicht  ab. 
Hornschicht.  DIc  Homschicht  ist  trockner  und  härtlicher,  ihre  Zellen  sind  auf's 

äusserste  abgeplattet  und  stellen  dünne,  unregelmässig  gestaltete,  oft 
wie  gerunzelte  oder  gefaltete  Schüppchen  dar,  jedoch  nach  Anwen- 
dung von  Essigsäure  oder  kaustischen  Alkalien  quellen  sie  zu  hübschen 
Bläschen  auf,  an  denen  auch  noch  da  und  dort  der  Rest  eines  Kernes 
sich  erkennen  lässt.  —  Beim  Neger  hat  auch  die  Hornschicht  einen 
gelblichen   oder  bräunlichen  Anflug. 

§.>3. 

Die  Haare  sind  fadenförmige  Horngebilde,  welche  mit  Ausnahme 
weniger  Stellen  (wie  z.  B,  der  Hohlhand,  der  Fusssohle)  auf  der 
ganzen  Oberfläche  der  Haut  und  zwar  meist  in  schiefer  Richtung 
wurzeln.  (Pathologisch  ist  ihr  Vorkommen  auf  Schleimhäuten,  bei 
einigen  Säugern  jedoch,  den  Hasen  z.  B.  stehen  normal  Haare  an  der 
inneren  Seite  der  Backen.  Abnorm  sind  Haare  noch  beim  Menschen 
an  verschiedenen  Stellen,  in  Cysten  z.  B.  beobachtet  worden.)  Ihre 
Dicke,  ihre  Länge  ist  nach  den  Körpergegenden  und  individuell 
manchen  Verschiedenheiten  unterworfen.  Seltener  zeigen  sie  sich  als 
vollkommen  runde  Cylinder,  gewöhnlich  sind  sie  mehr  oder  minder 
plattgedrückt  und  für  den  ersteren  Fall  treten  sie  als  schlichte,  im 
zweiten  als  krause  Haare  auf. 

Die  Haare  sind  fest,  jedoch  dehnbar,  in  hohem  Grade  hygros- 
kopisclTund  widerstehen  sehr  lange  der  Fäulniss.  —  Der  chemischen 
Analyse  zufolge ,  bestehen  sie  hauptsächlich  aus  Hornstoff"  und  einem 
farbigen  Fett. 

Man  unterscheidet  an  jedem  Haare  den  noch  in  der  Haut  befind- 
lichen, etwas  weicheren  und  hellerern  Theil  oder  die  Wurzel,  und  den 
frei  auslaufenden,   härteren  und  dunkleren  Theil,  den  Schaft. 

Der  Schaft  der  meisten  Haare  besteht  aus  drei  verschiedenen 
Lagen,  aus  dem  Oberhäutchen,  der  Rindensubstanz  und  Marksubstanz, 
deren    nähere  Eigenschaften  folgende  sind. 

Das  Oberhäutchen  ist  aus  platten,  kernlosen  Epidermiszellen  zu- 
sammengesetzt, welche  dachziegclförmig  übereinander  gelagert,  einen 
dünnen  Uebcrzug  über  die  Rindensubstanz  bilden,  der  nach  unten 
dicker  ist  und  nach  oben  dünner  wird.  Sie  haften  der  Rindensubstanz 
sehr  innig  an,  lösen  sich  jedoch  nach  Behandlung  nn't  Schwefelsäure 
von  ihr  ab. 


Ober- 
hii  vitclien. 


Haare. 


71 


Haarwurzel  mit  dem  Balg,   starke  Vergrösserung. 
a  Oberhäutchen,  b  ßindensubstanz,    c  Marksubstanz,    d  äussere  Wurzelscheide, 
e  innere  Wurzelsclieide,   f  Haarbalg,    g  dessen  homogene  Grenzschicht,    h  die 
durchschimmernde  Papille    mit    ihren  Gefässen.     (Hier  ist  im  Schnitt   der  Um- 

riss  der  Papille  übersehen  worden.) 

Die  Rindensubstanz,  welche  die  Hauptmasse  des  Haares  vorstellt; 
hat  ein  längsstreifig-es,  faseriges  Aussehen.  Erst  mit  Hülfe  von  Säuren 
und  Alkalien  v^^ird  gefunden,  dass  die  Elementartheile  der  Rindensub- 
stanz lange,  abgeplattete ,  stark  verhornte  und  dessw^egen  sehr  starre 
Zellen  sind,  welche  durch  ihre  lammellenartige  Verbindung  die  schein- 
baren Fasern  erzeugen.  Die  Zellen  enthalten  häufig  Pigmentkörnchen 
und  Luft,  wodurch  die  Rinde  dunkel  punktirt  oder  gefleckt  sich 
ausnimmt. 

Die  Mark  Substanz,  welche  in  den  Wollhaaren  und  gefärbten 
Kopfhaaren  gewöhnlich  mangelt,  besteht  aus  rundlichen  oder  viel- 
eckigen Zellen,  die  in  mehreren  Reihen  zusammenhängend,  einen  Strang 
zu  Wege    bringen,    der    in    der  Mitte    des  Haares    liegt.     Die  Zellen 


Rinden- 

riubstonz. 


Mark- 

Bubätanz. 


72  Von  der  äusseren  Haut  des  Menschen. 

sind  mit  feinzertheilter  Luft  angefüllt,  in  Form  von  kleinen  glänzen- 
den Kügelchen;  man  hatte  die  LuftkUgelchen  längere  Zeit  für  Fett 
und  Pigment  gehalten.  —  Unerledigt  ist  bisher  die  Frage,  ob,  wie 
manche  Autoren  {ßteinlin,  Reichert,  Heissner)  angeben,  noch  inner- 
halb der  Zellen  der  Marksubstanz  ein  vertrockneter  Rest  der  Haar- 
papille,  ähnlich  der  „Federseele"  als  zarter  Strang  übrig  geblieben 
ist,  oder  ob  das  Mark  ausschliesslich  aus  den  bezeichneten  Zellen 
besteht. 

Die  Haarwurzel  geht  am  unteren  Ende  in  eine  keulenförmige 
Anschwellung  aus,  Haarknopf  oder  Haarzwiebel  genannt;  sie  umfasst 
mit  ihrer  trichterartig  ausgehöhlten  Basis  eine  Papille  der  Lederhaut 
und  sitzt  damit  letzterer  auf. 

\     §.  74. 
Haarwurzel.  Li  dcr  Tcxtur  Stimmt  die  Haarwurzel  im  Wesentlichen  mit  dem 

Plaarschaft  überein,  nur  gleichwie  ihr  ganzes  Aussehen  etwas  weicheres 
hat,  so  zeigen  auch  die  constituirenden  zelligen  Elemente  einen  gewis- 
sen jüngeren  Charakter.  Die  kernlosen  Hornplättchen  des  Ober- 
häutchens gehen  über  in  weiche ,  kernhaltige  Zellen ,  die  starren 
Plättchen  der  E-inde  gestalten  sich  als  deutliche,  längliche  Zellen  mit 
klarem  Kern ;  die  Markzellen  verlieren  ihre  Luft  und  stellen  mit 
flüssigem  Inhalt  gefüllte  Zellen  dar,  bis  endlich,  indem  alle  genannten 
Zellen  sich  mehr  und  mehr  dem  Rundlichen  nähern,  der  Haarknopf 
selbst  einzig  und  allein  aus  lauter  runden  Kernzellen  besteht,  die  sich 
von  den  Elementen  der  Schleimschicht  der  Oberhaut  in  nichts  unter- 
scheiden. 
Haarbalg.  Dlc  HaaTwurzcl   steckt    in    dem  Haarbalg   und   ist  von  ihm  um- 

schlossen. Es  erscheint  der  Haarfollikel  als  echte  Einstülpung  der 
äusseren  Haut,  als  ein  Säckchen,  das  unten  am  blinden  Ende  etwas 
erweitert  ist,  und  oben  mit  enger  OefFnung  das  in  ihm  befindliche 
Haar  umgiebt.  Da  die  Haarbälge  Einsackungen  der  äusseren  Haut 
sind,  so  müssen  sie  auch  eine  bindegewebige  und  eine  hornige  Lage 
aufweisen.  Die  zum  Bindegewebe  gehörige  ist  die  Fortsetzung  der 
Lederhaut,  sie  ist  die  äussere  und  hat  Gefässe  und  einzelne  Nerven- 
fasern; die  Bindesubstanz  nimmt  nach  innen  ein  derberes  Gefüge  an 
und  geht  nach  dem  Beispiel  des  Coriums  in  eine  homogene  Grenz- 
schicht aus,  die  von  Manchen  als  besondere  glashelle  Membran  auf- 
geführt wird. 

In  dem  Boden  des  Haarbalges  erhebt  sich  die  Bindesubstanz  zur 
Bildung  der  Haarpapillc,  einer  hügelförmigen  (oder'mit  i/ew/e'und 
Meissner  genauer  bezeichnet:  zwiebclförmigen)  Ilcrvorragung,  die  ganz 
die  Eigenschaften  einer  gewöhnlichen  Coriumspapille  trägt  und  wahr- 
scheinlich auch  wie  diese  mit  Blutcapillaren  ausgestattet  ist. 

Die  Epidermis  der  Lederhaut  senkt  sich  als  Wurzelscheide  in'  die 
Mündung  des  Haarbalges  ein,  und  schmiegt  sich  der  Haarwurzel 
ringsum     an.      Der    Zusammensetzung     der    Epidermis  J  entsprechend 


Nägel.  73 

unterscheidet  man  eine  äussere  Wurzelscheide  als  Fortsetzung  der 
Schleimschicht  und  eine  innere  Wurzelscheidc,  das  Aequivalent  der 
Hornschicht.  Mehre  Forscher  trennen  noch  von  der  inneren  Seite 
der  inneren  Wurzelscheide  eine  oder  mehre  Zellenlagen  ab,  und  fassen 
sie  als  eignes  „Oberhäutchen  der  inneren  Wurzelscheide''  auf.  — 
Im  Grunde  des  Haarbalges  gehen  die  Zellen  der  Wurzelscheiden  in 
die  Elemente  des  Haarknopfes  über. 

§.  75. 
Die  Nägel  stellen  stark  verhornte  Partien  der  Epidermis  vor  und  NHgei. 
scheiden   sich    daher  gleich  dieser  in    eine  weiche  Schleimschicht  und 
in  eine  harte,  spröde  Hornschicht,  welche  beide  noch  schärfer  als  an 
der  Oberhaut  von  einander  abstechen. 

Die  Elemente  der  Schleimschi  cht  sind  kernhaltige  Zellen  und 
haben  in  der  Tiefe  unter  dem  Nagelkörper  eine  längliche,  spindelförmige 
Gestalt;  an  der  Nagelwurzel  sind  die  Zellen  klein,  flacher,  durch  kör- 
nigen Inhalt  trübgelblich.  In  der  Hornschicht  erscheinen  die  Zellen 
sehr  abgeplattet,  schichtenweise  über  einander  geordnet,  und  haften 
so  fest  zusammen,  dass  sie  erst  nach  Behandlung  mit  kaustischen  Alka- 
lien isolirt  werden  können,  wobei  sich  auch  zeigt,  dass  die  Zellen 
ihren  Kern  noch  behalten  haben. 

Derjenige  Theil  der  Lederhaut,   auf  welchem  der  Nagel  aufliegt,  Nagelbett. 
heisst  das  Nagelbett.   Die  Lederhaut  bildet  am  hinteren  und  an  den 

Fig.  39. 


Längsschnitt  durch  Nagel  und  Nagelbett. 
a  Lederhaut,  b  Schleimschicht  der  Epidermis,  c  Hornschicht,  d  Nagel. 

seitlichen  Rändern  des  Nagelbettes  einen  Falz,  worin  die  Wurzel  und 
die  Seitenränder  des  Nagels  stecken. 

Das  Nagelbett  erhebt  sich  in  Leistchen,  die  von  hinten,  wie  von 
einem  Pol  aus  nach  vorne  ziehen ,  daher  in  der  Mittellinie  mehr  ge- 
rade und  nach  aussen  zu  etwas  bogenförmig  verlaufen.  In  der  Gegend 
der  Fingerspitze  gehen  sie  alle  gerade  und  parallel  neben  einander. 
Auf  den  Leistchen  finden  sich  Papillen ,  in  welchen  man  wohl  Blut- 
gefässschhngen ,  aber  bis  jetzt  noch  keine  Nerven  beobachtet  hat. 
Der  innere  Theil  der  Leisten  wird  von  Bündeln  elastischer  Fasern 
eingenommen  und  der  Rand  geht,  wie  an  der  übrigen  Lederhaut ,  in 
einen  homogenen  Grenzsaum  aus. 


74 


Von  der  äusseren  Haut  des  Menschen. 


Schweiss- 
driisen. 


§.   76. 

Die  Schweissdriisen  sind  mit  Ausnahme  weniger  Stellen  (concave 
Fläche  der  Ohrmuschel,  Eichel  des  Glieds)  über  die  ganze  Haut,  an 
dem  einen  Ort  zahlreicher,  an  dem  anderen  spärlicher  verbreitet,  und 
haben  ihre  mächtigste  Entwicklung  im  behaarten  Theil  der  Achsel- 
grube. Nach  Sappey  kommen  auch  an  der  vorderen  und  Seitenwand 
des  Thorax  vereinzelt  ebensolche  grosse  Schweissdriisen  wie  in  der 
Achselhöhle  vor. 

An  jeder  Drüse  unterscheidet  man  den  Drüsenkanal  und  den 
Aus führungs gang.  Der  erste  liegt  in  der  Lederhaut  und  wird  gebil- 
det dadurch,  dass  das  Corium  sich  kanalartig  eintieft,  wobei  das 
blinde  Ende  des  Kanales  durch  Windungen  und  Verschlingungen  einen 
Knäuel,  der  von  einem  zierlichen  Gapillarnetz  umgeben  wird,  formt. 
Da,  wie  bereits  mehrfach ]erwähnt,  die  Bindesubstanz  der  Lederhaut 
am  freien  Rand  sich  zu  einer  homogenen  Grenzschicht  gestaltet,  so 

Fig.  40. 


Schweissdrüse    (starke  VergrösserungJ. 
An  der  Windung  a  erscheint  das  Gefässnetz  eingezciclmet,    bei  b   die  Muskel- 
lage, die  Windung  c  zeigt  die  epitheliale  Auskleidung. 

muss  diese  auch  das  Lumen  des  Kanales  begrenzen  und  wird  her- 
kömmlich Tnnica  propria  der  Drüse  genannt.  Nach  aussen  von  ihr 
undagern  bei  den  grossen  SchweissdrUsen  glatte  Muskeln  den  Drü- 
senschlaiu'b.  Einwärts  von  der  Tnnica  propria  liegen  die  epithel- 
artig  geordneten  Sekretionszellen,  die  liäufig  Fett  und  Pigmentkü- 
gelchen  enthalten  und  eine  iinmittelburc  Foi-tsctzung  der  Schlcim- 
zellenschicht  der  Oberhaut  sind. 

Der  Ausführungsgang  hat,  so  lange  er  der  Lederhaut  angehört, 
die    gleiche   Zusammensetzung    aus   Biudesubstanz    und  Zellen,    wie 


-Hautdrüsen. 


75 


Ohien- 
sehmalz- 
drüsen. 


der  Drüsenknäuel,  aber  innerhalb  der  Epidermis  und  zwar  hier  spi- 
ralig  aufsteigend,  erscheint  er  nur  wie  ein  in  Windungen  ausgegra- 
bener Hohlgang  {Interstitium)  zwisclien  den  Epidcrmiszellen  und 
mündet  an  der  freien  Fläche  der  Oberhaut,  von  den  Epidermiszel- 
leu  kreisförmig  umstellt,  als  Schweisspore,  Nicht  selten  sieht  man 
in  dem  Schweisskanal  während  seines  Durchtrittes  durch  die  Epi- 
dermis ein  festeres  Sekret  in  Form  eines  körnigen  Stranges. 

§.  77. 
Für  eine  Varietät  der  Schweissdrüsen  müssen  die  Ohrenschmalz- 
drüsen gehalten  werden,  welche  im  knorpeligen  Abschnitt  des  äusse- 
ren Gehörganges  sich  finden. 

Auch  sie  bestehen  aus  dem  Drüsenknäuel  und  dem  Ausführungs- 
gang. Ersterer  zeigt,  von  aussen  nach  innen  gerechnet,  glatte 
Muskeln,  darauf  die  Tunica  propria  und  zu  innerst  die  Sekretions- 
zellen, welche  Fetttröpfchen  und  bräunliche  Körnchen  nebst  Flüs- 
sigkeit abscheiden. 

§.  78. 
Die  Talgdrüsen  kommen  fast  überall  (nicht  in  der  Hohlhand  und  Taigd 
Fusssohle)  in  der  Haut  vor,  und  zwar  sind  sie  da,  wo  Haare  stehen, 
immer  mit  diesen  vereinigt,  fehlen  aber  auch  nicht  an  einigen  haar- 
losen Stellen,  wie  z.  B.  an  der  Eichel  des  Gliedes.  (Nebenbei  sei 
die  Bemerkung  eingeschoben,  dass  v.  Bärensprung  auch  in  haarhal- 
tigen  Cysten  Talgdrüsen  beobachtet  hat.) 

Fig.  41. 


Stück  einer  Talgdrüse:    a  Bindegewebe  mit  Kernen,  die  sog.  Tunica  propria 
bildend,    b  Zellen,  welche  das  Fett  absondern.     (Starke  Vergr.) 

In  ihrer  einfachsten  Form  sind  es  kurze  ovale  oder  birnförrnige 
Säckchen,  häufig  aber  erreichen  sie  durch  Vergrösserung  ihrer 
Fläche  eine  traubige  Bildung.  Von  ganz  besonderer  Grösse  trifft 
man  die  Talgdrüsen  z.  B.  in  der  Genitalgegend,  am  After,  an  der 
Nase,  an  den  Augenlidern  ,  wo  sie  den  Namen  Meibomsche  Drüsen 
führen.  Abnorm  vergrössert  werden  sie  zu  den  sog.  Comedonen, 
zum  Hirsekorn ,  Milium ,  auch  wohl  bei  übermächtiger  Zunahme  zu 
mancherlei  Balggeschwülsten. 


76  Von  der  äusseren  Haut  des  Menschen. 

Auch  die  Talgdrüsen  weisen  sich  als  Einstülpiing-en  der  Haut 
oder  als  Divertikel  der  Haarbälge  aus.  Von  der  Bindesubstanz  der 
Lederhaut  oder  dem  bindegewebigen  Theil  des  Haarfollikels  rührt  dem- 
nach die  zarte  äussere  Hülle  {Tumca  propria)  der  Drüse  her,  wäh- 
rend ihre  8ekretions-  oder  Epithelzellen  unmittelbar  mit  der  Schleim- 
zellenschicht der  Epidermis,  oder  wenn  die  Drüse  in  einen  Haar- 
balg mündet,  mit  der  äusseren  Wurzelscheide  zusammenhängen. 
Die  Zellen  sondern  den  Hauttalg  ab ,  indem  sie  sich  in  immer  hö- 
herem Grade  mit  Fetttröpfchen  füllen,  bis  zuletzt  oft  nur  ein  einzi- 
ger Fetttropfen  den  Inhalt  der  Zelle  ausmacht. 

§.  79. 

Entwicklung  Wlc  Reiuak  zuerst  ermittelt  hat,    geht    die  Oberhaut    aus    dem 

oberen  Keimblatt,  dem  Hornblatt,  hervor.  Im  Anschlüsse  daran  sind 
weitere  Produktionen  des  Hornblattes  die  Nägel,  welche  vom  drit- 
ten Monat  an  sich  zu  markiren  beginnen,  ferner  die  Haare,  welche 
um  dieselbe  Zeit  sichtbar  werden  und  endlich  die  zelligen  Ausklei- 
dungen (die  Epithel-  oder  Sekretionszellen)  der  Schweissdrüsen,  Oh- 
renschmalzdrüsen und  Talgdrüsen,  welch'  letztere,  wie  Remah  an 
Schweinsembryonen  gezeigt  hat,  aus  den  Haarkeimen  hervorwach- 
sen, was  beim  Menschen  ungefähr  im  vierten  oder  fünften  Monate 
geschieht. 

Die  Anlage  der  Lederhaut  ist  in  dem  mittleren  Keiinblatt  ge- 
geben, anfänglich  besteht  auch  sie  aus  Zellen,  die  einander  unmittel- 
bar begrenzen  und  sich  durch  Theilung  vermehren.  Während  aber 
im  Hornblatt  die  Zellen  selbständig  bleiben ,  wandeln  sie  sich  hier 
in  Bindesubstanz,  Fettzellen,  Blutgefässe,  Nervenfasern  und  Mus- 
keln um.  Später  wuchert  die  Lederhaut  in  die  Gefäss-  und  Ner- 
venpapillen, sowie  in  die  Haarpapillen  aus. 

§.  80. 
Physio-  j)jg  Epidermis,  an    sich  empfindungslos,    dient    der   darunter  lie- 

logisches.  ^  '  1  o  ' 

genden  sehr  sensiblen  Lederhaut  als  schützende  Decke  und  bewahrt 
sie  vor  dem  unmittelbaren  Eindringen  fremdartiger,  schädlicher  Flüs- 
sigkeiten, da  sie  für  Fluida,  wenn  nicht  zugleich  eine  chemische 
Alterirung  sich  damit  verknüpft,  als  schwer  durchgängig  bekannt 
ist.  Die  Epidermis  regenerirt  sich  sehr  leicht  und  ergänzt  daher 
durch  Nachwachsen  von  unten  rasch  die  während  des  Lebens  fort- 
während herbeigeführte  Abschuppung  der  oberflächlichen  Schich- 
ten. Das  Wachsen  der  Horngebilde,  der  Epidermis,  der  Haare 
erfolgt  durch  Zcllcnvermehrung  an  der  Basis,  der  Nagxd  dehnt  sich 
nach  vorne  aus  durch  den  beständigen  Ansatz  neuer  Zellen  am  Wur- 
zelrande und  er  verdickt  sich  durch  Apposition  neuer  Hornzellen  an 
seiner  unteren  Fläche.  —  Beim  Haarwechsel  entstehen  zufolge  älte- 
rer und  neuerer  Beobachtungen  die  neuen  Haare  in  den  Bälgen  der 


Physiologisches.  77 

alten.  —  Die  Lederliaut  erhält  durch  ihren  Nervenreichthum  einen 
hohen  Grad  von  Sensibilität,  ja  wird  zu  einem  wahren  Tastwerk- 
zeug und  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  die  Feinheit  des  Tast- 
gefühles, welche  gewissen  Theilen,  wie  den  Fingerspitzen,  zukommt, 
durch  die  Corpuscula  tactus  mitbedingt  wird,  mag  man  sie  nun  als 
hauptsächlich  nervös  und  in  diesem  Falle  für  spezifische  Tastwerk- 
zeuge halten  oder  ihre  Bedeutung  so  weit  heruntersetzen,  dass  sie 
nur  als  häi'tere  Unterlagen  der  Nerven  durch  Gegendruck  die  Em- 
pfindlichkeit beim  Tasten  erhöhen,  wie  Manche  äussern. 

Durch  die  eingestreuten  muskulösen  Elemente  wird  die  Lederhaut 
contractu,  der  Hodensack  kräuselt  sich  dadurch,  die  Brustwarze  erhebt 
sich  und  die  sog.  Gänsehaut  wird  durch  die  Zusammenziehung  der 
zahlreichen  Muskelbündel  der  Haarbälge  hervorgerufen. 

Die  Schweissdrüsen  scheiden  nicht  bloss  eine  helle,  klare  Flüs- 
sigkeit, den  Schweiss  ab,  sondern  die  Sekretionszellen  bereiten  auch 
ein  körnerreiches  Produkt,  das  viel  Protein  und  Fett  enthält,  noch 
mehr  scheint  letzteres  bei  den  Ohrenschmalzdrüsen  der  Fall  zu  sein. 
Das  sogenannte  Ohrenschmalz  übrigens  muss  als  ein  Gemeng  vom  Se- 
kret der  Ohrenschmalzdrüsen  und  von  Hauttalg  betrachtet  werden. 
Das  Sekret  der  Talgdrüsen  besteht  aus  geformten  Theilen,  aus  Zellen, 
die  mit  Fett  erfüllt  sind.  Durch  Schwinden  der  Zellenmembran  wird 
das  Fett  frei,  und  indem  es  sich  über  die  Epidermis  und  Haare  verbrei- 
tet,  giebt  es  ihnen  das  glänzende  Aussehen  und  die  Geschmeidigkeit. 

Obschon  bereits  Leeuivenhoeck  {ll-li)  die  Zusammensetzung  der  Epidermis 
aus  „Schüppchen  gekannt"  hatte,  wurde  doch  lange  Zeit  die  Oberhaut  als  eine  Sub- 
stanz angesehen,  die  schlechthin  homogen  sei,  ein  erstarrtes  Absonderungsprodukt. 
Erst  dui-cli  Purkinj e,  der  zur  Wiederbelebung  der  Histologie  überhaupt  viel  beige- 
tragen hat,  kam  man  zu  einer  bessern  Einsicht ,  indem  er  den  Bau  der  Epidermis, 
ihr  Gefüge  aus  Zellen  mit  Sicherheit  beschrieb  (1835).  Die  naturgetreueste  Ab- 
bildung von  Epidermiszellen  aus  den  obersten  Lagen  ist  die  bei  Henle  Taf.  I.  Fig.  6. 
—  Die  Haare  hat  man  zwar  von  jeher  für  Auswüchse  der  Oberhaut  angesehen, 
aber  ihre  Struktur  ist  doch  erst  nach  mancherlei  Controversen  aufgeklärt  worden. 
Den  Bau  des  Oberhäutchens,  sowie  die  Zellen  der  Marksubstanz  hat  H.  3Jeyer  zu- 
erst richtig  erkannt  (1840),  die  Hornzellen  der  Rindensubstanz  Kohlrausch,  dann 
wurden  sie  durch  v.  Hessling  beschrieben.  Dass  die  Hornplättchen  der  Rinden- 
substanz übereinandergeschichtete  Lamellen  bilden,  wie  etwa  am  Nagel,  wurde  be- 
sonders von  Reichert  und  Reis sn er  hervorgehoben.  Die  Kenntniss  von  Lufträumen 
im  Haar  ist  alt,  schon  Withof  wusste  von  ihnen,  doch  hat  man  erst  von  da  an 
diese  Erscheinung  näher  gewürdigt,  als  Griffith  an  den  Haaren  des  Zobels  und 
Dachses  nachwies,  dass  die  für  Pigment  gehaltenen  glänzenden  Kügelchen  Luft 
seien.  Es  wird  unten  zur  Sprache  kommen,  dass  auch  die  Haare  und  Schuppen  der 
Insekten  und  Spinnen,  sowie  die  Porenkanäle  der  Haut  dieser  Thiere  Luft  enthalten 
können.  —  Aeltere  Beobachter  hatten  festgestellt,  dass  die  Epidermis  in  die  Haar- 
bälge sich  „hineinschlage"'  und  scheidenartig  die  Haare  umfasse,  Henle  hat  darauf 
die  zwei  Schichten  der  Wurzelscheiden  unterschieden  und  deren  zellige  Textur 
gezeigt.  ~  Die  erste  richtige  Beschreibung  vom  feinen  Bau  des  ausgebildeten  Na- 
gels gab  Bruns,  nachdem  Schwann  früher  die  Lamellen  des  Nagels,  deren  Zusam- 
mensetzung aus  Epidermisplättchen,  sowie  die  Zellen  der  Schleimschicht  beim  Neu- 


78  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbelthiere. 

geborenen  nachgewiesen  hatte.  Uebrigens  war  schon  lange  zuvor  die  Auffassung 
verbreitet,  der  Nagel  sei  nur  ein  verdickter  Theil  der  Oberhaut.  Auf  dem  Nagel- 
bett beobachtet  man  hie  und  da  rundliche  Körper ,  die  mit  Tastkörperchen  eine 
gewisse  Aehnlichkeit  haben  können,  aber  nur  aus  übereinander  geschichteten  Epi- 
dermiszellen  bestehen,  von  einer  bindegewebigen  Kapsel  umschlossen  [Reichert, 
B.  Wagner).  Man  sieht  sie  besonders  auf  dem  Nagelbett  der  grossen  Zehe.  — 
Dass  die  Haut  durch  Elektrizität  zur  Contraktion  zu  veranlassen  sei ,  theilte  vor 
längerer  Zeit  Froriep  in  seinem  Werk  über  die  rheum.  Schwiele  mit.  Der  mi- 
kroskopische Nachweis  der  Hautmuskeln  geschah  durch  K'ülliher  1847.  —  Die 
Schweissdrüsen  kennt  man  seit  1834  durch  Brechet  und  Boussel  de  Vauzeme. 
Die  Ohrenschmalzdrüsen  hat  Ä.  Wagner  zuerst  bildlich  dargestellt  1839.  —  In 
den  Haarbälgen  und  Talgdrüsen  schmarotzt  der  von  O.  Simon  entdeckte  Acarus 
foUiculorum,  er  scheint  sehr  constant  vorhanden  zu  sein,  da  ich  ihn  noch  in  keiner 
Leiche  (und  ich  suche  ihn  für  die  Vorlesungen  immer  frisch  auf)  vermisst  habe, 
namentlich  an  den  Talgdrüsen  der  Nase.  Mein  Verfahren  dabei  ist  so,  dass  ich  feine 
Hautschnitte  mache,  wie  zur  Untersuchung  der  Talgdrüsen ;  diese  werden  mit  Kali- 
lauge behandelt  und  dann  das  Secret  der  Drüsen  mit  dem  Skalpel  herausgestrichen, 
worauf  ich  bei  Durchmusterung  desselben  der  Acarl  leicht  ansichtig  werde. 

Die  schwieligen  Verdickungen  der  Epidermis,  welche  unter  dem  Namen  Hüh- 
neraugen bekannt  sind,  haben  bekanntlich  eine  mittlere  als  Kern  des  Clavus 
unterschiedene  Masse.  Die  intensiv  weisse  Farbe  des  Kernes  rührt  von  Luft 
her,  welche  zwischen  den  Epiderniiszellen  in  sehr  feiner  Vertheilung  angesam- 
melt ist.  Wasser,  zugesetzte  Kalilauge  vertreibt  sie  und  damit  schwindet  auch  die 
weisse  Farbe. 


Zweiter  Abschnitt. 
Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbelthiere. 

§.  80. 
Im  Baue  der  Haut  dieser  ganzen  Thicrgruppe  herrscht  nicht 
minder ,  wie  in  ihrer  sonstigen  architektonischen  Anlage,  eine  in  den 
Grundzügen  durchgreifende  Uebereinstimmung  mit  der  Haut  des  Men- 
schen. Es  ist  daher  der  äusseren  Bedeckung  der  Säugethicrc ,  Vö- 
gel, Reptilien  und  Fische  gemeinsam^  dass  sie  sich  in  eine  aus  Bin- 
degewebe bestehende,  gefäss-  und  nervenführende  Lederhaut  und  in 
eine  gefäss-  und   ncrvenlose  zellige  Oberhaut  scheidet. 

§.  81. 
Leaerhaut.  Dic  rcUitivc  Diclvc  der  Lederhaut  wechselt  nacli  den  Klassen  und 

Arten,  doch  erscheint  sie  immer  gegen  dic  freie  Fläche  zu  kompak- 
ter, während  sie  nach  unten  hin  mehr  netzförmig  durchbrochen  ist. 
Im  Allgemeinen  sehen  wir  sie  wohl  bei  den  Vr>geln  am  dünnsten, 
dicker  ist  die  der  Säuger,  auch  bei  Fischen  trifft  man  auf  Thiere  mit 
sehr  starker  Lederhaut,  so  hat  z.  B.  Orthagoriscus  mola  ein  aus- 
nclimcnd  dickes   Corium^    d;is  an  einigen  Stellen   (h's  Kopfes  an  gros- 


Lederhant.  79 

seren  Exemplaren  über  vier  Zoll  Durchmesser  hat.  Die  Bindesub- 
stanz  der  Lederhaut  geht  bei  allen  Tliieren,  wo  darauf  geachtet 
wurde,  in  eine  homogene  Grenzschicht,  einen  hellen  Saum  vorstellend, 
aus.  Bei  den  Fischen  und  Reptilien  verlaufen  die  Bündel  des  Binde- 
gewebes hauptsächlich  in  zwei  Richtungen,  waagrecht  und  senkrecht; 
in  der  Haut  der  Vögel  und  Säuger  durchkreuzen  sie  sich  mannich- 
faltiger,  so  dass  es  auf  den  ersten  Bhck  vorkommt,  als  ob  bei  letzte- 
ren die  Verflechtung  der  Bündel  eine  sehr  unregelmässige,  bei  erste- 
ren  hingegen  eine  wohlgeordnete  wäre.  Dieser  Unterschied  ist  nur 
scheinbar,  denn  überall  ist  der  Verlauf  der  Bündel  ein  geregelter, 
bei  Fischen  und  Reptilien  allerdings  mehr  eine  einfache ,  bei  den 
höheren  Wirbelthieren  eine  komplizirte  Verflechtung.  Da  die  Haut 
des  Proteus  pigmentlos  ist,  so  lässt  sich  hier,  wenn  man  dieselbe  von 
der  oberen  Fläche  (nach  Wegschaffung  der  Epidermis)  besieht,  gewah- 
ren ,  dass  die  bündeiförmigen  Abtheilungen  der  Bindesubstanz  in  ähn- 
licher regelmässiger  Ordnung  ringförmig  um  die  Hautdrüsen  ziehen, 
wie  auf  dem  Querschnitt  der  Knochen  die  Lamellen  um  die  Mark- 
kanäle kreisen.  Die  anderen  zwischen  den  zu  den  Drüsen  gehören- 
den Ringen  verlaufenden  Bündel  wiederholen  die  Conturen  der  Haut 
im  Ganzen.  Bei  Myxine  scheint  mir  die  Lederhaut  etwas  Eigenthüm- 
liches  zu  haben,  sie  geht  nämlich  in  eine  homogene,  dünne,  leicht 
abstreifbare  Membran  aus ,  die  an  der  freien  Fläche  mit  zahlreichen, 
hellglänzenden  Höckerchen  sich  versehen  zeigt.  —  Die  elastischen 
Fasern  der  Lederhaut  vereinigen  sich  bald  in  den  oberen  Lagen  des 
Coriums,  z.  B.  bei  manchen  Säugern,  Schaf,  Rind  u.  a.,  bald  in 
den  unteren  bei  den  Selachicrn,  bei  Vögeln  (Auerhahn  z.  B.),  Batra- 
chiern,  (Frosch)  zu  continuirlichen  Netzen.  Auch  in  der  Flughaut 
der  Säuger  soll  sich  elastisches  Gewebe  besonders  angehäuft  finden. 
Andererseits  erblicke  ich  in  der  gekochten  Lederhaut  des  Maulwurfes, 
im  frischen  Zustande  bekanntlich  so  sehr  derb,  ausser  den  Bindege- 
webskörpern  nichts  von  elastischen  Elementen.  Die  Bindegewebskör- 
per  besassen  in  der  Haut  der  Tatzen  alle  noch  ein  kernartiges  Ge- 
bilde. —  In  der  Tiefe  geht  die  Lederhaut  bei  manchen  Fischen  in 
Schleimgewebe  aus,  welches  beim  Hecht  und  Flussbarsch  in  geringe- 
rer, beim  Karpfen,  Schlei,  Weissfischen,  Aalruppe  in  bedeutender 
Menge  zugegen  ist.  Zwischen  das  Schleimgewebe  hin  ziehen  die  Bün- 
del gewöhnlichen  Bindegewebes  unter  der  Form  eines  dem  freien 
Auge  weisslich  erscheinenden  Netzes.  Auch  die  dicke  Haut  des  Or- 
thayoriscus  enthält  innerhalb  der  Bindegewebszüge  eine  gallertartige 
Substanis. 

§.  82. 
Die  Lederhaut   kann    sich    auf  ihrer    freien  Fläche  zu  Papillen  Papiuen  der 
verlängern,  bezüglich  deren  Anwesenheit  bei  Säugern  und  Vögeln 
sich  eine  gewisse  Gesetzmässigkeit  dahin  offenbart,    dass  die   behaar- 
ten und  befiederten  Hautpartien  ohne  freie  Pa])illen  sind,  da  sie  gewis- 


Lederhaut. 


80  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbelthiere. 

sermaassen  alle  zu  Haar  und  Federpapillen  verbraucht  wurden;  die 
haarlosen  oder  kahlen  Stellen  hingegen  bilden  hügel-  und  wallartigö 
Erhebungen ,  daher  findet  man ,  und  zwar  sehr  entwickelte  Papillen, 
an  den  Sohlenballen  vom  Hund,  Katze,  Dachs  (wo,  wie  ich  sehe,  noch 
kleine,  sekundäre  Papillen  die  grossen  besetzen),  Kameel  {Wedl  fand 
die  Papillen  hier  lang  und  spitz),  ferner  am  Rüssel  des  Schweins, 
Schnauze  der  Wiederkäuer  *) ,  Vorhaut  des  Pferdes  u.  a.  a.  0.  An  den 
Lippen  und  Sohlcnballen  von  Hiipudaeus  arvalis  vermisse  ich  die 
Papillen.  Ganz  enorm  lange  fadenförmige  Papillen  senken  sich  allent- 
halben an  der  kahlen  Haut  der  Cetaceen  in  die  Oberhaut  ein  (bei 
Balaena  longimana  sehe  ich  sie  fast  von  ^/a  Zoll  Länge) ,  ähnlich 
dürften  sie  sich  auch,  worauf  schon  ältere  Beobachtungen  (von  Bapp, 
Brechet)  hinweisen,  beim  Nilpferd,   Rhinoceros   etc.  verhalten. 

Bei  den  Vögeln  trifft  man  dem  Obigen  zufolge  stattliche  Papillen 
in  der  Haut,  welche  die  Schnabelknochen  überzieht,  mir  bekannt  von 
Enten,  Gänsen,  ebenso  erheben  sich  die  kahlen  Partien  um  die  Au- 
gen z.  B.  am  Auerhahn  in  Wälle  und  Papillen ;  in  der  Planta  pedis 
sitzen  den  grossen  Papillen  noch  kleine  Nebenpapillen  auf,  endlich 
sind  die  felderartigen  grösseren  und  kleineren  Abtheilungen  am  Vo- 
gelbein als  platte  Erhebungen  anzusehen ,  deren  Conturen  sich  in  den 
deckenden  Epidermistafeln  abzeichnen. 

Das  Corium  der  Amphibien,  obschon  ohne  Haare  und  Federn, 
scheint  im  Allgemeinen  der  mikroskopisch  feinen  Papillen  zu  erman- 
geln, ich  weiss  bis  jetzt  wenigstens  nur  von  solchen  an  der  Dau- 
mendrüse der  Frosch-  und  Krötenmännchen.  Jedoch  erhebt  sie 
sich  z.  B.  bei  der  Pipa  dorsigera  in  dichtstehende,  dem  freien 
Auge  unterscL eidbare  zitzenförmige  Wärzchen,  welche  an  andern 
Körpers  teilen,  z.B.  an  den  Fussenden,  zu  nur  bei  starker  Vergrösserung 
sichtbaren  Papillen  herabsinken,  sowie  die  grösseren  Höcker  und 
Falten  des  Coriums  bei  Sauriern  {Lacerta,  Chamaeleon  u.  a.)  wohl 
ebenfalls  in  der  Categorie  der  PapilUirbiklungen  unterzubringen  sind. 
Auch  bei  vielen  Fischen  erscheint  die  Haut  papillenlos,  während  an- 
dere Gattungen  dergleichen  Gebihk'  und  zwar  von  sein-  ausgezeich- 
neter Art  besitzen.  So  haben  die  meisten  unserer  Süsswasserfische 
am   ganzen  Kopf,    mit  Ausnahme    ih-r  Ilautstellen,    wehdie  als  einge- 


*)  An  der  den  Schnabel  der  Kchidna  überziehenden  Haut  nehme  ich  ebenfalls 
sehr  entwickelte  Papillen  der  Lederhaut  von  konischer  Form  wahr.  Seltsamer 
Weise  ragte  jede  Papille  mit  ihrer  bindegewebigen  Spitze  eine  Strecke  weit  über 
die  braune  pigmentirte  l':i)idi'rnii.s  hervor,  was  doch  wohl  nur  in  Folge  der  Abrei- 
bung der  obersten  Ej)idermislagen  bewirkt  sein  mochte.  Uebrigens  zeigte  sich  die 
Epidermis  woiilerhalten  und  von  scharfem  Rande.  Aehnlich  wird  sich  auch  die 
Sclinal)elhaut  von  ürmthorkynchns  verhalten,  da  „sie  mit  Nerven  reichlich  versorgt 
ist"-  und  die  Tliicre,  wie  die  Enten  mit  dem  Schnabel  im  Schlamme  wühlend,  ihre 
Nahrung  .suchen.  \)\r  Scliiialndh.iiit  der  Enten  geht  in  sehr  entwickelte  Papillen 
aus  (s.  nnteli). 


Lederhaut.  81 

klappte  Hautfalten  vei'steckt  liegen,  sowie  auch  über  den  übrigen 
Körper  hin  Papillen  von  cylindrischer ,  auch  wohl  kelchförmiger,  sel- 
tener spitz  zulaufender  Form.  Das  freie  Ende  ist  quer  abgeschnitten 
mit  seichter  Aushöhlung,  der  Rand  läuft  auch  (z.  B.  an  den  Lippen- 
papillen  von  Leuciscus  Dohula)  in  einen  Kranz  ziemlich  langer,  spitz 
endigender  Fortsätze  aus.  Bei  Selachiern  finden  wir  z.  B.  an  Scyni- 
nus  lichia  in  der  Nähe  der  Ober-  und  Unterlippe  einfache  oder  mehr- 
spitzige Papillen,  sie  sind  jedoch  nicht  von  der  spezifischen  Natur  ^ 
wie  jene  der  Teleostier,  da  man  in  ihnen  bloss  Gefässschhngen  er- 
blickt, bei  den  Süsswasserfischen  aber  zugleich  mit  den  Gefässen  Ner- 
ven, die  mit  eigenthümlichen  becherförmigen  Körpern,  auf  dem  Ende 
der  Papillen  ruhend,  in  Beziehung  zu  stehen  scheinen  (wovon  noch 
ein  Mehres).  Einige  Fische  können  statt  der  Papillen  Hautleistchen 
zeigen,  so  bei  Chimaera  monstrosa,  oben  und  seitlich  an  der  Schnauze, 
wo  sie  netzförmig  sich  durchkreuzen,  auch  die  Haut  des  blinden  Fi- 
sches der  Mammuthhöhle  erhebt  sich  (nach  Tellkampf)  kämm-  oder 
franzenartig  in  zahlreiche  kleine  Längs-  und  Querfalten. 

§.  67. 
Die  Nerven  der  Lederhaut  verbreiten  sich  geflechtartig  und  enden  Nerven. 
wohl  nie,  wie  man  früher  annahm,  schlingenförmig,  sondern  die  Nerven- 
fasern theilen  sich,  werden  blass  und  hören  fein  zugespitzt  auf  (?) ;  so 
wenigstens  schien  es  mir  nach  früheren  Untersuchungen  bei  Amphibien 
(Proteus  z.  B.)  und  bei  Säugethieren  zu  sein.  Axmann  meldet,  dass 
beim  Frosch  eine  netzförmige  Verbindung  der  feinsten  Nervenftisern 
statt  habe.  Bei  Säugethieren  kommt  es,  wie  wir  dwcch.  Meissner  er- 
fahren nur  in  den  Händen  der  Affen  zur  Bildung  von  Tastkörperchen,  in 
der  Haut  der  Vögel  enden  viele  Nervenfasern  cylindrisch  verdickt  als 
sog.  Pacinische  Körperchen  (vergl.  Tastwerkzeuge),  die  man  besonders 
in  den  Schnabelpapillen  und  um  die  Federbälge  herum  wahrnimmt.  In 
den  Papillen  der  Daumendrüse  des  Froschmännchens  habe  ich  gleich- 
falls den  Tastkörperchen  analoge  Bildungen  aufgefunden. 


Zwei  Papillen   aus   der  Daumendrüse   des  Froschraännchens. 
a  Nerv,  b  Tastkörperchen.     (Starke  Vergr.) 

Die  Blutgefässe  der  Lederhaut  lösen  sich  wohl  überall  in  engere  Gefäs.e 
und  weitere  Maschennetze  auf,  und  wo  Papillen  zugegen  sind,  schicken  sie 
in  diese  einfache  oder  verzweigte  Gefassschlingen.  Hyrtl  hat  im  Kamme 
d  e  r  V  ö  ge  1  Arteriae  helicmae  beschrieben,  die  von  Valenti?i  für  Schlingen 
erklärt  werden,  deren  Schenkel  sich  decken.   Im  Hahnenkamm  existiren 

Leydig,   Histologie.  Q 

4* 


Muskeln 


82  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbeltlüere. 

sicher  keine  Arteriae  helicinae,  wenn  gleich  das  Verhalten  der  Gefässe 
etwas  eigenthümlich  ist.  Der  Kanim,  so  wie  die  Kehlläppchen  bestehen 
aus  einer  Hautdiiplikatur,  deren  Blätter  am  Kamm  dicker  als  an  den 
Läppchen  sind.  Das  Bindegewebe  derselben  ist  fest  und  derb  und  geht 
am  freien  Rande  in  dichtstehende ,  nicht  eben  hohe  Papillen  aus. 
Zwischen  den  beiden  Hautblättern  liegt  lockeres  Bindegewebe  mit  den 
Gefässstämmchen  und  Nerven.  Es  fällt  mir  nun  auf,  dass,  während  die 
Blutgefässe  innerhalb  des  lockeren  Bindegewebes  deutliche  Gefässwan- 
dungen  besitzen ,  sie  in  dem  derben  Bindegewebe  der  Hautduplikatur 
selber  eher  den  Charakter  von  Lakunen  zu  haben  scheinen ;  zweitens 
erhebt  sich  in  jede  Papille  eine  Capillarschlinge  von  ungewöhnlicher 
Weite,  und  die  hochrothe  Farbe  des  Kamms  rührt  nur  von  der  Anfül- 
lung  derselben  her,  es  ist  kein  besonderes  Pigment  vorhanden.  • —  An 
lebenden  Rochen,  w^elche  ein  sehr  dichtes  Gefässnetz  der  Haut  zeigen, 
erblickt  man,  besonders  wo  grosse  Stacheln  aus  der  Haut  hervorstehen, 
rings  um  die  Basis  derselben  eine  ausgezeichnete  Caj)illarverzweigung. 
Hat  die  Haut,  wie  bei  Salamandra  maculata  u.  a.  Reptilien,  hellfarbige 
Flecken,  so  werden  nach  Hy rtl  an  diesen  Stellen  die  Gefässe  plötzhch 
kleiner  und  ihre  Maschen  grösser.  —  Die  Haut  der  Vögel  ist  im  Allge- 
meinen weniger  gefässreich,  als  die  der  Reptilien.  Hingegen  hat  Barkow 
entdeckt,  dass  au  den  zur  Brütezeit  von  Federn  entblössten  und  eines 
Pannicidus  adiijosus  entbehrenden  Bruststellen  die  reichsten  Getässnetze 
sich  entwickeln. 

§.  78. 
Wie  weit  muskulöseElemente  in  der  Lederhaut  der  Wirbelthiere 
verbreitet  sind,  ist  noch  nicht  genau  gekannt.  Die  Haut  der  Fische  und 
Amphibien  scheint  nie  welche  zu  besitzen.  Man  vermuthet  zwar  gegen- 
wärtig, um  ein  Verständniss  der  auffallenden  Farbenveränderungen  der 
Reptilien  (vieler  Saurier,  Chartiaeleon  besonders,  mancher  Schlangen, 
Herijetodryas  ^  und  der  Frösche,  vergl.  unten  „Haut  der  Mollusken") 
zu  ermöglichen ,  dass  contractile  Fasern  zu  diesem  Phänomen  mit- 
wirken; doch  glaube  ich  nach  wiederholter  Prüfung  luir  in  der  Wand 
der  starken  Hautdrüsen,  welche  beim  Frosch  an  den  Seifen  und  an  den 
Lippen  sich  finden,  glatte  Muskehi  erkannt  zu  haben,  nicht  aber  in  dem 
übrigen  Corium.  Anders  verhält  es  sich  mit  den  Vögeln,  hier  hegt  in 
den  tieferen  Hautschichten  ein  sehr  entwickeltes  Muskelnetz,  bestehend 
aus  Fasern,  die  man  gemeinhin  als  glatte  anspricht,  die  aber  mit  Spuren 
von  Querstreifung  versehen,  zu  den  Zwischenstufen  von  glatten  zu  quer- 
gestreiften Fasern  gehören.  Sie  sind  zu  verschieden  breiten  Bündeln 
vereint  und  zwischen  die  Muskehi  werden  Sehnen  aus  elastischem  Ge- 
webe eingeschoben  und  mit  eben  solchen  Sehnen  setzen  sie  sich  an  die 
Fedcrbälge  und  an  das  elastische  Stratum  des  Coriums  an.  Auch  in  der 
Fleischtrottel,  welche  beim  Puter  {Meleagris  gaUopavo)  an  der  Schnabel- 
wurzel und  an  der  Kcldc  herabhängt,  finde  icli  ein  dichtes  Geflecht  von 
glatten  Muskeln  ;  er  verkürzt  auch  beim  Fressen  das  fingerförmigen  An- 


Hautmuskelu. 


83 


Fiff.  43 


^ 


A  Haut  eines  Vogels,  massige  Vergrösserung:  a  Feder,  abgeschnitten,  b  Epi- 
dermis, c  Lederhant,  d  Muskelnetz,  e  Pacinische  Körper,  f  Blutgefässe. 
B   Ein   Stückchen  Hautmuskel   bei   starker  Vergrösserung:     a  Muskelsubstanz, 

b  Sehnen. 

hängsei,  dass  es  nicht  mehr  so  lang-  ist,  als  der  Schnabel.   Die  Nerven 
sind  gleichfalls  stark  und  zahlreich. 

In  der  Lederhaut  der  Säuger  scheinen  die  glatten  Muskeln  zurück- 
zutreten ,  ich  kenne  sie  wenigstens  nur  als  Fleischhaut  des  Hodensackes 
und  als  Muskellage  jener  Hautdrüsen  ,  welche  als  umgewandelte 
Schweissdrüsen  aufzufassen  sind.  Vergeblich  habe  ich  am  Rücken, 
Bauch  und  Schenkel  mehrerer  Nager,  so  wie  beim  Hund  und  Rind  nach 
gatten  Muskeln  gesucht;  ebenso  erging  es  v.  Hessling  bei  der  Spitzmaus 
und  der  Gemse.  Nur  noch  in  der  Lederhaut  des  buschigen  Schwanzes  vom 
Eichhörnchen  glaube  ich  contractile  Elemente  nachweisen  zu  können. 
Das  Sträuben  der  Haare  mag  sonst  abhängen  von  den  starken  querge- 
streiften Muskeln,  welche  zunächst  unter  der  Haut  liegen  und  deren 
Sarcolemma  unmittelbar  mit  der  Bindesubstanz  der  Lederhaut  zusammen- 
fliesst,  sich  auch  wohl  direkt  an  die  Bälge  der  dickeren  Haare  (z.  B. 
Tasthaare)  ansetzt.  Am  behaarten  Theile  der  Schnauze  vom  Schwein, 
Hund  sehe  ich  die  quergestreiften  Primitivbündel  des  Hautmuskels  sich 
baumartig  verästeln  und  mit  ihren  Endausläufern  bis  nahe  an  die  Grenz- 
schicht der  Lederhaut  reichen.  Auch  Huxley  bildet  verzweigte  Muskel- 
bündel aus  der  Lippe  der  Ratte  ab.  — Die  sog.  Fleischtrotteln  an  der 
Kehle  der  Ziegen  haben  nichts  muskulöses,  es  sind,  wie  ich  nach  Unter- 
suchung derselben  von  einem  jungen  Thier  einflecliten  kann,  Aussackun- 
gen der  Haut,  die  aber  insofern  der  Aufmerksamkeit  würdig  sind,  als 
sich  in  ihrem  Innern  ein  festerer  Achsenstrang  vorfindet,  der,  die  Form 
der  Trotteln  im  Kleinen  wiederholend ,  eine  keulenförmige  Gestalt  hat. 
Er  weisst  sich  mikroskopisch  als  ein  echter  Netzknorpel  aus ,  dessen 
Zellen  sehr  blass  sind  mid  leicht  am  Schnittrande  herausfallen,  während 
die  netzfaserige  Substanz  den  Charakter  des  elastischen  Gewebes  dar- 

6* 


84 


Von  der  äusseren  Hant  der  Wirbeltliiere. 


llaudh'Usen 

iler 

Koutilien. 


bietet.    Ausserdem  bemerkt  man   in  den  Trotteln  noch  einige  Nerven- 
stämmchen,  Blutgefässe  und  Fettträubchen. 

§.  85. 
Sehen  wir  uns  nach  dem  Vorkommen  der  Hautdrüsen  um,  so  ver- 
missen wir  sie  bei  Fischen  vollständig,  und  was  man  gemeinhin  Haut- 
schleim nennt  und  fälschlich  von  eigenen  Drüsen  abgesondert  sein  lässt, 
ist  die  d*irch  den  beständigen  Wasseraufenthalt  weichbleibende  Epi- 
dermis selber.  Auch  bei  den  Vögeln  existiren  keine  >S'chweiss- und  Talg- 
drüsen und  nur  statt  der  letzteren  dient  zum  Einsalben  der  Federn  die 
Bürzeldrüse,  deren  Sekretionszellen  sich  allerdings  (Sperling  z.B.)  wie 
die  der  gewöhnlichen  Talgdrusen  verhalten.  Sie  schliessen  Fettmole- 
küle, auch  wohl  grössere  Fetttropfen  ein.  —  In  der  Classe  der  beschupp- 
ten Reptilien  sind  Hautdrüsen  nur  auf  bestimmte  Gegenden  beschränkt 
(Schenkeldrüsen  der  Saurier,   welche  bei  Lacerta  agilis  sehr  zierliche, 

Flg.   44. 


5/ 


Durchschnitt  der  Haut  des  Aales. 

a  Epidermis,    b  Lederhaut,    c  becherförmige  Organe  auf  den  Papillen,    d  Schuppe, 

e  Fettlage  unter  der  Lederhaut.     (Massige  Vergr.) 

schiirf  abgesetzte  Drüsengruppen  vorstellen,  Moschusdrüsen  der  Kroko- 
(Ule  und  gewisser  Schildkröten  u.  s.  w.)  Hingegen  bei  den  Batrachiern 
gewahren  wir  sie  sehr  allgemein  über  die  ganze  Hautfläche  verbreitet. 
Ihren  Umrissen  nach  bieten  sie  nie  einen  traubigen  Typus  dar,  sondern 
haben  stets  die  Gestalt  eines  Sackes,  der  entweder  einfach  ist  oder  zahl- 
reiche Scheidewände  nach  innen  entsendet,  wodurch  die  Drüse  fächerig 
wird,  wie  Peters  von  den  Moschusdrüsen  derSchihlkröten  und  Krokodile 
beschreibt.  Bei  der  Batrachiern  werden  die  Hautdriison  an  gewissen  Kör- 
perstellcn  grösser,  und  da  auch  deren  Sekret  sich  morphologisch  etwas 
anders  zeigt,  so  kann  man  füghcli  von  zweierlei  Hautdrüsen  der  nackten 
Amphibien  sprechen,  von  kleinen  über  die  ganze  Hauttiäche  weggehen- 
den und  von  grösseren,  zu  welchen  die  seit  Langem  bekannten  Drüsen- 
wiiUtc  der  KrJtten  imd  Sahunander  hinter  den  Ohren,  sog.  Parotiden,  (am 
grös.slen  Ix'i  liiifo  (ujiki,)^  (huni  die  Seitendrüsen  der  Salamander  gehören; 


Hautdrüsen. 


85 


Eckhard  tlieilt  mit,  dass  auch  an  den  hmtern  Extremitäten  der 
Kröten  über  den  Muse,  peron.  lateral.  Drüsen  vorkommen  von  derselben 
Entwicklung,  wie  hinter  dem  Ohr,  Auch  bei  den  Fröschen  {Rana  ocel- 
lata ,  B.  iemporaria)  beginnt  etwas  hinter  der  Ohrgegend  ein  dicklicher 
Streifen,  der  sich  weit  nach  hinten  erstreckt  und  aus  besonders  grossen 
Drüsen  besteht.  Die  Daumendrüse  der  Männchen  der  schwanzlosen 
Batrachier  {Rana,  Bomhinator  z.  B.)  zählt  nicht  minder  hieher.  Auch 
rings  um  die  KloakenöfFnung  sind  bei  den  Fröschen  die  Hautdrüsen  be- 
sonders entwickelt.  Endlich  bei  Coecilia  anmdata.  hat  die  Haut  am 
hintern  Körperende  durch  die  hier  so  sehr  ausgebildeten  Drüsen  sich 
ganz  beträchtlich  verdickt,  zugleich  lässt  sich  dabei  deutlich  bemerken, 
dass  mit  den  grossen  Drüsen  in  den  oberen  Schichten  der  Lederhaut 
noch  die  kleinen,  gewöhnlichen  Drüsensäckchen  zugegen  sind,  was 
auch  für  die  berührte  Differenz  der  beiden  Drüsenarten  sprechen 
dürfte.  Nicht  minder  sieht  man  an  der  sog.  Barotis  des  Salamanders 
zwischen  den  Ausmündungen  der  grossen  Drüsenbälge  die  gewöhn- 
lichen kleinen  Hautdrüsen. 


Fig.  45. 


d 


Durchschnitt  durch  die  Haut  des  Frosches,  stark  vergrössert. 
a  Epidermis,  b  Lederhaut,  c  die  kleinen  Drüsen,  d  die  grossen  mit  Muskellage. 

§.  86. 
Alle  aufgezählten  Hautdrüsen  haben  eine  bindegewebige  Tu nica 
propria,  die  in  den  grösseren  Drüsensäcken  stärker  als  in  den  klei- 
neren ist,  nach  aussen  wird  sie  an  den  Moschusdrüsen  der  Schild- 
kröten und  Krokodile  von  einer  quergestreiften  Muskellage  umgeben 
(Beters),  an  den  Hantdrüsen  der  Batrachier  glaube  ich  nur  an  den 
Seitendrüsen  des  braunen  Grasfrosches  eine  Schicht  glatter  Längs- 
muskeln erblickt  zu  haben,  an  den  grossen  Drüsen  der  Salamander 
so  wie  der  Coecilia  konnte  ich  nichts  von  Muskeln  wahrnehmen.  Die 
Sekretionszellen,  welche  der  inneren  Fläche  der  Tunica  propria  an- 
liegen, haben  in  den  kleinen  Hautdrüsen  eine  mehr  rundliche,  in  den 
grossen  eine  längliche  Gestalt  und  was  der  Beachtung  werth  sein 
dürfte,    sie  sind  bei  Coecilia  anmdata  von  einer  solchen  Grösse,  dass 


86 


Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbelthiere. 


vielleicht  nur  die  Schleimzellen  in  der  Epidermis  sehr  glatter  Fische 
(Schleie  z.  ß.)  mit  ihnen  vergleichbar  wären.  Jedenfalls  reihen  sie 
sich  unter  die  grössten  Sekretionszellen  der  Wirbelthiere.  Der  Inhalt 
der  Zellen  in  den  kleinen  Drüsen  ist  ein  feinkörniger ;  der  aus  den 
Zellen  der  grossen  Drüsensäcken  besteht  aus  hellen  Eiweisskü- 
gelchen,  welche  in  den  Zellen  der  CoecUia  erst  in  einiger  Entfernung 
von  dem  Kern  ihren  Umfang  vergrössern. 

Fig.  46, 


Ilnutdrlifien 
ilfr  Siiiigcr. 


Ein  Stück  einer   grossen  Hautdrüse   von  Coecilia  annulata. 
a  Tunica  propria.,  b  Sekretionszellen.     (Starke  Vergr.) 

§.  87. 
Die  wabenartigen  Räume  auf  dem  Rücken  der  Pipa  dorsigera,  in 
welcher  die  Entwicklung  der  Jungen  statt  hat,  müssen  ebenfalls  für 
kolossal  entwickelte  Hautdrüsen  angesehen  werden.  Ich  untersuchte 
ein  Weibchen,  dessen  Eier  noch  im  Eierstock  waren  und  ein  anderes 
mit  schon  weit  vorgeschrittenen  Embryonen  innerhalb  der  Alveolen  des 
Rückens.  Bei  ersterem  sah  man  in  der  Rückenhaut  dieselben  kugel- 
förmigen Drüsen  mit  engem  Ausführungsgang  durch  die  Epidermis, 
wie  an  der  übrigen  Haut  des  Körpers.  Die  Drüsen  stehen  im  Ver- 
hältniss  zu  anderen  Batrachiern  gar  nicht  dicht,  sind  vielmehr  ziem- 
lich weit  auseinander  gerückt.  Zwischen  den  Drüsen  erhebt  sich  die 
Plaut  in  Papillen  von  verschiedener  Grösse.  Bei  dem  zweiten  Thier 
waren  am  Rücken  die  bezeichneten  Drüsen  nicht  mehr  vorhanden, 
sondern  statt  ihrer  die  grossen  Alveolen,  die  Embryonen  enthaltend. 
Das  Innere  dieser  Waben  war  von  einem  zarten  Plattenepithel  aus- 
gekleidet, das  Bindcgewebsstratum,  als  besondere  Haut  darstellbar, 
pigmentirt,  und  in  ihm  verliefen  auch  Bündel  glatter  Muskeln,  die 
sonst  in  der  Lederhaut  durchaus  mangeln. 

>      §.88. 
Die  Drüsenformen,  welche  der  Haut  der  Säugethiere  zukommen, 
sind  Talg-  und  Schweissrüsen  in  grösserer  oder  geringerer  oder  auch 


Hautdrüsen. 


87 


eigentliiiniliclier  Ausbildung;  Talgdrüsen  fehlen  nie  an  behaarten 
Hautflächen,  und  sind  stellenweise  mehr  entwickelt,  beim  Maulwurf 
z.  B.  am  Mundwinkel,  so  dass  sie  schon  das  freie  Auge  leicht  erkennt; 
wohl  aber  können  die  Schweissdrtisen  vermisst  werden,  wie  ich  es  wenig- 
stens beim  Maulwurf,  Ratten  und  Mäusen  finde;  andere  Gattungen 
besitzen  die  Schweissdrüsen  über  die  ganze  Haut  weg,  so  das  Pferd, 
Rind,  Schaaf,  Schwein,  der  Hund,  jedoch  in  etwas  wechselnder 
Entwickelung.  Die  einfachste  Form  erblickt  man  beim  Kalb,  hier 
ist  die  Schweissdrüse  ein  gerader,  nicht  gewundener  Schlauch,  dessen 
verengter  Ausführuugsgang  immer  unterhalb  der  Talgdrüsen  in  den 
Haarbalg  mündet.  Fast  zu  jedem  Haarfollikel  gehört  eine  solche 
Schweissdrüse.  Etwas  beträchtlicher  sind  die  Schweissdrüsen  an  den 
Fig.  47.  Fig.  48. 


-rC 


Durchschnitt  der  Haut  des 
Hundes  : 
a  Haar,  b   Talgdrüsen,  c  Schweiss- 
drüsen, d  Epidermis,  e  Corium. 


Durchschnitt  der  Haut  des 
Kalbes  : 
a  Haar,  b  Talgdrüsen,  c  Schweiss- 
drüsen, d  Epidermis,  e  Corium. 


(Geringe  Vergr.) 
behaarten  Partien  des  Hundes,  indem  sich  seitlich  an  jedem  Haarbalg 
herab  ein  gewundener  Drüsenschlauch  erstreckt,  der  über  das  blinde  Ende 
des  Follikels  ziemlich  weit  hinausragt  und  durch  seine  Schlängelungen 
einen  länglichen  schmalen  Knäuel  bildet.  Endlich  ganz  vom  Aussehen  der 
menschlichen  Schweissdrüssen  sind  sie  beim  Schwein,  Schaaf,  Pterd, 
ebenso  in  den  Sohlenballen  vom  Hund,  Katze,  Dachs,  Ratte,  Maus 
u.  a.  nur  vermisse  ich  sie  auch  hier  beim  Maulwurf.  Die  kahlen 
Cetaceen  haben  wieder  mit  den  Fischen  gemein  (ich  stütze  mich  hier- 
bei auf  die  Untersuchung  von  Hautstücken  der  Balaena  longimana  und 
B.  austraUs) ,  dass  ihnen  jegliche  Hautdrüsen  abgehen.  Doch  darf 
man  in  jenen  Cetaceen,  welche  immer  oder  nur  im  Fötalzustand 
Barthaare  an  der  Oberlippe  besitzen,  der  Analogie  nach  die  Anwesen- 
heit von  Talgdrüsen  vermuthen.*) 

*)  Ich  habe  unterdessen  Gelegenheit  gehabt,  einen  wohlerhaltenen  Embryo  von 
Manatus  zia  besehen,  welcher  nicht  bloss  Barthaarc  besitzt,  sondern  auch  über  den 
ganzen  Körper  weg  eine  freilich  äusserst  spärliche  Behaarung  zeigt,  indem  die 
Haare  weit  auseinander  stehen.     In  einer  frühern  Epoche  des  embryonalen  Lebens 


88  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbelthiere. 

§.  89.  _ 

In  ähnlicher  Weise,  wie  beim  Menschen  die  Schweissdrüsen  eine 
specifische  Umbildung  zu  den  Ohrenschmalzdrüsen  erfahren  können,  oder 
die  Talgdrüsen  zu  den  Meibom'schen  Drüsen  heranwachsen,  so  geschieht 
solches  in  ausgedehntem  Maassstab  bei  Säugethieren  und  die  vielen 
Drüsen  derHaut,  welche  stark  riechende  Sekrete  bereiten  und 
unter  mancherlei  Benennungen  beschrieben  werden,  stellen  histologisch 
gemustert,  lediglich  entwickelte  Schweiss-  oder  Talgdrüsen  vor.  Es 
sind  z.  B.  die  Seitendrüsen  der  Spitzmäuse  massige  Schweissdrüsen, 
während  die  Drüsen  an  den  unter  dem  Namen  Brunftfeige  bekannten 
Hautwülsten  der  Gemse  sich  als  starke  Talgdrüsen  zu  erkennen  ge- 
geben haben  {v.Hessling).  Die  dicke,  auf  dem  Durchschnitt  kaffee- 
braune Drüsenlage,  welche  die  Schwanzwarbelsäule  des  Hirsches  rings 
umgiebt,  kann  auch  nur  auf  entwickelte  Schweissdrüsen  bezogen  werden. 
Die  anscheinend  traubig-gelappten  Drüsenblasen  sind  von  zahlreichen 
Blutgefässen  umsponnen  und  ihre  Sekretionszellen  prall  von  einer  fein 
granulären  Substanz.  Die  Haare  des  Schwanzes  haben  ihre  eigenen 
zierlichen  Talgdrüsen  {Leydig).  Nicht  minder  sind  Talgdrüsen :  die 
grossen  Vorhautdrüsen  der  Ratten,  Mäuse,  die  Meibom'schen  Drüsen, 
die  Gesichtsdrüsen  der  Fledermäuse,  (wahrscheinlich  auch  der  eigen- 
thümliche  Sack  in  der  Nähe  des  Ellenbogens  bei  der  Beutelfledermaus 
aus  Surinam,  s.  Krause  im  Arch.  f.  Naturg.  1846  und  die  Drüse  an 
der  Flughaut  von  Emballonura  canina  s.  Reinhardt^  Froriep's  Tgbl. 
Nr.  188,  1850),  die  Drüsen  in  der  Saugtasche  des  Dachses,  wahr- 
scheinlich auch  die  Violdrüse  des  Fuchses  und  Wolfes  auf  dem 
Schwanzrücken,  vielleicht  auch  die  Hinterhauptsdrüse  der  Kameele, 
die  Kopfdrüse  des  Elephanten,  unter  der  nach  Beobachtung  von  Otto 
(Carus  und  0.,  Erläuterungstafeln  zur  vergleichenden  Anatomie)  ein 
Wundernetz  liegt.  An  manchen  Orten  der  Haut  bilden  sich  die 
Schweiss-  und  Talgdrüsen  zusammen  zu  grösseren  Massen  um,  was 
in  jenen  beuteiförmigen  Einstülpungen  der  Haut  geschieht,  die  unter 
dem  Namen  Analsäcke  bekannt  sind.  Hier  erreichen  die  beiden 
Drüsenarten  einen  beträchtlichen  Umfang  und  das  Sekret  beider  mengt 
sich  im  Analsack.  Auch  an  den  sog.  Inguinaldrüsen  des  Hasen  nnd 
Kaninchen  kann  man  die  beiderlei  Drüsenspecies  leicht  von  einander 
wegkennen.  Einen  ähnlichen  Bau  vermuthe  ich  auch  von  den  Perineal- 
drüsen  ( Viverra)  und  den  Huf-  und  Klauendrüsen  der  Wiederkäuer,  des 


mag  übrigens  der  Haarbesatz  weit  dichter  gewesen  sein,  denn  bei  mikroskopischer 
Untersuchung  erblickt  man  eine  Menge  von  Gruben,  die  nur  die  Stellen  anzukün- 
digen scheinen,  wo  die  Haare  bereits  ausgefallen  sind.  Die  Haare  haben  den  Cha- 
rakter von  Wollhaaren  ,  sind  dünn  ,  ohne  Marksubstanz ,  die  Barthaare  zum  Theil 
mit  zerstreuten  braunen  Pigmcntklümpchen  im  Innern.  Zu  jedem  Haar  gehören 
einige  Talgdrüsen  von  geringer  Grösse  und  einfach  bcutelförmiger  Gestalt. 
Schweissdrüsen  fehlen  an  den  untersuchten  Gegenden.  An  der  Schnauze  verlieren 
sich  die  Bündel  quergestreifter  Muskeln   zwischen  die  Haarbälge. 


pigmento. 


Hautknochen.  89 

Rhinoceros,  von  dem  Drüsensack  auf  dem  Rücken  der  Pekariarten, 
Leistendrüsen  der  Gazellen  u.  dergl.  (Wie  verhalten  sich  wohl  näher 
die  von  Oioen  am  Rhinoceros  indicus  beschriebenen  „schlauchförmigen 
Drüsen^'  hinter  der  Sohle?)  —  Die  sog-.  Giftdrüse  des  männlichen 
Schnabelthieres  ist  ebenfalls  den  Hautdrüsen  äquivalent  zu  achten. 

§.  90. 

Die  dunklen  Färbungen  der  Haut  hängen  beim  Menschen  von  """» 
dem  Pigmentgehalt  der  Oberhautzellen  ab  und  auch  bei  Thieren  können, 
wovon  nachher,  die  Epidermisschlchten  pigmentirt  sein,  andere  Thiere 
weichen  aber  darin  vom  Menschen  ab,  dass  auch  die  verzweigten 
Bindesubstanzräume  in  den  oberen  Lagen  der  Lederhaut  mit  Pig- 
ment erfüllt  sind,  so  bei  vielen  Säugern  und  Vögeln,  ja  bei  gar  manchen 
Reptilien  und  Fischen  zeigt  sich  die  Hauptmasse  des  Pigments  in  der 
Lederhaut  abgelagert,  bei  Goluber  natrix,  Lacerta  agüis  z.  B.  ist  das 
schwarze,  grüne,  gelbbraune  Pigment  fast  nur  dort  untergebracht. 
Die  durch  Pigment  ausgezeichneten  verästelten  Bindegewebskörperchen 
bilden  häufig  bei  Fischen  {^Leudscus  dohula)  ungeheuer  weit  verzweigte 
Sterne,  wie  sie  einem  sonst  bei  höheren  Thieren  nie  mehr  zu  Gesicht 
kommen. 

Nimmt  man  Rücksicht  auf  die  Elemente  des  körnigen  Pigments, 
so  unterscheidet  man  dreierlei:  1)  Die  Körnchen  des  braunen  bis 
schwarzen  Pigmentes.  Davon  verschieden  sind  2)  die  Körnchen  eines 
namentlich  bei  Reptilien  und  Fischen  vorkommenden  weissen  oder 
weissgelben  Pigmentes  und  endlich  3)  die  Elemente  des  Metall- 
glanzes bei  Fischen  und  Amphibien.  Es  sind  eigenthümliche  krystal- 
linische  Bildungen,  die  von  Molekulargrösse  an  bis  zu  grossen  längsge- 
strichelten schön  irisirenden  Plättchen  oder  Flitterchen  sich  ausbilden. 
(Sie  bestehen  aus  einer  organischen,  stickstoffhaltigen  Substanz  mit 
anorganischen  Salzen,  v.    Wittich.) 

Erwähnenswerth  dürfte  noch  sein,  dass  die  Mitglieder  der  Höhlen- 
fauna eine  meist  unpigmentirte  Haut  haben,  ich  erinnere  an  den  in 
den  unterirdischen  Räumen  des  Karstgebirgs  lebenden  01m  und  an 
den  blinden  Fisch  der  Mammuthhöhle  in  Amerika. 

§.  9L 
0  ssifikationen  der  Lederhaut  kommen  bei  vielen  Wirbelthieren 
in  grösserer  oder  geringerer  Ausdehnung  vor.  Aus  der  Gruppe  der  Vögel 
wüsste  ich  kein  Beispiel  namhaft  zumachen,  von  den  Säugethieren 
ein  einziges,  die  Gürtelthiere  {Dasypus,  Chlamydophorns),  von  deren 
Corium  ein  guter  Theil  zu  Knochenplättchen  umgewandelt  ist,  bei 
Dasypus  hat  die  der  Epidermis  zugewandte  Fläche  den  Charakter  der 
Suhstantia  dura,  sie  ist  glatt,  von  wenigen  kleinen  Löchern  durch- 
bohrt, die  Knochenkörperchen  rundlich,  mit  kurzen,  wenig  verästelten 
Canälen.  Nach  innen  zu  tritt  mehr  dei  Charakter  der  Suhstantia 
spongiosa  hervor,  die  Markräume  gewinnen  das  Uebergewicht  über  die 


HaiU- 
knoehen. 


90  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbelthiere. 

Knochenbälkchen.  {H.  Meijer).  Die  Knoclienschilder  sind  gefässhaltig 
{Älessandrini).  Zum  Hautskelet  kann  man  auch  das  knöcherne  Ge- 
weih des  Rothwildprets  zählen,  in  gewisser  Beziehung  vielleicht  auch 
die  Zapfen  auf  der  Stirn  der  Giraffe,  obschon  sie  noch  von  binde- 
gewebiger Lederhaut  überzogen  sind,  was  strenger  genommen,  einigen 
Grund  abgiebt,  sie  den  Hautknochen  nicht  beizurechnen.  Früher 
äusserte  man,  dass  die  Geweihe  vom  Knochen  ,, durch  Beimischung  von 
Hornmasse  sich  unterscheiden",  was  mir  doch  gar  keine  Begründung 
zu  haben  scheint,  denn  der  ursprünglich  vorhandene  epidermoidale 
Ueberzug  schält  sich  später  als  sog.  Bast  zugleich  mit  der  nicht 
ossificirenden  und  übrig  gebliebenen  Lederhaut  ab  und  die  Geweihe 
bestehen,  wie  Schliffe  zeigen,  aus  sehr  gefässreicher  Knochensubstanz. 

Häufiger  erscheinen  die  Hautossificationen  bei  Amphibien  und 
noch  mehr  in  der  Classe  der  Fische.  Bei  den  Batrachiern  Ceratophrys 
dorsala,  Bufo  maculiventris,  Notodelphys  ovifera,  Brachycephalus  u.  a.  ist 
die  Lederhaut  des  Schädels  grössentheils  verknöchert  und  mit  den  Schä- 
delknochen zu  eins  verschmolzen,  (was  auch  schon  von  O.  Garus, 
Erläuterungstaf.  z.  vergl.  A.  angedeutet  wurde),  Ceratoph-ys  besitzt 
ferner  in  der  Lederhaut  des  Rückens  eine  grosse,  kreuzförmige  Knochen- 
platte, deren  Knochenkörperchen,  da  sie  lang  und  schmal  sind,  an 
Zahnkanälchen  erinnern.  Ebenso  besitzt  Brachycephalus  ephippium 
ein  ausgedehntes  knöchernes  Rückenschild.  Auch  bei  Sauriern  giebt 
es  Hautossificationen,  so  finde  ich  bei  Änguis  fragilis  über  die  ganze 
Haut  weg  zierliche,  sich  schuppenartig  deckende  Knochenschilder. 
Jedes  Schildchen  ist  an  seiner  Basis  von  etlichen  Canälen  durchbohrt, 
die  auf  der  Oberfläche  divergirend  verlaufen  und  zu  Furchen  werden. 
Auf  dem  Schädel  ist  die  Lederhaut  ebenfalls  ossifizirt  und  mit  den 
Kopfknochen  verschmolzen,  ferner  haben  die  Skincoiden,  Pseudopus, 
kleine,  die  Crocodilc  und  Schildkröten  bekanntlich  mächtige  Knochen- 
schilder der  Haut,  (die  der  Schildkröten  sehe  ich  von  zahlreichen  Mark- 
kanälen durchzogen),  andre  Saurier  sind  ohne  Hautknochen:  Lacerta 
ayüis,  Chamaeleo  africanus,  üromastix  spinipes,  Ayama  aurita,  Äm- 
phishaena  boten  mir  wenigstens  in  den  untersuchten  Hautstellen  keine 
dar.  Von  Schlangen  habe  ich  Coluher  natrix  geprüft,  aber  mit  gleich 
negativem  Erfolge. 

§.  92. 

Bei  den  Fischen  hat  man  von  den  dünnen  Schuppen  und  Haut- 
körnern an  bis  zu  den  Schildern  und  zusammenhängenden  Panzern 
eine  stetig  fortlaufende  Reihe  von  Ossificationen  der  Lederhaut,  ja 
bei  manciien  Arten  (z.  B.  Polypterus,  noch  mehr  Ostracion  u.  a.) 
zeigt  sich  der  grösste  Theil  des  Coriums  zu  einem  äusseren  Skelet 
verknöchert.  Mit  Rücksicht  auf  den  feineren  Bau  und  bezüglich  des 
Verhältnisses  in  welchem  die  Schuppen  zur  Lederhaut  stehen,  sei 
Folgendes  hervorgehoben.  Die  Schuppen  unserer  meisten  Süss- 
wasserfische  ci'scheinen  als   theilweise  Ossificationen  von  platten  Haut- 


Schuppen.  91 

fortsätzen,  die  man  herkömmlich  Schuppentaschen  nennt,  und  um  sich 
von  der  Richtigkeit  dieser  Auffassung  leicht  zu  belehren,  möchte  ich 
besonders  den  Spiegelkarpfen  empfehlen,  an  dessen  Haut  man  die 
verschiedenen  Bilder  beisammen  hat.  Dieser  Fisch,  bekanntermaassen 
eine  Abart  des  Cyprinus  carpio,  zeichnet  sich  dadurch  aus,  dass  er, 
mit  Ausnahme  von  drei  Reihen  grosser  Schuppen,  sonst  nackt  ist. 
Auf  der  kahlen  Haut  kommen  durchweg  kleine  Höckerchen  von 
mannichfacher  Gestalt  und  wechselnder  Grösse  vor,  welche  nichts 
anderes  sind,  als  verkümmerte  Schuppentaschen,  denn  in  den  grösseren 
lässt  sich  auch  noch  mikroskopisch  eine  kleine  Schuppe  entdecken. 
Da  nun  an  den  Ausläufern  der  Haut  nur  das  Innere  derselben  zur 
Schuppe  ossifizirt,  so  bleibt  ober-  und  unterhalb  derselben  eine  zu- 
sammenhängende bindegewebige ,  gefäss-  und  nervenhaltige  Lage  übrig 
und  bildet  die  „Schuppentasche",  die  auch  bei  manchen  Fischen 
{Tinea,  Lahrus)  in  einen  spitz  zulaufenden,  freien  Fortsatz  sich  aus- 
serdem verlängert.  Es  geht  daher  bei  vielen  Teleostiern  über  die 
Oberfläche  der  Schuppe  noch  ein  bindegewebiges  Stratum  weg,  wird 
aber  auch  dieses  in  die  Verknöcherung  hineingezogen,  wie  z.  B.  bei 
Polypterus ,  so  folgt  auf  die  Schuppensubstanz  nach  aussen  die  Epi- 
dermis und  weil  diese  an  gar  manchen  Körperstellen  durch  die  Um- 
stände abgerieben  wird,  so  liegt  dann  die  Schuppe  frei  zu  Tage. 
Ebenso  verhält  es  sich  mit  den  Schuppen  und  Hautstacheln  der 
Rochen  und  Haie,  dies  sind,  wie  sich  sehr  klar  übersehen  lässt, 
ossificirte  Papillen  der  Haut,  und  an  jüngeren  Haien  haben  alle 
Schuppen  einen  vollständigen  Epidermisüberzug,  an  denen  älterer 
Thiere  hingegen  erscheint  der  freie  Rand  häufig  unbedeckt  von  einer 
Epidermis,  sie  ist  verloren  gegangen  und  erhält  sich  nur  an  einzelnen 
geschützten  Lokalitäten  (so  sah  ich  z.  B.  an  Oaleus  canis  die  Schuppen 
der  Nickhaut  deutlich  unter  der  Epidermis  liegen.) 

§.  93. 
Die  kalkhaltige  Grundsubstanz  der  Schuppen  ist  homogen  oder 
geschichtet  streifig;  an  unsern  Süsswasserfischen  kann  sie  nach  Be- 
handlung mit  Essigsäure  in  Fasern  von  blassem ,  starren  Aussehen, 
die  in  grösseren  Fetzen  sich  gern  vom  Rande  her  einrollen^  gespalten 
werden.  An  den  Schuppen  des  Polypterus  zeigt  die  körnig-streifige 
Grundsubstanz  eine  concentrische  Schichtung  um  die  Havers'schen 
Hohlräume,  sowie  ausserdem  namentlich  an  der  Basis  senkrechte  und 
wagrechte  Lamellen,  wie  die  daran  stossende,  nicht  ossificirte  Lederhaut. 
Viele,  besonders  die  sehr  dünnen  Schuppen  sind  ohne  den  Knochen- 
körperchen  vergleichbare  Hohlräume,  andere  zeigen  nur  sehr 
rudimentäre ,  zu  kleinen  punktförmigen  Räumen  herabgesunkene 
Knochenkörperchen;  schon  entwickeltere  haben  z.  B.  die  pfriemen- 
förmigen,  stachelähnlichen  Schuppen  des  Cottus  gobio,  sie  sind  in  der  ver- 
breiterten Basis  mehr  rundlich,  am  Rande  einigemal  ausgezackt,  gegen 
den  Stachel  hin  ziehen  sie  sich  in  die  Länge  und  werden  nicht  selten 


92 


Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbelthiere. 


A  Senkrechter    Sclniitt    einer   in    Säure  macerirten  Schuppe  von  Polypterus  ; 

a  Grundsubstauz    mit  Knochenkörperchen ,    b  Havers'sche  Kanäle. 
B  Von  derselben  Schuppe  der  unterste  Theil,    welcher  continuirlich   mit  der 

Lederhaut  zuasmmenhängt : 

a  Schuppe  mit  dem  Knochenkörperchen  a*  und  dem  Havers'schen  Kanal  a^, 

b  die  Lederhaut  mit  dem  Bindegewebskörperchen  b '.     (Starke  Vergr.) 

linienf(irmig.  Auch  die  den  Schuppen  der  Seitenlinie  aufgesetzten 
Rinnen  und  Halbkanälc  besitzen  in  dem  einen  Fall  (Weissfische, 
Barsche)  nur  Knochenkörperchen  von  verkümmerter  Gestalt,  bei  anderen 
Arten  aber  treten  hier  genuine,  weithin  verästelte,  mit  einem  Kern 
versehene  Knochenkörperchen  auf  {(Jyprinus  carpto,  Tinea  chrysitts, 
Barhus  fluviatilis),  die  Ausläufer  verbinden  sich  deutlich  mit  einander 
zu  einem  Netz.  Schöne  Knochenkörperchen  kennt  man  ferner  schon 
länger  aus  den  dicken  Schuppen  des  Polypterus ,  Lepidostevs,  Svdis, 
Tliynnus  vulgaris  u.  a. ;  ebenso  besitzen  die  Hautschilder  der  Störe 
ausgebildete,  mit  ästigen  Strahlen  versehene  Knochenkörperchen.  Die 
Schuppen  des  Polyptevvs  sind  ausser  den  Knochenkörperchen  noch  von 
einem  System  Havcrs'schcr  Kanäle  durchzogen,  welche  Fcttzellen, 
Pigment  und  Blutgefässe  enthalten  können.   Die  Stacheln  und  Schuppen 


Schuppen.  93 

der  Selachier  sind  gleich  den  Zähnen  ossificirte  Hautpapillen  und  die 
Knochensubstanz  zeigt  diesem  Verhalten  entsprechend  die  Modifikation 
des  Zahngewebes :  sie  besitzen  eine  Centralhöhle  (gewissermaassen 
einen  vergrösserten  Havers'schen  Kanal),  und  von  diesen  weg  strahlen 
feine  Kanäle  aus  (die  Analoga  der  Knochenkörperchen)  und  verästeln 
sich  unter  Abnahme  ihres  Lumens  aufs  feinste.  Die  Pulpe,  welche 
sich  aus  den  grösseren  Stacheln  herausheben  lässt,  besteht  aus  Binde- 
gewebe und  Gallerte ;  in  ihr  verzweigt  sich  ein  dichtes  Capillarnetz, 
aber  unmöglich  war  es  mir,  selbst  mit  Hülfe  von  Natronlösung,  eine 
Nervenfibrille  zu  erblicken.  —  Jene  die  Säge  des  Pristis  anüqtwrum 
täfelnden  Hautkörner  haben  eine  sternförmige  Centralhöhle,  aus  der 
die  Zahnröhrchen  ausstrahlen.  Die  freie  Fläche  der  Schuppen  des 
Polypterus ,  die  Schilder  von  Ostracion  u.  a. ,  die  Schuppen  und 
Stacheln  der  Selachier  haben  eine  glatte,  härtere,  schmelzähnliche 
Beschaffenheit,  aber  die  Aehnlichkeit  mit  dem  Zahnschmelz  der  Säuge- 
thiere  ist  nur  eine  äussere ;  mikroskopisch  nämlich  besteht  die  Lage 
keineswegs  aus,  den  Schmelzprismen  vergleichbaren,  Elementen,  son- 

Fig.  50. 


Kleiner    Hautstachel    eines    Rochen, 
a   Höhle   mit   den  davon  ausstrahlenden  Kanälchen. 

dern  sie  ist  nichts  anderes,  als  die  nur  von  äusserst  feinen  Hohlräumen 
durchbrochene  und  desshalb  mehr  homogene,  oberste  Lage  der  Schup- 
pen und  Stacheln.  —  Die  Aussenseite  der  Hautossifikationen  der 
Fische  bietet  auch  häufig  mancherlei  Skulpturen  dar:  Längsfurchen 
bei  vielen  Teleostiern,  feine,  sich  durchkreuzende  Furchen,  so  dass 
die  schmelzartige  Schicht  in  tafelförmige  Platten  sich  absetzt ,  bei 
Polypterus ;  die  Tafeln  zeigen  sich  auch  wieder  durch  kleine  Tuberkeln 
höckerig.  Die  Schuppen  der  Haie  erheben  sich  bei  einzelnen  Arten 
[Zygaena  z.  B.)  in  Längsleisten,  und  die  freie  Fläche  hat  noch  eine 
zellige  Zeichnung,  über  welche  die  Frage  erlaubt  ist,  ob  sie  nicht  den 
Oherhautzellen  ihren  Ursprung  (durch  Abdruck)  verdankt. 

§.  94. 
Für  unsre  Vorstellung  über  die  Weise  der  Entstehung  der  Schup- 
pen thut  sich  ein  Licht  auf,    wenn  wir  wissen,    dass    an  der   unteren 
Seite  der  Schuppen   vieler  Teleostier  (ich  kenne   dies  z.  B.  von  Solea, 


94 


Von  dei-  äusseren  Haut  der  Wirbelthiere. 


Acerina,  Perca,  Esox),  eigen tliümliche  geschichtete  Kalkkugeln, 
Concretionen  oder  Schuppenkörperchen  der  Autoren,  liegen.  Ihr  Umfang 
ist  äusserst  wechselnd,    von  Moleculargrösse   bis  zu  stattlichen,  rhom- 


Fig.  51. 


Untere  Fläche  der  Schuppe  eines  V  erschmolzene  Kalk- 

Teleostiers:  kugeln  aus  dem  Haut- 
a  die  Schuppenkörperchen.  Stachel  einer  Raja. 

(Starke  Vergr.) 

bischen  Gebilden.  Man  sieht  sie  entweder  von  distinkter  Form  neben 
und  unter  einander  liegen  ,  oder  durch  unmittelbares  Sichvergrössern 
die  Rauhigkeiten  und  Zähne  am  hintern  Rand  der  Schuppe  (von  Perca 
ßuviatilis  und  Äcerina  cernua  z.  B.)  bilden;  oder  endlich  sie  sind  mit 
ihren  Rändern  zu  einer  gemeinsamen  Masse  —  zu  einer  Schuppen- 
lage —  verschmolzen.  Dergleichen  Kalkkugeln  schliessen  sich  durch- 
aus jenen  Concretionen  an,  wie  sie- bei  der  Ossifikation  des  Hyalin- 
knorpels,  sowie  an  der  Chorda  dorsalis  des  Polypterus  vorhanden  sind 
oder  wie  sie  als  Zahnbeinkugeln  das  Bildungsmaterial  für  die  Zahnsubstanz 
liefern.  Analoge  Gebilde  beobachtet  man  auch  in  den  Hautstacheln  der 
Rochen :  kuglige  Kalkkörper  insolirt  oder  zu  grösseren  Klumpen  ver- 
wachsen, welche,  indem  sie  sich  an  die  Innenseite  der  Pulpahöhle  an- 
legen, mit  einander  verschmelzen,  und  so  die  Dicke  der  Stachelsubstanz 
vermehren. 

§.  95. 
Die  Maschenräume  der  Bindesubstanz,  durch  welche  sich  die 
Lederhaut  an  die  darunter  gelegenen  Theile  anheftet,  haben  ein  ver- 
schiedenes Contentum:  1)  Fett  bei  Säugern,  vielen  Vögeln  und  Fischen; 
es  kann  sich  lokal  auch  anliäufen,  wovon  ein  sehr  bemerkenswerthes 
Beispiel  der  Fetthöcker  der  Kamcelc  ist;  in  ihm  bildet  das  Fett  linien- 
dicke Blätter,  durch  zarte  Scheidewände  getrennt  und  insgesammt  von 
einer  fibrJiscn  Kapsel  umhüllt  {Wedl).  Bei  Fröschen  imd  Kröten 
sind  dergleichen  Fcttablagcrungen,  wie  man  sie  in  grfJsseren  lOumpen 
in  der  Weichen-  und  Achsclgegend  findet,  irrthümlich  (z.  B.  von 
Rösel  an  Bufo  calai/iifa.)  für  Drüsen  genommen  worden.  2)  GaJlerte 
bei  manchen  Fischen  (Hecht,  Flussbarsch,  Karpfen,  Schleie,  Weissfische, 
Aalruppc);  3)  eine  helle  Flüssigkeit  (Lymphe)  bei  Fröschen, 
Kröten,  vielleicht  auch  bei  Torjjedo,  wo  die  Haut,  durch  laxes  Bindege- 
webe angeheftet,    sehr  verschiebbai-  ist;    endlich  4)  in  einigen  Fällen 


Oberhaut.  95 

selbst  L  uft  Es  -wird  angegeben  von  der  Fledermausgattung  Nycteris, 
wo  von  den  ßackentaschen  aus  die  Luft  zwischen  Haut  und  Körper 
tritt;  bei  einigen  Vögeln,  Chaiina,  Calao,  und  (von  Bergmann  näher 
untersucht)  bei  Sula,  durchdringt  Luft  an  einem  grossen  Theil  des 
Körpers  das  Unterhautbindegewebe.  Die  Haut  des  Hirtenvogels  soll 
auch  bei  der  Berührung  überall  knistern;  die  Luft  gelangt  aus  den 
Lungen  durch  die  Luftlöcher  hieher. 

§.  96.        ^ 

An  der  Epidermis  aller  Wirbelthiere ,  selbst  an  der  w^eichen  Epidcmu 
und  schleimartig  anzufühlenden  der  Fische,  macht  sich,  wenn  auch 
unvollkommener  eine  Scheidung  in  eine  untere  Schicht,  Stratum  mu- 
cosum,  und  eine  obere,  Stratum  corneum,  bemerkbar ;  auch  ist  es  wohl 
ziemlich  durchgreifend,  dass  die  untersten  Zellen  der  Schleimschicht 
cylindrisch  sind  und  senkrecht  auf  der  Lederhaut  stehen,  ich  sehe 
wenigstens  bei  Molchen  und  Fischen  noch    eine  derartige  Anordnung. 

Bei  Säugethieren  und  Vögeln  ist  die  Oberhaut  an  allen  behaar- 
ten und  befiederten  Stellen  dünn,  erlangt  aber  oft  eine  beträchtliche  Dicke 
an  den  haarlosen  Gegenden,  so  an  den  Sohlenballen  der  Nager,  Fleisch- 
fresser, Kameele,  Gesäss  mancher  Affen;  sie  bildet  auch  hornige  Platten 
und  Scliuppen,  Manisj  Schwanz  von  Biber,  Ratte,  Oymnura,  Didelphys, 
Myrmecophaga,  Mygale  u.  a. ;  wahrscheinlich  ist  auch  der  Hornstachel 
in  der  Schwanzquaste  des  Löwen  hieher  zu  zählen.  Sehr  verdickt 
sehen  wir  die  Oberhaut  auch  bei  den  kahlen  Cetaceen  und  haarlosen 
Pachidermen,  (beim  Rhinoceros  nach  Bauhenton  sechsseitige,  obwohl 
ziemhch  unregelmässige  Hornplatten  bildend);  verdickte  Partien  der 
Oberhaut  sind  ferner  die  Hörnerscheiden,  das  Hörn  des  Rhinoceros, 
die  Hufe ,  Klauen  und  Krallen ,  die  sog.  Castanien  des  Pferdes ,  bei 
Vögeln  die  Zehen  und  Schnabelscheiden,  die  Scheiden  der  Fusssporen 
bei  den  Hähnen,  der  FKigelsporn  von  Palamedea\mA  Farra,  der  Hehn 
des  Gasuar,  ferner  die  Schwielen  und  Tafeln  an  den  Beinen  und 
den  federlosen  Gegenden  am  Hals  und  Kopf;  ganz  aus  Epidermis- 
zellen  besteht  wohl  auch  das  lange  biegsame  Hörn  auf  dem  Scheitel 
von  Palamedea  cornuta,  das  Hörn  hinter  dem  Auge  von  Tragopan 
satyrus.  Bei  Ophidiern,  Sauriern  und  Cheloniern  trifft  man 
ebenfalls  verdickte  Epidermislagen  an,  von  den  Schildkröten  sind  sie 
unter  dem  Namen  Schildpatt  bekannt;  von  der  Haut  der  Schlangen 
gehört  z.  B.  die  tutenförmige  Schwanzkappe  bei  Äcanthophis  ^  sowie 
die  Klapper  der  Klapperschlange  hieher.  {G.  Carus  in  d.  Erläu- 
terungst.  spricht  von  der  Anhäufung  einer  wallrathähnlichen ,  weiss- 
lichen  Masse  um  den  letzten  Schwanzwirbel,  unterhalb  des  Anfangs 
der  Klapper,  was  ich  an  einem  trocknen  Objekt  nicht  wieder  finden 
kann;  hier  folgt  unmittelbar  unter  der  ersten  Tute  der  Klapper  die 
Knochensubstanz  des  Schwanzwirbels.)  Eine  stärkere  Verhornung 
zeigt  auch  die  Epidermis  unsrer  schwanzlosen  Batrachier  [JRana,  Bom- 
binator z.  B.)  über    den  Papillen    der    Daumendrüse    des    Männchens. 


96  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbelthiere. 

Die  Zellen  sind  da  auch  stark  dunkel  gefärbt.  Die  Nägel  der  Saurier,  der 
Schildkröten,  des  Xenopus,  die  Hervorragung  am  Kopf  der  Hornviper 
(Cerastes),  die  Hornplatte  an  der  Fusswurzel  von  Cultripes  etc.,  könnten 
ebenfalls  noch  angereiht  werden.  Alle  aufgeführten  Epidermis-  (oder 
Hörn-)  Gebilde  bestehen  aus  selbständig  gebliebenen  Zellen, 
zu  deren  Darstellung  Kalilauge  ein  vortreffliches  Mittel  ist;  der  Kern 
der  Zellen  scheint  öfters  geschwunden  zu  sein,  im  Schildpatt  z.  B., 
wie  Donders  mittheilt.  Man  hat  dergleichen  Hornmassen  früher 
neben  dem  lamellösen  auch  einen  fasrigen  Bau,  „eine  haarartige  Struk- 
tur" zugemessen,  wobei  zu  erinnern  ist,  dass  solche  „Hornfäden",  z.  B. 
der  Hufe,  bei  genauerer  Ermittelung  als  Aggregate  von  Hornzellen, 
sich  ausweisen.  Die  Hufe  enthalten  ein  System  von  Hohlgängen, 
welche  am  oberen  Ende  die  bindegewebigen  Zotten  der  sog.  Fleisch- 
krone (oder  Papillen  der  Lederhaut)  aufnehmen,  weiter  nach  unten 
aber  hohl  sind. 

§.  97. 
Schleim-  YAii   mehrfaches  Interesse   dürften  die    von  mir  Schleimzellen 

Zellen. 

genannten  Gebilde  beanspruchen,  die  bei  gewissen  constant  im  Wasser 
lebenden  Wirbelthieren  zwischen  den  gewöhnlichen  rundlichen  oder 
abgeplatteten  Oberhautzellen  gefunden  werden.  Ich  kenne  sie  von 
vielen  Teleostiern,  Ganoiden,  vermisse  sie  in  der  Epidermis  der 
Plagiostomen  und  Chimären,  unter  den  Batrachiern  wurden  sie  be- 
obachtet beim  Proteus  und  den  Larven  des  Landsalamanders.  Die 
kleinsten  übertreffen  (bei  Knochenfischen)  die  ordinären  Oberhaut- 
zellen  nur  um  weniges,  die  grössten  aber,  wie  sie  an  ungewöhnlich 
schlüpfrigen  Fischen  (Aal,  Schleie,  Aalruppe)  auffallen,  sind  bedeutende 
mit  einem  zähen,  körnigen  oder  auch  ganz  hellen  Fluidum  gefüllte 
Blasen.  Das  Sekret  scheint  sich  durch  ein  allmähliges  Platzen  der  Zelle 
zu  entleeren ,  wenigsftens  glaube  ich  (bei  Leuciscus  Dohida)  gesehen 
zu  haben,  dass  die  oberflächlichst  gelegenen  Zellen  ein  oder  mehre 
Löcher  bekommen,  die  durch  Vergrösserung  oder  Zusammenfliessen 
die  Zelle  in  ein  schüssclförmiges  Körperchen  verwandeln.  Einen 
weiteren  Aufschluss  über  die  Natur  dieser  Gebilde  giebt  die  Beobach- 
tung, dass  bei  Polypterus  die  Schlcimzellen  aus  der  rundlichen  in  die 
birnförmigc  Gestalt  übergehen,  das  zugespitzte  Ende  nach  der  freien 
Seite  der  Epidermis  gerichtet,  und  da  es  auch  hier  mitunter  den  An- 

Fig.  52. 


a  EiiideriiiiszcUcii ,    h  Sclileiiiizellen.     (Starke   Vergr.) 


zellon . 


Oberhaut.  97 

schein  hat,  als  ob  die  Zellen  an  dieser  Spitze  geplatzt  wären  und  sich 
dadurch  in  einen  flaschenförmigen  Körper  verwandelt  hätten,  so  wer- 
den sie  dadurch  gewissen  einzelligen  Drüsen  der  Wirbellosen 
[Ptscicola,  Clepsme  u.  a.)  sehr  ähnlich.  —  Beim  Proteus  sah  ich,  dass 
das  körnig-grümliche  Sekret  der  Schleimzelle  in  einem  besonderen 
Sekretbläschen  bereitet  wurde.  *) 

§.  99. 

Die  gewöhnlichen  Epidermiszellen  zeigen  sich  ziemlich  allgemein  pisment- 
farblos;  seltener,  wie  z.B.  an  Cohitis  fossiUs  erscheinen  sie  diffus 
gelblich  gefärbt.  Sie  können  aber  in  verschiedenem  Grade  mit  körnigem 
Pigmente  gefüllt  sein ;  sind  es  nur  die  unteren  Lagen,  die  Schleim- 
schicht, so  vermag  man,  vorzüglich  gut  an  gekochter  Haut  (ich  that 
es  z.  B.  bei  Torpedo)  die  Pigmentlage  leicht  im  Zusammenhange 
von  der  Lederhaut  abzutrennen,  was  wohl  auch  Veranlassung  war, 
dass  Manche  die  Pigmentlage  als  besondere  Schicht  von  der  Epider- 
mis unterschieden.  Ein  andermal  sind  sämmtliche  Zellenstraten  der 
Oberhaut  (bei  Balaena  oder  bei  Vespertilio  pipistrellus ,  an  der 
Schnauze,  Ohr  u.  s.  w.) ,  pigmenthaltig  und  man  hat  dann  alle 
Mittelstufen  vom  leicht  Bräunlichen  bis  zur  tiefsten  Schwärze  zur  An- 
sicht. Die  mannichfachen  bunten  Färbungen  an  unbefiederten 
Stellen  bei  Vögeln  liegen  ebenfalls  in  den  Epidermiszellen,  wir  sehen 
z.  B.  dunkelkörniges  Pigment  in  den  Zellen  des  Rabenschnabels, 
gelbes  und  rothes,  aus  Fettraolekülen  bestehend,  in  den  Schnäbeln, 
Füssen  oder  um  die  Augen  bei  Enten,  Gänsen,  Tauben,  Auerhahn. 
Doch  zeigt  sich  auch  hier  eine  gewisse  Neigung  des  Pigmentes,  sich  in 
dem  Stratum  mucosum  der  Oberhaut  abzuscheiden;  häufig,  wie  z.  B. 
an  der  Wachshaut,  an  den  Lidern  des  Thurmfalken  [Falco  tinnunculus), 
Schnabel  der  Gans,  sind  die  obersten  Lagen  farblos  und  nur  in  den 
tieferen  Schichten  ist  das  gelbkörnige ,  fettartige  Pigment  unterge- 
bracht. Die  hochrothe  Färbung  des  Kammes  und  der  Kehiläppchen 
des  Haushahnes  rührt  übrigens  nicht,  wie  bereits  erwähnt,  von  einem 
besonderen  Pigmente  her,  da  Epidermis  und  Corium  farblos  sind, 
sondern  von  dem  Blutgehalt  der  hier  ungewöhnlich  weiten  Capillaren 
in  den  Hautpapillen. 

Etwas  seltsam  und  unseren  herkömmlichen  Beschreibungen  von 
der  ausschliesslichen  Zusammensetzung  der  Schleimschicht  aus  läng- 
hchen  und  rundlichen  Zellen  Schwierigkeiten  bereitend,  sind  die  ver- 
zweigten Pigmentfiguren,  welche  im  Stratum  mwcoswm  von  Fischen 
und  Reptilien  {Mana,  Menopoma,  Lacerta  agilis  z.  B.)  zugegen  sind., 
(Aehnlich  auch  bei  Wirbellosen,  z.  B.  in  der  Oberhaut  von  Piscicola.) 
Das  Eigenthümliche  der  ästigen  Pigmentfiguren  verringert  sich  aber, 
wenn    man    weiss ,    dass    in    den   untersten  Lagen  der  geschichteten 


*)  Habe  jetzt  auch  beim  Proteus  zugleich  mit  den  runden  die  flaschenförmigen 
Schleimzellen  wie  bei  Polypterus  wahrgenommen. 
Leydig,    Histologie.  7 


Foderii. 


98  Von   der  äusseren   Haut  der  Wirbelthiere. 

epitlielialen  Bildungen  allgemeiner  verästelte  Zellen  (nach  Chromsäure- 
behandlung deutlich)  zu  beobachten  sind.  Gesehen  habe  ich  auch,  dass 
bei  der  Blindschleiche  [Anguis  fragilis)  zwischen  den  kleinen,  eng  bei- 
sammenliegenden Zellen  der  Schleimschicht  und  der  streifigen  Horn- 
schicht  noch  platte,  grosse  Zellen,  dicht  mit  Fettkörnchen  gefüllt,  sich 
bemerkbar  machen. 

§.  100. 

Hfiare  Mni  Bcsonderc  epidermatische Entfaltungen  sind  die  Haare  und  Federn 

der  beiden  oberen  Wirbelthierklassen.  Die  Haare  der  Säuger  sind  im 
Wesentlichen  wie  die  des  Menschen  beschaffen  und  unterscheiden  sich 
zum  Theil  nur  durch  ihre  Stärke  (Spürhaare,  Mähnen  etc.)  oder  durch 
ihre  Form,  insofern  z.  B.  die  Haare  der  Mäuse,  Fledermäuse,  Marder 
ästig  oder  knotig,  die  Spürhaare  der  Robben,  Fledermäuse,.  Gold- 
maulwurf nach  Eble  platt  und  spiralförmig  gedreht  sind.  Eine  genaue 
Grenze  zwischen  Haaren,  Borsten  und  Stacheln,  wie  sie  der  gewöhn- 
liche Sprachgebrauch  unterscheidet,  ist  nicht  zu  ziehen,  indem  beim 
Igel,  der  Echidna,  alle  drei  Formen  haarartiger  Gebilde  anzutreffen 
sind  und  man  sich  sehr  leicht  vom  allmähligen  Uebergang  dieser 
Formen  überzeugen  kann  [Reic h  ert,  Re  is sne r). 

I)as  Oberhäutchen  zeigt  nur  Abweichungen  bezüglich  der  grösse- 
ren oder  geringeren  Abstände,  in  denen  die  oberen  freien  Ränder. der 
einzelnen  Plättchen  aufeinander  folgen.  Beim  Igel  bilden  die  Epidermis- 
plättchen  in  der  mittleren  Gegend  des  Schaftes  regelmässig  Ver- 
tiefungen mit  erhabenen  Rändern.  —  Die  Rindeusubstanz,  sehr  dünn 
bei  den  Nagern,  fast  nur  spurweise  am  Schaft  der  weissen  Haare  vom 
Hirsch,  hat  bei  den  fai-bigen  Haaren  Pigmentkörnchen  in  den  Zellen, 
besitzt  mitunter  auch  ausgezeichnete  Lufträume  (in  den  Tasthaaren 
von  Trichechus  Bosmarus ,  Phoca  vitidina  etc.).  Auch  die  Zellen  der 
Mark  Substanz,  welche  oft  sehr  zierliche  Figuren  bilden,  enthalten  nicht 
selten  Luft  (Hirsch,  Igel,  Fuchs,  Iltis,  Hausmaus  u.  a.),  in  anderen 
Fällen ,  z.  B.  bei  Mus  decumanus ,  Talpa  europaea ,  sind  sie  mit 
körnigem  Pigment  angefüllt.  In  den  Tasthaaren  der  Katze  sah  Oegen- 
I)aur  die  Markzcllen  ganze  Strecken  weit  mit  einer  rothgefärbten 
Flüssigkeit  erfüllt  (vielleicht  Folge  der  verlängerten  und  noch  vegetiren- 
den  Haaipulpe?).  Dan  Haaren  mancher  Thiere,  z.  B.  dem  Schwein, 
mangelt  die  Marksubstanz,  sie  bestehen  bloss  aus  Rinde.  —  Merk- 
würdig ist  das  Haar  des  Gold  maul  wurfes  {Chrysochloris)  wegen  seines 
Mctallglanzes,  da  metallische  Farben  sonst  in  dieser  Thicrklasse  nicht 
vorkommen. 

Haarbalg  und  Wurzelscheiden  zeigen  grosse Uebereinstimmung 
mit  denen  des  Menschen,  nur  erblickt  num  leichter  in  den  Ilaai-pajullen 
der  Säuger  ein  Gefässnetz  und  die  Papille  verlängert  sich  uft  weit 
fast  l)is  zur  Spitze  der  Haare,  Borsten  und  Stacheln,  verkümmert  später 
und  hh'ibt  als  „Seele"  zurück,  z.  B.  Ilystrix  cristata,  Erinaceus  euro- 
■pae,us,  Echidna^  Pfeid  u.  a.    Das  imiere  Bindegcwebsstratum  des  Haar- 


Federn.  99 

balges  ist  (bei  Tasthaaren)  bis  zur  liomogenen  Grenzmembran  mit 
einem  ausgezeichneten  Gefäss-  und  Nervennetz  ausgestattet  [Oegen- 
haur).  —  An  der  gekochten  Haut  des  Maulwurfes  sah  ich  das  untere 
helle  beutclförmige  Ende  des  Haarbalges  vom  oberen  Theil  ziemlich 
stark  abgeschnürt. 

Die  Federn  der  Vögel  kommen  im  Wesentlichen  des  Baues  mit 
den  Haaren  überein.  Man  unterscheidet  eine  Rindensubstanz,  aus 
dicken,  platten  Hornzellen  zusammengesetzt^  und  eine  Marksubstanz, 
die  polyedrische  Zellen  hat.  Der  Kiel  besteht  nur  aus  Rindensubstanz. 
An  der  Fahne  gehören  die  Nebenstrahlen  zur  Rindensubstanz,  die 
primären  Strahlen  bestehen  an  ihrem  verdickten  äusseren  Rande,  wo 
die  Nebenstrahlen  abgehen ,  aus  Rindensubstanz ,  der  übrige  Theil 
ist  Marksubstanz.  Der  Schaft  enthält  an  der  Spitze  nur  Rinde,  im 
übrigen  Theil  liegt  zunächst  seiner  Höhle  Marksubstanz,  die  noch 
von  Rindensubstanz  umgeben  ist.  Die  Höhle  der  Spule  enthält  die 
vertrocknete  Paj)ille,  die  „Federseele."  [Reichert,  Schrenk).  —  Die 
Federn  zeichnen  sich,  was  hier  eingeflochten  sein  mag,  vor  andern 
horngewebigen  Bildungen  durch  Reichthum  an  Kieselsäure  aus.  *) 

§.    101. 

Die  verschiedenen  Verdickungen  und  Ausbildungen  der  Epidermis-  Physio- 
gebilde,  sowie  die  Ossificationen  der  Lederhaut  dienen  zu  raannich-  °^'"'  "'' 
faltigen  speziellen  Lebenszwecken,  bald  als  Schutzhüllen,  als  Waffen, 
zum  Wühlen,  Klettern,  als  Werkzeuge  zum  Flug  etc. ;  es  würde  zu 
weit  führen,  darauf  nur  einigermaassen  einzugehen,  und  ich  verweise 
zu  diesem  Behufe  auf  B er g mann  und  Leuckart's  vergleichende 
Physiologie,  wo  man  sich  hierüber  weiter  aufklären  kann. 

Die  stärkere  Entwickelung  der  Hautmuskeln  bei  Vögeln  und  noch 
mehr  das  Vorhandensein  echt  quergestreifter  Lagen  bei  Säugern  macht 
die  Haut  in  hohem  Grade  contractu ;  der  Hund,  die  Katze  und  viele 
andere  sträuben  im  Affekt  die  Haare  am  Rücken,  am  Schwanz,  die 
Vögel  heben  und  senken  ihre  Federn  nach  ihren  verschiedenen  Ge- 
müthszuständen. 

Auch  die  Erscheinungen  des  Farbenwechsels  bei  Reptilien  (Chamä- 
leon, Frosch  u.  a.)  beruhen  auf  Contractionsverhältnissen  der  Haut,  aber 
nach  dem  histologischen  Befund ,  bei  dem  Mangel  von  muskulösen 
Elementen,  kann  man  das  Phänomen  nicht  anders  erklären,  als  durch 
die  Annahme,  dass  die  helle  Grundsubstanz,  in  der  die  Pigmentkügel- 
chen  eingebettet  liegen,  selber  contractu  ist.  (Mehr  davon  siehe:  Haut 
der  Mollusken.) 


*)  Die  eigenthümlichen  scharlachrothen  Blättcheu  am  Ende  ""der  5  —  9  hinteren 
Schwungfedern  des  Seidenschwanzes  {Ampelis  garrulus)  dürften  auch  näher  unter- 
suclit  werden.  Nach  älteren  Mittheilungen  wären  sie  keine  Fortsetzungen  der  Fe- 
dern, sondern  nur  ^Anhängsel  aus  einer  hröckeligen   Materie,   wie  Lack  etc." 

7* 


100  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbeltliiere. 

Ueber  die  Rolle,  welche  die  verschiedenen  Hautdrüsen  speziell  in 
der  Lebensökonomie  der  Thiere  spielen  ,  haben  wir  meist  nur  mehr 
oder  weniger  begründete  Vermuthungen.  Die  starken  Gerüche,  welche 
von  den  massig  gewordenen  Schweiss-  und  Talgdrüsen  ausgehen, 
scheinen  zum  Theil  mit  dem  geschlechthchen  Leben  in  Beziehung  zu 
stehen,  sie  mögen  vielleicht  das  gegenseitige  sich  Auffinden  erleich- 
tern. —  Den  Mangel  der  Schweissdrüsen  bei  Vögeln  haben  Berg- 
mann und  Leuchart  unter  Anderem  mit  dem  concentrirten  Harn 
dieser  Thiere  in  Zusammenhang  zu  bringen  gesucht.  Uebrigens  fehlen, 
wie  oben  gemeldet ,  auch  bei  gewissen  Säugern  die  Schweissdrüsen 
grösstentheils  oder  gänzlich.  —  Das  eigenthümlich,  bei  Pelohates  z.  B. 
nach  Knoblauch  riechende  Sekret  der  Hautdrüsen  vieler  Batrachier  ist 
ein  scharfes  Gift,  das  auf  unsere  Nasen  heftig  reizend  wirkt,  auch 
manchen  Wirbelthieren  den  Tod  bringen  kann.  {Oratiolet  und  Gloez 
beobachteten,  wie  schon  früher  Rusconi,  dass  der  Milchsaft  der 
Salamander  kleinere  Vogel  unter  epileptischen  Convulsionen  tödtet ; 
auch  Oemminger  hat  den  tödtlichen  Vergiftungsfall  eines  Sperbers 
durch  eine  Kröte  mitgetheilt.     Illustr.  med.  Ztg.  I.  1852.) 

Auf  die  Differenz,  welche  die  Lederhaut  der  Fische  und  Amphibien  in  der 
Anordnung  und  Lagerung  der  Bindegewebsbündel  gegenüber  dem  Corium  der 
Säuger  und  Vögel  darbietet,  hat  zuerst  liathke  (Müll.  Arch.  1847)  die  Aufmerk- 
samkeit gelenkt;  nähere  histologische  Angaben  über  die  Fischhaut  (Epidermis,  Co- 
rium, Schuppentaschen,  Papillen,  Nerven,  Schuppen)  in  m.  Aufs,  über  die  Haut 
einiger  Süsswasserfische  (Zeitschr.  f.  w.  Zool.  1851),  sowie  üb.  die  Haut  u.  Schup- 
pen des  Polypterus  (Havers'sche  Kanäle,  Schmelz  der  Schuppen  etc.)  in  den  histo- 
logischen Bemerkungen  üb.  Polypt.  bichir,  ebendaselbst  1854.  Hinsichtlich  der 
Haut  der  Selachier  (besonders  der  „Zahnbeinkugeln  in  den  Hautstacheln")  siehe 
m.  Rochen  und  Haie  1852. 

Manche  Autoren  wollen  in  der  Haut  der  Batrachier  glatte  Muskeln  wahrge- 
nommen haben.  Harless  z.  B.  sagt,  dass  in  der  Haut  des  Frosches  ,.höchst  regel- 
mässig angeordnete  glatte  Muskeln  unter  den  Pigmentzellen  hinstreichen'-S  ich  sehe 
davon  auch  gar  nichts  und  vermuthe,  dass  Earless  die  horizontal  geschichteten 
Bindegewebslagen,  die  in  Distanzen  von  den  senkrecht  aufsteigenden  durchbrochen 
werden,  irrthümlich  für  Muskeln  genommen  hat.  Ebenso  verhält  sich  die  Leder- 
haut der  Salamandra  maculata,  die  ich  noch  jüngst  wiederholt  vor  Augen  gehabt 
habe ;   es  fehlen  auch  in  ihr  die  Muskeln  ganz  bestimmt. 

Den  histologischen  Unterschied  der  beiderlei  Hautdrüsen  von  Bana  temporaria 
hat  zuerst  7/e?i sc Ae  (Zeitschr.  f.  w.  Z.  1854)  erkannt,  er  fand  die  glatten  Muskeln 
an  den  grossen  Drüsen  und  vermisste  sie  an  den  kleinen.  Auch  die  Daumendrüse 
des  Männchens,  welche  er  als  eine  in  der  Mitte  stehende  Form  ansieht,  beschreibt 
er  genauer.  —  liathke  (Müll.  Arch.  1852)  schildert  in  der  oberflächlichen  Schicht 
des  Coriums  von  C'oecilia  annulata  eine  Menge  kugelrunder  oder  biconvexer  Körper 
mit  einem  dunklen  runden  Fleck  in  der  Mitte.  Es  sind  das,  wie  ich  aus  Autopsie 
weiss,  nichts  anders  als  die  kleinen  Drüsen.  Coecilia  zeigt  eben  sehr  deutlich  auch 
die  zweierlei  Drüsen  der  Haut. 

Ich  habe  nach  früheren  Untersuchungen  bei  Vögeln  (Hülmeni,  Tauben,  Eulen) 
nichts  von  Schweissdrüsen  beobachtet,  hingegen  erklärt  i/eiss« er,  dass  sich  an 
den  Sohleiifläclien  der  Klauen  des  llausliulins  und  des  Puters  solche  Drüsen  finden; 
doch    hin   icli  selbst  nach   neueren    Präparationen   niclit   so   glüeklicli,    dieser  Drüsen 


Von  der  äusseren  Haiit  der  Wirbellosen.  101 

beim  Puter  ansichtig  zu  werden.  —  Um  die  Schweissdrüsen  bei  Säugern  leichter 
kennen  zu  lernen,  ist  es  sehr  fördernd,  an  gekochten  Hautstückchen  Schnitte  zw 
machen.  Darnach  muss  ich  die  von  Gurtl  in  seiner  bekannten,  sehr  schätzbaren 
Abhandlung  (Müll.  Archiv  1835)  .mitgetheilten  Angaben  über  Ausmündung  der 
Schweissdrüsen  des  Rindes,  sowie  über  Ausmündung  und  Form  der  Schweissdrüsen 
des  Hundes  an  der  behaarten  Haut  für  unrichtig  erklären. 

Ausführliche  histologische  Angaben  über  die  Analdrüsen  der  Säuger  in  m. 
Aufs.,  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  1850  S.  109.  —  Ueber  die  Hautknochen  der  Batra- 
chier  siehe  m.  Unters,  über  Fische  und  Rept.  1853. 

Die  Schuppen  der  Fische  wurden  früher  als  Epidermisbildungen  angesehen 
{Heusinger,  Äg assiz),  bis  man  sich  überzeugte,  dass  es  Hautknochen  seien, 
vergl.  besonders  Peters  in  Müll.  Arch.  1841,  Wähler  (Grundriss  der  organischen 
Chemie  1844)  zeigte,  dass  die  Substanz  der  Fischschuppen  sich  ähnlich  wie  Chondrin 
verhalte  und  zugleich  50  %  Knochenerde  besitze.  —  Auf  die  Aehnlichkeit,  welche 
die  Schuppen  der  Haie  und  die  Hautstacheln  der  Rochen  mit  den  Zähnen  an  den 
Tag  legen,  ist  von  verschiedenen  Seiten  (durch  H.  Meyer,  Leydig  u.  a.)  auf- 
merksam gemacht  worden. 

Bezüglich  der  noch  obschwebenden  Frage  ,  in  wie  weit  sich  die  Haarpapillen 
in  die  Haare  hinein  erstrecken ,  soll  erwähnt  sein ,  dass  selbst  für  die  Stachelge- 
bilde Joh.  Müller  längere  Zeit  der  Einzige  war,  der  aus  seinen  Untersuchungen 
der  Stacheln  von  Eystrix  cristata  es  für  wahrscheinlich  hielt ,  dass  die  Matrix  des 
Stachels  in  denselben  sich  verlängere,  bis  Reichert,  Br'öcher  und  Beissner 
die  Richtigkeit  dieser  Anschauung   bekräftigten. 


Dritter  Abschnitt. 
Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbellosen. 

§.  102. 
Die  Hautbedeckiing  der  zahlreichen  und  mannichfaltig  ge- 
stalteten Wirbellosen  variirt  in  ihrem  Bau  dergestalt,  dass  es  unmöglich 
ist,  von  ihr  nach  dem  Schema,  wie  es  eben  bezüglich  der  Wirbelthiere 
befolgt  wurde,  zu  handeln ;  ich  vermag  nicht  über  die  Ungleichheiten 
so  Herr  zu  werden,  dass  alle  Thiergruppen  sofort  unter  einen  Gesichts- 
punkt zu  stellen  wären,  wesshalb,  entgegen  der  vorausgegangenen 
Methode,  von  den  einzelnen  Klassen  gesondert  die  Rede  sein  soll. 

§.  103. 
Mollusken. 
Unter  allen  Wirbellosen  hält  noch  die  Haut  vieler  Weichthiere  Lede,ha„ 
am  ehesten   nähere  Vergleiche  mit  jener  der  Wirbelthiere  aus,   vor- 
züglich desshalb,  w^eil  die  Scheidung  in  eine  bindegewebige  Lederhaut 
und    eine   zellige  Epidermis  ziemlich   durchgreift.     Die  Bindesubstanz 
des  Coriums  zeigt,  näher  beleuchtet,  jene  verschiedenen  Abänderungen, 
deren  wir  sie  fähig  kennen.  Bei  Gasteropoden,  Pteropoden,  mehr 
aus  rundlichen  Zellen  mit  w^enig  Intercellularsubstanz  gebildet,  erscheint 


102  ^  011  der  äusseren  Haut  der  Wirbellosen. 

sie  bei  Heteropoclen  [Carinaria^  Pterotrachea)  unter  der  Form  des 
gallertigen  Bindegewebes  ,  indem  verästelte  Zellen  ein  Netzwerk  er- 
zeugen, dessen  Maschenräume  eine  glaslielle  Gallerte  füllt.  Die  zelligen 
Elemente  können  bei  dieser  Art  des  Bindegewebes  auch  fast  ganz 
schwinden,  wie  bei  manchen  Tunikaten,  deren  Lederhaut  sich  zwar 
morphologisch  an  das  gallertige  Bindegewebe  anschliesst,  aber  insofern 
die  Intcrcellularsubstanz  cellulosehaltig  ist  (Schacht)  ,  bis  jetzt  eine 
merkwürdig  isolirte  Stellung  im  histologischen  Systeme  einnimmt. 
Endlich  in  der  Haut  der  Cephalopoden  hat  das  Bindegewebe  nahezu 
den  Charakter  wie  das  der  Wirbelthiere,  doch  erscheint  die  gelockte 
Zeichnung  etw^as  steifer  gehalten.  Nach  Einwirkung  von  Reagentien 
treten  spindelförmige  und  verästelte  Streifen  auf,  die  an  Bindegew^ebs- 
körperchen  und  feine  elastische  Fasern  erinnern,  jedoch  blässer  sind, 
als  die  entsprechenden  Gebilde  im  Bindegewebe  der  Säuger.  Da- 
neben zeigt  sich  auch  gallertige  Bindesubstanz,  ja  wird  bei  manchen 
Arten  fast  überwiegend.  Im  Mantel  der  Najaden  [Änodonta 
cygnea  z.  B.)  ist  an  den  von  Muskeln  freien  Gegenden  ein  gross- 
maschiges  Gallertgewebe  vorherrschend ;  nach  dem  stark  muskulösen 
Rande  zu  verkleinern  sich  die  Maschen. 

§.  104. 
M..Rkein  In  die  Lederhaut  können  sich  Muskeln  innig  verflechten  (Bival- 

ven,  Gaster op öden,  Cephalopoden),  ja  können  fast  den  über- 
wiegenden Bestandtheil  der  Lederhaut  abgeben,  und  es  erklärt  sich 
daraus,  warum  z.  B.  Schnecken  und  Muscheln  sich  so  stark 
contrahiren  und  ihre  Leibesform  so  mannichfaltig  verändern  können. 
Hingegen  bei  Heteropoden  und  Tunikaten  ist  die  Muskulatur 
nicht  in  die  dicke  Lederhaut  eingewebt,  sondern  bildet  unter  ihr  ein 
besonderes  Stratum  und  damit  erscheint  auch  die  Beweglichkeit  der 
Haut  und  die  Veränderung  der  Körperform  eingeschränkt.  Mit  Rück- 
sicht   auf    die    Beschaftenheit    der    Muskeln    sei    angeführt ,    duss    die 

Fig.  53. 


Haut    von    Cyclas    Cornea:    auf   dem   senkrechten  Schnitt  das  Epithel  mit 
kürzeren  und  längeren  a  Cilien,  b  die  Wasserkanäle,  welche  das  Epithel  durch- 
setzen,  c  Muskeln,  d  Bluträume  zwischen  ihnen.     (Starke  Vergr.) 

Elemente  plattgedrückte  Cylinder  sind  und  oft  eine  ungemeine  Länge 
erreichen.      (Kh   konnte    an  todten   Individuen   von   Poludiiia  vivipara 


Mollusken. 


103 


aus  der  Sohle  sie  in  solcher  Länge  isoliren,  dass  es  mir  wahrschein- 
lich wurde,  die  einzelnen  Cylinder  seien  so  lang,  als  die  Sohle  selber.) 
Sie  entsprechen  einer  einzigen  ausgewachsenen  Zelle,  sind  entweder 
rein  homogen,  oder  ihre  Mitte  ist  dunkler,  die  Ränder  lichter,  indem 
sie  in  körnige  Achse  und  helle  Rinde  sich  geschieden  haben.  Auch 
begegnet  man  zahlreichen  verästelten  Cylindern.  Bei  den  Salpen, 
wo  sie  eine  reifartige  Anordnung  haben,  sind  sie  von  quergestreifter 
Natur  und  ihr  Ende  ist  zugespitzt. 

Die  Hautnerven  der  Weichthiere  können  nur  bei  pigmentlosen, 
durchsichtigen  Thieren,  z.  B.  bei  den  Heteropoden,  verfolgt  werden, 
wo  sich  gezeigt  hat,  dass  sie  den  allgemeinen  Charakter  der  Nerven 
wirbelloser  Thiere  haben,  sie  sind  hell  und  blass,  theilen  sich  gleich 
nach  ihrem  Eintritte  in  die  glasartig  durchsichtige  Gallertmasse  der 
Haut,  schwellen  dann  stellenweise  spindelförmig  an  und  haben  hier  eine 
Ganglienkugel  eingeschlossen,  oder  es  liegt  letztere  auch  in  dem  ver- 

Fig.  54. 


Nerven- 


Endstück    eines    Hautnerven    von    Carinaria.      (Starke  Vergr.) 
a  Verästelung  des  Nerven,  b  die  eingelagerten  Ganglienkugeln. 


Blutgefässe. 


104  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbellosen. 

dickten  Theilungswinkel  des  Nerven.  Die  Ganglienkiigel  erscheint 
im  ncatürlichen  Zustande  wie  ein  helles,  in  die  feinkörnige  Masse  der 
angeschwollenen  Nervenpartie  eingebettetes  Bläschen  ,  kaum  dass  in 
manchen  ein  Kernkörperchen  sich  bemerklich  macht.  Viel  deutlicher 
zeigt  sich  die  Zusammensetzung  der  Ganglienkugel  nach  etwas  Essig- 
säurezusatz, indem  die  Conturen  markirter  werden,  auch  ein  Nucleolus 
jetzt  nirgends  mehr  vermisst  wird. 

Blutgefässe  vom  Bau  der  Capillaren  der  Wirbelthiere  hat  man 
bisher  bloss  in  der  Haut  der  Cephalopoden  wahrgenommen. 

§.  105. 

Gar  manche  Mollusken  haben  Kalkablagerungen  in  ihrer 
Lederhaut,  so  z.  B.  Paludina  in  der  Form  kugeliger,  Helix,  Limax 
in  der  Gestalt  körniger  Concretionen ,  Polycera,  Doris  weisen  ästige, 
CUo  ovale  oder  hneare  Kalkgebilde  auf.  Im  Mantel  von  ßalpa  maxima 
sollen  nach  einigen  Autoren  sich  krystallinische  Kalkablagerungen 
finden ,  da  indessen  nur  Weingeistexemplare  untersucht  wurden  und 
an  frischen  Salpen  Andere  dergleichen  vermissten,  so  mochten  sich 
diese  Krystalle  wohl  erst  hintendrein  abgesetzt  haben. 

Der  Kalk  ist  bei  Paludina  in  den  Bindesubstanzzellcn  enthalten 
und  scheint  wohl  noch  öfters  als  Zellen  Inhalt  aufzutreten,  wie  auch 
aus  den  Wahrnehmungen  Gegenbaur' s  über  die  Entwickelung  von 
Limax  agrestis  hervorgeht.  Hier  lagern  sich  im  Embryo  die  Kalk- 
körnchen in  Zellen  ab ,  welche  durch  die  ganze  Haut  verbreitet  sind 
und  das  Aussehen  der  „Bindezellen"  haben.  Später  „komm6n  sie 
frei  hl  die  Cutis  zu  liegen",  wahrscheinlich  desshalb,  weil  die  Zellen 
jetzt  ihre  Selbständigkeit  verloren  haben. 

Es  können  ferner  mancherlei  Pigmente  zugegen  sein,  und  auch 
sie  präsentiren  sich  meist  als  Zelleninhalt.  Die  Pigmente  selber  sind 
wieder  verschiedener  Natur;  der  verbreitetste  Farbstoft'  ist  jener 
körnige,  welcher  die  verschiedenen  Abstufungen  zwischen  bräunlicher 
und  tiefschwarzer  Färbung  verursacht;  von  ihm  verschieden  ist  ein 
anderes  körniges  Pigment ,  dessen  scharf  conturirte  Kügclchen  bei 
auffallendem  Licht  gelb  oder  weiss  erscheinen,  bei  durchfallendem 
dunkel.  (Die  Körnchen  dieses  Pigmentes  wurden  weder  von  Essig- 
säure, noch  von  Salz-  und  Schwefelsäure  bei  Paludina  vivipara  an- 
gegriffen.) Wieder  von  anderer  Art  sind  die  Elemente  der  gefärbten 
Hautstcllen  mit  metallischem  Schimmer;  es  sind  meist  plattenförmige 
Kcirpcrchen  verschiedener  Grösse ,  die  an  die  Pigmcntflittern  des 
Mctallglanzes  der  Fische  und  Reptilien  erinnern.  Ausserdem  giebt 
es  noch  Pigmente,  welche  wie  gefärbte  und  starr  gewordene  homogene 
Massen  sich  ausnehmen  und  den  Uebergang  zu  den  diffusen  Pig- 
menten vermitteln. 

§.   106. 
chromito-  YAn    besonderes   Interesse   knüpft  sich   an  jene   mit  Pigment  er- 

füllten Zellen  der  Lederhaut,    welche    während    des  Lebens   abwech- 


Pigmeute. 


(►Iioron. 


Mollusken.  105 

selnde  Contraktionen  zeigen,  die  sog.  Chromatophoren;  sie  haben 
seit  Langem  die  Haut  der  Cephalopoden  berühmt  gemacht,  denn 
von  ihnen  rührt  das  bekannte  wechselvolle  Farbenspiel  dieser  Thiere 
her.  Durch  Gegenhaur  wissen  wir,  dass  auch  einige  Pteropoden 
mit  Chromatophoren  ausgestattet  sind*)  und  was  jetzt  einschaltungs weise 
mit  erörtert  werden  soll,  man  hat  auch  schon  öfter,  um  den  sprüch- 
wörtlich gewordenen  Farbenwechsel  des  Chamäleon  zu  erklären,  con- 
traktile  Farbenzellen  als  die  Ursache  der  Erscheinung  vermuthet.  In 
neuester  Zeit  ist  man  auch  auf  einen  ähnlichen,  wenn  gleich  minder 
lebhaften  Farbenwechsel  der  Frösche  {Hyla,  Rana)  zuerst  durch  Ax- 
mann  aufmerksam  geworden  und  man  behilft  sich  mit  derselben  Er- 
klärung. Dieser  Anschauung  kann  ich  mich  jedoch  nicht  fügen,  da 
die  histologischen  Verhältnisse  bei  den  Weichthieren  und  den  Reptilien 
nicht  die  gleichen  sind.  Die  Chromatophoren  der  Mollusken  stel- 
len Blasen  dar,  in  deren  hyalinem  Inhalt  Pigmentkörner  aufgehäuft 
sind.  Ringsum  die  Pigmentblasen  befestigt  sich  ehi  Kranz  von  Mus- 
kelstreifen. Die  Bewegungen  der  Chromatophoren  hat  man  bis  jetzt 
so  ausgelegt,  dass  das  Uebergehen  aus  der  rundlichen  Gestalt  in  die 
gezackte,  strahlige  Form  von  den  um  die  Farbenzellen  radiär  ange- 
ordneten Muskeln  bewirkt  wird,  während  durch  die  Elastizität  der 
Zellenmembran  bei  erfolgtem  Nachlass  der  Contraktion  die  ursprüng- 
liche runde  Gestalt  zurückkehrt.  Sonach  stünden  sich  kontraktile 
Fasern  (der  Muskelkranz)  und  elastische  Membran  antagonistisch  gegen- 
über. Für  die  Chromatophoren  der  Reptilien  lässt  uns  eine  solche 
Erklärung  im  Stich,  denn  es  mangeln  in  der  Haut  des  Frosches,  wie 
bereits  früher  erwähnt,  die  Muskeln,  durch  welche  bei  Cephalopoden 
und  Pteropoden  die  Farbenzellen  ausgezogen  werden.  Die  in  Betracht 
kommenden  dunkelen  Pigmentfiguren  des  Frosches  haben,  morpholo- 
gisch aufgefasst,  die  Bedeutung  von  pigmenterfüllten  Bindegewebs- 
körperchen.  Da  nun  keine  Muskeln  nachzuweisen  sind,  welche  auf 
die  Veränderung  der  Gestalt  der  Pigmentkörper  einwirken  können,  so 
fragt  sich,  welchem  Theil  der  Bindegewebskörperchen  wir  die  Bewe- 
gungsfälligkeit werden  zuschreiben  müssen?  Schwerlich  der  Membran 
derselben,  denn  abgesehen  davon,  dass  an  kontraktilen  Zellen  nicht  die 
Membran,  sondern  der  Inhalt  die  aktiv  contraktile  Substanz  ist,  kön- 
nen wir  der  Membran  der  Bindegewebskörper  nur  bedingungsweise 
eine  Selbständigkeit  zuerkennen,  denn  sie  ist  eben  bloss  die  festere 
Grenzschicht  des  die  Bindesubstanz  durchziehenden  (und  in  der  Histo- 
logie mit  dem  Namen  Bindegewebskörperchen  belegten)  Lückensyste- 
mes.  Wir  werden  daher  im  Hinblick  auf  die  feineren  histologischen 
Verhältnisse  der  Chromatophoren  der  Amphibien  zu  der  Annahme 
genöthigt,    dass    die  Formveränderung   derselben,    das   Verschwinden 


*)  Vielleicht    auch    manche    Schnecken ,    Cypraea    ligris   wenigstens   ist   nach 
Broderi])  im  Stande,  die  Farbe  zu  wechseln. 


IOC  Von   der  äusseren   Haut  der  Wirbellosen. 

der  Ausläufer  an  den  verzweigten  „Pigmentzellen"  und  ihr  Kuglig 
werden  das  Resultat  einer  Contraktion  des  hyalinen  Inhal- 
tes der  Bindegewebskörperchen  ist.  Man  kann  sich  vorstellen,  dass 
er  gleich  der  Substanz,  welche  am  Körper  der  Amöben  und  Rhizopo- 
den  jenes  wunderbare  und  wechselvolle  Spiel  von  Bewegungserschei- 
nungen bildet,  in  Fäden  ausfliessen  und  wieder  zu  einem  Klümpchen 
zusammenfliessen  kann.  Die  Pigmentkörner,  in  diese  contraktile  Sub- 
stanz eingebettet,  folgen  natürlich  den  Bewegungen,  ja  machen  das 
ganze  Phänomen  überhaupt  erst  sinnenfällig.  Es  scheint  selbst,  als 
ob  auch  bei  den  Chromatophoren  der  Mollusken  der  Zelleninhalt  con- 
traktile Substanz  sei,  w^enigstens  wird  ausdrücklich  mitgetheilt,  dass 
das  Zurückgehen  zur  kugeligen  oder  eiförmigen  Gestalt  in  der 
hyalinen  Inhaltsmasse  begründet  sei,  wobei  allerdings  die  Elastizität 
der  Zellenmembran  mitwirken  möge. 

§.  107. 
Oberhaut.  Elue  aus  isolirbaren  Zellen  bestehende  Epidermis  darf  für   alle 

Weichthiere  angenommen  werden.  Nur  über  die  Tunikaten  lauten 
die  Angaben  verschieden,  die  Innenseite  des  Mantels  soll  bei  Ascidien 
ein  Plattenepithel  haben,  Phallusia  scheint  ein  ähnliches  auch  auf  der 
äusseren  Fläche  zu  besitzen  (^Schacht),  während  an  den  Appendicula- 
rien  niemals  ein  Epithel  wieder  an  der  äusseren,  noch  inneren  Fläche 
gesehen  wui-dc  (Gegenbau7-).  (Wäre  es  w^ohl  nicht  besser,  den  Man- 
tel der  Tunicaten  den  schaligen  Umhüllungen  zu  parallelisiren  ?)  — 
Die  Zellen  der  Epidermis  sind  platt ,  cylindrisch  oder  Mittelformen  zwi- 
schen beiden,  haben  nicht  selten  pigmentirten  körnigen  Inhalt,  sind  auch 
mittels  diffusem  Pigment  gefärbt  (Zellen  des  Sipho  von  Cyclas  cornea), 
sie  können  ferner  wimpern,  und  zwar  tragen  Flimmer  haare  die  Epi- 
dermiszellen  der  ganzen  äusseren  Hautfläche  bei  Bivalven  und  Wasser- 
gasteropoden ,  doch  scheinen  schon  hier  einzelne  Stellen  eine  Ausnahme 
davon  zu  machen  ,  ich  glaube  wenigstens  die  augentragenden  Fortsätze 
an  der  Basis  der  Fühler  an  der  sonst  vollständig  bewimperten  Paludina 
vivip.  cilienlos  gesehen  zu  haben.  Die  Landgasteropoden  {HeliXj 
Limax,  Bulimus,  Garocolld)  zeigen  die  Hautflimmerung  auf  die  Soh- 
lenfläche beschränkt,  bei  Limax  dehnt  sie  sich  noch  auf  die  Seiten- 
wände derselben  aus  {v.  Siehold),  Auch  die  Pteropoden  und  Hete- 
ropoden  besitzen  nur  eine  theilweise  Hautflimmerung:  Hyalea 
auf  den  flottirenden  Anhängen,  Cym5?</ia  am  Flossenrand ,  Firola  awi 
der  hinteren  Fläche  desNucleus,  {Oegenbaur ,  Leuckart),  Atlanta 
Lesseurii  am  Saugnapf  {Huxley),  während  hier  Atlanta  Peronii  und 
Keraudrenii  nicht  flimmern,  wohl  aber  die  Haut  der  äusseren  Geni- 
talien dieser  Thiere,  noch  fand  einer  der  letztgenannten  Forscher 
eigenthümliche  Wimperorgane  an  der  BaucJiflächc  von  Pterotrachea. 
Die  Haut  der  Cephalopoden  ist  am  ausgebildeten  Thicr  wimper- 
los. —  An  der  Epidermis  (Tentakeln,  Rand  des  Fusses)  von  Lymnaeus 
staynalis  fällt  mir  auf,   dass  zwischen    deii  sich   hcwegcnden   Flimmer- 


Mollusken.  107 

härchen  in  Abständen  unbewegliche  Borsten  stehen ,  sie  sind  hell, 
dicker  als  die  Cihen  und  ungefähr  eben  so  lang  wie  letztere !  Wenn  die 
einzelnen  längeren  Haare,  welche  nach  Lachmann  zwischen  den 
Cilien  bei  Stentor  polymorphus  und  mehren  Turbellarien  stehen,  eben- 
falls starr  sind,  so  möchten  sie  in  dieselbe  Kategorie  gehören. 

§.  108. 
Die    von    mir    gemachte  Wahrnehmung,    dass    bei   Cyclas   cornea     Fe'"« 
die  Epithellage  des  Fusses  von  feinen  Kanälen  durchsetzt  ist,  durch 
welche  die  Bluträume  zwischen    der  Fussmuskulatur  mit   der  Aussen- 
welt   in  Verbindung    stehen,    dürfte  wahrscheinlich   mit    der  Zeit   als 
ein  allgemeines  Phänomen  sich  herausstellen. 

§.  109. 

Hautdrüsen  in  Form  einfacher,  rundlich-birnförmiger  oder  läng-  Hautdrüsen. 
lieber  Säckchen,  aus  bindegewebiger  Membrana  propria  und  Sekre- 
tionszellen bestehend,  scheinen  ziemlich  verbreitet  zu  sein.  ^e\  Helix 
[pomatia)  erstrecken  sie  sich  über  die  ganze  Haut  und  markiren  sich 
dem  freien  Auge  als  gelb  weisse  Punkte ,  da  ihre  Zellen  Kalkkörnchen 
enthalten.  Am  Mantelsaume  stehen  solche  Drüsen  in  gehäufter  Menge, 
sind  auch  hier  umfänglicher  und  mit  sackigen  Erweiterungen  versehen- 
Limax  (ruftis)  hat  gleichfalls  überall  Drüsen  in  der  Haut ;  ebenso  sind 
sie  am  Mantelsaume  grösser  und  zahlreicher;  Paludina  vivipara  lässt 
nur  an  der  Unterseite  des  Fusses  Drüsen  erkennen.  Neben  den  grös- 
seren bezeichneten  Hautdrüsen  scheint  (bei  Limax  z,  B.)  noch  eine 
zweite  Art  mit  kleineren  schmalen  Drüsensäckchen  vorhanden  zu  sein, 
die  ein  farbiges  Sekret  liefern.  Ganz  kleine  Individuen  von  Ancylus 
lacustris,  welche  man  unverletzt  auf  den  Rücken  gelegt  hat,  lassen 
ringsum  am  Mantelsaume  sehr  deutliche  retortenförmige  Drüsen  er- 
kennen. Zu  den  Hautdrüsen  kann  auch  gezählt  werden  eine  in  der 
Mittellinie  des  Fusses  verschiedener  Landgasteropoden  liegende,  an- 
scheinend traubige  Drüsenmasse ,  deren  Ausführungsgang  ein  gerader 
unter  der  Mundöfinung  ausmündender  Kanal  ist.  Er  wimpert  nach 
V.  Siebold.  Unter  den  Cephalopoden  kennt  man  seit  längerer  Zeit 
Hautdrüsen  an  den  Segelarmen  der  Ärgonauta  (zur  Bildung  der  Schale), 
unter  den  Pteropoden  und  Heteropoden  bei  Clio,  Pnewnodermon, 
Carinaria  (am  Saugnapf).  Zuletzt  müssen  noch  zu  den  Hautdrüsen 
gerechnet  werden  die  Byssusdrüsen  von  Lithodomus  und  der 
Embryonen  von  Cyclas.  Die  flaschenförmigen  Taschen  an  der  Spitze 
der  blattartigen  Rückenanhänge  von  Eolidia  und  Tergipes  scheinen 
ebenfalls  Hautdrüsen  zu  sein,  deren  Sekretionszellen  Nesselorgane  pro- 
duciren.  Auch  der  Tintenbeutel  der  Cephalopoden,  obschon  in  der 
Leibeshöhle  gelegen  und  mit  einem  langen  Ausführungsgang  neben 
dem  After  mündend,  kann  vielleicht  hieher  gestellt  werden.  Die  Se- 
kretionszellen seiner  cavernösen  Wand  sind  mit  demselben  Pigment 
gefüllt,    w-elche    als  Tinte  den  Beutel  vollmacht. 


Gehänse. 


108  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbellosen. 

§.  110. 
Schalen  und  DiB  Hallt  vlelcr  MoUuskeii   sclieidet  Schalen  und  Gehäuse  ab, 

welche    nach     ihren    physikalischen    Eigenschaften    im    gewöhnlichen 
Sprachgebrauch  bald  als  „hornig"  {Hylea,Cleodora,  Atlanta ^  Orbicula, 
Rückenplatte  von  LoUgo),   bald  als  „korpelig"  {Cyrnhulia^  Echinospira 
Krohn)   auch  wohl    als   „gallertig"   {Tiedemannia) ,  am  häufigsten   als 
„knochenhart"    (Muscheln,   Schnecken,    Os  sepiae)  bezeichnet  werden. 
Anlangend   die  Struktur,    so   haben,    abgerechnet  von   Arion ,   wo  die 
Schale    zu    einem    blossen  Haufen  anorganischer  krystalhnischer  Mas- 
sen  herabsinkt,    die   gedachten    Gebilde    trotz   mannichfacher   kleiner 
Unterschiede  das  Gemeinsame,  dass  sie  aus  homogener  organischer 
Grundsubstanz,   die  schichtenweise   abgesetzt  ist  und   chitinisirt   er- 
scheint, bestehen,    mit  ihr  können  sich  Kalksalze  in  geringerer  oder 
grösserer  Menge  verbinden.  Die  Gehäuse  der  Schnecken  (Gasteropoden) 
bieten  eine  Zusammensetzung  aus  lauter  blätterig  sich  deckenden,  mit  Kalk 
imprägnirten  Lamellen  dar,   wobei  der  Kalk  gewisse ,   wenn  auch  wie 
verwaschene  krystalhnische  Zeichnungen  ausführt  (an  den  durchschei- 
nenden   Schalen    von    Bullaea ,    Lymnaeus    u.    a.    leicht    zu    sehen.) 
Wahrscheinlich  sind  von  dieser  Art  auch  die  Gehäuse  von  Argonauta 
Argo  und  den  Nautilinen.     Ebenso   haben  die  Schalen  mancher  Mu- 
scheln   durchweg   diese  einfach   blätterig  kalkige  BeschaiFenheit  (Ano- 
mia,  Pecti7ieen,   Cardiaceen),  bei  vielen    andern  Muscheln  gesellt  sich 
indessen  noch  eine  Kalkschicht  hinzu  {Änodonta,  Unio,  Pinna,  Malleus, 
Perna  etc.)  oder  wechselt  auch   wohl  mit   ersterer  ab  {Ostrea,  Chama 
u.  a.),  die   etwas  complizirter  auftritt  und  lebhaft  an  den  Zahnschmelz 
der  Säugethiere  erinnert.       Sie   setzt   sich    aus    kolossalen  „Schmelz- 
prismen"  zusammen,  die,  pallisadenartig  an  einander  gereiht,  bei  vol- 
lem Kalkgehalt    auch   noch    dieselbe    Querstreifung    erkennen    lassen, 
wie  die  Schmelzfasern   des  Zahnes.     Werden  die  Kalksalze  ausgezo- 
gen, so  hat  man  ein  System  von  engverbundenen,  senkrecht  stehen- 
den Säckchen  vor  sich,  deren  homogene  Wand  wieder  eine  deutliche, 
auf   Schichtung   weisende   Querstreifung  zeigt.      Ebenso    wechseln    im 
Os  Sepiae  blätterige  Schichten  mit  solchen  senkrecht  stehenden  Kalk- 
säulen ab.  —  Seltener  kommt  es  vor ,  dass  die  Schalen  der  Mollusken 
von  Kanälen  durchzogen  werden,  so  nach  Garpenter  (schöne  Abbil- 
dungen in  (I.  Cyclop.  of  anat.  and   phys.  Art.  Shell)  bei  Terehratula 
(ob  bei  allen  Arten?  an  Terehratula  psittacea  scheinen  sie  mir  zu  feh- 
len), Lingula,  Cyclas ,  wo   sie  unverästelt,  bei  Anomia  epliippium  und 
Lima  rudis,   wo  sie  netzförmig  sind.     Auch  an   den  aus   den  Kiemen 
genommenen  Jungen  von  Änodonta  cygnea  gewahre  ich  sein-  deutliche 
Porenkanäle  der  Schale.     Ich  habe  mich  an  Cyclas  und  Änodonta 
vergewissert,  dass  in  diesen  Schalenkanäk'n  keine  Kalkerde  enthalten 
ist,  sondern  dass  sie  hohle  Räume,   wahrschciidich  mit  Flüssigkeit  ge- 
füllt, vorstellen.  —  Der  „Sepienknochen"  ist  porös  und   soll  in  seinen 
Räumen  Luft  enthalten,   was,  wie  mir  scheint,  doch  erst  festzustellen 


Mollusken. 


109 


wäre,  denn  der  von  Swammerdam  angeführte  Grund  ist  kaum  stich- 
haltig-. Man  meint,  weil  der  eben  aus  dem  Thier  herausgenommene 
„Knochen"  so  leicht  sei,  dass  er  auf  dem  Wasser  schwimme,  müsse 
er  auch  schon  in  dem  Thiere  lufthaltig  gewesen  sein.  Möglich ,  aber 
eben  so  leicht  konnte  auch  die  Luft  das  Os  Sepiae  anfüllen,  sowie 
es  mit  atmosphärischer  Luft  in  Berührung  kam. 


Fig.  55. 


Senkrechter  Schnitt  durch  Schale   und  Mantel  von  Anodonta. 

a  Cuticula ,  b  Säulenschicht,  c  Blätterschicht  der  Schale,  d  äussei'es  Epithel  des 

Mantels    (zwischen    den    gewöhnlichen  Zellen    von  Stelle    zu  Stelle  grössere  helle 

Blasen),  e  Bindesubstanzschicht  des  Mantels,  f  inneres  Epithel.  (Starke  Vergr.) 

§.  111. 
Eine  Frage,  die  histologischerseits  besonders  betont  werden  muss^ 
ist  die:  in  welcher  Beziehung  steht  die  Schale  zur  Haut,  ist  sie  ein 
verkalkter  Theil  derselben  und  enthält  demnach  auch  verkalkte 
zellige  Elemente  oder  muss  sie  lediglich  als  ein  Absonderungs- 
produkt derselben  aufgefasst  werden?  —  Schon  die  gewöhnliche 
Beschreibung  machtauf  den  Gegensatz  aufmerksam,  der  zwischen  der 
Schale  eines  Arthropoden  oder  Echinodermen  und  der  eines  Mollus- 
ken herrscht;  man  sagt:  bei  dem  Weichthier  hängt  die  Schale  mehr 
nur  dem  Thiere  an,  bei  den  andern  hingegen  sehen  wir  die  Haut 
selbst  erstarrt.  Damit  steht  sowohl  die  mikroskopische  Untersuchung 
der  fertigen  Schale  als  auch  die  Art  und  Weise  ihres  ersten  Er- 
scheinens im  Embryo  im  Einklang.  Bei  Paludina,  Cyclas  zeigte  sie 
sich  mir  in  ihrem  beginnenden  Sichtbarwerden  als  homogene  kalk- 
haltige Kapuze  des  Mantelrückens,  im  Embryo  von  Clausilia  erkennt 
man  die  erste  Anlage  der  Schale  in  Form  gruppenweise  zerstreuter 
scharf  conturirter  kleiner  Plättchen  kohlensaurer  mit  organischer  Sub- 
stanz vereinigten  Kalkes  ( Gegenhaur),  Auch  an  jüngeren  Indi- 
viduen von  Solen  siliqua  sehe  ich  am  noch  weichen  Schalenrand,  dass 
der  Kalk  in  Kugeln  sich  absetzt,  die  sich  vergrössern  und  zusammen- 


Cuticula. 


110  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbellosen. 

fliessend  an  die  bereits  fertige  verkalkte  Partie  sich  anschliessen.  Wäh- 
rend sich  demnach  nirgends  eine  Zusammensetzung  oder  ein  Auf- 
bau aus  kalkhaltigen  Zellen  nachweisen  lässt  und  o bschon  die  Kalk- 
säule bei  Muscheln  und  Cephalopoden  so  wenig  als  die  Sclnuelzfasern 
des  Zahns  für  unmittelbar  verkalkte  „Epithelzellen"  gelten  können, 
so  müssen  doch  die  zunächst  an  sie  grenzenden  Zellen  der  Mantel- 
haut sowohl  im  Embryo  als  in  späterer  Zeit  für  die  kleinen  Apparate 
gelten,  welche  die  Schale  secerniren :  es  kann  die  von  ihnen  gelieferte 
homogene  Schalensubstanz  weich  bleiben,  was  seltner  geschieht  (Tiede- 
mannia  z.  B.),  häufiger  wird  sie  härter  durch  den  Chitinisirungsprozess 
und  imprägnirt  sich  noch,  ebenfalls  von  den  Zellen  her  mit  Kalk  und 
Pigment.  Dergleichen  schalensecernirende  Epithelzellen  können  auch, 
um  an  bestimmten  Stellen  gehäuft  zu  stehn,  die  Bildung  von  Hautdrüsen 
hervorrufen,  wie  es  z.  B.  vom  Mantelrand  vieler  Gasteropoden,  von  den 
Segelarmen  der  Argonauta  Argo  bekannt  ist. 

§.  112. 
Homogene  Voii   Bedeutunff    däucht   mir   ferner ,    dass    vielen    Muscheln    und 

Schnecken  noch  eine  die  Epidermiszellen  überdeckende  Cuticula 
zukommt,  die  wir  in  verschiedenen  Zuständen  einer  geringeren  oder  grös- 
seren Selbständigkeit  finden  können.  Häufig  weist  sie  sich,  obschon  einen 
hellen  dicken  Saum  am  freien  Rande  der  Zellen  vorstellend ,  bei  Zusatz 
von  Reagentien  nur  als  das  En^unble  der  homogenen,  verdickten  Zellen- 
enden aus,  an  andern  Stellen  aber  (z.  B.  am  Sipho  und  Mantelsaum  der 
Muscheln)  lässt  sie  sich  als  wirkliche,  glasshelle  Membran,  die  Flimmer- 
härchen tragend,  in  grosser  Ausdehnung  abheben.  Und  was  weiter  zu 
berücksichtigen  ist :  es  erstreckt  sich  bei  den  Muscheln  eine  stärkere, 
chitinisirte  Fortsetzung  der  Cuticula  über  die  freie  Fläche  der  Schale 
weg,  so  dass  letztere,  genau  genommen,  zAvischen  den  Epidermiszellen 
und  der  Cuticula  liegt ;  ähnlich  dürfte  es  auch  bei  vielen  Schnecken- 
häusern sein,  denn  ich  vermag  z.  B.  an  den  kalkhaltigen  Haaren  von 
Helix  hirsuta  und  H.  ohvoluta  (hier  haben  die  Haare  noch  kleinere 
Auswüchse)  durch  Essigsäurebehandlung  eine  zarte,  homogene  Lamelle, 
d.  Ji.  eine  Cuticula  zu  isoliren.  Man  könnte  somit  auch  die  Ansicht  ver- 
theidigen,  dass  die  Schale  selbst  jener  Mollusken,  bei  denen  sie  gemein- 
hin eine  äussere  genannt  wird,  eigentlich  doch  in  der  Haut  liege. 
Bei  einem  Pliimeigen  zu  dieser  Aufiassung  der  Dinge  ist  gewiss  auch 
die  Beobachtung  Gegenhaurs  von  Belang,  dass  die  Bildung  der  Schale 
bei  Ciausilia  innerhalb  der  als  Mantel  zu  deutenden  äusseren  Partie  der 
Rückenplatte  vor  sich  geht  und  erst  durch  Zurückweichen  eines  Zellen- 
überzuges nach  aussen  kommt.  Man  kami  somit  in  allen  diesen  Struk- 
liir-  und  Eutwickluiigsverhältnissen  einen  Uebcrgang  zu  den  unterhalb 
(kr  Lederhaut  befindlichen  Schalen  (Cymhulia,  ßullaea,  Limax,  Sepia 
u.  a.)  erblicken. 

Zu  den  Culiculaihildiingcii  iiiuss  auch  der  bei  \iel('n  Gehäus- 
schnecken  auf  dem  Rücken  des  Schwanzes  aufsitzende  Deckel  oder 
Operculmn  gezählt  weiilen;  er  ist  entweder  bloss  aus  chitinisirten  Lagen 


Artliropodcn.  1 1 1 

zusammengesetzt  {Paludina  z.  ß.)  oder  die  Lagen  sind  mit  Kalk  im- 
prägnirt  {Turbo  z.  B.).  —  Vielleicht  reihen  sich  auch  (was  noch  zu 
untersuchen  ist)  die  Krallen  von  Onychoiheutlns,  die  „hornigen'' 
Ringe  an  den  Saugnäpfen  von  Loligo,  Sepia  in  die  Gruppe  der  verdick- 
ten und  chitinisirten  Cuticularprodukte  ein. 

§.  113. 
A  r  t  h  r  o  p  öden. 

An  der  Haut  der  Insekten,  Spinnen  und  Krebse  fällt  die  Hautpauzer. 
Scheidung  in  eine  bindegewebige  Lederhaut  und  zellige  Epidermis  weg 
und  statt  dessen  hat  man  bei  allen  eine  chitinisirte  äussere  Lage, 
die  den  eigentlichen  Hautpanzer  bildet  (Epidermis  der  Autoren)  und 
darunter  eine  weiche,  nicht  chitinisirte  Haut  (Corium  der 
Schriftsteller),  die  mit  dem  interstitiellen  weichen  Bindegewebe  des  Kör- 
pers zusammenhängt,  während  nicht  minder  die  harte  Schale  sich  con- 
tinuirlich  in  innere  chitinisirte  bindegewebige  Theile,  Sehnen  z.  B., 
fortsetzt.  Es  hat  die  Chitinhaut  bei  zarteren  Thieren  (Rotatorien  und 
andere  niedere  Krebsformen,  Dipterenlarven  etc.)  das  Aussehen  und 
die  Beschaffenheit  einer  homogenen  Cuticula ,  bei  Stärkerwerden  des 
Hautpanzers  erscheint  die  Chitinhaut  aus  regelmässig  übereinander 
geschichteten  Lamellen  zusammengesetzt.  Ein  fernerer  allgemeiner 
Charakter  des  chitinisirten  Hautskelets  giebt  sich  darin  kund,  dass  es 
bei  einiger  Dicke  immer  mit  Porenkanälen  versehen  ist,  die  sehr 
allgemein  von  zweierlei  Art  sind,  feine  und  stärkere,  sie  durchsetzen 
senkrecht  die  Chitinlamellen,  behalten  entweder  den  gleichen  Durch- 
messer oder  sind  an  ihrer  äusseren  Mündung  ampullenartig  erweitert 
(z.  B.  bei  PorcelUo,  Oniscus,  Locusta,  Forßcula  u.  a.),  seltner  an  beiden 
Enden  {Ixodes  testudinis  z.  B.),  die  feinen  Porenkanäle  verästeln  sich  mit- 
unter deutlich  (z.B.  an  Julus,  Phalangium  u.  a.).  Durch  die  Porenkanäle 
werden  die  Schichten  der  homogenen  Grundsubstanz,  ähnlich  wie  das 
Bindegewebe  der  Wirbelthiere,  durch  die  Bindegewebskörperchen  in 
cylindrische  Abtheilungen  gesondert,  welche  den  „Bindegewebsbün- 
deln"  entsprechen.  Der  Inhalt  der  Porenkanäle  ist  nicht  überall  der 
gleiche ,  in  die  grösseren  erheben  sich  zarte  papillenartige  Fortsätze 
der  unter  der  Chitinhaut  gelegenen  weichen  Schicht,  häufig  scheinen 
sie  nur  von  einem  hellen  Fluidum  gefüllt,  seltner  sind  sie  lufthaltig 
(z.  B.    bei  Ixodes  testudinis,    in   so    weit  die  Haut  weiss-grau  gefärbt 

Fig.  5G. 


Hautschnitt   von  Locusta   viridissima.     (Starke  Yergr.) 
a  Chitinhaut  mit  den  Fox'enkanälen.  b  weiche,  nicht  chitinisirte  Lage,  c  Haare. 


112  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbellosen. 

ist,    bei  Hydrometra  paludum  hat    der    Silberglanz    der  Unterseite  in 
dem  Luftgehalt  der  Porenkanäle  seinen  Grund.) 

§.  114 

Die  freie  Fläche  des  Hautpanzers  zieren  mancherlei  Zeich- 
nungen und  Sculpturen,  sehr  gewöhnlich  (bei  vielen  Krebsen,  Cepha- 
lothorax  und  Extremitäten  der  Spinnen ,  zahlreichen  Insekten)  gewahrt 
man  polygonale  Felder,  die  lebhaft  an  Zellen  erinnern,  sie  können 
sich  auch  emporwölben,  allseitig  oder  einseitig,  so  dass  sie  zu  Höckern 
und  Schuppen  werden  und  was  in  Anbetracht  der  Frage,  ob  denn 
wirklich ,  wie  Manche  wollen ,  dergleichen  zellige  Zeichnungen  als 
der  Ausdruck  eines  genuinen  zelligen  Epidermisüberzuges  angesehen 
werden  dürfen,  von  Belange  ist:  es  erleiden  die  felderartigen  Linien 
gar  manche  Abänderungen ,  die  sich  nicht  mehr  ins  Zellenschema 
schicken ;  sie  erzeugen  z.  B.  bei  Dytiscus  striatus  Netze,  deren  Räume 
ungleich  gross  und  ungleich  gestaltet  sind,  mit  einzelnen  für  sich 
endenden  Ausläufern.  Beim  Maikäfer  hat  die  Oberfläche  der  Flügel- 
decken anstatt  einer  zelligen  Zeichnung  zierhche  sternförmige  Fi- 
guren, an  der  Unterfläche  eigenthümliche  Höckerchen  etc.  Am  Ab- 
domen der  Arachniden  machen  sich  anstatt  zelliger  Felder  sehr  regel- 
mässige wellenförmige  Linien  bemerklich,  welche  die  Basis  der  Haar- 
auswüchse  umkreisen  ,  was  auch  auf  der  Cuticula  der  Larve  des 
Ameisenlöwen  [Myrrneleon  formicarius)  wenn  auch  in  roherer  Ausfüh- 
rung wiederkehrt.  Da  ich  nun  niemals,  mochte  auch  die  Zeichnung 
noch  so  sehr  einem  Pflasterepithel  ähnlich  sehen,  wirkliche  Zellen  ge- 
winnen konnte ,  so  betrachte  ich  den  ganzen  Panzer  als  chitinisirte 
Bindesubstanz  und  glaube  in  den  Porenkanälen  die  Aequivalente  der 
Bindegewebskörperchen  zu  erblicken. 

Nicht  minder  sind  die  mancherlei  schuppen-  und  haarartigen 
Auswüchse  des  Panzers  (sehr  eigenthümliche  Formen  bei  Polyxenus 
z.  B.)  homogener  Natur  und  keineswegs  aus  Zellen  gebildet;  sie 
sind  häuflg  einfach  oder  gekammert  hohl  und  sitzen  allzeit  oberhalb 
der  Oefl^'nung  grösserer  Porenkanäle,  so  dass  das  Lumen  beider  in 
einander  übergeht.  Nicht  selten  sind  die  Haare  und  Schuppen  bei 
Spinnen  {Salticus,  Cluhiona  claustraria,  Arten  von  Epeira,  Theridium)^ 
die  Schuppen  mancher  Schmetterlinge  {Lijparis,  Pontia  u.  a.)  lufthaltig 
und  dann  glänzend  weiss.  Beim  Maikäfer,  wo  die  feinen  Haare  der 
Flügeldecken,  der  Bauchschienen  etc.  etwas  schüppchenartig  verbreitert 
und  ebenfalls  lufthaltig  sind,  ist  die  Luft  in  ihnen  in  ähnlicher  klein- 
blasiger Art  eingeschlossen ,  wie  iu  manchen  Tracheenformen  der 
Spinnen.  Die  auttallcnde  kreidewcisse  Farbe  der  Flecken  zur  Seite 
des  Abdomens  rührt  von  dem  Luftgchalt  der  hier  dicht  stehenden 
Schüppchen  her.  Die  vielen  weissen  Flecken  des  Melolontha  fullo, 
den  ich  nicht  selbst  untersuchen  konnte  (er  ist  hier  überaus  selten), 
siiul  sicher  ebenso  lufthaltig.  Wenn  die  Haare  einen  bedeutenden 
Dickendurchmesser    haben ,     wie    z.    B.    die    Haare    der    llaupe    von 


Arthropoden.  113 

Sahirnia ,  so  kann  man  an  ihnen  gleich  der  ganzen  äusseren  Be- 
deckung die  beiden  Hautschichten  unterscheiden,  die  liomogene  Cuti- 
cula  und  darunter  eine  pigmentirte  Zellenschicht ,  eine  Fortsetzung 
der  weichen  Hautlage,  von  der  gleich  nachher  die  Rede  ist. 

Die  Flügel  und  Flügeldecken  der  Insekten  zeigen,  wie  man 
besonders  gut  an  Puppen  sich  belehren  kann ,  den  Bau  von  Haut- 
duplicaturen.  Zu  äusserst  liegt  die  Chitinhaut,  dann  kommt  die 
weiche  (bei  Puppen  aus  klaren  Zellen  zusammengesetzte)  Lage.  Zu 
innerst  verlaufen  Tracheen  und  bleiben  grössere  Hohlräume  zwischen 
derDuplicatur  übrig,  so  haben  sie  die  Function  von  Bluträumen,  was  man 
an  den  weicheren  Flügeldecken  verschiedener  lebender  Käfer,  z.  B.  von 
Melolontha,  am  leichtesten  von  Lampyris  überzeugend  sehen  kann.  Beim 
Maikäfer  werden  die  Tracheen  der  Flügeldecken  noch  von  Fettkörper- 
streifen begleitet.  In  den  weichen  Flügeldecken  von  Cantkoris  mela- 
nura  gewahre  ich  auch  noch  blasse,  mit  den  Tracheen  verlaufende 
Stämmchen,   die  mir  Nerven  zu  sein  scheinen. 

Der  Chitinpanzer  nimmt  bei  vielen  Krustenthieren,  und  zwar,  in 
so  weit  meine  Erfahrungen  reichen,  bei  Dekapoden  ,  dann  bei  Por- 
celUo,  Oniscus ,  Armadillo ,  Sphaeroma,  Julus  (nicht  bei  Gammarus, 
Polyxenus ,  Scolopendra,  Ärgulus ,  Phyllopoden,  Lernaeen,  CaUgus, 
Entomostraca),  sowie  nach  den  Mittheilungen  Zenkers  bei  den  Ostra- 
koden  phosphorsauren  und  kohlensauren  Kalk  ayf  und  erstarrt  da- 
durch noch  mehr.  Beachtenswerth  dürfte  sein,  dass  die  Kalkablagerung, 
wie  ich  mich  überzeugte,  nur  in  der  homogenen  Grundsubstanz  Statt  hat 
und  die  Kanäle  davon  frei  bleiben.  —  Die  Schalen  der  Cirripeden 
stimmen  in  der  Struktur  und  chemischen  Zusammensetzung  mit  denen 
der  Bivalven  überein  (C  Schmidt).  Ein  Schalenstück  von  Lepas 
anatifa ,  das  ich  mit  Essigsäure  behandelte  ,  bestand  aus  einer  ver- 
kalkten Cutictda  und  der  darunter  liegenden  eigentlichen  Schalen- 
substanz. Letztere  war  nach  Auszug  der  Kalksalze  eine  homogene, 
feingranuläre  Schicht,  in  der  regelmässig  Linien  nach  der  Länge  ver- 
liefen ,  die  von  Stelle  zu  Stelle  durch  quer  ziehende  unterbrochen 
wurden,  so  dass  man  allerdings  an  wagrecht  liegende  „Kalksäckchen" 
erinnert  wurde.  * 

§.115. 

Die  weiche,  nicht  chitinisirte  Haut  unterhalb  des  Panzers  ^weid 
muss  gleichfalls  der  Bindesubstanz  zugezählt  werden.  Genauer  auf 
ihre  Textur  besehen,  zeigt  sie  dieselben  Variationen,  in  welche  das 
Bindegewebe  überhaupt  bei  Wirbellosen  abändern  kann.  Bei  der 
einen  Art  wird  sie  fast  nur  aus  mehr  oder  weniger  deutlichen  Zellen 
zusammengesetzt  (so  häufig  bei  niederen  Krustenthieren,  z.  B.  an  den 
Greiforganen  von  Branchipus,  bei  Salttcus,  Locusta  u.  a.),  bei  anderen 
Arten  oder  an  anderen  Körperstellen  verwischen  sich  die  Zellenlinien 
und  man  hat  nur  klare  Kerne  innerhalb  einer  feinkörnigen  Z  wischen - 
masse;  ist  jedoch  zugleich  Pigment  vorhanden,  so  wird  das  Bild  einer 

Leydig,    Histologie.  g 


Hautschicht. 


114  Von  der  änsseren  Haut  der  Wirbellosen. 

zelligeii  Zusammensetzung,  dadui'ch  wieder  angeälmlicht ,  dass  die 
Pigmentkörner  ,  sich  um  die  Kerne  gruppirend ,  zellige  Bezirke  ab- 
marken. Bei  den  höheren  Krebsen  [Astacus  z.  B.)  hat  gedachte  Haut 
entweder  die  Beschaffenheit  von  gewöhnlichem ,  nur  etwas  steifem 
Bindegewebe,  in  welchem  nach  Kalilauge  Bindegewebskörperchen  in 
Form  von  länglichen,  schmalen  Lücken  zum  Vorschein  kommen,  oder 
es  hat  die  Natur  von  gallertiger  Bindesubstanz.  Dann  sieht  man  ein 
verschieden  grosses  Maschengewebe,  dessen  Gerüst  in  den  Knoten- 
punkten schöne,  grosse  Kerne  besitzt  und  in  den  Hohlräumen  eine 
helle  Gallerte  einschliesst.  —  In  dieser  Haut  finden  sich  bei  einigen 
Krustcnthieren  (Porcellio.  Gammarus)  noch  eigenthümliche,  mir  nicht 
klar  gewordene  Gebilde,  rundliche  oder  birnförmige,  das  Licht  stark 
brechende  Körper,  innen  granulär,  aussen  homogen  streifig  (Kalk- 
concretionen?) 

Fig.  57. 


'igniente. 


Die    weiche    Haut   unter  dem    Panzer    vom  Flusskrebs. 
a  blaues  Pigment  aus  Krystallen  bestehend.  (Starke  Vergr.) 

§.  116. 
H»»t-  Die  mancherlei  Pigmente  der  Haut  können  diffuser  oder  körniger 

Natur  sein  und  bald  in  der  Chitinhaut,  bald  in  der  weichen  Schicht 
oder  in  beiden  zugleich  untergebracht  sein.  In  der  grünen  Raupe  von 
Sphwx  ocellata  z.  B.  liegt  die  grüne  Farbe  unter  der  Chitinhaut, 
letztere  ist  ganz  farblos ;  anders  bei  der  Raupe  von  Papilio  Machaon, 
wo  die  intensiv  rothen  und  schwarzen  Flecken  der  Cvticula  selber 
innewohnen  und  nur  die  gelbe  Farbe  der  unter  der  Chitinschicht 
liegenden  Haut  angehört.  An  der  Raupe  von  Saturnia  carpini  liegen 
die  grünen,  braungelbcn  und  schwarzen  Farbkörncr  alle  unter  der 
Cvtictda.  Wenn  auch  überhaupt  der  P.tnzer  bei  Spinnen ,  Insekten 
luid  Krebsen  häufig  durch  die  verschiedenen  Schattirungen  des  Braunen, 
Schwarzen,  Grünen  etc.  gefärbt  ist,  so  dürfte  doch  die  Hauptmasse 
des  Pigmentes  an  die  weichere  Ilautlage  gebunden  sein.  Von  den 
rothen,  blauen  und  goldglänzenden  Pigmentirungen  des  Flusskrebses, 
welche  meist  in  verzweigten  ÄLassen  auftreten,  verdient  besonders  die 
blaue  in  Anbetracht  ihrer  Elementartheile  einer  eigenen  Erwähnung, 
da  sie  ausser  feinen  Punkten  nus  blauen  Krystallen  besteht.  Sie  ver- 
gehen schnell  in  Kalilösnng,  während  die  Körnchen  ck's  rothen  Pig- 
mentes darin  ausharren.  (Wie  ich  aus  Carus  Jahresb.  f.  Zootomie 
ersehe,  hat  bereits  vor  mir  Focillon  auf  die  „prismatischen  Krystalle" 
dieses  blauen   Pigmentes  aufmerksam  gemacht.) 


Arthropoden. 


115 


Contractile  Elemente  oder  Muskeln,  welclie  eigens  zur  Be- 
wegung der  Haut  bestimmt  wären,  mangeln  den  Arthropoden,  obschon 
alle  Stammmuskeln  sich  an  die  Innenfläche  des  Hautskelets  ansetzen. 
Ueber  die  Eigenthümlichkeiten;  welche  die  Hautnerven  darbieten,  siehe 
-Tastwerkzeuge. " 

§.  117. 

Die  Hautdrüsen,  welche  mehreren  Arthropoden  zukommen, 
repräsentiren  sowohl  einzellige  Formen  (bei  Ärgidus,  Caligus,  Doridi- 
cola,  vielleicht  auch  bei  einigen  Katern),  indem  eine  einzige  Zelle  und 
ein  von  ihr  abgehender  Ausführungsgang  die  ganze  Drüse  bildet,  oder 
es  sind  mehrzellige  Formen,  wohin  die  Glmidulae  odoriferae  gehören; 
bei  Pentatovia  z.  B.  zeigt  die  Drüse  eine  zarte  homogene  T.  propria, 
dann  mit  bräunhchen  Körnern  erfüllte  Sekretionszellen,  endlich  nach 
innen  eine  sich  stark  runzelnde  homogene  Intima'^  ferner  reihen  sich  hier 
an  die  Drüsen,  mit  denen  die  Haut  der  haarig  bedeckten  Raupen  ausge- 
stattet ist,  sie  bestehen  aus  einer  homogenen  T.  lyropria  und  einigen  Sekre- 
tionszellen, die  sich  durch  ihre  verästelten  Kerne  auszeichnen;  das  Sekret 


Hautdrüsen. 


Fig.  58. 


Zwei  Hautdrüsen  von  Argulus  foliaceus.     (Starke  Vergr.) 

wird  constant  in  die  über  ihnen  stehenden  hohlen  Haare  entleert.  Da  nun 
an  den  stärkeren  Haaren,  z.  B.  der  Raupe  von  Saüirnia  carpini  feine 
Porenkanäle  bis  in  den  centralen  Raum  des  Haares  dringen  und  be- 
kanntlich beim  Anfassen  eines  solchen  Thieres  leicht  äusserlich  an  den 

Fig.  59. 


Hautdrüsen  der  Raupe  von  Bombyx  rubi.     (Starke  Vergr.) 
a  Hanre,  b  Chitinbaut  mit  den  Porenkanälen,  c  weiclie  Hautlage,  d  Driisensäckchen. 

8* 


116 


Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbellosen. 


Haaren  sich  ein  Sekrettröpfclien  ansammelt,  so  darf  man  annehmen, 
dass  das  FJuidum  durch  die  Porenkanäle  meinen  Weg  nahm.  Die 
Foraminu  repugnatoria  an  den  Seiten  der  Körperringel  der  Myriapoden 
führen,  wie  Savi  und  Burmeister  zuerst  richtig  sahen,  in  birn- 
förmige  Hautdrüsen ,  welche  sich  mir  an  einer  Julusart  folgender- 
maassen  darstellten.  Das  Drüsensäckchen  hat  eine  zarte  Tunica 
'pro'pria  und  nach  innen  von  ihr  die  hellen  (bei  Jidus  terrestris  und 
sahulostcs  bräunlichen)  Sekretionszellen ,  welch  letztere  von  einer 
homogenen  Intnna  überdeckt  werden  ,  die  stärker  ist  als  die  Tunica 
propria ,  sich  sehr  gern  in  Falten  legt  und  dadurch  auch  im  Aus- 
führungsgang eine  Art  Querstrichelung  hervorruft.  Das  Sekret  ist 
zunächst  der  Intima  eine  hellgelbliche  Flüssigkeit,  mit  einzelnen  fett- 
ähnlichen Tropfen,  zu  iimerst  häuft  sich  das  Sekret  als  eine  intensiv 
gelbe,  stark  contui'irte  zähflüssige  Masse  an,  die  in  Essigsäure  unver- 
ändert  bleibt,  nach  Zusatz  von  Kalilauge  aber  dunkelgrün  wird. 

Fig.   60. 

At-i 


a 

b 


Hautdrüse    von   Julus. 

A    Aeussere  verkalkte  Haut    mit    den  Porenkanälen    und    der    Drüsenmündung. 

B    Das   Drüsensäckchen:  a  Tunica  i>ropria  (ist  auf  dem  Holzschnitt  nicht  genug 

hervorgeliohen),  b  Sekretionszellen,  c  Intima,    d  Sekret.     (Starke  Vergr.) 

Eine  besondere  Lage  sehr  entwickelter  mehrzelliger  Hautdrüsen 
bemerkt  man  auch  beim  Flusskrebs.  Ich  finde  nämlich,  dass  an  der 
Schale  des  Cephalotborax,  namentlich  wo  sie  die  Kiemenhöhlen  über- 
wölbt, die  weiche  Hautlage  luich  innen  ein  eigenthümliches  dickliches 
Aussehen  hat,  was  von  Drüsengruppen  herrührt,  die,  wenn  sie  etwas 
vereinzelter  zu  liegen  kommen,  schon  für  das  freie  Auge  als  weissliche, 
gelappte  Massen  von  der  hellen  gallertigen  Hautlage  sich  abheben. 
Auf  den  feineren  J3au  untersucht  (wobei  wegen  ihrer  Weichheit  das 
Deckglas  zu  vermeiden  ist),  zeigen  sie  einen  annähernd  tiaubigen  Um- 
riss,  die  Sekretionszellen  von  (Jylinderform  sind  dicht  erfüllt  von  fein 
granulärer  Substanz  und  das  Lumen  der  Drüse  schien  mir  von  einer 
zarten  Litiraa  ausgekleidet  zu  sein.  Die  Drüsen  münden  nach  innen, 
gegen  die  Kiemenhöhle  zu  und  am  gekochten  Krebs  lebhaft  weiss 
werdend,   stellen  sie  das  vor,  was  man  gemeinhin  „Krebsbutter''  nennt. 


Arthropoden.  117 

Für  Hautdrüsen  müssen  auch  jene  fülilfadenartigen  Organe  an- 
gesprochen werden,  die  verschiedene  Raupen ,  wie  Fapilio  asterisa, 
P.  machaon  u.  a.  hervorstrecken  können,  wobei  ein  stark  riechender 
Stoff  mit  entleert  wird.  Im  ausgestülpten  Zustande  unterscheidet  man 
zu  äusserst  eine  äussere  homogene  Haut,  die  Fortsetzung  der  Cuücula 
der  allgemeinen  Bedeckung,  darunter  kommen  grosse  Zellen  mit  gelb- 
körnigem Inhalt  und  über  ihnen  ist  die  homogene  Haut  zu  einem 
stumpfen  Stachel  ausgezogen.  (Wenn  dieser  durchbohrt  sein  sollte, 
worüber  jedoch  meine  an  Pap.  machaon  gemachten  Notizen  nichts  aus- 
sagen, so  müssten  die  Zellen  einzelligen  Drüsen  gleichgesetzt  werden.) 
Bei  Papi'lto  asteri'as,  wovon  Karsten  sehr  naturgetreue  Abbildungen 
gab,  sind  die  Zellen  in  der  Gegend,  wo  der  Fühlfaden  sich  gabelt, 
von  etwas  anderer  Beschaffenheit,  und  Karsten  spricht  diese  Partie 
allein  als  „drüsigen  Körper"  an,  während  er  die  anderen  als  Farbstoff 
enthaltende  Zellen  bezeichnet.  Mir  scheinen  die  beiderlei  Zellen  für 
Sekretzellen  gelten  zu  müssen,  deren  Absonderungsprodukt  zusammen 
den  spezifischen  Geruch  verbreitet.  Im  eingestülpten  Zustande  ent- 
spricht die  im  ausgestreckten  Organ  äussere  homogene  Haut  einer 
starken  Intima,  welche  die  Sekretionszellen  überdeckt,  und  letztere 
selber  sind  vergrösserte  und  umgewandelte  Abschnitte  der  unter  der 
Chitinhaut  (Pergamenthaut,  Karsten)  befindlichen  zelligen  Lage.  Der 
eben  genannte  Autor  lässt  sowohl  das  Einstülpen,  als  auch  das  Hervor- 
strecken des  Schlauches  durch  Muskehi  geschehen ;  wie  aber  die  von 
ihm  gezeichneten  Muskeln  den  Schlauch  zum  Ausstülpen  bringen 
sollen,  kann  man  sich  kaum  vorstellen,  und  es  ist  mir  wahrscheinhch, 
dass  durch  Eintreiben  von  Blutflüssigkeit  aus  der  Körperhöhle  das 
Ausstülpen  erfolgt.  Die  an  der  Spitze  angebrachten  Muskeln  besorgen 
bloss  das  Zurückziehen  des  Apparates.  Die  Anheftung  der  Muskeln 
an  die  Haut  geschieht,  wie  auch  sonst  häufig,  durch  chitinisirte 
Bindesubstanz,   die  continuirlich  in  die  Cuticula  sich  fortsetzt.*) 

§.  118. 
Im  Anschluss  an  die  Hautdrüsen  darf  hier  noch  jener  Drüsen- 
formen gedacht  werden,  welche  sonst  unter  der  Aufschrift  ,,beson- 
dere  Absonderungs  organe"  als  Gift-  und  Spinndrüsen,  After- 
drüsen etc.  zusammengefasst  werden.  Sie  sind  hier  zu  den  Hautdrüsen 
gerechnet  ungefähr  in  dem  Sinne ,  wie  man  die  Milchdrüsen  der 
Säuger  Hautdrüsen  nennen  kann.  Die  Giftdrüsen  der  Spinnen 
zeigen  eine  homogene  Tunica  pi'opria,  am  Ausführungsgang  dicker 
als  am  Follikel,    um    sie  herum  geht  in  Spiraltouren  eine  dicke  Lage 


*)  Hiebei  mag  auf  die  Käfergattung  Malachius  aufmerksam  gemacht  sein,  die 
bekanntlich,  wenn  sie  gereizt  wird,  aus  den  Seiten  des  Halses  und  des  ersten  Hin- 
terleibsringes zackige  Bläschen  aus-  und  einziehen  kann.  Man  darf  vermuthen, 
dass  der  Bau  dieser  Gebilde  ähnlich  ist,  wie  an  den  fühlerartigen  Organen  der 
genannten  Raupen. 


1X3  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbellosen. 

quergestreifter  Muskeln  {Epeira,  Chibiona,  Mygale,  Ärgyroneta) ,  die 
sich  aber  nicht  auf  den  Ausführungsgang-  erstreckt.  In  die  Muskel- 
schicht, welche  nach  aussen  eine  zarte  bindegewebige  Hülle  hat,  verliert 
sich  ein  deutliches  Nervenstämmchen.  Der  Giftapparat  der  Skorpione 
hat  ebenfalls  die  Muskelschicht.  Nach  innen  kommen  die  Sckretions- 
zellen,  sie  sind  cylindrisch  und  ziej-nHch  lang,  ihren  Inhalt  bilden 
eiweissartige,  schwach  glänzende  Kugeln,  lieber  die  Zellen  weg 
geht  nach  H.  Meckel  eine  feine  Intima.  An  den  Spinn drüsen  der 
Araneen  unterscheidet  man  immer  eine  Tunica  propria,  dann  die 
Zellen  und  zu  innerst  eine  deutliche  Int'mia,  die  in  den  Ausführungs- 
gängen eine  ganz  beträchtliche  Dicke  erlangen  kann.  Die  Gift- 
drüsen der  Insekten  haben  einen  interessanten  Bau,  dessen  Kennt- 
niss  ^^^r  H.  Meckel  verdanken.  Bei  Vespa  Crabro  bildet  eine  Tunica 
propria  von  grosser  Feinheit  das  Drüsengerüst,  sie  trägt  eine  dicke 
Lage  von  Zellen,  aus  denen  feine  Röhrchen  (Ausführungsgänge  der 
Zellen)  nach  der  Tunica  intima  des  ganzen  Follikels  laufen.  Aehnlich 
ist  der  Bau  bei  der  Biene,  nur  scheinen  hier  aus  einer  Zelle  immer 
mehrere  der  feineren  Ausführungsgänge  hervorzukommen.  Die  Drüse 
der  rothen  Ameise  zeigt  das  gew^öhnliche  Schema  der  Struktur,  es 
fehlen  die  für  die  einzelnen  Drüsen  bestimmten  Gänge.  Meckel  und 
Karsten  haben  auch  die  After  drüsen  mehrerer  Käfer  untersucht, 
bei  Dytiscus  marcjinalis  wiederholt  sich  die  mehrfach  beschriebene 
Zusammensetzung,  man  hat  zu  äusserst  eine  homogene  Tuvica  propria^ 
zu  innerst  eine  homogene  Tunica  inti7na  und  der  Raum  zwischen  bei- 
den ist  von  den  Sekretionszellen  ausgefüllt.  An  den  Explodirdrüsen 
des  Braehinus  erscheint  nach  der  Darstellung  von  Karsteoi  die  In- 
tima durchlöchert,  so  dass  für  jede  Sckrctionszelle  eine  besondere 
Oeftnuug  zugegen  ist.  Zu  den  homogenen  Häuten  und  Zellen  gesellen 
sich  in  dem  behälterartig  erweiterten  Abschnitt  des  gemeinsamen  Aus- 
führungsganges quergestreifte  Muskeln. 

§.  119. 
W  ü  r  m  e  r. 
Die  Haut  der  Würmer  ist  nicht  von  einerlei  Art,    was  kaum 
Wunder  luihmen  darf,    da   dieser  Abtheilung  die  verschiedensten  Ge- 
schö])fe   zugerechnet    werden,    ohne     dass    ein    wirklich    einheitlicher 
Charakter  sie  zusammeidiielte. 
stu.dei-  Bei  den  Turbellarien  bildet  die  Rinde  der  mit  Muskeln  tlurch- 

flochtenen  gemeinsamen  l^indesubstanz  des  Körpers  das  Analogon  der 
Lederhaut.  Diellautmuskeln  sind  entweder  rein  homogen,  üderman  sieht 
eine  Scheidung  in  helle,  homogen  bh^ibende  Rinden-  und  feinkörnige 
Axensubstanz,  weiterhin  erkennt  man  Cylinder,  die  eine  Art  quer- 
gestreifter Zeichnung  darbieten ,  indem  sie  aus  in  einander  geschobenen 
keilförnn'gen  Stücken  bestehen.  Auf  die  Lederhaut  folgt  ein  durchweg 
Hiiunierndes  Epithel,  (bei  der  Aidiangsgruppe  der  Turbellarien,  den 
Ichthydinen  ein  auf  die  Bauchfläche  beschränktes),  in  dessen  Zellen 


Würmer.  119 

Gebilde  speclfisclicr  Art,  die  unter  dem  Namen  Stäbchen  undNes- 
selorgcane  bekannten  Körper  eingeschlossen  sind.  Man  hielt  sie 
früher  für  eine  Eigenthümliclikeit  der  planariciiartigcn  Strudelwürmer, 
weiss  jetzt  aber,  dass  sie  auch  an  der  Innenfläche  des  Rüssels  von 
Nemertinen  (71/.  Müller)  vorkommen.  {Leuchart  beobachtete  sie  eben- 
falls in  der  Körperhaut  einer  Nemertes.)  Die  Stäbchen  nehmen  in  Kali- 
lauge scharfe  Conturen  und  eine  gelbe  Farbe  an  und  sind  entweder 
ihrer  Form  nach  einfache  gerade  oder  auch  halbmondförmig  gekrümmte 
Gebilde,  oder  längsovale  Körper  ohne  Haaranhang;  zeigen  sie  sich 
noch  mit  einem  im  Innern  ruhenden  und  hervorstülpbaren  Haaran- 
hang  ausgerüstet,  so  tragen  sie  den  Namen  Nesselorgane  (am  Rüssel 
von  MecTcelia,  im  Körper  von  Microstomum  lineare,  wo  übrigens,  wie 
ich  sehe,  ähnlich  wie  bei  den  Hydren  zweierlei  Nesselorgane  vorkommen, 
die  grossen  „krugförmigen"  nämlich  und  die  kleineren  von  einfach 
ovaler  Gestalt,  beide  ziemlich  vereinzelt  und  die  letzteren  meist  paar- 
weise zusammenliegend,  beiden  „krugförmigcn"  erscheint  der  hervor- 
geschnellte Faden  mit  Widerhaken.)  Eine  Uebergangsbildung  von 
Stäbchen  zu  Nesselorganen  repräscntiren  die  Stäbchen  der  (Jonvoluta 
Schdtzü,  da  in  jedem  eine  feine  starre  Nadel  eingebettet  liegt,  welche 
durch  Druck  herausgetrieben  werden  kann  {Schlitze).  Nach  demselben 
Autor  enthält  die  Haut  bei  Stdonia  elegans  statt  der  Stäbchen  ansehn- 
liche Körper,  drehrund,  knorrig  und  etwas  gebogen  aus  kohlensaurem 
Kalk.  (Sollten  diese  wirklich  in  den  Zellen  der  Epidermis  und  nicht 
vielmehr  in  der  Lederhautschicht  liegen  und  den  Kalkkörpern  der 
Cestoden,  Mollusken  und  Strahlthiere  entsprechen?) 

§.  120. 

Die  Cestoden  und  Trematoden  besitzen  eine  deutliche  ho-  cestode«. 
mogene  Cuticula  als  äusserste  Grenze,  (an  einem  Bothriocephalus  des  Trematoden 
Salmo  salveliiius  schien  sie  mir  von  Porenkanälen  durchsetzt  zu  sein) 
darunter  eine  Zellenschicht,  mitunter  pigmentirt.  Beide  zusammen  ent- 
sprechen einer  Epidermis,  die  Cuticula  verdickt  sich  zu  mancherlei 
Stacheln,  sowie  zu  grösseren  „hornigen^^  Hacken  und  Gerüsten  (Hacken- 
kranz der  Cestoden,  die  Bewaffnungen  des  Oyrodactylus,  des  Diplo- 
zoon  u.  a.).  Zählt  man  mit  M.  Schultze  das  sonderbare  Myzostomum 
zu  den  Trematoden,  so  ist  es  das  einzige  Thier  dieser  Gruppe,  welches 
Hautwimperung  trägt.  Die  oftmals  mit  geschichteten  Kalkkugeln  ver- 
sehene Lederhaut  grenzt  sich  nicht  scharf  vom  übrigen  Leibesparen- 
chym  ab  und  ist  mit  Muskeln  durchflochten.  Mitunter  scheinen  auch 
Hautdrüsen  nachweisbar  zu  sein,  ich  glaube  wenigstens  in  der  Saug 
Scheibe  von  Äspidogaster  conchicola  einzellige  Hautdrüsen,  welche  aus 
rundhchem  Bläschen  und  ziemlich  langem ,  schmalem  Ausführungs- 
gang bestanden,  w\ahrgenommen  zu  haben. 

§•  12L 

Auch    die    Annulaten    weisen    eine  Cuticida  auf,    einfach  glatt    Emgei- 
z.  ß.    bei  Nephelis,   Haemojns,    Sangutsuga ,    zierlich    der   Länge   und   '^"'"*''- 


120  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbellosen. 

Quere   nach    gestreift   bei   Piscicola ,    Lumlricus ,    in  Höcker  sich  er- 
hebend bei  Clepsme  u.  s.  f. 

Cuticularentwickkmgen  sind  die  mancherlei  Haare  und  Borsten, 
die  entweder  rein  homogen  sich  darstellen,  oder  bei  einiger  Dicke  eine 
gewisse  Scheidung  in  Rinden-  und  Axensubstanz  nebst  einer  feinen 
longitudinalen  Streifung  {Eunice,  Aplirodite)  erkennen  lassen.  Die 
schuppenartigen  Hautanhängsel  von  Aplirodite  sind  nicht  blosse  Cuti- 
cularverdickungen,  sondern  Duplicaturen  der  Haut.  Unter  der  Cuticula 
folgt  die  zellige,  häufig  pigmentirte  Epidermis,  deren  Zellen  mitunter 
(z.  B.  Fiscicola)  von  zweierlei  Art  sind ,  kleine  und  viel  grössere, 
welch  letztere  an  die  Schleimzcllen  der  Fisch-Oberhaut  erinnern ;  in 
seltenen  Fällen  enthalten  die  Zellen  Nesselstäbchen  {Chaetopterus  nach 
M.  Müller).  Auffallend  ist,  dass  man  zwischen  den  rundHch- 
eckigen  Epidermiszellen  bei  Piscicola  stark  verästelte  Pigmentzellen 
gewahrt.  Die  sehr  muskulöse  Lederhaut  ist  bei  Piscicola,  Clepsine 
durch  schöne  Fettzellen  ausgezeichnet. 

Hautflimmerung  erscheint  bei  den  iVnnulaten  spärlich;  man 
kennt  Beispiele  von  theilweisem  Flimmerbesatz  an  Podyoplithalmus, 
Nereis ,  Spio ,  Serpula.  Bei  Bonellia ,  welche  mit  den  Sipunculiden 
eine  Uebergangsfamilje  von  den  Echinodermen  zu  den  Würmern 
bildet,  wimpert  die  Haut  an  den  Armen  des  Rüssels  (Hchmarda) 
und  an  den  Bryozoen  ,  wenn  man  sie  mit  Leuchart  u.  A.  zu  den 
Würmern  stellt ,  wimpern  die  Fangarme  (der  mantelähnliche  Haut- 
sack ,  in  welchem  der  Darmkanal  aufgehängt  ist ,  besteht  aus  einer 
homogenen  Cuticula  und  der  Zellenlage  darunter) ;  auf  der  Haut  einer 
neuen  von  Busch  beschriebenen  Sayitta  liegt  hinter  dem  Kopf  auf 
dem  Rücken  eine  wimpernde  Platte. 

Einzellige  Hautdrüsen  sind  bei  vielen  Annulaten  {Piscicola^ 
Clepsine,  Nephelis  u.  a.)  vorhanden.  (Es  mag  hier  eingeschaltet  sein, 
dass,  gleichwie  sich  im  Fussnapf  von  Branchellion  noch  sekundäre, 
kleine  Saugnäpfchen  finden,  man  auch  am  Kopfende  von  Branchiohdella 
astaci  ungefähr  sechs  ähnliche,  nur  bei  starker  Vergrösserung  sicht- 
bare Saugnäpfchen  beobachtet.) 

§.  122. 
«'""'-  Sehr    eigcnthümlich    verhält   sich    die    Haut    der    Nematoden, 

Acantho  cephalen  und  Gordiaceen,  indem  sie  sich  vom  übrigen 
Leibesparenchym  streng  abgeschieden  hat.  Die  Lederliaut  ist  eine 
dicke  Hülle,  die,  ähnlicli  den  .,  Glashäuten*'  höherer  Thiere ,  aus 
homogenen  Lamellen  einer  hellen  Bindesubstanz  besteht.  Darüber 
kommt  eine  „Faserhaut''  mit  gekreuzter  Richtung  der  Fasern  und  zu 
äusserst  eine  „Epidermis",  die  aus  verschmelzenden  Zellen  entstanden, 
später  strukturlos  sich  zeigt  {Meissner).  Wenn  ich  mir  die  An- 
gaben des  genannten  Forschers  so  auslegen  dürfte,  dass  ich  annehme, 
die  Epidermiszellen  lieferten  eine  Cuticula,  mit  deren  Weiterausbildung 
die   Zellen    selbst   untergehen   können ,    und   wäre    es  ferner  möglich, 


wuruier. 


Strahlthiere. 


121 


die  „Faserliaut"  und  das  „Corium'^  zusammen  für  das  Analogen  der 
Lederhaut  zu  nehmen,  so  würde  sich  die  Haut  dieser  Würmer  nicht 
allzusehr  von  dem,  was  mir  sonst  als  Grundschema  erscheint,  entfernen. 

§.  123. 
Strahlthiere. 
An  der  Haut  der  Echinodermen  unterscheiden  wir  deutlich 
eine  derbe  Lederhaut,  eine  zellige  Epidermis  und  mitunter  noch  eine 
abtrennbare  Outicula.  Die  L  e  d  er h  aut  ist  bindegewebig  und  zeigt  bei 
Holothuria  tuhidosa  sehr  feine,  gelbliche  Fasern,  welche,  in  Bündeln 
geordnet,  nach  den  verschiedensten  Richtungen  sich  durchflechten; 
beim  Seeigel  verhält  sich  ein  feiner  Schnitt  aus  der  getrockneten  (um 
die  Mundötfnung  gelegenen)  Haut  im  Wesentlichen  ganz  wie  ein  Schnitt 
aus  einer  ähnlich  präparirten  fibrösen  Haut  eines  Wirbelthieres,  z.  B. 
aus  der  Sclerotica  des  Rindes.  Man  erblickt  dieselben  bündeiförmigen 
Züge  des  Bindegewebes,  die  sich  durchkreuzen,  so  dass  man  sie  im 
Längen-  und  Querschnitt  zur  Ansicht  hat.  Auf  dem  Querschnitt  der- 
selben bemerkt  man  überdiess  dieselbe  feine  Punktirung,  wie  bei  Wir- 
belthieren,  und  ist  der  Schnitt  sehr  dünn  ausgefallen,  so  krempen  sich 

Fio".  61. 


'^^i^^^^^^^^^^r^ 


^Ä6^ 


/> 


-  —d 


Senkrechter  Haiitschnitt  von  Echinns. 

a  Cuticula,    b  Zellen  der  Epidermis,   d  bindegewebige  Lederhaut,  nnverkalkte 

Partie,    e  verknöcherte  Stelle,    f  inneres  Epithel.     (Starke  Vergr.) 

nach  Essigsäurebehandlung  die  Ränder  ebenso  um,  wie  an  der  Haut, 
der  Sehnen  etc.  der  Wlrbelthiere  unter  den  gleichen  LTmständen. 
Zählen  wir  die  Sipunculoiden  von  den  Echinodermen  ab,  so  ist  es  eine 
allgemeine  Eigenschaft  derselben,  dass  in  ihre  Lederhaut  Kalk  abge- 
lagert ist:  in  geringer  Menge  bei  den  Synaptinen,  wo  der  Kalk  untci- 
anderem  sich  in  der  Form  zierlicher,  durchlöcherter  Platten  mit  ange- 
fügtem Anker  abscheidet,  bei  Chirodota  als  Rädchen,  welche  haufenweise 
in  den  regelmässig  angeordneten  Hautpapillen  liegen  (Joh.  Müller). 
Bei  den  Holothurlen  haben  die  Kalkstücke  manchfaltige  Formen,  häutig 
sind  es  gegitterte  Scheiben.  Bedeutendere  Kalkmengen  lagern  in 
Form  von  Balken  und  Netzen  in  der  Lederhaut  der  Asterien  u.  a., 
bis  endlich  in  den  Echiniden  durch  Zunahme  der  Kalknetze  die  Leder- 


Kühino- 

Jermen. 


122  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbellosen. 

haut  zu  einer  vollständigen,  knoclienliarten  Schale  sich  umwandelt. 
Es  erinnert  die  Verkalkung  des  Bindegewebes  bei  Echinus  an  die 
Incrustationen  des  Bindegewebes,  wie  man  sie  an  der  Pia  mater  und 
den  Plexus  cJioroidei  des  Menschen  wahrnimmt.  Die  Kalknetze  des 
Seeigels  zeigen  einen  deutlichen  muschligen  Bruch  (Schichtung),  bei 
Behandlung  mit  Säure  bleibt  aus  den  ganz  verkalkten  Schalenpartien 
nur  ein  äusserst  dürftiges  Fasernetz  übrig,  so  dass  es  scheint,  als  ob 

Fig.  62. 


a 

Einige  Kalkkörper  aus  der  Lederhaut, 
a  von  Synapta  digitata,    b  von  Holotliuria  tubulosa.     (Starke  Vergr.) 

durch  die  Kalkablagerung  die  organische  Grundsubstanz  verdrängt 
worden  wäre.  —  Ueber  die  Lederhaut  weg  geht  eine  z  eil  ige  Epi- 
dermis, die  an  den  Stacheln  der  Echinen,  ferner  an  der  Saumlinie 
der  Spatangoidcn  wimpert,  auch  die  Pedicellarien  des  Echinus  escu- 
lentus  sah  ich  zum  Thcil  flimmern.  Anlangend  die  Cuticula,  so 
gewahrt  man  sie  deutlich  bei  t^ynapta  diyitata',  auch  an  den  nicht 
verkalkten  Hautpartien  des  bezeichneten  Echinus  werden  die  Epider- 
miszellen  zwar  von  einer  homogenen  Grenzschicht  umsäumt,  aber  es 
gelang  mir  nicht,  sie  als  Haut  zu  isoliren. 

§.  124. 
Acaiepi.cn.  Das  Körperparcnchym  der  Quallen  besteht  aus  gallertigem  hya- 

linem Bindegewebe,  welches  durch  Schwinden  der  zelligen  Elemente 
theilweise  eine  sehr  homogene  Natur  anzunehmen  im  Stande  ist;  die 
Rinde  dieses  Gewebes  mag  als  Lederhaut  angesehen  werden.  Die 
E|)i  dermiszellen  sind  zart,  platt,  polygonal,  können,  wie  ander- 
wärts, Pigment  einschliesen  und  wimpern  häutig.  Die  Nesselorgane, 
welche  gleich  denen  der  Turbellarien  und  Hydren  als  Zellcninhalt 
aul'treten,  sind  sehr  ausgebildet,  zu  wahren  „Nesselbatterien"  entwickelt. 
Das  Nesselbläschen  ist  entweder  rund,  oval  oder  cylindrisch  lang ;  der 
Ursprung  des  ausgestreckten  Fadens  erscheint  häufig  mit  Wider- 
häckchen  besetzt.  Oegenhaur  hat  noch  gefunden,  dass  der  Faden 
der  Nesselzellen  bei  den  Diphyiden,  Äpolemia  uvaria  (auch  bei  Acti- 
nien,  Corynacüs)  von  einem  andern  Faden  in  engen  Spiraltouren  um- 
wunden wird.  Von  Beroe  und  Cydippe  sind  auch  eigenthümlich 
gestaltete  Haare  beschrieben  worden.  Ob  noch  eine  feine  Cuticula 
zugegen,  ist  unbekannt,  doch  möchte  die  Schale  von  Velella,  welche 
ein  System  luftführeudcr  Kanäle  hat  und  nach  Leuckart  aus  Chitin 
besteht,    den  verdickten  Cuticulargebildcn  verglichen  werden  können. 


Stiahlthiere. 


123 


§.  125. 


Ueber    die  Haut    der   Polypen    lässt  sich  melden,    dass  sie  bei    Poiypen. 
Hydra  zwei  Schichten  zeigt,  eine   untere   homogene   Membran, 
die    zunächst    das  contraktile  Gewebe    des  Körpers    nach    aussen    ab- 
schliesst,    und    an  der  Fussscheibc  am  dicksten  ist;    sie   könnte  einer 


Fig.  63. 


i 


Ein  Stück  Arm  von  Hydra,  um  die  Gruppirung  der  Nesselorgane  anschau- 
lich zu  machen. 
a  die  kleinen  cylindrischen,  b  die  grossen  birnförmigen  Nesselorgane.  (Starke  Vergr.) 

Lederhaut  entsprechen ,  die  obere  ist  eine  zellige  Epidermis^ 
und  die  Nesselorgane,  welche  von  zweierlei  Art  sind,  kleine  cylin- 
drische  und  grössere  birnförmige ,  werden  wieder  als  Zelleninhalt 
erkannt.  Vielleicht  ist  auch  eine  zarte  Cuticula  zugegen.  In  den 
Anthozoen  (z.  B.  Actinia ,  Veretülum)  ist  die  der  Lederhaut  ent- 
sprechende Schicht  dicker  als  bei  den  Hydren  und  streifig;  die  Epi- 
dermiszellen  wimpern.  [Hollard  lässt  bei  Actinia  die  Haut  aus  vier 
Lagen  bestehen,  allein  mir  deucht,  dass  sein  „Epithel'',  dann  ^die  Pig- 
mentlage  aus  kleineren  Zellen",  endlich  „die  Lage  der  Nesselkapseln* 
zusammen  der  Epidermis  entsprechen).  —  Die  sog.  Polypenstöcke 
beruhen  entweder  auf  der  Verdickung  einer  homogenen  Cuticula 
durch  schichtenweise  Ablagerung,  wobei  die  Schichten  chitinisiren 
und  einen  „hornigen"  Polypenstock  bilden.  Die  Cuticula  kann  sich 
aber  auch  mit  erdigen  Theilen  verbinden  und  erhält  dadurch  eine  ver- 
kalkte Beschaffenheit.  Milne  Edwards  und  Jul.  Haime,  welche 
die  Cuticula  Epidermis  nennen,  heissen  diese  Skeletbildung  slerenchyme 
epidermique.  Es  kann  aber  auch  zweitens  die  Lederhaut  der  Polypen 
verkalken  durch  Einlagerung  von  Kalk-  oder  Kieselnadeln.  Bleiben 
die  Nadeln  isolirt,  so  entsteht  ein  unvollkommenes  Skelet  von  einer 
meist  lederartigen  BeschalFenheit  (Älcijonium ,  Lohidaria),  häufen  sich 
die  Nadeln  zu  zusammenhängenden  Massen,  so  nimmt  es  au  Festig- 
keit und  Dichtigkeit  immer  mehr  zu.     (Die  Steinkoralleu).    Die  Kalk- 


124 


Von   der  äusseren  Haut  der  Wirbellosen. 


Fig.   ß4. 


Stäbchen    und   I^  esse  lorgane.  , 

a,  b  Zellen  mit  Nesselorgan  von  Hydra,  c  Zelle  mit  Stäbchen  von  Planaria, 
d,  e  ausgestülpte  Nesselorgane  von  Hydra,  f  Nesselorgan  von  Praya  maxima. 
g  dasselbe  von  Rhizophysa,  h  Stück  eines  Nesselfadens  (unter  starker  Vei'- 
grösserung)  mit  einer  Spiralfaser  umwunden  (f,  g,  h  nach  Geg enbaur), 
i  Nesselorgan  von  Meckelia  (nach   31.  Müller). 

körper  sind  entweder  spindelförmig  mit  Höckern,  oder  sie  sind  ver- 
ästelt, oder  lang  vnid  faserartig  {Äntipatlies ,  wo  sie  nach  Haime 
fast  ausschliesslich  aus  Kieselsäure  bestehen).  Ein  durch  Ossifikation 
der  Lederhaut  entstandenes  Polypenskelct  nennen  Milne  Edicards 
und  Haime  slh-enchyme  derviique. 

§.  126. 
Protozoen. 
Abgesehen  von  den  kleinsten  Infusorien,  sowie  von  jenen 
wundcihai-en  Tliierformen ,  den  Amöben  und  PolvthaJamien,  deren 
Leibcssultstanz  für  unsre  optischen  Hilfsmittel  keine  rechte  Differenzi- 
rung  mehr  aufweisen  will  und  während  des  Lebens  in  innner  wecdiselnde 
Lortsätze  ausfliesst,  vermögen  wir  an  den  übrigen  eine  Haut  zu  demo- 


Protozoen.  125 

striren.  Man  unterscheidet  caa  vielen  Infusorien  eine  homogene  Cuti- 
cula,  durch  Reagentien  abhebhar.  Ich  finde  sie  z.  B.  an  Vorticella-  und 
Epistylis- Arten  fein  quergestrichelt,  bei  Paramaecium  aurelia  ist  sie 
durch  Kreuzung  der  Striche  gefeldert  (Colin).  Dergleichen  Zeich- 
nungen der  Cuticula  sind  so  wenig  wie  die  der  Annulaten  und  Arthro- 
poden blosse  Falten,  sondern  liegen  in  der  Beschaftenheit  der  Cuticula 
selber.  Die  weiche  Lage  unterhalb  der  Cuticula  erscheint,  wie 
bereits  oben  erwähnt  wurde,  bei  grossen  Arten  (z.  B.  von  VorticelUnen) 
keineswegs  rein  homogen  ^  sondern  sie  besitzt  (bei  gehöriger  Ver- 
grösserung,  Kellner  780maliger)  kleine  nucleusartige  Körperchen 
so  regelmässig  eingebettet,  dass  man  lebhaft  an  die  weiche,  nicht  chi- 
tinisirte  Hautschicht  zarter  Arthropoden,  (Rotiferen,  Insektenlarven  u.  a.) 
gemahnt  wird.  In  dieser  Lage  müssen  auch  die  von  0.  Schmidt  an 
Paramaecium,  sowie  von  Lachmann  bei  Ophryoglena  beschriebenen 
stabförmigen  Körperchen  ruhen. 

Die  Schale  der  Rhizopoden  scheint  mir  abermals,  wie  jene  der 
"Weichthiere  unter  den  Begrifi"  der  Cuticulargebilde  gestellt  werden 
zu  müssen.  Bei  wenigen  ist  sie  unverkalkt  [Gromia,  Lagynis\  bei 
vielen  verdickt,  chitinisirt  und  verkalkt.  (In  der  Schale  von  Operculma 
arah'ca  sieht  Carter  „Kalkspicula").  Die  Oberfläche  der  Schale  kann 
getäfelte  und  andere  Zeichnungen  haben ;  oft  verzweigen  sich  in  den 
Schalen  Kanäle  {Williamson,    Schnitze). 

§.  127. 

Stellen  wir  Vergleichungen  an  zwischen  der  Haut  der  Wirbel- '^"«®™^*'"''' 
thiere  und  jener  der  Wirbellosen,  so  ergeben  sich  folgende  Eigen-  merkungea. 
thümliclikeiten  für  die  letzteren. 

Die  Grenze  des  Wirbelthierkörpers  nach  aussen  wird  immer  un- 
mittelbar durch  die  Zellen  der  Epidermis  umrissen ,  und  nur  bei 
Froschlarven  kommt  (nach  Remak)  der  optische  Ausdruck  einer  Cuticula 
zu  Stande,  indem  die  Zellen  der  Oberhaut  eine  Verdickung  und  Ver- 
schmelzung ihrer  nach  aussen  gewendeten  Membranen  zeigen.  Anders 
bei  den  Wirbellosen.  Hier  ist  es  umgekehrt  fast  Regel,  dass  im  Falle 
auch  eine  zellige  Oberhaut  zugegen  ist ,  doch  noch  eine  homogene 
Cuticula  darüber  liegt,  bald  in  mehr  weicherer,  man  kann  sagen  un- 
fertigerer Form,  bald  selbständiger,  so  dass  wir  sie  in  Gestalt  einer 
wirklichen  Haut  abzulösen  vermögen. 

Ferner  flimmert  bei  Wirbelthieren  die  Epidermis  nur  bei  Ba- 
trachiern  im  embryonalen  Zustande;  ausgebildete  Wirbeltliiere  haben 
nie  Hautflimmerung.  Bei  den  Wirbellosen  hingegen  ist  die  Erschei- 
nung sehr  verbreitet,  dass  die  Haut  in  ganzer,  oder  fast  ganzer  Aus- 
dehnung wimpert  oder  wenigstens  stellenweise  mit  Flimmerhärchen 
besetzt  ist. 

Ebenso  haben  bei  gewissen  Gruppen  der  Wirbellosen  die  Epider- 
miszellen  zum  Theil  einen  sehr  eigenartig  geformten  Inhalt;  es  sind 
das    die    Nesselorgane    und    die  stabförmigen  Körper.     Vielleicht  darf 


126  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbellosen. 

man  die  Sekretbläsclien  in  den  Schleimzellen,  wie  sie  in  der  Ober- 
haut vieler  Fische  sich  finden,  mit  den  Nesselorganen  in  eine  Reihe 
bringen,  da  wenigstens  beide  Gebilde  im  Inneren  von  Oberhautzellen 
liegen. 

Die  der  Lederhaut  entsprechende  bindegewebige  Schicht  ist  ent- 
weder von  der  Leibessubstanz  gar  nicht  abgegrenzt,  sondern  bildet 
eigentlich  nur  die  Rinde  derselben,  oder  sie  formt  einen  mehr  oder 
Aveniger  selbständigen  Sack  oder  Schlauch ,  das  Thier  eng  ura- 
schliessend,  mit  oder  ohne  eingewebte  Muskeln,  wornach  sich  natür- 
lich bei  Weichbleiben  der  Haut  die  Fähigkeit,  die  Form  des  Körpers 
zu  verändern,  erweitert  oder  beschränkt. 

Die  Härtung  der  Haut  geschieht  durch  Chitinisirung  und  durch 
Ablagerung  von  erdigen  Theilen.  Verkalkt  die  Lederhaut  selbst,  so 
bleibt  die  Schale  natürlich  in  inniger  Beziehung  zum  Körper  (Echino- 
dermen,  Krebse  u.  a.);  die  Schale  ist  aber  weit  weniger  innig  mit  der 
Körpersubstanz  zusammenhängend ,  wenn  sie ,  wie  solches  z.  B.  bei 
den  Mollusken  eintritt,  lediglich  eine  Abscheidung,  ein  festgewordenes 
Sekret  der  Haut  vorstellt. 

§•  128. 
physio-  Es  wurden   oben   die  Gestaltveränderungeu  der  Chromatophoren 

der  Reptilien  von  der  Oontractionstähigkeit  der  hyalinen,  die  Rigment- 
kfirnchen  zusammenhaltenden  Substanz  abgeleitet.  Die  Bewegung  der 
Pigmentmoleküle  ist  daher  eine  passive,  welche  durch  die  Thätigkeit 
der  hyalinen  Substanz  unterhalten  wird.  Gerade  so  mag  es  sich  mit 
den  bekannten  Strömungen  von  Körnern  im  Lei besparenchym  mancher 
Infusorien  verhalten ,  wie  man  dergleichen  bei  Vorticeüa ,  Loxodes 
hursaria,  Stentor  Mülleri ,  Opercularia  articulata ,  hier  im  Stiel  des 
Wirbelorganes  nach  Stein,  beobachtet*).  Auch  Bergmann  und 
Leuchart  haben  diese  Erscheinung  von  Contractionen  des  Körper- 
parenchyms  abhängig  gemacht.  Für  die  Erklärung,  dass  die  helle 
Materie ,  in  welcher  die  Kiirnchen  eingebettet  sind ,  contractil  ist, 
spricht  sehr  die  Art  der  „Strömung",  wne  sie  im  Stiel  des  Wirbel- 
organs von  Opercularia  vor  sich  geht.  Die  Körnchen  wandern  eben 
passiv  hin  und  zurück,  je  nachdem  die  Substanz  im  Stiel  durch  ihre 
Bewegungen  den  Deckel  hebt  oder  zuzieht.  (Die  Natur  der  Chromato- 
phoren ,  wie  sie  sich  bei  Reptilien  offenbart,  lässt  auch  die  Frage 
aufkommen ,  ob  denn  nicht  der  hyaline  Inhalt  der  „Bindegew^ebs- 
körperchcn"  noch  an  manchen  anderen  Körpergegenden  contractil 
sei?  soll  er  bloss  bei  zugemischtem  Pigment  diese  Eigenschaft  haben? 
Es  existircn  mancherlei  Beobachtungen  über  Spuren  schwacher  Con- 


*)  Man  .schreibt  Focke  (Isis  1836)  die  erste  Kenntniss  hievon  zu,  aber  schon 
früher  sah  O.  Carus  (Zoot.  1834  Bd.  II.  S.  424  Anmerk.)  „bei  einer  Leucophrys 
den  gcsamintcn  Inhalt  des  Thicrchcns  in  einer  langsamen  peripherischen  Bewegung 
(fast  wie  das  Strömen   in  der  Ohara)  sich   nmhertreiben.'' 


Physiologisches.  1"27 

tractilität  bindegewebiger  Theile,  in  denen  keine  muskulösen  Elemente 
nachgewiesen  sind,  sollte  nicht  mit  der  Zeit  das,  was  uns  gegenwärtig 
an  der  Haut  der  Amphibien  als  etwas  ganz  Apartes  erscheint,  den 
Charakter  eines  allgemein  verbreiteten  Phänomens  annehmen?  Doch 
diese  Vermuthungen  nur  nebenbei  1) 

Das  Hautskelet  der  Arthropoden  ist  bekanntlich  im  Leben  trotz 
seiner  Festigkeit  mehr  oder  minder  elastisch,  biegsam,  nach  dem  Tode 
wird  es  steif  und  ungelenkig.  Bergmann  und  Leuckart  haben  daraus 
auf  ein  Durchdrungensein  von  Flüssigkeit  geschlossen  und  durch  die 
obigen  Mittheilungen  von  dem  allgemeineren  Vorkommen  der  Poren- 
kanäle im  Hautpanzer  der  Insekten,  Spinnen  und  Krebse  ist  gezeigt, 
wo  wohl  hauptsächlich  die  Flüssigkeit  enthalten  ist.  Ausserdem  mag 
auch  namentlich  durch  die  Porenkanäle  hindurch  die  Wechselwirkung 
zwischen  der  Haut  und  dem  umgebenden  Medium  im  Gange  gehalten 
werden.  Wenn  die  Porenkanäle  anstatt  mit  Flüssigkeit  mit  Luft  ge- 
füllt sind,  so  hängt  das  mit  besonderen  Bedürfnissen  zusammen,  von 
denen  wir  zum  Theil  den  Grund  einsehen;  es  ist  z.  B.  doch  augen- 
scheinlich, dass  die  eigenthümliche  Weise,  wie  die  Hijdrometra  auf  der 
Oberfläche  des  Wassers  herumgleitet,  durch  ihre  an  der  Bauchseite 
lufthaltige  Haut,  die  eben  dadurch  nicht  nass  gemacht  werden  kann, 
unterstützt  wird;  wenn,  wie  bei  Schmetterlingen  und  Käfern,  die 
Haare  und  Schüppchen  lufthaltig  sind,  so  mag  das  den  Flug  mit  er- 
leichtern u.  dgl. 

Die  Umwandlung  der  Haut  zu  Skeleten,  zu  Schalen,  die  mancherlei 
Abscheidungen  der  Haut  stehen  überhaupt  in  Beziehung  zur  Bewegung 
und  zum  Schutzbedürfniss  der  Thiere ;  in  letzterer  Hinsicht  soll  darauf 
aufmerksam  gemacht  sein,  dass  die  Haare  jener  Raupen,  welche  mit 
der  menschlichen  Haut  in  Berührung  gebracht ,  heftiges  Jucken ,  ja 
selbst  Entzündung  verursachen,  die  Träger  eines  spezifischen  Giftes 
sind,  da  die  Hautdrüsen  ihr  Sekret  unmittelbar  in  das  Lumen  des 
Haares  entleeren.  Die  Weichthiere  können  durch  das  Sekret  ihrer 
Hautdrüsen  sich  mit  einer  schützenden  Hülle  umgeben,  Pneuviodermon 
sich  in  eine  Wolke  hüllen,  die  dem  Verfolger  die  Aussicht  benimmt; 
eine  Waffe  bildet  auch  das  Sekret  der  Afterdrüsen  der  Käfer  u.  s.  w. 
In  dieselbe  Kategorie  gehören  die  stabförmigen  Körper  und  Nessel- 
organe gewisser  Würmer,  Polypen  und  Quallen,  die  auf  der  mensch- 
lichen Haut  nur  ein  nesselndes  Gefühl  erregen,  niedere  Thiere  aber 
betäuben  und  vergiften. 

Zahlreiche  Arten  wirbelloser  Thiere  (Infusorien,  Rotiferen,  Würmer, 
Insektenlarven  u.  s.  w.)  bauen  sich  noch  um  ihre  Haut  herum  ein 
Gehäuse,  mit  dem  sie  in  keinem  organischen  Zusammenhang  stehen ; 
die  Grundlage  ist  eine  gallertige  Substanz,  die  entweder  durchweg 
weich  bleibt  (z.  B.  bei  Stentor ,  Chaetospira  mucicola ,  Notommata 
cenfrura)  oder  an  der  Peripherie  hautartig  erhärtet  (Sfephanoceros, 
Tubicolaria,   Arcellineu,   Ophrydinen,    Tintimms,    Chaetospira   Mülleri 


128  Von  der  äusseren  Haut  der  Wirbellosen. 

Lachn.).  Die  Consistenz  des  Gehäuses  wii'd  vermehrt  durch  Ab- 
scheidung von  Kalk  {Serpula  z.  B.) ,  häufiger  durch  Aufnahme  von 
Fremdkörpern,  wobei  es  von  Interesse  ist,  wie  jede  Art  sich  nur  an 
ein  bestimmtes  Baumaterial  hält;  so  gebraucht  z.  B.  Melicerta  zu 
ihrem  Futteral  Sporen  einzelliger  Pflanzen,  einige  Arten  der  Gattung 
Dißiigia  Sandkörnchen ,  die  einen  Phryganeenlarven  Sandkörnchen, 
die  anderen  kleine  Muschel-  und  Schneckenschalen ,  andere  Pflanzen- 
reste etc. 

Ueber  die  Haut  der  Mollusken  im  Allgemeinen  vergl.  m.  Aufs,  über  Falu- 
dina  invip.  in  Zeitschr.  f.  w.  Zool.  Bd.  II,  Ge  g  enbaur ,  Beitr.  z.  Entwickl.  der 
Landpulmonaten,  Zeitsclir.  f.  wiss.  Zool.  1852  und  Untersuch,  über  Heterop.  und 
Pterop.  1855,  Leuckart,  zoolog.  Untersuchungen.  Näheres  hinsichtlich  der  Byssus- 
drüsen  von  Lithodomus  in  m.  kleineren  Mittheilungen  z.  thier.  Geweblehre,  Müll. 
Arch.  1854,  von  Oyclas  Müll.  Arch.  1855  ,  in  letzterem  Aufs,  auch  Näheres  über 
die  Schale  der  Cyclas  und  der  Najaden.  Die  zclligen  Zeichnungen  an  der  Innen- 
fläche der  Schalencuticula  sind  nur  die  Abdrücke,  welche  die  Enden  der  „Schmelz- 
prismen'' hervorrufen,  auch  an  Terehratula  psittaceus  sehe  ich ,  wie  die  obern  En- 
den der  Schmelzsäulen  eine  schöne  epithelartige  Zeichnung  liefern ,  ähnlich ,  nur 
in  grossartigerem  Maassstab,  wie  die  Schmelzfasern  des  tSäugethierzahnes.  —  Es  fehlt 
zwar  nicht  an  Angaben,  dass  die  Molluskenschale  aus  verkalkenden  Zellen  hervor- 
gehe, ja  Desor  sagt,  es  sei  gewiss,  dass  die  Embryonalschalen  \o\\  Eolis  und  Doris 
aus  wirklichen  Zellen  zusammengesetzt  sind,  welche  unter  dem  Mikroskop  gleich 
Glasbläschen  (so  nehmen  sich  aber  auch  die  Kalkkugeln  aus!)  erscheinen,  allein  es 
können  dergleichen  Angaben  gegenüber  andren  und  mehr  gesicherten  Beobachtungen 
auf  Geltung  kaum  Anspruch  machen.  In  dem  von  mir  citirten  Aufs,  über  Cyclas 
sind  auch  die  Porenkanäle  der  Haut  beschrieben.  Die  Haut  mancher  Mollusken 
erhebt  sich  in  zierliche  Leisten  und  Höcker,  wie  man  z.  B.  schön  an  grossen 
kriechenden  Exemplaren  von   Limax  sieht. 

Haut  der  Arthropoden:  H.  Meckel  in  Müll.  Arch.  1846,  Karsten  eben- 
daselbst 1848,  Leydig  ebendaselbst  1855,  W.  Zenker  im  Arch.  f.  Naturgesch. 
1854,  der  letztgenannte  Autor  lässt  ebenfalls  die  Chitinhaut  der  Muschelkrebse  aus 
Zellen  bestehen  und  auch  Eeichert  scheint  (Jahresb.  f.  1842)  an  den  Käferschalen 
wirkliche  Zellen  anzunehmen.  —  Hautdrüsen  von  Ärgulus,  in  m.  Aufs,  in  Zeitschr. 
f.  wiss.  Zool.  KS5(),  anlangend  die  einzelligen  Hautdrüsen  der  Käfer,  so  macht 
Stein  (vergleichende  Anatomie  u.  Physiol.  der  Insekten)  darauf  aufmerksam,  dass 
unter  der  strukturlosen,  durchscheinenden  ,  auf  der  äussern  Seite  mit  Ilornzähnen 
besetzten  Haut  grosse,  kugelförmige  Zellen  liegen  und  dass  diese  mit  der  einge- 
rollten Spitze  feiner  Kanälchen  in  Verbindung  stehen,  die  an  der  „Obei'haut"  ein- 
zeln münden.  Die  Drüsen  scheinen  ihm  eine  fettige  Flüssigkeit  abzu.^ndern ,  um 
die  Haut  geschmeidig  zu  erhalten.  Hautdrüsen  fand  Karsten  bei  Saturnia  und 
vermisstc  sie  bei  Vanessa,  Acraea,  Argynnis ,  ich  beobachtete  (a.  a.  O.)  dergleichen 
bei  Bomhyx  rubi,  sie  mangelten  an  Dornraupcn  echter  Tagfalter,  an  Papilio  ma- 
chaon,  Sphinx  ocellata.  Nachträglich  kann  angeführt  werden ,  dass  auch  bei  der 
Raupe  von  Cossus  lignqierda  unterhalb  der  vereinzelt  stehenden  Haare  die  gleichen 
Drüsen  sich  finden  ;  in  der  Haut  ganz  kahler  Kaupen  scheinen  sie  immer  zu  felilen- 
Auch  bei  Käferlarven  (z.  B,  dem  Engerling)  sitzen  unter  den  Haaren  Hautdrüsen, 
aber   wie  mir  scheint,  ohne  dass  die  Zellen  den  auffallenden  verästelten  Kern  haben. 

Will  liat  die  Hautdrüsen  der  Prozessionsraupe  beschrieben,  sie  seien  „aus  langen 
blinden  ,     am    Ende    etwas    angesehwollenen    Kanälen    zusammengesetzt.''      Er    sah 

auch,  dass  der  Drüsenausführungsgang    sich    „in    einen    im   Innern   des  Haares  lie- 


Muskelsystem  des  Menschen.  129 

gendeu  Kanal  fortsetzt."  (Münchner  Gel.  Anz.  1849).  Unter  den  Krebsen 
bietet  Sphaeroma  cinerea  Eigenthümlichkeiten  im  Baue  der  Haut  dar,  welche  ich 
noch  nicht  mit  den  andern  Beobachtungen  in  Verbindung  zu  setzen  weiss.  Die 
verkalkte  Haut  ist  sehr  dünn,  hell  und  bricht  wie  Glas,  zu  äusserst  hat  sie  eine 
homogene,  geschichtete  Cuticula  mit  den  gewöhnlichen  ,  senkrecht  stehenden  Ka- 
nälen, unter  ihr  erscheint  eine  ossifizirte,  epithelartige  Zellenlage ,  wobei  die  ver- 
kalkten Zellen,  resp.  die  übrig  gebliebenen  Lumina  derselben  den  Knochenkör- 
perchen  der  Wirbelthiere  aufs  Haar  ähnlich  sehen.  Zugleich  mit  den  „Knochen- 
körperchen''  trifl^  man  in  Abständen  und  oft  durch  grosse  Strecken  von  einander 
getrennt  seltsame,  nach  der  Fläche  verästelte  Hohlräume  mit  zahlreichen,  blindge- 
endigt en  Ausläufern. 

Haut  der  Anneliden:  m.  Aufs,  über  Piscicola,  Zeitschr.  für  wiss.  Z.  Bd.  1., 
über  Hautflimmerung  der  Anneliden:  m    Bemerkungen  in  Müll.  Arch.  1854  S.  313. 

Haut  der  Nematoden  {3Iermis,  Gordius) :  die  Arbeiten  Meissner''s  in 
Zeitschr.  f.  w.  Z.  1854  und  1855  mit  überaus  schönen  Abbildungen. —  Meissner 
hat  auch  von  der  Taenia  des  Arion  gemeldet,  dass  die  Saugnäpfe  einen  eigenthüm- 
lich  feinhaarigen,  wie  pelzigen  Ueberzug  besitzen.  Ganz  ähnliche  Haftplatten  kenne 
ich  von  verschiedenen  Caligusarten ,  wo  vorn  am  Kopfschild,  an  der  untern  Seite 
rechts  und  links,  eine  rundliche  Excavation  sich  findet,  die  mit  äussei-st  dichtstehen- 
den feinen  Härchen  besetzt  ist,  mir  streifen  sie  sich  nicht  so  leicht  ab,  als  wie  bei 
Taenia,  wo  sie  nach  Meissner  nur  locker  befestigt  sind.  —  Einen  Durchschnitt 
der  Haut,  sowie  genauere  Beschreibung  derselben  von  Polystomum  appendiculatum 
hat  Thaer  in  Müll.   Arch.   1850  gegeben. 

Histologisches  Detail  über  die  Nesselorgane  der  Siphonophoren,  nament- 
lich in  der  Arbeit  Geg  enbaur's  in  Zeitschr.  f.  w.  Z.  1854.  —  Die  eigenthüralich 
gestalteten  Haare  der  Beroe  und  Cydippe  hat  Wagener  Müll.  Arch.  1847  be- 
schrieben. —  Bemerkungen  über  den  Bau  der  Hydren  Müll.  Arch.  1854,  Analyse 
des  Polypenstockes  in  den  Recherches  sur  les  Polypiers  Annal.  d.  sc.  natur. 
T.  IX— XIV. 

Von  den  bald  regelmässigen,  bald  polymorphen  Kalkkörpern  in  der  Haut  der 
Holothurien  haben  Frey  (über  die  Bedeckungen  wirbelloser  Thiere)  Koren  (Fro- 
riep's  n.  Notiz.  Bd.  35  von  Thyone  fusus)  einzelne  Formen  beschrieben ,  viele  sind 
in  den  Abhandlungen   v.  /.  Müller  über  d.  Echinodermen  abgebildet. 


Vierter  Abschnitt. 
Vom  Muskelsystem  des  Menschen. 

§.  129. 

Die  Starammuskulatur,  welche  aus  einer  Sonderung  des 
mittleren  Keimblattes  hervorgeht,  umfasst  die  aktiven  Bewegungswerk- 
zeuge, das  Fleisch,  jene  weichen  röthlichen  Organ e,  welche  unter  der 
Haut  hegend  hauptsächlich  über  das  Knochengerüst  hingespannt  sind. 

Man  unterscheidet  an  jedem  Muskel  die  eigentlich  contraktilen 
Elemente  —  die  quergestreifte  Substanz  —  und  zweitens  das  Binde- 
gewebe, welches  zur  Verknüpfung  und  Befestigung  der  spezifischen 
Muskeltheile  in  Form  von  Hüllen  und  mancherlei  Hilfsorganen  dient. 

Leyditf,  Histologie.  t) 


130 


Vom  Muskelsyatem  des  Menschen. 


Der  fleischige  Tlieil  eines  Muskels  oder  sein  Bauch  besteht  daher 
aus  Aggregationen  der  oben  (siehe  Muskelgewebe)  beschriebenen 
Muskelprimitivcylinder.  Das  Sarcolemma  erscheint  als  jene  erste 
bindegewebige  Hülle  ,  welche  die  kleinste  Anzahl  von  primitiven 
Cyh'ndern  zusammenhält,  und  der  herkömmlichen  Bezeichnungsweise 
nach  erklärt  man  das  Sarcolemma  sammt  Inhalt  für  einen  Primitiv- 
bündel. Indem  dann  mehrere  solcher  Bündel  von  einer  stärkeren 
Bindegewebsscheide  umschlossen  werden,  entstehen  sekundäre  Faszikel 
und  durch  Wiederholen  dieses  Vorganges  in  grösserem  Maassstabe 
tertiäre  und  so  fort  Bündel,  bis  zuletzt  der  Muskel  im  Ganzen  zu  Stande 
kommt,  dessen  Oberfläche  noch  von  einer  festen  Bindegewebsimlle  be- 
kleidet ist. 

Fig.  65. 


t  linv-iiiln. 


Muskel  und  Sehne,    geringe  Vergrösserung. 

A    Querschnitt    des    Muskels,    a    Perimysium,    b    sog.   Primitivbündel. 

B    Querschnitt    der    Seime,    c    das    lockere   Bindegewebe,    d    die  feste 

Bindesubstanz  mit  dem  durschschnittenen  Lückensystem. 

Man  hat  für  das  Bindegewebe  des  Muskels  verschiedene  Benen- 
nungen eingeführt;  man  bezeichnet  die  zuletzt  erwähnte  stärkere 
Bindegewebsschicht,  welche  der  Oberfläche  des  ganzen  Muskels  an- 
gehört und  meist  zahlreiche  elastische  Fasern  eingewebt  enthält,  als 
Vagina  niuscularis  oder  auch  als  Peri77i//sium  externum]  die  Fortsätze 
oder  Septa,  welche  von  der  Vagma  tnuscularts  ins  Innere  des  Muskels 
abgeschickt  werden  zur  Abgrenzung  und  Umschliessung  der  kleineren 
Faszikel,  tragen  den  Namen  Perimysium  internum  und  die  letzten 
schlauchartigen  Abtlieilungen  des  J^indegewebes  im  Inneren  des  Mus- 
kela  werden  von  dem  Sarcolemma  vorgestellt. 


Gefässe,  Nerven. 


131 


Das  Bindegewebe  des  Muskels  kann  auch  mehr  oder  minder  zahl- 
reiche Fe  ttbl  äs  chen  enthalten  und  ist  der  ausschliessliche  Träger 
der  Blutgefässe  und  Nerven  des  Muskels. 

Die  in  den  Muskel  eingetretenen  Gefässe  verzweigen  sich  erst 
baumförmig ,  dann  lösen  sie  sich  in  ein  feines  Capillarnetz  auf,  das 
aus  länglichen  und  etwas  unregelmässigen  Maschen  besteht  und  die 
Priniitivbündel  umflicht.  Nie  aber  dringt  ein  Capillargefäss  über  das 
Sarcoleniraa  hinaus  und  zwischen  die  contraktilen  Theilchen  ein, 
sondern  es  bleibt  genau  im  Bereich  der  bindegewebigen  Hüllen. 

Die  Nerven  der  Muskeln  bilden  zwischen  den  Bündeln  durch 
Verflechtung  ihrer  Fasern  s.  g.  Plexus^  zuletzt  enden  die  Primitiv- 
fasern nach  vorausgegangener,  oft  sehr  häufiger  Theilung  fein  zu- 
gespitzt, indem  sie  sich,  wie  es  scheint,  an  dem  Sarcolemma  verlieren. 

§.  130.  _ 

Fragt  man  darnach,  in  welcher  Weise  die  Verbindung  zwischen 
Muskelsubstanz  und  Sehne  vermittelt  wird,  so  wird  man  schon  durch 
theoretische  Gründe,  aus  der  Betrachtung  nämlich,  dass  die  contraktilen 
Fleischtheilchen  in  mikroskopischen,  chemischen  und  Lebenseigenschaf- 
ten total  difl:eriren  von  dem  einhüllenden  Bindegewebe,  zu  der  Ansicht 
hingeführt,  dass  ein  direkter  Uebergang  von  dem  Inhalte  eines  Sarco- 
lemmaschlauches  in  die  aus  Bindesubstanz  bestehende  Sehne  unwahr- 
scheinlich sei.  Die  Untersuchung  belehrt  auch,  dass  nur  das  Sarco- 
lemma und  Perimysium  in  Coutinuität  mit  der  Sehne  steht,  dass  aber 

Fig.  66. 


Gerässe 
iinti  Nftrveu. 


Die  Sehnen 
und  ihre 

Verbindung 

mit    der 

Murikel- 

suhstanz. 


Längsschnitt    durch    Sehne    und    Muskelsubstanz,    an    ihrer  Ver- 
bindungsstelle.    (Starke  Vergr.) 
A    Muskelprimitivhündel,    a  die  Grenzlinien    der    die    quergestreifte  Masse   zu- 
sammensetzenden Primitivcylinder,    b  das  Sarcolemma. 
B    Sehne,    c  die  Bindegewebskörperchen ,    d  die  streifige  Grundmasse,    welche 
continuirlich   in  das  Sarcolemma    sieh  fortsetzt. 


132  Vom  Muskelsystem  des  Menseben. 

die    contraktilen    Flcischtheilchen    ii^i   blinden  Ende   des   Sarcolemma- 
sclilauches  für  sich  aufhören. 

Die  Sehnen  selber,  bald  mehr  von  cylindrischer,  strangartiger 
[Tendines),  bald  von  mehr  platter,  hautförmiger  Gestalt  {Apo7ieuroses), 
bestehen  aus  fester  Bindesubstanz  ^  die  durch  ein  von  der  äusseren 
mehr  lockeren  Hülle  eindringendes  Bindegewebe  in  grössere  und 
kleinere  bündclartige  Abtheilungen  zerfällt.  In  diesen  Scheidewänden 
verlaufen  die  ohnehin  sehr  sparsamen  Blutgefässe  der  Sehnen  und  mit 
ihnen  sehr  selten  einmal  ein  begleitender  Nerv.  Die  feste  Binde- 
substanz der  Sehnen  wird  nur  durchbrochen  von  einem  feinen  Kanal- 
oder Lückennetz ,  den  s.  g.  Bindegewebskörperchen,  welche  in  regel- 
mässigen Abständen  ihre  Hauptrichtung  mit  dem  Längsdurchmesser 
der  Sehne  gemein  haben  und  sich  durch  zahlreiche  Ausläufer  unter- 
einander verbinden.  Wo  die  Sehnen  sich  an  Knoclien  ansetzen, 
können  statt  der  strahligen  Bindegewebskörperchen  reihenweise  ge- 
lagerte rundliche  Zellen  auftreten. 

Bezüglich  der  anderen  Hilfsorgan  e  der  Muskeln  mag  erwähnt 
werden,  dass  die  Fascien,  wenn  sie  weiss  und  glänzend  sind,  wie  die 
Sehnen  sich  im  Bau  verhalten :  haben  sie  ein  mehr  gelbliches  Aussehen, 
so  besitzen  sie  zahlreiche  elastische  Fasern.  Von  den  Schleimscheiden 
und  Schlcimbeuteln,  die  gemeinhin  als  synoviale  Säcke  gelten,  ist  es 
noch  nicht,  wenigstens  nicht  für  die  ersteren,  ausgemacht,  ob  sie  nach 
innen  inmier  von  einer  eigenen  Haut  begrenzt  werden  und  ein  be- 
sonderes Epithel  haben;  sie  scheinen  mitunter  blosse  Rämne  im  Binde- 
gewebe zu  sein,  gefüllt  mit  etw^as  zäher,  klebriger  Flüssigkeit. 

§.  13L 
Phj-sio-  Die    physiologischen   Untersuchungen    der   neueren    Zeit,    Avelche 

darauf  ausgehen,  der  Natur  des  Muskels  näher  zukommen,  betreffen 
vorzüglich  die  elektrischen  Strömungen  in  den  Muskeln.  Es  ist  durch 
du  Bo  !s  Rey  mond  nachgewiesen  worden,  dass  jeder  Muskelfaszikel, 
ja  jedes  Stück  eines  Primitivbündels  einen  elektrischen  Strom  zwi- 
schen verschiedenen  Punkten,  namentlich  des  Querschnittes  und  der 
Seitenfläche  zeigt  und  dass  diese  Strömung  im  Augenblicke  der  Zu- 
sammenziehung des  Fleisches  jedesmal  eine  Unterbrechung  erleidet. 

Die  alte  Frage  nach  der  Abhängigkeit  der  Muskelzusanmienzie- 
hiiiig  von  den  Nervenfasern  oder  ob  die  Muskeln  auch  ohne  vorher- 
gegangene Erregung  der  Nervenfasern  zur  Verkürzung  gebraclit  wer- 
den können ,  wird  noch  immer  herüber  und  hinüber  besprochen,  doch 
glaubt  in  neuester  Zeit  Eckhard  (Beiträge  z.  Anatom,  u.  Physiol.) 
zu  dem  Ergebniss  gelangt  zusein,  dass  die  Z^r/^/ßr'sche  Irritabilitäts- 
lehre eine  „abgethancne  Sache"  sei.  —  Auch  für  das  Zustandekom- 
men der  TodtenstaiTC  ist  noch  keine  Erklärung  gefunden  worden, 
die  allgemein  befriedigt  hätte.  Wie  sich  E,  Weöer,  Brücke.  Brou-n 
SSquard  u.  a.  die  Erscheinung  deuten,  lehrt  jedes  Compendium 
der  Physiologie. 


logiKCheB. 


Vom  Muskelsystem  der  Thiere.  133 

Das  Verhältniss ,  in  welchem  an  einem  Muskel  im  Ganzen  die  Bindesubstanz 
und  die  contraktile  Materie  zu  einander  stehen,  hat  bereits  1728  Prochaska  einfach 
und  richtig  dargelegt.  Die  Muskeln  seien  durch  häutige  Scheidewände,  Fortsetzungen 
der  Zellhautscheide  in  Fasciculi  und  Lacerti,  diese  aber  auf  dieselbe  Weise  in  klei- 
nere Bündel  und  so  fort  bis  zum  letzten  Bündel  getheilt ,  die  ebenfalls  noch  jeder 
eine  Zellhautscheide  haben,  dasselbe  was  wir  jetzt  Sarcolemma  hcissen. 

In  dem  Bindegewebe  mancher  Muskeln  werden  hie  und  da  Ossifikationen  an- 
getroffen; bekannt  sind  als  solche  der  sog.  Exercirknochen,  eine  Verknocherung  im 
Bindegewebe  des  Deltamuskels,  und  der  schon  mehrmals  beobachtete  sog.  Reiter- 
knochen in  der  Sehne  des  Adductor   magnus. 

An  den  Schleimbeuteln"  lässt  H etile  das  Epithel  fehlen,  Reichert  hat 
an  den  Bursae  mucosae  bei  Hunden ,  Katzen  und  Kälbern  ein  Epithel  gefunden, 
das  dem  der  Gefässstämme  ähnlich  ist. 


Fünfter  Abschnitt. 

Vom  Muskelsystem  der  Thiere. 

§.  132. 
Nachdem  oben  über  die  Eigenschaften  des  Muskelgewebes  im 
Allgemeinen  gehandelt  wurde,  so  sei  jetzt  weiter  ausgeführt,  wie  in 
den  einzelnen  Thiergruppen  dieses  Gewebe  Modifikationen  erfährt.  Jene 
kleinsten  Thierformen  (viele  Infusorien),  deren  Bau  wir  mit  unseren 
Mikroskopen  nicht  weiter  oder  nur  höchst  mangelhaft  verfolgen 
können  und  welche  desswegen  eben  nur  den  Eindruck  von  homogen - 
gallertartigen,  belebten  Körpern  machen,  lassen  selbstverständlich  vor 
der  Hand  keine  vom  übrigen  Körperparenchym  abgegrenzte  kontrak- 
tile Substanz  wahrnehmen.  An  manchen  grösseren  Infusorien 
vermag  man  hingegen  von  Muskeln  zu  reden.  Es  wurde  oben  bereits, 
als  die  „Einzelligkeit"  der  Infusorien  angefochten  wurde,  auf  den 
Streifen  kontraktiler  Substanz  im  Stiel   der  Vorticeüinen  hingewiesen, 

Fig.  67. 


Stiel  einer  Vorticelle. 
a  Cuticula,    b  der  Muskel    mit  seiner  zarten  Hülle.     (Starke  Vergr.) 

der  sich  so  gut  als  Muskel  legitimirt,  wie  die  contraktilen  Easern  der 
Turbellarien ,  der  Rotatorien  u.  a.  Wo  er  einige  Dicke  hat,  besitzt 
er  eine  zarte  Hülle  und  die  contraktile  Substanz  zeigt  eine  Sonderung 
von   keilförmig  in  einander  geschobenen   „Primitivtheilchen",    er  wird 


134 


Vom  Muskelsystem  der  Thiere, 


rein  homogen,  wo  er  dünn  ausläuft.^  Diese  Art  Muskel  ist  sehr  ver- 
breitet bei  wirbellosen  Thieren,  sie  findet  sich  bei  Turbellarien, 
Rotatorien,  Helminthen  u.  a. 

Eine  Weiterbildmig  der  vorhergehenden  Muskelfasern  besteht 
darin,  dass  der  Muskelcylinder,  der  auch  mehr  oder  minder  abge- 
plattet sein  kann  (sehr  platt  z.  B.  in  Lumbricinen,  Eunice  u.  a.)  brei- 
ter und  schärfer,  gewissermaassen  fester  wird,  sonst  aber  die  wesent- 
lichen Eigenschaften  beibehält,  d,  h.  aus  Hülle,  homogenem  oder  in 
Partikeln  differenzirten  Inhalt  zusammengesetzt  ist  (Mollusken,  Echi- 

nodermen,  Polypen). 

Fig.  68. 


Muskelfasern  von  Würmern,  Mollusken,    Strahlthieren. 
A    von    Nais    (zwischen    Dnrm    und  Haut),    B    aus  Planaria,    a    rein    homogen, 
b  mit  Rinden-  und   Achsensuhstanz,   c  mit  einer  Art  quergestreifter  Zeichnung, 
d  vollständig    fein  geköruelt,    C  von  Eunice,    D  von  Sepiola,    Holothuria  und 

Echinus.     (Starke  Vergr ) 

Eine  höhere  Stufe  der  Sonderung  haben  die  Muskeln  d;inn  er- 
reicht, wenn  der  Cyhnder,  abgesehen  von  seiner  zarten  Hülle,  eine 
Scheidung    in  Rinde    und  Marksubstanz   aufzeigt,   wobei  abermals  die 


()9. 


Ä 


B 


Muskeln    von    A  rth  i()i)odcn. 
A   sog    Priinilivhändcl   von   einem   Insekt    laus   dem  Kopfe    der    rothen    Ameise), 
B  Primitivbündcl  von    einer    Spinne,    C  Primitivljündel   von  Avgulus  foliaceus. 

(Starke   Vergr.) 


einfache,  quergestreifte  Muskeln.  135 

Modifikation  eintreten  kann,  tlass  die  Rinde  hell,  homogen,  die  Ach- 
sensubstanz körnig-  ist,  oder  die  erstere  allein  oder  Rinde  und  Achse 
zugleich  in  primitive  Fleischtheilclien  zerfallen  sind  (Muskeln  von  Hi- 
rudineen,  Mollusken).  Das  Aussehen  des  Cylinders  nähert  sich 
dadurch  immer  mehr  der  „quergestreiften''  Form,  welche  ihre  Vollen- 
dung in  den  Muskeln  der  Salpen,  Arthropoden  und  Wirbel- 
thiere  erlangt,  wo  die  contraktile  Substanz  in  ihrer  Gesammtheit  zu 
sehr  regelmässig  gestellten  „Fleischtheilchen"  sich  imigesetzt  hat. 

"^  §•  133. 
Man  darf  übrigens  nicht  aus  den  Augen  verlieren,  dass  die  ge- 
kennzeichneten Muskelcylinder  kaum  bestimmten  Thiergruppen  aus- 
schliesslich zukommen ,  sondern  die  verschiedenen  Abänderungen  kön- 
nen in  einem  und  demselben  Thier  angebracht  sein.  Man  trifft  bei 
Echinodermen  [Holothuria,  Synapta,  Echinus,  Asterias  u.  a.)  sowohl 
rein  homogene  Muskelcylinder,  von  zarter  Hülle  umgeben,  oder  sie 
sind  in  keilartige  Stücke  gesondert,  die  dicht  in  einander  geschoben 
das  Bild  einem  echt  quergestreiften  sehr  ähnlich  [machen  können.  Bei 
Mollusken  giebt  es  rein  homogene  Cyhnder  (oder  auch  Bänder),  fer- 
ner solche  mit  Sonderung  in  Rinde  und  Marksubstanz ;  letztere  erscheint 
körnig  und  die  Körnchen  mitunter  so  regelmässig  gelagert,  dass  man 
lebhaft  an  Querstreifung  erinnert  wird  und  in  gewissen  Organen  (Schlund- 
kopf mancher  Gasteropoden,  Kiemenherzen  der Cephalopoden  z.B.)  sind 
genuin  quergestreifte  Muskeln  daraus  geworden.  Aehnliche  Abstufun- 
gen begegnen  uns  auch  bei  den  Anneliden.  Unter  den  Rotatorien 
haben  einige  Arten  {EucJilanis  triquetra,  Pterodina  patina,  Scaridium 
longicaudum,  Polyartlira,  Notommata  Sieholdii  u.  a.)  quergestreifte  Mus- 
keln ,  obschon  die  einfacheren  Cylinder  die  häufigeren  sind.  Bezüglich 
der  Helminthen  wird  angegeben,  dass  ihre  Muskeln  nie  querge- 
streift wären,  und  allerdings  erreichen  sie  wohl  nur  in  sehr  seltenen 
Fällen  die  höchste  Differenzirung ,  denn  meist  sind  sie  homogene  Cy- 
linder oder  Bänder,  die  bei  einiger  Breite  eine  Scheidung  in  helle 
Rinde  und  leicht  getrübtes  Mark  zeigen.  Doch  kenne  ich  ein  Bei- 
spiel von  echt  quergestreifter  Muskulatur  auch  aus  dieser  Abtheilung. 
Es  ist  der  glockenförmige  Uterus  von  Ecliinorliynchus  ^  dessen  Wand 
(bei  E.  nodulosus)  mit  dicker  quergestreifter  Muskulatur  versehen  sich 
zeigt,  w^orin  auch  die  längst  bekannten  so  lebhaften  peristaltischen 
Bewegungen  dieses  Organes  ihre  Erklärung  finden.  Die  Krebse, 
Spinnen  und  Insekten  stimmen  darin  überein,  dass  ihre  Muskeln 
allerorts  quer  gestreift  sind,  w^obei  zu  beachten  ist,  dass  die  Muskeln 
hier  gewöhnlich  in  ihrem  Innern  einen  gewissen  embryonalen  Cha- 
rakter beibehalten.  Die  Primitivbündel  besitzen  einen  centralen  hellen 
Kanal,  in  welchem  Kerne  eine  dichte  Säule  bilden;  bei  Spinnen 
beobachtet  man  neben  den  gewöhnlichen  Primitivbündeln  mit  einer 
einzigen  Kernreihe  in  der  Achse  solche,  die  fünf,  sechs  und  mehre 
dergleichen    aus  Kernen  gebildete  Centralstränge  aufweisen  und,    wie 


136 


Vom  Muskelsystem  der  Thiere. 


die  Betrachtung  des  Querschnittes  lehrt,  aus  der  Verschmelzung  meh- 
rer Bündel  hervorgegangen  sind.  Da  die  Muskelcylinder  metamor- 
phosirte  Zellen  vorstellen,  so  können  überhaupt  von  den  ursprünglichen 
Zellenkernen  mehr  oder  weniger  deutliche  Reste,  selbst  Kerne  in  ganz 
unverändertem  Zustande  an  den  Muskeln  zurückbleiben. 

Eine  eigene  Stellung  nimmt  die  Muskulatur  der  Hydren  ein, 
indem  die  Muskelzellen  in  der  Blasenform  verharren,  ein  klarer 
wandständiger  Kern  immer  vorhanden  ist  und  die  contraktile  Sub- 
stanz einen  wasserklaren  Zelleninhalt  bildet. 

Fig.  70. 


VereiniRung 

der    M iiHkel- 

oylinder  zu 

grösseren 

Massen, 


Fuss  einer  Hydra,    der  Fokus  ist  auf  das  kontraktile  Gewehe  eingestellt, 
a    die  Haut    mit    einzelnen    Nessclorganen ,    b    die  Hautzellen    der  Fussscheibe, 
c  die  Oeflnung  in  der  Fussscheibe,    d  die  kontraktilen  Zellen.    (Starke  Vergr.) 

§.  134. 
Die  Muskelcylinder  verlaufen  entweder  einzeln  für  sich  oder  sie 
erscheinen,  wo  eine  stärkere  Kraftäusserung  erforderlich  ist,  einer 
an  den  andern  gereiht  ohne  Aufgebung  ihrer  Selbstständigkeit,  und 
für  diese  Fälle  muss  die  zarte  Hülle  des  Cylinders  von  der  ursprüng- 
lichen Muskelzelle  abgeleitet  werden.  Eine  Muskelfaser  entspricht 
einer  einzigen  verlängerten  Zelle.  Wo  es  darauf  ankommt,  die  Mus- 
kelziige  mehr  für  eine  bestimmte  Richtung  zu  isoliren,  werden  die 
primitiven  Cylinder  unter  Beihülfe  von  Bindesubstanz  partieenweise 
zusammengehalten  und  von  einander  abgeschieden ,  bei  den  einfa- 
chen (nicht  echt  quergestreiften)  Cylindern  behalten  diese  dabei  ihre 
Selbstständigkeit,  die  quergestreiften  Cylinder  der  Arthropoden  und 
Wlrbelthiere  indessen  verschmelzen  dabei  gewöhnlich  zu  einer  neuen 


Farbe  der  Muskeln.  137 

histologischen  Einheit,  dem  sog.  Primitivbünde],  und  die  bindegewe- 
bige Scheide,  welche  eine  solche  Gruppe  von  Muskelcylindern  zu- 
sammenschliesst,  trägt  den  Namen  Sarcolcmma.  Bestimmte  Muskel- 
gruppen haben  bei  allen  Wirbelthieren  dünnere  Primitivbündel,  als 
sie  sonst  am  Körper  vorkommen,  dahin  gehören  besonders  die  Au- 
genmuskeln, deren  Primitivbündel  bei  Säugern,  Vögeln,  Reptilien 
und  Fischen  schmäler  sind  als  die  Muskeln  des  Stammes.  Wenn,  wie 
bei  Arthropoden  und  Wirbelthieren  die  Cylinder  vollständig  sich  in 
die  „Fleischtheilchen"  umgesetzt  haben,  ist  auch  meist  jedes  Zeichen 
einer  Aggregirung  von  primitiven  Cylindern  abhanden  gekommen 
und  nur  auf  dem  Querschnitt  getrockneter  und  wieder  erweichter 
sog.  Primitivbündel  deuten  die  oben  (s.  Muskelgewebe)  besproche- 
nen kanalartigen  Lücken,  die'  nach  der  Länge  des  Bündels  die  quer- 
gestreifte Substanz  durchziehen,  auf  die  Zusammensetzung,  mit  ande- 
ren Worten,  sekundäre  Natur  des  sog.  Primitivbündels  zurück.  Doch 
kennen  wir  auch  quergestreifte  Muskeln,  wo  die  primitiven  Cylinder 
innerhalb  des  Sarcolemma  ihre  Selbständigkeit  aufrecht  erhalten 
haben ;  Beispiele  hiezu  bietet  die  Muskulatur  unter  der  Seitenlinie 
vieler  Fische,  die  schon  auf  dem  Querschnitte  des  Fisclies  durch 
ihre  dunklere  Farbe  von  den  übrigen  Muskeln  absticht  und  von  ande- 
ren Zootomen  für  Drüsen  angesehen  wurde;  ferner  die  Muskeln  am 
Spritzloch  der  Plagiostomen,  die  Augenmuskeln  der  Hausmaus,  des 
Frosches  (hier  zugleich  mit  gewöhnlichen  hellen  Bündeln  vorkommend). 
Es  zeigen  dabei  häufig  noch  die  Cylinder  selbst  ihre  Scheidung  in 
Rinde  und  Mark,  bei  Hexanchus  g^iseus  füllen  Fettkörnchenreihen  die 
Achse  des  Cylinders  aus. 


Fig.  71. 


Muskeln. 


Primitivbündel    von    der  Seitenlinie    des  Barsches.     (Starke  Vergr.) 

§.  135. 
Die  Farbe  der  Muskelsubstanz  ist  nicht  überall  die  gleiche,  im  Farbe  der 
Allgemeinen  ist  die  Muskulatur  bei  Wirbellosen  hell,  farblos,  doch  giebt 
es  Ausnahmen,  so  sind  z.  B.  die  Brustmuskeln  von  stark  fliegenden 
Insekten  gelbbraun,  die  Muskelsubstanz  des  Magens  von*  Aphrodite, 
Lumhricus  ist  gelbroth,  die  Muskeln  der  Kauorgane  mancher  Gastero- 
den  ist  röthlich  {Paludina  vivip.)  oder  hochroth  {Buccinum  undatum). 
Die  Muskulatur  der  höheren  Wirbelthiere  (Säuger,  Vögel)  ist  wohl 
durchweg  roth,  die  der  niederen  Wirbelthiere  (Amphibien,  Fische) 
häufig  blass,    farblos;    roth  sehen  wir  z.  B.  das  Fleisch    von   Trygon 


138  "  Vom  Miiskelsystem  der  Thiere. 

pastinaca,  Thynmis,  Cobitis  fossilis  n.  a.^  auch  die  Muskelschicht  unter 
der  Seitenhnie  hat  sehr  gewöhnlich  eine  braunrothe  Färbung,  sie 
ist  bedingt  durch  eine  eigenthümliche  molekulare  Trübung  und  Ab- 
lagerung von  Fettpünktchen  in  die  quergestreifte  Substanz;  sonst 
sind  die  Muskeln  roth  durch  einen  diffusen  Farbstoff,  der  leicht  durch 
Wasser  ausgezogen  wird.  Die  Muskeln  können  auch  eine  ausge- 
sprochene weisse  Farbe  haben  ^  und  dies  rührt  dann  von  Fettkörn- 
chenreihen her,  welche  zwischen  der  contraktilen  Substanz  sich  be- 
finden. Am  stärksten  sah  ich  diesen  Fettgehalt  an  Hexanchus  griseus, 
wo  auch  die  Muskulatur  des  Stammes  eine  lebhafte  weisse  Farbe  darbot. 
An  Embryonen  von  Haien  haben  theilweise  die  Muskeln  dieselbe 
Farbe,   da  ein  gleicher  Fettreichthum  das  Innere  der  Bündel  erfüllt. 

§.  136. 
Harcoiemma.  Das    liellc    homogcne    Sarcolemma    geht   continuirlich    fort  in 

die  unter  dem  Namen  Perimysium  bekannten  Bindegewebsscheiden, 
welche,  im  Zusammenhange  mit  der  häutigen  ümhülluug  des  gan- 
zen Muskels,  letzteren  in  die  verschieden  grossen  Faszikel  sondern. 
Dieses  Bindegewebe  finden  wir  bei  manchen  Wirbelthieren,  z.  B. 
in  Bonihinator  igneus,  Bufo  variahilis,  Ansatzende  der  Augenmuskeln 
von  Chimaera  monstrosa  von  durchweg  schwärzlichem  Aussehen^ 
wobei  das  Pigment  sich  zunächst  an  die  im  Perimysium  verzweigten 
Blutgefässe  hält.  Auch  metallisch  glänzendes  Pigment  kann  den 
Muskelscheiden  anhaften ;  wie  man  z.  B.  an  den  Bauchmuskeln  des 
Bomhinator  sieht.  —  Dunkel  pigmcntirte  Muskeln  stossen  hin  und 
wieder  auch  bei  Wirbellosen  auf,  ich  erinnere  z.  B.  an  die  schwärz- 
lichen Betraktoren  der.  Tentakeln  hei  Helix  pomatia  u.  a.  Schnecken. 
—  Bei  Krebsen,  Spinnen  und  Insekten  ist  die  Bindesubstanz,  welche 
die  contraktilen  Elemente  partienweise  umhüllt ,  in  der  Regel  zarter 
als  bei  den  Wirbelthieren,  ja  in  den  Thoraxmuskeln  vieler  Insekten 
so  weich  und  feinkörnig,  jedoch  mit  den  gewöhnlichen  Kernen  ver- 
sehen, dass  sie,  weil  nicht  hautartig  consolidirt,  die  quergestreiften 
Cylinder  sehr  leicht  in  feinere  Säulen  auseinander  fallen  lässt.  Wenn 
Tracheen  den  Körper  durchziehen,  umspinnen  sie  in  ganz  ähnlicher 
Art,  wie  die  Blutcapillaren  der  W^irbelthiere,  die  kleineren  und  klein- 
sten Abtheilungcn  des  Muskels,  ohne  indessen  ebensowenig  wie  die 
Blutgefässe  zwischen  die  primitiven  Fleischtheilchen  einzudringen. 
Gerade  an  den  Thoraxmuskehi  der  Insekten,  wo  ausserdem  die  Schei- 
dung der  Muskeln  in  „Primitivbündel"  schwer  siclitbar  zu  machen 
wäre,  markiren  sich  durch  die  Weise  der  Tracheenverzweigung  die 
den  „Primitivbündeln"  entsprechenden  Portionen  der  Muskelsubstauz. 
An  lebenden  oder  frischen  Muskeln  der  Arthropoden  ist  das 
Sarcolemma  oft  kaum  erkennbar ;  am  todten  Muskel  aber  steht  es 
liüuiig  weit  ab  und  zeigt  an  seiner  Innenseite  zahlreiche  Kerne  und 
Molekularsubstanz.  Die  Küo'elchen  der  letzteren  sind  bei  den  Tho- 
raxmuskeln    hell,    grösser    und    sehr    zahlreich,     so    dass    die    quer- 


Sehnen    und  Sarcolemma. 


139 


gestreiften  Cylinder  (Fibrillen  der  Autoren)  ganz  in  sie  eingebettet 
sind.  Auch  die  Muskeln  unter  der  Seitenlinie  der  Fische  haben  die 
Eigenthümlichkeit,  dass  zunächst  der  inneren  Fläche  des  Sarcolemma 
viel  Molekularmasse  liegt,  und  ferner,  dass  die  zahlreichen  hier  be- 
findlichen Kerne  alle  quergelagert  sich  zeigen.  Verhältnissmässig 
leichter  als  bei  Wirbelthieren  ist,  wie  uns  zuerst  Reichert  belehrt 
hat,  der  continuirliche  Uebergang  des  Sarcolemma  in  die  Sehnen  bei 
Arthropoden  wahrzunehmen.  Die  Sehnen  sind  hier  nicht  selten  gleich 
der  äusseren  Haut  chitinisirt,  und  da  man  letztere  irrthümlich  zu  dem 
Horngewebe  gezählt  hat,  so  konnte  sich  die  sonderbare  Angabe  ein- 
schleichen, dass  den  Sehnen  der  Wirbelthiere  vollständig  entsprechende 
Gebilde  bei  den  Gliederfüsslern  nicht  existiren.  Man  hat  indessen 
häufig  Gelegenheit,  an  den  verschiedensten  Arthropoden  die  Sache 
genau  so  zu  sehen,  wie  Reichert  geschildert  hat:  die  Sehnen  (chiti- 
nisirte  Bindesubstanz),  entfalten  sich  gegen  die  Muskeln  hin  zu 
cylindrisch  gestalteten  Schläuchen,  welche,  indem  sie  die  querge- 
streifte Masse  als  Inhalt  umschliessen,  das  Sarcolemma  darstellen. 

Fig.  72. 


Muskeln    von    Ixodes, 
a  die  chitinisirte  Sehne,  welche  sich  theilt  und,  zarter  geworden,  das  schlauch- 
förmige Sarcolemma  bildet,  in  b  ist  letzteres  noch  erfüllt  von  der  quergestreiften 
Muskelsubstanz,  während  in  c  die  Muskeltheilchen  herausgefallen  sind  und  das 
leere  Sarcolemma  als  unmittelbare  Fortsetzung   der  Sehne  erkannt  wird. 

(Starke  Vergr.) 


140  Vom  Muskelsystem  der  Thiere. 

^.  137. 
Sehnen.  Bcim  Meuscheu  ossifizireii    nur   in  den  Sehnen    einiger  Muskeln 

kleinere  Partien^  welche  zu  den  Sesam beinchen  werden.  Mehre  Säuge- 
thiere  (Cameel,  Lama,  Igel)  haben  Verknö  cheriingen  im  sehni- 
gen Thcil  des  Zwerchfells,  beim  Igel  sollen  sie  mehr  im  fleischigen 
liegen.  Auch  bei  Amphibien  z.  B.  in  der  Sehne  des  gemeinschaft- 
lichen Fingerbeugers  von  Bufo  macuUventris  findet  sich  ein  Sesam- 
knorpel ,  in  dessen  hyaline  Grundsubstanz  zum  Theil  netzförmige 
Kalkablagerungen  Statt  gefunden  haben.  Die  langen  Sehnen  an  den 
Flügeln  und  Füssen  der  Vögel,  ebenso  die  der  Eückenmuskeln,  haben 
das  eigene,  dass  sie  gern  verknöchern  und  sicli  damit  zu  ansehnlichen, 
dünnen  Knochenstäben  umwandeln.  Endlich  bei  Fischen,  (Teleo- 
stiern)  ossifiziren  viele  Streifen  des  Perimysiums  in  den  Seiten-  und 
Rückenmuskeln  und   sind  unter  dem  Namen  Fleischgräthen  bekannt. 

Die  Muskelfa seien  sind  gewöhnlich  reich  an  elastischen  Fa- 
sern. Beim  Pferd  wird  die  ganze  Fascia  superficialis  ahdominis  durch 
eine  Schicht  elastischen  Gewebes  ersetzt  [Gurlt). 

Die  Sehnen  sind  sehr  arm  an  Nerven,  doch  sind  solche  in 
der  Pars  tendinea  des  Zwerchfells  vom  Meerschweinchen  beschrieben 
worden  {Pappenheim).  Bei  allen  Vögeln  findet  sich  ferner  in  dem 
zweiköpfigen  Nackenmuskel  mitten  in  der  Sehnensubstanz  ein  Nerv, 
welcher  auf  seinem  Durchgang  kleine  Zweigelchen  abgiebt  {Purkinje). 
chitiniäiruns  Noch  vcrdicut  herausgehoben  zu  werden,  dass  bei  einigen  Wirbel- 

der  MusLeln.  .    ^  ....  . 

losen  auch  M u  s  k  e  1  cy  1  i  n d  er  c  h  1 1 1 n  i  s  i  r e n  oder,  wie  man  es  gewöhn- 
lich ausdrückt,  verhornen  können.  Von  dieser  Art  sind  die  End- 
stücke jener  Muskelcylinder,  welche  bei  den  Gasteropoden  au  das 
gleichfalls  chitinisirte  Operculum  an  der  liückenseite  des  Fasses  sich 
ansetzen  (z.  B.  bei  Paludina  vivipara).  Ferner  besteht  der  sog.  Bart 
oder  Byssus,  mit  welchem  sich  manche  Bivalven  an  feste  Gegen- 
stände festspinnen,  aus  chitinisirten  Muskelfasern.  Schon  ältere  Na- 
turforscher {Blainville  z.  B.)  haben  den  Byssus  als  eine  Masse  ver- 
trockneter Muskelfasern  aufgefasst  und  so  seltsam  dies  auch  klingen 
mag,  an  Area,  Pinna  u.  a.  glaube  ich  mich  überzeugt  zu  haben,  dass 
die  noch  contraktilen  Muskelcylinder  des  Fusses  in  die  starren,  chi- 
tinisirten Elemente  des  Byssus  continuirlich  übergingen. 

.       §.  138. 
Physio-  1,1    offenbarer   Weise    hängt    die  Schnelligkeit   und    Langsamkeit 

der  Bewegung  von  dem  Grade  der  histologischen  Sonderung  des 
Muskelcylindcrs  ab.  Thiere  mit  einfachen  Fasern  bewegen  sich  lang- 
samer, Mollusken  z.  B. ,  und  nur  die  Thcile  ihres  Körpers,  deren 
Muskelcylinder  sich  dem  cpiergestrciften  Zustande  nähern,  wie  z.  B. 
an  den  Kauoi-gaiien,  zeichnen  sich  durch  kräftigei'c  Contraktionen  aus. 
Es  übertrefien  daher  die  mit  echt  quergestreifter  IMuskulatur  versehenen 
Arthropoden  die  anderen  Wirbellosen  an  Präcislon  und  Energie  der 
Bewegungen. 


Muskeln  der  Infusorien  etc.  141 

Ob  die  Muskelfasern  durch  bindegewebige  UmhüHungen  in  beson- 
ders scharfe  Abtheikingen  zu  zerfallen  haben,  richtet  sich  nach  der 
Manchfaltigkeit  der  Bewegungen,  welche  das  Thier  auszuführen  hat; 
wir  wissen  so ,  dass  die  Individualisirung  der  Muskelkörper  bei  den 
bohren  Reptilien,  Vögeln  und  Säugern  schärfer  ausgeprägt  ist,  als  bei 
Fischen  und  fischartigen  Amphibien,  und  selbst  noch  den  in  mancher 
Hinsicht  an  die  Fische  erinnernden  Cetaceen, 

Ueber  die  histologische  Zusammensetzung  der  Süss wasserpolypen  hatte 
Ecker  die  Ansicht  aufgestellt,  dass  der  ganze  Körper  der  Hydren  aus  einer  gleichför- 
migen, theils  klaren,  theils  körnigen,  weichen,  dehnbaren,  elastischen  und  kontraktilen 
Substanz  bestehe ,  die  netzförmig  durchbrochen  sei  und  in  den  Hohlräumen  eine 
mehr  oder  minder  klare  Flüssigkeit  enthalte.  Entgegen  dieser  Auffassung  habe  ich  • 
nachgewiesen,  dass  unsre  Hydren  aus  Zellen  und  Zellenderivaten  zusammengesetzt 
sind  und  dass  in  Betreff  des  contraktilen  Gewebes  die  Muskelzellen  grosse,  kuglige 
Zellen  bleuten  und  ihr  wasserheller  contraktiler  Inhalt  sich  nicht  weiter  differen- 
zirt.  Uebrigens  sind,  wie  ich  jetzt  aus  Leuckarts  Jahresbericht  im  Arch.  f.  Na- 
turgesch.  XX.  Jahrg.  2.  Bd.  erfahre,  auch  andere  Forscher  zu  ähnlichen  Resultaten 
gekommen. 

Was  den  Stielmuskel  der  Vorticellinen  anbetriift,  so  lehnen  sich  zwar  ver-' 
schiedene  Beobachter,  Ecker,  Kdlliker,  auch  Stein,  gegen  diese  Bezeichnung 
auf;  sie  wollen  an  diesem  Achsenfaden  kein  charakteristisches  Merkmal  der  Muskelsub- 
stanz wahrgenommen  haben ;  ich  bedaure ,  hier  ebenso  bestimmt  Avidersprechen  zu 
müssen,  als  es  bezüglich  der  Piotatorien,  Tardigraden  und  Insektenlarven  geschehen 
durfte.  Der  beanstandete  Muskel  hat,  wie  oben  gemeldet,  dieselbe  Beschaffenheit 
und  Differenzirung  wie  die  Muskeln  vieler  niedern  Wirbellosen.  Anch  La chmanii 
glaubt  ihn  ,,unbedenklich  Stielmuskel  nennen  zu  dürfen",  und  bemerkt,  „dass  er 
nicht  vollkommen  strukturlos  ist-''  Die  mannichfachen  Mittelstufen,  welche  zwischen 
dem  rein  homogenen  und  dem  echt  quergestreiften  Muskelcylinder  liegen,  haben 
die  sehr  differenten  Angaben  über  die  Natur  der  Muskeln  bei  Würmern,  Mollusken 
und  Strahlthieren  hervorgerufen ,  indem  der  Eine  Querstreifung  erblickt  zu 
haben  angiebt,  wo  der  Andere  glatte  Muskeln  sah.  An  Echinodermen  z.  B.  sahen 
B.  Wagner,  Joh.  Müller,  v.  Siebold  keine  Querstreifen,  Valentin  bemerkte 
an  gewissen  Stellen  Querstreifen,  letzterer  schrieb  auch  den  Blutegeln,  Regenwür- 
mern und  Cephalopoden  „variköse''  Muskeln  zu,  während  sie  nach  Treviranus, 
Wagner  u.  A.  da  fehlen.  Die  Muskeln  der  Bryozoen  werden  von  Milne  Edwards, 
Allmann  quergestreift  genannt,  wovon  Nordmann  und  Sie  bold  das  Gegentheil 
behaupten  oder  nur  von  Querrunzeln  sprechen  und  doch  ist ,  wie  ich  aus  eigner 
Beobachtung  an  Alcyonella  und  Plumatella  weiss,  der  Muskelcylinder  hier  klar  in 
primitive  Theilchen  gesondert,  so  dass  sein  .Bild  der  echten  Querstreifung  sehr  nahe 
tritt.  Da  einer  unserer  bedeutendsten  Zoologen,  Burmeister ,  noch  jüngst  seine 
Zweifel  ausgesprochen  hat,  ob  die  Polypen  echte  Muskelfasern  besitzen  ,  indem  er 
meint,  es  möchte  das,  was  man  als  solche  beschrieben,  „parallel  streifiges  Bindege- 
webe" gewesen  sein,  so  führe  ich  noch  an,  dass  ich  an  frisch  untersuchten  Thieren 
der  Gattung  Lobularia  Muskeln  wahrgenommen  habe  ganz  von  jenen  Eigenschaften, 
welche  für  ihre  Muskelnatur  Zeugniss  ablegen.  (Bezüglich  der  Abbildungen  von 
Muskeln  aus  Würmern,  Strahlthieren,  Mollusken,  Rotatorien ,  Arthropoden  erlaube 
ich  mir,  auf  m.  Aufsätze  in  der  Zeitschr.  f.  w.  Z.  und  in  Müll.  Arch.  zu  verweisen.) 
—  Die  Spinnen,  Krebse  und  Insekten  besitzen,  soweit  ich  nach  meiner  Erfahrung 
urtheilen  kann,  nur  quergestreifte  Muskeln,  was  desshsilb  erwähnt  wird,  weil  nach 
Frey  und  Leuckart  bei  „kleinen  Insekten"  die  Muskeln  glatt  seien.  Auch  an 
der  Muskellage,    welche    die  Giftdrüsen  der  Spinneu  umwickelt  und  nach    v.  Sie- 


142  Vom  Skelet  des  Menschen. 

bold  und  H.  MecJcel  zvim  Theil  glatt  ist,  habe  ich  (und  insbesondere  bei  Epeira, 
Clubiona,  Mygale,  Argyroneta)  nach  Anwendung  von  Alkohol  die  Querstreifung 
gesehen. 

Dass  die  Thoraxmuskeln  hei  den  Insekten  von  den  übrigen  Muskeln  der- 
selben abweichen,  ist  schon  lange  her  bekannt,  neuerdings  hat  namentlich  Äubert 
darüber  gehandelt;  die  Muskelcylinder  können  hier  auch  von  platter  Gestalt  sein 
(Libellen  z.  B.);  die  „zwischen  den  Fibrillen  befindliche  krümelige  Masse  von  un- 
bekannter Bedeutung"  findet,  wie  ich  die  Sache  ansehe,  ihr  Analogen  in  der  Mo- 
lekularmasse, welche  bei  Fischen  in  den  Muskeln  der  Seitenlinie  unter  dem  Sarco- 
lemma  angehäuft  ist,  oder  auch  in  den  Fettkörnchenreihen  zwischen  der  contraktilen 
Substanz.  —  Aus  den  quergestreiften  Muskeln  der  Ratten  und  Mäuse  kennt  man  seit 
längerem  durch  Miescher  und  v.  Siehold  parasitische  Gebilde,  die  den  Pseudö- 
navicellen  oder  Psorospermien  ähnlich  sehen.  Verwandte  Parasiten  finden  sich 
auch  in  den  Muskeln  der  Spinnen  (Müll.  Arch.   1855  S.   397). 


Sechster  Abschnitt. 
Vom   Skelet    des   Menschen. 

§.  139. 
Das  Knochensystem  umfasst  die  Knochen  oder  Beine,  welche 
durch  Knorpel,  Bänder  und  Gelenkkapseln  zu  einem  zusammenhängen- 
den Ganzen  verbunden  sind,  durch  ihre  Festigkeit  und  Härte,  den 
eigentlichen  Stützapparat  des  menschlichen  Körpers  bilden,  und  ihm 
den  Hauptumriss  und  die  Grundform  geben, 
luche'und  -^^^  Knochen  sind  sehr  wenig  elastisch,  undurchsichtig  und  von 

chemische  wcisslicher  Farbe.  Sie  zeichnen  sich  aus  durch  grosse  Widerstands- 
»chaften.  fälugkcit  ^Q.^QM  dic  Verwesung.  Diese  Eigenschaften  resultiren  aus 
ihrer  eigenthümlichen  chemischen  Zusammensetzung,  indem  sie  sowohl 
aus  einem  organischen,  wie  unorganischen  Theile  bestehen.  Erstrer  oder 
der  Knochenknorpel  ist  leimgebende  Bindesubstanz,  die  unorganischen 
Theile  oder  die  Knochenerde  enthalten  hauptsächlich  phosphorsaure  und 
kohlensaure  Kalkerde  nebst  einer  geringen  Menge  von  kohlensaurer  oder 
phosphorsaurcr  Magnesia  und  Spuren  von  Fluorcalcium.  Man  kann 
beiderlei  Bestandtheile,  die  organischen  wie  unorganischen  von  einan- 
der trennen,  ohne  dass  der  Knochen  seine  Gestalt  einzubüssen  braucht; 
den  Knochenknorpel  stellt  man  dar  durch  Maceration  des  Knochens 
in  verdünnter  Salz-  oder  Salpetersäure,  die  erdigen  Theile  erhalten 
wir  durch  Glühen  des  Knochens. 

§.  140. 

struktur  Was  den    Bau    der  Knochen  betrifft,    so    erscheint   die  Substanz 

derselben  für  das  freie  Auge  entweder  mehr  homogen,  solid,  oder  von 

grösseren  oder  kleinei-en  Hohlräumen  durchbrochen,  und  darnach  spricht 

man    von    compakter    und    von   schwammiger  Knochensubstanz ,    nach 


Compakte   Knochensubstanz.  143 

früherem  Ausdrnck  von  Suhstantia  dura  und  Buhstantia  spongiosa. 
Man  bezeichnet  letztere  auch  wohl,  wenn  die  Lücken  grösser  sind, 
als  Suhstantia  cellularis,  und  wenn  die  Räume  kleiner  sind,  als  Suh- 
stantia reticularis.  Es  ist  nun  im  Hinblick  auf  den  feineren  Bau 
nicht  ausser  Acht  zu  lassen,  dass  mikroskopisch  am  Knochengewebe 
dasselbe  gesehen  wird,  was  makroskopiscli  am  Grossen  und  Ganzen 
sichtbar  ist ;  das  Knochengewebe  zeigt,  wie  das  früher  erörtert  wurde, 
eine  geschichtete  lamellöse  Grundsubstanz  und  ein  System  grösserer 
und  kleinerer  Lücken,  die  eigne  Benennungen  füliren.  Die  grösseren 
heissen  Markkanäle,  Gefäss-  oder  Havers'sche  Kanäle,  die 
kleineren  sind  die  sog.  Knochenk  örperch  en.  Alle  diese  mikro- 
skopisch kleinen  Hohlräume  sind  aber  die  direkten  Fortsetzungen  der 
grossen,  dem  unbewaffneten  Auge  zugänglichen  Markräume. 

§■  14L 
Die  compakte  Knochensubstanz  bildet  bei  allen  Knochen  die 
Rinde,  in  nur  sehr  seltenen  Fällen,  wie  z.  B.  an  der  Lamina  papyracea 
ossis  ethnoidei,  an  den  Gehörknöchelchen  besitzt  sie  bloss  die  klein- 
sten Hohlräume,  die  Knochenkörperchen  und  nicht  einmal  Gefässka- 
näle.  Solche  Fälle  abgerechnet  erscheint  es  als  Regel,  dass  nur  die 
compakte  Knochensubstanz  Gefässkanäle  aufweist,  und  zwar  verlaufen 
diese  in  den  Röhrenknochen  nach  der  Längenrichtung  derselben,  in 
platten  Knochen  von  gewissen  Punkten  aus  büschelförmig  oder  strah- 
lig. Dadurch,  dass  die  Gefässkanäle  sich  manchfach  theilen  und 
anastomosiren,  formen  sie  ein  Netzwerk  von  meist  etwas  gestreckten 

Fig.   73. 


€0 


Aus  der  compakten  Substanz  eines  Röhrenknochen,  massig  vergr. 
a  die  Havers'schen  Kanäle  im  Längsschnitt,  b  dieselben  im  Qiierscliiiitr. 

c   die  Knochenkörperchen. 


144  Vom  Skelet  des  Menschen. 

Maschen.  In  der  schwaniraig-en  Substanz  sind  die  Gefässkanäle 
zu  den  grossen,  dem  freien  Auge  sichtbaren  Räumen  umgewandelt, 
und  im  Innern  der  Bälkchen  und  Plättchen  finden  sich  die  mikro- 
skopisch kleinsten  Hohlräume  oder  die  Knocheukörperchen. 

Der  Inhalt  des  die  Knocheusubstanz  durchsetzenden  Lücken- 
systemes  ist  verschieden  nach  dem  Unifjing  der  Räume.  Alle  die 
grösseren,  von  freiem  Auge  unterscheidbaren  Aushöhlungen,  sowie  die 
Havers'schen  Kanäle  schliessen  Blutgefässe  ein.  Sowohl  von  der 
Beinhaut  her,  als  auch  durch  besondere  grössere  Oeffnungen  [Foramina 
nutritia)  dringen  Arterien  in  die  Knochen  ein  und  lösen  sich  in  den 
grösseren  Hohlräumen  und  bis  in  die  Havers'schen  Kanäle  hinein  in  Netze 
auf,  aus  denen  sich  wieder  die  Venen  hervorbilden.  Nehmen  die  Blutge- 
fässe nicht  allen  Platz  innerhalb  der  Hohlräume  weg,  so  füllt  eine  Flüssig- 
keit, Fett  (sowohl  frei  als  auch  in  Zellen),  ferner  zellige  Elemente  sowie 
Bindesubstanz  die  Räume  aus  und  constituiren  sammt  den  Gefässen 
und  Nerven ,  welch'  letztere  fast  in  allen  Knochen  des  Skelets  nach- 
gewiesen sind,  jene  für  das  freie  Auge  gelbliche  oder  röthliche  weiche 
Masse,  die  unter  dem  Namen  Knochenmark  [Medulla  ossium)  be- 
kannt ist.  Von  den  zelligen  Formelementen  des  Knochenmarkes  wer- 
den, seit  Rohin  unterschieden:  1)  kleine,  rundliche  Zellen  mit  fein 
granuHrtem  Inhalt  und  dunkel  conturirtem  Kern:  2)  grosse  Zellen 
von  platter,  polygonaler  oder  auch  unregelmässiger  Form,  feinkörnig 
und  mit  meheren  6  —  10  Kernen  versehen.  —  Die  feinsten  Hohlräume 
im  Knochen ,  die  Knochenkörperchen  sind  lediglich  erfüllt  mit  einer 
aus  den   Blutgefässen  ausgeschiedenen  Ernährungsflüssigkeit. 

§•  142. 
Verbindung  .  Wo  dic  Verbindung  der  Knochen  unter  einander  durch  Bänder 
'■''"°''''*°' geschieht ,  sind  solche  entweder  weiss  und  glänzend,  und  bestehen 
dann  hauptsächlich  aus  Bindegewebe,  oder  sie  haben  ein  strohgelbes 
Aussehen  und  erscheinen  dann  aus  elastischen  Netzgeflechten  gebildet, 
{Ligaw,entum  nuchae,  Ligamenta  flava)  mit  einem  Minimum  von  Binde- 
substanz dazwischen.  Kommt  dic  Verbindung  durch  Knorpel  zu 
Stande,  so  kann  dazu  echter,  hyaliner  Knorpel  dienen  (Gelenkknorpol, 
Rippen)  oder  Faserknorpel  (^Ligamenta  intervertebralia,  Synchondrosen). 
In  den  Ripj)en  bemerkt  man  ein  Vorwalten  der  Grundsubstanz  über 
die  zelligen  Tiieile;  in  den  Spitzen  der  untersten  Rippen  sehen  wir 
nur  abgeplattete  Knorpelhöhlcn,  sonst  sind  an  diesem  Orte  die  Zellen 
gegen  die  Achse  hin  in  Lüngsreihen  geordnet,  welche  auf  dem  Quer- 
schnitt strahlig  von  dei'  Achse  zur  Peripherie  verlaufen  {Mehauer). 
Manche  histologische-  Jugenthümlichkeitcn  machen  sich  an  den  Ge-' 
lenkver bindungen  bemerklich.  Bei  fast  allen  Gelenken  haben  die 
äusseren  Schichten  dci'  Knoehenenden  keine  Gefässkanäle  oder  Mark- 
räume, sondern  deren  Stelle  vertreten  etwas  grosse,  rundliche  oder 
längliche  Knochenkörperchen  ohne  Ausläufer,  also  slrahlenlose  Knochen- 
körperchen, die  sonst  im  menschlichen  Körpei'  nui-  noch  pathologisch 


der 


Synovialkapseln. 


145 


Senkrechter   Schnitt   durch   die   Gelenkknorpel, 
a  Gelenkhöhle,  b  Gelenkknorpel,  c  Knochensubstanz,  die  zunächst  des  Knorpels 
^  strahlenlose  Knochenkürperchen   hat.     (Massige  Vergr.) 

sich  vorzufinden  scheinen.  In  den  Knorpelscheiben,  welche  die  Ge- 
lenkenden der  Knochen  überziehen  und  mit  Ausnahme  des  faserknor- 
peligen Ueberzuges  des  Kiefergelenkes  (Henle)  zum  Hyalinknorpel 
gehören,  sind  die  Knorpelzellen  in  der  Tiefe  länglich  und  in  senk- 
rechten Reihen  zum  Knochen  gestellt,  weiter  nach  aussen  mehr  rund- 
lich und  ohne  auffindbare  Ordnung,  endlich  in  der  Nähe  des  Knorpel- 
randes abgeplattet  und  mit  der  Oberfläche  in  mehren  Reihen  parallel 
verlaufend. 

Die  Synovialkapseln^  welche  die  überknorpelten  Gelenkenden 
mit  einander  verbinden,  bestehen  aus  Bindegewebe,  das  zahlreiche 
Gefässe  und  Nerven  besitzt,  die  Innenfläche  deckt  ein  Plattenepithel, 
welches  am  Rand  des  Gelenkknorpels  aufhört  und  demnach  nicht  den 
ganzen  Gelenkraum  auskleidet.  {Reichert  hat  indessen  gezeigt,  dass 
im  Fötalzustande  des  Menschen  und  der  Haussäugethiere  an  der  gan- 
zen inneren  Oberfläche  der  Synovialkapseln  ein  Epithel  sich  findet. 
Auf  dem  Gelenkkuorpel  lag  dasselbe  unmittelbar  der  Knorpelsubstanz 
auf.  Bei  Erwachsenen  erhält  sich  das  Epithel  nur  da,  wo  es  sich  d«r 
Reibung  mehr  entziehen  kann.)  —  In  die  Gelenkhöhle  hinein  ragen 
an  manchen  Stellen  röthlich  gelbe  Fortsätze,  früher  fälschlich  für 
Synovialdrüsen  beschrieben;  es  sind  Falten  und  Wucherungen  der 
Synovialkapseln  nach  innen,  durchzogen  von  zahlreichen  Blutcapillaren 
und  Fettträubclien;  am  freien  Rande  geht  das  Bindegewebe  in  zotten- 
artige Verlängerungen  der  manchfaltigsten  Form  aus,  die  den  histo- 
logischen Charakter  von  Knorpel  an  sich  tragen:  homogene  Grund- 
substanz und  dickwandige  Zellen  besitzen.  Dergleichen  Anhänge 
können,  indem  sie  sich  vergrössern  und  von  ihrem  Mutterboden  trennen, 
zu  sog.  Gelenkmäusen  werden.  —  Die  Synovia,  Gelenkschmiere  er- 
scheint als  dickliche,  helle  oder  blassgelbliche  Flüssigkeit,  die  im 
Normalzustand  keine  geformten  Theile  enthält.  — 

I'eydig,   Histologie.  J^Q 


der  Knocheu. 


146  Vom  Skelet  des  Menschen. 

§•  143. 
Entvrickiuug  Von  den  Knochen  des    menscblichen  Skelets  entwickeln  sich  die 

'einen  aus  einer  knorpeligen  Anlage,  die  andern  aus  Bindegewebe. 
Knorpelig  vorgebildet  sind  die  Wirbelsäule,  die  Rippen  sainmt  Brust- 
bein, ferner  die  Extremitätenknochen  und  endlich  der  Basilarthell  des 
Schädels.  Aus  ossifizirendem  Bindegewebe  gehen  hervor  das  Schlüs- 
selbein [Bruch),  die  obere  Hälfte  der  Schuppe  des  Hinterhauptbeins, 
Scheitelbeine,  Stirnbeine,  Schuppen  der  Schläfenbeine  sammt  Pauken- 
ringen und  die  Gesichtsknochen,  Oberkiefer,  Unterkiefer,  Gaumenbeine, 
Thränenbeine,  Nasenbeine,  Jochbeine,  Pflugschaar. 

Die  Knorpel  bereiten  sich  zur  Verknöcherung  dadurch  vor,  dass 
die  Knorpelzellen  sich  vermehren,  wobei  die  neuentstandenen  eine 
eigenthümliche  Lagerung,  entweder  in  Längsreihen  oder  in  unregel- 
mässigen Haufen,  einhalten.  Das  nächste,  was  geschieht  ist,  dass  der 
bis  jetzt  gefässlos  gewesene  Knorpel  gefässhaltig  wird,  indem  durch 
Verschmelzung  und  Verflüssigung  von  Zellenreihen  Kanäle  zu  Stande 
kommen,  welche  nach  verschiedenen  Seiten  sich  ausdehnen  und,  indem 
sie  sich  in  hohle  Fortsätze  verlängern,  ein  System  von  ästigen,  an 
vielen  Stellen  blind  aufhörenden  Hohlräumen  erzeugen.  Der  zellig- 
gallertige  Inlialt  der  Knorpelkanäle  wandelt  sich  zu  Blutgefässen  und 
den  Bestandtheileu  des  Markes  um.  Erst  jetzt  erfolgt  die  eigentliche 
Ossification,  w^elche  darauf  beruht,  dass  die  dem  Knochen  eigenen 
Kalksalze  in  den  Knorpel  abgesetzt  werden.  Die  Stelle,  wo  solches 
zunächst  erfolgt,  wird  hart,  w^eiss  und  undurchsichtig,  und  man 
nennt  sie  den  Verknöcherungspunkt.  Die  erdigen  Theile,  zuerst  als 
rundlich-eckige  Kalkkrümmeln  auftretend,  verbinden  sicii  unter  einan- 
der und  mit  der  Grundsubstanz  des  Knorpels,  die  von  solchem  Vor- 
gang eingeschlossenen  Knorpelzellen  metamorphosiren  sich  in  der  oben 
(s.  Knorpelgew^cbe)  geschilderten  Weise  zu  Knochenkörperchen.  — 
Die  kleineren  Markräume  entstehen  durch  die  Verschmelzung  ganzer 
Gruppen  von  Knorpelkapseln  ,  und  wn'e  bei  der  Bildung  der  gefäss- 
führenden  Knorpclkanälc,  so  wandelt  sich  das  zellig-weiche  Contentum 
zum  Knochenmark  um.  Die  grösseren  Markräume  werden  durch  Re- 
sorption schon  fertigen  Knochengewebes  zu  Stande  gebracht.  Aus 
der  ursprünglichen  Knorpelanlage  geht  bloss  die  Substantia  sponcjiosa 
hervor;  das  compaktc  Knochengewebe  wird  während  des  \A  achs- 
thums  der  Knochen  durch  ossifizirendes  Bindegewebe  geliefert,  welches 
sich  schichtweise  unter  dem  Periost  absetzt.  Indem  diese  bindege- 
webigen Pcriostwucherungen  von  Anfang  an  in  netzartig  durchbrochene 
Lamellen  ossifiziren,  bleibt  eine  die  Maschen  ausfüllende,  weiche 
Partie  des  Bindegewebes  übrig,  welche  sich  in  Blutgefässe  und  Mark- 
zellen umsetzt;  das  Lückensystem  mit  seinem  Inhalt  entspricht  den 
Havers'schen  Kanälen.  An  den  ossiflzirenden  Theilen  werden  die 
strahligcn  Bindegewebskörperchen  zu  den  verzweigten  Knochenkör- 
perchen. —  Ebenso  ist  der  Vorgang  der  Verknöchcruiig  bei  jenen 
Knochen,  die  uranfängiich  aus  Bindegewebe  ihren  Ursprung  ableiten 


Wachsthum,  Ernährung.  147 

Man  darf  übrigens  nicht  vergessen,  dass  die  Trennung  zwischen  den 
beiden  Ossifikationsarten  keine  sehr  scharfe  ist,  da  eben  Knorpel-  und 
Bindegewebe  innig  verwandt  sind  und  nur  Modifikationen  eines  und 
desselben  Gewebes  darstellen. 

Das  Wachsthum  der  Knochen  in  die  Dicke  erfolgt,  wie  schon 
niitgetheilt ,  durch  Ansatz  von  Bindegewebsschichten  an  der  äusseren 
Fläche  und  nachherige  Ossifikation  derselben.  Die  Verlängerung  der 
Röhrenknochen  geschieht  so,  dass  der  Knorpel  an  den  beiden  Enden 
wuchert,  worauf  die  Ossifikation  eintritt.  Zugleich  mit  der  Anlagerung 
neuer  Knochenschichten  von  aussen  schwinden  die  innersten  fertigen 
Lagen,  und  die  Folge  ist  die  Entstehung  der  grossen  Markhöhlen. 
Die  Resorption  des  inneren  Knochengewebes  scheint  selbst  dann  noch 
fortzudauern ,  wenn  der  Knochen  bereits  vollständig  ausgewachsen  ist 
und  keine  Neubildung  von  Schicliten  an  der  äusseren  Oberfläche  mehr 
Statt  hat. 

Die  Ernährung  des  starren  Knochengewebes  versieht  das  Blut- 
plasma, welches,  von  den  Gefässen  der  Beinhaut,  der  Markräume  und 
der  Haver.s'schen  Kanäle  aussickernd,  in  die  zahllosen  Knochenzellen 
und  ihre  Ausläufer  aufgenommen  wird  und  sich  mittels  der  netzför- 
migen Verbindungen  derselben  nach  allen  Seiten  hin  ausbreiten  und 
somit  den  ganzen  Knochen  durchdringen  kann.  Zur  Regulirung  des 
Blutkreislaufs  in  den  Knochen  dienen  die  Nerven,  welche  auch  nament- 
lich der  schwammigen  Substanz  und  dem  Knochenmark,  wo  sie  zahl- 
reicher sind,  einen  gewissen  Grad  von  Sensibilität  verleihen. 

Der  erste,  welcher  die  Ansicht  wieder  aufnahm,  dass  die  Knochenkörperchen 
nicht,  wie  man  längere  Zeit  dafür  hielt,  Kalkbehälter  (sacculi  chalicophori)  seien,  son- 
dern ein  flüssiges  Ernährungsmaterial  führten,  ist  Bruns  (1841).  Der  Kern  der 
Knochenkörperchen  wurde  in  dem  Werke  Vogtes  Anatom,  d.  Salmou.  1845  (p.  51, 
Tab.  g,  Fig.  9)  zuerst  angemerkt  und  gezeichnet. 

Das  Wachsen  der  Knochen  nach  der  Dicke  wurde  früher  meist  andei's 
aufgefasst  als  gegenwärtig.  Es  sollte  sich  ein  Exsudat  zwischen  Periost  und  den 
Knochen  ergiesscn;  dieser  Erguss,  von  Andern  auch  plasmatische  Schicht  zwischen 
Periost  und  Knochen  genannt,  sollte  sich  zuvor  in  Knorpel  umwandeln  und  dann 
erst  zu  Knochen  werden.  Als  indessen  Virchoiv  durch  den  Nachweis  der  Identität 
der  Knochen-,  Knorpel-  und  Bindegewebskörpercheu  den  Schlüssel  zum  Verständniss 
der  so  verschieden  gedeuteten  „ossificireuden  Blasteme"  gegeben  hatte,  konnte  sich 
die  Ansicht  feststellen,  dass  die  Beinhaut  selbst  durch  Wucherung  an  ihren  innersten 
Lagen  und  darauf  folgende  Ossification  dieser  Schicliten  und  ohne  sich  zuvor  in 
Knorpel  umgesetzt  zu  haben  zu  Knochenlagen  sich  entwickle. 

Hinsichtlich  der  Knochenlamellen  unterscheidet  man  herkömmlicher  Weise 
zwei  Systeme,  wovon  das  eine  concentrisch  die  Havers'schen  Kanäle  umkreist,  das 
andere  die  Umrisse  des  Knochens  im  Ganzen  wiederholt,  also  der  äusseren  und 
inneren  Oberfläche  des  Knochens  immer  parallel  ziehen  soll.  Doch  ist  die  letztere 
Annahme  mehr  theoretisch  und  die  von  mir  hierauf  betrachteten  Knocheuschnitte 
lassen  einen  solch'  regelmässigen  Verlauf  der  interstitiellen  Lamellen  nicht  erkennen. 

Die  Gef äs se, -welche  in  den  Knochen,  sei  es  durch  die  grösseren  Eruährungs- 
löcher,  oder  vom  Periost  her,  eindringen,  haben  anfänglich  alle  ihre  gewöhnlichen 
Häute;    in    den    feinen  Havers'schen  Kanälen    hingegen  verlieren    sie    dieselben   bis 

10* 


ilnrHjvIis. 


148  Vom  Skelet  der  Wirbelthiere. 

auf  die  homogene  Innenliaut  und  es  scheint  mir  selbst  fraglich,  oh  diese  immer  im 
weichen  Zustande  verbleibt  und  nicht  vielmehr  ebenfalls  mitunter  verkalkt  und  da- 
mit zur  letzten  concentrischen  Lamelle  wird,  welche  den  Blutraum  umgiebt. 

Die  Nerven  der  Knochen  betreffend,  so  haben  schon  mehre  Anatomen  des  vo- 
rigen Jahrhunderts  einzelne  Nerven  mit  dem  Messer  verfolgt,  welche  in  die  Knochen 
eindrangen.  Untersucht  man  mit  Hülfe  des  Mikroskopes ,  besonders  in  der  Art, 
dass  man  die  Umgebung  der  kleineren  und  grösseren  in  die  Knochen  eintretenden 
Gefässe  mit  Kalilauge  aufhellt  oder  das  gleiche  Verfahren  auf  das  Mark  überträgt, 
so  überzeugt  man  sich  leicht,  dass  sowohl  die  langen,  als  auch  die  kurzen  und 
platten  Knochen  verhältuissmässig  reich  an  Nerven  sind.  Wie  sie  enden,  ist  unbekannt. 

Die  Bänder  des  Menschen  scheinen  im  Allgemeinen  nervenlos  zu  sein;  in  der 
Memhr.  inteross.  crur.  sieht  man  einige  der  Membrana  selber  zugehörige  Nerven,- 
fäden.  —  Die  Scham-  und  Kreuzdarmbeinfuge  sind  in  neuerer  Zeit  als  wahre 
Gelenke  mit  allen  einem  Gelenke  zukommenden  Theilen:  Knorpel,  Plicae  adiposae, 
Epithel  und  Gelenkschmiere  durch  Luschka  erkannt  worden,  sowie  derselbe 
Forscher  die  im  Gallertkern  der  Wirbelsynchondrosen  vorkommende  Höhle  für 
beständig  hält  und  ebenfalls  mit  einer  Gelenkhöhle  vergleicht,  indem  er  den  Faser- 
ring als  fibröse  Kapsel ,  den  Gallertkern  als  eine  durch  verästelte  und  verfilzte 
Synovialzellen  mehr  oder  minder  ausgefüllte,  übrigens  eine  Synovia-urtige  Flüssig- 
keit enthaltende  Gelenkhöhle  betrachtet. 


Siebenter  Abschnitt. 
Vom    Skelet    der   Wirbeltliiere. 

§.  144. 
Das  Skelet  der  Fische,  Reptilien,  Vögel  und  Säuger  wird  immer 
von  Gebilden  der  Bindesubstanz  geformt.  Wenn  auch  bei  den  höheren 
Wirbelthierklassen  ein  grosser  Theil  des  Skelets  ursprünglich  knorpe- 
lig angelegt  war,  so  geht  doch  im  Laufe  der  Zeit  der  meiste  Knorpel 
unter  und  nur  wenige  Theile  des  Skelets  bleiben  knorpelig;  andere  Ver- 
hältnisse sehen  wir  bei  den  niederen  Wirbclthieren ,  hier  kann  zeit- 
lebens das  Skelet  vollständig  oder  in  grösserer  oder  geringerer  Aus- 
dehnung den  Charakter  von  Bindegewebe    oder  Knorpel    beibehalten. 

§.  145. 
ci.orda  Zuvörderst   ist  es    die  Chorda  dorsalis,    bei  manchen   Fischen        Ij 

zeitlebens  als  ununterbrochener  Strang  verharrend,  bei  anderen  wenig- 
stens in  Resten  sich  erhaltend,  welche  unser  Interesse  erregt.  Sie 
dilFerenzirt  sich  in  Inhalt  und  Scheide.  Der  Inhalt,  meist  von  gal- 
lertigem Aussehen,  besteht  dann  aus  grossen,  wasserklaren  Zellen, 
deren  Kern  mitunter  selbst  noch  im  erwachsenen  Thier  sichtbar  ist 
(z.  B.  HexancJms,  Acipenser),  in  anderen  Fällen  auch  vermisst  wird. 
Die  Zellen  der  ( 'hordasubstanz  sind  nicht  gleich  gross,  und  nicht  von 
gleicher  Bcschatfenheit.  Zunächst  der  Scheide  sind  sie  klein  und  mit 
kcirnigem  Inhalt  versehen,  weiter  nach  einwärts  werden  sie  immer 
grössci'  und  die  dem  Centrum  zunächst  liegenden  stellen  bedeutende 
Hohlräume    dar.      Hat    die    Chordasubstaiiz    ein    mehr     fasriges    Aus- 


Chorda  dorsalis.  149 

sehen  für  das  freie  Auge,    so   Hegt  die  Ursache  davon   in    einer  zum 
Theil  sehr  beträchth'chen  Menge  von  liomogener,    streitiger  Substanz, 

Fig.  76. 


Schnitt   durch    die   Chorda  dorsal|is  des  Polypterus. 
a  Scheide,    b  Kalkinkrustationen ,  c  Substanz  der  Chorda  mit  dem  bindegewebigen 

Fächerwerk. 

■welche,  von  den  Zellen  abgeschieden,  ein  vollständiges  Gerüst  bildet, 
in  dessen  Maschenräumen  die  Zellen  liegen,  w^obei  es  übrigens  nicht 
mehr  möglich  ist,  die  grösseren  Zellen  von  der  Zwischensubstanz  zu 
isoliren;  ihre  Membranen  erscheinen  vielmehr  innig  mit  der  Intercellu- 
larmasse  verwachsen. 

Uebersieht  man  das  Fachwerk  von  der  Scheide  her  gegen  einen 
flir  das  freie  Auge  erkennbaren  centralen  Streifen,  so  ward  bemerkt, 
dass  es  in  der  Nähe  der  Scheide  am  wenigsten  stark  ist ,  hier  demnach 
die  Zellen  noch  dichter  aneinander  sich  reihen;  je  näher  dem  Cen- 
trum aber,  um  so  mächtiger  wird  die  Zwischensubstanz;  die  Zellen 
zeigen  sich  immer  weiter  auseinander  gerückt,  bis  endlicli  in  der 
Mitte  der  Chorda  die  Zwischensubstanz  so  zugenommen  hat,  dass  sie 
den  von  freiem  Auge  sichtbaren  centralen  Streifen  bildet.  Das  mikros- 
kopische Aussehen  der  Zwischensubstanz  ist  vollkommen  das  des  Binde- 
gewebes, hier  mehr  homogen,  dort  mehr  streifig,  wieder  an  anderen 
Stellen  und  besonders  -  im  Centrum  so  lockig-wellig  gezeichnet,  wie 
Sehnengewebe.  Diese  Beschreibung  ist  nach  Untersuchungen  an 
Polypterus  bichir  entworfen;  ganz  ähnlich  scheinen  sich  nach  dem, 
was  Joh.  Müller  über  die  Chorda  mittheilt,  Myxine,  der  Karpfen 
Schellfisch  und  andere  Knochenfische  zu  verhalten.  Eine  eigenthüm- 
liche  Stellung  nimmt  die  Chorda  von  Branchiostoma  ein,  indem  hier 
nichts  von  Zellen  erkennbar  ist.  Sie  besteht  aus  quergestellten  Schei- 
ben {Joh.  Müller,  M.  Schnitze)  ^  von  denen  freilich  Quatrefages 
meint,  dass  sie  Complexe  platter  Zellen  seien,  was,  wie  ich  aus  eigner 
Beobachtung  weiss,  entschieden  irrthümlich  ist.  Die  Plättchen  zeigen 
sich  homogen  und  feinstreifig  und  eriiniern  durchaus  an  jene  Formen 
aus  Bindesubstanz,  die  durch  schmale  Spältchen  in  Abtheilungen  zer- 
fallen. (Sollten  sich  vielleicht  diese  Spältchen  als  Analoga  der  Zellen 
in  der  Chorda  der  vorhergenannten  Fische  ansprechen  lassen?) 


150 


"Vom   Skelet  der  Wirbelthiere. 


§.  146. 
Die  Scheide  der  Chorda  kann  wieder  die  verschiedenen  Modifi- 
kationen des  Bindegewebes  darbieten.  Beim  Polypterus  z.  B.,  besteht 
sie  aus  heller  Bindesubstanz,  die  entweder  undeutlich  gestreift  er- 
scheint, oder  stellenweise  auch  eine  vollkommen  lockige  Zeichnung 
sehen  lässt,  ganz  wie  Sehnen ;  beim  Stör  ist  die  Hauptmasse  gallertig, 
undeutlich  streifig,  ohne  dass  weitere  geformte  Elementartheile  in  ihr 
vorhanden  wären,  nach  aussen  begrenzt  sie  sich  durch  eine  elastische 
Haut,  die,  von  der  Fläche  gesehen,  gestrichelt  sich  ausnimmt,  nicht 
minder  in  Fasern  zerspaltbar  ist.  Auch  an  Chimaera  existiren  elastische 
Schichten.  Die  eigentliche  Substanz  der  Chordenscheide  besteht  hier 
aus  festem  Bindegewebe,  dessen  Faserung  nur  circulär  geht  und  dabei 
in  der  gleichen  Richtung  verlaufende,  schmale,  lange  Lücken  oder 
Hohlräume  (Bindegewebskörpercheu)  zeigt.  Nach  innen  grenzt  sich 
das  Bindegewebe  durch  eine  elastische  Haut  ab  und  ebenso  nach 
aussen,  nur  hat  sie  an  letzterem  Orte  derartig  grosse  Löcher,  dass  sie  mehr 
das  Bild  eines  Maschennetzes,  wie  wenn  sie  aus  sehr  breiten  und  dann 
wieder  aus  schmalen,  elastischen  Fasern  gewebt  wäre,  giebt.  Bei 
Haien   können  auch  Schleimgewebe  und  knorpelige  Lagen  auftreten. 

Fig.  76. 


Chorda  dorsalis  von  Chimaera  monstrosa. 

A  Substanz  der  Chorda,   B  Scheide:    a  imiere  ehistische  Haut,  b  bindegewebiger 

Theil  der  Scheide,  c  ossifizirtcr,  d  äussere  elastische  Haut.    (Geringe  Vergr.) 

Bei  Hexanchus  z.  B.  besteht  die  Chordenscheide  aus  undeutlich  fasrigcr, 
in  Essigsäure  sich  trübender  Gallertmasse  und  Zellen,  die  von  Knor- 
pelzellcn  nicht  zu  unterscheiden  sind.  Gegen  die  Peripherie  der  Scheide 
hin  lösen  sich  die  Fasern  continuirlich  in  die  homogene  Hyalinsub- 
stanz  des  Knorpels  auf.  An  ^cymmis  lichia  (fast  reifer  Embryo), 
findet  sich  nach  innen  von  der  Scheide  eine  Knorpellage,  welche  die 
Chorda  beträchtlich  einschnürt,  ebenso  ist  nach  aussen  eine  Knorpel- 
schicht vorhanden.  Die  Chordenscheide  hat  dieselben  Zellen,  nur  etwas 
mehr  auseinandergedrängt  und  verlängert,  wie  der  Knorpel  an  der  Aussen- 
und  Innenseite.  Die  Litercellularsubstanz  ist  circulär  streifig,  geht  aber 
unmittelbar  in  die  homogene  Grundmasse  der  Knorpellagen  über. 


Chorda  dorsfilis. 


151 


Fig.   77. 


Längsschnitt    durch    Chorda  dorsalis    nnd  Wirbelkörper    von 

Scymnus   lichia. 

a  Substanz  der  Chorda,    b  bindegewebiger  Theil  der  Scheide,    c  innere  und 

äussere  Knorpellage.     (Geringe  Vergr.) 

§.  147. 
Die  Cliordenscheicle  kann  ossifiziren;  so  sind  bei  Polypterus 
einzelne  Strecken  an  der  Aussenfläche  verkalkt,  wobei  die  Kalksalze 
in  Körnern  und  weiterhin  in  geschichteten  Kugeln  sich  absetzen.  Bei 
Chimaera  verknöchert  ein  Theil  der  bindegewebigen  Scheide  zu  Ringen, 
indem  sich  die  Bindesubstanz  mit  Kalksalzen  imprägnirt  und  die  oben 
bezeichneten  schmalen  Hohlräume  zu  Knochenkörperchen  werden. 
Die  Rudimente  und  Anlagen  der  Wirbel  bogen  von  Petromyzon  be- 
stehen aus  Zellenknorpcl,  die  knorpeligen  Wirbel  sammt  Bogen  der 
Sturionen  und  Selachier  sind  schöner  Hyalinknorpel.  Die  Wirbel- 
körper der  Störe  und  mancher  Haie  bleiben  ganz  knorpelig  (z.  B. 
Hexanchus)  ^  oder  es  ist  das  Centrum  verknöchert,  oder  es  wechseln 
Knorpel  und  Knochenchichten  mit  einander  ab  {Squatina,  Belache). 
Bei  anderen  Plagiostomen  und  den  Teleostiern  verknöchern  die  Wir- 
belkörper fast  durchaus.  —  Auch  die  Schädelkapsel  kann  ähnliche 
Modifikationen  vorzeigen;  vielleicht  aus  gewöhnhchem  Bindegewebe 
bei  Ämmocoetes  bestehend  ist  sie  zellig  -  knorpelig  bei  Petromyzon, 
hyalinknorpehg  bei  Rochen,  Haien,  Chimären,  hier  ausgezeichnet  da- 
durch, dass  die  freien  Flächen  sowohl  aussen ,  als  innen  zu  einer  ge- 
täfelten Knochenkruste  ossifizirt  sind,  welche  Art  der  Verknöcherung 
ebenso  den  meisten  anderen  Skelettheilen  zukommt.  Auch  wo  sonst 
wie  beim  Stör ,  Polypterus ,  vielen  Teleostiern ,  fasst  der  ganze  oder 
ein  grösserer,  oder  ein  geringerer  Theil  des  Schädels  knorpelig  per- 
sistirt,  präsentirt  er  sich  als  schöner  Hyalinknorpel,  und  von  gleicher 
Beschaffenheit  ist  der  Knorpel,  wenn  er  ganz  oder  theilweise  Rippen, 
Extremitätengürtel  etc.,  bildet.  In  relativ  grösster  Ausdehnung  ist 
das  Skelet  bei  den  Teleostiern  ossifizirt. 


Schädel. 


152 


Vom  Skelet  der  Wirbelthiere. 


Knorpel  und 

Knochen 
der  Fische. 


§.  148. 

Zu  weitei'er  Aufklärung  über  das  Knorpel-  und  Knochengewebe 
der  Fische  diene  Folgendes  : 

Am  Zellenknorpel  des  Petromyzon  sind  zunächst  der  Peripherie 
die  Zellen  am  kleinsten,  stossen  unmittelbar  an  einander  und  haben 
eine  sehr  dicke  Wand.  Nach  dem  Inneren  zu  werden  sie  grösser ; 
die  dicke  Membran ,  körniger  Inhalt  und  Kern  sind  deutlich.  Da  sie 
nun  tiefer  einwärts  immer  mehr  an  Ausdehnung  zunehmen,  ohne  dass 
die  Wand  durch  neue  Ablagerungen  sich  verdickt,  so  erscheint  die 
Mitte  des  Knorpels  aus  grossen,  verhältnissmässig  dünnwandigen  Bla- 
sen zusammengesetzt,  die  kernlos  sind,  am  trocknen  Knorpel  Luft  auf- 
genommen haben  und  dann  weiss  gefärbt  aussehen  (die  Chordensub- 
stanz besteht  aus  denselben  Zellen,  nur  noch  dünnwandiger  als  am 
übrigen  Körper).  Manche  Stellen  sind  auch  sehr  geeigenschaftet,  um 
den  Uebergang  der  Knorpelzellen  in  fetthaltige  Bindegewebskörperchen 

verfolgen  zu  können. 

Fig.   78. 


Knorpelschnitt  von  Petromyzon  fluviatilis. 
a  die  Zellen  aus  der  Peripherie,    b  im  Inneren    des  Knorpels.     (Starke  Vergr.) 

Im  Knorpel   der    Selachier    überwiegt  häufig  die  durchsichtige 
Grundsubstanz   die  Menge  der  eingestreuten  Zellen  (Kopfknorpel    von 
Squatina  angelus,  Zungenknorpel  von  Sc/jmnus  lichia),  in  anderen  Fäl- 
len halten  sich  beide  so  ziemlich  das  Gleichgewicht;  es  können  sogar 
selbst    die  Zellen    w^eit    über    die  Grundsubstanz    vorwalten    und    sich 
dann  polyedrisch  begrenzen  (Kiemenknorpel  von  Torpedo  z.  ß.).    Sel- 
ten   ist    die  Grundsubstanz   in   eine   fasrige  Masse  umgewandelt.     Die 
Zellen,  variirend  nach  Grösse  und  Form,  haben  häufig  Fettkörnchen, 
mitunter  auch  grössere  Fetttröpfchen  in  ihrem  Inneren;  in   der  Regel 
liegen  die  Zellen  truppenweisc  in  der  Hyalinsubstanz,  und  solche  kleine 
Haufen  von  Knorpclzellen  halten  wieder  eine  gewisse  Ordnung  in  ihrer 
Lage  ein,  indem  wir  sie,  wenn  grössere  Schnittflächen  übeibJickt  wer- 
den können,  in  Linien  gestellt  sehen,  w^elche  sich  netzartig  verbinden, 
so  dass  das  Gesammtbild  einem  Vorläufer  von  den  Knorpel  durchziehen- 
den   Kanälen    verglichen    werden    mag.      Zur    Bildung    solcher,    den 
Havers'schen  Knochenkanälen  höhrer  Wirbelthiere  entsprechender  K  a- 
näle     kommt   es    dann    wirklich    im  Knorpel  einzelner  Rochen.     Be- 
schaut man  sich  z.  B.  einen  Schnitt  aus  der  Schnauze  oder  dci-  Ohr- 
gegend einer  grossen  Raja  clavata,    so  gewahrt  das  freie  Auge   zahl- 


Knorpelkanäle. 


153 


reiche,  den  Knorpel  durchziehende,  und  baumartig  verästelte  Kanäle. 
Sie  zeigen  sich  glänzend  und  silberweis  wie  Tracheen,  da  nämlich  von 
dem  geführten  Schnitte  aus  Luft  in  sie  eingedrungen  ist.  Die  Kanäle 
erweisen  sich  bei  näherer  Betrachtung  als  kanalförraig  ausgegrabene 
Lücken  in  der  Knorpelsubstanz.  Auch  sind  sie  nicht,  wie  es  anfangs 
scheint,  von  einem  besonderen  Epithel  ausgekleidet,  sondern  die  Zellen, 
welche  hie  und  da  das  Lumen  umgeben,  sind  nichts  anderes,  als  die 
Knorpelzellen  in  der  Hyalinsubstanz.  Der  Inhalt  der  stärkeren  Ka- 
näle ist  ein  wirkliches  Blutgefäss,  und  selbst  Nervenstämmchen  können 
eingeschlossen  sein ;  in  den  feineren  ist  die  Blutgefässwand  geschwun- 
den und  der  Knorpelkanal  ist  Blutraum  geworden.  Die  stärkeren 
Kanäle  bekommen  auch  eine  theilweise  Auskleidung  von  Knochenkruste. 

Fig.  79. 


m 


Ä  . 


A  Schnitt  vom  Schnauzenknorpel  des  Störs, 

B  Schnitt   vom   Knorpel   der  Ohrgegend   aus   Raja   clavata. 

a  die  Kanäle  in  der  Knorpelsuhstanz  (natürliche  Grösse). 

Bei  den  Haien  trifft  man  zum  Ersatz  eines  grösseren  Kanal- 
systemes  eine  interessante  Umbildung  von  Knorpelzellen,  welche  uns 
gleichsam  als  Mittelstufe  zwischen  den  einfachen  Knorpelzellen  und 
den  Knorpelkanälen  gelten  können.  Die  Zellen  haben  nämlich  ihre 
einfach  rundliche  oder  länghche  Gestalt  aufgegeben,  und  sich  nach 
zwei  oder  mehreren,  selbst  fünf  Richtungen  hin  verlängert.  Durch 
weiteres  Auswachsen  stossen  sie  auf  einander  und  stellen  ein  Netzwerk 


Fig.  80. 


Knorpel  aus  der  Umgebung   des  Gehörlabyrinths  von   8cymnus  lichia. 
a  Hyalinsubstanz,    b  die  kanalförmig  und  mit  Ausläufern  versehenen  Knorpel- 
zellen,    (Starke  Vergr.) 


154  Vom  Skelet  der  Wirbelthiere. 

von  Hohlräumen  dar,  welches  feiner  als  das  Kanalsystem  der  Rochen 
zur  Verbreitung  der  Ernährungsflüssigkeit  beiträgt;  zwar  können  in  ihm 
keine  Blutkügelchen  circuliren,  wohl  aber  wird  das  eingesickerte  P/asma 
sanguinis  nach  allen  Seiten  hin  sich  bequem  verbreiten  können. 

Aehnliche  Bildungen  finden  sich  im  Knorpel  der  Störe.  Ge- 
wöhnlich sind  die  Zellen  rund,  gegen  die  Peripherie  zu  platt,  in  den 
dicken  Partien  des  Kopfknorpels  erscheinen  sie  lang  ausgewachsen, 
bald  bloss  nach  zwei  Seiten  hin,  mitunter  mit  einem  spiralig  gedrehten 
Ende,  bald  nach  verschiedenen  Richtungen  hin,  so  dass  sternförmige 
Zellen  entstehen.  Die  Ausläufer  hören  entweder  feinzugespitzt  für 
sich  auf,  oder  anastomosiren  mit  denen  anderer  Knorpelzellen.  Ausser- 
dem werden  die  dicksten  Knorpelgegenden  (Schnauze,  Umgebung  des 
Ohres ,  vorderer  Extremitätengürtel),  von  stattlichen,  zahlreichen  Ka- 
nälen durchzogen,  um  vieles  geräumiger  als  bei  den  Rochen,  und  ent- 
halten Blutgefässe  und  grosse  maulbe  rförmige  Fettklumpen, 

Wo  sonst  bei  Ganoiden  (Polypterus)  und  Teleostiern  am  Skelet 
Knorpel  sich  zeigt,  besteht  er  aus  hyaliner  Grundmasse  und  rund- 
lichen oder  auch  ovalen  Zellen.  Kanalartig  verlängerte  Zellen  sind  mir 
bis  jetzt  hiebei  noch  nicht  zu  Gesicht  gekommen,  Hiegegen  besitzt 
der  Kopfknorpel  mancher  Gräthenfische  (z.  B.  Trigla  Idrundo)  grössere 
Markhöhlen, 

§,   149. 
Knochen-  \}qx  mosalkartig  zusammengesetzte  Knochenüb  e  rzug   der  Se- 

seuchicr.   lachlcr  ist  von  Joh.  Müller  entdeckt  worden.     Er  besteht  aus  lauter 
pelyedrischen  Knochenscheiben  oder  Schüppchen,    die  Grösse  dersel- 
ben   wechselt  nach    den  verschiedenen  Arten,   sie   richtet  sich   ferner 
nach  dem  Alter,  und  auch  an  einem  und  demselben  Individuum  sind 
sie  nicht  an  allen  Stellen  des  Skelets  gleicli  gross.     Auch  rücksichtlich 
ihrer  Form  kommen  kleine  Abweichungen  zu  Gesicht;    sie  begrenzen 
sich  entweder  gegenseitig  in  ihrer  ganzen  Peripherie,  wie  ein  kolossa- 
les Pflastcrepithel ,  oder  sie   stossen  gleichsam    nur  mit  Ausläufern  au 
einander.     In  diesem  Fall  nehmen  sie  sich  sternförmig  aus  und  durch 
die  hiemit  offen  bleibenden  Lücken  liegt  der  Knorpel  frei.  Die  Knochen- 
schuppen haben  rauhe,  selbst  zackige  Ränder,    einen  etwas  dunkleren 
(dickeren)  Mittelpunkt  und  ein  von  ihm  ausgehendes  radiär   streifiges 
Ansehen.    Die  Knochenkörperchcn   sind  sehr  zahlreich,  ziemlich  regel- 
mässig radiär  gelagert,  hell  und  scharf  conturirt  und  immer  strahlen- 
los.    Bei    Chimaera  monstrosa ,    wo    die  Knochenkruste   theil weise   aus 
Scheiben    von    uin-egelniässiger    Gestalt    besteht,    haben    letztere    eine 
leicht  höckerige  Oberfläche,  und  die  ebenfalls  strahlenlosen  Knochcn- 
hörpcrchen  haben  alle  ihren  Kern  beibehalten.     Ferner    ist  an  diesen 
Knochenschcibchcn    der  Chimaera   eigenthünilich,    dass    von  ihrer  un- 
teren Fläche  fein  verästelte  Streifchen  von  Kalksalzen,  wie  Würzelcheu 
in    die    darunter    gelegene    Knorpelsubstanz    sich    hinein    verzweigen. 
Die  Knochenschuppen  der  Selachicr  sind  auf  Kosten  des  Hyalinknor- 
pcls    entstanden.    —    Das    Pe richondrium    zeigt    sich    bei    mehren 


Knochen  der  Fische. 


155 


Fie:.  81. 


Schlippen  der  Kuoc  henk  rüste  von  Selacliiern.  (Geringe  Vergr.) 
Haien  (z.  B.  am  Kopf  von  Zygaena)  leicht  schwarz  pigmentirt,  es  ist 
silberfarben  in  der  Augenhöhle  von  Clnmaera  monstrosa,  die  den  Me- 
tallglanz erzeugenden  Elementartheile  übersteigen  die  Molekulargrösse 
nicht.  Bei  Raja  hatis  sieht  man  das  zarte  und  fest  anliegende  Pe- 
richondrium,  welches  die  Nasenkapsel  auskleidet,  schwarz  und  silber- 
glänzend pigmentirt;  die  Elemente  des  Metallglanzes  sind  kleine,  leb- 
hafte Molekularbewegung  zeigende  Krystalle.  —  Die  Knochen  des  Ske- 
lets  anderer  Fische  {^Polypteriis ,  die  meisten  Teleostier)  scheiden  sich 
in  zwei  Reihen,  welche  nach  ihren  physikalischen  Eigenschaften  ebenso, 
wie  durch  mikroskopische  Beschaffenheit,  endlich  durch  Genese  von 
einander  abweichen.  Die  einen  sind  von  weisslichem  Aussehen  und 
compakter  Natur,  ihre  lamellöse  Grundsubstanz  ist  durclibrochen  von 
den  Knochenkörperchen  und  den  damit  zussammenhängenden  Mark- 
kanälen, von  denen  die  meisten  so  fein  sind,  dass  sie  nur  mikroskopisch 
gesehen  werden,  und  verhältnissmässig  wenige  erreichen  einen  solchen 
Durchmesser,  um  für  das  freie  Auge  kenntliche  Markräume  zu  wer- 
den. Diese  Knochen  sind  durch  Ossifikation  des  Bindegeweb  es 
entstanden,  wobei  nach  Ablagerung  der  Kalksalze  in  die  Grundsub- 
stanz die  kleinen  verzweigten  Hohlräume  der  letzteren,  „die  Bindege- 
webskörperchen",  zu  den  Knochenkörperchen  wurden,  und  die  grossen 
Hohlgänge  zu  den  Havers'schen  Kanälen.  Zu  dieser  Reihe  von 
Knochen  gehören  bei  Pohjpterus  am  Schädel  z.  B.  Zwischenkiefer, 
Oberkiefer,  Unterkiefer,  Keilbein,  zum  Theil  das  Hinterhauptsbein, 
an  der  Wirbelsäule  die  Wirbelkörper  und  grösstentheils  wohl  auch 
die  verschiedenen  Fortsätze  derselben,  zum  Theil  die  Flossenstrahlen. 

Die  Knochen  der  zweiten  Art  sind  von  gelbfettigem  Aussehen 
und  spongiöser  Beschaffenheit,  ihre  geschichtete  Grundsubstanz  ist 
reduzirt  auf  ein  Balkenwerk,  das  weite,  zellige,  mit  Fett  erfüllte  Mark- 
räume begrenzt;  in  manchen  Knochen  hat  sich  selbst  durch  Zusammen- 
fluss  solcher  Markräume  eine  Centralhöhle  des  Knochens  gebildet. 
Diese  Knochen  sind  aus  der  Ossifikation  eines  Hyalinknorpels 
hervorgegangen,  wobei  der  grösste  Theil  der  Knorpelzellen  durch 
Zusammenschmelzen  zur  Darstellung  der  Markräume  verwendet  wurde. 
es    gehören    dahin  (bei  Polypterus)  am   Schädel    das    Felsenbein ,    die 


156 


Vom  Skelet  der  Wirbelthiere. 


Knochen- 
gewebe der 
(iräthen- 
fisclie. 


Alae  orhitales,  zum  Tlieil  cLas  Occi'pitale^  fe^i'ner  die  Knochen  des  vor- 
deren und  hinteren  Extremitätengürtels,  zum  Theil  wohl  auch  die 
oberen  und  unteren  Dornfortsätze  des  Schwanztheiles  der  Wirbelsäule, 
die  Ossifikationen  am  Zungenbein  und  Kiemenapparat. 

§.  150.^  _ 
Bezüglich  des  feineren  Baues  der  Fischknochen  ist  noch  weiter 
anzugeben ,  dass  nicht  in  allen  aus  Bindegewebe  hervorgegangenen 
Knochen  Markkanäle  sich  finden,  sie  mangeln  in  dünnen  Partien  (z.  B. 
im  Operculum,  den  Kiemenhautstrahlen  von  Leuciscus  und  Qobius 
ßuviatüis)^  und  wenn  sie  zugegen  sind,  haben  sie  mehr  den  Charakter* 
von  unregelmässig  gebuchteten  und  zusammenhängenden  Räumen,  an- 
gefüllt mit  Fett.  Dass  diese  grösseren  Bäume  durch  Verschmelzung 
von  Knochenkörperchen  entstehen,  lehren  Fälle  (z.  B.  in  den  Kopf- 
knochen der  Leucisci)^  wo  sich  grössere  Höhlungen  von  manchfaltiger 
Gestalt    in    den  Knochen  finden,    die    dasselbe  helle,    leere  Aussehen 

Fig.  8-2. 

"" ;  '    iii 


IIb 


f 
I 


Aus    den  Kopf  kno  che ii  von  Leuciscus. 

a    Gewöhnliche   Knochenkörperchen,    b    grössere  Räume,    aus   verschmolzenen 

Knoclienkörperchen    entstanden ,    o    noch    grössere    Räume,    in    denen   sich  Fett 

und  Blutcapillaren  finden.     (Starke  Vergr.) 

haben,  wie  die  Knochenkörperchen.  Da  sie  nicht  Fett-  oder  Blutge- 
fässe führen,  so  müssen  sie,  morphologisch  und  physiologisch  betrachtet, 
als  vergrö-iscrte  Knochenkörperchen  angos])rochen  werden.  Die  mit 
letztcrem  Namen  belegten,  kleineren  lloldräume  der  Knochensubstanz 
variiren  nach  Form  und  Ausbildung  nicht  wenig  in  den  einzelnen 
Skelettheilen.  Während  sie  (z.  B.  in  Leuciscus  Dolnda)  in  den  Schei- 
telbeinen,  Stirnbeinen,  gross  und  rundlicli  sind,  nehmen  sie  in  den 
Rippen,    den  Gräthen,    eine   längliche  Gestalt  an;    gewöhnlich  haben 


Knochen  der  Fische. 


157 


sie  zahlreiche,  lange  verzweigte  Ausläufer,  die  selbst  wieder,  wo  sie 
sich  verästeln,  sinusartig  erweitert  sein  können,  auch  bleibt  ziemlich 
allgemein  der  Kern  der  Knochenkörperchen  fortbestehen.  Man  triift 
ferner  auch  ganze  Strecken  des  Knochengewebes,  wo  die  Knochen- 
körperchen  alle  strahlenlos  sind,  so  z.  ß.  an  den  Leisten,  welche  sich 
an  der  Innenfläche  der  Scheitelbeine,  Stirnbeine  von  Leuciscus  erheben. 
Die  Knochenkörperchen  können  auch  zu  winzig  kleinen,  nur  punktför- 
migen Räumen  herabgesunken  sein,  welche  Reduktion  man  sich  leicht 
an  den  Flossenstrahlen  von  dem  zuletzt  genannten  Fisch  vorführen  kann. 
Hier  sind  in  den  oberen,  starken  Gliedern  eines  Flossenstrahles  schöne, 
verästelte  Knochenkörperchen,  in  den  immer  dünner  werdenden  Glie- 
dern werden  auch  die  Knochenkörperchen  kleiner,  länglicher,  verlieren 
ihre  Ausläufer  und  sind  in  dem  letzten  zerfaserten  Glied  des  Flossenstrahles 
zu  hellen,  punktförmigen  Räumen  verkümmert.  Hieran  würden  sich  jene 
Fischskelete  schliessen,  bei  denen  fast  gar  nichts  mehr  von  Knochen- 
körperchen vorkomraeen  soll,  wie  Owen  für  Muraena  angiebt  (wo  ich 
übrigens  in  der  knöchernen  Wand  der  Schleimkanäle  prächtige  Knochen- 
körperchen mit  weit  hin  verästelten  Ausläufern  erbhcke),  Mettenheimer 
bezüglich  des   Tetragonurus ,  Kölliker  für  die  Helmichthyiden. 

Fig.  83. 


Ende  eines  Flossenstrahles  von   einem  Weiss  fisch,  um  die  verkümmerten 
Knochenkörperchen    zu  zeigen.     (Starke  Yergr.) 

§.  151 
Sehr   eigenthümlich    und    eines    näheren  Studiums  werth   sind  die 
Knochen  von  Orthagoriscus  (wahrscheinlich  auch   die  von  Cyclopterus, 


158 


Vom   Skelet  der   Wirbelthiere. 


Knoclien 

von  OrtliH- 

gorUcu^. 


Skelct  iler 
Ue|ti  ilieii. 


Trachypterus  u.  a.)  Ich  habe  leider  nur  einige  Knochenstücke  von  Ortha- 
goriscus  untersucht;  sie  waren  viel  weicher  als  Knorpel,  und  schon 
mit  freiem  Auge  unterschied  man  ein  weissstreifiges  Fachwerk,  welches 
eine  gallertig-knorpelige  Masse  durchsetzte.  Mikroskopisch  sah  man 
im  Innern  von  Quer-  und  Längsschnitten  grössere  Knorpelmassen,  die 
fast  nur  aus  keulenförmigen  Knorpelzellen  mit  kleinem  fettartig  glän- 
zendem Kern  bestanden,  von  solchen  Knorpelcentren  weg  erstreckten 
sich  strahlig  ossifizirte  dünne  Blätter  (die  weissen  Streifen  für  das 
freie  Auge),  der  Raum  zwischen  ihnen  wurde  wieder  durch  quere 
Septen  unterbrochen,  so  dass  Kammern  entstanden,  welche  in  der 
Mitte   von    einer  aus    zarten  Knorpelzellen  bestehenden  Substanz,  und 

Fig.  84. 
i 


Schnitt    aus    einem    Kopfknoclien  (Crista  vom   Occipitale)  des  Ortha- 

goriscn.s  mola. 
a  Knoi-pelkevn ,    l)  ossifizirtes  Fachwerk ,    eine    liyalinknori)elige   Substanz    ein- 

scbliessend.    (Starke  Vergr.) 

ausserdem  von  einer  hellen,  gallertigen  Masse  ausgefüllt  waren.  In 
manchen  Schnitten  schien  inmitten  des  Knorpelkernes  ein  Blutgefäss 
zu  verlaufen.  In  den  Knochenblättern  sah  man  kleine,  strahlenlose 
Lücken,  die  wohl  den  Knochenkörperchcn  vergleichbar  waren. 

.  .§•    ^^'^' 
In  der  Klasse  der  Reptilien   giebt  es  kein  Thier  mehr,    dessen 

Skelet  wie  bei  manchen  Fischen  fast  nur  aus  Bindegewebe  oder  Knorpel 

besteht,    vielmehr    erscheint    das    Knochengewebe    als    überwiegendes 

Constituens  des  Skelets,  nur  einzelne  Partien  erhalten  sich  in  hyalin- 

knorpeligem  Zustande,  so  die  Rii)penru(limente  der  Frösche,  die  etwas 

verbreiterten  Rippenenden  der  Ophidiei-  und  schlangenälinlichcn  Saurier, 

Theile    des  Schulter-    und  I^cckengcrüstes,    der  Extrenn'täten,    Thcile 

des  Schädels. 

Histologisch    betrachtet,    bietet    der  Skeletknorpel    dei-    Reptilien 

nichts  besonderes  dar,  die  Zellen  scheinen  im  Allgemeinen  in  grösserer 

Menge  zugegen  zu  sein,  als  die  Jlyalinsubstanz  (Frosch,   Kröte,  Bi'o- 

teus),  ja  manchmal,  wie  z.  B.  in   (\v\\  Knorpclplatten  am  freien  Ende 


\ 


» 

» 


Knochen  der  Reptilien,  der  Säuger.  159 

der  Rippen  von  Anguis  fragilis  ist  kaum  mehr  eine  Spur  von  Zwi- 
schensubstanz zu  sehen,  die  Knorpelzellen  begrenzen  sich  unmittelbar 
in  polyedrischer  Form.  —  Der  Inhalt  der  Zellen  ist  im  nicht  alterirten 
Zustande  hell,  nicht  granulär.  —  Knorpelstücke,  für  das  freie  Auge 
scheinbar  wie  hyalin,  besonders  am  vorderen  Extremitätengürtel,  sind 
mikroskopisch  oft  mit  Kalksalzen  inkrustirt,  wobei  sich  der  Kalk  in 
Form  verschieden  grosser  kugliger  und  ästiger  Massen  in  die  Grund- 
substanz abgesetzt  hat. 

An  den  Knochen  der  Batrachier  (Frosch,  Salamander,  Proteus) 
treten  die  Havers'schen  Kanäle  fast  ganz  zurück.  Die  Blutgefässe  und 
Fettzellen  sind  innerhalb  der  Röhrenknochen  in  der  grossen  Mark- 
höhle angehäuft,  oder  in  weiten  Maschenräumen  bei  den  porösen 
Knochen.  (Der  knöcherne  Abschnitt  z.  B.,  welcher  am  Brustbein  des 
Laudsalanianders  durch  Ossifikation  des  Hyalinknorpels  entstanden 
ist,  besteht  eigentlich  nur  aus  zwei  Knochenplatteu ,  die  dazwischen 
einen  grossen  Hohlraum  einschliessen,  der  bloss  von  einzelnen  zarten 
Bälkchen  unterbrochen  wird.  Im  Hohlräume  ruhen  Gefässe  und  Fett). 
Die  Knochenschilder  der  Schildkröten  haben  ein  sehr  reiches  Netz 
echter  Havers'scher  Kanäle. 

Die  Knochenkörperchen  sind  beim  Landsalamander  sehr  gross, 
werden  aber  noch  um  ein  Erhebliches  übertroffen  von  denen  des 
Proteus.  Auch  lässt  sich  bei  letzterem  Thier  wieder  leicht  nachweisen, 
wie  die  Knochenkörperchen  und  die  grösseren  Hohlräume  im  Knochen- 
gewebe nur  nach  Umfang  und  Inhalt  Abweichungen  zeigen , '  sonst 
aber  ganz  identisch  sind ;  betrachtet  man  nämlich  die  platten  Schädel- 
knochen von  Proteus,  im  unverletzten,  nicht  angeschliffenen  Zustande, 
so  findet  sich,  dass  an  der  Innenfläche  (der  Stirnbeine,  Scheitelbeine 
z.  B.)  zahlreiche  Knochenkörperchen  mit  ihrer  Mitte  frei  ausmünden, 
so  dass  sie  eigentlich  ein  kurzes,  kegelförmiges  Havers'sches  Kanälchen 
vorstellen,  dessen  blindes  Ende  nach  oben,  und  dessen  geöffnete  Basis 
nach  unten  gekehrt  ist.  Ferner  sind  auch  die  Oeffnungen  der  Strahlen 
der  Knochenkörperchen  an  den  freien  Flächen  der  Knochen  so  gross 
und  dicht,  dass  diese  ein  wie  gegittertes,  von  zahlreichen  Spältchcn 
durchbrochenes  Ansehen  hat.  —  Die  meisten  Knochenkörperchen  haben 
ihren  Kern  beibehalten,  der  schon  in  frischem  Zustande  zu  sehen  ist. 

§.    153. 
Beiden  Säugethieren  ist  das  Skelet  ziemlich  stetig  ossifizirt,   nur   skeiet  de.- 
bezüglich  mehrer  Beutelthiere  w^ird  von  Fander  und  d'Aldon  ange-    "vTJei"" 
geben,  dass  der  Atlas  permanent  knorpelig  bleibe.    Bei  manchen  Fleder- 
mäusen (Vesperfilio  murinus  z.  B.  nach  R.    Wagner)  läuft  die  Tihia 
in  einen  Knorpelfaden  aus  u.  dgl.     Sehr  allgemein  sind  von  derselben 
Beschajßfenheit    die    Rippenknorpel    und  Tlieile    des  Brustbeins,    doch 
haben  auch  die  Rippenknorpel  bei  einigen  Oi'dnungen,  namentlich  den 
Edentaten,  eine  grosse  Neigung  zur  frühzeitigen  Verknöcherung.    Auch 
die   Schambeinfuge   verknöchert  frühzeitig   bei    den    Monotremen    und 
vielen  Hufthieren.  —  Wo  die  Knochen  s  hr  dünn  sind,  wie  bei  kleinen 


160  Vom  Skelet  der  Wirbelthiere. 

Säugethieren  (z.  B.  Stirnbein  von  Vespertilio  pipistrellus) ,  fehlen  die 
Getasskanäle  und  Markräume,  es  sind  nur  die  Knochenkörperclien  zu- 
gegen, welche  eine  ziemliche  Grösse  haben,  dicht  beisammen  stehen, 
und  leicht  auch  die  Oeffnungen  der  strahlenförmigen  Ausläufer  an  den 
freien  Flächen  des  Knochens  sehen  lassen.  —  Die  grosse  centrale  Mark- 
höhle, welche  sich  in  den  langen  Knochen  durch  Resorption  sehr  gewöhn- 
lich bildet,  fehlt  den  Pinnipedien,  Cetaceen,  und  unter  den  Reptilien  auch 
den  Cheloniern. 

Noch  mehr  als  bei  den  Säugern  ist  aus  dem  Skelete  der  Vögel 
die  Knorpelsubstanz  geschwunden,  mit  Ausnahme  der  Gelenkknorpel, 
und  in  sehr  seltnen  Fällen,  wo  das  untere  Ende  der  Claviculae  knor- 
pelig bleibt,  oder  sich  eine  knorpelige  Patella  bei  manchen  Brevi- 
pemien  findet,  oder  das  Wadenbein  in  einen  Korpelfaden  ausläuft,  ist  das 
ganze  Skelet  aus  Knochengewebe  gebildet,  in  welchem  mir  nach  Unter- 
suchungen des  Femur  vom  Auerhahn  bemerkenswerth  schien,  dass 
die  Havers'schen  Kanäle  überaus  zahlreich  waren,  so  dass  eigentlich 
mehr  Markkanälchen  existirten,  als  lamellöse  Grundsubstanz  dazwischen. 
Bekannt  ist  ferner  die  Eigenthümlichkeit  des  Vogelskelets ,  dass  ein 
grosser  Theil  der  Hohlräume  statt  Mark  Luft  enthalten  kann,  wodurch 
die  sog.  Pneumatizität  der  Knochen  entsteht ,  was  sich  sogar,  wie  ich 
am  Brustbein  des  Reihers  gesehen  zu  haben  glaube,  auf  ganze  Partien 
von  Knochenkörperchen  erstrecken  kann,  die  also  dann  auch  im  leben- 
den Thier  lufthaltig  wären.  Der  „Morphologie  von  V.  Carus'-'  entnehme 
ich  die  Notiz,  dass  die  grossen  lufthaltigen  Knochenhöhlen  „eine  Art 
bindgewebiger  Schleimhaut  mit  zartem  Epithel"  besitzen,  und  ich  kann 
nach  Untersuchungen  an  der  Taube,  Canarienvogel,  Schnepfe  beifügen, 
dass  auch  die  lufthohlen  Zellen  der  Kopfknochen  noch  von  einer  feinen, 
bindegewebigen  Lage  mit  Spuren  eines  Epithels  ausgekleidet  sind ;  was 
in  Uebereinstimmung  steht  mit  der  Struktur  jener  auch  beim  Menschen 
lufthaltigen  Knochenhöhlen,  wie  es  z.  B.  die  Cellulae  luastoideae  sind, 
deren  Fläche  ebenfalls  eine  Schleimhaut  und  ein  Epithel  überziehen. 

§.  154. 
v.Mi.uiduu^'  Die  Verbindung  der  Knochen  unter  einander  geschieht  bei  allen 

der        Wirbelthieren  durch  Bänder  und  Gelenke.    Bei  den  Fischen  sind  die 

Knochen. 

bindegewebigen  Ligamente  meist  sehr  reich  an  elastischen  Fasern. 
Die  Wirbelsäule  hat  ein  eignes,  aus  starken  elastischen  Fasern  be- 
stehendes Band,  das  in  einem  Kanal  über  dem  Dach  des  Rückenmar- 
kes eingeschlossen  ist,  die  elastischen  Fasern  haben  hier  nicht  sehr  dunkle 
Conturen  und  ziehen  unter  Verästelung  nach  der  Länge;  beim  Stör 
findet  sich  ein  zweites  solches  Band,  an  der  unteren  Fläche  der  Chorda 
dorsalis  verlaufend.  Die  weissen  Streifen,  welche  beim  Stör  zwischen 
den  einzelnen  Knorpelstücken  der  oberen  und  unteren  Wirbellagen 
liegen,  bestehen  aus  dichten  Netzen  elastischer  Fasern,  die  sich  in  die 
Grundsubstanz  des  Knorpels  verlieren. 

Vorzugsweise   elastische   Bänder   sind    ferner   das  LigamenfMm 
nucluie,  die  Ligainenta  ßav(    der  Säugethiere,  die  Bänder,  welche  bei 


Bänder,  Gelenke. 


161 


den  katzenartigen  Thieren  das  Krallenglied  aufwärts  richten  und  zu- 
rückziehen, bei  den  Faulthieren  abwärts  krümmen.  Mehr  oder  weniger 
zahlreiche  elastische  Fasern  enthalten  die  Wirbelbänder  des  Frosches ; 
bei  Vögeln  das  Ligament  zwischen  Ober-  und  Unterkiefer,  das  Band, 
welches  das  Ende  des  Zungenbeins  an  den  Schädel  befestigt ;  letzteres 
besteht  bei  mehren  Singvögeln  fast  ganz  aus  elastischen  Fasern 
(Benjamin). 

Bekanntermaassen  geschieht  unter  den  Säugern  bloss  bei  Ein-  und 

.  Zweihufern  die  Verbindung  der  Wirbelkörper  durch  Gelenkflächen,  sonst 

durch  die  Ligamenta  intervertehralia,  und  diese  ossifiziren  bei  mehren 

Arten  (Cetaceen,  Haase,  Kaninchen)  theilweise  und  entwickeln  damit 

Knochenscheiben  ( E.  H.  Weher).    Bei  vielen  Säugethieren  zeigen  sich 

Knochenkerne  in  den  Cartilagines  interarticulares,  entweder  auf  beiden 

"  Seiten,  wie  bei  Mus  decumanus.,  oder  auf  einer  (innren)  Seite,  wie  bei 

•  Mustela,  Myoxus,  Dipus.     Beim  Luchs  findet  sich  ein  Knochen  in  der 

fibrösen  Kapsel  des  Kniees,  der  an  der  Bildung  des  Gelenkes  ebenso, 

'    -wie  der  Kniescheibe  Antheil  nimmt  und  die  Form  eines  Os  sesamoideum 

•hat  (Hyrtl).    —    Bei   Echidna    existirt   nach    Owen    im   Ligamentum 

intervertebrale  eine  platte  Höhle,  ausgekleidet  von  einer  Synovialmem- 

bran  und  angefüllt  mit  Flüssigkeit. 

Fig.  85. 

1 


Schnitt    durch    das   Gelenk    zwischen   Kopf  und  Wirbelsäule   einer 

grossen   Raja   clavata. 

A  Gelenkknorpel,  B  Gelenkhöhle:     a  Hyalinknorpel ,    h   bindegewebige   Lage 

desselben,    c  die  davon  abgehenden   freien  Fortsätze,    d  Knochensubstanz. 

(Natürliche  Grösse.) 

Die  Gelenke  scheinen  überhaupt  bei  den  Wirbelthieren  nicht 
ganz  übereinstimmend  gebaut  zu  sein.  Ueberall  wohl  sind  Gelenk- 
knorpel vorhanden,  die  im  Kniegelenk  mancher  Vögel  (Auerhahn) 
einige  Gefässkanäle  haben  und  deren  Knorpelzellen  äusserst  eng  bei- 
sammen liegen,  (die  Markkanäle  des  Knochenendes  drangen  zottenar- 
tig, einer  dicht  am  andern,  in  den  Gelenkknorpel  vor).  Bei  Knorpel- 
fischen {Raja,  lori^edo)  nimmt  die  freie  Fläche  des  Gelenkknorpels 
durch  Umwandlung  der  Hyalins ubstanz  in  Fasern  eine  weisse  Farbe 
an,  und  diese  Schicht  bildet  zottenähnliche,  gefässlose  Fortsätze,  die 
frei  in  die  Gelenkhöhle  hineinragen.  Ein  Epithel  der  Gelenkkapsel  fehlt. 


Leydig,  Histologie. 


11 


162  Vom  Skelet  der  Wirbelthiere. 

Bei  Trygo7i  Pastinaca  ist  an  der  Verbindung  zwischen  Kopf  und  Wir- 
belsäule die  Knoclienkruste  überzogen  von  einem  Knorpel,  der  sich 
von  dem  des  übrigen  Skelets  dadurch  auszeichnet,  dass  er  hell  ist. 
Am  Kbpfknorpel  z.  B.  haben  alle  Zellen    einen  fettkrümeligen  Inhalt. 

Fig.  86. 


Schnitt    durch    den    Gelenkknorpel    des  Kniees    vom  Auerhahn. 
a  der  Knorpel ,    b  Knochensubstanz.     (Geringe  Vergr.) 

§.   155. 
iTornfärton.  Zu   dcu   eigentlichen  Skelettheilen    der    Fische   zählen   auch  jene 

„Hornfädcn"  oder  gelben  Faserstreifen,  welche  \i\  die  Haut  der 
Flossen  in  so  grosser  Menge  eingeschoben  sind  (besonders  entwickelt 
bei  Selachiern),  um  die  Flosse  steif  zu  machen.  Die  Fettflosse  der 
Salmonen  z.  B.  wird  lediglich  durch  solche  Hornfäden  gestützt.  Ich 
halte  sie  für  chitinisirte,  homogene  Bindesubstanz;  sie  verändern  sich 
in  Kali  nicht,  werden  höchstens  blasser,  quellen  (an  Embryonen  von 
Spinax  acanthias)  etwas  auf,  und  kerben  sich  am  Bande  in  Absätzen  ein, 
wie  die  von  „Spiralfasern"  umsponnenen  Bindegewebsbündel. 

§.  156. 

rhy«io.  J)\q   Thatsache,    dass  nicht    alle  Knochen    des    Skelets    knorpelig- 

logisches.  ...  •        »  1  rr     T    1     1 

präformirt  sind,  war  längst  bekannt.  Die  Anatomen  des  17.  Jahrhun- 
derts, welche  sich  mit  dem  Studium  der  Knochengencse  abgaben,  fan- 
den, dass  die  Knochen  aus  Knorpeln  und  aus  „Membranen"  entstehen, 
ein  Lehrsatz,  dem  es  auch  schon  damals  nicht  an  Gegnern  (Albin, 
Haller  z.  B.)  fehlte.  In  neuerer  Zeit  ist  die  Debatte  vom  histolo- 
logiscben  Standpunkt  aus  abermals  auf  die  Bahn  gebracht  worden, 
und  obschon  im  Detail  noch  manche  Meinungsverschiedenheit  herrscht, 
einigt  man  sich  doch  dahin,  dass  die  alte  Auffassung  die  richtige  sei, 
dass  also  die  Knochen  ihrer  Genese  nach  von  zweierlei  Art  sind. 
Das  spongiöse  Knochengewebe  leitet  seinen  Ursprung  vom  Knorpel 
her,  das  kompakte  Gewebe  {Substcmtia  dura  der  Alten)  vom  Bindege- 
webe. Man  drückt  den  Unterschied  auch  so  aus,  dass  man  von  pri- 
mären und  sekundären  Knochen  (Kölliker),  von  direkter  und  indirek-  ^ 
ter  Verknöcherung  [Bruch),  von  „hyalin-knorpeligen"  und  „häutig-  ü 
knorpeligen"  Skeletanlagen  {Iteichert)  spricht,  wobei  wir  uns  indessen 
die  Scheidung  nicht  sehr  scharf  vorstellen  dürfen,  da,  w^as  schon  mehr-  l| 
mals  berührt  wurde,  Bindegewebe  und  Knorpel  keine  wesentlich  difleren- 
tenGewebe,  sondern  nurModifikationen  einer  und  derselben  Substanz  sind. 


Physiologisches.  163 

Blicken  wir  auf  die  Einrichtung  des  Skelets,  so  springt  zwar  ohne 
Weiteres  in  die  Augen ,  dass  die  Skeletformen  der  Wirbelthiere  den 
Zweck  haben,  einerseits  ein  manchfaltig  beweghches  Korpergerüst 
herzustellen,  und  andrerseits  eine  schützende  Umhüllung  wichtiger  Or- 
gane zu  bilden;  es  ist  auch  klar,  dass,  wo  Knorpel  zur  Stütze  dient, 
dieser  durch  seine  Vereinigung  von  Festigkeit  und  Elastizität,  noch  Be- 
wegungen gestattet,  die  bei  knöcherner  Grundlage  unmöglich  wären, 
auch  die  Nothwendigkeit  oder  der  Nutzen  von  elastischen  Bändern, 
die  zum  Theil  den  Muskeln  ihr  Geschäft  vereinfachen  dadurch,  dass 
sie  ihnen  antagonistisch  gegenüber  stehen,  leuchtet  ein,  aber  im  Spe- 
ziellen auszuführen ,  warum  bei  den  verschiedenen  Wirbelthierarten 
ein  Skeletheil  hier  bindegewebig,  dort  knorpelig,  und  wieder  bei  einem 
anderen  Thier  knöchern  sei,  vermag  man  nicht,  da  wir  über  die 
Lebensweise  besonders  niederer  Wirbelthiere  doch  gar  wenig  unterrich- 
tet sind,  und  auf  blosse  Vermuthungen  uns  beschränken  müssen,  wie  die 
verschiedenen  Abänderungen  der  Bindesubstanz  (Bindegewebe,  ela- 
stisches Gewebe,  Knorpel,  Knochen),  welche  zum  Bau  des  Skelets 
gebraucht  werden,  in  Beziehung  mit  der  Masse  des  Thieres,  mit  seinem 
Aufenthaltsort,  mit  seiner  Art  sich  zu  bewegen,  stehen  mögen.  — 
Die  lufthohle  (pneumatische)  Beschaffenheit  der  Knochen  der  Vögel 
hat  man  von  jeher  mit  dem  Flugvermögen  dieser  Thiere  in  Verbindung 
gebracht;  die  Knochen  verdanken  natürlich  einem  guten  Theil  nach 
ihre  Leichtigkeit  der  Ausfüllung  mit  Luft. 

Ueber  den  Bau  des  Fischskelets  vergl.  mau  Joh.  MüUer's  Anatomie  der 
Myxinoiden,  Williamson,  Philos.  Trans.  1851,  Leydig,  Rochen  u.  Haie,  ders., 
Untersuchungen  üb.  Fische  u.  Eept.  (Histologie  des  Störs),  ders.,  Histol.  Bemerkgn. 
üb.  Folypterus  in  Ztsch.  f.  wiss.  Z.,  K'ölliker,  Bau  v.  Leptocephalus  u.  Eel- 
michthys,  Ztsch.  f.  wiss.  Zool.  Die  Knochen  dieser  Fische  haben  „keine  Spur 
vom  Bau  des  Knochengewebes."  Dieselben  erscheinen  vielmehr  einfach  als  mit 
Erdsalzen  imprägnirtes  Bindegewebe,  sind  auch  ohne  Knochenkörperchen.  Um  die 
Wirbelsäule  herum  geht  eine  mächtige,  aus  gallertigem  Bindegewebe  bestehende 
Scheide,  auf  welche  erst  die  Muskulatur  folgt.  —  Vorzügliche  Abbildungen  über 
Knorpel  u.  Knochen  enthalten  die  Beitr.  z.  Entwicklungsgesch.  d.  Knochensyst, 
von  Bruch. 

Die  elastischen  Fasern  in  den  Bändern  haben  einen  sehr  verschiedenen 
Dickendurchmesser;  man  unterscheidet  dünne  mit  meist  stark  geschlängeltem  "Ver- 
lauf und  dickere  Fasern,  welche  sich  weniger  kräuseln ,  hingegen  besitzen  solche 
stärkeren  elastischen  Fasern  bei  grösseren  Säugethieren  öfters  ein  eigenthümlich 
löcheriges  oder  leiterförmiges  Aussehen. 

Die  „Knorpelschwiele"  an  den  Hinterfüssen  des  Pelohates  hat  zur  Grundlage 
einen  Hyalinknorpel ,  dessen  Inneres  grofssentheils  mit  Kalksalzen  incrustirt  ist. 
Zwischen  der  Lederhaut  und  dem  Rande  des  Hyalinknorpels  liegt  noch  eine  ziem- 
lich dicke  Schicht,  deren  Gewebe  beim  ersten  Anblick  nicht  ganz  klar  ist,  während 
näheres  Untersuchen  zeigt,  dass  die  Schicht  eine  Art  Faserknorpel  repräsentirt,  dessen 
Zellen  sehr  weich  sind,  und  dessen  Intercellularsubstanz  senkrecht  faserig  oder 
streifig  ist.  Dann  folgt  die  etwas  pigmentirte  Lederhaut  und  darauf  die  nicht  be- 
sonders dicke  Epidermis. 

11* 


164  Vom  Skelet  der  Wirbellosen. 


Achter  Abschnitt. 

Vom   Skelet  der  Whbellosen. 

§.  157. 

Im  Gegensatz  zu  den  Wirbeltliiereu,  wo  ein  inneres  aus  Binde- 
gewebe, Knorpel  und  Knochen  zusammengesetztes  festes  Gerüst  die 
eigentliche  Gestalt  des  Tliieres  bedingt,  wird  bei  Wirbellosen, 
wenn  durch  Hartgebilde  die  Form  des  Tliieres  gestützt  wird,  haupt- 
sächlich die  äussere  Haut  hiezu  verwendet,  und  in  welcher  Weise 
dies  geschieht,  ist  oben  (über  die  Haut  der  Wirbellosen)  erörtert  wor- 
den. Hier  soll  nur  vom  Skelet  der  Gephalopoden  die  Rede  sein, 
welche  sich,  wie  bekannt,  unter  Anderem  insofern  den  Wirbelthieren 
annähern,  als  sie  ein  inneres  zu  Hüllen  und  Stützen  von  Weichtheilen 
dienendes  Skelet  besitzen. 

Die  Skelettheile  bestehen  aus  Knorpel,  der  die  mannigfachen 
kleinen  Abänderungen  wiederholt,  wie  sie  bereits  von  den  Wirbel- 
thieren beschrieben  wurden.  Er  besteht  aus  Zellen  und  Grund- 
substanz, die  ersteren  haben  eine  mannichfacbe  Gestalt,  meist  rund- 
lich oder  oval,  sind  auch  faserartig  verlängert  und  manchmal  selbst 
mit  verästelten  Ausläufern  versehen  [Bergmann).  Bei  den  sehr 
durchscheinenden  Arten  erweitern  sich  an  manchen  Stellen  die  Zel- 
len zu  grossen  Blasen,  ganz  ähnlich  wie  in  der  Substanz  der  Chorda 
dorsalis  der  Fische.  Die  Grundsubstanz,  gewöhnlich  hyalin,  erscheint 
seltener  streifig,  mitunter  bildet  sie  um  die  Zellen  geschichtete  Kap- 
seln; bald  ist  sie  reichlich  zwischen  den  Zellen  vorhanden,  in  ande- 
ren Fällen  ist  sie  wiederum  dergestalt  geschwunden,  dass  die  Zel- 
len sich  unmittelbar  berühren  (Zellenknorpel).  Aus  dem  Kopfknor- 
pel von  Loligo  konnte  Joh.  Müller  keine  leimartige  Materie  erhalten. 
Nach  V.  Carus  treten  an  einigen  Stellen  im  Knorpel  Höhlen  auf, 
welche  Gefässe  zu  enthalten  scheinen. 

Ein  inneres  knorpeliges  Skelet  findet  sich  noch  in  den  Kiemen- 
Btämmen  mancher  Kiemenwürmer  (von  mir  an  Ämphicora  und 
Serpula  beschrieben).  Das  Skelet  gehört  zum  Zcllenknorpel,  es  be- 
steht aus  Reihen  viereckiger  Zellen  mit  verdickten  Wänden,  hell 
und  scharf  conturirt  und  mich  Essigsäure  einen  kleinen  Kern  auf- 
zeigend. Auch  Quatrefages  gedenkt  dieser  „Art  inneren  Sk(dets 
bei  den  Scrpulaccen  und  Sabellen  von  fast  knorpeliger  Struktur  im 
Vordcrtheil  des  Körpers,  welches  den  Kiemen-  und  Thoraxmuskeln, 
zum  Ansatz  dient  und  sich  in  die  Kiemenverästelungen  fortsetzt.* 


Vom  Nervensystem  des  Menschen.  165 

Fig.  87. 


Ein  Stück  Kiemenknorpel  von  Amphicora  mediterranea.     (Starke  Vergr.) 
a  das  Knorpelskelet,  b  die  Haut  (mit  eigenthümlichen  Körpern,  Nesselorganen?). 


Entwicklung 

der  Nerven- 

centren. 


Neunter  Abschnitt. 

Vom  Nervensystem  des  Menschen. 

§.  158. 

Das  Nervensystem  ist  das  Organ  der  eigentlich  thierischen 
Lebensäusseriingen,  von  ihm  hängen  die  Seelenthätigkeiten,  die  An- 
regung zur  Bewegung,  das  Empfinden  ab.  Es  besteht  aus  einem 
centralen  Theil,  dem  Gehirn  und  Rückenmark  und  einem  periphe- 
rischen Abschnitt,  den  Nerven.  Beide  gehen  continuirlich  in  einan- 
der über. 

Da  wir  durch  Remak  belehrt  worden  sind,  dass  aus  dem  obe- 
ren Keimblatte  in  seinem  peripherischen  Theil  bloss  gefäss-  und 
nervenlose  epitheliale  Gebilde  geliefert  werden,  so  möchte  man 
a  priori  gar  gerne  den  Entwicklungsplan  des  Nervensystems  so  con- 
struiren ,  dass  die  Nervencentren  in  gleicher  Weise ,  wie  das  peri- 
pherische Nervensystem,  Bildungen  und  Sonderungen  des  mittleren 
Keimblattes  seien,  und  nur  die  epithelialen  Auskleidungen  des  Me- 
dullarrohres  vom  oberen  Keimblatt  abstammen.  Allein  Remak  hebt 
ausdrücklich  hervor,  dass  die  Beobachtung  „diese  so  einfachen  und 
ansprechenden  Voraussetzungen'^  nicht  bestätigt;  vielmehr  ergiebt 
die  Untersuchung,  dass  das  Medullarrohr  aus  einer  centralen  Ver- 
dickung des  oberen  Keimblattes  entstehe. 

Jn  die  Bildung  des  Nervensystemes  gehen  ein  erstens  die  spe- 
zifischen nervösen  Gewebstheile,  die  Nervenprimitivfasern  und  die 
Ganglienzellen,  zweitens  Bindegewebe  zur  Verknüpfung  und  Umhül- 
lung der  nervösen  Elemente  und  als  Träger  der  Blutgefässe.  An 
gewissen  Stellen  kommt  dazu  ein  Epithel. 

§.  159. 
Was    die    Struktur    der    Nervencentren,    des    Gehirns    und  struktur  der 

T-k  1  •     ^    n   ^  Nerven- 

Rückenmarks  betrifft,    so    sind    bis  jetzt   ungeachtet   der  mannichfal-     centren. 
tigsten  Untersuchungsmethoden    nur    fragmentare  Ergebnisse  gewon- 


jgg  Vom  Nervensystem  des  Menschen. 

nen  worden,    welche   in    folgendem    bestehen   möchten.     Eine    zarte 
Bindesubstanz    ist    als  Bett   der  Blutgefässe   vorhanden    und   er^ 
scheint    daher  auch  da  am    stärksten   angesammelt,    wo  die  Zahl  der 
Bhitgefässe  eine  beträchtliche    ist,    so    an    der  Peripherie    der  Hirn- 
windungen und  an  der  Substantia  perforata  der  Basis.     Diese  Binde- 
substanz unter   der  Form  einer   feinkörnigen  Masse  mit  vereinzelten 
Kernen    stellt    sammt    ihren  Gefässen    eine  Art    zarten    Fachwerkes 
durch  das  ganze  Gehirn    und  Rückenmark  dar,    in   dessen   Räumen 
die  Nervenprimitivfasern   und  Ganglienkugeln   ruhen.     An   manchen 
Orten  (z.  B.  im  Rückenmark)  kann  die  Bindesubstanz    etwas  fester 
sein  und  echte  Bindegewebskörperch«,n   besitzen    (die   Substantia  ge- 
latinosa   des  Rückenmarkes  ist    Bindegewebe.)      Nach    den  Untersu- 
chungen von  i?.  Wagner  sind  die  Ganglienkugeln  des   Gehirns  und 
Rückenmarkes    sämmtlich  vielstrahlige  oder    multipolare  Zellen, 
„alle    angeblichen  apolaren,    unipolaren    und   bipolaren    sind  nur  ver- 
stümmehe  multipolare."  Auch  Schröder  v.  d.Kolk  erkennt  in  seinen 
früheren  wie  jetzigen  Mittheilungen  nur  multipolare  Zellen  in  den  Cen- 
tralorganen  an.   Dergleichen  Aggregate  von  multipolaren  Ganglienzel- 
len finden  sich  in    der  Äla  cinerea  und  den  sog.  Nervenkernen  im  ver- 
längerten Mark,  Locus  coeruleus,  Locus  niger  Soenieringn,  Corpora  dentata, 
olivae  und  cerebelli,  in  denBasalganglien,  Vierhügeln,  Kniehöckern,  Seh- 
hügel, Gommissura  molUs,  Streifenhügeln,  Linsenkernen,  Ammonshör- 
nern,  Randwülste  des  grossen  und  kleinen  Gehirns,  Bulbus  olfactorius. 
Zur  Zeit    geht    uns    noch  jede  Kenntniss    darüber    ab,    wie    die 
Ganglienzellen  der  grauen  Substanz  geometrisch  geordnet  sind,    wir 
wissen  bloss,  dass  die  Fortsätze  der  Ganglienzellen  theils  Ursprünge 
von  Nervenfasern  sind,    theils  dazu  dienen,  die  Ganglienzellen  unter 
einander  zu    verbinden.     Die  Ganglienkugeln    sind    nach  den  einzel- 
nen Lokalitäten  verschieden  gross,  mitunter  pigmentirt,  aber  immer 
mit  4  und  6  bis  zu  15  und  20  Fortsätzen  versehen.    Besonders  grosse 
Ganglienkugeln  finden    sich  z.  B.  an    der  Spitze    der  vorderen  Hör- 
ner der  grauen  Spinalsubstanz,    in  der  Äla  cinerea,    Locus  coeruleus, 
graue  Rindenschicht    des   kleinen  Gehirns,    hier    ausgezeichnet  weit 
reichende  und  feine  Aeste  abgebend. 

§.  160. 
wei»86  Die  weisse  Substanz  der  Nervencentren  besteht  aus  Aggre- 

gationen von  Primitivfasern,  welche  einen  sehr  wechselnden  Dicken- 
durchmesser haben,  wesshalb  man  eine  ganze  Folgenreihe  von  dicken 
bis  äusserst  feinen  Fasern  unterscheiden  kann.  Die  dicksten  Fibril- 
len kommen  in  der  Regel  nur  da  vor,  wo  Nerven  aus  den  Central- 
theilen  entspringen,  die  feinsten  sind  am  häufigsten  in  den  Randwül- 
sten des  grossen  und  kleinen  Gehirns.  Alle  Nervenfasern  gehen 
zuletzt  continuirlich  in  die  Fortsätze  der  Ganglicnkugeln  über. 

Auch  bezüglich  der  Nervenfasern  des  Gehirns  und  Rückenmar- 
kes mangelt  nocli  jede  einigermassen    gesicherte  graphische  Darstel- 


Substanz» 


Rückenmark.  167 

hing.  Die  Angaben,  wie  die  Fasern  sich  im  Rückenmark  zu  Strän- 
gen ordnen,  weiter  verlaufen  und  im  Gehirn  ausstrahlen,  lauten 
daher  sehr  verschieden  und  sind  alle  mehr  cder  weniger  von  muth- 
maasslichem  Charakter.  Da  meine  eigenen  über  diesen  Gegenstand 
angestellten  Beobachtungen  etwas  abgerissen  sind,  mir  also  ein  zu- 
sammenhängendes Material  abgeht,  so  ziehe  ich  vor,  die  Resultate, 
welche  B.  Wagner  aus  seinen  zahlreichen  Präparationen  zusammen- 
gestellt hat,  mit  seinen  eigenen  Worten  wiederzugeben. 

Die  durch  die  hinteren  Rückenmarkswurzeln  eintretenden  Fa- 
sern sammeln  sich  in  drei  Hauptbündel,  indem 

a)  ein  Theil  der  rein  sensitiven  Fasern  ohne  mit  Ganglienzellen 
sich  zu  combiniren  zum  Gehirn  aufsteigt  und  hier  also  wohl  die  be- 
wussten  Empfindungen  erregt. 

b)  Ein  zweiter  Theil  der  rein  sensitiven  Fasern  combinirt  sich  mit 
den  in  der  grauen  Substanz  der  Hinterhörner  einen  Haufen  bildenden  und 
sonst  einzeln  zerstreuten  kleineren  multipolaren  Ganglienzellen,  von 
wo  aus  dann  wieder  Fasern  nach  oben  zum  Gehirn  aufsteigen,  wäh- 
rend andere  hinter  dem  Centralkanal  als  reine  Commissurfasern  zu  ein- 
zelnen Ganglienzellen  der  Hinterstränge  der  andern  Seite  herübertreten. 

c)  Ein  dritter  Theil  der  Fasern,  der  sehr  beträchthch  ist,  ver- 
mittelt keine  Empfindungen,  sondern  geht  zu  den  grossen  multipola- 
ren Ganglienzellen  jeder  Seitenhälfte  in  den  entsprechenden  Vorder- 
strängen, von  denen  Fasern  für  die  motorischen  vorderen  Wurzeln 
abgehen. 

Alle  aus  den  vorderen  Wurzelreihen  eindringenden  Fasern 
scheinen  sich  mit  den  grossen  Massen  von  multipolaren  Ganglien- 
zellen zu  verbinden ,  welche  in  den  Vorderhörnern  der  grauen 
Substanz  liegen.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  Vorderstränge  und 
der  grösste  Theil  der  Seitenstränge  nur  aus  Fasern  gebildet  wer- 
den ,  welche  von  den  Fortsätzen  der  Ganglienzellen  stammen  und  in 
die  motorischen  Wurzeln  übergehen,  und  anderen,  welche  aus  den 
Ganglienzellen  nach  oben  zum  Gehirn  verlaufen.  Jede  Ganglien- 
zellen repräsentirt  mithin  ein  kleines  System  von  Fasern,  welche 
theils  nach  oben  zum  Gehirn,  theils  (in  der  Mehrzahl)  nach  der  Pe- 
ripherie, theils  in  den  queren  Fasern  der  vorderen  Commissur  zur 
Verbindung  eines  Theils  der  Ganglienzellen  beider  Seitenhälften  des 
Rückenmarks  dienen. 

Dieselben  Verhältnisse  kehren  für  das  verlängerte  Mark  wie- 
der; nur  finden  hier  so  zu  sagen  noch  kunstreichere  Anordnungen 
auf  kleinerem  Raum  statt,  indem  die  sog.  Nervenkerne,  d,  h.  Ag- 
gregate von  multipolaren  Ganglienzellen,  viel  mehr  gesonderte  und 
doch  wieder  eigenthümlich  verbundene  Systeme  von  Ganglienzellen 
darstellen. 

Complizirter,  aber  in  den  Grund  Verhältnissen  ganz  analog,  er- 
scheinen   die  Anordnungen   für    die   in  das  Gehirn  eingeschobenen 


168  Vom  Nervensystem  des  Menschen. 

Centralapparate  der  Sinnesorgane.  Durch  den  Sehstreifen  treten  die 
centralleitenden  feinen  Primitivfasern  zunächst  in  die  Kniehöcker. 
Letztere  sind  nichts  anders  als  Anhäufungen  von  multipolaren  Gang- 
lienzellen, mit  denen  sich  gewiss  bei  weitem  die  grösste  Zahl  der 
Sehnervenfasern  combinirt.  Insbesondere  der  äussere  Kniehöcker  er- 
scheint als  ein  höchst  reicher  Ganglienzellenapparat,  der,  wie  er 
Fasern  aus  dem  Sehstreifen  aufnimmt,  andere  cntlässt,  welche  durch 
die  Arme  der  Vierhügel  zu  diesen  treten.  Die  Vierhügel  sind  das 
zweite  System  von  Ganglienzellenaggregaten,  mit  denen  die  Seh- 
nervenfasern Combinationen  eingehen.  Von  diesen  aus  treten  die  Fa- 
sern In  die  Tiefe  und  es  erfolgen  Combinationen  mit  dem  verlänger- 
ten Mark  durch  die  Schleife  {Laqueus)  und  Verbindungen  mit  Gang- 
lienzellenaggregaten (Nervenkernen)  auf  dem  Boden  der  Sylvischen 
Wasserleitung  mit  den  Kernen  des  Nervus  oculomotorius.  Endlich  ist 
der  Thalamus  der  vierte  und  grösste  Aggregat  von  multipolaren 
Ganglienzellen,  von  welchen  w^enigstens  ein  grosser  Thcil  mit  den 
Sehnervenfasern  eine  Verbindung  eingeht,  während  ein  anderes  aus 
dem  Sehhügel  entspringendes  System  von  Fasern  die  weitere  Verbin- 
dung mit  den  Grosshirnlappen  vermittelt.  W^ir  haben  auf  solche  Art 
Einrichtungen,  durch  welche  die  auf  den  Enden  der  Retinafasern 
empfangenen  Eindrücke  den  Ganglienzellenapparaten  in  den  Knie- 
höckern, Vierhügeln,  Sehhügeln  zur  Verarbeitung  überliefert  wer- 
den ,  ehe  sie  schliesslich  dem  grossen  Gehirn  zur  letzten  Phase  der 
Innervation  mitgetheilt  w^erden ,  um  in  den  Kreis  seelischer  Wahr- 
nehmung als  vollendete  Gesichtsvorstellung  zu  gelangen. 

Im  grossen  und  kleinen  Gehirn  endigt  wenigstens  ein  grosser 
Theil  der  durch  die  Gross-  und  Kleinhirnschenkel  eintretenden  Fa- 
sern, d.  h.  geht  in  Ganglienzellen  unter.  Diese  Gegenden  scheinen 
für  das  grosse  Gehirn  das  Ganglienzellensystem  der  Streifcnhügel 
und  der  letzten  Abtheilung  des  Linsenkernes  zu  sein ,  für  das  kleine 
Gehirn  der  gezahnte  Kern.  Die  aus  der  anderen  Seite  jener  Gang- 
lienzellenaggregate entspringenden  Fasern  sind  ganz  anderer  Natur; 
sie  vermitteln  die  Wechselwirkungen  mit  den  multipolaren  Zellen  der 
Randwülste.  Die  ganze  Oberfläche  des  kleinen  Gehirns  zeigt  beim 
Abtragen  am  lebenden  Thier  nicht  die  geringsten  Spuren  von  Schmerz 
oder  von  Muskelzuckung.  Erst  die  Verletzung  der  tiefsten  an  die 
Crura  cerebelli  ad  corpora  quadrigemina  und  Crura  ad  meduUam 
ohlongatam  streifenden  Schichten  erregt  Schmerz  und  Krämpfe.  Die 
Corpora  dentata  scheinen  die  anatomische  Grenze  dieser  pliysiohigi- 
schen  Erscheinung  zu  sein.  Analog  verhalten  sich  die  Heniispliären 
des  grossen  Gehirns,  welche  gleichsam  auch  nur  als  dem  Mittclhirn 
aufgesetzte  Gebilde  erscheinen. 

Wichtige  Mittheiiungen  über  die  Nervenursprünge  im  Gehirn 
smd  jüngst  von  Jacuhowitsch  und  Owsjannikoio  veröffentlicht 
worden,  die,  wenn  sie  sich  bewahrheiten,  den  TFa^/ wer 'sehen  Sätzen 


Umhüllungen  der  Nervencentren.  169 

eine  bedeutende  Stütze  geben.  (Bull,  de  Facad.  de  Petersbourg,  class. 
phys.-math.  Tom.  XlV.  Nr.  323,  ich  gebe  den  von  Funke  in  den 
Schmidt' sehen  Jahrb.  1856,  Bd.  89  besorgten  Auszug  wieder.)  Die 
genannten  Forscher  sind  nämlich  zu  dem  Ergebniss  gekommen,  dass 
zwei  anatomisch  und  funktionell  verschiedene  Klassen  von  Nervenzel- 
len im  Gehirn  existiren,  grosse,  wie  die  des  Rückenmarks,  für  die  Be- 
wegung, kleine  für  die  Empfindung.  Der  Nervus  olfactorius,  opticus 
und  acusticus,  also  die  drei  reinen  Empfindungsnerven,  entspringen  von 
kleinen  Zellen  mit  feinen  Ausläufern.  Diese  kleinen  Zellen  sind 
3 — 4mal  kleiner  als  die  grossen  Zellen,  wie  sie  sich  in  den  vorderen 
Hörnci'n  der  grauen  Rückenmarkssubstanz  finden,  sie  sind  heller  ge- 
färbt, grau,  weiss,  mehr  oval,  ihre  Ausläufer,  3  —  4  an  der  Zahl, 
sind  3  —  4mal  feiner ,  als  die  Ausläufer  jener  grossen  Zellen.  Alle 
übrigen  Hirnnerven  haben  einen  gemischten  Ursprung  von  grossen 
und  kleinen  Zellen:  a)  der  N.  oculomatorius  entspringt  in  den  Vier- 
hügeln von  den  kleinen  Zellen,  die  um  den  Aquaeductus  Sylvii  mas- 
8enha;ft  gelagert  sind.  Letztere  legen  sich  a^i  die  dickeren  Ausläu- 
fer der  grossen  Zellen  an,  welche  nach  unten  zu  vom  Aquaeductus 
zu  beiden  Seiten  rechts  und  links  liegen.  Diese  dicken  und  feinen 
Fäden  bilden  die  Wurzeln  des  ocidomotorius.  b)  Der  N.  trochlearis 
entspringt  ebenfalls  von  grossen  und  kleinen  Zellen,  c)  vom  N.  tri- 
geminus  entspringt  die  Portio  minor  von  den  grossen  Zellen  zu  beiden 
Seiten  des  Bodens  der  Rautengrube.  Die  Portio  major  kommt  von 
kleinen  Zellen  im  Corpus  restiforme  und  olivare.  d)  Ahducens  und 
Facialis  sind  ebenfalls  gemischt.  Aus  diesen  Thatsachen  schliesscn 
die  Verfasser:  die  grossen  Zellen  sind  Bewegungszellen,  und  die  klei- 
neren Zellen  mit  den  feinen  Ausläufern  sind  Empfindungszellen.  Fer- 
ner, die  grossen  Hemisphären  des  Gehirns  bestehen  nur  aus  kleinen 
Zellen  mit  feinen  Ausläufern  ,  die  zum  Centrum  gehen.  Es  existire 
eine  Commissur  zwischen  allen  Nervenzellengruppen:  an  der  Ober- 
fläche des  kleinen  Gehirns  finden  sich  grosse  Zellen,  welche  Achsen- 
cylinder  zur  Peripherie  schicken,  die  sich  mit  einander  verbinden 
und  ungemein  fein  theilen.  Zum  Centrum  schicken  diese  grosse  Zel- 
len aucl?  Aeste,  die  sich  mit  feinen  Zellen  verbinden  und  von  die- 
sen erst  gehen  die  Nervenfäden  ab ,  welche  die  weisse  Substanz  des 
kleinen  Gehirns  bilden. 

§.  161. 
Die  häutigen  Umhüllungen  des  Gehirns  und  Rückenmar-  Hmieu  d 
kes,  die  sog.  Dura  mater ,  Arachnoidea  und  Pia  mater  bestehen  aus 
Bindegewebe,  das  in  der  sehnig  glänzenden  harten  Haut  am  mächtigsten 
vorhanden  ist  und  zahlreiche  elastische  Fasern  enthält,  zarter  ist  die 
Spinnwebehaut,  doch  auch  noch  mit  elastischen  Elementen  versehen; 
am  dünnsten  erscheint  das  bindegewebige  Stratum  in  der  Gefässhaut 
und  ohne  elastische  Fasern.  Die  freien  Flächen  der  Dura  mater  und 
Arachnoidea  sind  mit  einem  Plattenepithel  überzogen.    Sowohl  in  der 


Nerven- 
centren. 


170  Vom  Nervensystem  des  Menschen. 

harten  Haut,  als  auch  in  der  Pia  viater  finden  sich  Nervenfasern,  die 
den  Häuten  selber  angehören.  Die  Fia  mater  trägt  ein  sehr  dichtes 
Getassnetz,  das  für  das  Gehirn  und  Mark  bestimmt  ist  und  sich  in 
letztere  Organe  einsenkt.  Die  Fortsetzungen  der  Pia  mater  in  die 
Gehirnhöhlen,  die  Plexus  choroidei,  bestehen  ebenfalls  aus  einer  binde- 
gewebigen Grundsubstanz  mit  äusserst  dichter  Gefässverzweigung  und 
aussen  liegt  ein  Epithel,  dessen  Zellen  insofern  eigenthümlich  sind, 
als  sie  nach  unten  in  stachelartige  Verlängerungen  ausgehen  und  der 
gelbkörnige  Inhalt  meist  noch  einen  bis  zwei  Fetttropfen  enthält. 
Flimmercilien  existiren  an  diesen  Zellen  nicht. 

Die  häutige  Ueberkleidung  (Ependyma)  der  Gehirnhöhlen, 
sowie  des  Rückenmarkkanales,  kommt  dadurch  zu  Stande,  dass  die 
zarte  Bindesubstanz,  welche  die  Centraltheile  des  Nervensystems 
durchsetzt,  an  der  Wand  der  Hirnventrikel,  namentlich  um  den 
Centralkanal  des  Rückenmarkes  sich  stark  verdickt  und  von  einem 
(im  Gehirn)  mehr  rundzelligen  Epithel  gedeckt  wird,  das  beim  Er- 
wachsenen im  hinteren  Ende  der  Rautengrube  und  wahrscheinlich 
längs  des  ganzen  Rückenmarkkanales,  wo  es  aus  Cylinderzellen  be- 
steht, flimmert.  —  Bei  Neugeborenen  und  bis  an's  Ende  der  ersten 
Lebensjahre  flimmert  das  Epithel  aller  Hirnhöhlen.    {Luschka.) 

Erwähnt  soll  auch  noch  werden,  dass  im  Ependyma  sehr  häufig 
die  sog.  Corpora  amylacea  angetroffen  werden.  Es  sind  rundliche 
oder  semmclförmige  Körper,  gelblich  und  concentrisch  geschichtet,  über 
deren  chemische  Beschaffenheit  die  Ansichten  noch  weit  auseinander 
gehen,  nach  Virchow  sollen  sie  aus  Cellulose  bestehen,  nach  Henle 
und  H.  Meckel  hingegen  fettartiger  Natur  (Cholestrinbildungen)  sein.  — 
Eine  andere,  vielleicht  pathologische,  am  constantesten  in  der  Arachnoi- 
dea,  Pia  mater,  in  der  Zirbel  vorkommende  Erscheinung  ist  der  Plirn- 
sand,  Acervulus  cerebri,  der  unter  der  Form  schaliger,  kugliger, 
maulbeertormiger  oder  anderweitiger  unregelmässiger  Gestalt  auftritt 
und  vorzüglich  aus  kohlensaurem  Kalk  und  einer  organischen  Substanz 
besteht.     Häufig  erscheint  er  als  Incrustation  von  Bindegewebe. 

§.  162. 
peripheri-  Das   peripherische  Nervensystem    wird  gebildet  von    den 

Bchcs 

Nerven-  aus  dcm  Gchim  und  Rückenmark  entspringenden  Cerebral-  und  Spi- 
«ystem.  jjjiluei'ven ,  sowic  aus  den  sympathischen  Nerven.  In  den  Nerven 
sind  die  Primitivfasern  durch  Bindegewebe  zu  gröberen  und  feine- 
ren Strängen  vereinigt  und  da  in  den  Kopf-  und  Rückenmarksner- 
ven die  Primitivfasern  dunkelrandige  sind,  so  haben  diese  Nerven 
ein  weisses,  glänzendes  Aussehen,  bedingt  durch  die  Markscheide 
der  einzelnen  Fibrillen.  Das  Bindegewebe,  welches  die  Primitiv- 
fascrn  zu  Bündeln  vereinigt,  die  in  ihrer  Gesammtheit  den  Nerven 
herstellen,  heisst  Neurilem  und  zeigt  sich  wie  anderwärts  als  der 
Träger  der  Blutgefässe,  welche  die  Ernährung  der  Nerven  besor- 
gen.    Wo    das  Bindegewebe    nur    eine  geringere  Zahl   von  Nerven- 


Ganglien. 


171 


fäden  umhüllt,  bildet  es  lediglich  eine  strukturlose,  kernhaltige 
Scheide  (bei  uns  längst  bekannt,  von  Rohin  jüngst  unter  dem  Na- 
men Perinfevre  als  etwas  Neues  behandelt).  In  den  sympathischen 
Nerven  kommen  sowohl  dunkelrandige  und  dann  meist  sehr  dünne 
Primitivfasern  vor,  als  auch  blasse  (Äe?^^a^•'sche)  Nerven;  treten 
letztere  in  überwiegender  Mehrzahl  auf,  so  verliert  der  Nerv  sein 
weissglänzendes  Aussehen,  er  wird  grauweiss  oder  grauröthlich  und 
ist  auch  minder  fest  als  ein  glänzendweisser  Cerebrospinalnerv. 

Fig.   88. 


Ein    Ganglion  spinale. 

A  Sensible  Wurzel ,    an    ihr    das  Ganglion    mit   den  bipolaren  Ganglienkugeln, 
B  die  motorische  Wurzel,   C  hinterer  Ast  des  Rückenmarksnerven,  D  vorderer 

Ast.     (Starke  Vergr.) 

Am  peripherischen  Nervensystem  finden  sich  zahlreiche  knoten- 
artige Anschwellungen  oder  Ganglien.  Sie  bestehen  aus  einer 
äusseren  bindegewebigen  Hülle,  der  Fortsetzung  des  Neurilems, 
welche  nach  innen  ein  Fächerwerk  abgiebt  und  damit  zugleich  die 
Blutgefässe  in's  Innere  leitet.  Die  wesentliche  Substanz  des  Gang- 
lions   sind  Ganglienzellen    und  Nervenfibrillen.      Es   zeigt    sich   nach 


Ganglien. 


172 


Vom  Nervensystem  des  Menschen. 


riiysic- 
logiBche 


den  neueren  Untersuchungen  von  Remah^  dass  die  Ganglien  in 
Anbetracht  der  Beschaffenheit  ihrer  Nervenzellen  von  verschiedener 
Natur  sind,  die  einen  nämlich,  zu  denen  die  Spinalganglien,  sowie 
die  Ganglien  des  Trigeminus  und  Vagus  gehören,  haben  nur  unipolare 
und  bipolare  Ganglienzellen,  sie  erscheinen  unipolar  dadurch, 
dass  die  beiden  Fortsätze  dicht  neben  einander  entspringen,  oder 
sich  der  eine  Fortsatz  nach  kurzem  Verlauf  theilt.  Die  Nervenkno- 
ten des  sympathischen  Systems  hingegen  besitzen  vorzugsweise  multi- 
polare Ganglienzellen,  deren  Fortsätze  in  Nervenfasern  übergehen. 
Wie  die  Nervenfibrillen  in  der  Peripherie  des  Körpers  endigen,, 
vergl.  Muskeln,  Haut,  Sinnesorgane  etc. 

P^ig.  89. 


Ein  sympathisches  Ganglion   mit  multipolaren  Ganglienzellen, 

(Starke  Vergr.) 

§.  1G3. 
Man  betrachtet  wohl  seit  Langem  die  graue  Substanz  als  den 
Theil  des  Nervensystems,  von  welchem  die  höheren  Leistungen  des 
Nervenlebens  ausgeben,  während  die  weisse  Substanz  und  die  Ner- 
venfasern nur  als  Leitungsapparate  fungircn.  Die  Wirkung,  welche 
die  graue  Substanz  auf  die  Nervenfasern  ausübt,  Hess  man  auf  dem 
Wege  der  Contiguität  geschehen,  und  die  sog.  Reflexerscheinungen 
leitete  man  davon  ab,  dass  die  Erregung  einer  Nervenfaser  über  ihre 
Scheide  hinaus  auf  andere  zunächst  liegende  übertragen  werde. 
Die  anatomische  Grundlage,  wie  sie  oben  vorgeführt  wurde  und  wo- 
nach die  Nervenclemente,  die  Ganglienzellen  und  Nervenfasern  durch 
bestimmte  Verbindungen  unter  einander  ein  zusammenhängendes 
Gerüst  bilden,  nöthigt  uns,  die  Theorie  von  einer  Wirkung  der 
Ganglienzellen  auf  die  Nervenfasern  durch  blosse  Contiguität   aufzu- 


Physiologisches.  173 

geben  und  alle  Innervationserscheinungen  zu  basiren  auf  die  Ver- 
bindungen von  einzelnen  Ganglienzellen  und  grösseren  Gangiien- 
zellenaggregaten,  als  eigenthümlichen  Innervationsprovinzen  von  ver- 
schiedener physiologischer  Dignität,  unter  sich  und  mit  centralen 
peripherischen  Nervenbahnen.     (R.    Wagner.) 

Unter  den  Methoden  in  die  Struktur  des  Gehirns  und  Rückenmarkes  einzu- 
dringen hat  sich  die  von  Stilling  zuerst  gehrauchte  am  förderndsten  erwiesen, 
welche  darin  besteht,  dass  man  feine  Quer-  und  Längsschnitte  vom  Rückenmark 
aus  anfertigt.  Als  Härtungsmittel  bediente  sich  Stilling  des  Alkohols,  den  man 
gegenwärtig  allgemein  mit  der  weit  dienlicheren  Chromsäure  vertauscht  hat.  — 
Die  multijiolaren  Ganglienzellen  in  den  Centralorganen  wurden  von  Purkinje, 
Joh.  Müller  und  Eemah  (1837)  aufgefunden  und  längere  Zeit  hielt  man  sie  für 
eine  blosse  Belegungsformation  der  Fasern.  Der  Zusammenhang  der  multipolaren 
Ganglienzellen  mit  Nervenfasern  im  Rückenmark  und  Gehirn  wurde  zuerst  durch 
Stilling,  R.  Wagner  und  Leuckart  dargethan.  Die  Mittheilungen  B.  Wag~ 
ner's  haben  trotz  der  Widersprüche  von  mancher  Seite  in  neuerer  Zeit  durch  die 
unter  Bidder''s  Leitung  erschienenen  Arbeiten  von  Schilling ,  Oiüsjannihow 
und  Kupfer,  von  denen  unten  die  Rede  sein  wird,  eine  glänzende  Bestätigung  erhalten 
und  müssen  als  wirkliche  Bereicherungen  unseres  anatomischen  Wissens  gelten.  — 
Die  Entdeckungen  BemaFs  über  multipolare  Ganglienzellen  in  den  sympathischen 
Ganglien  stehen  im  Monatsbericht  d.  Berl.  Ak.  Januar  1834.  Bern  ah  fand  Zellen 
mit  3  bis  12  Fortsätzen.  Besonders  zahlreiche  Verästelungen  kommen  in  den 
Ganglienzellen  des  Plexus  solaris  vor.  Er  glaubt  aus  seinen  Beobachtungen 
schliessen  zu  müssen,  dass  sich  die  multipolaren  Ganglienzellen  sowohl  mit  sen- 
siblen Fasern  und  Zellen  in  den  hinteren  Wurzeln ,  als  mit  motorischen  Fasern  in 
den  vorderen  Wurzeln  anatomisch  combiniren.  — 

Die  stachelartigen  nach  unten  gekehrten  Verlängerungen  an  den  Epithelzellen 
der  Plexus  choroidei  hat  zuerst  Henle  beschrieben;  diese  Bildungen  stehen  nicht 
"ganz  isolirt,  denn  auch  das  Epithel  in  den  sog.  Schleimröhren  des  Notidanus  (die 
eigentlich  nervöse  Apparate  vorstellen)  ,  läuft  in  ähnliche,  aber  frei  vorragende 
Stacheln  von  verschiedener  Länge  aus,  ebenso  gewisse  Epithelzellen  in  der  Schnecke 
des  Gehörorganes  bei  verschiedenen  Wirbelthieren.  Luschka  sah  übrigens  auch 
die  stachelförmigen  Fortsätze  der  Adergeflechte  des  Menschen  zuweilen  über  das 
Niveau  der  übrigen  Epithelzellen  frei  hinausragen.  Günther  will  bei  einem  Men- 
schen nach  dem  durch  Selbstmord  erfolgten  Tode  Flimmerhärchen  an  den  Plex. 
choroid.  angetroffen  haben,  was  ich  nach  Untersuchungen  an  einem  Hingerichteten 
(Würzb.  Verh.  Bd.  V.)  nicht  bestätigen  konnte,  obwohl  die  Zellen  in  bester  Lage 
waren  und  der  scharfe  Rand  der  Epithelschicht  an  den  verschiedensten  Stellen  ge- 
nau beti-achtet  wurde.  Doch  glaubt  Luschka  beim  Neugebornen  Flimmerhärchen 
zu  bemerken. 

Der  Streit  über  die  Natur  der  Cor2)ora  amylacea  dürfte  sich  noch  mehr  ver- 
wickeln, da  Beniak  gefunden  hat,  dass  auch  der  Hirnsand,  wenn  er  mit  Jod  und 
Schwefelsäure  behandelt  wird,  die  von  Virchow  an  den  Corp.  amyl.  entdeckte 
Eigenschaft  hat.  Behandelt  man  nämlich  den  Hirnsand  mit  Jod  und  setzt  dann 
Schwefelsäure  hinzu,  so  sieht  man  unter  dem  einfachen  Mikroskop  von  den  Körner- 
haufen einen  blauen  Strom  ausgehen,  innerhalb  dessen  die  Gypskrystalle  und  zwar 
mit  blauer  Farbe  anschiessen.  Nimmt  man  sehr  verdünnte  Schwefelsäure ,  so  bil- 
den sich  die  blauen  Krystalle  innerhalb  der  Körner  selbst,  und  da  die  letzteren 
noch  ihr  gelbbraunes  Ansehen  bewahren,  so  zeigt  sich  stellenweise  ein  grünes 
Farbenspiel. 


174  Vom  Nervensystem  der  Wirbelthiere. 


Zehnter  Abschnitt. 
Vom  Nervensystem  der  Wirbelthiere. 

§.  164. 
Die  Nervencentren,  Gehirn  und  Rückenmark,  bestehen  aus 
Bindesubstanz  mit  den  Blutgefässen ,  Ganglienzellen  und  Nerven- 
fasern. Vom  Gehirn  der  Selachier  hatte  ich  schon  früher  angege- 
ben,  dass  die  graue  Substanz  durch  zarte  bindegewebige  und  gefäss- 
haltige  Umhüllungen  in  kugelige  (beim  Landsalamander  in  längliche, 
zur  Höhle  der  Hemisphäre  radiär  gerichtete)  Massen  geschieden  werde, 
besonders  aber  ist  in  den  Arbeiten  von  Bidder  und  seinen  Schü- 
lern Owsjannikow  und  Kupfer  dem  Bindegewebe  in  den  Nerven- 
centren der  Fische  und  Batrachier  eine  grössere  Aufmerksamkeit 
zugewendet  worden.  Die  durchsichtige  grauliche  Substanz,  welche 
bei  verschiedenen  Fischen  in  wechselnder  Ausdehnung  den  Central- 
kanal  des  Rückenmarkes  umgiebt,  besteht  lediglich  aus  Bindegewebe 
mit  verästelten  Bindcgewebskörperchen.  Von  dieser  Bindegewebs- 
hülle des  Centralkanales  geht  nach  vorn  und  hinten  je  ein  Fortsatz 
bis  zur  Pia  mater  und  bildet  so  die  vordere  und  hintere  Rücken- 
marksspalte. Es  gehen  aber  noch  ausserdem  von  der  Bindegewebs- 
masse  eine  Anzahl  feiner  Bündel  durch  die  weisse  Substanz  bis  zur 
Pia  mater,  wodurch  sie  in  eine  Anzahl  von  Faszikeln  zerfällt  wird. 
Aber  auch  die  Ganglienzellen  sind  in  Bindegewebe  eingebettet,  wel- 
ches hier  besonders  weich  und  hyalin  erscheint.  Ein  ähnliches  Stroma 
von  Bindesubstanz  für  die  nervösen  Elemente  lässt  sich,  wie  Kupfer 
gezeigt  hat,  vom  Rückenmark  des  Frosches  nachweisen.  Von  der 
Pia  mater  aus  durchzieht  ein  bindegewebiges  Fachwerk  das  Rücken- 
mark und  häuft  sich  wie  bei  Fischen  und  dem  Menschen  besonders 
um  den  Centralkanal  an,  wo  sie  bisher  fälschlich  als  graue  Nerven- 
substanz beschrieben  wurde.  In  dem  Bindegewebe  lassen  sich  Binde- 
gewebskörperchen  und  aus  ihnen  hervorgegangene  elastische  Fa- 
sern unterscheiden. 

§.  165. 
Ganglien-  Anlauffcnd  die  nervösen  Elemente,  so  findet  Owsjannikow  im 

/.eilen  und  <--'  '  ^ 

Nervenfasern  Rückenmark  von  Ammocoetes  und  Petromyzon  zwischen  jenen  sehr  brei- 
und  uu.;kcn-ten,  vou  JoJi.  Müller  zuerst  beschriebenen  Nervenfasern  grosse  runde 
Ganglienzellen,  welche  zwei  breitere  Ausläufer  nach  dem  Kopfe 
und  Schwänze  zu  schicken ;  an  herausgenommenen  Zellen  sieht  man 
diese  Ausläufer  sich  in  viele  feine  Fäscrchcn  spalten.  Besondere 
Lagen  im  Rückenmark   bilden  spindelförmige  Zellen,    von    denen  vier 


Nervencentren. 


175 


bis  fünf  Ausläufer  in  folgender  Ordnung  sich  abzweigen  :  ein  Aus- 
läufer geht  quer  durch  die  Längsfasern  in  die  hintere  Wurzel  eines 
Rückenmarksnerven,  ein  zweiter  geht  in  die  vordere  Nervenwurzel, 
ein  dritter  steigt  zum  Gehirn  auf,  ein  vierter  geht  als  Commissurfaser 
quer  zur  anderen  Hälfte  über.  Der  zuweilen  vorhandene  fünfte  Aus- 
läufer schien  sich  mit  einem  Ausläufer  einer  zwischen  den  breiten 
Nervenfasern  gelegenen  runden  Zelle  zu  verbinden. 

Fig.  90. 
B 


Querschnitt  des  Rückenmarks  von  Salrao  salar,    nacli  Oivsjannikoto. 
A   vordere    Rückenmarksspalte  ,    B   hintere ,    C    Centralkanal ,    von   Cylinderepithel 
ausgekleidet,    D  Bindegewebe,  welches  den  Centralkanal  umgiebt  und  Fortsätze  in 
die  hintere  und  vordere  Rückenmarksspalte  schickt,  E  vordere  Wurzel,  F  Coramissur- 
fasern,    G  Fasern    der  hinteren   Wurzel,    H  Bindegewebe,    I  die  Nervenfasern    der 

weissen    Substanz    quer    durchschnitten,    K    Blutgefässe,    quer    durchschnitten, 

L  Ganglienzellen. 

Die  Nervenfasern  des  Rückenmarks  sind  einmal  feine,  welche 
auf  beiden  Seiten  der  Medulla  die  äusserste  Schicht  bilden,  und  zwei- 
tens die  s.  g.  ilfw  ^/er'schen  Fasern,  jene  kolossal  breiten,  welche  sich 
zu  beiden  Seiten  des  Centralkanales  finden.  Sie  haben  nicht  im 
ganzen  Rückenmark  denselben  Durchmesser,  sind  gegen  den  Kopf- 
theil  am  breitesten,  verschmälern  sich  aber  an  der  Schwanzgegend  so 
beträchtlich,  dass  sie  endlich  nur  vom  Breitendurchmesser  der  übrigen 
Längsfasern  sind.  Im  verlängerten  Mark  gehen  sie  in  grosse  runde 
Ganglienzellen  über.  —  Die  Nervenzellen  in  dcv  Medulla  anderer 
Fische  {Lucioperca  sandra ,  Esox  lucius ,  Halmo  salar ,  8.  trutta, 
Äcipenser  sturio,  Thymallus  etc.),  welche  zwischen  den  Längsnerven- 
fasern im  Bindegewebe  eingebettet  sind,  haben  eine  meist  dreieckige 
Gestalt,   Kern   und  Kernkörperchen,     Von  jeder  solchen  Zelle   sieht 


b 


176 


Vom  Nervensystem  der  Wirbelthiere. 


man  drei  Ausläufer  nach  drei  Richtungen  ausgehen ,  von  denen  der 
eine  bis  in  die  vordere  Wurzel,  der  zweite  bis  in  die  hintere  Wurzel, 
der  dritte  vor  dem  Centralkanal  zur  anderen  Hälfte  des  Rückenmarks 
geht  und  sich  mit  einer  entsprechenden  Zelle  derselben  verbindet. 

Auf  Längsschnitten  des  Rückenmarkes  kann  man  jede  Faser  einer 
vorderen  Wurzel  bis  zu  einer  Nervenzelle  verfolgen  und  sieht  aus 
jeder  solchen  Zelle  eine  zweite  Faser  nach  oben  aufsteigen.  So  ent- 
steht die  weisse  Substanz,  deren  nahezu  parallele  Fasern  bis  zu  den 
Nervenzellen  des  Gehirns  gehen;  aus  dieser  Entstehungsweise  erklärt 
sich  auch,  warum  die  weisse  Substanz  vom  Schwänze  nach  dem  Kopf 
immer  mehr  an  Dicke  zunimmt. 

Fig.  91. 


öclicmatische     Figur     zur     Erläuterung     des    Faserverlaufes     im 

Rückenmark, 
a  vordere,   b  hintere  Wurzel.     Man  sieht,  wie  immer,  eine  sensible  und  motorische 
Faser  in  einer  Ganglienzelle  zusammentreffen,  aus  der  eine  Faser  zum  Gehirn  auf- 
steigt  und    ein    anderer  Ausläufer    als  Commissurfaser   zu   den  Gauglienkugeln  der 

andern   Kückenniarkshälfte   geht. 


Kückenmark,  Zirbel.  177 

§.  166. 
Dcas  Rückenmark  des  Frosches  verhält  sich  nach  Kupfer 
im  Wesentlichen  ebenso  wie  das  der  Fische.  Die  grossen  Nerven- 
zellen sind  nach  aussen  von  der  bindegewebigen  ,  den  Centralkanal 
umgebenden  grauen  Substanz  in  drei  Säulen  angeordnet  und  jede  Zelle 
hat  meist  drei  (nicht  selten  vier)  Ausläufer;  die  zwei  seitlichen  gehen 
in  die  beiden  Nervenwurzeln,  der  dritte  vordere  und  vierte  untere 
verlieren  sich  gegen  die  vordere  Spalte  zu  und  wahrscheinlich  dient 
wie  bei  den  Fischen  der  dritte  als  Commissurfaser  zu  Zellen  der 
anderen  Kückenmarkshälfte.  Die  Nervenfasern,  die  weisse  Substanz 
bildend,  nehmen  wieder  die  beiden  äusseren  Seitentheile  des  Rücken- 
markes ein. 

§.  167. 

Etwas  eigenthümliche  Partien  des  Gehirns  sind  die  Zirbel  und 
der  Hirnanhang,  indem  sie  mehr  oder  minder  deuthch  den  Bau 
der  s.  g.  Blutgefässdrüsen  zu  erkennen  geben.  Bei  Fischen  (Stör  z.  B.) 
besteht  die  Zirbel  aus  ziemlich  derbhäutigen,  von  vielen  Blutgefässen 
umsponnenen  Blasen  oder  Schläuchen  mit  Ausbuchtungen ;  ganz  ähn- 
lich ist  sie  bei  Reptilien  (Salamander,  Proteus,  Blindschleiche,  Eidechse) ; 
in  den  Stiel  der  Zirbel  treten  sehr  allgemein  einige  dunkelrandige 
Nervenfibrillen  herein.  Bei  Säugethieren  {Mus  musculus  wenigstens) 
ist  die  Zirbel  vom  Bau  des  Hirnanhanges  der  Reptihen.  Der  Hirn- 
anhang nämlich  ,  zwar  ganz  analog  der  Zirbel  construirt ,  zeigt  sich 
doch  darin  verschieden ,  dass  die  Bindesubstanz,  welche  die  blasen- 
artigen Räume  herstellt  und  die  Blutgefässe  trägt,  zarter  als  bei  der 
Zirbel  ist,  und  während  die  Blasen  und  Schläuche  der  letzteren  mit 
einem  einfachen  Epithel  ausgekleidet  sind,  werden  sie  im  Hirnanhang 
mit  rundlichen  Zellen  (Stör,  Rochen)  oder  mit  feiner  Punktmasse  und 
Kernen  (Reptilien)  dicht  erfüllt ,  verlieren  daher  mehr  oder  minder 
ihren  blasigen  Charakter  und  werden  zu  soliden  Ballen. 


Zirbel  und 
Ulruauhang  . 


^Ö 


§.     168. 

Die  häutigen  Umhüllungen  der  Nervencentren  stinunen  bei  HäuugeUm- 

•       -i  ITlTll  hüllungen. 

den  Säugethieren  wohl  im  Allgemeinen  mit  denen  des  Menschen  uber- 
ein.  Es  ist  eine  harte  Haut,  eine  Spinnwebenhaut  und  Gefässhaut  vor- 
handen; ob  bei  den  Vögeln  noch  eine  besondere  Ärachnoidea  da  ist, 
möchte  zweifelhaft  sein,  und  für  Amphibien  und  Fische  scheint  der 
Mang-el  einer  eigenen  hautartigen  Ärachnoidea  gewiss.  Statt  ihrer 
spannt  sich  bei  Fischen,  deren  Gehirn  die  Schädelkapsel  nicht  ausfüllt, 
zwischen  Dura  mater  und  Pia  mater  ein  bindegewebiges  Netzwerk  hin, 
das  zur  Aufnahme  von  Gallerte  {ßaleus  canis,  Scymnus  lichia),  oder 
Fettzellen  (viele  Teleostier)  dient;  oder  auch  leer  sein  kann  {Raja 
clavata,  im  Leben  wahrscheinlich  mit  Flüssigkeit  gefüllt).  Beim  Stör 
liegt  hier  eine  Aveiche ,   pulpöse   Masse ,    deren    fernerer  Bau    an   die 

Leydig,    Histologie.  12 


178  Vom  Nervensystem  der  Wirbelthiere. 

Lymphdrüsen  erinnert.  Die  harte  Haut  ist  immer  aus  festem  Binde- 
gewebe geformt,  hat  mitunter  auch  viel  schwarzes  Pigment  (Hammer- 
hai z.  B.);  bei  vielen  Säugethieren  verknöchert  der  unter  dem  Namen 
Hirnzelt  [Tentorium  cerehelli)  bekannte  Fortsatz,  bei  Vögeln  auch  zum 
Theil  der  Sichelfortsatz,  was  sich  beim  Schnabelthier  noch  einmal 
wiederholt. 

Die  Pia  mater  ist  immer  äusserst  gefässreich,  hat  auch  eigene 
Nervenfasern  (Stör)  und  ist  bei  niederen  Wirbelthieren  häufig  pig- 
mentirt.  Sie  hat  ferner  eine  entschiedene  Neigung  zu  kalkigen  Ab- 
lagerungen ;  in  wie  weit  bei  den  Säugethieren  Hirnsand  vorkommt,  ist 
noch  nicht  bekannt  (^Söminering  will  ihn  bloss  beim  Dammhirsch, 
Malacarne  bei  der  Ziege  gefanden  haben) ;  hingegen  beobachtet  man 
Kalkablagerungen  in  den  Epithelzellen  der  Plexus  cJwroidei*)  bei 
Rochen  und  Haien.  Der  Stör,  das  Neunauge  sollen  auch  „härtere 
Scheibchen "  an  den  Umhüllungen  des  Gehirns  haben,  und  die  zahl- 
reichen Kalkkrystalle,  welche  bei  nackten  Reptilien  die  Gefässhaut  be- 
decken, gehören  ebenfalls  hierher. 

Die  Plexus  choroidei  vielleicht  aller  Wirbelthiere  Himmern.  Von 
den  Säugethieren  hatte  Valentin  längst  die  Flimmerung  dieser  Theile 
angegeben,  während  ich  sie  in  mehreren  Fällen  vermisste ;  vor  Kurzem 
indessen  prüfte  ich  abermals  junge  (noch  blinde)  Katzen  hierauf  und 
überzeugte  mich  von  der  Anwesenheit  des  Cilienspieles.  Auch  bei 
anderen  Wirbelthieren  tragen  sie  ein  deutliches  Wimperepithel :  bei 
Vögeln  (ich  sah  es  bei  der  Taube),  Fischen  (Selachiern,  Stör)  und 
Amphibien  (Frosch,  Landsalamander).  Ebenso  verbreitet  ist  die  Flim- 
merung des  aus  Bindegewebe  und  Epithel  zusammengesetzten  Epen- 
dyma's  der  Gehirnhöhlen.  Ich  sehe  es  deutlich  flimmern  beim  Kanin- 
chen und  Eichhörnchen  im  vierten  Ventrikel,  die  Zellen  sind  kurz 
cylindrisch,  der  Kern  und  die  Cilien  gut  sichtbar;  an  neugeborenen 
Hunden  und  Spitzmäusen  Avimpert  das  Ependyma  aller  Hirnhöhlen, 
wo  die  Cilien  zwar  sehr  zart,  aber  deutlich  sind.  Auch  bei  Ilaien  (an 
einem  Gehirn  in  Chromsäure)  glaube  ich  sehr  feine  Cilien  auf  langen, 
schmalen  Zellen  wahrzunehmen,  welche  die  Hirnhöhlen  begrenzen. 
Am  lebenden  Thier  war  nichts  davon  bemerkt  worden.  —  Das  Epen- 
dyma um  den  Centralkanal  des  Rückenmarks  bildet  am  s.  g.  Sinus 
rhomboidalis  der  Vögel  eine  dicke,  die  rautenförmige  Grube  ausfüllende 
Masse  und  zeigt  die  Struktur  des  gallertigen  Bindegewebes. 


*)  Bei  den  Kiiochenrischcn  sollen  nach  der  Angabe  Mancher  die  Plexus 
choroidei  fehlen,  was  nicht  richtig  ist;  sie  sind  zwar  •weniger  entwickelt,  aber 
doch  deutlich  voi'handcn,  besonders  am  vierten  Ventrikel ,  und  haben  den  gleichen 
histologischen  Bau  wie  bei  andern  Thieren,  d.  h.  bestehen  aus  Bindegewebe,  zahl- 
reichen, in  den  Stämmen  häufig  pigmentirtcn  Blutgefässen  und  dem  leicht  vergäng- 
lichen l'])itliel,  das  bei  Sahno  tSalreiinus  z.  B.  nicht  den  gewöhnlichen  körnigen 
Inhalt   liat,   soudei-n   sehr   hell    ist. 


Peripherische  Nerven.  179 

§.  169. 

Der  Bau  des  peripherischen  N  er  vensys  t  eines  stimmt  Peripueri 
wieder  in  den  Hauptzügen  mit  dem  des  Menschen  überein ;  es  besteht  Nerven- 
aus  den  cerebrospinalen,  sowie  sympathischen  Nervensträngen  sammt  ^y"""- 
den  dazu  gehörigen  Nervenknoten.  Das  Bindegewebe,  w^elches  die 
nervösen  Elemente  sondert  und  vereinigt ,  das  s.  g.  Neurilera,  er- 
scheint in  den  Kopfnerven  mancher  Plagiostomen  schwarz  pigmentirt. 
Die  Färbung  geschieht  erst  beim  Austritt  aus  der  Hirnkapsel ,  und 
weil  sich  die  Pigmentzellen  auch  auf  die  Fortsetzungen  des  Neurilems 
in's  Innere  der  Nerven  erstrecken,  so  erscheinen  auch  die  sekundären 
Faszikel  schwärzlich.  Dies  ist  der  Fall  z.  B.  vom  Trigeminus  des 
Galeiis  canis,  vom  Opticus  mehrerer  Rochen  u.  a.  Beim  Frosch  gehört 
die  Pigmentirung  der  sympathischen  Nerven  lediglich  der  abstreifbaren 
Hülle  an;  hier  sind  auch  im  Neurilem  zahlreiche  Fettträubchen.  Ferner 
ist  die  Menge  und  Stärke  des  Neurilems  grossem  Wechsel  unterworfen ; 
in  das  Ganglion  Trigemini  von  Scymnus  lichia  z.  B.  ist  weit  mehr 
Bindegewebe  eingemischt,  als  in  denselben  Theil  bei  GMmaera  mon- 
strosa ,  wesshalb  auch  hier  bei  der  Behandlung  des  Ganglions  mit 
Nadeln  die  Nervenfasern  gar  leicht  auseinanderfallen. 

Die  Nervenfasern  scheiden  sich  sehr  allgemein  in  dunkel- 
randige  (mit  Fettscheide  versehene)  und  in  graue  {Remak' sohe 
Fasern).  Die  ersteren,  verschieden  breit  (bei  Fischen  stösst  man  auf 
die  breitesten  dunkelrandigen  Fasern),  setzen  hauptsächlich  die  cerebro- 
spinalen  Nerven  zusammen ;  die  der  zweiten  Art  bilden  die  vorherrschen- 
den Elemente  des  SympathicuSj  wobei  in  Erinnerung  gebracht  werden 
soll,  dass  es  zwischen  den  echt  dunkelrandigen  und  den  echt  blassen 
(oder  i^  e  m  a  ^ '  sehen)  Fasern  sichere  Uebergangsformen  giebt,  wie  ich 
dergleichen  im  Grenzstrang  vom  erwachsenen  Salamander  beschrieben 
habe.  Von  vielfachem  Interesse  ist,  dass  unter  den  Wirbelthieren  die 
Cyklostomen  gar  keine  Nerven  mit  der  Mark-  oder  Fettscheide 
besitzen,  sondern  alle  Nervenfasern  nur  aus  der  zarten  Hülle  und  der 
dem  Achsencylinder  entsprechenden  granulär-streifigen  Nervensubstanz 
bestehen.  Petromyzon,  Ammocoetes  nähern  sich  mit  dieser  Ver- 
einfachung den  wirbellosen  Thieren. 

§.  170. 
Die  Nervenzellen  oder  Ganghenkugeln  sind  in  den  Spinalganghen 
und  dem  des  Trigeminus  und  Vagus  bipolar  (bei  Chimaera  monstrosa 
sah  ich  a.  a.  O.  im  Knoten  des  Quintus  eine  sehr  grosse  Ganglien- 
kugel mit  vier  Nervenfasern  —  zwei  central,  zwei  peripherisch  ge- 
richteten —  in  Verbindung).  In  den  sympathischen  Ganghen  scheinen 
die  multipolaren  Ganghenzellen  vorzuherrschen.  Bei  Säugethieren 
fand  Remak  multipolare  Zellen,  wie  schon  oben  erwähnt,  mit  3  — 12 
Ausläufern,  zum  Theil  durch  Verästelung  entstanden.  Die  Zahl  der 
Ausläufer  richtet  sich  nach  der  Zahl  der  mit  dem  Ganglion  ver- 
bundenen Nerven,  sie  ist  in  den  Grenzganglien  kleiner  als  im  Plexus 

12* 


180  Vom  Nervensystem  der  Wirbelthiere. 

solaris.  Bei  Fischen  und  Batrachiern  sieht  man  im  Sympathicus  an- 
scheinend nur  unipolare  Ganglienkugehi ,  allein  sie  dehnen  sich  nach 
einer  Seite  zu  einem  Fortsatz  aus  ,  welcher  sich  durch  sehr  blasse, 
kaum  sichtbare  Conturen  auszeichnet;  eine  grössere  oder  geringere 
Strecke  vom  Ursprung  entfernt ,  theilt  sich  dieser  Fortsatz  in  zwei 
Aeste,  welche  zu  sympathischen  Fasern  werden  und  immer  nach  der- 
selben Richtung  verlaufen  {Küttner).  Wenn  sich,  was  wahrschein- 
lich ist,  letztere  weiter  hin  theilen,  so  können  diese  unipolaren  Zellen 
den  multipolaren  dadurch  gleichwerthig  werden.  Die  apolaren  Ganglien- 
zellen sind  immer  verstümmelte  Objekte. 

Sehr  merkwürdig  verhalten  sich  die  sympathischen  Ganglien  des 
Grenzstranges  bei  Selachiern  und  Reptilien  dadurch,  dass  die  s.  g. 
Nebennieren  integrirende  Abschnitte  der  Ganglien  bilden ,  wovon 
unten. 

§.  171. 
Als  das  physiologisch  wichtigste  Ergebniss,  das  durch  die  neueren 
Forschungen  über  die  Struktur  des  Nervensystemes  der  Wirbelthiere 
gewonnen  wurde,  muss  die  Beobachtung  betrachtet  werden,  dass  die 
sensitiven  und  motorischen  Nervenfasern,  welche  durch  die  hinteren 
und /vorderen  Wurzeln  in  das  Rückenmark  hereingetreten  sind,  in  je 
einer  Zelle  zusammenkommen,  von  welcher  dann  nur  eine  einzige 
Leitungsfaser  zum  Gehirn  aufsteigt,  um  dort  sich  mit  dem  Ausläufer 
einei-  multipolaren  Zelle  zu  verbinden.  Das  andere  nicht  minder 
wichtige  Ergebniss  ist  die  Erfahrung ,  dass  zahlreiche  multipolare 
Zellen  im  sympathischen  Systeme  vorkommen ,  deren  Ausläufer  als 
Nerven  weiter  gehen,  und  da  durch  die  Gegenwart  multipolarer  Zellen 
jedem  Gebiet,  wo  sie  nur  vorkommen,  der  Charakter  eines  Central- 
theiles  oder  einer  einheitlichen  Mitte  zugesprochen  werden  muss,  so 
ist  für  die  Zukunft  eine  gewisse  Selbständigkeit  des  Sympathicus  auch 
von  anatomischer  Seite  kaum  mehr  in  Abrede  zu  stellen. 

Die  unter  Bidder's  Leitung  erschienenen  werthvollen  Arbeiten  sind:  Mikrosk. 
Untersuchungen  über  die  Textur  des  Kükenmarkes  von  Ph.  Owsj annikow, 
Inaug.  diss.  1854  ;  über  die  Struktur  des  Rückenmarkes  bei  den  Fröschen,  insbe- 
sondere über  die  Beschaffenheit  der  grauen  Substanz  desselben  von  C.  Kujjfe  r, 
Inaug.  diss.  1854;  der  Ursprung  des  Sympathicus  bei  Fröschen,  aus  den  Verände- 
rungen durchschnittener  Nerven  erforscht  \o\\  C.  K üt  tner,  Inaug.  diss.  1854.  Sehr 
gute  Auszüge  aus  diesen  Dissertationen  finden  sich  von  0.  Funke  in  d.  Schmidt'- 
schen  Jalirbücliern  der  ges.  Medizin  1855,  Bd.  86  Nr.  3.  —  Metzler,  de  mednllae 
spinalis  avium  textura,  Dorp.  —  Uebcr  den  Bau  der  grauen  Säulen  im  Kückenmark 
der  Säugethiere  hat  auch  Jiemak  in  der  deutschen  Klinik  1855  S.  295  folgende 
kurze  Mittheilungen  gegeben.  1)  Jede  Zelle  tritt  mit  einer  motorischen  Nerven- 
wurzelfaser  in  Verbindung.  2)  Die  übrigen  centralen  Fortsätze  unterscheiden  sich 
physikalisch  und  chemisch  von  jener  Faser.  3)  Die  Zahl  der  übrigen  Fortsätze 
ist  durch  zwei  theilbar,  und  eben  so  viele  Fortsätze  verlaufen  nach  dem  Kopf, 
wie  nach  dem  Schwanz,  eben  so  viele  nach  hinten,  wie  nach  vornen. 

Detail  über  Zirbel  und  Hirnanhang  siehe  bei  Ecker  in  Wagner^s  Handw. 
der  J'hys.  und  Leydiy,   Unters,   über  Fische  und  Kept.  —  Die  Lymphdrüsen-ähn- 


Vom  Nervensystem  der  Wirbellosen.  181 

liehe  Masse  in  der  Schädelkapsel  des  Störs  ist  weich,  grauröthlich ,  sie  besteht  ans 
einem  gefässreichen  Bindegewebe,  welches  areoläre  Räume  bildet,  die  mit  runden, 
farblosen  Körnchenzellen  gsfüllt  sind. 

Um  die  Plexus  choroidei  bei  der  Taube  und  der  Katze  wimpern  zu  sehen, 
muss  man  sie  vom  frischen  Thier  untersuchen  und  zur  Befeuchtung  Humor  aqueus, 
Zuckerwasser  u.  dgl.  nehmen.  Da  ich  diesmal  nur  junge  Thiere  untersuchte,  so 
darf  man  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht,  wie  an  der  übrigen  Auskleidung  des  Ge- 
hirns, die  Wimperung  bis  auf  den  Bezirk  des  vierten  Ventrikel  schwindet.  Ueber 
die  Gallertmasse  im  Sinus  rhomboidalis  der  Vögel  vergl.  Müll.  Arch.  1854  S.  334. 


Elfter  Abschnitt. 
Vom  Nervensystem  der  Wirbellosen. 

§.  172. 

Auch  am  Nervensystem  (den  Centren  und  peripherischen 
Nerven)  der  Wirbellosen  hat  man  zu  unterscheiden  zwischen  dem 
stützenden  Bindegewebe  und  den  nervösen  Elementen. 

Das  Bindegewebe  oder  Neurilem  erscheint  entweder  durchaus  Neuniem. 
oder  wenigstens  immer  da,  wo  es  zunächst  die  nervösen  Gebilde  um- 
hüllt, rein  homogen  oder  leicht  streifig  und  mit  einzelnen  Kernen 
versehen.  Nach  auswärts  geht  es  mitunter  zur  Verbindung  mit  der 
Umgebung  in  andere  Formen  der  Bindesubstanz  über,  beim  Fluss- 
krebs z.  B.  in  gallertiges  Bindegew^ebe,  bei  Mollusken  in  jene  zellige 
Art  der  Bindesubstanz,  wie  sie  auch  sonst  zwischen  den  Organen  sich 
befindet.  Wie  bei  Wirbelthieren  kann  die  Bindesubstanz  des  Nerven- 
gewebes auch  pigmenti rt  sein  {Scolopendra  forficata  z.  B.  zeigt 
allenthalben  über  das  Neurilem  weg  violette  zerstreute  Pigmenthaufen ; 
Hirudo,  Haemopis  haben  eine  äussere  stark  braun  oder  schwarz  pig- 
mentirte  Neurilemhülle,  deren  weithin  verzweigte  Pigmentzellen  den 
ßindegew^ebskörperchen  entsprechen) ;  oder  die  Zellen  des  Binde- 
gewebes können  Kalk  enthalten  {Helix,  Limax  u.  a. ;  in  dem  Neurilem 
des  Regenwairmes  haben  die  Kerne  zum  Theil  fetttropfenähnliche 
Nucleoli,  ausserdem  unterscheidet  man  noch  scharfconturirte,  haufen- 
weis gruppirte  Körperchen;  die  kreideweissen  undurchsichtigen  Kerne, 
welche  Will  aus  den  Zellen  des  Neurilems  der  Ascidien  beschreibt, 
sind  wohl  ebenfalls  Kalk  gewesen).  Wo  im  Körper  eines  Thieres  bis  in 
die  feineren  Verzweigungen  individualisirte  Blutgefässe  vorkommen, 
trifft  man  sie  auch  im  Neurilem  (Regenwurm  z.  B. ,  wo  der  Bauch- 
strang sehr  gefässreich  ist  und  ebenso  die  abgehenden  Aeste).  Das 
Neurilem  gibt  am  Gehirn  und  den  Ganglien  Scheidewände  nach 
innen  ab ,  wodurch  Abtheilungen  entstehen ,  in  denen  die  nervö- 
sen   Elemente    verpackt    sind.      Bei   den    Arthropoden    erscheint    die 


182 


Vom  Nervensystem   der  Wirbellosen. 


Sonderling  der  Ganglien  in  einzelne  Absclmitte  schwächer  ausge- 
drückt, als  z.  B.  an  den  Hirudineen.  Noch  schärfer  wird  die  Tren- 
nung bei  den  Gasteropoden,  wo  sich  die  Portionen  des  Ganglions  bis 
auf  einen  gewissen  Grad  isoliren ,  so  dass  sie  nur  wie  durch  Stiele 
untereinander  zusammenhängen,  und  das  Nervencentrum  nähert  sich 
dadurch  in  seinen  Umrissen  dem  traubigen  Aussehen.  Bei  Lymnaeus 
z.  B.  besteht  schon  das  Gehirn  aus  einer  ziemhchen  Anzahl  einzelner 
Ganglienportionen  und  bei  Thetys  stellt  diess  Organ  geradezu  eine 
traubige  Masse  vor.    —   Bei  sehr  niedrig  stehenden  Thieren  (Turbel- 


Ganglien- 
ku^eln, 
Nerven- 
fasern. 


Ein  Stück  vom  Gehirn  der  Thetys.     (Starke  Vergr.) 

larien  z.  B.,  auch  beim  Regenwurm)  scheint  das  Neurilem  des  Gehirns 
und  der  Ganglien  sich  auf  eine  einfache  Umhüllung ,  ohne  Septen- 
bildung,  zu  beschränken. 

§.  173. 
Die  Nervencentren ,  (Gehirn  und  Ganglien)  sind  Aggregate  von 
Nervenzellen  und  fibrillärer  N  ervensubstanz,  welch  letz- 
tere wie  oben  (s.  Nervengewebe)  erörtert  wurde,  auch  einen  mehr 
ausgesprochenen  Charakter  wirklicher  Fasern  angenommen  haben 
kann.  Die  Ganglienzellen  sind  entweder  ohne  Fortsätze  (apolar), 
oder  mit  einem  (unipolar),  zweien  (bipolar),  oder  selbst,  jedoch  sel- 
ten, mit  mehr  als  zwei  Fortsätzen  versehen  (multipolar),  wie  solche 
Meissner  von  Merrms ,  Hancok  von  Doris,  Wedl  von  Nema- 
toden abgebildet  haben.  Der  Verlauf  und  Zusammenhang  aller  zelli- 
gen und  faserigen  Elemente  unter  sich  ist  übrigens  noch  von  keinem 
einzigen  Thier  näher  bekannt.  Die  unipolaren  Ganglienkugeln  im 
Gehirn  scheinen  zum  Theil  ihre  Ausläufer  einander  zur  Verbindung 
zuzusenden,  wodurch  jene  faserigen  Commissuren  entstehen,  wie  man 
sie  bei  Egeln  (Piscicola  z.  B.),  Mollusken  sieht,  welche  die  mit  Gang- 
lienzellen erfüllton  Portionen  des  Nervencentrums  brückenartig  ver- 
knüpfen. Ein  anderer  Thoil  der  unipolaren  Zellen  entsendet  seine 
fibrilläre  Substanz  sowohl  in  die  unmittelbar  vom  Gehirn  periphe- 
risch sich  verzweigenden  Nerven,  als  auch  in  jene  Stränge,  w^elche 
abermals  auf  zerstreute  Ganglien  (bei  den  IMolluskcn)  oder  auch 
regelmässig  geordnete  Ganglien  stosscn,  wie  bei  Anneliden,  Arthro- 
poden.   An  den  Ganglien  des  Bauchstranges  vom  Blutegel,  welche 


( 


Faserverbnif. 


183 


hierauf  ncimentlich  geprüft  wurden,  ist  es  durch  die  Untersuchungen 
von  Will,  H elmholtz,  Bruch  festgestellt,  dass  abermals  unipolare 
Ganglienzellen  ihre  nervösen  Fortsätze  peripherisch  entsenden.  Bruch 
hat  die  Topographie  der  nervösen  Elemente  in  folgender  Art  nälier 
geschildert.  Die  Verbindungsstränge,  welche  vorn  in  das  Ganglion 
eintreten,  gehen  am  hinteren  Ende  wieder  heraus,  ohne  sich  zu  ver- 
binden oder  ihre  Fasern  auszutauschen.  An  der  Eintrittsstelle  so- 
wohl, als  beim  Austritt  findet  sich  eine  Einschnürung  an  jedem 
Strang,  hervorgebracht  durch  die  bindegewebigen  Septen  des  Gang- 
lions. Auch  die  Seitennerven  zeigen  diese  Einschnürung  an  den 
Austrittsstellen.  Die  Fasern  der  in  das  Ganglion  eintretenden  Ver- 
bindungsstränge verlassen  nicht  alle  wieder  das  Ganglion  hinten,  son- 
dern ein  Bündel  derselben  geht  gleich  nach  dem  Eintritt  jederseits 
zum  vorderen,  ein  anderes  zum  hinteren  Seitennerven.  Zu  den  von 
den  Verbindungssträngen  gelieferten  Fasern  gesellen  sich  nun  neue 
aus  dem  Ganglion  stammende.  Die  Ganglienkugeln  liegen  wie  im 
Gehirn  in  bestimmten  Gruppen  beisammen  und  mischen  ihre  nervö- 
sen Ausläufer  den  Seitennerven  zu  und  zwar  gehen  namentlich  die 
oberflächlich  und  mehr  peripherisch  gelegenen  der  einen  Seite  in  die 

Fig.   93. 


Fascrvciiaiif 

bei  E^eln, 

Krusten- 

thiercn  etc. 


S  c  h  c  Hl  ;i    z  u  1-   V  e  r  s  i  n  n  1  i  c  h  11  n  g    des    iii  u  t  h  m  a  n  s  s  1  i  c  L  c  n    F  a  s  c  r  v  e  r  1  a  u  f  e  s    im 
Gehirn   (A)   und   ersten  Ba  ucli  ganglio  n   iVy)  von    Tiscicola. 


184  Vom  Nervensystem  der  Wirbellosen. 

austretenden  Seitennerven  der  anderen  Seite  über,  so  dass  eine  Durch- 
krenzung  der  von  beiden  Seiten  übertretenden  Fasern  in  der  Mitte 
statt  findet,  während  ein  anderer  Theil  der  mehr  nach  innen  und 
unten  entspringenden  Fortsätze  sich  nach  abwärts  schlägt,  um  mit 
dem  Verbindungsstrange  ihrer  Seite  das  Ganghon  zu  verlassen.  Die 
Fortsätze  der  beiden  hinteren  Gruppen  der  Ganglienkugeln  schienen 
schief  nach  innen  und  aufwärts  gerichtet  und  es  blieb  zweifelhaft, 
ob  sie  in  die  Seitennerven  oder  aufsteigend  in  die  Verbindungsstränge 
übergingen. 

An  den  Seitennerven  der  Egel  kommen  noch  kleinere  gangliöse 
Anschwellungen  vor,  in  denen  man  anscheinend  apolare  Ganglien- 
kugeln wahrnimmt,  auch  sonst  sind  da  und  dort  einzelne  Ganglien- 
zellen in  die  Substanz  der  Seitennerven  eingeschoben ,  von  denen 
Bruch  solche  mit  doppeltem  Faserursprung,  einem  centralen  und 
einem  peripherisch  verlaufenden,  unterschied. 

§.  174 

In  den  Ganglien  des  Krebses  ist  der  Faserverlauf  nach  Helm- 
holtz  etwas  komplizirter.  Von  einem  jeden  Ganglion  gehen  mei- 
stentheils  an  jeder  Seite  zwei  Nervenäste  aus  und  ebenso  zwei  Ver- 
bindungsstränge vorn  und  hinten  zu  den  benachbarten  Ganglien. 
Die  Vertheilung  der  Nervenfibrillen ,  welche  auf  diese  Weise  mit 
einem  Ganglion  in  Verbindung  treten,  geschieht  so:  ein  Theil  der 
Fasern  der  Verbindungsstränge  geht  fast  gesondert  (mit  Ausnahme 
einzelner  Fasern,  die  hin  und  wieder  in  das  Ganglion  eintreten)  von 
den  übrigen  oberhalb  aller  Ganglien  vorüber  und  kann  daher,  wie 
früher  schon  Newport  bei  Ästacus  marinus  gezeigt  hat,  leicht  abge- 
trennt werden.  Der  übrig  gebliebene  Theil  der  Nervenverbindungs- 
stränge  lässt  sich  in  zwei  Partien  scheiden,  von  welchen  die  untere 
ganz  in  die  Ganglien  übergeht,  die  obere  dagegen  zum  grössten  Theil 
vorbeizieht  und  nur  wenige  Fasern  dem  Ganglion  abgiebt.  Daher 
die  Nervenfibren  allgemein  in  untere,  in  die  Ganglion  eintretende,  und 
in  obere,  vorbeiziehende,  sich  abtheilen  lassen,  so  zwar,  dass  von  der 
letzteren  eine  Partie  schon  in  den  benachbarten  Ganglien  endet,  der 
am  meisten  oberflächlichste  aber  für  die  Verbindung  fernstehender 
Ganglien  bestimmt  ist.  Aus  den  Verbindungssträngen  gehen  seit- 
lich die  Zweige  für  die  Körpertheile  ab.  Helmholfz  sieht  in  die- 
ser Einrichtung  des  Ganglienstranges  bei  den  Krebsen  wesentlich 
dasselbe,  nur  nach  den  Verhältnissen  modifizirte  Gesetz  ausgeprägt, 
welches  auch  bei  den  übrigen  Wirbellosen  sich  zu  erkennen  gebe. 
Ein  jedes  Ganglion  ist  mit  den  beiden  benachbarten  durch  diejenigen 
Fasern  verbunden,  welche  aus  ihm  zu  jenem  und  von  jenem  zu  ihm 
übergehen ;  ausserdem  verlaufen  oberhalb  der  Ganglienkette  diejeni- 
gen Fasern,  durch  welche  entfernter  gelegene  Ganglien  in  Verbin- 
dung stehen  und  von  denen  immer  einzelne  Fasern  zu  den  betref- 
fenden Ganglien  hinabsteigen. 


Peripherische  Nerven.  185 

Den  Faserverlaiif  im  Bauch  werk  der  Myriapoden  hat  Newport 
(1843)  folgendermaassen  beschrieben.  Eine  obere  und  eine  untere, 
der  Länge  nach  verlaufende  Partie,  enthält  getrennt  von  einander 
die  motorischen  und  sensiblen  Nerven,  eine  dritte  Partie  besteht  aus 
transversalen  Fasern,  welche  in  den  Ganglien  von  der  einen  Seite 
quer  nach  der  anderen  herüberlaufen,  eine  vierte  Partie  von  Fasern 
gehe  an  den  Seiten  der  Längskoramissuren  von  dem  einen  Gang- 
lion zu  dem  nächstfolgenden.  Jeder  aus  dem  Bauchmarke  sich  ab- 
zweigende peripherische  Nerv  besteht  aus  Fasern  dieser  vier  Partien. 

In  der  Voraussetzung,  dass  die  neuesten  Mittheilungen  WedVs 
über  das  Nervensystem  der  Nematoden  auf  richtigen  Beobachtungen 
beruhen,  müssen  sie  als  ein  sehr  wichtiger  Beitrag  zur  histologischen 
Kenntniss  des  Nervensystems  der  Evertebraten  begrüsst  werden.  Ich 
verweise  bezüglich  des  Details  auf  die  Abhandlung  selbst  in  den 
Sitzungsb.  der  Wiener  Akad.  1855  und  stelle  das  Resultat  hieher. 
Das  Gehirn  besteht  aus  einem  Agglomerat  von  uni-,  bi-  und  multi- 
polaren Ganglienzellen,  von  denen  die  Nerven  nach  einer  oder  ver- 
schiedenen Seiten  ausstrahlen,  auch  das  Schwanzganglion  ist  eine 
Gruppe  von  Ganglienzellen  mit  seitlich  ausstrahlenden  Bündeln  von 
Nerven.  Diese  beiden  Centralorgane  des  Nervensystems  sind  durch 
Ganglienzellenketten,  welche  der  Längenachse  des  "Wurms  entlang 
gelagert  sind ,  mit  einander  verbunden.  Sowohl  das  System  von 
Ganglienzellen,  welches  an  der  Rückenseite  des  Thieres  ,  als  jenes, 
welches  an  der  Bauchseite  sich  befindet,  besteht  aus  mehrfachen 
Längsreihen  von  Ganghenzellen.  Jede  oblonge  Ganglienzelle  der 
beiden  Stränge  besitzt  einen  vorderen  und  hinteren  Längsfortsatz, 
der  sich  durch  seine  Kürze  auszeichnet  und  stets  nur  dazu  dient, 
die  vorderen  mit  den  hinteren  Zellen  und  umgekehrt,    zu  verbinden. 

Die  sich  peripherisch  verzweigenden  Nerven  der  beiden  Stränge 
entspringen  immer  von  der  einen  oder  anderen  (rechten  oder  linken) 
Seite  der  Ganglienzellen  oder  von  beiden  Seiten  und  nehmen  einen 
zur  Körperachse  queren  Verlauf;  zuweilen  beobachtet  man  einen  que- 
.  ren  oder  schiefen,  auf-  oder  absteigenden  Verbindungsast  zu  einer  nach- 
barlichen, höher  oder  tiefer  gelegenen  Ganglienzelle.  Die  Nerven, 
welche  von  Ganglienzellen  von  ungefähr  derselben  Horizontalebene 
entspringen,  associiren  sich  2  —  4  zu  einem  Bündel. 

§.  175. 
An  den  peripherischen  Nerven  der  Wirbellosen  unterscheidet  Periphen- 
man  wieder  das  bindege wöchige  Neurilem  und  die  Nervensubstanz, 
letztere  ist  entweder  mehr  homogen  und  molekular,  oder  mehr  von  fase- 
rigem Aussehen  (vergl.  oben  Nervengewebe).  Auch  in  die  periphe- 
rischen Nerven  und  namentlich  gegen  die  Endverbreitung  können 
Ganglienkugeln  eingeschoben  sein,  so  z.  B.  in  die  Hautnerven  von 
Carinaria  und  anderer  durchsichtiger  Mollusca  cejjhalophora ,  endlich 
beobachtet  man  auch  terminal  aufsitzende  Ganglienkugeln  bei  Arthro- 


sehe  Nerven. 


186  Vom  Nervensystem   der  Wirbellosen. 

poden,  Rotatorien  u.  a.,  wovon  Näheres  bei  den  Tastwerkzeugen.  Nach 
Faivre  (Gaz.  m^d.  1855.  Nr.  50)  sollen  die  Eingeweidenerven  des 
Blutegels  meist  in  Ganglienzellen  enden. 

Während,  soviel  war  wissen,  bei  den  Wirbeltliieren  allgemein  die 
Enden  der  Muskelnerven  fein  zugespitzt  sich  ausnehmen ,  hören  bei 
verschiedenen  Wirbellosen  {Eolidina,  Anneliden,  Ascariden,  Mermis 
und  anderen  Nematoden,  nach  Doyere,  Quatrefages,  Meissner^ 
Wedl  die  Muskelnerven  bei  ihrem  Ansatz  an  die  Muskelcyhnder 
dreieckig  verbreitert  auf. 

Noch  sei  bezüglich  der  Anhäufung  gangliöser  Elemente  im  Ver- 
lauf der  Nerven  bemerkt ,  dass  ähnlich  wie  bei  Wirbelthieren,  nament- 
lich im  Bereich  des  Sympathicus,  den  Nerven  auf  grössere  Strecken 
weit  Ganglienkugeln  beigegeben  sein  können,  ohne  dass  sich  eine  solche 
Stelle  der  gewöhnlichen  Betrachtung,  da  eben  der  Nerv  nicht  ange- 
schwollen erscheint,  als  Ganglion  manifestirt.  Man  sieht  dergleichen 
Bildungen  bequem  z.  B.  an  den  Eingeweidenerven  von  Limax. 

§.  176. 
Ueber  die  Physiologie  der  Nerven  im  Reiche  der  Wirbellosen  sind  w^ir 
noch  mehr  im  Dunkeln  als  hinsichtlich  der  Physiologie  des  Nervensystemes 
der  Wirbelthiere.  Man  hat  schon  öfters  das  gesammte  Nervensystem 
der  Evertebraten  dem  sympathischen  System  derWirbelthiere  an  die  Seite 
gesetzt,  und  es  lässt  sich  nicht  läugnen,  dass  vielfache  Verglcichungs- 
punkte  sich  darbieten  und  gegenwärtig  um  so  mehr ,  als  durch  den 
Nachweis  multipolarer  Ganglicnkugeln  in  den  sympathischen  Ganglien 
der  Wirbelthiere  auch  diesen  eine  gewisse  Selbständigkeit  als  Ner- 
vencentren  zuerkannt  werden  muss.  Es  ist  aber  ein  besonderer  phy- 
siologischer Charakter  der  Ganglien  der  Wirbellosen,  dass  sie  in  ihren 
Wirkungen  eine  verhältnissmässig  grosse  Unabhängigkeit  vom  Gehirn 
an  den  Tag  legen,  letzteres  spielt  gleichsam  nur  die  Rolle  des  primus 
inter  pares.  Das  Seelenleben,  die  Anregung  zur  Bewegung,  die  Empfin- 
dung sind  über  die  einzelnen  Ganglien  verbreitet ;  damit  Hesse  sich 
eine  Vorstellung  gewinnen ,  warum  manche  Würmer  ohne  Lebens- 
gefahr theilbar  sind,  ja  schneiden  wir  selbst  höhere  Würmer,  einen 
Blutegel  z.  B.  entzwei,  so  ist  aus  dem  Benehmen  der  beiden  Hälften  klar 
ersichtlich,  dass  im  vorderen  wie  hinteren  Stück  noch  Nervencentrcn 
wirksam  sind.  Verstümmeln  wir  in  ähnlicher  Art  höhere  Arthropo- 
den, so  greifen  dje  Verletzungen  viel  heftiger  und  störender  in  die 
Innervationserscheinungen  ein,  als  bei  den  AVürmcrii.  was  wohl  noth- 
wendig  in  Beziehung  steht  mit  der  üeberordmnig  des  ersten  Gang- 
lions oder  Gehirns  über  die  anderen  Ganglien ;  das  schärfer  ausgespro- 
chene Abhängigkeitsverhältniss ,  in  welcluMu  die  einzelnen  Ganglien 
zum  Gehirn  stehen,  scheint  mir  durch  jene  Fasern  unterhalten  zu 
werden,  welche  wie  1)eim  Krebs  oberhalb  aller  Ganglien  gesondert 
verlaufen.  Doch  glaulje  ich  kaum  erwähnen  zu  müssen,  dass  derglei- 
chen Betiachtungen    für    nichts    anderes    gellen  wollen ,    als    bloss  für 


Physiologisches.  187 

Versuche,  sich  die  Lebenserscheinungen  des  Nervenniechanismns  eini- 
germaassen  zurechtzulegen.  Von  Interesse  ist  die  Mittheilung  D uj ar- 
din s,  dass  bei  Insekten ,  deren  Handlungen  auf  ein  relativ  sehr  ent- 
wickeltes Seelenleben  schliessen  lassen,  bei  der  Biene  z.  B.,  das  Ge- 
hirn einen  besonders  entwickelten  Theil  hat,  eine  radial  gestreifte 
Scheibe  nämlich,  welche  gleich  einem  Pilzhute  dem  oberen  Schlund- 
ganglion aufsitzt.   (Ann.  d.  sc.  n.   1850). 

Vergl.  Will,  vorläufige  Mittheil,  über  die  Struktur  der  Ganglien  und  den 
Ursprung  der  Nerven  bei  wirbellosen  Thieren  in  Müll.  Arch.  1844;  A.  Helmholtz, 
de  fabrica  syst,  nervös,  evertebr.  1842,  Auszug  in  Reichert's  Jahresb.  1843' 
Bruch,  über  das  Nervensystem  des  Blutegels  Zeitschr.  f.  w.  Z.   1849. 

Abbildungen  über  die  Nervencentren  mit  Rücksicht  auf  histolog.  Zusammen- 
setzung gaben  M.  Schnitze  von  Opistomum  pallidum  in  s.  Beitr.  z.  Naturgesch. 
d.  Turbellarien,  Taf.  I  Fig.  26,  Meissner  von  Mermis  Zeitschr.  f.  w.  Z.  1854 
Taf.  XII  Fig.  13  (eine  ganz  vorzügliche  Zeichnung),  Leydig  von  Fiscicola,  Co- 
rethra,  Cossus  und  den  Eotiferen  in  Zeitschr.  f.  w.  Z.  Bd.  I,  Bd.  II,  Bd.  III.  Bd.  V, 
Bd.  VI  (vom  Weibchen  der  Notommata  Sieboldii  auf  Taf.  II). 

Es  verdient  Beachtung,  dass  in  den  Nervencentren  sehr  häufig  Ganglienkugeln 
von  zweierlei  Art  gesehen  werden,  die  sich,  wenn  auch  sonst  nicht  weiter,  doch 
durch  ihre  Grösse  von  einander  unterscheiden  ,  bei  manchen  Hirudineen  {Fiscicola, 
Sanguisnga,  Haemopis)  besitzt  die  grosse  Art  selbst  einen  eigenthümlichen,  gelb- 
lich-krümlichen  Inhalt.  Letztere  scheinen  mir  immer  apolar  zu  sein,  auch  Bruch 
sagt  ausdrücklich  von  den  grossen  Ganglienkugeln,  dass  sie  ohne  Fortsatz  seien, 
nicht  minder  unterscheidet  G egenhaur  am  Gehirn  von  Cymbulia,  Fneumodermon, 
Atlanta  unipolare  Zellen  und  runde  oder  ovale  ohne  Fortsätze,  allein  es  scheint 
mir  in  dieser  Frage  eine  Nachprüfung  nicht  überflüssig,  ich  glaube  wenigstens  nach 
neueren  Erfahrungen  auch  die  bisher  als  apolar  bezeichneten  grossen  Ganglienku- 
geln in  den  Bauchganglien  des  medizinischen  Blutegels  den  unipolaren  einreihen  zu 
müssen,  so  dass  demnach  die  Existenz  apolarer  Ganglienzellen  auch  für  die  Wirbel- 
losen zweifelhaft  wird.  An  Mermis  verwarf  übrigens  schon  i/e  issner  die  apolaren 
Zellen,  sie  waren  alle  mit  Fortsätzen  versehen  ! 

Den  Ursprung  der  fasrigen  Elemente  des  Nervensystems  von  den  Ganglien- 
kugeln vermag  man  bei  Wirbellosen  verhältnissmässig  leicht  zu  sehen,  ich  mache 
in  dieser  Beziehung  noch  auf  den  Chaetogaster  aufmerksam,  bei  dem  in  hübscher 
Weise  den  aus  dem  Ganglion  ausgetretenen  Nerven  noch  einzelne  Ganglienzellen 
stielförmig  aufsitzen,  d.  h.  ihren  Fortsatz  den  Nerven  beimischen.  Der  Verfolgung 
des  weiteren  Faserverlaufes  stellen  sich  aber  noch  grössere  Schwierigkeiten,  als  bei 
den  Wirbelthieren  dadurch  in  den  Weg,  dass  die  Sonderung  der  Nervensubstanz 
in  faserige  Elemente  oft  gar  so  gering  ist  und  man  desshalb  eigentlich  nur  von 
Zügen  fibrillärer  Substanz,  die  von  den  Ganglienzellen  ausgehen,  sprechen  kann. 
Wie  ich  mir  den  Faserverlauf  nach  einzelnen,  mitunter  freilich  sehr  abgerissenen 
Beobachtungen  construiren  möchte,  erhellt  aus  dem  beigegebenen  Schema. 

Bei  dem  noch  fortdauernden  Zwiste  über  die  Natur  der  Corpora  amylacea 
im  Gehirn  des  Menschen  darf  darauf  zurückgewiesen  werden,  dass  W.  Zenker 
in  den  Ganglien,  der  Pycnogoniden  Körper  mit  concentrischer  Streifung  gesehen 
hat,  die  er  den  Corpusculis  amylaceis  vergleicht,  doch  sind  sie  von  gleicher,  licht- 
brechender Beschaffenheit,  wie  die  übrige  Ganglienmasse.  (Müll.  Arch.  1852).  — 
Eine  nähere  Untersuchung  erfordern  noch  die  schon  öfter  beschriebenen  Bewe- 
gungen des  Nervenstranges  bei  den  Hirudineen.  An  Fiscicola  meine  ich  nach 
früheren  Aufzeichnungen  zwischen  dem  2.  und  3.  und  3.  und  4.  Ganglion  Muskeln 
„zwischen  innerer    und   äusserer  Nervenscheide"  gesehen  zu  haben ,    beim  Studium 


188 


Von  den  Nebennieren. 


der  leibenden  Nephelis  zeigte  sich,  dass  der  Bauchstrang  im  Bauchgefäss  liege  und 
bei  dessen  Contraktion  sich  bewegt,  selbst  die  Ganglien  werden  jedesmal  etwas 
zusammengepresst.  Das  Fussganglion  besonders  sieht  man  innerhalb  des  Gefässes 
hin  und  her  geschoben  werden.  Auch  die  fünf  Aeste ,  welche  jederseits  von  ihm 
abgehen ,  liegen  noch  eine  Strecke  weit  in  Gefässen ,  aber  unklar  blieb  ,  wie  sie 
herauskamen. 


Zwölfter  Abschnitt. 


Von     den     Nebennieren. 


§.  177. 

Diese  Organe,  welche  .gewöhnlich  als  sog.  Blutgefdssdrüsen  auf- 
gefasst  wurden,  müssen  in  Anbetracht  der  durch  neuere  Forschun- 
gen ermittelten  Thatsachen  unmittelbar  dem  Nervensystem  angereiht 
w^erden. 

Die  Nebennieren  des  Menschen,  Säuger  (u.  Vögel?)  zeigen  auf 
dem  Durchschnitt  für  das  freie  Auge  eine  Scheidung  in  eine  gelbliche 
Rindensubstanz  und  in  eine  grauröthliche  Marksubstanz.  Sie  haben  ein 
bindegcAvebiges  Gerüst,  welches  an  der  Peripherie  des  Organs  eine 
Hülle  bildet ,  darauf  innerhalb  der  Rindensubstanz  Fächer  erzeugt,  die 
unter  sich  parallel  gegen  das  Mark  verlaufen  und  durch  zahlreiche  quere 
Scheidewände  in  kleinere  Räume  abgetheilt  werden.  Im  Mark  strahlt 
das  Bindegewebe  aus  einander  und  stellt  durch  Verflechtung  ein  eng- 
maschiges Netzwerk  her. 

Fig.  94. 


5 


|iß|3-''  -'■  '\)0:^^: 


Schnitt    durch    einen  Tlieil    der  Nebenniere  des  Kalbes. 
A  Rindensubstanz,    B  Marksubstanz.     (Starke  Vergr.) 


Wirbelthiere.  189 

In  den  Fächern  und  Maschen  der  Rinde  und  des  Markes  Hegen 
die  zelligen  TheiFe.  In  der  Rinde  haben  die  Zellen  einen  körni- 
gen oft  fetttropfigen  Inhalt  und  da  sie ,  dicht  an  einander  gedrängt, 
die  kanalartigen  Fächer  des  bindegewebigen  Gerüstes  ausfüllen ,  so  ge- 
währen sie  in  ihrer  Gesanimtheit  auch  wohl  das  Bild  von  cylindrischen 
oder  oviflen  Zellenmassen.  Die  Farbe  der  Rinde  wird  um  so  gelber, 
je  grösser  der  Fettgehalt  der  Zellen  ist.  Die  Zellen,  welche  sammt 
einer  blassen  molekularen  Substanz  in  die  Maschen  des  Marks  ein- 
gebettet sind,  haben  eine  unregelmässige  Form  und  ei'innern  durch 
ihre  selbst  verästelten  Ausläufer  lebhaft  an  die  Ganglienkugeln  des 
Geliirns  und  Rückenmarkes  und  müssen  auch  wohl  zu  den  Nerven- 
zellen gestellt  werden. 

Die  Blutgefässe  halten  sich,  wie  immer,  an  die  Bindegewebs- 
züge  im  Organ;  die  feinere  Verzweigung  geschieht  daher  in  den 
senkrechten  Septen  der  Rinde  unter  der  Bildung  von  länglichen,  im 
Mark  von  mehr  rundlichen  Maschen.  In  der  Mitte  der  Marksub- 
stanz vereinigen  sich  die  venösen  Aestchen  zu  einem  beträchtlichen 
Venenstamm,  dem  dann  die  ganze  Nebenniere  wie  auf  einem  Stiel 
aufsitzt.  Die  Nerven  der  Nebennieren  sind  ungemein  zahlreich, 
indem  eine  Menge  von  Stämmchen  sich  in  dieselben  einsenken,  die 
Rindensubstanz  durchsetzen  und  im  Mark  sich  entfalten.  Da  nun  diese 
im  Mark  sich  verbreitenden  Nerven  nicht  mehr  aus  demselben  heraus- 
treten und  da  ferner,  wie  vorhin  bemerkt,  die  zelligen  Elemente 
des  Marks  die  Natur  von  multipolaren  Ganglienzellen  an  den  Tag 
legen,  so  darf  man  vermuthen,  dass  die  Nervenfasern  aus  den  Gang- 
lienkugeln zum  Theil  entspringen  und  somit,  dass  das  Mark  der 
Nebennieren  wie  ein  gangliöses  Nervencentrum  Avirkt.  Natürlich  kann 
nur  von  der  spezifisch  nervösen  Natur  des  Marks  die  Rede  sein, 
während  die  meist  fetthaltige  Rinde  mit  einer  anderen  Funktion  betraut 
sein  mag. 

§.  178. 

Bei  Fischen  und  Reptilien  springt  die  innige  Beziehung,  in 
welcher  die  Nebennieren  zum  Nervensystem  stehen,  auch  schon  äusser- 
lich  sehr  in  die  Augen,  indem  hier  diese  Organe  unmittelbar  Ab- 
schnitte der  sympathischen  Ganglien  darstellen.  Uebrigens  zeigt  sich 
an  den  Nebennieren  aller  W^irbelthiere,  bei  Säugern,  (Vögeln?),  Fi- 
schen und  Reptilien  die  Scheidung  in  fetthaltige  Partien  und  in  Por- 
tionen mit  fettlosen  Ganglieukugeln,  die  sich  von  gewöhnlichen  Gang- 
henzellen  durch  einen  eigenthümlichen  schmutzig  gelben,  in  Essigsäure 
sich  entfärbenden  Inhalt  unterscheiden.  In  der  äusseren  Erscheinung 
herrscht  zwischen  den  Nebennieren  verschiedener  Wirbelthiere  nur 
der  Unterschied,  dass  beim  Menschen,  den  Säugern  (und  Vögeln?)  das 
besagte  Organ  eine  einzige  Masse  bildet,  hhigegen  bei  Selachiern, 
Ganoiden  und  Reptilien  den  einzelnen  Ganglien  des  Sympathicus  Pur- 
tionen  von  Nebennieren  angeschlossen  sind  oder  sich  vielmehr  als 


190 


Voii  den  Nebenniereu. 


integrirende  Abschnitte  derselben  beurkunden.  Diese  Abschnitte  der  sym- 
pathischen GangHen  entsprechen  der  Marksubstanz  der  menschlichen 
und  Süugethiernebenniere;  das  Analogen  der  Rindensubstanz  aber 
erscheint  bei  Fischen  und  Reptilien  in  inniger  Relation  zum  Gefäss- 
systenij    indem  dergleichen  Partiezi   den  Blutgefässen    angeheftet  sind. 


Fis.  9ä. 


"V^^^' 


O.eOTI.sr. 


X.A.,,W.PS"i/10K  "  '    " 

Nebenniere  (sog.   Axillarherz)  des  Zitterrochen. 

B    (janglinii  des  Sympathicus,    C  Nebennierenmasse,    welche  der  Marksubstanz  bei 

.Siuigem    entspricht,    D    Nebennierenmasse,    welche    das    Aequivalent    der    IJinden- 

siibstaiiz  ist;    das  helle  Rohr,   welchem  B,  C,  D  aufsitzen,  ist  die  AxillararterlL'. 

(Starke   Vergr.) 


§• 


179. 


Ol)  man  ^vohl  auch  bei  Wirbellosen  Aequivalente  der  Neben- 
iiicicii  wird  nachzuweisen  im  Stande  sein?  —  Man  möge  mir  gestatten, 
in  dieser  ß(^zichung  eine  Vernuithung  zu  äussern.  Ks  sind  bei  ver- 
schiedenen Wirbellosen  am  Nervensystem  Zellen  beobachtet  worden, 
die  M-n    den  gewöhnlichen  GanglieidvUgeln    differirten.     So    habe    ich 


Wirbellose. 


191 


schon  früher  von  Paludina  vivipara  niitgetheilt,  class  an  den  vegetati- 
ven Nerven  „eigenthümliche  Zellen  vorkommen,  die  vielleicht  Gang- 
lienkugeln  eigener  Art  sind:  sie  sind  gelblich,  haben  im  Innern  ver- 
schiedene Bläschen  und  stehen  in  keinem  direkten  Zusammenhang  mit 
pen  Nervenprimitivfasern.'^  Auch  an  den  Ganglien  von  Pontohdella  verru- 
cosa machten  sich  besondere  Zellen  mit  gelbkörnigem  Inhalt  auffällig 
(vergl.  die  beistehende  Abbildung).  Sehr  bemerkenswerth  sind  in 
dieser  Beziehung  Angaben,  welche  wir  Meissner  über  die  Histolo- 
gie des  Nervensystems  der  Mermis  verdanken.  Er  beschreibt  Grup- 
pen von  Zellen,  die  zum  grossen  Theil  anatomisch  eng  verbunden 
mit  dem  peripherischen  Nervensystem  sich  finden.  Ihr  Inhalt  sind 
gröbere  und  feinere  Körnchen,  die  das  Licht  stark  brechen,  „wahr- 
scheinlich Fetttropfen."  Die  Zellen  bilden  constant  eine  Doppel- 
reihe zu  den  Seiten  der  drei  Körpernervenstämme,  avo  sie  ganz  fest 
angeheftet  sind.  Meissner  giebt  noch  nähere  Aufschlüsse  und  sagt 
dann:  „man  könnte  daran  denken,  diese  Zellen  für  Ganglienzellen 
zu  halten'",  jedoch  erscheint  es  ihm  angeznessener,  sie  „im  Zusammen- 
hange mit  vegetativen  Funktionen  zu  vermuthen,  in  ihnen  Träger 
und  Vermittler  des  Stoffwechsels  zu  sehen."  Meine  Meinung  bezüg- 
lich dieser  Zellen  von  unbekannter  Bedeutung  an  Paludina^  Pontoh- 
della^ Mermis  (und  wahrscheinlich  wird  ein  näheres  Nachsehen  die 
Zahl  der  Beispiele  sehr  vermehren)  gfeht  dahin,  sie  als  Analoga  der 
Nebennieren  vorläufig  zu  betrachten. 

Fig.  96. 

iiilfillillii'iliP'il: 


Ganglion  von  Pontobdella  verrucosa.     (Starke  Vergr.) 
a  die  gewöhnlichen  Ganglienzellen,  b  die  Zellen,  welche  ich  für  Analoga  der  Neben- 
nieren ansprechen  möchte  (sind  leider  im  Schnitt  gar  nicht  correct  ausgefallen). 


■|92  Von  den  Tastwerkzeugen  des  Menschen. 

Näheres  über  die  Nebennieren  der  Chimaera  in  m.  Aufs,  in  Müll.  Arch.  1851 
(z.  Anat.  u.  Histolog.  d.  Chimaera  monstr.);  über  die  von  Torpedo,  Scyllium,  Scymnus, 
Mustelus  etc.  in  m.  Beitr.  z.  Anat.  u.  Entw.  d.  Rochen  und  Haie  S.  15,  (die  fälsch- 
lich sog.  Axillarherzen  der  Chimären  und  Zitterrochen  sind  Nebennieren).  Die- 
selben Organe  des  Salamanders,  Proteus,  der  Eidechse  sind  nach  Lage  und  Bau 
beschrieben    in  m.  Unters,  über  Fische  und  Eeijtilieu  S.  101. 

Bergmann,  welcher  zuerst  die  Aufmerksamkeit  auf  den  grossen  Nervenreich- 
thum  der  Nebennieren  gelenkt  hat,  brachte  bereits  im  Jahre  1839  besagte  Organe 
mit  dem  Nervensystem  in  Beziehung.  Die  Arbeit  Eckerts  über  den  feineren  Bau 
der  Nebennieren  1846  machte  eine  andere  Auffassung  geltend,  sie  redete  aus- 
schliesslich der  eigentlich  sekretorischen  Thätigkeit  das  Wort.  Durch  meine 
Wahrnehmungen  an  Fischen  und  Amphibien  wurde  gezeigt,  dass  die  Nebennieren 
wirkliche  Abschnitte  der  sympathischen  Granglien  vorstellen  oder  direkt  in  sie  über- 
gehen, und  die  Bergmännische,  Ansicht  erhielt  dadurch  eine  neue  Begründung, 
und  es  hat  somit  die  vergleichende  Anatomie  hier  mitgeholfen,  die  Anatomie  der 
menschlichen  Nebenniere  ins  wahre  Licht  zu  setzen.  Auch  hat,  was  mir  bei 
meinen  früheren  Arbeiten  unbekannt  war,  Bemah  bereits  im  Jahre  1847  auf 
embryologischem  Wege  ermittelt ,  dass  die  Nebennieren  in  Beziehung  zu  den  sym- 
pathischen Granglien  stehen  (über  ein  selbständiges  Darmnervensyst.).  Nach  ihm 
verdienen  die  Nebennieren  den  Namen  Nervendrüsen. 


Dreizehnter  Abschnitt. 

Von  den  Tastwerkzeugen  des  Menschen. 

§.  180. 
Ausser  den  bereits  oben  (s.  Lederliaut)  gekennzeichneten  Tcast- 
körp ereil en  der  Hautpapillen  stelle  ich  auch  aus  Mangel  einer 
i'acini'»che  bcsseren  physiologischen  Einsicht  die  s.  g.  Pacinischen  Körper- 
Kürperchen.  ^|-^gj^  hierlicr.  Slc  finden  sich  namentlich  an  den  feineren  Aesten  der 
Nerven,  welche  von  der  Hohlhand  und  Fusssohle  zu  der  Haut  der 
Finger  und  Zehen  gehen.  Einzeln  kommen  sie  au  an  sympathischen 
und  anderen  Nerven  vor.  Es  bestehen  diese  Gebilde  aus  einer  An- 
zahl concentrisch  ineinander  geschachtelter  bindegewebiger  Kapseln, 
von  denen  die  inneren  dichter  aneinander  gelagert  sind,  als  die  äusseren. 
Zu  innerst  liegt  ein  cylindrischcr  Strang  von  fein  granulärer  homogener 
Beschaffenheit,  durch  dessen  Achse  ein  feiner  Kanal  läuft.  Der  Strang 
scheint  das  verdickte  Ende  einer  Nervenfaser  zu  sein,  welche 
in  das  Pacinische  Körperchen  hereingetreten  ist  und  nachdem  sie  die 
doppelten  (Konturen,  d.  i,  die  Markscheide,  verloren  hat,  in  den  Central- 
strang  des  Pacinischen  Körperchens  anschwillt.  Zunächst  um  das  ver- 
dickte Nervenende  herum  finden  sich  zahlreiche  Kerne ,  und  die 
homogenen    Kapsellamellen   zeigen   ebenfalls  kernartige  Flecken ,  die 


Pacini'sclie  Körpercheii. 


193 


nach  Behandlung-  mit  Kalilauge  das  Aussehen  von   Lücken  annehmen. 
In  den  Kapseln  verzweigen  sich  auch  Blutgefässe. 

Fig.  97. 


-d 


Pacini'sches    Körjierchen    vom    Menschen.     (Starke  Vergr.) 

a  Stiel,    b  die  eintretende  Nervenfaser,    c  die  Kapselsysteme,    d  der  Centralstrang 

(angeschwollenes  Ende  der  Nervenfaser) ,    e  innerer  Kanal  desselben. 

Die  eben  genannten  Organe  wurden  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  vorigen 
Jahrhunderts  in  einer  Wittenberger  Dissertation,  die  unter  den  Auspicien  von 
Abraham  Vater  erschien,  als  Papulae  nerveae  beschrieben.  Später  wurden  sie 
vergessen  und  zum  zweitenmal  entdeckt  von  Facitii  1831.  Unabhängig  davon 
wurden  auch  die  Gebilde  in  Paris  1833  von  Aiidr al,  Camus  und  Lacroix  be- 
merkt, aber  kaum  besonders  gewürdigt,  da  man  sie  nicht  für  wesentliche  Theile 
des  Nervensystems  anerkennen  wollte.  —  Die  obige  Schilderung  stimmt  nicht  ganz 
mit  der  gewöhnlichen  Auffassung;  was  ich  centralen  Cylinder  nannte,  wird  von 
Andern  für  einen  centralen  Hohlraiun  erklärt,  in  dem  erst  die  feine  Nervenfaser 
(von  mir  als  feiner  Kanal  im  Centralstrang  aufgefasst)  verlaufe.  Uebrigens  habe 
ich  jüngst  noch  an  den  Pacinischen  Körperchen  aus  den  Fingerspitzen  der  Leiche 
eines  Kindes,  wo  sie  auffallend  gut  erhalten  waren ,  mit  Sicherheit  gesehen ,  dass 
der  angebliche  Centralraum  ein  wirklich  solider  Strang  ist  und  die  angeblich  feine 
Nervenfaser  in  ihm  legitimirte  sich  bei  Zusatz  von  Kalilauge  als  Kanal  dadurch, 
dass  vom  dunkelrandigen  Nerven  aus  beim  Beginn  der  Kaliwirkung  eine  krüm- 
lich-kürnige  Substanz  nach  seiner  ganzen  Länge  in  ihm  fortfloss.  Jedoch  muss 
zugestanden  werden ,  dass  die  Wand  d  s  Kanales  von  der  Substanz  des  Achsen- 
Leydig,    Histologie.  j^3 


194  Von  den  Tastwerkzeugen  der  Wirb  eltliiere. 

Stranges  sich  melir  differenzirt  hat  und  daher  selbständiger  ist,  als  an  den  Pacini- 
schen  Körperchen  der  Vögel,  wo  die  Bildung  dieser  Organe  auf  demselben  Prin- 
cip  —  Umhüllung  eines  verdickten  Nervenendes  mit  Bindegewebe  —  beruht.  Zu 
Gunsten  meiner  Ansicht  lässt  sich  vielleicht  auch  das  deuten,  was  Strahl  (Müll. 
Arch.  1848)  über  die  Pacinischen  Körperchen  der  Säuger  mittheilt.  Dieser  Autor 
meldet ,  dass  wenn  man  unter  dem  Mikroskop  alle  Kapseln  eröffnet  und  von  dem 
mattgrauen  Centralfaden  abstreift,  so  bekomme  letzterer  doppelte  Conturen  und  zeige 
die  gewöhnlichen  Veränderungen  einer  breiten  Nervenfaser. 


körperclien 


Vierzelmter  Abschnitt. 
Von  den  Tastwerkzeugen  der  Wirbelthiere. 

§.  182. 

Tast-  Den  Corpuscula  tactus  des  Menschen   äquivalente  Gebilde    kennt 

man,  wie  schon  früher  erwähnt,  nur  aus  der  Hand  der  Affen  durch 
Meissner  und  den  Zungenpapillen  des  Elephanten  durch  Corti. 
Bezüglich  der  AfFen  ist  es  eine  alte  Erfahrung ,  dass  sie  in  ihren 
Fingerspitzen  ein  fast  ebenso  feines  Gefühl  haben ,  als  der  Mensch. 
Beim  Elephanten  besitzen  die  Papillen  mit  Gefässschlingen  nichts  von 
Tastkörjserchen  und  umgekehrt ;  die  Tastkörperchen  sind  oval ,  wie 
aufgeblasen,  die  durch  den  Stiel  eintretende  Nervenfaser  verliert  ihre 
doppelten  Conturen  und  läuft  als  einfach  conturirte  Faser  durch  die 
Achse  des  Körperchens,  was  ihnen  eine  ziemliche  Aehnlichkeit  mit  den 
Pacinischen  Körperchen  verleiht. 

Bei  den  Vögeln  weiss  man  noch  nichts  von  Tastkörperclicn. 
Zwar  hat  Berlin  aus  den  Papillen  des  Schlundes  Tastkörperchen 
beschrieben,  die  ohne  Nerven  sein  sollen,  bei  welcher  Angabe  doch 
wahrscheinlich  eine  Täuschung  untergelaufen  sein  dürfte.  Der  Schlund 
majK'her  Vögel,  wie  von  der  Taube,  dem  Reiher  u.  a.,  hat  gar  keine 
wirklichen  Papillen,  sondern  nur  (bei  der  Taube)  ganz  niedrige  Höcker- 
chcii,  welche  den  Gipfel  einer  Gefässschlinge  aufnehmen^  aber  keine 
Spur  von  einem  Tastkörperchen  zeigen,  auch  selbst  dann  nicht,  wenn 
in  anderen  Arten,  Gans  z.  B.,  die  Schleimhaut  des  Schlundes  sich  in 
lange  und  schmale  Papillen  erhebt. 

Unter  den  Amphibien  (s.  oben  Lederhaut)  beobachtet  man  beim 
männljchen  Frosch  in  den  Papillen,  in  welche  das  Corium  an  der 
s.  g.  Daumendrüse  .-lusgeht,  nervöse  Bildungen,  die  ganz  entschieden 
an  die  Tastkörperchen  sich  anschliessen,  indem  die  Nervenfaser  der 
Papille  am  Ende  einen  zierlichen  Knäuel  formt,  der  als  centraler 
Kern  der  Papille  sich  bemerklich  nuicht.  INipillcn  mit  solchen  Nerven- 
glomerulis  entbehren  daim  der  Blutgefässschlingcn. 


Pacini'sche  Körperchen. 


195 


§.  183. 
Paciiiisclie  Körperchen  sind  bei  vielen  Säugethieren  auf-  Pacim'sohe 
gefunden  worden :  bei  Affen,  Fleischfressern,  Nagern,  Vielhufern,  Ein- 
hufern, Wiederkäuern  an  den  Extremitäten,  auch  bei  den  Katzen  im 
Gekröse  des  Darms.  Sie  gleichen  im  Wesentlichen  des  Baues  denen 
des  Menschen,  da  sie  aus  homogenen,  mit  Kernen  versehenen  bindege- 
webigen Kapseln  bestehen  ,  zwischen  denen  Flüssigkeit  enthalten  ist : 
Die  s.  g.  centrale  Höhle  ist  ein  solider  blass  granulärer  Strang,  der 
das  verdickte  Nervenende  repräsentirt  und  nach  seiner  Länge  von 
einem  feinen  Kanal  durchzogen  ist. 

Fig.  98. 


Pacini'sches  Körperchen  der  Feldmaus, 
a  Nervenfaser,    b  der  Centralcylinder   mit   dem   linearen  Hohlraum,    c  die  Kapsel- 
systeme.    (Der  Buchstabe  c  ist  im  Holzschnitt  vergessen  worden.) 

Die  Pacinischen  Körperchen  der  Vögel  hingegen  differiren  in 
Nebendingen  von  denen  der  Säuger.  Der  bedeutsamste  Theil  ist  das 
cylindrisch  verdickte  Ende  einer  Nervenfibrille,  das  den  Centralstrang 
bildet,  in  dessen  Innerem  sich  ein  heller  Streifen  mit  einem  kugeligen 
Ende  zeigt ,  welche  beide  den  Eindruck  eines  mit  klarem  Fluidum 
angefüllten  Hohlraumes  machen.  Dieser  Nervenkolben  ist  umwickelt 
von  eigenthümlichen  feinen  Fäserchen,  wahrscheinlich  dem  Bindegewebe 
zugehörig ,  welche  den  Pacinischen  Körpern  der  Vögel  ein  bräun- , 
liches  Aussehen  giebt.  Zu  äusserst  kommt  eine  ordinär  binde- 
gewebige Kapsel,  welche  zur  Abgrenzung  des  ganzen  Organes  dient 
und  geraden  Weges  sich  aus  dem  Neurilem  der  eintretenden  Nerven- 
faser hervorgebildet  hat.     Sie  trägt  auch  die  Blutgefässe. 

Bei  vielen  Wasservögeln  wird  der  Schnabel  besonders  mit  zum 
Tasten  gebraucht;  in  diesem  Falle  (z.  B.  bei  Enten,  Gänsen)  erscheinen 
die  Knochen  des  Schnabels  sehr  gefässreich  und  porös.  In  der  die 
Knochen  überziehenden,  derben,  bindegewebigen  Haut  breiten  sich  die 
zahlreichen  Nerven  aus,  welche,  vom  Nervus  trigeminus  abstammend, 
den  Schnabel  versorgen  und  deren  Primitivfasern  mit  ihrem  Ende 
zahlreiche  Pacinische  Köi'perchen  bilden.    Die  Haut  erhebt  sich  ferner 


196 


Von  den  Tastwerkzeugen  der  Wirbeltbiere. 


Pacini'sches  Kürperclien    der  Taube.     (Starke  Vergr.) 
Der  Fokus  ist  auf  den  Längenschnitt  eingestellt ,    a  das  Neurileni  der  Nervenfaser, 
b  die  eintretende  Nervenfaser,   c  die  Kapsel  des  Körperchens,  d  die  eigeuthümlichen 
Fasern,  welche  den  Centralcylinder  umwickeln,   e  der  centrale  Cylinder  mit  seinem 

inneren  Hohlgang. 

in  Papillen,  die  besonders  an  der  Spitze  des  Schnabels  von  ausnelimen- 
der  Länge  sind  ;  jede  der  Papillen  hat  ausser  den  Blutgefässen  und 
Nerven  auch  Pacinische  Körperchen,  welche  sich  von  denen  in  der 
Haut  selber  liegenden  dadurch  unterscheiden,  dass  sie  kleiner  und 
^  mehr  hell  als  bräunlich  sind. 

Uebcr  die  Pacinischen  Körperchen  der  \'ögel  vergl.  Herbst  in  d.  Götting.  gel. 
Anz.  1848  Nr.  Iß.'?,  164,  Will,  in  d.  Sitzb.  d.  k.  Akademie  in  Wien  1850  S.  213, 
Theilungen  des  nervösen  Centralstranges  scheinen  sehr  selten  zu  sein;  Will  sah 
drei  solche  Fälle,  während  mir  l'rüher  (Zeitschr.  f.  w.  Z.  1854)  nichts  Aehnliches 
aufsticss:  jüngst  jedoch  fand  ich  l)ei  der  Bachstelze  ( Motacilla  alba)  in  dem  liaume 
zwischen  Tibia  und  Fibula  Pacinisclie  Körperchen ,  deren  Nervenkolben  nach  dem 
l'>nde  hin  g(!gab(^lt  war,  was  natürlich  auf  die  ganze  Gestalt  des  Körperchens  einen 
Einfluss  ausüben  muss ,  es  wird  dadurch  mehr  birnförmig.  —  Ueber  die  Tastkör- 
perchen des  Frosches:  Leydifj  in   Müll.  Anii.    1856.  ^ 

Die;  Haut  ilvv  Fische  besitzt  eine  ganze  Reihe  merkwürdiger 
Plldungen,  die,  insolang(!  keine  weiteren  physiologischen  Aufschlüsse 
gewonnen    werden  ,    bei    den    Tastwerkzcugen    untergebracht    werden 


I 


iL»   '>.'  /i 


niüsscMi.   IJici  her  u'cJiru'cn  erstens  die  von  niirbecher 


"r>  rni  ige  Organe 


,Schleiniappara.te"   der  Fische. 


197 


genannten  Körper,  welche  in  die  Oberhaut  vieler  unserer  Süsswasser- 
fische  eingebettet  sind.  Die  Lederhaut  erhebt  sich  in  meist  stattliche 
Papillen,  in  M'elche  immer  Nerven  eintreten  und  in  die  Höhe  bis  zum 
Ende  der  Papillen  aufsteigen,  das  Ende  der  Papillen  erscheint  leicht 
ausgehöhlt  und  darin  ruht  das  becherförmige  Organ.  Letzteres  besteht 
aus  verlängerten  Zellen,  die  mit  muskulösen  Faserzellen  eine  gewisse 
Aehnllchkeit  haben,  auch  weisen  einige  Beobachtungen  darauf  hin,  dass 
ihnen  Contractilität  zukomme.  Die  Zellen ,  welche  die  Wand  des 
Bechers  bilden,  greifen  am  Grund  des  Bechers  zwischen  die  Zacken 
des  Papillenrandes  ein,  ohne  übrigens  von  einer  das  ganze  Organ 
umschliessenden  Membran  zusammengehalten  zu  werden. 

Fig.  100. 


a  Papille  von  der  Lippe  des  Leu  eise  us  Dobula,    b  Capillargefässe,    c  Nerven, 
d  das  becherförmige  Organ,    e  eine  isolirte  Faser  aus  der  Wand  des  Bechers. 

(Starke  Vergr.) 

§.  184. 

Eine  zweite  Gruppe  eigenthümlicher  Organe  in  der  Haut  der 
Fische  wurde  früher  als  „schleimabsondernder  Apparat"  angesehen, 
was  entschieden  unrichtig  ist,  da  sie  nach  dem  histologischen  Befmid 
als  .spezitisch  nervöse  Bildungen  aufgefasst  werden  müssen ,  und  man 
nur  darüber  im  Zweifel  sein  kann,  ob  sie  in  Anbetracht  ilires  Baues 
eher  den  Sinneswerkzeugen  oder  den  elektrischen  Organen  beige- 
ordnet werden  sollen.  Fragliche  Bildungen  treten  unter  folgenden 
Formen  auf: 

a)  als  kurze,  nach  aussen  mündende  Säcke:  dergleichen 
finden  sich  beim  Stör,  bei  Myxinoiden.  Beim  Stör  gehören  sie  nur  der 
Haut  des  Kopfes  an  und  sind  von  verschiedener  Grösse;  die  Wand  der 


Sog.  Scljleiiu- 

iibh'uidcrn 

der 

Ai'i'nr.it 


Sclilfiin- 
päcke. 


198 


Von  den   Tastwerkzeiigen  dei"  Wirbelthiere. 


Säcke  ist  die  Begrenzungsscliicht  des  Bindegewebes ,  welches,  vielfach 
von  Gallerte  durchsetzt,  unter  der  Haut  sich  findet.  Die  Säckchen 
stehen  truppweise  und  für  je  einen  solchen  Haufen  ist  ein  einziges  allen 
zugehöriges  Nervenstämmchen  bestimmt.  Aehnliche  Säckchen  scheinen 
auch  am  Kopf  von  Petromyzon  vorzukommen.  Die  Myxinoiden 
haben  die  Säckchen  nur  zur  Seite  des  Rumpfes,  und  jeder  Sack  ist 
nach  Joh.  Müller  von  eigener  muskulöser  Haut  umgeben.  Von 
ganz  besonderem  Interesse  ist  der  Inhalt  der  Säcke;  Joh.  Müller 
fand  darin  ovale  Körper,  welche  aus  einem,  in  unzähligen  Windungen 
aufgewickelten  Faden  zusammengesetzt  sind;  die  Materie,  woraus  dieser 
Faden  besteht,  heftet  sich  sehr  leicht  an  alle  Körper,  die  damit  in  Be- 
rührung kommen,  an,  worauf  sich  die  Körperchen  zu  langen,  klebrigen 
Fäden  abwickeln.    Wenn  man  eine  lebende  Myxine  anfasst  oder  durch 

Fig.   101. 


<»  Schleimsäckchengruppe    vom    Stör.     (Geringe  Vergr.) 

a  der  Nerv. 

die  Hände  durchgehen  lässt,  so  sind  die  Hände  bald  über  und  über 
von  diesen  klebrigen  Fäden  umsponnen.  Diese  Mittheilungen  von 
Joh.  Müller  weisen  auf  eine  so  aparte  Organisation  der  „Schleini- 
säcke"  hin,  dass  man  den  lebhaften  Wunsch  nach  einer  Wieder- 
aufnahme der  Untersuchungen  an  frischen  Thieren  nicht  unterdrücken 
kann.  Mir  war  es  nur  vergönnt,  an  einer  seit  vielen  Jahren  in  Wein- 
geist aufbewahrten  und  schon  sehr  hart  gewordenen  Miixinc  den  Inhalt 
einiger  Säcke  einer  Prüfung  zu  unterwerfen.  Die  ovalen  Körper 
bilden  den  eigentlichen  Inhalt  des  Sackes,  indem  sie  zu  Hunderten 
ihn  ausfüllen ;  sie  waren  mit  freiem  Auge  als  wcissliche,  punktgrosse 
Körper  zu  unterscheiden,  und  mikroskopisch  erschienen  sie  in  eine 
granulirte  Masse  eingebettet,  die  im  Leben  wahrscheinlich  gallertiger 
Natur  ist.  Die  Masse  ist  durchsetzt  nn't  Faserfragmenten.  Die  ovalen, 
etwas  birnförmigen  Körper  selbst  waren  dunkel  bei  (hirohgchendem, 
weissgelb  bei  auftallendem  Licht,  und  die  Achse  noch  dunkler,  als 
die  Peripherie.  Kalilauge  hellte  sie  auf  und  jetzt  ei'innerten  sie  lebhaft 
an    —    Tastkörperchen.      Sie  machten   den   Eindruck ,    als  ob   sie  aus 


„Schleimapparate"  der  Fische.  199 

einem  in  viclfaclier,  aber  bestimmter  Weise  gewundenen  Faden  be- 
ständen. Man  unterscheidet  am  stumpfen  Pol  eine  kleine,  nach  aussen 
mündende  Höhle,  um  sie  herum  führen  die  Touren  nach  der  Länge 
des  ganzen  Körperchens ,  bis  sie  auf  solche  Art  gleichsam  einen 
Kern  gebildet  haben,    um  welchen  dann  in  Cirkeltouren  eine  Schale 

Fig.   102. 


Körperchen  aus  einem  Schleimsack  von  Myxine  glutinosa  (Starke  Vergr.) 

a  Nervenfaden  (?). 

sich  legt.  Was  bedeutet  das  Körperchen?  Man  wird  mir  es  zu  Gute 
halten,  wenn  ich  in  Berücksichtigung  der  histologischen  Verhältnisse  des 
„Schleimkanalsystems"  der  übrigen  Fische  in  dem  Faden  ,  der  sich 
zum  Körperchen  aufwickelt,  einen  Nervenfaden -wittern  möchte,  und 
sollte  sich  diese  Vermuthung  bestätigen,  so  wären  die  „Schleimsäcke" 
der  Myxinoiden  aus  ihrer  exceptionellen  Stellung  gerückt  und  die 
Aussicht  auf  weitere  Forschungen  eröffnet;  doch  kann  die  Bemerkung 
nicht  unterlassen  werden ,  dass  die  Conturen  des  die  Körperchen 
bildenden  Fadens  eine  noch  viel  grössere  Aehnlichkeit  mit  dem  frischen 
Byssusfaden  haben,  wie  ihn  die  aus  den  Kiemen  genommenen  Embryo- 
nen von  Anodonta  anatina  mir  darbieten.  —  Der  in  Rede  stehende 
Apparat  erscheint  '^ 

b)    unter    der   Form    verzweigter   Röhren,    welche    in    oder  seuenkanai- 

^"^  SV  stein« 

unter  der  Haut  liegen.  Sie  setzen  das  s.  g.  Seitenkanalsystem 
zusammen,  das  mit  seinen  Bahnen  in  bestimmten  Linien  auch  den  Kopf  - 
überzieht.  Die  Wand  des  Seitcnkanalsystems ,  welche  sich  wohl 
überall  (sehr  deutlich  z.  B.  am  Kopf  von  Raja  clavata  und  Hexanchus 
griseus)  in  die  eigentliche,  mehr  zarte  Wand  und  in  ein  festes  Um- 
hüllungsrohr scheidet,  gehört  zur  Bindesubstanz  und  zeigt  die  ver- 
schiedenen Modificationen  derselben ;  einfach  bindegewebig  bei  Rochen 
und  Haien,  wird  sie  bei  manchen  Arten  so  dick  und  fest,  dass  sie 
(wie  es  z.  B.  am  Seitenkanal  von  Hexanchus  gi-iseus  und  SpJiyrna  der 
Fall  ist)  sich  wie  Knorpel  schneidet  und  auch,  im  Weingeist  aufbe- 
wahrt, durch  gelbliche  Farbe  von  der  weissbleibenden  fibrösen  Um-  ;|^ 
gebung  absticht.  Der  Knorpel  hat  die  Struktur  des  Faserknorpels 
(netzfaserige  Grundsubstanz  mit  rundlichen  Zellen),  nach  aussen  geht 
er  über  in  gewöhnliches  Bindegewebe  mit  elastischen  Fasern.  Bei 
anderen  Arten  ossificirt  ein  Theil  der  Wandungen  zu  Halbkanälen  oder 
auch  vollständigen  Röhren  (beim  Stör,  vielen  Teleostiern) ;  die  knöcher- 


% 


200 


Von  den   Tastwerkzeiigen   der  Wirbelthiere. 


P^ig.   103. 


■^^igL**- 


I  u.  II  Der  Kopf  der  Chim.iera  monstrosa  von  oben  und  von  unten  (ver- 
kleinert), um  den  Verlauf  des  Seitenkanalsystems  a  zu  zeigen,  die  Zahl- 
zeichen Löcher  b  dazwischen  sind  die  Ausmündungen  der  Gallertröhren. 
III  u.  IV  Ein  Embryo  von  Spinax  Acanthias  (natürliche  Grosse),  um  den 
Verlauf  des  Seitenkanalsystemcs  am  Kopf  darzustellen  :  a  die  eigcnthüm- 
liche  Figur,  welche  an  der  Unterfläche  der  Schnauze  zu  Wege  kommt, 
b  von  der  Oberseite  des  Kopfes. 

nen  Grundlagen  des  Seitenkanals  sind  bei  Grätlienfischen  häufig'  den 
Scluippen  der  Seitenlinie  aufgesetzt  (beim  Spiegelkarpfen,  der  Schleie, 
Barbe  zeigen  die  Halbkanäle  schöne,  strahlige  Knochenkörperchen), 
am  Kopf  verschmelzen  sie  nicht  selten  mit  anderen  llautknochen.  Sehr 
zierliche  knöcherne  Stützen  haben  die  „SchhMmkanäle"  bei  Chimaera:, 
sie  bilden  hier,  im  Allgemeinen  gesngt,  Ilalbringe,  welche,  gleich  den 
Knorpclringen  der  Luftröhre,  dicht  hintereinander  liegen.  Da,  wo  sie 
den  JBoden  des  Schleindvanals  umgeben,  sind  sie  am  breitesten,  die 
Schenkel  verschmächtigen  sich  dann,  und  indem  sie  sich  theilen  und 
wieder  theilen,  bilden  sie  ein  J^äumchen,  dessen  Aeste  ebenfalls  sich 
gabeln  und  zuletzt  abgerundet  enden.  In  den  Schleindvanälen  des 
Kopfes  und   zwar  an  den  Stellen,  wo  sie  die  löcherförmigen   Erweite- 


„Sclileimapparate"  der   Fische. 


201 


Fig.    104. 


Kopf  eines  Kaulbarsches,   einmal  vergrössert. 

Die   punktirten  Linien    bezeichnen    den  Verlauf   der  Schleimkanäle,    in  denen  man 
nach  abgezogener  äusserer  Haut  die  Nervenknöpfe  a  sieht. 

Fig.  105. 


ABS«    . 


d-' 


1|ini"lr 


X«,,.WP?Mfli»DRST 


Ein  Nervenknopf  vom  Kaulbarsch.    (Starke  Vergr.)  ♦ 

a  der  Nerv,  b  die  Entfaltung  desselben  zum  Nervenknopf,  c  das  Epithel  desselben, 
d  der  epitheliale  Ueberzug  des  Schleimkanales. 


202  Von  den  Tastwerkzeugen  der  Wirbelthiere. 

rungen  umspannen,  sind  sie  am  grössten,  kleiner  in  der  Seitenlinie 
selber,  doch  fehlen  sie  nirgends  und  in  keiner  Verzweigung.  Die  sie 
bildende  Knochensubstanz  ist  homogen  und  es  finden  sich  in  ihr  nur 
stellenweise  grössere  ovale ,  den  Knochenkörperchen  vergleichbare 
Hohlräume. 

Die  eigentliche  Membran  des  „Schleimkanales",  welche 
immer  bindegewebig  bleibt,  zeigt  entweder  eine  glatte  Innenfläche, 
oder  sie  erhebt  sich,  was  seltener  ist,  in  Papillen  (warzenförmige,  ein- 
oder  mehrspitzige  an  den  Schleimkanälen  des  Kopfes  bei  Raja  clavata, 
verschieden  lange  kolbige,  die  grösseren  mit  Blutgefässschlingen  bei 
Hexanclms  griseus),  häufig  ist  sie  pigmentirt  (stark  schwarz  bei  Sphyrna, 
silberfarben  bei  Leindoleprus  etc.). 

Das  Epithel,  welches  die  Innenfläche  deckt,  hat  manches  Eigen- 
thümliche;  bei  den  Gräthenfischen  wird  es  zusammengesetzt  aus  ge- 
wöhnlichen plattrundlichen  Zellen  und  zweitens  aus  grossen  zwischen 
sie  eingeschobenen  Schleimzellen  (von  derselben  Art,  wie  sie  in  der 
Epidermis  vorkommen).  Bei  Glmnaera  sind  die  Epithelzellen  rundlich, 
zart  und  mit  fein  körnigem  Inhalt  erfüllt,  bei  Hexanclms  griseus  sehr 
hell  und  endigen  streckenweise,  auch  wo  sie  die  Zotten  überziehen, 
in  lichte,  stachelförmige  Eortätze,  welche  frei  hervorstehen. 

Fig.   lOG. 

.  •  ^^}  ^     1 


Epithel   des   Seitenkancalsystemes.     (Starke  Vergr.) 

Das  obere    ist  von  Umbrina  cirrhosa,    man    siebt    die    Scbleimzellen    zwischen    den 

gewöhnlichen  Zellen;    das  untere,  stachelige  gehört  dem  Hexanchus  griseus  an. 

Der  wesentlichste  Factor  im  Bau  des  Scitenkanalsystemes  ist, 
dass  zahlreiche  Nervenstämmchen  ins  Innere  dringen,  um 
da  mit  einem  nicht  selten  dem  freien  Auge  wohl  sichtba- 
ren Nerven  knöpf  aufzuhören.  Die  Nervenknöpfe  zeigen  die 
stärkste  Entwickkmg  an  den  Schleimkanälen  des  Kopfes  von  Le^pido- 
leprus,  ümhrina,  Corvina,  sind  sehr  bedeutend  auch  bei  Acerina  cer- 
nua,  Lota  vulgaris  ;  in  der  Seitenlinie,  wo  sie  in  jenen,  den  Schuppen 
aufsitzenden  Kanälen  hegen,  ist  ihr  Umfang  ein  durchweg  geringe- 
rer. Beaclitensw^erth  erscheint,  dass  bei  den  Plagiostomen  in  den  Avei- 
tcn  Kanälen  des  Kopfes,  w^o  ebenfalls  jedes  der  zahlreich  cingetrcte- 
iicii  Nervenstämmchen  in  einen  Knopf  anschwillt,  ein  nach  der  Länge 
des  Kanales  fortlaufender,  gleichsam  linearer  Nervenknopf  gebildet 
wird,  indem  alle  die  einzelnen  in  einer  Längsreihe  zu  liegen  kom- 
men und  wcuen  ihrer  Meno-e   dicht  auf  einander  folgen.  —  »Sieht  man 


„Schleimapparate"   der  Fische. 


203 


auf  die  histologische  Beschaffenheit  der  Nervenknöpfe,  so  unterschei- 
det man  1)  ein  bindegewebiges  Stroma,  das  ein  sehr  enges  Bkit- 
capilhirnetz  trägt  und  bei  einiger  Fülhing  dem  ganzen  Organ  eine 
gelbliche  Färbung  verleiht.  2)  die  Hauptmasse  besteht  aus  den  Ner- 
venfasern, sie    treten    als  breite    dunkelrandige   Fasern    ein   und  brei- 


Fig.   107. 


Stück    eines    Schleimkanales   vom   Hexanchus   griseus.     (Geringe  Vergr.) 
a  der  lineare  Nervenkiiopf,  b  Papillen  an  der  Innenfläche  des  Kanals. 

ten  sich  zunächst  kreisförmig  aus ,  dabei  theilen  sich  die  Fasern  sehr 
häufig  in  zwei  oder  drei  Aeste  und  die  Theilung  wiederholt  sich 
oft  sehr  schnell  an  den  neu  entstandenen  Zweigen.  Zuletzt  werden 
die  Fasern  fein,  leicht  varikös  und  strahlen  nach  der  Peripherie 
des  Organes  aus.  Ich  glaubte  sie  da  früher  in  Schlingen  enden  zu 
sehen,  möchte  aber  gegenwärtig  nach  wieder  aufgenommener  Unter- 
suchung die  Endung  so  formuhren,  dass  die  Fasern  über  die  schein- 
baren Schlingen  hinausgehen  und  zuletzt  fein  zugespitzt,  mitunter 
scheint  es  mir  auch,  wie  mit  einer  kleinen  zelhgen  Anschwellung  auf- 
hören. Endlich  3)  bemerkt  man  eine  Lage  von  auffallenden  Zellen,  welche 
den  ganzen  Nervenknopf  überziehen.  Sie  sind  blass ,  sehr  lang  und 
schmal  und  ähneln  nach  Aussehen  und  Gruppirung  den  Retinastäbchen. 
Zwischen  ihnen  scheinen  die  Nervenfasern  zu  enden.  Vergl.  oben  Fig.  39. 

Fig.  108. 


Schuppe    der    Seitenlinie    mit    einem    Nervenknopf.     (Geringe  Vergr.) 
(Die  Grenzlinie  der  Epithellage  ist  vom  Xylographen  übersehen  worden.) 


» 


>04 


Von  den  Tastwei'kzeugen  der  Wirhelthiere. 


Gallei-t. 
rüllreii. 


Das  Lumen  des  Seitenkanal systemes  ist  erfüllt  von  einem  hellen 
klaren  Fluidum,  das  gern  auch  eine  gewisse  Consistenz,  etwa  den 
Dichtigkeitsgrad  der  Labyrinthfliissigkeiten  oder  des  Glaskörpers  an- 
nimmt. Bei  Lepidoleprus  wird  ausserdem  jeder  Nervenknopf  von 
einer  noch  dichteren  glashellen  Gallertschicht  mützenartig  bedeckt, 
die  sich  leicht  in  toto  abheben  lässt. 

Eine  weitere  Abänderung,  in  welcher  der  abzuhandelnde  Appa- 
rat auftritt;  ist 

c)  unter  der  Form  nicht  verzweigter  Köhren,  welche  mit 
einer  Erweiterung  oder  Ampulle  blind  geschlossen  beginnen  und  sich 
auf  der  äusseren  Haut  öffnen.  Sie  finden  sich  nur  bei  Rochen,  Haien 
und  Chimären.  Die  Ampullen  zeigen  mancherlei  Formverschieden- 
heiten: einfach,  ohne  Aussackungen,  sind  sie  beim  Meerengel,  die 
anderen  Haie  haben  alle  mehr  oder  weniger  bauchig  vorspringende 
Erweiterungen  an  den  Ampullen,  ebenso  die  meisten  Rochenarten 
und  die  Chimären,  beim  Zitterrochen   sind    sie  wieder  einfach   ohne 

Buchten  nach  aussen. 

Fig.   109. 


Gruppe  von  Gallertröhren  der  K.aja  batis.     (Geringe  Vergr.) 

a  der  Nervenstamm. 

Besonders  zahlreich  erblicken  wir  die  blasigen  Ausstülpungen 
au  den  Ampullen  des  Dornhaies  und  in  noch  vervielfältigterem  J^Iaas- 
stab  bei  Ilexanchus  griseus.  Bei  erstercm  gehen  auch  aus  Einer  Am- 
pulle zwei,  bei  letzterem  neun  bis  zwölf  Röhren  heraus,  während 
l)ei  den  anderen  namhaft  gemachten  Selachiern  immer  nur  Ein  Rohr 
die  Fortsetzung  der  Ampulle  ist.  In  allen  Ampullen  geht  nach  innen 
eine  Anzahl  von  Scheidewänden  ab,  die  sich  nach  dem  Ceutrum  zu 
mit  einander  vereinigen,  wessholb  der  Querschnitt  einer  Ampulle 
sich  wie  der  Querschnitt  einer  Pomeranze  ausnimmt.  Das  aus  der 
Ampidlc  hervorgegangene  Rohr,  am  Anfang  gcAvöhnlich  etwas  ein- 
geschnürt, bleibt  entweder  bis  zu  seiner  Mündung  an  der  Haut  von 


.„Scbleiinapparate"'  der  Fische. 


•205 


gleichmässigem  Kaliber  oder  es  nimmt,  was  häufig  geschieht,  g't-gen 
die  Ausmündung  an  Umfang  zu.  Auch  die  Länge  wecliselt  sehr 
nach  den  einzelnen  Arten. 


Fig.  110. 


A    zwei  Ampullen    mit  Grallertr Öhren  von  Galeus  laevis. 

a  die  Nerven,  b  die  eintretenden  Blutgefässe. 

B    eine    Ampulle    im    Querschnitt.     (Geringe  Vergr.) 

Bezüglich  des  feineren  Baues  ist  anzuführen,  dass  das  Grund- 
gewebe der  Ampullen  und  Röhren  eine  homogene  Bindesubstanz 
ist,  die  nach  aussen  einen  mehr  fasrigen  Charakter  annimmt,  auch 
elastische  Fasern  beigemengt  erhält  und  zuletzt  sich  in  lockeres  mit 
Gallerte  durclteetztes  Bindegewebe  auflöst.  Die  Oberfläche  der  Am- 
pullen und  Kanäle  überzieht  ein  Epithel,  dessen  rundliche  Zellen  in 
den  Ampullen  einen  feinkörnigen  Inhalt  haben,  die  Zellen  liegen  hier 
auch  gehäufter;  im  Kanal  zeigt  sich  nur  eine  dünne  Lage  sehr  hel- 
ler Zellen,  die  aber  gegen  die  Ausmündung  des  Kanales  hin  schär- 
fer gerandet  sich  zeigen,  da  sie  allmählig  den  Charakter  der  Epider- 
miszellen  der  äusseren  Haut  annehmen,  hier  auch  bei  Leviraja  z.  B. 
pigmenthaltig  werden  können.  Hexanckus  zeichnet  sich  abermals  durch 
besonders  gestaltetes  Epithel  aus,  indem  die  Zellen  die  gleichen 
lichten,  stachelförmigen  Fortsätze  an  sich  tragen,  die  vom  Epithel 
des  Seitenkanalsystemes  oben  angemerkt  wurden. 

In  jede  Ampulle  tritt  ein  Nervenstämmchen  und  ein  oder 
mehre  Blutgefässe.  Der  Nerv  besteht  aus  dunkel  conturirten  Fibril- 
len und  durchbohrt  die  Ampulle  immer  in  der  Richtung  der  Längs- 
achse. Die  Fasern  weichen  dann  strahlig  auseinander  und  verlie- 
ren sich  sowohl  in  die  seitlichen  Ausstülpungen,  als  auch  in  die  cen- 
trale Platte;  sie  theilen  sich  dabei  häufig,  werden  immer  feiner  und 
obschon  ich  längere  Zeit  bezügHch  ihrer  letzten  Endigung  die  Vcr- 
muthung  hegte,    dass  sie  in   die  körnigen  Zellen   der  Ampullen  aus- 


206 


Von  den  Tastwerkzeugen  der  Wirbelthiere. 


gehen;  mit  anderen  Worten  mit  terminalen  Ganglienkugeln  enden, 
so  ist  mir  das  bei  der  sonstigen  Analogie ,  welche  fragliche  Organe 
mit  den  Ampullen  des  Gehörlabyrinths  haben ,  etwas  unwahrschein- 
lich geworden,  da  ich  bei  Forschungen,  die  jüngsthin  angestellt  und 
speziell  auf  diese  Frage  gerichtet  waren,  im  Gehörorgan  von  dieser 
Endigungsweise  mich  keineswegs  bis  jetzt  vergewissern  konnte.  Die 
mit  den  Nerven  hereingekommenen  Blutgefässe  erstrecken  sich  eben- 
sowenig, wie  der  Nerv  über  den  Bereich  der  Ampulle  hinaus,  sondern 
sie  bleiben  in  derselben  und  man  sieht  ihre  Schlingen  leicht,  so  lange 
sie  noch  voll  von  Blut  sind.  Die  Kanäle  werden  zwar  auch  von 
nicht  wenigen  Blutgefässen  begleitet,  aber  diese  laufen  bloss  an  dei" 
äusseren  Fläche  hin.  —  Der  übrige  Hohlraum  in  Ampulle  und  Rohr 
ist  ausgefüllt  mit  einer  homogenen  Gallerte,  die  im  frischen  Zu- 
stande von  sehr  fester  Consistenz  ist  und  erst  nach  starkem  Druck 
dazu  gebracht  werden  kann,  auf  der  äusseren  Haut  hervorzuquellen. 
Endlich  die  letzte  Form,  in  der  wir  die  fraglichen  Organe  ken- 


nen, ist 


Appareil 
folliciilaire 
ueurveux. 


d)  jene  des  von  Savi  entdeckten  Appareil  folliculaire  ner- 
veux,  welches  uns  bis  jetzt  nur  aus  dem  Zitterrochen  bekannt  ist. 
Der  Apparat  besteht  aus  wasserhellen  Blasen,  die  auf  fibrösen  Bän- 
dern aufsitzen  und  aus  ihrem  Innern  zunächst  ihrer  Anheftungsstelle 
eine  weissliche  Warze    durchschimmern   lassen.     Die  Blasen    haben 


Fig.    111. 


Der  Foll  ikelappar  at  vom  Zitterrochen  bei  geringer  Vergrösserimg. 
a   die  Follikel,    b    der  Knopf  im  Inneren,    c   der  Nerv,    d    die    haltenden  Bänder. 

eine  homogene  bindegewebige  Membran,  über  welche  zur  Verstär- 
kung elastische  Fasern  gespannt  sind,  und  einen  hellen  gallertigen 
Inhalt.  Von  der  Anheftungsstelle  der  Blase  erhebt  sich  ferner  ins 
Innere  ein  warzenförmiger  Knopf;  er  besteht  aus  einem  Gerüst  von 
Bindesubstanz,  das  in  seinen  Maschen  und  Lücken  eine  feine  Punkt- 
masse und  eigentiüimliche  ungleich  gestaltete  Zellen  aufgenommen 
hat.  Der  Knopf  ist  dazu  bestimmt,  die  Ausbreitung  der  Fibrillen 
eines  eingetretenen  Nervenstämmchens  aufznnehmen.  Die  Nerven- 
fibrillen enden  in  dem  Knopt,  und  keine  geht  mehr  aus  der  Blase 
heraus,  dabei  werden  sie  peripheriscli  leiner  und  bUxss  und  hängen 
vielleicht  schliesslich  mit  den  ungleich  gestalteten  Zellen  (Ganglicn- 
kugelnV)  zusammen.  Mit  den  Nerven  gc^ht  auch  ein  Blutgefäss  in 
den   Knopf  ein  und  bildet  in  ihm  ein   enges  Maschennetz. 


Elektrische  Organe  der  Fische. 


207 


§.  185. 
Vom  histologischen  Standpunkt  iius  müssen  mit  den  im  Vorau- 
stehenden  geschilderten  Apparaten  auch  die  pseudoelektrischen  Or- 
gane von  Baja,  Mormyrus  und  Oymnarclms  zusammengestellt  wer- 
den, und  das  Ende  der  Reihe  dieser  eigenthümlichen  Bildungen  dürf- 
ten dann  vielleicht  die  wirklich  elektrischen  Organe  der  Gattung 
Torpedo,  Gymnotus  und  Mala'pterurus  ausmachen. 

Die  pseudoelektrischen  Organe  im  Schwänze  der  iiaja  be- 
stehen aus  einer  grossen  Anzahl  von  länglichen,  plattgedrückten,  sack- 
artigeü  Gebilden,  die  aus  einer  gefäss-  und  nervenlosen  knorpelähn- 
lichen Kapsel  und  einem  Gallertkern  zusammengesetzt  sind,  welch' 
letzteres  zur  Grundlage  einer  äusserst  zahlreichen  Nervenausbreitung 

Fig.  112. 


Pseudo- 

elektrisclie 

und  wirklich 

elektrische 

Organe. 


Ein  Kästchen    des  Schwanzorgane  s  von  Raja,   nach  der  Länge  durch- 
schnitten und  gering  vergrössert. 
a  gewöhnliches  Bindegewebe,    die  Wand  des  Kästchens  bildend,   b  der  Gallertkern 
im  Innern,  c  die  knorpelähnliche  Umhüllung  desselben,    d  der  im  Grallertkern  sich 

verzweigende  Nerv. 

und  zur  Stütze  von  Gefässcapillaren  dient.  (In  den  Plättcheu  des 
Organes  von  Mormyrus  dorsalis  sieht  Ecker  die  Nervenfasern  m 
Anschwellungen  enden,  welche  er  den  Ganglienkugeln  vergleicht.) 
Ein  Sack  erscheint  von  dem  andern,  abgesondert  durch  festes,  gewöhn- 
liches Bindegewebe,  welches  wabenähnlich  geschlossene  Räume  er- 
zeugt. —  Die  wi^-klich  elektrischen  Organe  von  Torpedo,  Ma- 
lapterurw^ ,  Oymnotus  bestehen  aus  Bindesubstanz,  Gallerte,  Gelassen 
und  Nerven.  Gewöhnliches  Bindegewebe  mit  zahlreichen  elastischen 
Fasern  bildet  eine  allgemeine  Hülle  und  indem  von  letzterer  Scheide- 
wände nach  innen  abgehen,  grenzen  sich  wabige  Räume  ab,  die 
sog.  Säulen  des  elektrischen  Organes.  Jede  grössere  Wabe  wird 
abermals  durch  bindegewebige  Septa,  die  jetzt  von  mehr  homogener 
Natur  sind,   gekammert,  und  die  Zwischenräume  sind  ausgefüllt  mit 


^ 


lue 


•208  Von  den  Tastwerkzeugen  der  Wirbelthiere. 

einem  „feinkörnigen  Parencliym",  in  welchem  den  Scheidewänden  zu- 
nächst Kerne  sich  linden;  ein  wirkh'ches  P^pithel  mangelt.  Die  Blutgefässe 
verzweigen  sich  an  den  Septen  des  Orgaus.  Die  Nervenfasern  haben  eine 
dicke  Scheide,  werden  zuletzt  fein  und  blass,  ohne  wie  mir  schien,  mit 
gangliösen  Elementen  an  ihrem  Ende  in  Verbindung  zu  treten;  nach 
Bilharz  jedoch  enden  die  Nervenfasern  im  elektrischen  Organ  des 
Zitterwelses  mit  scheibenförmigen  Säckchen,  gefüllt  mit  feinen  Ker- 
nen und  körniger,  dem  Inhalt  der  Ganglienkugeln  ähnlicher  Grund- 
substanz; wohl  aber  sind  bei  Torpedo  büschelförmige  Verästelungen  der 
Nervenfasern  sehr  zahlreich.  —  Ein  mehrfaches  Interesse  gewährt  es, 
dass  das  elektrische  Organ  von  Malapterm-us  seine  nervösen  Elemente 
aus  einer  einzigen  Ganglienkugel  erhält.  Diese  von  kolossaler  Grösse 
und  für  das  freie  Auge  gut  sichtbar,  dient  zum  Ursprung  einer 
ebenso  riesigen  Nervenfaser,  die  durch  Auflösung  in  zahlreiche 
Aeste  und  Zweige  das  ganze  elektrische  Organ  versorgt  (^Bilharz, 
Marhusen). 

§.  186. 
Physio.  Physiologischerseits  lässt  sich  über  die  (sub  a,  b,  c,  d)  abgehandel- 

kiingen.  tcu  Orgauc  fast  gar  nichts  Positives  vorbringen.  Die  becherförmigen 
Gebilde  sich  als  Tastwerkzeuge  vorzustellen,  möchte  noch  am  ehe- 
sten mit  unseren  sonstigen  Kenntnissen  über  Tastorgane  in  Verbin- 
dung gebracht  werden  können:  sie  reichen  bis  an  die  Peripherie  des 
Körpers,  sind  über  die  ganze  Haut  verbreitet  und  vorzüglich  da 
ausgebildet,  wo  auch  bei  anderen  Wirbelthieren  der  Tastsinn  gerne  sei- 
nen Sitz  liat,  so  an  den  Lippen,  den  Bartfäden.  Wahrscheinlich 
sind  sie  mit  Contraktilität  begabt,  was  keinesfalls  gegen  unsere  Auf- 
fassung sprechen  würde,  und  dass  sie  contraktil  seien,  glaube  ich 
aus  Folgendem  schliessen  zu  dürfen.  Schneidet  man  einer  lebenden 
Grundel  einen  Bartfaden  ab  und  betrachtet  denselben  ohne  Deckglas 
bei  starker  Vergrösserung,  so  werden  die  in  liede  stehenden  Gebilde 
nicht  in  Becherform  gesehen,  sondern  statt  einer  Mündung  erblickt 
man  sie  über  die  Oberhaut  warzenförmig  verlängert.  Nach  einiger 
Zeit  kommen  aber  statt  der  warzenförmigen  Verlängerungen  Oeffnun- 
gen  zum  Vorscliein,  welche  Veränderung  doch  kaum  anders  als  durch 
eine  Contraktion  der  Wand  des  „Bechers",  durch  eine  Art  Einstül- 
pung vor  sich  gegangen  ist.  Auch  bei  einer  lebenden  Aalruppe  sah 
ich  die  Becher  auf  der  Hautbi-ücke,  Avelche  die  Nasenöffnung  in  zwei 
theilt,  anfangs  warzcnfcirniig  vorstehen,  und  nachher  erst  entstanden 
die  Ocftnungcn. 

Weit  schwieriger,  wenn  nicht  vorderhand  geradezu  uimiöglich, 
ist  es  über  die  Eunktion  des  sog.  Schleiniapparates  eine  bestimmte 
Vorstellung  zu  gewinnen.  Dass  ihre  Bedeutung  keinesfalls  dahin  geht, 
Schleim  abzusondern,  beihirf  nach  dem  histologischen  Befund  keiner 
weiteren  Widerlegung,  und  es  springt  In  die  Augen,  dass  sie  wesent- 
li'li    nerv(isc  Apparate    sind;    da   wir    nun    gegenwärtig  bloss  die  fünf 


Physiologisches.  209 

gewöhnlichen  Sinnesorgane  und  die  elektrischen  Organe  als  die  Glieder 
dieser  Kategorie  kennen,  so  muss  man  sie,  wollen  wir  an  Bekanntes 
anknüpfen,  der  einen  oder  anderen  Reihe  beiordnen  und  natürlich 
werden  wir,  falls  uns  nicht  die  elektrischen  Organe  verwandtschaft- 
licher scheinen,  unter  den  Sinnesorganen  auf  den  Tastsinn  verfallen, 
dessen  Begrift\ja  ohnehin  so  unbestimmt  und  unklar  ist,  dass  sich  die 
fraglichen  Bildungen  der  Fische  auch  unter  ihm  verbergen  können. 
Indessen  möchte  ich  meiner  individuellen  Auffassung  nach  immer  noch 
ein  neues  Sinnesorgan,  das  für  den  Aufenthalt  im  Wasser  berechnet 
ist,  annehmen,  da  ich  in  dem,  was  wir  bisher  über  die  Organisation 
der  Thiere  wissen,  doch  nichts  Zwingendes  erblicken  kann,  dass  ledig- 
lich mit  den  fünf  bekannten  Sinnen  der  Kreis  der  Sinnesorgane  abge- 
schlossen wäre.  Bis  zu  einem  gewissen  Grade  schon  würde  die  Frage  nach 
der  Qualität  des  Sinnesorganes  in  die  Enge  getrieben  w^erden,  wenn  bei 
den  eigentlichen  Cetaceen  ein  ähnlicher  Apparat  zugegen  wäre,  dann 
dürfte  man  mit  noch  mehr  Sicherheit  die  betreffenden  Organe  und 
den  Aufenthalt  im  Wasser  in  Wechselbeziehung  bringen.  Bei  Monro 
nämlich  (Bau  der  Fische,  übers,  v.  Schneider  S.  152.)  erw^ähnt 
Camper  merkwürdigerw^eise  Oeffnungen,  womit  die  Schnauze  des 
Braunfisches  besetzt  sei  und  vergleicht  sie  den  Schleimröhren  des 
Hechtes,  und  an  der  unteren  Kinnlade  des  Wallfisches  hat  er  unzäh- 
lige dergleichen  Oeffnungen  gefunden.  Möchte  doch  ein  Naturforscher, 
dem  sich  die  Gelegenheit  zur  Untersuchung  darbietet,  uns  seine  hierüber 
gemachten  Wahrnehmungen  nicht  vorenthalten.  Mehrmals  hat  man 
die  Organe  auch  als  elektrische  angesprochen,  ohne  freilich  irgend 
einen  Beleg  hiefür  beibringen  zu  können,  und  es  wäre  desshalb  sehr 
erwünscht,  w^enn  ein  Physiologe  aus  jener  kleinen  Gemeinde,  w^elche 
die  physikalische  Seite  der  Physiologie  pflegt,  seine  Thätigkeit  auch 
auf  die  besagten  Organe  der  Fische  (incl.  der  pseudo-  und  wirklich 
elektrischen  Organe)  ausdehnen  würde,  da  es  scheint,  als  ob  nur  von 
daher  ein  Licht  in  dem  bisherigen  Dunkel  aufgesteckt  werden  könnte. 

Obschon  durch  die  Beibehaltung  der  Bezeichnung  „Schleimkanäle" 
der  ersten  irrigen  Ansicht  von  diesen  Organen  Dauer  und  Ansehen 
verliehen  zu  werden  scheint,  so  mag  sie  doch  so  lange  stehen,  bis  eine 
nähere  Einsicht  in  die  Funktion  erlangt  wird. 

Zur  Literatur.  Müller,  Myxinoiden;  Ecker  im  Jahresb.  zu  Müll.  Arch.  1852 
(der  Angabe,  dass  sich  in  den  Ampullen  der  Gallertröhren  keine  Theilungen  der 
Nervenfasern  finden ,  muss  ich  die  gegentheilige  Behaui^tung  gegenüberstellen). 
Bobin,  Annal.  d.  sc.  nat.  1847.  Die  Bläschen,  in  welche  Quatrefag es  (ibid. 
1845)  die  Nerven  von  Branchio Stoma  endigen  sah,  sind  wahrscheinlich  auch  hierher 
zu  zählen.  —  B.  Wagner  über  d.  fein.  Bau  d.  elekt.  Org.  im  Zitterrochen  1847. 
—  Sulla  struttura  intima  delV  organo  ellettrico,  del  Gimnoto  e  di  altri  jiesci  ellettrici  del 
Dott.  Filippo  Pacini,  1852.  —  Die  obige  Darstellung  des  „Schleimapparates"  ist  haupt- 
sächlich meinen  eignen  Arbeiten  entnommen:  Müll.  Arch.  1850  mit  Abbildungen  aus  J.ce- 
rina  cernua  und  Lota  vulgaris;  ibid.  1851  mit  Abbild,  von  Lejndole^rus,  Chimaera mon~ 
strosa;  ibid.  1854  (Beschreibung  und  Abbild,  des  pseudo-elektr.  Organs  im  Schwänze  von 

Leydig,   Histologie.  \^^ 


210  Von  den  Tastwerkzeugen  der  Wirbellosen 

Eaja.  Von  sehr  eigenthümlicher  Art  ist  hier  das  Gewebe,  welches  die  Wand  der 
Follikel  bildet.)  Zeitschr.  f.  wiss.  Z.  1849;  Rochen  und  Haie  1852  (mit  Abbil- 
dungen aus  Hexanchus ,  Oaleus  canis,  Scymnus  lichia,  Acanthias  vulgaris,  Trygon 
pastinaca,  Torpedo  Galvanü,  Sphyrna  malleus,  Raja  clavata);  Unters,  über  Fische 
und  Rept.   1853  mit  Abbild,  aus  dem  Stör. 


Fünfzehnter  Abschnitt. 
Von  den  Tastwerkzeugen  der  Wirbellosen. 

§.  187. 

Zum  Tasten  können  verscliieden  gestaltete,  mit  Nerven  ver- 
sehene Fortsätze  der  Haut,  namentlich  Anhänge  des  Kopfes  (Antennen, 
Girren,  Tentakeln  etc.)  behülflich  sein,  oder  es  werden  gewisse  Haut- 
stellen durch  ihre  Struktur  zu  einer  präciseren  Empfindung  befähigt 
und  auf  diese  Art  ebenfalls  zu  Tastorganen  umgeschatfen. 

Diese  Struktur  scheint  zu  verlangen,  dass  der  Nerv  an  seinem 
Ende  mit  Ganglienzellen  in  Verbindung  steht,  wozu  noch  besondere 
Ausrüstungen,  Fortsätze  der  äussersten  Hautschicht,  den  Tasthaaren 
der  Säuger  vergleichbar,  sich  gesellen  können.  Bei  Helix  geht  der 
Fühlernerv  (in  den  oberen  und  unteren  Tentakeln)  in  ein  längliches 
Ganglion  über,  aus  dessen  vorderem,  etwas  verbreitertem  Ende  eine 
Anzahl  von  Nerven  hervorkommt,  welche  sich  dichotomisch  theileu  und 
wieder  mit  einander  in  Verbindung  treten,  wodurch  ein  Geflecht  er- 
zeugt wird,  dessen  letzte  Ausstrahlungen  sich  in  einer  Zellenmasse,  die 
ich  für  Ganglienkugeln  halten  möchte,  verlieren.  Auch  der  Tentakel- 
nerv von  Firola  enthält  nach  Leuckart  solche  Elemente.  Blanchard 
sah  bei  Janus  ebenfalls  das  Anschwellen  der  Teutakelnerven  zu  einem 
GaugHon. 

Gangliöse  Enden  von  Hautnerven  mit  Hinzutritt  äusserer  Hülfs- 
werkzeuge  sind  von  mir  an  Krebsen,  Insekten  und  Rotatorien  nach- 
gewiesen worden.  Am  Thorax  und  schwanzartigen  Abdomen  des 
BrancJnpus  sieht  man  helle  Borsten  immer  dort,  wo  ein  Hing  an  den 
nächstfolgend(.'ii  stösst ;  die  Basis  der  Borste  ist  umgeben  von  einer 
Schicht  kleiner  rundlicher  Zellen,  die  sich  übrigens  luii-  auf  die  Basis 
der  Borste  beschränken.  Die  Hautnerven  nehmen  ihre  Richtung  auf 
solche  Borsten  zu,  nachdem  sie  vorher  in  einer  spindelförmigen  An- 
scliwellung  einen  oder  mehrere  helle  Kerne  mit  körniger  Umhüllungs- 
masse aufgenommen  haben,  und  verlieren  sich  schliesslich  in  das  Zellen- 
lagcr  an  der  Basis  der  Borste.  Bei  der  Larve  von  Corethra  plumi 
C07-ms  sind  die  Borsten  der  Haut  entweder  einfach,  kurz  mit  knopf- 
förmiger  Basis,  oder  sie  sind  ästig  getlieilt,  auch  ein-  odci'  doppelseitig 


bei  Insekten,  Krebsen. 


211 


Fi;.-.    113. 


Endigung  der  llautnerven  von   der  Larve  der  Corethra  plumicornis. 

A  äussere  Haut,    B  Hautborsten,    (C   eigenthümlich    federnder  Apparat    derselben), 

D  Muskeln. 

a    ein  Baucliganglion ,    b    Baucbstrang ,    c,  d,  e  Endigungsweise    der  Nerven.     (Die 

helle  Seite -zeigt  den  frischen  Zustand    der  nervösen  Gebilde,    die    dunkle    wie    sie 

nach   Einwirkung  von  Essigsäure  erscheinen.) 


Fio-.   114. 


A 


Endigung  der  Hautnerven.     (Starke  Vergr.) 
A   von  Notommata,    B   von  Branchipus :    a  Haut,    b  der  Nerv. 

gefiedert.  Die  Borsten  erscheinen  nicht  starr  in  der  Chitinhülle  be- 
festigt, sondern  sind  durch  eine  elastische  Vorrichtung  beweglich  ein- 
gelenkt.    Die  Nerven  der  Haut    enden    nun    unterhalb    der  Basis  der 

14* 


212 


Von  den  Tastwerkzeugen  der  Wirbellosen 


Borsten  mit  kolbenförmiger  Anschwellung ,  in  der  ein  grösserer  oder 
mehre  kleine  helle  Kerne  liegen.  Ganz  ähnlich  sind  die  Verhältnisse 
bei  den  Rotatorien.  Die  Hautnerven  suchen  bestimmte  Stellen ,  die 
fälschlich  s.  g.  Respirationsröhreu  und  Gruben,  auf,  an  denen  die 
Üuticula  in  Borstenbüschel  ausgeht,  um  unter  denselben  mit  gangliöser 
Anschwellung  zu  enden. 

§.  1B8. 
Bei  einigen  Thieren  beobachtet  man  das  Ende  von  Hautnerven 
mit  ähnhchen  spezifischen  Gebilden  in  unmittelbarem  Zusammen- 
hang, wie  dergleichen  vom  Auge  und  Ohr  zu  beschreiben  sind,  so 
dass  man  zweifelhaft  sein  kann,  ob  man  es  bloss  mit  einem  feineren 
Tastorgan  zu  thun  habe,  oder  ob  gar  eine  höhere  Sinnesempfindung, 
wie  etwa  die  des  Hörens,  an  solche  Apparate  geknüpft  ist.  Ich  rechne 
hierher  die  zwei  antennenartige  Vorsprünge,  welche  an  der  Unterseite 
des  Kopfes  von  dem  Muschelinsektchen  Polyphemus  monoculus  *)  sich 
befinden  und  vorn  schräg  abgeschnitten  und  seicht  ausgehöhlt  sind. 
Im  Inneren  verlaufen  Nerven,  die  durch  Ganglienkugeln  setzen ;  nach- 

Fig.   115. 

eäUl 


Tentakelartiger  Vorsprung  am  Polyphemus  monoculus. 

a  die  Nervenfasern,  zweimal  mit  Ganglienkugeln  sich  verbindend,   b  Einsackungen 

der  Cuticula,  c  die  Stäbclien  am  Ende  der  Nerven. 

dem  sie  diese  hinter  sich  haben,  treffen  sie  nahe  am  Ende  des  antennen- 
artigen Vorsprungos  auf  ovale,  scharfconturirte  Gebilde,  die  bei  nähe- 
rem Erforschen  als  Einsack ungen  der  Cuticula  sich  ausweisen,  in 
gleicher  Anzahl  vorhanden,  als  Nervenstreifen  aus  der  Ganglienmasse 
entspringen.  Vom  Grunde  jeder  solchen  Vertiefung  der  Cuticula  (es 
mö"-eu  gegen  8  sein)  erhebt  sich  ein  zartconturirtes  Säulchen,  das  an 
seinem  freien  Ende  mit  einem  scharfgezeichneten  Knöpfchen  endet. 
Diese  Säulchen  haben  eine  unverkennbare  Verwandtschaft  mit  den 
terminalen  Stäbchen  im  Acusticus  der  Orthopteren  (s.  unten). 


*)  Die  „Tastantennen"  der  andren  Cladocera  s.  Daj^hnidae  zeigen,  wie  ich 
nachtrilKlich  finde,  dieselbe  OrgJinisation ,  worüber  an  einem  anderen  Orte  Aus- 
führliclieres  berichtet  werden  soll. 


bei  Krebsen,  Würmern.  213 

Die  gleichen  histologischen  Theile,  nur  mit  etwas  anderer  Deutung, 
habe  ich  früher  schon  von  Branchtpus  beschrieben.  Auch  dort  (vergl. 
Zeitschr.  f.  w.  Z.  1851,  S.  292,  Taf.  VIII.  Fig.  8)  zeigen  sich  am  Ende 
der  Antennen  ausser  den  hellen  Borsten  .,sieben  haarähnlich  vor- 
stehende Röhrchen",  nach  welchen  sich  das  Ende  des  Antennennerven 
wendet,  nachdem  er  ebenfalls  vorher  mit  Ganglienkugeln  sich  ver- 
bunden hatte.  Das  knopfiormige  Ende  der  „Röhrchen"  habe  ich  da- 
mals für  einen  „gelblichen  scharfconturirten  Ring  am  freien  Ende"  ge- 
nommen und  ebenso  wahrscheinhch  die  Vertiefung,  aus  der  je  ein 
Stäbchen  heraussteht.  Dass  diese  Organe  noch  verbreiteter  vor- 
kommen, ergiebt  sich  auch  aus  Schödler's  Arbeit  üher  Acanthocercus 
rigidus ,  Arch.  f.  Naturg.  1846;  denn  „die  Büschel  äusserst  zarter 
Lamellen  am  freien  Ende  der  Fühler"  sind  nach  Abbildung  und  Be- 
schreibung nichts  anderes,  als  die  von  mir  gemeinten  und  den  Stäb- 
chen im  Acusticus  der  Insekten  verglichenen  Gebilde.  Auch  Schödler 
erbhckt  schon  darin  „ein  Sinnes  Werkzeug"  und  denkt  dabei  sowohl  an 
ein  „ausgebildetes  Tastorgan",  als  auch  an  das  im  Grunde  der  äusseren 
Fühler  bei  vielen  Krebsen  befindliche  Organ,  welches  in  neuerer  Zeit 
für  das  Ohr  gilt.  "Weitere  vergleichend-histologische  Untersuchungen 
sind  nöthig,  um  den  einen  oder  den  anderen  Vergleich  näher  begründen 
zu  können. 

Unter  denselben  Gesichtspunkt  bringe  ich  auch  eine  Beobachtung 
Meissners.  An  Mermis  albica7is  sah  dieser  Forscher,  dass  die  aus 
dem  Inneren  des  Kopfes  vorspringenden  Papillen  nichts  anderes  sind, 
als  die  Enden  von  Nerven;  die  Fasern  endigen  stumpf,  wie  abge- 
schnitten. Bei  Mermis  nigrescens  tritt  noch  ein  besonderes  Gebilde 
hinzu  in  Form  eines  dreiseitig-konischen  Körpers,  welcher,  von  sehr 
scharfen  Conturen  begrenzt ,  den  Eindruck  eines  kleinen  Bläschens 
macht.  Aehnliche  Bildungen  finden  sich  nach  Meissner  auch  am 
Kopf  mancher  Nematoden,  und  er  führt  beispielsweise  Ascaris  mystax 
an,  bei  welcher  ein  grosses  und  als  solches  sehr  deutliches  Bläschen 
über  den  Papillen  angebracht  ist  und  ganz  frei  über  die  Hautob erfläch  e 
hervorragt. 

Vergl.  31  e issner  über  3fermis  albicans  und  nigrescens  in  Zeitschr.  f.  w.  Z. 
Bd.  IV,  Bd.  VII.  Aus  Andeutungen  Meissner s  ist  ersichtlich,  dass  ihm  die  Auf- 
fassung als  Tastorgane  ebenfalls  etwas  unbestimmt  vorkommt,  allein  man  wird  vor- 
läufig nicht  darüber  hinauskommen,  sowenig  wie  solches  mit  dem  „Schleimapparat" 
der  Fische  ausführbar  ist.  —  Ueber  die  Endigung  der  Hautnerven  von  Branchi- 
pus,  Corethra,  Rotatorien  siehe  Zeitschr.  f.  w.  Zool.  Bd.  III,  Bd.  VI.  31.  Schnitze 
bestätigt  meine  Angaben  an  den  Jungen  von  Baianus  ibid.  Bd.  IV.  Zu  den  oben 
abgehandelten  eigenthümlichen  Körpern  am  Ende  der  Hautnerven  möchte  ich  auch 
die  scharfconturirten  Zellen,  eine  glänzende  Kugel  enthaltend,  rechnen,  welche  sich 
bei  Phyllirhoe  bucephalum  nach  U.  3'lüller  und  (J egenhaur  in  der  Haut  finden, 
wenn  an  diese  Zellen  constant,  und  nicht ,  wie  31.  und  G.  melden,  ,, öfters"  ein 
Nervenfädchen  tritt. 


214  Vom  Geiuchsorgan  des   Menschen. 


Sechzehnter  Abschnitt. 
Vom    Geruchsorgan    des    Menschen. 

§•  189. 

Man  unterscheidet  am  Geruclisorgan  die  durch  Einstidpung  des 
oberen  und  mittleren  Keimblattes  entstandenen  Ricchhöhlen  und  den 
vom  Gehirn  entgegenwachsenden  Geruchsnerven.  Das  obere  Blatt 
liefert  die  epitheliale  Auskleidung,  das  mittlere  die  bindegewebigen, 
gefäss-  und  nervenbaitigen  Schichten. 

Die  Nervi  olfactorii  weichen  in  ihrem  Bau  von  allen  übrigen 
Kopfaerven  dadurch  ab ,  dass  sie  keine  einzige  dunkelrandige  Faser 
enthalten,  sondern  lediglich  blasse,  fein  granuläre,  mit  zahlreichen 
Kernen  versehene  Fibrillen  besitzen,  über  deren  Ende  in  der  Nasen- 
schleimhaut man  noch  nichts  weiss. 

Die  Nasenschleimhaut  hat  ihre  bindegewebige  untere  Lage,  die 
der  elastischen  Elemente  fast  entbehrt,  sehr  gefässreich  ist  und  zahl- 
reiche Schleimdrüsen  von  der  gewöhnlichen  traubenförmigen  Gestalt 
in  sich  einbettet.  Bemerkensw^erth  ist,  dass  diese  Lage  der  Schleim- 
haut an  den  Grenzen  des  Scheidewandknorpels  und  an  den  unteren 
Muscheln  sich  beträchtlich  verdickt,  W'as  durch  eine  eigenthümliche 
Entwickelung  der  Venennetze  bedingt  wird,  durch  welche  sich  mus- 
kulöse Trabekeln  hinspannen ,  so  dass  eine  Art  Cot-pus  cavernosum 
entsteht. 

Der  .epitheliale  Ueberzug  der  Schleimhaut  ist  am  Nasen- 
eingang (so  weit  der  knorpelige  Theil  der  Nase  reicht)  ein  geschichtetes 
Plattenepithel ;  im  knöchernen  Bereich  der  menschlichen  Nase  ist  er 
allerorts  aus  flimmernden  Cylinderzellen  zusammengesetzt.  Die  Zellen 
scheinen  in  der  Regio  olfactoria  zarter  zu  sein  ,  als  in  den  unteren 
Gegenden,  und  hier  und  da  zwei,  selbst  drei  hintereinander  liegende 
Kerne  zu  haben.  Audi  die  Nebenhöhlen  der  Nase  (Stirn  ,  Keilbein-, 
Siebbein-,  Kiefer  -  Höhlen) ,  sowie  Thränengang  und  'I'hränensack 
flimmern. 

Das  Seh  wcl  Igcweb  e  an  den  Mnschehi  der  Nasenschlciniliaiit  hat  Kohlransch 
(Müll.  Arch.  1853)  entdeckt;  es  erklärt  sich  daraus  die  Aiischwclliuig  der  Schleim- 
haut der  Nasengänge  bei  cliriMiischeni  vSelmnjil'cn  ,  sowie  auch  damit  ein  Liclit  auf 
die  profusen  Nasenblutungen  geworfen  wird.  —  Dass  die  Nasenhöhle  überall  flim- 
luert,  sowie  dass  die  Drüsen  der  lic;ji.o  olj'aftoria  gewöhnliche  acinöse  Schleim- 
drüsen sind  (beides  entgegen  der  gewöhnlichen  Angabe),  liabeu  wir  an  einem 
Hingerichteten  wahrgenommen  (Würzb.  Verhandl.  1854).  Wird  von  lecker  be- 
stätigt (l)criclit   dci-   uaturf.   Ocs.    in    {•')cil)nrg   Ni'.   9). 


Vom  Geruchsorgaii  der  Thiere. 


215 


Siebzehnter  Ahschiiitt. 


Vom     G  e  r  u  c  li  s  o  r  g  a  n    der    Thiere. 

§.  190. 
Es  verdient  alle  Berücksichtigung,  dass  die  Geruchsnerven  durch 
sämmtliche  Klassen  der  Wirbelthiere ,  demnach  bei  Säugern,  Vögeln, 
Amphibien  und  Fischen ,  denselben  eigenthümlichen  histologischen 
Charakter  kundgeben,  wie  beim  Menschen,  d.  h.  immer  aus  blassen, 
marklosen,  feingranulären  Streifen  bestehen.  Es  herrscht  bezüg- 
lich der  Organisation  die  grösste  Aehnlichkeit  zwischen  den  Geruchsner- 
ven der  Wirbelthiere  und  den  Nerven  mancher  Wirbellosen,  z.  B.  der  In- 
sekten. Wie  bei  letzteren  formt  das  Neurilem,  welches  pigmentirt  sein 
kann  (^Polyptertis  z.^.)  Röhren  mit  zahlreichen  Kernen  und  umschliesstdie 
blasse,  feinkörnige  Nervensubstanz.  Die  Fibrillen  sind  (wie  bei  W^irbel- 
losen)  meist  sclnvierig  oder  auch  gar  nicht  zu  isoliren ;  beim  Stör,  wo 
sie  sich  leichter  darstellen  Hessen,  haben  sie  nicht  so  zahlreiche  Kerne, 
als  bei  anderen  Thieren,  und  ausser  ihrer  blass-feinkörnigen  Substanz 
noch    feine   Fettpünktchen.     Die   bindegewebige  Scheide,    welche  die 

Fig.   116. 


N  e  i-  V 1 1 » 
olfactorius. 


Aus  dem  Nervus  olfactorius,    da  wo  er   unter  dem   Geruchsorgan  liegt, 

von    S  p  h  y  r  n  a. 
a  scharfconturirte  Fibrillen,  welche  die  weisse  Partie  des  Nerven  bilden,  sie  gehen 
über  in  b  blasse  bipolare  Zellen  und  diese  verlieren  sich  in  c  Klumpen  einer  fein- 
körnigen Substanz.     Aus    ihnen    gehen    hervor    d    die    eigenthümlichen  Bündel    des 

Geruchsnerven.     (Starke  Vergr.) 

Fibrillen  zusammenhält,  schnürt  sich  gern  spiralig  ein.  Beim  Proteus 
sind  die  Kerne  des  Olfactorius,  wie  auch  am  übrigen  Körper,  länger 
als  bei  anderen  Thieren.  Von  Selachiern  habe  ich  beschrieben  (Rochen 
und  Haie  S.  35),  wie  der  Uebergang  der  dunkelrandigen  Nervenfasern 
in  die  grauen  Geruchsnerven  erfolgt.     Der  an  der  Nase   angekommene 


216  Vom  Geruchsorgan  der  Thiere. 

Nerv  liegt  an  der  unteren  Seite  derselben^  umgehen  von  einer  Scheide  ; 
macht  man  hier  einen  senkrechten  Schnitt,  so  zeigt  sich,   dass  der  Nerv 
aus  einem  unteren  weissen  und  einem  oberen  grauen  Theil  zusammen- 
gesetzt ist,  und  zwar  umgiebt  die  weisse  Substanz  die  graue  halbmond- 
förmig ;   die  weisse  besteht  aus  feinen,   aber   dunkelrandigen  Fibrillen, 
die  sich  zur  grauen  Masse  dadurch  hinüber  bilden,  dass  sie  blass  werden, 
einen   Kern  als  Ganglienkugel  aufnehmen    und    dann  in  kugelförmige, 
von  freiem  Auge  sichtbare  und  mit  Blutgefässen  umsponnenen  Klumpen 
einer   feinkörnigen   Substanz    eintreten ;    aus   letzteren  kommen  blasse, 
feinkörnige  Bündel  hervor,  welches  die  Stämme  der  Geruchsnerven  sind. 
In  der  Riechschleimhaut  aller  Wirbelthiere  werden  auch  noch  dun- 
kelrandige  Nervenfasern  angetroffen;  siegehörendem  Trigeminus 
an.     Beim   Stör   scheinen  die  Fasern  erst  nach   der  Centralstelle,  von 
der  die  radiären  Falten  auslaufen,  zu  gehen,  um  von  hier  aus  in  die 

letzteren  einzudringen. 

§.  191. 
Hiech-  Die  Riech  Schleimhaut   hat  immer  Bindegewebe    zur  Grund- 

»chieimhaut.  jg^  wclchc  auch  das  Gerüst  der  Drüsen  bildet.  Letztere  sind  bei 
Säugethieren  von  einfacherer  Form,  als  beim  Menschen ;  cylindri- 
sclie  Schläuche  nämlich  mit  etwas  gekrümmtem  blinden  Ende ,  wie 
Todd- Boivman  zuerst  bemerkte.  Ich  kann  das  für  die  Ziege  be- 
stätigen, wo  sie  auffallend  an  die  Lieberkühn'schen  Darmdrüsen  er- 
innern. Bei  den  Vögeln  (Taube)  sind,  wie  ich  sehe,  die  Drüsen  sehr 
zahlreich ;  sie  zeigen  sich  unter  der  Form  kurzer  Säckchen  mit  enger 
Mündung  und  werden  hübsch  von  Blutgefässen  umsponnen.  Auch 
beim  Frosch  und  der  Eidechse  stehen  die  Drüsen  der  Nasen- 
schleimhaut sehr  dicht  gedrängt  bei  einander,  für  das  freie  Auge  als 
weissliche   Körper   unterscheidbar ;   die  kleineren  sind  simple  längliche 

Fig.   117. 


Aus  fltT  Nascnsclileimli  ;uit  des  Frosches. 

a  das  fliniincrnde  Epithel  mit  den  zweierlei  Zellen ,    b  Drüse  der  Schleimhaut. 

(Starke  Vergr.) 

Säckchen,  die  grösseren  werden  durch  unvollständige  Septenbildung 
von  Seiten  der  Tunica  propria  annähernd  gela|)pt.  Ob  auch  bei 
Fischen  die  Nasenschlcimhaut  Drüsen  besitzt,  ist  zweifelhaft;  viel- 
leicht werden  sie  ersetzt  durch  die  von  mir  ..Schlcimzellen''  genannten 


Nasenepithel.  217 

Gebilde,  welche  sich  (z.  B.  beim  Stör)  zwischen  den  gewöhnlichen  Epithel- 
zellen reichlich  finden  und  mit  eiweissavtigcn  KügeJchen  angefüllt 
sind.  —  Die  Bindesubstanz  der  Schleimhaut  erscheint,  besonders  häufig 
bei  niederen  Wirbelthieren,  verschiedenfarbig  pigmentirt. 

Das  Epithel  ist  nicht  überall  gleichmässig.  Im  Allgemeinen 
trägt  es  bei  allen  Wirbelthieren  Flimmercilien,  doch  kommen  auch 
flimmerlose  Stellen  vor,  so  bei  Säugethieren  in  der  ganzen  Regio 
olfactoria  nach  englischen  Histologen  {Todd- Bowmari).  Auch  mir 
schien  bei  der  Ziege  die  mit  schlauchförmigen  Drüsen  versehene 
Schleimhaut  cilienlos;  doch  hat  Reichert  beim  Kaninchen  hier  ein- 
zelne Gegenden  von  Flimmerepithel  bekleidet  gesehen;  bei  Selachiern 
umgekehrt  wimpern  jene  Fältchen,  auf  denen  die  Endausbreitung  des 
Riechnerven  geschieht,    während   das   mittlere  Längsband,    die   Quer- 

Fig.   118. 


ö^/^r^"^^"^ 


Vom  Nassenepithel  der  Fische  und  Reptilien.     (.Starke  Vergr.) 
Die  drei  Zellen  links  sind  cilienlos  und  von  Eaja  batis;  die  Zellengruppen  rechts  ge- 
hören  und   zwar  die   obere   der  Lacerta  agilis,    die   untere   dem   Triton  igneus   an. 
Man  sieht  ausser  den  F'limmerzellen  in  der  Tiefe  noch  verzweigte  Zellen. 

falten  erster  Ordnung  und  die  Decke  des  Geruchsorgans  (von  Sphyrna) 
von  einem  wimperlosen  Pflasterepithel  überzogen  sind.  Dass  zwischen 
den  gewöhnlichen  Epithelzellen  noch  Schleimzellen  sich  finden  {Äci- 
penser),  wurde  schon  erwähnt.  Etwas  Aehnliches  kommt  auch  bei  Batra- 
chiern  und  Knochenfischen  vor,  indem  sich  zwischen  den  hellen 
Zellen  andere,  mit  körnigem  Inhalt  gefüllte  sehr  bemerkbar  machen. 
Um  das  Geruchsorgan  zu  stützen,  dienen  noch  knorpelige  imd 
knöcherne  Theile.  In  der  hyalinen  Knorpelsubstanz  der  Nasen- 
muschelnder  Vögel  {Sfurnus  vulgaris,  Scolopax,  Tetrao)  stehen  die  Knor- 
pelzellen äusserst  dicht  beisammen,  ebenso  in  dem  schön  gegitterten 
Knorpelgerüst  der  Nase  von  Proteus.  (Ein  ähnliches  Knorpelgitter 
scheint  auch  unter  den  Fischen  die  Nasenkapseln  der^Myxinoiden  und 
der  Dipnoi  zu  umschliessen).  —  In  den  knöchernen  Nasenmuscheln 
der  Hausmaus  erblickt  man  schon  im  frischen  Zustande  den  Kern  der 
Knochenkörperchen  sehr  leicht.  —  Der  N  a  s  e  n  e  i  n g  a  n  g  hat  immer  ein 
geschichtetes  Plattenepithel,  das  sich  z.  B.  an  Chelonia  ziemlich  weit 
nach  innen  erstreckt;  noch  grösser  ist  das  Bereich  des  Plattenepithels, 
wo  eine  äussere  Nase  zugegen  ist ;  beim  Maulwurf  z.  B.  geht  das  ge- 


218  Vom  Geruchsorgan  der  Thiere. 

schichtete  Plattenepithel ,  in  so  weit  die  knorpelige  Nase  reicht;  hierauf 
nimmt  Flimmerepithel  die  Stelle  ein.  Daher  wird  auch,  was  ich'hier  auf- 
nehmen will,  der  Rüssel  des  Elephanten,  bekanntlich  eine  verlängerte  Nase, 
von  einer  Epidermis  ausgekleidet,  die  sich  deutlich  in  Hörn-  und  Schleim- 
schicht scheidet.  Der  bindegewebige  Theil  der  Mticosa,  in  welchem 
ich  Drüsen  vermisse  (auch  Cuvier  nennt  das  Oberhäutchen  trocken), 
erhebt  sich  in  zahlreiche,  sehr  entwickelte,  häufig  in  mehre  Spitzen 
ausgezackte  Papillen.  Nach  aussen  geht  das  Coriuni  der  Schleimhaut 
über  in  die  Sehnen  der  E,üsselmuskeln.  Auch  der  statt  der  äusseren 
Nase  vorhandene  Spritzapparat  der  Cetaceen  ist  mit  „hartem,  trockenem 
Epithel"  überzogen.  —  Das  Gerüst  der  äusseren  Nase ,  gewöhnlich 
nur  aus  Bindegewebe  und  Knorpel  geformt,  ossifizirt  theilweise  beim 
Schwein  und  Maulwurf  zum  s.  g.  Rüsselknochen,  bei  den  Faulthieren 
zum  Os  praenasale. 

§.  192. 

Die  Jacobson'schen  Organe  der  Säuger,  bekanntlich  „häutig- 
knorpelige Röhren,  welche  auf  dem  Boden  der  Nasenhöhle,  zwischen 
der  Schleimhaut  der  Nasenscheidewand  und  dem  Pflugschaarbein 
liegen",  haben,  wie  ich  nach  Untersuchungen  an  jungen  Ziegen  und 
Katzen  anführen  kann,  eine  aus  Hyalinknorpel  bestehende  Wand ;  das 
Innere  des  Rohres  kleidet  eine  Schleimhaut  aus,  deren  dickliche  Be- 
schaffenheit durch  zahlreiche  traubige  Schleimdrüsen  bedingt  ist; 
zwischen  den  Drüsen  ist  das  Bindegewebe  fest  und  derb.  Die  Schleim- 
haut trägt  ferner  die  Ausbreitung  zweierlei  Nerven,  indem  nämlich 
(bei  der  Katze)  5  —  6  Stämmchen  des  N.  Olfactorius  in  die  Röhre  ein- 
treten und  mehre  Aeste  des  N.  Trigeminus,  feinere  und  dickere.  Dass 
sich  Blutgefässe  in  derselben  Schleimhaut  finden,  ist  selbstverständlich. 
Das  im  Verhältniss  sehr  enge  Lumen  des  Rohrs  wird  von  einem 
Flimmcrepithel  begrenzt.  Um  sich  eine  gute  Uebersicht  über  den 
histologischen  Bau  der  Jacobson'schen  Organe  zu  verschaffen,  empfehle 
ich  senkrechte  Schnitte  durch  das  ganze  Gebilde  zu  machen,  welche, 
wenn  gerathen,  zeigen,  dass  sich  die  Stämmchen  der  dunkelrandigen 
Nerven  auf  einer  Seite  zusammenhalten ,  und  zwar  nach  unten  und 
aussen,  ebenso  die  blassen  Fasern  des  Geruchsnerven  beisanmien  nach 
der  inneren  Seite  zu  liegen.  Die  Jacobson'schen  Organe  weichen  dem 
Gesagten  zufoige  in  geweblicher  Beziehung  durchaus  nicht  von  den 
übrigen  Nasengängen  ab  und  werden  daher  wohl  auch  eine  analoge 
Funktion  haben. 

In  neuester  Zeit  liat  I'Jckhard  (Beitr.  z.  Anatomie  u.  Physiol.)  interessante 
Mittheilungen  über  Beziehungen  des  Nascnepithels  zu  den  Eiidni  der  Geruchs- 
nerven veröflentlicht.  Nach  ilim  sind  heim  Frosch  die  Flinimcrliaarc  der  Epithcl- 
zelleu ,  da  wo  sich  der  Geruchsnerv  ausbreitet,  sehr  lang  und  äusserst  fein  (von 
J'oli/p/cru.s  hatte  ich  auch  früher  gemeldet,  dass  die  Cilien  des  aus  kurzen  Cylinder- 
zellen  bestehenden  Nasenepithels  ansehnlich  lang  sind,  was  ich  ebenso  bei  Teleostiern, 
dem  Aal  z.   li.  sehe);  die  des  nachbarlichen  Epithels  sind   kürzer   und  dicker.     Die 


Wirbellose.  219 

Epithelzellen  gehen  nach  der  der  Tiefe  angewendeten  Seite  hin  in  einen  sehr  langen 
Faden  aus.  Zwischen  diese  Fäden  tragenden  Zellen  ist  ein  zweites  System  von 
Fasern  gefügt,  die  mit  Kernen  in  Verbindung  stehen.  Eckhard  stellt  die  Hypo- 
these auf:  Die  Epithelialzellen  oder  die  zwischen  ihnen  gelegenen,  stumpf  endigen- 
den Fasern  sind  die  wahren  Enden   der  Geruchsnerven. 

Unabhängig  von  Eckhard  hat  ferner  Ecker  ganz  ähnliche  Beobachtungen 
von  der  Riechschleimhaut  des  Menschen  und  der  Säugethiere  gemacht  (Berichte 
über  d.  Verhaudl.  d.  Gesellsch.  f.  Bcförd.  d.  Naturwiss.  zu  Freiburg  Nr.  12.  1855). 
Auch  Ecker  nimmt  eine  Continuität  zwischen  den  Enden  der  Olfactoriusfaseru  und 
Flimmerzellen  an,  und  obschon  er  ebensowenig  wie  Eckhard  den  unzweifelhaften 
Uebergang  der  fadenförmigen  Ausläufer  der  Epithelzellen  in  Olfactoriusäste  sich 
vorführen  konnte ,  so  neigt  er  zur  Annahme ,  dass  diese  Epithelzcllen  die  Analoga 
der  Retinastäbchen  im  Auge,  sowie  der  Corti'schen  Organe  im  Ohre  seien. 

Insoweit  ich  bisher  diesem  schwierigen  Gegenstande  etwas  abgewinnen  konnte, 
möchte  ich  den  von  Eckhard  und  Ecker  vermutheten  Zusammenhang  der 
Nervenfasern  und  Epithelzellen  in  Abrede  stellen;  es  sind  doch,  abgesehen  davon, 
dass  Niemand  den  Zusammenhang  beider  Gebilde  beobachtet  hat,  die  Epithelzellen 
gegenüber  den  Nervenfasern  viel  zu  zahlreich,  als  dass  sie  als  Nervenenden  gelten 
könnten,  sollten  vielmehr  wirklich  die  Nervenfibrillen  über  das  bindegewebige  Stra- 
tum hinausgehen  und  in  die  Epithellage  eintreten,  so  würde  ich  eher,  wie  oben 
bereits  erwähnt  wurde,  eigenthümliche,  das  Licht  stark  brechende  Streifen,  welche 
zwischen  den  Epithelzellen  der  Nasenschleimhaut  kenntlich  sind,  mit  Nervenenden 
in  Beziehung  bringen.  Uebrigens  ist  in  Betreff  der  Zusammensetzung  des  Epithels 
so  viel  gewiss,  dass  in  den  unteren  Schichten  verästelte  und  selbst  untereinander 
communicirende  Formen  der  Zellen  vorkommen,  was  aber,  man  denke  an  die  strah- 
ligen Pigmentfiguren  in  der  Epidermis  verschiedener  Thiere,  keinesfalls  eine  aus- 
schliessliche Eigenschaft  des  Nasenepithels  genannt  werden  darf. 

§.  193. 
Unter  den  Wirbellosen  kennt  man   ein   Geruclisorgan  bei  den    Gemchs- 

,  ,     -  organ   der 

Cephalopoden.      Es   sind   Gruben    der  Haut,    deren    Epithel   nicht  whbeiiosen. 
flimmert ;  auf  dem  Grunde  erhebt  sich  zuweilen  eine  Papille,  in  welche 
der  Nerv  tritt. 

Neuerdings  glaubt  man  auch  bei  den  Gasteropoden  dem  Geruchs- 
organ auf  die  Spur  gekommen  zu  sein.  An  der  unteren  Fläche  des 
s.  g.  ßückenschilds  beschreibt  Hancock  bei  den  Bulliden  ein  scheiben- 
förmiges Gebilde,  das  von  einem  eigenen  Nerven  versorgt  wird  und  in 
manchen  Fällen  mit  blätterigen  Runzeln,  wie  das  Geruchsorgan  der 
Fische  besetzt  ist.  Leuckart  möchte  auch  die  von  Oegenbaur  an 
den  Pteropoden  beschriebene  Fhmmerscheibe ,  die  einem  besonderen 
Nerven  mit  ganglionärem  Ende  aufsitzt,  als  Geruchsorgan  deuten.  — 
Manche  erklären  ferner  die  Antennen  der  Insekten  für  Geruchs- 
organe. Nach  Erichson  reichen  an  den  Endgliedern  dieser  Gebilde 
zahllose  kleine  Gruben  in  die  Tiefe  der  Chitinhaut  hinah  „und  er- 
scheinen zur  Vermittelung  einer  Geruchsempfindung  sehr  zweck- 
mässig." Aehnlich  spricht  sich  Bur  meist  er  aus.  Mir  dünkt  eben- 
falls, dass  die  Antennen  eine  vom  Tasten  verschiedene  Verrichtung 
haben,  denn  ich  sehe  z.  B.  an  Ichneumonidenarten,  dass  in  der  Haut 
jedes  Antennengliedes  ausser  den  gewöhnlichen  Haaren  und  den  feinen 


220  Vom  Sehorgan   des  Menschen. 

Porenkanälcn  noch  eigenthtimliche  längliche  Gruben  vorhanden  sind, 
in  deren  Tiefe  sich  die  Ghitinhaut  verdünnt.  Da  niui  dergleichen 
Bildungen  am  ganzen  übrigen  Körper  fehlen,  selbst  an  den  tastenden 
Palpen  und  Fussenden,  und  da  ausserdem  ein  starker  Nerv  im  Inneren 
der  Antennen  verläuft,  so  darf  man  der  Vermuthung  Raum  geben, 
dass  man  es  mit  einem  spezifischen  Sinnesorgan  zu  thun  hat,  und  aus 
Mangel  an  physiologischen  Anhaltspunkten  dürfte  vorderhand  noch  am 
ehesten  auf  ein  Geruchsorgan  gerathen  v^rerden.  Bezüglich  der  eigen- 
thümlichen  dichtstehenden,  trichterförmigen  Vertiefungen  in  den  An- 
tennenblättern des  Maikäfers  sei  erwähnt,  dass  diese  mit  Luft  gefüllt 
sind  und  desshalb  einen  stark  schattirten  Rand  haben.  Wenn  ich 
übrigens  recht  beobachtet  habe,  so  finden  sich  ganz  ähnliche  mit  Luft 
gefüllte  Vertiefungen  am  ßrustschild  der  Lampyris  spendidula.  (Am 
bequemsten  sieht  man  die  eigenen  Gruben  der  Antennen  bei  Insekten, 
die  noch  nicht  ihre  Puppenhülse  verlassen  hatten  und  pigmentlos  sind ; 
an  Gastropacha  pini  z.  B.,  wo  sie  am  fertigen  Schmetterling  nicht  ohne 
Weiteres  in  die  Augen  springen,  erkennt  man  an  der  Vorderfläche 
der  Seitenstrahlen  die  rundlichen  Vertiefungen  mit  centralem  Punkt 
bei  noch  farblosen,  aus  der  Puppe  genommenen  Thieren  ganz  leicht.) 


Sclcr 


Achtzehnter  Abschnitt. 

Vom    Sehorgan    des    Menschen. 

§.  194. 

Der  Augapfel  ist  zusammengesetzt  aus  der  Faserhaut,  Sclerotica 
und  Cornea,  zweitens  der  Gefässhaut,  Chorioidea  und  Iris,  und  drittens 
der  Nervenhaut,  Retina.  Diese  drei  Membranen  bilden  hauptsächlich 
die  Wand  des  Bulbus,  während  das  Innere  von  den  brechenden  Medien, 
der  Linse  und  dem  Glaskörper  eingenommen  wird. 

Die  Entwicklung  des  Augapfels  geschieht  vom  Gehirn  aus 
und  von  der  äusseren  Haut  her.  Aus  dem  Gehirn  stülpen  sich  die 
prinu'tiven  Augenblasen  ,  welche  sich  in  die  sekundären ,  doppel- 
wandigen  dadui'ch  umwandeln,  dass  die  Linse  vom  oberen  Keimblatt 
sich  hereinbildet.  Das  obere  Keimblatt  (Epidermisüberzug  der  Haut) 
verdickt  sich  an  dieser  Stelle  zu  einer  dickwandigen  Hohlkugel,  die 
sich  als  Linse  abschnürt  {Huschke,  Remak).  Die  Linse  ist  sonach 
ein  Produkt  des  oberen  Keimblattes. 

§.  195. 

Die  weisse,  derbe  und  feste  Sclerotica  besteht  aus  dichtem 
Bindegewebe,  dessen  Lagen  in  verschiedenen  Richtungen  sich  durch- 
flechten.    Die  Bindegewebskörperchen  bilden  ein  zusammenhängendes 


Hornhaut. 


221 


Netz  von  Kanälen,  in  denen  wahrscheinlich  eine  Ernährungsflüssig-kclt 
durch  die  ganze  harte  Haut  sich  verbreitet.  An  eigentlichen  Blut- 
capillaren  ist  die  Sclerotica  sehr  arm. 

Am  vorderen  Abschnitt  des  Auges  geht  die  Sclerotica  continuir- 
Hch  in  die  Hornhaut,  Cornea ,  fort,  welche  zwar  ebenfalls  von  sehr 
festem  Gefüge,  aber  durchsichtig,  gewissermaassen  das  Fenster  des 
Auges  ist.  Auch  sie  besteht  aus  Bindesubstanzlagen ,  die  übrigens  von 
dem   gewöhnlichen    Bindegewebe   chemisch    dadurch  abweichen,    dass 

Fig.   119. 


Senkrechter  Schnitt  durch  die  Hornhaut. 
a  eigentliche  Substanzlage  der  Hornhaut  mit  den  Bindegewebskörperchen  (sollte 
im  Verhältniss  zu  den  andern  Schichten  dicker  gezeichnet  sein),  b  die  homogene 
Grenzschicht  an  der  vorderen  Fläche,  c  die  homogene  Grenzschicht  (Descemet'sche 
Haut)  an  der  hinteren  Fläche  der  bindegewebigen  Hornhautsubstanz,  d  das  Einthel 
der  Conjunctiva,  e  das  Epithel  der  Descemet'schen  Haut.     (Massige  Vergr.) 

sie  beim  Kochen  nicht  Leim,  sondern  Chondrin  geben  {Joh.  Müller). 

Die    Bindesubstanzlamellen    durchstricken    sich    auf's    mannichfaltio-ste 

o 

und  zwischen  ihnen  erscheint  sehr  klar  ein  System  von  netzförmig 
verbundenen  Bindegewebskörperchen,  welche  im  Normalzustand  nur 
Plasma  sanguinis  führen,  in  der  pathologisch  veränderten  Hornhaut 
indessen  endogene  Zellen,  Fetttröpfchen  u.  s.  w.  enthalten  können.  An 
der  vorderen  und  hinteren  Fläche  der  Hornhaut  geht  die  Bindesub- 
stanz in  homogene  Lamellen  aus;  die  vordere  ist  dünner  als  die  hin- 
tere und  erscheint  eigentlich  nur  unter  der  Form  eines  hellen  Grenzsau- 
mes, ganz  in  der  Art,  wie  auch  die  Lederhaut,  Schleimhäute,  seröse  Häute 
etc.  einen  gleichen  homogenen  Rand  bilden;  die  hintere  Lamelle  hingegen 
ist  viel  dicker,  von  glasartigem  Aussehen  und  heisst  Wasserhaut  oder 
Membrana  Descemeti.  Indem  diese  Haut  ringsherum,  da  wo  die  Horn- 
haut authört,  in  ein  Netzwerk  von  mehr  elastischen  als  bindegewe- 
bigen Fasern   sich  auflöst,    nachdem   sie  vorher  in    warzenartige  Ver- 


Cornea. 


222 


Vom  Sehorgan  des  Menschen. 


ChorioMea 


clickungen  [HassaL   H etile)  sich   erhoben  hat,    wird  das  Ligamentum 
pectinatum  erzeugt. 

Die  beiden  homogenen  Lamellen  der  Hornhaut  sind  von  einem 
Epithel  überdeckt,  jenes  der  vorderen  Seite  ist  ein  geschichtetes  Plat- 
tenepithel, dessen  unterste  Zellen  länglich  sind  und  senkrecht  ste- 
hen. Das  Epithel  repräsentirt  die  Conjunctiva  der  Hornhaut.  Die  Epi- 
thelschicht der  Descemet'schen  Haut  ist  einfach  und  aus  polygonalen 
Zellen  zusammengesetzt. 

Die  Hornhaut  des  Erwachsenen  ist  fast  ganz  gefässlos.  Nur  am  Rande 
beobachtet  man  einzelne  kurze  Grefässsclilingen  in  Begleitung  der  hier 
eintretenden  Nervenstämmchen  und  dann  auch  noch  oberflächlich^  der 
Bindehaut  zunächst,  eine  Anzahl  feiner  Gefässbogen,  die  sich  aber 
höchstens  eine  Linie  weit  in  die  Hornhaut  erstrecken.  Die  Co7-nea 
ist  ziemlich  reich  an  Nerven.  Die  Ciliarnerven  geben  20  —  30  Stämm- 
chen ab,  welche  vom  Scleroticalrande  her  in  die  Hornhaut  eindrin- 
gen; sie  verlieren  sehr  bald  ihre  Markscheide,  werden  daher  blass 
und  so  durchsichtig,  dass  die  Studien  über  die  Endigungsweise  mit 
grossen  Schwierigkeiten  zu  kämpfen  haben;  über  die  Ergebnisse  der 
Untersuchung  vergl.  unten:  Hornhaut  der  Wirbelthiere. 

§.  195. 

Die  zweite  Haut  des  Augapfels  oder  die  Aderhaut  heisst  in 
ihrem  hinteren  umfänglicheren  Abschnitt  Chorioidea  und  in  ihrem  vor- 
deren kleineren  Iris. 

Die  Chorioidea^  Gefässhaut,  zerfällt  in  zwei  histologisch  verschie- 
dene Schichten.  Die  äussere  oder  Hauptlage  besteht  aus  Bindesub- 
stanz und  Gefässen,  die  innere  Schicht  ist  eine  pigmentirte  Zellenlage. — 
Das  Bindegewebe  oder  Stroma,  der  Träger  der  Blutgefässe,  er- 
scheint in  den  äusseren  Schichten  stark  pigmentirt  und  zwar  ist  ein 
dunkelkörniges  Pigment    In    den   verzweigten  Bindegewebskörperchen 

Fig.   120. 


Stück    der    Cliorioidea.     (Massige  Vergr.) 

a  epithehirtige  T>;iniiii;i   pigiiHniti,  zum  Tlicil  abgelöst  und  eingerollt,    h   Menilirniiii 

cliori((-i',i))ill;u-is,  c   die  stärkeren  Gcfässe   der  Chorioidea,   d   die  Latuina  fusca.. 


Chorioidea,  Iris.  2'23 


abgesetzt.  Beim  Weg-lösen  der  Chorioidea  von  der  Sclerotica  Lleibt 
immer  ein  Tlieil  dieser  bräunlich  oder  schwärzlich  gefärbten  Binde- 
substanz an  der  Innenfläche  der  Sclerotica  hängen  und  stellt  damit  die 
Lamina  fusca  der  iVutoren  vor.  Nach  innen  zu  gestaltet  sich  das 
Bindegewebe  zu  einer  homogenen  zarten  Haut.  Die  stärkeren  Ge- 
fässe,  Ciliararterien  und  Venen,  sowie  die  Ciliarnerven  liegen  in  dem 
pigmentirten  Bindegewebe,  während  die  feine,  äusserst  dichte  capil- 
lare  Ausbreitung  der  Chorioidealgefässe  in  der  eben  bezeichneten  ho- 
mogenen Haut  ruht,  welche  als  die  Grenzschicht  des  Bindegewebes 
nach  innen  anzusehen  ist  {Membrana  chorio-capillaris  oder  Memhr, 
Ruyschiana). 

Die  Epithellage  an  der  Innentläche  der  Chorioidea  besteht  aus 
regelmässig  polygonalen  Zellen,  die  sich  bis  zur  Ora  serrata  in  ein- 
facher Lage  erstrecken  und  dicht  mit  Pigmentkörnern  erfüllt  sind. 
{Lamina  pigmenti  der  Autoren.) 

Die  Chorioidea  besitzt  auch  einen  Muskel,  es  ist  das  der  grau- 
weisse  Ring  auf  der  äussren  Fläche  des  vorderen  Randes  der  Chorioi- 
dea (das  Liga7nent um  ciliare  der  Aelteren).  Er  ist  aus  glatten  Fasern 
gebildet,  die  radiär  von  der  Sclerotica,  da  wo  sie  in  die  Cornea  über- 
geht, entspringen  und  sich  an  die  Chorioidea  ansetzen.  Die  Muskel- 
fasern sind  kurz,  zart  und  ihr  Kern  rundlich,  nicht  stabfönnig. 

Die /m,  Regenbogenhaut,  besteht  ebenfalls  aus  Bindegewebe,  ihb 
Blutgefässen,  Nerven,  Muskeln  und  Epithellagen.  Das  Bindegewebe 
oder  Stroma  der  Iris  hat  zahlreiche  verzweigte  Bindegewebskörper- 
chen ,  die  häufig  Pigmentmolekule  zum  Inhalt  haben  und  auch  hier 
formt  die  Bindesubstanz  nach  der  freien  Fläche  hin  einen  homogenen 
Saum.  Die  Blutgefässe  der  Iris  schildert  was  Anordnung  und 
Vertheilung  betrifft  jedes  Compendium  der  Anatomie.  Die  zahlreichen 
Nerven  sind  die  Endausbreitungen  der  Nervuli  ciliares,  welche  lediglich 
den  Spannmuskel  der  Chorioidea  und  die  muskulösen  Elemente  der 
Iris  zu  versorgen  haben.  Die  Muskeln  sind  glatt  und  ordnen  sich 
einerseits  ringförmig  um  die  Pupille  herum,  wodurch  der  Verengerer 
gebildet  wird,  andererseits  verlaufen  sie  strahlig  von  dem  Rande  des 
Sphincter  nach  dem  Ciliarrand  der  Iris ,  wodurch  der  Erweiterer  oder 
Dilatator  der  Pupille  zu  Wege  kommt.  —  Die  freien  Flächen  der  Iris 
deckt,  wie  anderwärts,  ein  Epithel;  das  der  vorderen  Fläche  ist  zart  und 
einfach,  mit  der  Zellenschicht  der  Descemet'schen  Haut  in  Verbin- 
dung stehend,  das  der  hinteren  Seite  ist  die  Fortsetzung  der  pigmen- 
tirten Zellenlage  der  Chorioidea,  besteht  jedoch  dm-chweg  aus  über- 
einander gehäuften  Zellenschichten,  die  mit  schwarzem  Pigment  voll- 
gefüllt sind  {Uvea  oder  Traubenhaut  des  Auges).  Der  helle,  freie 
Rand  dieser  Pigmentzellen  giebt  in  toto  betrachtet  auch  wohl  das  Aus- 
sehen einer  hellen  scheinbar  selbständigen  Cuticula. 

Hinsichtlich  der  Farbe  der  Iris  sei  noch  bemerkt,  dass  sie  blau 
erscheint,  wenn  ihr  Stroma  kein  Pigment   enthält   und  daher  nur  das 


224 


Vom  Sehorgan  des  Menschen. 


der  Uvea  durchschimmert;  die  bräunhchen  und  dunklen  Färbungen 
rühren  her  von  gelbhchen  oder  bräunhchen  Körnern  und  Klümpchen, 
welche  an  das  Stroma  in  variabler  Menge  gebunden  sind. 

§.  196. 
Die  dritte  oder  innerste  Haut  des  Augapfels  ist  die  Retina,  die 
Nerveuhaut.  Sie  hat  den  Bau  eines  membranförmig  ausgebreiteten 
Ganglions,  besteht  demnach  aus  Bindesubstanz  und  den  nervösen  Ele- 
menten ,  und  diese  lassen  wieder  eine  Anzahl  von  Schichten  unterschei- 
den. Die  Bindesubstanz  der  Retina  ist,  wo  sie  als  Träger  der  Blut- 
gefässe fungirt,  gleichwie  in  den  Nervencentren  eine  weiche  moleku-, 
läre  Masse,  sie  gewinnt  aber,  ähnlich  wie  an  der  Oberfläche  der  Hirn- 
höhlen, eine  festere  Beschaffenheit  an  der  inneren  Oberfläche  der  Re- 
tina, da  wo  sie  an  den  Glaskörper  anstösst  und  wird  zu  einer  hellen, 
homogenen  Membran,  die  man  als  Begrenzungshaut,  Membrana  limi- 
tans  bezeichnet.  Von  der  Innenfläche  der  Membrana  limitans  weg 
durchsetzen  Faserzüge  in  radiärer  Richtung  die  Retina  (das  radiäre 
Fasersystem  der  Autoren),  die   sammt   der  M.  limitans   mir  gleichsam 


Fig.  121. 


iiH||iiii{|piilinni|iiiiiniiiiiciiiiiiiiiiiiiiiii'iiiii 


H 


''W 


A  Senkrechter  Schnitt  aus  der  menschlichen  Retina,  neben  der  Eintritts- 
stelle des  Sehiiurven:  ])  Stäbchoischicht,  2)  äussere  Kürnerschicht,  3)  Zwischen- 
körnerschiclit,  \)  innere  Künierscliicht,  5)  granulöse  Schiclit,  6)  Nervenzellen- 
schiclit,   7j  Sehnervenfasern,    8)  Begrenzungshaut. 

B  Schnitt  aus  dem  gelben  Fleck  der  m  unsclili  c  b  cn  Itctina,  Bezeichnung 
der  Zalileu    wie    vorliin.      (Nach    //.   Müller.) 


Retina.  225 

den  Rahmen  oder  Stützapparat  abzugeben  scheinen,  in  welchem  die  spezi- 
fischen oder  nervösen  Gebilde  der  Retina  enthalten  sind.  Die  nervö- 
sen Elemente  bilden,  wenn  man  von  innen  nach  aussen  zählt  1)  die 
Faserschicht  des  Sehnerven,  2)  eine  Schicht  grauer  Nervensubstanz, 
3)  die  Körnerschicht,  4)  die  Stäbchenschicht.  Zum  weiteren  Ver- 
ständniss  derselben  diene  folgendes. 

Nachdem  die  Faserbündel  des  Opticus  ins  Auge  eingetreten 
sind ,  breiten  sie  sich  geflechtartig  in  der  Richtung  von  Meridianen 
des  Augapfels  aus  und  bilden  die  erste  Schicht  unmittelbar  unter  der 
Membr.  limitans ,  die  sich  bis  zur  Ora  serrata  erstreckt.  Am  gelben 
Fleck,  Macula  lutea,  wo  bekanntlich  das  deutlichste  Sehen  Statt  findet, 
ist  diese  Faserschicht  des  Opticus  nur  unvollständig,  indem  eine  con- 
tinuirliche  Lage  von  Nervenfasern  an  der  Oberfläche  desselben  mangelt, 
und  die  herangetretenen  Fasern  sich  zwischen  die  zelligen  Theile  die- 
ser Gegend  verlieren.  Die  Fasern  des  Opticus  sind  blass,  zart,  zu 
Varikositäten  sehr  geneigt.  Alle  die  Fasern  der  Opticuslage  enden 
in  den  Fortsätzen  multipolarer  grosser  Ganglienzellen,  welche  der 
Faserschicht  des  Opticus  aufliegen.  Andere  Fortsätze  verbinden  die 
Ganglienkiigcln  unter  einander  selber,  und  wieder  andere  Fortsätze 
verlaufen  nach  der  Körnerschicht.  Die  multipolaren  Ganglienkugeln 
und  ihre  Ausläufer  (graue  Nervenfasern  Pacini)  gegen  die  Körner- 
schicht zu,  bilden  zusammen  die  Lage,  die  vorher  als  Schicht  grauer 
Nervensubstanz  unterschieden  wurde.  Indem  jetzt  diese  Ausläufer 
der  grossen  Ganglienzellen  noch  einmal  mit  den  Fortsätzen  kleinerer 
Ganglienkugeln  in  Zussammenhang  treten,  entsteht  die  „Körnerschicht" 
und  zuletzt  sollen  die  Ausstrahlungen  der  kleinen  Ganglienzellen  mit 
fadenartigen  Ausläufern  der  Stäbchen  zusammenhängen.  Die  Stäbchen- 
schicht besteht  aus  den  eigentlichen  Stäben  und  den  Zapfen. 
Erstere  sind  schmale,  helle,  homogene  Cylinder,  äusserst  empfindlich 
gegen  äussere  Einflüsse,  die  Zapfen  sind  kürzere  Stäbchen,  deren  Ende 
zapfen-  oder  birnförmig  angeschwollen  ist.  Stäbchen  und  Zapfen  sind 
pallisadenartig  aneinander  gereiht,  und  meist  ist  die  Stellung  so,  dass 
die  Zapfen  vertheilt  zwischen  den  Stäben  stehen,  am  gelben  Fleck  aber 
sind  nur  Zapfen  zugegen.  Der  Faden,  in  welchem  die  Stäbchen  und 
Zapfen  an  ihrem  inneren  Ende  sich  verlängern,  ist  es  eben,  der  mit 
den  Ausläufern  der  kleinen  Ganglienzellen  (Körnerschicht)  zusammen- 
hängen soll. 

Die  Retina  erscheint  dem  Gesagten  zufolge  von  einem  analogen 
Bau,  wie  die  nervösen  Centralorgane,  da  die  Fasern  des  Opticus  blasser 
und  feiner  geworden,  in  den  Ausläufern  von  Ganglienzellen  unter- 
gehen, man  könnte  auch  sagen,  entspringen.  Die  Ganglienzellen 
unter  einander  selbst  wieder  durch  Commissuren  in  Zusammenhang, 
entsenden  andre  Ausläufer,  die,  nachdem  sie  abermals  mit  kleineren 
Ganglienzellensich  verknüpft  haben,  in  Form  von  stabartigen  Gebil- 
den,   die   sehr   regelmässig   geometrisch   geordnet   sind,    enden.     Die 

Leydig,  Histologie.  \^ 


226 


Vom  Sehorgan  des  Menschen. 


Linse. 


Stäbchen  und  Zapfen  gelten  desshalb  gegenwärtig  als  die  eigentlich 
lichtempfindenden  Theile,  die  fasrigen  nervösen  Elemente  dienen  zur 
Leitung,  die  Nervenzellen  wirken  wie  Nervencentren. 

§.  197. 

Die  Krystalllins  e  zeigt  eine  Zusammensetzung  aus  Kapsel-  und 
Linsensubstanz.  Die  Linsen  kapsei  ist  eine  wasserhelle,  struktur- 
lose Membran,  welche  die  Linse  eng  umschliesst.  Die  vordre  Hälfte 
der  Kapsel  hat  an  der  innren  Fläche  ein  aus  einfacher  Zellenlage 
zusammengesetztes  Epithel.  Der  sogenannte  Liquor  Morgagni,  oder 
die  beim  Anstechen  der  Linsenkapse]  hervorquellende  und  einige  auf- 
geblähte Epithelzellen  enthaltende  Flüssigkeit  ist  eine  cadaveröse  Er- 
scheinung. 

Die  Linsensubstanz  wird  gebildet  durch  die  Linsenfasern. 
Es  sind  das  weiche ,  überaus  blasse ,  faserartige  Gebilde ,  platt  und 
bedeutend  lang,  wovon  je  eine  Faser  einer  einzigen  nach  zwei  Seiten 
hin  ausgewachsenen  Zelle  entspricht.  Auf  dem  Querschnitt  erscheinen 
sie  sechseckig,  die  Ränder  sind  rauh,  wie  leicht  gezähnelt,  an  der 
Peripherie  der  Linse  haben  sie  einen  grösseren  Breitendurchmesser, 
als  nach  dem  Linsenkern  zu.  Die  Linsenfasern  sind  so  angeordnet, 
dass  sie,  dicht  an  einander  gelegt,  zunächst  einen  blättrigen  Bau  der 
Linse  erzeugen,  der  besonders  an  erhärteten  Linsen  hervortritt.  Ausser 
dieser  lamellenförmigen  Schichtung  muss  auch  der  Verlauf  der  Linsen- 

Fig.   122. 


Senkrechter  Sclniitt   (iitrcli   den   Iv insenra nd. 
a  vordere   Wand  der  Liiisenkapsel,    b  das  Epithel  derselben,    c  Linsenfasern. 

(Starke  Vergr.; 


Linse,  Glaskörper.  227 

fasern    beachtet    werden.     An    der    vordren    und  hintren  Linsenfläche 

bemerkt  man  nämlich  eine  sternförmige  Figur^    die    nicht  ans  Fasern 

besteht,    sondern    als  eine  homogene   oder   feinkörnige  Substanz    sich 

zeigt  und  durch  die  ganze  Dicke  der  Linse,  entsprechend  den  Linien 

des  Sterns,  septenartig  sich  hindurchzieht.     Die  Linsenfasern  verlaufen 

nun  im  Allgemeinen  wie   Meridiane,    da  sie  aber  durch    die  Strahlen 

der  Linsensterne  unterbrochen  werden,  so  gelangt  keine  um  den  vollen, 

halben   Umfang   der  Linse,    sondern    sie    hören    an   den  Sternen   mit 

verbreitertem    Ende   auf  und   stellen  damit  Curvensysteme,    die    Vor- 

tices  dentis  dar. 

Fig.   128. 


a  Linse  von  vorne,   b  von  hinten,    um  die  Linsensterne  zu  veranschaulichen. 

(Geringe  Vergr.) 

Die  Linse  und  ihre  Kapsel  sind  beim  Erwachsenen  ganz  gefäss- 
los,  ihre  Ernährung  geschieht  durch  Tränkung  von  Seite  der  um- 
gebenden Flüssigkeiten. 

§.   198. 

Der  Glaskörper,  Gorpus  vitreum,  ist  was  seine  Struktur  anbe-  GuskBrper. 
langt,  ein  Glied  der  Bindegewebsformen.  Noch  beim  Neugeborenen 
hat  er  ein  zartes  Fachwerk,  das  beim  Fötus  zum  Theil  der  Träger 
von  Blutgefässen  ist;  in  den  Maschenräumen  liegt  die  Gallert-  oder 
Schleimsubstanz.  Das  Fachwerk  hat  in  den  Hauptzügen  eine  gewisse 
regelmässige  radiäre  Anordnung  in  der  Art,  dass  der  Querschnitt  dem 
einer  Apfelsine  sich  vergleichen  lässt.  Später  wird  das  Areolarge- 
webe  so  zart,  dass  es  kaum  mehr  unterschieden  werden  kann,  nur 
die  äusserste  membranartige  Begrenzung  am  Umfang  des  Glaskörpers 
bleibt  als  Membrana  hyaloidea  fortbestehen.  Die  Fortsetzung  der 
letztren,  welche  sich  bis  zum  Rand  der  Linse  erstreckt,  heisst  Zonula 
Zinnil  und  weist  etwas  eigenthümliche  Fasernetze  auf;  sie  zeigen  einen 
gewissen  starren  Habitus  und  werden  von  Essigsäure  nicht  in  dem 
Maasse  angegriffen,  wie  gewöhnliches  Bindegewebe. 

§.  199. 

Mit  dem  Augapfel  erscheinen  einige  accessorische  Bildungen  Acceasori- 
in  Verbindung:  die  Augenlider,  die  Conjunctiva  und  die  Thränenorgane.  AuglntLie. 

Die  Stützen  der  Augenlider,  die  sog.  Tarsalknorpel,  sind  nicht 
knorpelig,  sondern  bestehen  aus  festem,  geformten  Bindegewebe.  In 
ihnen  liegen  eingebettet  längliche  trauben förmige  Talgdrüsen, 
(Meibom'sche  Drüsen),  deren  weisshches  Sekret  die  Augenbutter, 
Sehuyn  palpebraLe,  liefert.  Die  Cilien  haben  noch  ihre  besondren  Talg- 
drüsen. 

15* 


228  Vom  Sehorgan  des  Menschen. 

Die  Bill  rl  eliaut,  Conjunctivae  ist  an  den  Lidern  von  der  des 
Augapfels  etwas  verschieden.  Dort  hat  sie  die  Charaktere  einer  ge- 
wöhnHchen  Schleimhaut,  d.  h.  eine  bindegewebige,  in  Papillen  sich 
erhebende  Grundlage  mit  8chleimdrüschen,  Gefässen  und  Nerven,  da- 
rüber ein  geschichtetes  Plattencpithel.  8chon  an  der  Conjunctiva  sclero- 
ticae  fehlen  Papillen  und  Drüsen ;  die  Bindegewebslage  ist  noch  stark 
und  reich  an  elastischen  Fasern,  an  der  Conjunctiva  corneae  aber  ist 
das  Bindegewebstratum  innig  mit  der  Hornhaut  verwachsen  und  nur 
das  geschichtete,  starke  Epithel  ist  der  einzige  Repräsentant  der  Con- 
junctiva geblieben. 

Die  Olandula  lacrymalis  hat  den  Bau  von  traubigen,  aggregirten 
Drüsen;  die  bindegewebigen  Ausführungsgänge  verästeln  sich,  winden 
sich  und  treiben  blasige  Ausbuchtungen,  die  Acini  der  Autoren.  Das 
Innre  ist  ausgekleidet  von  rundlichen  Sekretionszellen ,  die  in  den 
Ausführungsgängen  eine  cylindrische  Gestalt  annehmen. 

Beim  Embryo  ist,  wie  zuerst  Joh,  Müller  und  Henle  nachwiesen,  die 
Conjunctiva  corneae  von  einem  reichlichen  Gefässnetz  durchzogen;  kurz  vor  und 
nach  der  Geburt  verkümmert  es  zu  den  wenigen  oben  beschriebenen  ,  am  Rande 
der  Honiiumt  befindlichen  Gefässbogen,  und  wenn  bei  Entzündungen,  oft  plötzlich 
in  der  ganzen  Hornhaut  des  Erwachsenen  Blutgefässe  auftreten ,  so  geschieht  das 
in  Folge  einer  Gelässneubildung,  worüber  man  die  jüngst  erschienene  Schrift  von 
//i*',  Beitr.  z.  normalen  u.  jiathologisch.  Histologie  der  Cornea,  1856,  nachzusehen 
hat,  welche  überhaupt  die  exakteste  Darstellung  der  Hornhaut  in  geweblicher  Be- 
ziehung enthält.  Die  muskulöse  Natur  üqü  Ligamentum  ciliare  erkannte  zuerst 
Brücke  (184:6)  ,  nachdem  dieser  Theil  unter  den  verschiedensten  Benennungen 
lange  Zeit  eine  traurige  liolle  in  der  Anatomie  gespielt  hatte.  —  Die  Literatur 
über  den  Bau  der  Ketina  ist  selir  reich  an  Widersprüchen.  Abgesehen  von  an- 
deren Differenzen  sei  nur  erwähnt ,  dass  schon  früher  einmal  die  Ansicht  aufge- 
stellt war  (Trevirauus),  die  Stäbchen  seien  die  Nervenenden.  Später  verbreitete 
sich  {dnrch  Hannover,  Brücke)  die  Auffassung,  dass  die  Retina  aus  zwei  wesent- 
lich verschiedenen  Tlieilen,  dem  Licht  empfindenden  Api)arat  {Tunica  nervea,  aus 
nervösen  Tlieilcn  bestehendj  und  aus  dem  katoptrischen ,  dem  Stratum  bacillosum, 
zusammengesetzt  sei.  Wie  aus  dem  oben  Vorgetragenen  hervorgeht,  ist  man  zur  alten 
Lelire  zurückgekehrt,  und  ist  dieselben  durch  die  Arbeiten  PacinVs,  TL  Müller^s, 
K'ölliker's  u.  A.  präcisirt  worden.  Doch  treten  schon  abermals  Widersacher  auf. 
In  der  Abhandlung  Blessig's,  de  retinae  textura  (1855),  unter  der  Beihülfe  von 
Bidder  und  Schmidt  geschrieben,  wird  erklärt,  die  Opticusfasern  seien  die 
einzigen  nervösen  Theile  der  Retina,  alles  übrige  Bindegewebe,  die  Ganglienkugcln 
seien  von  einer  feinkörnigen  Substanz  erfüllte  Bindegewebsmaschen ,  die  Radial- 
fasern existirtcn  nicht  etc.  0))schon  mir  nun  einzelne  Behauptungen  der  neueren  Be- 
arbeiter der  Retina  nicht  ganz  unbedenklich  sind  und  eine  Berichtigung  erfahren 
dürften,  so  erweist  sicli  doch  auch  Vieles  als  richtig,  und  auf  keinen  Fall  scheint 
mir  die  obige   Darstellung  durch  die  Dorpater  Schrift  ganz  vernichtet  zu  sein. 

Die  ersten  Mittlicilungen,  welche  ein  helleres  Licht  über  den  histologischen 
Bau  des  Glaskörpers  verbreiteten,  gaben  Bowman  (1845)  und  Virchow  (1852).  — 
T/iojna.-i  hat  auf  L  i  n  senst;  li  ii  ffe  n  eigenthümliche  Zeichnungen  entdeckt,  die  jetzt 
von   Czermuk  als   der    Ausiiiiick    der  Linsenfaserung  erkannt   worden   sind. 


Vom   Auge  der  Wirbeltliiere.  229 


Neunzehnter  Abschnitt. 

Vom    Auge    der    Wirbeltliiere. 

§.  200. 

Die  Sclerotica,  g-leiclisam  das  Skelet  des  Auges,  wird  immer  scieioti 
aus  den  verschiedenen  Spezies  der  Bindesubstanz  gebildet;  bei  allen 
Säugethieren  besteht  sie  lediglich  aus  festem  Bindegewebe,  dessen 
zellige  Elemente  (Bindegewebskörperchen)  häufig  Pigment  enthalten 
(Rind,  Schaaf,  Pferd  z.  B.)  Die  überaus  dicke  Sclerotica  der  Cetaceen 
{Balaena  australis  z.  B.)  erscheint  von  einem  grösseren  Lücken system 
durchbrochen,  wie  man  an  feinen  Scheiben  schon  mit  freiem  Auge 
unterscheiden  kann.  Das  Bindegewebe  ist  hier  nicht  die  gewöhnliche 
Form,  sondern  jenes,  welches  das  Ligamentum  ciliare  der  Fische,  deren 
Iris  etc.  bildet  und  sich  durch  eine  gewisse  Starrheit  seiner  feinfasrigen 
Elemente  auszeichnet.  Von  Interesse  ist,  dass  bei  den  Monotremen, 
deren  Bau  in  so  manichfacher  Weise  an  den  der  Vögel  anklingt,  auch  die 
Sclerotica  sich  wie  bei  letztren  verhält.  Schon  aus  der  Arbeit  Mechels 
über  den  Omitliorliynclius  ist  bekannt^  dass  hier  die  Sclerotica  eine 
Knorpelplatte  besitzt  und  bei  Echidna ,  deren  Auge  ich  zu  untersuchen 
Gelegenheit  hatte,  ist  die  dünne  Sclerotica  nach  ihrem  ganzen  Umfang 
schöner  Hyalinknorpel  mit  zartem  bindegewebigen  üeberzug:  die 
Knorpelzellen  liegen  äusserst  dicht  beisammen,  nur  im  Umkreis  der 
Hornhaut,  wo  sich  die  Sclerotica  wulstartig  verdickt,  hat  sie  den 
Charakter  einer  fibrösen  Haut  angenommen.  —  Von  Nerven  konnte 
ich  bis  jetzt  in  der  Sclerotica  (des  Kalbes)  nichts  wahrnehmen ,  doch 
will  Bahn  beim  Kaninchen  dergleichen  gesehen  haben. 

Im  Gegensatz  zu  den  Säugern  ist  bei  allen  Vögeln  des  Hanpt- 
constituens  der  Sclerotica  ein  Hyalinknorpel  mit  bindegewebigem, 
innerem  und  äusserem  Üeberzug.  Die  Zellen  des  Knorpels  sind  rund- 
lich und  selbst  in  ganz  frischem  Zustande  mit  körnigem  Inhalt.  Der 
bindegewebige  Theil  der  Sclerotica  ossifizirt  am  vorderen  Rande  zu 
einem  Kranze  von  Knochenscliuppen  (sog.  vorderer  Scleroticalring) 
und  auch  um  den  Eintritt  des  Sehnerven  herum  beobachtet  man  bei 
vielen  Vögeln  Ossifikationen  der  harten  Haut  (sog.  hinterer  Scleroti- 
calring). Histologisch  difleriren  die  am  vorderen  und  hinteren  Ab- 
schnitt der  Sclerotica  vorkommenden  Knochenbildungen  dadurch,  dass 
che  Schuppen  des  Knochenringes,  wenn  sie  dünn  sind,  keine  Mark- 
kanäle enthalten,  während  der  hintere  Scleroticalring  qhne  Ausnahme 
von  grösseren  oder  kleineren,  auch  netzförmig  zusammenhängenden 
Markräumen,  Fettzellen  und  Blutgefässe  einschliessend,  durchbrochen 
ist.     Letzterer  scheint  zum  Theil  durch  Verknöcherung  des  Knorpels 


230  Vom  Auge  der  Wirbelthiere. 

entstanden  zu  sein ,  der  vordere  Ring  nimmt  seinen  Ursprung  bloss 
aus  der  Verkalkung  des  Bindegewebes.  (Bei  einem  jungen  Falco 
huteo  waren  in  den  dicken  Schuppen  des  vorderen  Scleroticalringes 
mit  Gefässen  und  Fettzellen  erfüllte  Hohlräume).  —  In  der  Klasse  der 
Amphibien  ist  die  Sclerotica  häufiger  hyalinknorpelig,  die  Knor- 
pelzellen fasst  ohne  gekörnelten  Inhalt  und  dicht  stehend,  so  bei 
Fröschen,  Kröten,  Sauriern,  Schildkröten;  beim  Proteus  ist  das  hin- 
terste Segment  der  Sclerotica  hyalinknorpelig,  die  Zellen  mit  einigen 
Fettkügelchen  neben  dem  Kern,  vorne  besteht  sie  aus  Bindegew^ebe; 
bei  Menopoma  alleghanensis,  wo  fragliche  Haut  im  Verhältniss  zu  dem 
kleinen  Auge  eine  bedeutende  Dicke  hat,  ist  sie  ebenfalls  hyalinknor. 
pelig  und  die  grossen  Zellen  sind  in  verschieden  hohem  Grade  pig- 
menthaltig. Seltner  sehe  ich  die  Sclerotica  von  bindegewebiger  Natur 
(Salamander,  Triton,  Ringelnatter,  Coecilia  annulata).  Am  Vorder- 
rand treten  ebenfals  bei  Sauriern  {Lacer-ta,  Änguis  fragüis ,  Iguana, 
Monitor,  Chamaeleo  etc.)  und  Schildkröten  zu  einem  Ring  verbundene 
Knochenplättchen  auf,  welche  den  Schlangen  fehlen ;  die  bei  Vögeln  in 
der  Nähe  des  Sehnerveneintritts  vorkommenden  Ossifikationen  finden 
sich  hier  nicht,  sie  mangeln  wenigstens,  wie  ich  bestimmt  sehe,  bei 
Lacerta  agilis,  Äiiguis  fragüis,  Tropidonotus  natrix. 

Die  Grundlage  der  Sclerotica  bei  Fischen  ist  seltner  gewöhn- 
liches Bindegewebe,  so  z.  B.  bei  Petromyzon  marinus]  allgemeiner 
wird  sie  durch  einen  Hyalinknorpel  rcpräsentirt,  dessen  Zellen  von 
sehr  variabler  Gestalt  sind,  (bei  Knochenfischen  oft  manichfaltig  ein- 
gebuchtet, beim  Stör  theilweise  strahlenförmig  mit  beträchtlich  langen 
Ausläufern  u.  dgl.) ;  gegen  die  Peripherie  des  Knorpels  strecken  sie  sich 
gerne  in  die  Länge  und  verlaufen  wie  anderwärts  dem  Rande  parallel. 
Ueberzogen  wird  der  Knorpel  von  Bindegewebe,  welches  theils  vorne 
ringförmig  (Stör),  theils  mehr  hinten  zu  einigen  Scheiben  (viele  Te- 
leostier),  theils  nach  Cuvier  bei  Xijjhias  gladius  zu  einer  zusammen- 
hängenden Knochenkapsel  ossifizirt.  An  dem  von  mir  untersuchten 
Auge  eines  Schwerdtfisches  waren  die  histologischen  Verhältnisse  wie 
bei  vielen  anderen  Tcleostiern,  d.  h.  die  Sclerotica  zeigte  sich  grossen- 
theils  hyalinknorpelig  mit  sehr  dicht  gestellten  Knorpelzellen,  nach 
der  Cornea  hin  war  sie  ossifizirt ,  das  Knochengewebe  sehr  schwam- 
mig und  die  fetterfüllten  Markräume  verliefen  hauptsächlich,  die  Horn- 
haut als  Mittelpunkt  genommen,  radiär.  Unter  den  ossifizirten  Partien 
war  übrigens  kein  Knorpel  mehr  vorhanden.  Der  bindegewebige 
Uebcrzug  der  Sclerotica  ist  öfters  {Chimaera  monstrosa  z.  B.,  hier'die 
Sclerotica  im  Verhältniss  zu  dem  grossen  Auge  auffallend  dünn)  mit 
silberfarbenem  Pigment  überzogen. 

§.  201. 
Hornhaut.  Dlc  Homhaut  gewährt  überall  das  Aussehen  von  heller  Bindesub- 

stanz, durchzogen  von  dem  Kanalnetz  der  Bindcgcwebskörperchen.  Letz- 
tere unter  der  Form  längliclier,  gczaktrandiger  Iluhlräume  liegen  in  ver- 


Hornhaut. 


231 


schiedenen,  sich  durchkreuzenden  Schichten.  Die  vordere  und  hintere 
Fläche  der  Hornliaut  geht  in  homogene  Grenzlagen  aus,  die  sich  bei 
Säugern  (Rind,  Schaaf,  Schwein,  Kaninchen,  Meerschweinchen)  wie 
beim  Menschen  verhalten,  doch  fehlt  nach  His  beim  Pferd,  der  Ziege, 
bei  Hunden  und  Katzen  die  vordere  Lamelle.  Bei  den  Vögeln, 
(Auerhahn  z.  B.)  findet  man  die  hintere,  homogene  Lamelle,  Des- 
cemet'sche  Haut,  dünner  als  die  vordere,  homogene  Lage;  bei  Säuge- 
thieren  ist  das  Verhältniss  gerade  umgekehrt. 

Fig.  124. 


Hornhaut  von  Cobitis  fossilis,   um   deren  Gefässe  a  und  Nerven  b  zu  zeigen. 

(Geringe  Vergr.) 

Sehen  wir  uns  nach  den  Ge fassen  der  Hornhaut  um,  so  sind  bei  den 
■verschiedensten  Säugern  und  Fischen  die  am  Rande  der  Cornea 
befindlichen  Gefässschlingen  verhältnissmässig  leicht  zu  finden;  ihrem 
grösseren  Theil  nach  ist  jedoch  die  Substanz  der  Hornhaut  gefässlos. 
Wie  weit  die  Gefässe  in  die  Hornhaut  eindringen,  ist  variabel  nach 
den  vei-schiedenen  Thieren.  Während  beim  Kaninchen  beinahe  gar 
keine  Capillaren  auf  die  Hornhaut  übertreten,  dringen  sie  beim  Schaaf 
bis  zur  Mitte  der  Hornhaut  {Coccius).  Bei  den  Fischen  gehören  die 
Blutgefässe  nur  dem  bindegewebigen  Ueberzug  an  [Conjunctiva) ^ 
welcher  als  Fortsetzung  der  Lederhaut  über  das  Auge  weggeht.  Die 
Gefässe  sind  bei  Fischen  entweder  nur  einfache  oder  verzweigte 
Schlingen  {Cohitis  fossilis,  Oohius  fluriatilis),  oder  es  zeigen  sich 
wahre  Gefässbüschel ,  wie  man  es  z.  B.  an  Orthagoriscus  mola  sieht. 
Hier  treten  in  die  Cornea^  und  zwar  ebenfalls  in  dem  Conjunctiva- 
überzug,  zahlreiche  Gefässpyramiden  herein,  die  aber  unter  sich  keine 
Verbindung  eingehen,  sondern  gleich  den  Gefässverzweigungen  einer 
Darmzotte,  mit  denen  sie  grosse  Aehnlichkeit  haben,  wieder  für  sich 
aus  der  Hornhaut  herausziehen. 


232 


Vom  Auge  der  Wirbelthiere. 


Fig.   125. 


G-efiissIiaut. 


Gefässe  vom  Hornhautrand  des  Orthagoriscus  mola.     (Geringe  Vergr.) 

Die  Nerven  verlieren  sich  im  Allgemeinen  unter  fortgesetzter 
Theilung  der  Primitivfasern  fein  und  blass  geworden,  nach  der  Mitte 
der  Hornhaut  hin ;  wo  sie  netzartig  zusammenzuliängen  scheinen ; 
man  zählt  z.  B.  an  Gohius  fluviatüis  gegen  zwölf  Stämmchen,  welche, 
vom  Rand  der  Hornhaut  hereingetreten,  sich  durch  Austausch  ihrer 
Fasern  gcflechtartig  verbinden  und  dann  ihre  Fibrillen  in  den  hellen 
Abschnitt  senden.  Diese  setzen  aufs  neue  weitmaschige  Gefleclite  zu- 
sammen, aus  denen  äusserst  blassgewordene  Ausläufer  hervorkommen, 
welche  das  Endnetz  bilden.  Aehnlich  ist  es  auch  bei  Säugern,  dem 
Kaninchen  z.  B. ;  doch  trifft  man  auch  Abänderungen ,  bei  Rochen 
und  Haien  z.  B.  gehen  die  Nerven  (und  Gefässe)  nicht  über  den 
pigmentirten  Rand  der  Hornhaut  hinaus  und  lassen  sich  keineswegs 
in  den  hellen  Abschnitt  verfolgen.  Am  sorgfältigsten  ist  His  den 
Endzweigen  der  Nervenfasern  nachgegangen,  denn  er  machte  die 
neue  Beobachtung,  dass  in  dem  Endnetze  derselben  kleine  dreieckige 
x\nschwellungen ,  mit  verschiedentlich  gestaltetem  Kern  vorhanden 
seien,  die  er  „als  eine  Art  peripherischer  Ganglienzellen"  an- 
sprechen zu  müssen  glaubt.  Die  feinste  Nervenverzweigung  geschieht 
übrigens  nach    His    in    der  unmittelbaren   Nähe    der    Oberfläche    der 

Hornhaut. 

§.  202. 

Die  Chorioidea  zerfällt  immer  in  die  oben  für  den  Menschen 
namhaft  gemachten  Schichten.  Die  Hauptmasse  der  Aderhaut  wird 
aus  Blutgefässen  gebildet,  und  deren  bindegewebigem,  pigmentirten 
Stroma,  au  welchem  immer  wieder  kehrt,  dass  die  faserähnlichen  Züge 
desselben  sich  durch  einen  eigenthündichen  steifen  Habitus  auszeichnen. 
Die  Pigmentirung  ist  bei  verschiedenen  Thieren  nicht  gleich  stark, 
und  wie  v.  Wittich  angiebt,  fehlt  sogar  beim  Canarienvogel  das  Pig- 
ment im  Chorioidealstratum  ganz.  Nach  innen  zu  setzt  sich  die 
Bindesubstanz  der  Chorioidea  in  eine  homogene  Haut  um,  welche 
das  äusserst  dichte  Capillarnetz  trägt  {Membrana  chorio-capillaris). 

Von  dieser  Haut  bedeckt  findet  sicli  im  Auge  vieler  Säugethiere 
(nach    Schröder   van   der  Kolk    und    Vroiik    auch    beim  Strauss), 


Gefässhaut.  233 

dann  bei  Fischen:  Rochen,  Haie,  Chimären,  Stör,  eine  glänzende,  das 
Licht  zurückwerfende  Stelle,  ein  sog.  Tapet  um,  bei  Säugern  mit  gold- 
oder  silberfarbigem,  ins  blaue  und  grüne  streifendem  Schiller,  bei 
Fischen  mit  grüngoldenem  Metallglanz,  Es  besteht  entweder,  wie  solches 
bei  Wiederkäuern,  Einhufern,  Elephanten,  Beutelthieren,  Wallfischen 
und  Delphinen  der  Fall  ist,  aus  ganz  gewöhnlichem  Bindegewebe 

Fiff.   126. 


Stück  Tapetum  von  einem  Haifisch.     (Starke  Vergr.) 

{Tapetum fih'osum  der  Autoren),  oder  es  erscheint  aus  zelligen  Gebil- 
den zusammengesetzt,  die  bei  Säugethieren  (Fleischfresser  und  Flossen- 
füsser)  einen  feinkörnig  molekularen  Inhalt  haben,  oder  wie  bei  den 
genannten  Fischen  kryst/illinische,  irisirende  Plättchen  einschliessen. 
Sie  werden  von  delle  Chiaje  Ophtalmolithen  genannt.  Sie  sind  ferner 
nicht  gleich  gross  bei  allen  Selachiern ;  bei  einem  Embryo  von  Torpedo 
(mit  noch  innerem  Dottersack),  ebenso  bei  einem  ausgewachsenen  Scym- 
nuslicMa  waren  sie  viel  kürzer  und  feiner  als  z.  B.  bei  Raja  und  Spjhyrna. 
Die  Membran  der  Zellen  des  Tapetum's  ist  gewöhnlich  äusserst  zart, 
kaum  darstellbar,  was  sowohl  für  das  zellige  Tapetum  der  Säuger 
als  auch  der  Fische  seine  Gültigkeit  hat.  Beim  Dachs  z.  B.  kann  ich 
keine  membranartige  Begrenzung  um  die  körnig-gelben ,  einen  Kern 
einschliesenden,  Zellen  wahrnehmen,  ebenso  erging  es  mir  bei  manchen 
Plagiostomen ;  hingegen  war  in  anderen  Fällen,  z.  B.  am  Störauge, 
eine  membranartige  Contur  zu  erblicken. 

Die  Zellen  der  innersten  epithelartigen  Lage  der  Aderhaut,  der 
sog.  Lamina  pigmenti,  sind  mit  Pigment,  dem  auch  häufig  (z.  B. 
bei  Batrachiern)  ein  oder  mehrere  Fetttropfen  beigemischt  sind,  erfüllt, 
doch  bei  leukotischen  Säugethieren  und  Vögeln,  sowie  da,  wo  das 
Tapetum  sich  ausbreitet,  mangelt  das  dunkle  Pigment,  die  Zellen  haben 
alsdann  einen  blasskörnigen  Inhalt  mit  mehreren  Fettkügelchen  (Rochen, 
Stör).  Die  Pigmentzellen  sind  bei  Vögeln  und  beschuppten  Amphi- 
bien kurze  Cylinder,  die  durch  das  Präpariren  leicht  ihre  wahre  Ge- 
stalt einbüssen,  kegelförmig  werden,  sich  dachziegelartig  decken  u.  s.  w., 
welche  Formen  irrthümlich  als  eigenthümliche  Gestaltungen  dieser 
Zellen  durch  Bruch  und  v.  Wittich  beschrieben  wurden,  was  in  beiden 
Fällen  von   Reichert  corrigirt  wurde  (Jahrsb.   1844  und  1853). 

Die  Processus  ciliares  der  Chorioidea  sind  in  ihrem  feineren 
Verhalten  nicht  bei  allen  Wirbelthieren  gleich.  Bei  den  Säugethieren 
bestehen  sie  hauptsächlich  aus  Gefässconvoluten  und  der  die  Gefässe 


234  Vom  Auge  der  Wirbelthiere. 

tragenden  Bindesubstanz,  welch  letztere  an  der  Basis  der  Fortsätze 
den  bezeichneten  Charakter  des  Chorioidealstroma's  hat,  nach  dem 
Ende  der  Fortsätze  zu  aber  mehr  homogen  sich  ausnimmt;  die  äussere 
Fläche  der  Ciliarfortsätze  decken  die  Zellen  der  Lamina  pigmenti, 
welche  sich  auf  die  Processus  fortsetzen.  —  Das  Corpus  ciliare  der 
Vögel  zeichnet  sich  durch  einen  ungemeinen  Reichthum  an  elastischen 
Fasern  aus,  die  dicht  durch  einander  geflochten  sind,  woher  es  kommt, 
dass  nach  Wegspülung  des  Pigmentes  die  Processus  ciliares  durch  leb- 
haft weisse  Farbe  von  der  grauen  Iris  abstechen.  Die  starken  elas- 
tischen Fasern  laufen  nach  der  Peripherie  der  Processus  sehr  fein 
aus.  —  Die  Ciliarfortsätze  der  Selachier  erweisen  sich  in  einfacherer 
Art  als  unmittelbare  Fortsetzungen  der  Membrana  chorio-capillaris  und 
des  Pigmentcpithels.  Da  das  Epithel  bei  Sphyrna  wenig  pigmenthaltig 
ist,  so  erscheint  der  Ciliarkörper  ziemlich  hell,  und  die  hellen  oder 
wenig  pigmentirten  Partien  sind  ohne  Blutgefässe.  Bei  Hcymnus  lichia 
sah  ich  die  homogene ,  häutige  Grundlage  der  Processus  noch  eine 
ziemliche  Strecke  weit  über  das  Epithel  hinaus  Falten  bilden,  bis  sie 
mit  der  Linsenkapsel  verschmolz.  —  Bei  manchen  Teleostiern,  (z.  B« 
Umhrina  cirrhosa)  liegt  unter  der  Sclerotica  zwischen  ihr  und  der 
Chorioidcaldrüse  eine  dicke,  weisse  Fettlage. 

§.  203. 
pccten.  Jene  eigenthümlichen  Fortsätze,  welche  die  Chorioidea  bei  Vögeln 

und  beschuppten  Amphibien  ins  Innere  des  Glaskörpers  schickt  und 
unter  dem  Namen  Fächer,  Pecten  bekannt  sind,  haben  den  Bau  der 
Processus  ciliares,  bei  der  Eidechse  wenigstens  (s.  Fische  und  Reptilien 
S.  95.)  besteht  der  keilförmige  Kamm  des  Auges  aus  vielfach  durch- 
einander geschlungenen  Blutcapillaren,  die  von  einer  im  Stiel  des 
Kammes  befindlichen  Arterie  ausgehen  und  sich  in  eine  ebenda  ver- 
laufende Vene  sammeln.  Die  Gefässe  sind  zusammengehalten  von 
einer  zarten  Bindesubstanz  und  diese  ist  mit  schwarzem  Pigment 
überdeckt.  —  Der  gemeinhin  für  das  Aualogon  des  Kammes  geltende 
Processus  Proccssus  falciformis  lYO.  Fischauge  ist  von  ganz  anderer  Beschaffen- 
heit. Er  erscheint  dem  freien  Auge  als  eine  pigmentreiche  Falte, 
welche  durch  den  Glaskörper  zur  Linse  tritt  und  vermittelst  eines 
Knötchens  an  den  Rand  der  Linse  sich  befestigt.  Nach  Untersuchungen 
an  OrtJiagoriscus  'inola,  Umhrina  cirrhosa,  Pentex  vulgaris,  Lahrax 
hipus,  Peristediou  cataphracta  (s.  Rochen  und  Haie  S.  2Q)  charakterisirt 
sich  dieses  Organ  vom  histologischen  Standpunkt  folgendermaassen. 
Die  homogene,  bindegewebige  Membran,  welche  in  der  Chorioidea 
die  Gefässausbreitung  t)-ägt,  setzt  sich  durch  eine  Spalte  der  Retina 
scheidenartig  bis  zum  Rande  der  Linsenkapsel  fort  und  mag  wohl 
mit  ilir  verschmelzen.  Ihr  Lauf  von  der  Retina  zur  Linse  ist  nicht 
geraden  Weges  mitten  durch  den  Glaskörper,  sondern  sie  liegt  der 
Retina  concentrisch  an,  und  erst  vorne  biegt  sie,  wie  ein  Cih'ar- 
körper,  quer  herüber  zur  Augenachse,  um  sich  mit  der  Linsenkapsel 


l'alcifoimis. 


Processus  faiciformis. 


235 


Fig.   127. 


Das  Auge  von  Labrax  lupus  in  natürl.  Grösse,  die  vordere  Hälfte  ist  abgetragen, 
a  Retina,  b  Linse,  c  Processus  faiciformis,  d  Campanula. 

fest  ZU  vereinigen.  Sie  schliesst  in  sich  ein  Nervenstämmclien  mit 
breiten,  doppeltconturirten  Fibrillen,  dann  Blutgefässe  und  hat  mehr 
oder  weniger  Pigment.  Diese  Theile  zusammengenommen  repräsen- 
tiren  den  Processus  faiciformis.  Das  Ende  desselben  oder  seine  An- 
heftung an  die  Linsenkapsel  ist  verdickt,  was  von  einer  Fasermasse 
herrührt,    welche  die  Linsenkapsel   eine  Strecke  weit  umspannt  und 

Fig.   128. 


Processus  faiciformis  und  Campanula  massig  vergrössert  von  Orthagoris- 

cus  m  ola. 
a  Arterie,    b  Vene,    c  Nerv,  d  Scheide  des  Processus,  e  muskulöse  Campanula, 

f  Stück  der  Linsenkapsel. 


236  Vom  Auge  der  Wirbelthiere. 

die  nach  dem  mikroskopischen  Verhalten  für  glatte  Muskulatur  er- 
klärt werden  mus.  In  ihr  verliert  sich  das  Nervenstämmchen  unter 
zahlreicher  Verästelung  seiner  Fibrillen.  Diese  Anschwellung  bildet 
die  sog.  CamiJanula  Hallen',  die  dem  Gesagten  zufolge  nichts  anderes 
ist,  als  ein  glatter  Muskel. 

§.  204. 
Muskeln  Jß  clcr  Chorioidea  verschiedener  Wirbelthiere  sind  contraktile 

cuorioidea.  E 1  c  m  c  u  t  c  nachgcwicsen  worden,  bei  Säugethieren  ist  das  früherhin 
LigamentUTn  ciliare  geheissene  Gebilde  als  Spannmuskel  der  Chorioi- 
dea erkannt  worden,  (Corti  konnte  jedoch  beim  Elephanten  hier  keine. 
Muskeln  finden). 

Die  glatten  Fasern  des  Tensor  cliorioideae  entspringen  von  dem 
vorderen  Theil  der  Sclerotica  und  heften  sich  rückwärts  laufend  an 
die  Chorioidea.  Ein  besonderes  Interesse  nimmt  das  Auge  der  Vögel 
bezüglich  seiner  inneren  Muskulatur  in  Anspruch.  Es  hat  nicht  nur 
den  Tensor  chorioideae,  sondern  auch  die  ganze  hintere  Hälfte  der 
Aderhaut,  welche,  nach  dem  Opticus  zu,  sehr  viel  derber  und  fester 
als  bei  Säugethieren  ist,  und  sich  dann  in  dem  vorderen  Drittheil 
ihrer  Ausbreitung  verdünnt,  besitzt,  wie  v.  Wittich  entdeckt  hat  (Ztsch. 
f.  wiss.  Z.  B.  IV.),  ein  ziemlich  weitläufiges  Maschennetz  von  vielfach 
sich  kreuzenden  Muskelbündeln,  die,  meist  von  isolirten  Knotenpunk- 
ten ausgehend,  sich  allseitig  verbreiten.  Dieser  Muskelanordnung 
entspricht  auch  nach  demselben  Autor  ein  ungemein  verzweigtes  Netz 
vielfach  sich  ramifizirender  und  anastomosirender  Nerven ;  meist  in 
grösseren  oder  kleinrcn  Stämmchen  treten  die  aus  doppeltconturirten 
Nervenröhren  bestehenden  Nerven  in  das  Gewebe  der  Chorioidea,  und 
umspinnen  die  grösseren  Gefässe  derselben.  Ausser  diesen  und  den 
gleich  zu  beschreibenden  Irismuskeln  hat  das  Auge  der  Vögel  noch  den 
sog.  Crampton'schen  Muskel,  der  von  der  inneren  Fläche  des  Knochen 
rings  entspringt  und  sich  an  die  Cornea  anheftet.  Die  beschuppten 
Reptilien  haben  den  Tensor  chorioideae,  wie  Brücke  wenigstens 
von  den  Schildkröten,  den  Eidechsen,  mit  Einschluss  der  Gekonen  und 
Chamäleonen,  sowie  den  Krokodillen  gezeigt  hat.  Bei  den  nakten 
Amphibien  konnte  ich  mich  von  der  Anwesenheit  eines  Spannmus- 
kels der  Aderhaut  noch  nicht  vergewissern,  und  was  die  Fische  an- 
langt, so  ist  bei  den  Selachiein  das  grauweisse  Ligamentum  ciliare 
keinesfalls  muskulös,  sondern  besteht  aus  den  eigenthümlich  starren 
Bindegewebszügen  der  übrigen  Chorioidea.  Nimmt  man  Rücksicht 
auf  die  Natur  der  Muskeln  im  Auge  der  Wirbelthiere,  so  machen 
wir  die  Erfahrung,  dass  bei  den  Säugern  die  Muskeln  ohne  Aus- 
nahme glatt,  bei  den  Vögeln  und  beschuppten  Reptilien  andrer- 
seits durchweg  quergestreift  sind. 

§.  205. 

uegci.bogcn-  Dic  Irls,  ciuc   unmittelbare  Fortsetzung  der  CItorioidea,  hat  als 

solche  zum  Grundgew^ebc  Bindesubstanz,  dessen  Fasern  bei  Rochen 


Iris.  237 

und  Haien  dasselbe  eigentliüralicb  steife  Aussehen  darbieten,  wie 
das  Stroma  der  Chorioidea.  Die  Gefässe  und  Nerven  sind  sehr  zahl- 
reich und  bezüglich  der  Blutgefässe  ist  mir  bei  mehren  Haien  auf- 
gefallen, dass  dieselben  ganz  besonders  weit  waren.  In  das  Gewebe 
der  Iris  sind  sehr  allgemein  zur  Verengerung  und  Erweiterung  der 
Pupille  Muskelfasern  eingeflochten,  die  bei  Vögeln  und  beschupp- 
ten Amphibien  quergestreift,  bei  Säugern  und  Fischen  glatt 
sind.  (Nach  den  neuesten  Mittheiluugen  v.  Witticlis  würden  bei  den 
Vögeln  die  radial  die  Iris  durchziehenden  Muskelbündel ,  also  der 
Dllatator  pupillae  entschieden  fehlen,  während  am  Säugethierauge  die 
Existenz  desselben  ausser  allem  Zweifel  ist;  übrigens  konnte  Mayer 
bei  Cetaceen  nur  circuläre  Muskelfasern  finden).  Ich  habe  zwar 
früher  an  Haien  vergeblich  nach  Muskeln  in  der  Iris  gesucht,  möchte 
indessen  die  Existenz  derselben  doch  annehmen,  da  ich  an  einem 
lebenden  ßcijllium  canicula  beobachtete,  wie  er  seine  querovale  Pupille 
so  verschluss,  dass  sie  nur  an  beiden  Enden  punktförmig  offen  blieb. 
Auch  glaube  ich  neuerdings  in  der  Iris  von  Salmo  fario  glatte  Mus- 
keln erkannt  zu  haben ;  sie  sind  zart,  feinkörnig,  der  Kern  rundlich- 
oval  und  die  Muskeln  erinnerten  im  ganzen  Habitus  sehr  an  die  Ele- 
mente des   Tensor  chorioideae  des  Menschen. 

Manchfaltig  sind  die  Färbungen  Aqv  Iris:  die  gelben  Pigmen- 
tlrungen  bei  den  verschiedensten  Wirbelthieren  rühren  her  von  eigen- 
thümlichenMolecularkörnchen,  die  bei  auffallendem  Licht  weissgelb  und 
glänzend,  bei  durchgehendem  schwarz  sind  und  sich  auch  am  mensch- 
lichen Auge  bei  gelbbräunlicher  Irisfarbe  finden.  Bei  den  Vögeln  mit 
gelber  his  kommen  zugleich  mit  diesen  Pigmentkörnern  noch  gelbe 
Fetttropfen  von  wechselnder  Grösse  vor,  sie  veranlassendie  röthliche 
Nuancirung,  wie  mich  die  Untersuchung  des  Auges  vom  Reiher  be- 
lehrt. Bei  l::itrix  Buho  ist  nach  Wagner  „die  hochgelbe  Farbe  der 
Iris  durch  kleine,  dichtgedrängte,  in  eine  Menge  Zellen  getheilte, 
rundliche  Bälge  bedingt,  indem  diese  in  ihren  Zellen  ein  gelbes  Fett 
einschliessen".  Nach  Untersuchung  der  Strix  jyasserina  habe  ich 
beizusetzen,  dass  die  „Bälge*  Wagners  durch  den  Verlauf  der 
Blutgefässe  entstehen,  indem  die  Fettzellenmasse  dadurch,  wie  man 
gut  bei  geringer  Vergrösserung  und  Beleuchtung  von  oben  sieht,  in 
grössere  und  kleinere  Abtheilungen  geschieden  wird.  Weniger  ver- 
mag ich  die  Angabe  des  genannten  Forschers  zu  bestätigen ,  wenn 
er  sagt:  „bei  den  Eulen  laufen  die  Gefässe  frei  zur  Iris''  und  letztere 
sei  über  eine  Linie  von  dem  freien  Rand  der  Chorioidea  entfernt.  Ich 
finde  nach  Wegnahme  der  Uvea  zwischen  dem  zackig  auslaufenden 
Rand  der  gelben  Irisschicht  und  der  Chorioidea  ein  helles,  die  Ge- 
fässe tragendes,  und  elastische  Fasern  enthaltendes  Bindegewebe. 
Der  Metallglanz  bei  Fischen  und  Reptilien  hängt  ab  von  kry- 
stallinischen ,  hier  sehr  kleinen  Plättchen ;  Braun  und  Schwarz  wird 
durch  das  ordinäre,  körnige  Pigment  erzeugt. 


238  Vom  Auge  der  Wivbelthiere. 

§.  206. 
Net/haut.  Die    Retina    der  Wirbeltbiere    ist   im  Wesentlichen  nach  dem 

Typus  der  Nervenhaut  vom  menschlichen  Auge  construirt,    auch  sie 
hat  den  Bau  eines  flächenhaft  ausgebreiteten  Ganglions.     Man  unter- 
scheidet   sehr    allgemein    die    Stäbchenschicht,    die    Körnerschichten 
(aus  kleinen  Zellen  und  feinfasrigen  Elementen  bestehend),  die  Gang- 
Henzellenschicht  und  die  Lagen  der  Sehnerventasern,  welche  gewöhn- 
lich mehr  blasser  Natur,  beim  Hasengeschlecht  aber  deutlich  dunkel- 
randig  sind.     Am  blöden  Auge  des  im  dunkeln  lebenden  Maulwur- 
fes, sowie  des  unterirdischen  Proteus  konnte  ich  früher  und  auch, 
jetzt  nicht  im  frischen  Zustande  eine  iStäbchenschicht  auffinden,  sie  be- 
stand blos  aus  Kernen  und  Molekularmasse ;  allein  an  einem  Kopfe  des 
erstren.  den  ich  vom  lebenden  Thier  abgeschnitten,  in  doppelt  chrom- 
saurem Kali  conservirt  hatte,  gewahre  ich  im  Auge  ein  Stratum  bacillo- 
sum,  dessen  Elemente  zwar  von  äusserster  Feinheit,  aber  doch  deutlich 
sind.     Sie  entsprechen  mehr  den  Coni,    indem  sie  an  ihrem  inneren 
Ende  mit  einer  zellenähnlichen  Anschwellung  versehen  sind.  —  Die 
Stäbchen    der    niederen    Wirbeltbiere   sind   in    der    Regel    grösser 
(eine  Ausnahme  macht  z.  B.   Orthagoriscus,    wo  sie  fein  bleiben)  als 
die  der  höheren ,    die    umfängHchsten  kommen  dem  Landsalamander 
zu,  und  zeigen  dann  auch  mehr  oder  minder  deutlich  eine  Zusammen- 
setzung   aus  Hülle    und  Inhalt,    selbst    noch    an    den    Stäbchen    des 
Auerhahns  Hess  sich  sehen,  wie  eine  zarte  Hülle  vom  körnig  gewor- 
denen Inhalt  sich  ringsherum  abhob.  Die  Elemente  der  Stäbchenschicht 
sind  nach  ihrer  Form  entweder  von  zweierlei  Art,  Stäbchen  und  Zapfen, 
welches  das  gewöhnlichere  ist,    oder  in  seltneren  Fällen  besteht  die 
Stäbchenschicht    nur  aus  dem  einen    oder  anderen  Gebilde,    Rochen 
und  Haie  z.  B.  vielleicht  auch  der  Stör,  haben  nur  Stäbchen,  Änguis 
fragüis,  Fetrornyzon  bloss  Zapfen.     Bei  Fischen  kommt  eine  Verbin- 
dung   der    Zapfen    zu    Zwillingen    vor.     Die    Vögel,    Amphibien, 
{Pelohates   nicht)  viele    Fische  (Plagiostomen    nicht)  haben    an    den 
inneren  Enden  der  Elemente   der  Stäbchenschicht    farbige  und  farb- 
lose Fetttropfen ;  so  sieht  man  bei  Vögeln  und  Schildkröten  farblose, 
dann  gelb-  und  rothgefärbte,    intensiv  gelbe  bei  der  Eidechse,  farb- 
lose bei  der  Blindschleiche,  bei  der   Unke  {Bombinator  igneus)  zwar 
spärliche,  aber  grosse,  stark  gelbgcfärbte  Tropfen  u.  s.  w.     In  anderer 
Art  erscheint  das  zugespitzte  Ende  der  Coni  bei  der  Eidechse  gelb- 
lich gefärbt,  indem  die  mikroskopische  Beschaffenheit  des  Pigmentes 
zwischen   flüssigem  und  gekörntem  Pigment  in  der  Mitte  steht.     Die 
Zellen  der  Latnina  pigmenti  der  Chorioidea  senden  bei  vielen  Fischen, 
Vögeln    und    Reptilien    pigmcntirte    Verlängerungen,    sog.  Pigment- 
scheiden, zwischen   die  Elemente  der  Stäbchenscliicht   vor. 

Die  Stäbchen  der  Amphibien  {Rana ,  Pelohates  z.  B.)  haben, 
wenn  sie  in  grösserer  Anzahl  beisammen  liegen,  einen  rosenrothen, 
bei     manchen     Fischen    (z.    B.     Cobitis  fossilis)     einen     gelblichen 


Retina. 


239 


Schimmer.  Die  frische  Retina  des  Frosches  z.  B.  zeigt  schon  dem 
freien  Auge  einen  lebhaft  rothen  Atlasschiller.  Die  fadigen  Aus- 
läufer der  Stäbchen  verbinden  sich  in  ähnlicher  Art  mit  den  Ganglien- 
zellen und  diese  wieder  mit  den  Opticusfasern ,  wie  oben  vom 
Menschen  erwähnt  wurde.  Die  nervösen  Theile,  d.  h.  die  Nerven- 
fasern und  Ganglienkugeln,  in  bestimmte  Schichten  geordnet,  werden 
gestützt  durch  Bindesubstanz  ,  deren  stärkere  Züge  als  Radialfasern 
bekannt  sind;  durch  Vereinigung  der  Enden  der  letzteren  wird  die 
Membrana  limitans  oder  die  Grenzschicht  der  Retina  gegen  den 
Glaskörper  hin  gebildet. 

Fig.  129. 


A 


ß 


A  Senkrechter  Schnitt  aus  der  Retina  des  Barsches:  a  Pigmentzellen 
der  Chorioidea,  ihre  Fortsätze  verdecken  die  Stäbchen  fast  gänzlich ,  b  Zapfen- 
spitze, c  Zapfenkörper,  d  Fortsatz,  durch  welchen  derselbe  über  e,  der  Grenz- 
linien der  Stäbchen-  und  Körnerschicht,  mit  f,  dem  Zapfenkorn,  in  Verbindung 
steht ,  g  Stäbchenkorn ,  h  Anschwellungen  an  den  Fäden  der  Zapfenkörner, 
i  Anschwelltttigen  der  Radialfasern  k. 

B  Senkrechter  Schnitt  aus  der  Retina  des  Frosches:  a  Pigmentzellen  mit 
ihren  Kernen,  b  Stäbchen,  c  Zapfen,  d  Grenzlinie  der  Stäbchen-  und  Körner- 
schicht, Anschwellung  der  Radialfasern  f,  deren  konisches  Ende  g  an  die  Li- 
mitans stösst.  —  Die  Zahlen  1  —  8  bezeichnen  dieselben  Schichten,  wie  Fig. 
121  von  der  menschlichen  Retina  angegeben  wurde.     (Nach  H.  Müller.) 

§.  207. 
Was  die  brechenden  Medien  betrifft,  so  besteht  die  bei   Wasser-    li»*'«- 
thieren  oft  sehr  feste,  sonst  nur  festweiche  Kry stalllinse  immer  aus 
Kapsel   und   Linsensubstanz.      Die    Kapsel   zeigt    (beim  Rind  z.  B.) 
eine  deutliche,    mit  der  Fläche  parallel  verlaufende,    feine  Streifung, 
wie  die  Descemet'sche  Haut,    welche  Zeichnung  auf  eine  Schichtung 


240 


Vom  Auge  der  Wirbelthiere. 


aus  homogenen  Lamellen  bezogen  werden  kann.  An  der  Innenfläche 
der  homogenen,  glashellen  Kapsel  findet  sich  wohl  bei  allen  Wirbel- 
thleren  eine  Art  von  hellem  Epithel  (mir  bekannt  von  Säugern, 
Selachiern ,  Salamander  und  Frosch) ,  dessen  Zellen  ebenso  gut  als 
Bildungszellen  der  Linsenfasern  bezeichnet  werden  können,  und  es 
ist  von  Interesse ,  dass  in  dem  winzigen  Auge  des  Maulwurfes  die 
Linsensubstanz  nur  aus  Zellen  besteht  {Leydig  in  Müll.  Arch.  1854, 
S.  346) ;  die  Zellen  sind  im  frischen  Zustande  äusserst  pellucid,  von 
derselben  Natur,  wie  die  Epithelzellen  an  der  Innenfläche  der  Linsen- 
kapsel anderer  Wirbelthiere.  Im  frischen  Zustande  markirt  sich  kaum 
etwas  von  einem  Kern ;  setzt  man  indessen  Essigsäure  zu,  so  gewinnen 
nicht  nur  die  Conturen  an  Schärfe,  es  kommt  jetzt  aucli  in  jeder  Zelle 
ein  deutlicher  Kern  zum  Vorschein.  Die  Zellen  erinnern  dann  sehr 
an  junge  Epidermiszellen ,  sowie  überhaupt  die  ganze  geschilderte 
Textur  auf  das  Verharren  der  Linse  im  embryonalen  Zustande  hin- 
weist. An  Augen,  welche  einige  Zeit  in  doppelt  chromsaurem  Kali 
aufbewahrt  lagen,  liess  sich  über  die  Gestalt  der  Linsenzellen  noch 
manches  Detail  beobachten.  Es  zeigt  sich  hier  nämlich,  dass  doch 
viele  Zellen  im  Auswachsen  begrifl:en  waren,  aber  was  auifallend  ist 
und  an  die  Zellenformen  in  den  unteren  Lagen  mancher  Oberhäute 
gemahnt,  die  Zellen  schickten  nicht  bloss  einen  Fortsatz  aus,  sondern 
häufig  mehre,  so  dass  die  mannichfaltigsten  Gestalten  zu  Wege  kamen. 
Die  Zellen  wuchsen  so  aus,  wie  wenn  sich  immer  die  eine  nach  den 
Conturen  der  anderen  zu  richten  hätte,  wovon  beistehende  Figur  zur 
Veranschaulichung  dienen  kann.     Die  faserartig  ausgezogenen  Zellen 

Fig.   1.30. 


Aus  (1  (M-  LiiKsc  des  Maulwurfes. 


hatten  niu"  glatte  ]\ändei-  und  die  ganze  Linse  fiel  auch  nach  dem 
EinreisHcn  der  Linsenkapsel  vollständig  in  ihre  Elemente  auseinander. 
Sehr   wahrscheinlich    steht   die    Linse    in    den   blöden   Augen    anderer 


Linse.  241 

Thiere  auf  einer  entsprechenden  niedrigen  Stufe  des  Bcaues.  So  be- 
schreibt Wyman  aus  dem  vordersten  Theil  des  Augapfels  vom  bh'nden 
Fische  der  Mammuthhöhle  [Ämhlyopsis  spelaeus)  „einen  hnsenförmigen, 
durchsichtigen  Körper ,  der  aus  einer  äusseren  Membran  mit  zahl- 
reichen, gekernten  Zellen  bestand'',  was  doch  ganz  mit  der  Linse  des 
Maulwurfauges  übereinstimmt,  und  wenn  weiter  beigefügt  wird,  dass 
der  linsenförmige  Körper  durch  eine  vordere  Verlängerung  an  der 
äusseren  Membran  des  Augapfels  befestigt  zu  sein  schien,  so  passt  das 
recht  gut  zu  dem  Stehenbleiben  der  Linse  auf  einer  früheren  Stufe 
der  Entwicklung,  da  bekanntlich  dieser  Körper  durch  Abschnürung 
von  der  Hornschicht  gebildet  wird.  Vielleicht  verhä,lt  sich  auch  die 
Linse  von  Myxine  auf  ähnliche  Weise.  Doch  ist  meines  Wissens  das 
Auge  dieser  Thiere  im  frischen  Zustande  noch  nicht  untersucht  wor- 
den; was  Joh.  Müller  an  Weingeistexemplaren  darüber  beobachtet 
hat,  siehe  Anat.  d.  Myx.  1837.  —  Im  Auge  des  Proteus  vermisste  ich 
die  Linse;  nur  bei  einem  Lidividuum  konnte  in  der  Augenflüssigkeit 
ein  Körper  unterschieden  werden,  der  wie  eine  runde,  helle,  voll- 
kommen homogene  und  dabei  feste  Eiweissmasse  sich  ausnahm.  Will 
man  ihn  als  Linse  ansprechen,  so  wäre  er  seiner  Strukturlosigkelt  nach 
nur  der  Linse  mancher  niederer  Thiere,  z.  B.  jener  der  Schnecken, 
zu  vergleichen.  *) 

Bei  allen  Wirbelthieren  mit  gehörig  entwickelten  Augen  erscheint 
die  Linsensubstanz  aus  Fasern  zusammengesetzt,  wovon  jede  einer 
einzigen  ausgewachsenen  Zelle  entspricht,  deren  Kern  in  den  äusseren 
Schichten  ziemlich  allgemein  bei  Säugern,  Vögeln  (Auerhahn  z.  B.), 
Amphibien  (z.  B.  Frosch)  persistent  bleiben  kann.  In  der  Linse  des 
Landsalamanders  wechseln  in  höchst  eigenthümlicher  Art  durch  die 
ganze  Rindenschicht  der  Linse  die  Fasern  mit  schönen  Zellenreihen  ab 
(Fische  und  Rept.  S.  98).  Die  Linsenfasern ,  namentlich  niederer 
Wirbelthiere,  sind,  mit  denen  des  Menschen  verglichen,  dadurch  aus- 
gezeichnet, dass  ihre  Ränder  sehr  stark  sägezähnig  werden,  am  meisten 
bei  den  Fischen,  welche  Erscheinung  ^e^en  den  Kern  der  Linse  zu- 
nimmt, während  andererseits  die  Breite  der  Fasern  in  dieser  Richtung 
geringer  wird.     Gegen  den  Kern  der  Linse  hin  gewinnt  die  Substanz 


*)  Obschon  die  Coecilia  annulata  angeblich  „mehre  Fuss  tief  unter  Morast- 
erde lebt",  so  hat  doch  der  sehr  kleine  Augenbulbus,  welcher  unter  einer  an  dieser 
Stelle  durchsichtigen  Fortsetzung  der  Haut  liegt ,  alle  wesentlichen  Theile  des 
Auges.  Ich  unterscheide  an  einem  gut  erhaltenen  Exemplar  eine  bindegewebige 
Sclerotica,  darunter  die  pigmentirte  Chorioidea,  dann  eine  Retina,  an  welcher  man 
noch  deutlich  ein  Stratum  bacillosuni  erkennen  konnte,  und  zwar  bestand  letzteres 
aus  schlanken  Stäbchen  (viel  dünner  und  kleiner  als  die  der  Batrachier)  und 
Zapfen,  welche  nach  einer  Seite  konisch  verlängerten  Zellen  ähnlich  waren.  Nur 
die  kuglige  Linse  hatte  einen  embryonalen  Charakter,  indem  sie  anstatt  ausgebil- 
deter Fasern  aus  rundlichen  Zellen  und  rohrartig  ausgewachsenen  Zellen  zusammen- 
gesetzt war. 
Leydig,  Histologie.  J^g 


242 


Vom  Auge  der  Wirbelthiere. 


Fig.   131. 


l'orpus 
vitreura. 


A    Linsen  fasern    nach    der  Länge  und  im  Querschnitt   von    höheren  Wirbel- 
thieren,  B  Stück  einer  Linsen'faser  von  einem  Fisch.    (Starke  Vergr.) 

der  Linsenfasern,  namentlich  bei  Fischen,  eine  solche  Festigkeil,  dass 
an  der  frisch  aus  dem  Auge  genommenen  Linse,  z.  B.  eines  Karpfen, 
leicht  ein  Kern  ausgeschält  werden  kann ,  der  nur  mit  Mühe  sich 
schneiden  lässt  und  bei  dem  Versuche ,  dies  auszuführen ,  wird  die 
bisher  pellucid  gewesene  Kernsubstanz  plötzlich  auf  Strecken  weit 
intensiv  weiss ,  was  davon  herrührt ,  dass  durch  den  Druck  des 
schneidenden  Instrumentes  die  Linsenfasern  auseinander  weichen  und 
die  dadurch  entstandenen  Lücken  sogleich  mit  Luft  sich  füllen.  Die 
Figuren  an  den  Linsenpolen,  wodurch  die  Fasern  in  ihrem  Lauf  unter- 
broclien  werden,  wechseln  in  ihrer  Gestalt,  bald  stellen  sie  nur  eine 
einfache  Linie  oder  Fleck  dar,  bald  einen  Stern  mit  verschiedenen 
Zacken.  Bei  Torpedo  Oalvanü  z.  B.  ist  die  vordere  Figur  linienförmig 
mit  welligen  Rändern,    die   hintere   hat  sich    zu    einem  ovalen  Fleck 

Fig.   132. 
h 


%     ^^r^ 


^^    / 


^ 


i»^ 


Linse  von  Torpedo  Galvanii:  a  von  vorn,  b  von  hinten.     (Geringe  Vergr.) 

ausgebreitet.  Auch  beim  Frosch ,  manchen  Nagern  ,  dem  Delphin 
findet  sicli  vorn  und  hinten  eine  gerade  Linie ,  sonst  haben  die 
meisten  Säuger  Sterne  an  den  Polen.  Nach  Brewster  besitzen  die 
Katzen,  Schweine,  Wiederkäuer  und  viele  andere  Säuger  dreihörnige 
Figuren  vorn  und  hinten,  deren  Strahlen  aber  nicht  correspondiren; 
zwei  Kreuze,  die  sich  nicht  decken,  finden  sich  beim  Wallfisch,  See- 
hund, Bären,  Elephanten.  Bei  den  Schildkröten  und  einigen  Fischen 
koamien  auch  unsymmetrische  Figuren  vor.  Ueberall  bestehen  der- 
gleichen Figuren  an  den  Linsenpulen  und  ihre  Foi'tsetzungen  in's 
Innere  der  Linse  aus  homogener  oder  feinkörniger  Substanz. 

§.  208. 
Der    Glaskörper    der    Wirbelthiere    gehört,     insoweit    darüber 
Untersuchungen     vorliegen,     zum     gallertigen    Bindegewebe,    dessen 
zclligu ,     durch    Ausläufer   anastomosircnde    Gebilde    (die    auch    noch 


Augenlides.  243 

neuerdings  M.  Schnitze  „recht  häufig'^  im  Glaskörper  junger  Thiere 
sah),  im  ausgebildeten  Thiere  geschwunden  sind,  so  dass  er  eigentlich 
nur  aus  der  stehengebliebenen  wasserklaren  und  etwas  dicklichen 
Intercellularsubstanz  besteht.  Die  Membrana  hyaloidea  zeichnet  sich 
bei  Reptilien,  namentlich  den  Batrachiern  und  Schlangen,  durch  ein 
reiches  Gefässnetz  aus,  wie  Hyrtl  zuerst  gezeigt  hat.  Auch  H.  Müller 
macht  neuerdings  vom  Frosch  und  Barsch  auf  dieses,  in  einer  struktur- 
losen Haut  gelegene  Gefässnetz  aufmerksam  ;  ebenso  hat  sich  v.  Wittich 
überzeugt,  dass  die  Membrana  hyaloidea  des  erwachsenen  Frosches 
mit  Gefässen  durchzogen  ist. 

§.  209. 
Der  Tarsus  des  oberen  und  unteren  Lids  bei  Säugethieren  und  A,.genude 
Vögeln  wird  nicht  von  Knorpel,  sondern  immer  von  festem  Binde- 
gewebe geformt ;  man  glaubt  zwar  mitunter  bei  Besichtigung  mit  freiem 
Auge  einen  wirklichen  Knorpel  vor  sich  zu  haben,  wie  z.  B.  an  der 
Innenfläche  des  unteren  Augenlides  der  Raubvögel ,  wo  sich  ein 
schöner,  scheibenförmiger  Tarsus  zeigt ;  aber  mikroskopisch  findet  man 
(bei  ßtrix  flammea  z.  B.)  bloss  festes  Bindegewebe,  dessen  verästelte 
Körperchen  zum  Theil  noch  ihre  Kerne  deutlich  haben ;  ganz  ähnlich 
verhält  es  sich  mit  der  rundlichen  Knorpelscheibe,  welche  im  unteren 
Augenlid  verschiedener  Saurier,  z.  B.  bei  Varanus,  üromasttx,  Iguana, 
sich  findet:  es  besteht  dieser  Knorpel  aus  einer  homogen-granulären 
Grundsubstanz,  in  der  verästelte,  helle,  blassrandige  Zellen  liegen ;  es 
ist  mithin  derselbe  Knorpel  wie  der,  welcher  die  Rahmen  in  der 
Schnecke  der  Vögel  bildet.  Er  ist  auch  von  einem  verhältnissmässig 
engmaschigen  Blutgefässnetz  durchzogen,  wie  man  bequem  sieht,  wenn 
man  den  ganzen,  gereinigten  und  mit  Kalilauge  behandelten  Knorpel 
unter  geringer  Vergrösserung  betrachtet.  Um  so  auftallender  ist  es 
daher,  dass  bei  Säugern  (mir  durch  Autopsie  von  unseren  Haussäuge- 
thieren  bekannt,  nach  Harrison  auch  beim  Elephanten)  das  dritte 
Lid,  die  Blinzhaut,  eine  aus  echtem  Knorpel  bestehende  Platte  besitzt. 
Die  Knorpelzellen  sind  dicht  aneinder  gerückt  und  von  hellem  Inhalt 
bei  jungen  Katzen;  mit  Fett  erfüllt  bei  der  Ratte,  dem  Kaninchen. 
Man  best,  dass  das  dritte  Lid  der  Säuger  (beim  Seehund,  Hund,  Hyäne) 
Muskelfasern  enthalte,  was  ich  nicht  bei  der  Katze  finden  kann,  wohl 
aber  bemerke  ich  beim  Dachs,  der  Katze  u.  a.  einige  dunkelrandige 
Nerven  und  Gefässbogen  in  ihm,  sowie  bei  der  Katze  an  der  Basis  des 
Lides  traubige  Schleimdrüsen.  Das  dritte  Augenlid  der  Vögel  (wie^ 
ich  z.  B.  am  Sperling,  dem  Steinkauz  sehe)  besteht  fast  mehr  aus 
elastischen  Fasern,  als  aus  Bindegewebe ;  auch  in  ihm  verbreitet  sich 
ausser  den  Blutgefässen  noch  ein  Nervenstämmchen.  Der  schwarze 
Epithelstreifen  am  Vorderrand  hat  sein  Pigment  zumeist  in  den  Epithel- 
zellen. Auf  der  Schleimhaut  des  unteren  Augenlides  beim  Ochsen  be- 
obachtete Bruch  eine  Bildung,  welche  mit  den  Peyer'schen  (Lymph-) 
Drüsen   im  Dünndarm  die  grösste  Aehnlichkeit   hat,   Bälge  mit  dick- 

16* 


244  Vom  Auge  der  Wirbelthiere. 

lichem  Inhalt,  der  eine  Menge  zellenartiger  Körper  enthält.  —  Die 
Meibom'schen  Drüsen,  welche  nur  den  Säugethieren  zuzugehören 
scheinen,  stellen  entwickelte  Talgdrüsen  vor.  Sie  kommen  ausschliesslich 
oberen  im  und  unteren  Lide  vor,  nicht  an  der  Nickhaut.  Sie  fehlen  wohl 
nur  jenen  Säugern,  deren  Haut  ganz  kahl  und  ohne  Drüsenbildung 
ist,  also  den  Cetaceen.  Bei  allen  von  mir  bisher  untersuchten  Vögeln 
mangelten  Meibom'sche  Drüsen,  was  ganz  begreiflich  schien,  da  ja 
auch,  die  Bürzeldrüse  abgerechnet,  in  der  übrigen  Haut  die  Talgdrüsen 
fehlen.  Jedoch  spricht  schon  O.  Carus  von  „ausserordentlich  kleinen 
Meibom'schen  Drüsen"  der  Vögel,  mid  jüngst  sah  ich  sowohl  am 
oberen  wie  unteren  Augenlidrand  von  8trix passerina  Bechst.  Bildungen, 
welche  solche  Drüsen  vorstellen  könnten.  Nachdem  nämlich  der  Tarsus 
durch  Kalilauge  vom  Epithel  und  der  äusseren  Haut  gereinigt  war, 
erschien  am  freien  Rand  des  hell  gewordenen  Lides  für  das  freie  Auge 
ein  weisslicher  Streifen,  der  mikroskopisch  das  Aussehen  von  gehäuften 
Talgdrüsen  hatte.  Die  Augenlidbildungen  niederer  Wirbelthiere  haben 
die  histologischen  Charaktere  von  verdünnter  äusserer  Haut,  daher  auch 
die  Hautdrüsen ,  wenn  welche  vorhanden  sind ,  wie  z.  B.  bei  den 
Batrachiern,  in  den  Lidern  zugegen  sich  zeigen.  Die  Nickhaut  der 
Haie  [Sphyrna,  Mustelus,  Oaleus)  ist  ebenso  beschuppt,  wie  die  äussere 
Haut,  und  nur  ein  der  Entfaltung  entsprechender  Streifen  ist  schuppen- 
los. Der  freie  Rand  der  Nickhaut  ist  verdickt  und  schneidet  sich  fast 
wie  Knorpel,  besteht  aber  aus  festem  Bindegewebe  mit  den  gewöhn- 
lichen länglichen  und  verästelten  zelligen  Elementen.  Die  Nickhaut 
der  ßatrachier  hat,  abgesehen  von  dem  Pigmentmangel  und  der  durch- 
scheinenden Beschaffenheit  des  Bindegewebes ,  ganz  den  Bau  der 
äusseren  Haut:  Nerven,  Blutgefässe,  Hautdrüsen,  doch  letztere  nicht 
so  dicht  gestellt.  In  der  Coriumsschicht  der  Nickhaut  sieht  man  ohne 
weitere  Präparation  am  ganz  frischen  Objekte  (von  Pelubates  z.  B.)  die 
Bindegewebskörper  sehr  gut. 

Die  blöden  Augen  betreffend,  so  ist  bei  Spalax  typhlus  die  über 
die  Augen  weggehende  Haut  mit  Haaren  bewachsen,  beim  Proteus  geht 
die  Cutis  unverändert  in  ihrer  Struktur,  höolistens  etwas  verdünnt, 
sammt  ihren  Drüsen  über  das  Auge  weg,  und  endlich  bei  Myxine 
schlägt  sich  nicht  bloss  die  äussere  Haut,  sondern  noch  eine  Muskellage 
über  das  Auge  hin. 

§.   210. 
iiurderNche  Dic    Harder'sclic    (am   inneren  Augenwinkel  gelegene)    Drüse 

besteht  beim  Frosch,  Rana  und  Cystüjnathus  aus  kurzen  untereinander 
verbundenen  Schläuchen  mit  seitlichen  Aussackungen,  so  dass  die  Drüse 
von  aussen  eine  traubige  Form  annimmt;  die  Sekretionszellen  haben 
einen  dunkelkörnigen  Inhalt;  von  gleicher  Art  ist  sie  bei  Änguis 
frugüls,  wo  ich  sie  sehr  entwickelt  finde,  indem  sie  das  Auge  von  hinten 
und  unten  halbringförmig  umgiebt.  Bei  den  Vögeln  (Gans,  Sperling) 
haben  die  ziemlich  langen  Drüseuschläuche  ein  klares  Lumen,  und  der 


Drllse. 


Physiologisches.  245 

Inhalt  der  bei  der  Gans  langen  eylindrischen,  beim  Sperling  rund- 
lichen Drüsenzellen  ist  eine  blasse,  feinkörnige  Substanz;  endlich  bei 
Säugethieren  (Nagern)  Avird  der  Zelleninhalt  dunkelkörnig  und 
nähert  sich  dem  Fett.  Auch  beim  Maulwurf  finde  ich  am  Auge  unter 
der  Haut  eine  sehr  grosse  Talgdrüse,  die  nach  Umfang  und  Lage  einer 
Harder'schen  Drüse  entsprechen  könnte.  {G.  Carus  konnte  früher 
„keine  deutlichen  Spuren '^  von  dieser  Drüse  wahrnehmen,  Zoot.  S.  40.) 
Hinsichtlich  der  Thränendrüse  von  Chelonia  mydas  mag  noch  angeführt 
sein,  dass  sie  aus  langen  schmalen  Kanälchen  besteht,  die  parallel  gerade 
nebeneinander  verlaufend  sich  dichotomisch  theilen.  Es  erinnert  daher 
ein  senkrechter  Schnitt  durch  ein  Drüsenläppchen  nicht  wenig  an  die 
Markkanälchen  der  Säugethierniere.  Die  Sekretionszellen  sind  läng- 
lich und  lassen  durch  ihre  Gruppirung  ein  deutliches  Lumen  des  Drüsen- 
kanälchens  zurück. 

Die  Augenhöhle  der  Vögel  wird  nach  innen  durch  eine  fibröse 
Membran  vervollständigt,  die  bei  der  Gans  fast  nur  aus  gewöhnlichem 
Bindegewebe  besteht,  indem  sie  sehr  wenige  elastische  Fasern  bei- 
gemengt enthält.  Hingegen  ist  bei  den  Säugern  jene  Membran, 
welche  die  Augenhöhle  nach  der  Schläfengrube  hin  begrenzt,  fast  nur 
aus  elastischem  Gewebe  gebildet  (beim  Bären  hat  sich  hier  ein  eigen- 
thümlicher  Muskel  gefunden;  Rudolphi^  Meckel  fanden  den  Muskel 
auch  beim  Schnabelthier). 

Der  Augapfel  erscheint  sehr  allgemein  in  ein  Fettlager  gebettet; 
selbst  die  rudimentären  Bulbt  des  Proteus,  ja  bei  Bdellostoma  ist  das 
Fettlager  nach  Joh.  Müller  ausnehmend  dick.  Die  Stelle  der  Fett- 
zellen kann  auch  Gallerte  vertreten ;  bei  den  Selacbiern  (Haie,  Rochen 
und  Chimären)  z.  B.  ist  der  Augapfel  von  gallertigem  Bindegewebe 
umgeben,  das  nach  aussen  zu  einer  fibrösen  Membran  (der  Fascia 
buäi)  sich  umgestaltet,  Avelche  unmittelbar  in  die  Conjunctiva  über- 
geht. Die  Gallertmasse  ist  von  sehr  zahlreichen ,  in  den  Stämmen 
starken  elastischen  Fasern  durchzogen. 

Cuvier  meldet,  dass  die  ringförmig  angeschwollene  Conjunctiva 
des  Auges  von  Ortliag oticus  mola  mit  einem  eigenen  Sphincter  ver- 
sehen sei.  Nach  Untersuchung  eines  grossen  frischen  Tliieres  muss 
ich  die  Existenz  desselben  in  Abrede  stellen;  man  gewahrt  nichts 
von  Muskelelementen,  sondern  nur  eine  gallertige  Bindesubstanz. 

§.  211. 
Das  Auge  der  Wirbelthiere  hat  in  seiner  Einrichtung  eine  gewisse    ^^r 

^  ••TT  logia( 

Aehnlichkeit  mit  der  Camera  obscura;  wie  m  diesem  Instrumente 
durch  Glaslinsen  ein  Bild  der  äusseren  Gegenstände  auf  einer  matten 
Glasplatte  zu  Wege  kommt,  so  entwerfen  sich  auf  der  Netzhaut  des 
.  Auges  Bilder  äusserer  Objekte,  und  letztere  sind  ebenso  umgekehrt, 
wie  es  in  der  Camera  obscura  geschicht^  Alle  die  Gewebe,  welche 
vor  der  Retina  liegen,  stimmen  darin  überein,  dass  sie  hell,  ja  wasser- 


BIO- 

gisohcs. 


246  Vom  Auge  der  Wirbelthiere. 

klar  durchsichtig  sind,  und  selbst  in  der  Hornhaut  haben  die  Nerven 
eine  ganz  blasse  Natur  angenommen ;  die  Blutgefässe  halten  sich  nur 
im  Bereich  des  Hornhautrandes,  kurz,  alle  Eleraentartheile  sind  da- 
nach angethan,  die  Bewegung  der  Lichtstrahlen  möglichst  wenig  zu 
hemmen;  auch  die  Retina  selber  ist  (am  Lebenden)  in  hohem  Grade 
durchsichtig.  Das  dunkelkörnige  Pigment  nimmt  im  Auge  aus  dem- 
selben Grunde  seinen  Platz  ein ,  warum  wir  das  Lmere  der  Camera 
obscura,  sowie  das  Rohr  unserer  Mikroskope  schwärzen ;  es  dient  zur 
Absorption  der  durch  die  Netzhaut  einmal  gedrungenen  Lichtstrahlen. 
Hingegen  hat  man  keine  rechte  Einsicht  in  die  Funktion  des  Tapetums ; 
man  nimmt  an,  dass  dasselbe  durch  seine  glänzende  Oberfläche  das 
Licht  zurückwirft,  so  dass  für  Thiere  mit  Tapetum  eine  geringe  Menge 
Licht  hinreicht,  um  gut  zu  sehen.  Auch  rücksichtlich  der  Physiologie 
der  Retina  wissen  wir,  genau  genommen,  nichts  weiter,  als  dass  sie 
der  lichtempfindende  Theil  des  Auges  ist ;  wie  sich  indessen  beim 
Sehakt  die  einzelnen  Schichten  betheiligen,  darüber  können  wir  nur 
Vermuthungen  äussern.  Es  darf  erlaubt  sein,  den  Bau  der  Retina 
mit  einem  sehr  feinen  Tastorgan  zu  vergleichen,  sowie  die  Art  und 
Weise,  wie  das  auf  ihr  entworfene  Bild  percipirt  wird,  nur  für  relativ 
verschieden  zu  halten  von  dem  Vorgang ,  durch  welchen  wir  beim 
Tasten  die  räumlichen  Unterschiede  unserer  Umgebung  erfahren. 
Die  histologischen  Mittheilungen  über  die  Tastorgane  (s.  oben)  haben 
aber  ergeben,  dass  sehr  häufig  terminale  Ganglienkiigeln  die  zunächst 
empfindenden  Elemente  sind,  und  es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  mit 
ihnen  verbundenen  Nervenfasern  nur  zur  Leitung  dienen.  Aehnlich 
mag  es  sich  mit  der  Netzhaut  verhalten ,  man  stimmt  auch  ziemlich 
allgemein  darin  überein ,  dass  die  Auffassung  des  auf  der  Netzhaut 
entworfenen  Bildes  nicht  durch  die  Nervenfaserschicht  erfolgt,  und 
man  ist  somit  auch  hier  darauf  hingewiesen ,  in  den  Ganglienzellen 
der  Retina  die  lichtempfindenden  Elemente  zu  erblicken  und,  was 
von  Bedeutung  ist ,  gerade  die  beschränkte  Stelle  im  Auge ,  der 
s.  g.  gelbe  Fleck,  welcher  die  intensivste  Lichtempfindung  hat,  ist 
durch  Anhäufung  von  Ganglienkugeln  bevorzugt;  hier  liegen  sie  in 
mehren  Reihen  übereinander,  während  sie  sonst  in  der  Netzhciut 
nur  eine  einfache  Schicht  bilden.  Was  die  Stäbchenschicht  anlangt,  so 
glaube  ich,  hat  sie  ihr  Analogou  auch  bei  den  Tastwerkzeugen.  Es 
wurden  oben  mehre  Beispiele  angeführt,  wo  bei  verschiedenen  Thieren 
mit  den  terminalen  Ganglienzellen  der  Tastnerven  noch  besondere 
Stäbchen  oder  besondere  Fortsätze  der  Haut  in  Beziehung  stehen, 
welche  die  Tastempfindung  steigern,  sie  zu  einer  spezifischeren  machen 
können.  Von  den  Stäbchen  der  Retina  habe  ich  ebenso  die  Vor- 
stellung, dass  sie  Hülfsorgane  bei  der  Lichtemjifindung  sind ;  sie  mögen 
durch  ihre  regelmässige  Anordnung  die  Ganglienzellen  zu  isolirter 
Auffiissung  der  einzelnen  Punkte  eines  Bildes  befähigen,  sie  geben 
ihnen  ein  feineres  Unterscheidungsvermögen. 


Physiologisches.  247 

§.  212. 

Die  contraktilen  Fasern  an  und  in  der  Chorioidea  dienen  dazu, 
die  Augen  flu*  verschiedene  Entfernungen  einzustellen,  und  da  die 
Lebensart  der  Vögel  es  oft  nothwendig  macht ,  fast  in  demselben 
Augenblicke  das  Auge  für  nahe  und  entfernte  Gegenstände  zu  acco- 
modiren,  so  ist  gerade  bei  ihnen  der  innere  Muskelapparat  des  Auges 
sehr  entwickelt  und  quergestreifter  Natur.  Auch  die  Muskeln  der 
Iris  sind  hier  quergestreift  und  es  erfolgen  die  Bewegungen  im 
Wechsel  der  Weite  der  Pupille  auffallend  schnell ;  obschon  beschuppte 
Amphibien  ebenfalls  quergestreifte  Irismuskeln  besitzen,  so  beobachtet 
man  an  Schildkröten  und  Eidechsen  dennoch  nicht  so  lebhafte  Ver- 
engerungen und  Erweiterungen  der  Blendung.  Vielleicht  ist  hieran 
die  grosse  Feinheit  der  Muskel  -  Primitivcylinder  oder  deren  ge- 
ringere Zahl  Schuld.  Der  Crampton'sche  Muskel  im  Vogelauge  hat 
nach  Brücke  die  Wirkung,  den  Krümmungshalbmesser  der  Horn- 
haut zu  verkleinern.  Auch  die  muskulöse  Campanula  im  Fischauge 
wird  wohl  ebenfalls  auf  die  Accomodation  des  Auges  einen  bedeuten- 
den Einfluss  ausüben  können,  doch  hat  noch  Niemand  in  diesem  Sinne 
Beobachtungen  angestellt. 

um  die  Knochenschuppen  in  der  Sclerotica  der  Vögel  einer  teleo- 
logischen Erklärung  zugänglich  zu  machen,  führen  Bergmann  und 
Leuckart  (a.  a.  0.  S.  472)  folgende  Ansicht  vor.  Die  Vögel  haben, 
um  grosse  Bilder  oder  Objekte  zu  erzeugen  ,  grosse  Augen  nöthig. 
Nun  ist  aber  an  der  ganzen  Ausrüstung  des  Vogelkopfes  eine  gewisse 
Sparsamkeit  unverkennbar  und  diese  macht  ihre  Principien  auch  am 
Auge  geltend.  Zur  Erzeugung  eines  grossen  Bildes  bedarf  es  nur 
einer  gewissen  Länge  der  Augenachse  und  einer  gewissen  Ausdehnung 
des  Grundes,  welcher  die  Bilder  empfängt.  Dagegen  brauchen  die 
Querschnitte  des  Auges  nur  von  solcher  Weite  zu  sein,  dass  keine 
nutzbaren  Lichtstrahlen  auf  dem  Wege  zum  Augengrunde  verloren 
gehen.  Mithin  kann  der  Verbindungstheil  zwischen  Hornhaut  und 
Augengrund  verkleinert  werden  unbeschadet  der  Funktion,  und  um 
den  Verbindungstheil  bleibend  in  der  eingeschnürten  Form  zu  er- 
halten, ossifizirt  die  Sclerotica  hier  zu  den  Knochenschuppen.  Die 
vorgetragene  Ansicht  klingt  angenehm,  allein  die  beschuppten  Rep- 
tilien haben  eine  rundliche  Form  des  Auges  wie  die  Säugethiere  und 
doch  zugleich  damit  die  Knochenschuppen  der  Sclerotica!  Und  wie 
ist  es  mit  dem  hinteren  Scleroticalring,  wie  mit  den  Ossifikationen 
am  Fischauge?  Mir  scheint,  dass  wir  darüber  so  wenig,  wie  in  der 
vergleichenden  Histologie  des  Skelets  wissen ,  warum  gerade  Binde- 
gewebe bei  dem  einen  Thier  da  angebracht  ist,  wo  bei  dem  anderen 
Knorpel  und  bei  dem  dritten  Knochen  sich  findet. 

Bereitwilliger  möchte  ich  die  Erklärung  der  genannten  Forscher 
annehmen,  warum  im  dritten  Lid  (Blinzhaut)  der  Säuger  ein  Knorpel 
sich  findet,    welcher   gegen  den  freien  Rand  des  Lides  in  einer  sehr 


248  Vom  Auge  der   VVirbelthiere, 

dünnen  Ausbreitung  endigt,  nach  seinem  tiefer  in  die  Augenhöhle 
ragenden  Theil  sich  so  bedeutend  verdickt,  dass  er  zwischen  Auge 
und  Nasenwand  eingeklemmt  ist.  Die  Bewegung  der  Blinzhaut  hängt 
ab  von  der  Contraktion  des  Muse,  suspensorius  oculi]  zieht  dieser 
nämlich  das  Auge  zurück  ,  so  nimmt  der  Druck  des  Auges  gegen 
diesen  Knorpel  zu,  er  weicht  daher  dem  Auge  nach  vorn  aus  imd 
schiebt  damit  das  dritte  Augenlid  hervor. 

Der  hintere  Scleroticalring  im  Auge  der  Vögel  wurde  von  Gemminger 
1853  entdeckt,  vergl.  auch  Leydig  in  Müll.  Arch.  1854;  er  wurde  gefunden  bei 
Thieren  aus  der  Ordnung  der  Scansores,  Passeres,  unter  den  Raubvögeln  bei  Falco 
tinnunculus ;  bei  den  Tauben,  Hühnern,  Sumpf-  und  Schwimmvögeln  ist  er  bis  jetzt 
vermisst  worden.  Den  a.  a.  O.  aufgezählten  Vögeln,  welche  den  Knochen  besitzen, 
kann  ich  gegenwärtig  noch  die  Wasseramsel  [Cinclus  aquaticus)  anreihen.  —  In 
einem  der  neuesten  Handbücher  der  Zootomie  wird  die  Cam^^anida  für  neugebildete 
Linsensubstanz  erklärt.  Ganz  abgesehen  davon,  dass,  wie  ich  noch  jüngst  an 
Salmo  fario  nachprüfte,  die  körnigen  Muskelfasern  der  C'ampamda  mit  den  hellen 
Linsenfasern  gar  nicht  zu  verwechseln  sind,  wäre  es  höchst  merkwürdig,  dass 
„neugebildete  Linsensubstanz"  von  einem  so  reichen  Endnetz  von  Nervenfasern 
durchzogen  ist,  während  bekanntlich  die  übrige  Linse  aller  nervösen  Elemente  er- 
mangelt. Doch  scheint  der  Verfasser  jenes  Handbuches  die  Nervenausbreitung  in 
der  C'ampamda  nicht  wahrgenommen  zu  haben,  da  er  laut  seiner  Beschreibung 
nicht  einmal  über  die  so  klaren,  von  Trevir-anus  schon  gesehenen  Nerven  im 
Processus  falciforniis  sicher  ist.  —  Den  eigenthümlichen  Haut  Überzug  des 
Augenbulbus  der  Schlangen  habe  ich  von  der  Ringelnatter  untersucht,  wo  sich 
zeigt,  dass  die  Kapselhaut  eine  mittlere  bindegewebige  Lage  hat,  eine  Fortsetzung 
der  Lederhaut ;  nach  aussen  liegt  auf  ihr  die  zellige  Epidermis  und  nach  hinten 
ein  zartes  Plattenepithel ,  welches  den  Hohlraum  der  Kapsel  auskleidet.  Am  Um- 
fange der  Kapsel  finde  ich  einige  Nervenstämmchen ,  die  in  die  bindegewebige 
Lage  vordringen,  ähnlich  wie  an  der  Hornhaut,  aber  ebensowenig  weit  in  den 
hellen  Theil  verfolgbar  sind.  Nach  Hyrtl  verzweigen  sich  auch  Gefässe  darin, 
wovon  ich  indessen  an  meinem  Exemplar  keine  Spur  wahrnehmen  konnte. 

a.  Wittich,  welcher  die  quer  gestreiften  Muskelbündel  in  der  Chorioidea 
der  Vögel  entdeckte,  glaubt  auch  bei  Fischen  (Cyprhms  erythrophthalnius,  Cypr.  carjno) 
an  gleicher  Stelle  glatte  Muskelfasern  gesehen  zu  haben.  Ob  da  nicht  eine  Täu- 
schung untergelaufen  ist  ?  Ich  habe  wenigstens  auf  diesen  Punkt  das  Auge  der 
Forelle  untersucht,  wo  man  ebenfalls  innerhalb  der  Chorioidealdrüse  glatte  Muskel- 
fasern zu  erkennen  meint,  aber  bei  näherer  Pesichtigung  und  Vergleichung  ge- 
wahrt, dass  man  abgelöste  und  aufgedrehte  Blutcapillaren  für  Muskelfasern  nehmen 
kann.  Die  Glandtda  choroidealis  nämlich  besteht  aus  massenhaft  angehäuften, 
parallel  und  dicht  nebeneinander  verlaufenden  Capillaren  ;  beim  Zerreissen  trennen 
sich  immer  am  Rande  einzelne  Capillaren  ab,  drehen  sich  etwas  zusammen,  bleiben 
nur,  wo  der  Kern  liegt,  breit  und  ähneln  jetzt  gewissen  Formen  glatter  Muskel- 
fasern nicht  wenig.  Ist  man  einmal  auf  den  Ursprung  der  Täuschung  aufmerksam 
geworden,  so  lässt  sicli  natürlich  durch  fortgesetztes  Zerzupfen  von  Stücken  der 
Choroidealdrüse  eine  Menge  von  scheinbaren  Muskelfasern  erzeugen.   — 

Es  wird  von  gewisser  Seite  bezweifelt ,  ob  bei  Fischen  im  Leben  eine  wirk- 
liche Lin  senkapsel  vorhanden  sei,  nach  dem  Tode  lasse  sich  von  der  Linse  häufig 
eine  dickere  Kapsel  ablösen,  die  in  Betreff  ihres  elementaren  Baues  von  dem  der 
Linse  nicht  eigentlich  abzuweichen  scheine.  Dies  ist  irrthümlich.  Die  Fische  ver- 
halten sich  hierin  nicht  anders  als  die  übrigen  Wirbelthiere ,  die  Kapsel  ist  da, 
erscheint  ebenso  homogen  und  hat  dieselbe  Lichtbrecluing  wie    bei  andern   Wirbel- 


Von  den  Augen  der  Wirbellosen.  249 

thieren.  —  Ueber  die  Entstehung  der  Linsenfaseru  durch  Auswachsen  je  Einer 
Zelle  siehe  H.  Meyer,  zur  Streitfr.  üb.  d.  Entsteh,  d.  Linsenf.  Müll.  Arch.  1851 
und  Leydig    in  Beitr.  z.  Anat.  d.  Rochen  u.  Haie  >S.  99. 

An  der  Kernzone  des  erwachsenen  Frosches  fällt  mir  auf,  dass  die  Nucleoli 
der  Kerne  zwar  punktförmig  aussehen ,  wenn  man  ihren  scheinbaren  Querschnitt 
im  Auge  hat,  dass  sie  aber  deutlich  stabförmig  sind,  wenn  sie  im  Profil  gesehen 
werden ,  und  dabei  ist  auch  wahrzunehmen ,  dass  ein  solches  stabartiges  Kern- 
körperchen  eigentlich  ein  von  der  Wand  des  Kernes  ins  Innere  ragender  säulen- 
ähnlicher Vorsprung  ist.  Diese  Beobachtung  geschieht  mit  aller  Sicherheit,  wenn 
man  die  aus  dem  lebenden  Thier  genommene  Linse  mit  einigen  Tropfen  verdünn- 
ter Salzsäure  behandelt.  — 

Die  Augenmuskeln  gehören  wahrscheinlich  bei  allen  Wirbelthieren  (mir  in 
dieser  Hinsicht  bekannt  von  Fischen  und  Reptilien)  zu  den  nervenreichsten  Mus- 
keln; man  erblickt,  besonders  nach  Aufliellung  mit  Kalilauge,  eine  ungewöhnliche 
Zahl  von  Nervenfibrillen  und  sieht  Theilungen  der  letzteren  allenthalben  (an  den 
Augenmuskeln  des  Hechtes  sind  bekanntlich  auch  die  ersten  derartigen  Beobach- 
tungen von  Joh.  Müller  und  Brüche  gemacht  worden).  Die  Muskeln  der  Nick- 
haut bei  Vögeln  (der  M.  pyramidalis  und  M.  quadratios)  finde  ich  zwar  bei  der 
Eule  ebenfalls  reich  an  Nerven ,  doch  keineswegs  in  dem  Grade ,  wie  die  Augen- 
muskeln der  genannten  Thiere.  —  Ueber  die  Netzhaut  vergleiche  man  besonders 
S.  Müller,  anat.  physiol.  Unters,  üb.  d.  Retina  bei  Menschen  u.  Wirbelthieren  1856. 


Zwanzigster  Abschnitt. 
Von  den  Augen  der  Wirbellosen. 

§.  213. 
Ueber  die  Augenflecken  gar  mancher  Evertebraten  weiss  man 
vom  histologischen  Standpunkt  ans  nichts  weiter,  als  dass  sie  Pig- 
mentanhäufungen auf  den  Nervencentren  oder  am  Ende  der 
Nerven  sind.  Dahin  gehören  z.  B.  die  Angenflecken  von  manchen 
Würmern,  die  Augenpunkte  der  Echinoderraen;  vielleicht  auch  der  sog. 
unpare  Augenfleck,  welcher  bei  vielen  Rotatorien  und  Krebsen  {^Lynceus 
Daphnia,  Argulus,  Artemia  etc.)  unmittelbar  dem  Gehirn  aufsitzt;  er 
scheint  nur  andeutungsweise  ein  Auge  zu  repräsentiren,  und  es  lässt 
sich  wenigstens  die  Vorstellung  nicht  widerlegen,  dass  durch  die 
Anwesenheit  der  Pigmentkörner  die  zunächst  liegenden  Hirnzellen 
zu  etwelcher  Perception  des  Lichtes  befähigter  werden  können.  Die 
nächste  Vervollkommnung  des  Sehorganes  besteht  in  dem  Hinzukom- 
men eines  lichtbrechenden  Körpers,  der  wahrscheinlich  die  Be- 
deutung einer  Linse  hat  iCaligus ,  Cyclopideyi,  Euchlanis  tmisetata, 
die  paarigen  Augen  vieler  Rotatorien,  Tardigraden,  die  Augen  vie- 
ler Würmer  etc.).  Selbst  die  Augen  mancher  Mollusken  zeigen  keine 
weitere  Ausrüstung ;  die  sehr  kleinen  Augen  von  Boris  luguhri's  z.  B., 
welche  unmittelbar  der  Gehirnsubstanz  aufsitzen,  lassen  bloss  Pig- 
ment mit  Linse  erkennen  und  nur  insofern  ist  die  Ausbildung  etwas 
höher  wie  bei  den  vorhin  genannten  Thieren  gediehen,  als  eine  ge- 
sonderte, homogene  Sclerotica  das  Auge  von  der  Umgebung  abgrenzt. 


250  Von  den  Augen  der  Wirbellosen. 

§.  214. 

Ansgeh.idete  VoTi    morphologiscH    ausgebildeten  Augen    kann    man    wohl  nur 

erst  dann  reden,  wenn  eine  wirkliche  Retina  zugegen  ist,  die 
den  Stäbchen  im  Wirbelthierauge  vergleichbare  Elementartheile  auf- 
weist. Dergleichen  Augen  findet  man  bei  einzelnen  Anneliden, 
gewissen  Mollusken  und  den  meisten  Arthropoden.  Man  ist  bis- 
her gewohnt,  die  entwickelteren  Augen  der  bezeichneten  Thierklas- 
sen  in  der  Art  zu  betrachten,  als  wären  sie  nach  zwei  'ganz  ver- 
schiedenen Typen  gebaut.  Die  einen  seien,  nach  dem  Schema  des  Wir- 
belthierauges  construirt  oder  collective  Augen  (die  der  Weichthiere, 
die  sog.  einfachen  Augen  der  Insekten,  Spinnen  und  Krebse),  die 
andern  oder  die  fazettirten  Augen  (der  Krebse  und  Insekten) 
sollen  durch  Sonderung  und  isolirte  Leitung  der  Lichtstrahlen  sehen. 
Mir  scheint  jedoch,  dass  man  bei  Würdigung  der  feineren  Struktur- 
verhältnisse diese  Unterscheidung  kaum  wird  aus  einander  halten 
können,  vielmehr  möchte  sich  dadurch  die  Anschauung  von  einem 
einheitlichen  Grundtypus  auch  für  das  Sehorgan  wahrscheinlich  machen 
lassen. 

§.  215. 
Neiz.haut.  "\Yo  bcl  AnncHden    und  Mollusken   bis  jetzt   eine    hautför- 

mige  Retina  untersucht  werden  konnte,  was  allerdings  noch  nicht 
in  grossem  Maassstabe  geschehen  konnte,  war  die  Netzhaut  mit  stab- 
artigen Gebilden  versehen.  Durch  Kr ohn  ist  bekannt  geworden, 
dass  die  Retina  bei  Alciope,  aus  parallelen  Fasern  bestehend,  durch  die 
Chorotdea  hindurch  die  einzelnen  Faserenden  schickt,  die  auf  der 
inneren  Fläche  wie  eine  Schicht  gedrängter  Stäbchen  erscheinen. 
An  den  grossen  Augen  der  Heteropoden  (Cart'narta,  Pterotrachea) 
haben  Leuckart  und  Ge.genhaur  gefunden,  dass  stabähnliche  Kör- 
per eine  Schicht  der  Netzhaut  bilden.  Sie  bestehen  aus  Hülle  und 
zähem,  homogenem  Inhalt.  Von  den  Augen  der  Sepien  beschreibt 
Joh.  Müller  schon  1838  eine  aus  aufrecht  stehenden  Cylindern  zu- 
sammengesetzte Schicht  der  Retina,  zwischen  welcher  das  Pigment 
fadenförmig  verlaufe  und  vergleicht  sie  den  Stäbchen  im  Auge  der 
höheren  Thicre. 

Nicht  minder  finden  sich  im  Auge  der  Spinnen  ähnliche  stab- 
artige Cylinder,  sie  sind  hell,  brechen  das  Licht  stark,  alteriren 
sich  schnell  im  Wasser  und  sciilängeln  sich.  Am  höchsten  erscheint 
die  Entwicklung  des  Stratum  hacillosiim  im  fazettirten  Auge  der  Ar- 
thropoden. Diese  Schicht  besteht  hier  aus  mehr  oder  weniger 
langen,  gewöhnlich  vier-,  seltner  vielkantigen  Stäben,  deren  Substanz 
in  optischer  und  chemischer  Beziehung  sich  durchaus  wie  die  Stäb- 
chen der  Retina  bei  Wirbelthieren  verhält:  sie  sind  homogen,  bre- 
chen das  Licht  stark,  sind  farblos  oder  rosenroth  (an  der  frischen 
Retina  des  Frosches,  Salamanders  haben,  wie  oben  erwähnt,  die 
Stäbchen  dieselbe  Farbe);  in  Wasser,  noch  mehr  in  Essigsäure,  quel- 


Retina. 


251 


A  Aus  dem  Auge  von  Hcrbstia:  a  Oberfläche  der  Retina  (Ganglion  opticum), 
b  Anschwellung  des  stabförmigen  Körpers,  c,  d  eine  andere  vierbucklige  An- 
schwellung, e  Krystallkörper,  f  Hornhautfazette,  g  deren  linsenartige  Verdickung 
nach  innen,  h  vScheide. 

B  Aus  dem  Auge  von  Procrustes  coriaceus:  a  Bündel  des  Sehnerven, 
b  Ganglion  opticum  (Retina),  c ',  c^  Anschwellungen  der  Nervenstäbe  d  *,  d^, 
wovon  c'  im  Irischen  Zustand  dargestellt  ist,  während  c^  die  Veränderung 
nach  Wasserzusatz,  Essigsäure  etc.  zeigt,  e  zweite  vierbucklige  Anschwellung, 
f  Krystallkörper,  g  Hornhautfazette,  h  deren  linsenartige  Wölbung  nach  innen, 
i  Scheide,  k  quergestreifte  Muskeln,  1  Tracheen. 

C  Aus  dem  Auge  von  S  chizodactyla  monstrosa:  a  Oberfläche  der  Retina 
(des  Sehganglions),  b'  Nervenstab  ohne  Pigment,  b^  mit  Pigment,  geht  ohne 
Grenze  über  in  den  Krystallkörper  c,    d  Hornhautfazette,    e  Scheide. 

len  sie  auf,  krümmen  sich,  schlängeln  sich  etc. ;  sie  zeigen  eine  feine 
Querstrichehmg,  die  auch  an  den  grossen  Stäben  der  nackten  Amphibien, 
namentlich  nach  Wasserzusatz  erkennbar  ist.  Gegen  den  zelligen  Theil 
der  Retina  hin  schwellen  sie  häufig  an,  und  man  möchte  darin  die 
Analoga  der  Zapfen  (Com)  im  Auge  der  Wirbelthiere  wiederfinden. 
Das  vorderste  Ende  der  Stabgebilde  erscheint  (z.  B.  an  Chizodac- 
tyla und  Mantis)  in  Anbetracht  der  Contouren  und  substantiell  nicht 
verschieden  von  dem  übrigen  Stab;    bei  anderen  wandelt  sich,  was 


252 


Von  den  Augen  der  Wirbellosen. 


häufiger  geschieht,  das  zunächst  unter  der  Hornhaut  Hegende  Ende 
in  eine  weiche,  helle  Masse  um,  die  selbst  wieder  in  ihren  Lagen 
difFerente  Grade  der  Weichheit  darbieten  kann,  so  dass  die  Autoren 
von  eigenem  „Glaskörper,  Krystallkörper,  weicher  Masse  zwischen 
Krystallkörper  und  Hornhaut"  sprechen,  Theile,  die  morphologisch 
nur  als  besonders  geartete  Abschnitte  des  vorderen  Endes  der  iStäbe 
gelten  können.  Es  scheint  selbst  das  vorderste  Ende  des  Stabes 
sich  mit  der  Hornhaut  ganz  fest  verbinden  und  eine  ähnliche  harte 
Beschaffenheit  wie  diese  annehmen  zu  können.  (Elater  nocttlucus, 
Cantharis  melanura^  Lampyris  splendidala.) 

§.  216. 
Die  übrige  Retina,  nach  Abzug  der  Stäbchen,  besteht  zwar 
bei  Mollusken  und  Arthropoden  aus  grösseren  und  kleineren  Zellen, 
Kernen,  Punktmasse  und  der  fibrillären  Substanz  der  Sehnerven, 
man  erkennt  auch  eine  gewisse  Schichtung  und  Durchflechtung  die- 
ser Elemente,  beim  Flusskrebs  insbesondere  (vergl.  beistehende  Figur) 

Fig.   134. 


W 


\mn 


d 


Senkrechter  Schnitt    aus  dem  Krebsauge, 
a  Hornhaut  (im  Holzschnitt  mangelt  die  äussere  Grenzlinie),  b  Chorioidea,  durchsetzt 
von  den  Stäben,  c  ganglionäre  Retina,  man  nntcröcheidct  mehre  Schichten,  d  Sehnerv. 


Retina.  253 

eine  gewisse  radiäre  Entfaltung  oder  Ausstralilung  der  fibrillären 
Substanz  des  Sehnerven,  aber  die  Weichheit  und  desshalb  geringe 
Individualisirung  der  Theile  lassen  vor  der  Hand  kaum  etwas  über 
den  näheren  Zusammenhang  ausfindig  machen.  Was  die  Verbindung 
der  Stäbchen  mit  der  übrigen  Retina  anlangt,  so  sah  sie  Leuckart 
bei  den  Heteropoden  mit  den  Fasern  des  Opticus  im  Zusammen- 
hang, die  der  Gephalopoden  bezeichnet  auch  Joh.  Müller  als 
unmittelbare  Fortsetzungen  der  Fasern  des  Sehnerven,  nicht  so  ein- 
fach däucht  mir  das  Verhältniss  im  Spinnenauge  zu  sein,  hier 
existiren  in  der  Retina  bipolare  Ganglienkugeln,  deren  unteres  rohr- 
artig ausgezogenes  Ende  die  Stäbchen  einzuschhessen  schien.  Die 
Entstehung  der  grossen  Nervenstäbe  der  Arthropoden  aus  der 
ganglionären  Retina  (dem  sog.  Ganglion  opticum)  liess  sich  bei  Ga- 
rabus  auratus  in  der  Art  beobachten,  dass  die  Wurzeln  der  Stäbe 
die  gleiche,  feinmolekuläre  Beschaffenheit  hatten,  wie  die  Substanz, 
in  welche  sich  die  faserigen  Züge  des  Opticus  auflösten;  etwas  wei- 
ter nach  aussen  bestanden  die  Wurzeln  aus  kleinen  Würfelform io-en 
Stücken,  homogen  und  schon  stark  lichtbrechend;  nach  und  nach 
schwanden  die  Spatien  zwischen  den  Würfeln,  so  dass  im  weiteren 
Verlauf  der  vierkantige  continuirliche  Nervenstab  sich  erhob. 

§.  117.^ 
Die  Retina  vieler  Wirbellosen  stimmt  nach  dem  Vorgebrachten  ^ 
mit  jener  der  Wirbelthiere  in  der  Zusammensetzung  aus  ganglionä-  '^'^«8« 
ren  und  stabartigen  Elementen  zwar  überein,  aber  ein  wesentlicher  '.Ter'"" 
Unterschied  macht  sich  in  der  gegenseitigen  Lage  dieser  Schichten  '^'"'"''■"'**- 
bemerkhch;  bei  Wirbelt  hier  en  nämhch  bildet  die  Stäbchen- 
schicht die  äusserste  Lage  der  Retina,  bei  den  Wirbellosen 
hingegen  erscheint  sie  als  das  innerste  Stratum.  Damit  steht  auch 
was  bei  der  ersten  Untersuchung  nicht  wenig  auffällt,  in  Zusammen- 
hang, dass  das  Chorioldealpigment  vor  der  ganglionären  Retina,  also 
ebenfalls  ungekehrt  wie  im  Wirbelthierauge  liegt.  So  folgt  in  dem 
hoch  entwickelten  Auge  der  Alciope  die  aus  Zellen  und  Fasern  be- 
stehende Retina  hinter  der  Chorioidea,  da  letztere  die  langen  Stäbe 
zu  begleiten  hat.  Längst  bekannt  ist  dasselbe  Verhältniss  von  den 
Gephalopoden;  die  Retinaschichten  nach  Abzug  der  Stäbchen 
liegen  hinter  der  dichten  Pigmentlage,  indem  diese  sich  an  die 
Stäbchen  anschliesst.  Aus  den  Untersuchungen  von  Gegenhaxir  und 
Leuckart  erhellt  nicht  minder,  dass  bei  den  Heteropoden  {Atlanta, 
Carinaria ,  Pterotrachea  etc.)  die  ganglionäre  Retina  hinter  der  Pig- 
menthaut liegt,  und  auch  bei  den  Gasteropoden  möchte  dasselbe 
Verhältniss  obwalten,  denn  wie  ich  noch  jüngst  am  Auge  der  Helix 
pomatia  und  des  Lymnaeus  stagnalis  erkannte,  so  liegt  zwischen  der 
Sclerotica  und  der  Pigmentmasse  der  Chorioidea  eine  ungefärbte, 
zelHg-körnige  Schicht,  welche  der  Retina  angehörig  zu  betrachten 
sein  dürfte;  und  was  die  Arthropoden  betriftt,  so  ist  das  Verhält- 


-.age    der 


in  der 
Ketina. 


Cliorioidcn  . 


•254  Von  den  Augen  der  Wirbellosen. 

nlss  dasselbe :  die  ganglionäre  Retina  ist  farblos,  erst  ihre  der  Horn- 
haut zugekehrte  Fläche  wird  durch  Pigment  felderartig  abgetheilt  und 
die  massenhafte  Anhäufung  des  Pigmentes  oder  die  Chorioidea  um- 
hüllt die  Stäbe,  demnach  folgt  auch  hier  die  Retina  (das  Stratum  hacil- 
losum  weggerechnet)  nach  hinten  von  der  Chorioidea. 

§.    218. 

Bindegewebe  Wic  im  Augc  dcr  Wirbelthiere  die  spezifischen  Theile  der   Re- 

tina in  Bindesubstanz  eingebettet  sind,  deren  stärkere  Züge  sich  als 
Radialfasern  und  Membrana  Umitana  repräsentiren,  so  lässt  sich  auch 
in  der  Netzhaut  der  Wirbellosen  Bindegewebe  nachweisen,  das  beim 
zusammengesetzten  Auge  dor  Arthropoden  z.  B.  um  die  Nervenstäbe 
Schläuche  bildet,  welche  sich  von  der  Hornhaut  bis  zur  ganglionären 
Retina  erstrecken.  Lac  Bindesubstanz  ist  am  lebenden  Thier  weich, 
feinkörnig  mit  einzelnen  eingestreuten  Kernen. 

§.  219. 

Pigment  der  Zum  C  li  0  r  i  o  i  d  c  a  1  p  i  g  ui  c  u  t  ist  in  der  Regel  das  dunkel  kör- 

nige verwendet ,    welches    in    den    verschiedenen  Schattirungen    vom 
Braunen,    Rothen    und    Dunkelvioletten    bis    ins  Schwarze  wechselt. 
Das  Pigment  kann    deutlich    in  Zellen  enthalten  sein  ,    z.  B.  bei  den 
Heteropoden,    wo    die  Zellen    ebenso    schön    wie    bei    Wirbelthieren 
mosaikartig    angeordnet  sind,    was    bei  Arthropoden    seltner    ist.     Es 
kommen  auch  bei  Wirbellosen  echte  Tapeta  vor.     Aus    dem  Auge 
vieler  Spinnen  leuchtet  ein  glänzendes   Tapetum  hervor,    das  z.  B. 
an  Micrypliantes  acuminatus  grün,  blau  und  golden  schillert,  bei  mehren 
Theridien  hat  es  einen  goldgrünen  Glanz,   stark  weiss  spiegelt  es  in 
Argyroneta   aqiiatica   etc.     Das   Taiietum  kann    continuirlich  sein,    in- 
dem es  den  Augengrund  vollständig  überzieht,  oder  es  streicht  mitten 
durch    dasselbe    in  Wellenlinien    ein    schwarzer  Pigmentstreifen  (bei 
Clubiona  claustraria  z.  B.),    bei  Phalangium    erscheint    es    unter  der 
Form  zerstreuter,    glänzender  Pünktchen;    wieder  in  anderen  Fällen 
bildet  es  radiäre  Streifen  zwischen  dem  dunklen  Pigment  etc.     Forscht 
man  nach  der  Elementarorganisation  des  Spinnentapetums,  so  finden 
wir  sie  etwas  wechselnd  n;ich  den  einzelnen  Arten,  bei  mehren  Gat- 
tungen,   z.    B.    in  Argyroneta  a^juatica ,    Tegeneria  domestica,    Lycosa 
saccata  u.  a.  besteht  es  aus  den  gleichen  Flitterchen,  welche  das  Tape- 
tum im  Auge  der  Fischen  zusammensetzen,    es    sind  Plättchen,    die 
dicht  aneinander  liegen,  erst  nach  stärkerem  Druck  auseinander  weichen 
und  in  den  Regenbogenfarben  irisiren;  in  anderen  Gattungen  (Micry- 
phantes  Vhalangiuni)  besteht  es  aus  Kügelchen,  die  grösser  sind,  als 
die  Pigmentkörner.     Von  letzterer  Art  ist  auch  ein  schillerndes,  silber- 
oder  goldglänzendes  Pigment,    was    bei    Insekten    und    Krebsen 
häufig  s(;lbst  am  unpaaren  Augenfleck  von  Argulus,  bei  Caligus,  ein- 
zelnen Rotatorien,  manchen  Arten  von  Cyclops,  Cyj>ns  etc.  vorkommt 
und  mit   dem  dunkelkörnigen    oft    in    bestimmter  Weise    abwechselt,, 
so  zeigt  sich  z.  B.   bei  Mantis  religiosa  unter  der  Hornhaut  ein  röth- 


Chorioidea.  255 

lieh  graues,  dann  ein  weissgelbes  und  endlich  das  dunkelviolette  ;  beim 
Flusskrebs  ist  das  ordinäre,  dunkle  Augenpigment  um  die  Mitte  der 
^Krystallkegel"  und  um  die  spindelförmigen  Anschwellungen  der 
Nervenstäbe  abgesetzt,  aber  ungefähr  halbwegs  zwischen  dem  Ende 
der  Krystallkegel  und  der  oberen  Spitze  der  spindelförmigen  Anschwel- 
lung des  Nervenstabes  ist  ein  Pigment  angebracht,  das  bei  auffal- 
lendem Licht  weiss  aussieht.  Die  Körnchen  dieses  Pigmentes,  ein- 
zeln und  bei  durchfallendem  Licht  schmutzig  gelb,  bei  auffallendem 
weiss  mit  Metallglanz  sich  ausnehmend,  entsprechen  in  ihren  Eigen- 
schaften durchaus  den  Körnchen,  welche  bei  den  Mammalia  Carni- 
vora den  Inhalt  der  Tapetalzellen  bilden.  Ein  Tapetum  ganz  eigner 
Art  existirt  im  Auge  der  Abend-  und  Nachtfalter.  Oeffnet  man 
das  Auge  eines  grösseren  Thieres,  z.  B.  von  Bphinx  pinastri  durch 
einen  senkrechten  Schnitt,  so  erscheint  hinter  dem  dunklen  Pigment 
ein  lebhafter,  silberglänzender  Streifen  mit  vorderem  röthlichen  Rande. 
Diese  dichte,  silberfarbene  Masse  wird  gebildet  von  einer  Unzahl 
äusserst  feiner  Tracheen,  in  welche  die  Stammtracheen  des  Auges 
sich  auflösen  und  welche  in  gerade  stehenden  Büscheln  die  Anschwel- 
lungen der  Nervenstäbe  umgeben,  der  röthliche  Schimmer  rührt  her 
von  dem  eigenthümlichen  lioth,  welches  der  Substanz  der  besagten 
Anschwellungen  selber  innewohnt.  Ich  kenne  dies  Tapetum  von  Li- 
paris  Salicis ,  Gastropacha  pini^  Zerene  grossulariata,  Sphinx  pinastri. 
Am  meisten  entwickelt  ist  es  wahrscheinlich  beim  Windenschwärmer 
{Sphinx  convolvuli),  von  dem  die  Lepidopterologen  melden  (vergl.  z.  B. 
Kleemann  bei  Rösel),  dass  die  Augen  desselben  im  Dunklen  wie 
glühende  Kohlen  leuchten.  —  Hinwiederum  scheint  bei  einigen  Mu- 
scheln {Pecten,  Spondylus)  nach  den  vorhandenen  Mittheilungen  ein 
abermals  aus  grösseren,  krjstallinischen  Flitterchen  zusammengesetztes 
Tapjetmn  vorhanden  zu  sein.  Uebrigens  sind,  was  kaum  bemerkt  zu 
werden  nothwendig  ist,  die  Tapetalkörnchen  und  die  Flitterchen  nur 
der  Grösse  nach  verschieden,  nicht  qualitativ. 

§.  220. 
Die  Chorioidea  der  Wirbellosen  besitzt  auch  contraktile  Ele-  Musi.ein  der 
mente,  man  kennt  (zuerst  durch  Langer^  Wien.  Sitzgsber.  1850)  Mus- 
keln in  der  Iris  und  im  Corpus  ciliare  der  Cephalopoden,  sie  gehen 
vom  Knorpelring  der  Sclerotica  an  den  Strahlenkranz;  wie  weit  sie 
bei  anderen  Mollusken  verbreitet  sind,  bleibt  noch  zu  erforscden ;  zu- 
nächst dürfte  auf  die  Augen  von  Spondylus  und  Fecten  aufmerksam 
zu  machen  sein,  deren  irisartiger  Saum  sich  zusammenziehen  soll. 
Anlangend  die  Arthropoden,  so  habe  ich  von  verschiedenen  Spinnen, 
Insekten  und  Krebsen  innere  Augenmuskeln  angezeigt.  Bei  Mygale 
verlaufen  die  Muskeln  geflechtartig,  jedoch  im  Ganzen  circulär  in  der 
Pigmenthaut,  bilden  auch  [Salticus  z.  B.)  innerhalb  derselben  vorne 
einen  Kranz,  man  könnte  sagen  eine  Muskellage  der  Iris.  Die  con- 
traktilen  Elemente  sind  sehr  schmale,  quergestreifte  Cy linder,  und  es 


256 


Von  den  Augen  der  Wirbellosen. 


Liuae. 


ist  verhältiiissmässig  leicht  die  zuckenden  Bewegungen  des  Augen 
grundes  an  lebenden  Spinnen  zu  beobachten.  Bei  den  Insekten  ver- 
laufen innerhalb  des  Umhüllungsschlauches  der  Nervenstäbe  zarte, 
quergestreifte  Cylinder ,  nach  vorne  oft  wegen  des  anklebenden  Pig- 
mentes schwer  isolirbar,  und  verlieren  sich  in  den  irisartigen  Pigment- 
Gürtel,   welcher  die  Krystallkegelsubstanz  umgiebt. 

§.  221. 

Was  die  lichtbrechenden  Medien  im  Auge  der  Wirbellosen 
betrifft,  so  hat  nur  noch  die  Linse  der  Cephalopoden  mit  der  Struk- 
tur der  Linse  des  Wirbelthierauges  dadurch  Aehnlichkeit,  dass  sie 
aus  bandartigen  Fasern  besteht,  von  denen  jede  gleichwie  bei  den 
Vertebraten,  aus  einer  einzigen  mit  Kern  und  Kernkörperchen  ver- 
sehenen Zelle  hervorgegangen  ist.  Uebrigens  erscheinen  die  Linsen- 
fasern der  Cephalopoden  stark  verhornt  und  zeigen  auch  nach  Strahl 
die  Reaktion  der  Hornsubstanz.  Eine  besondere  Linsenkapsel  existirt 
nicht,  aber  durch  die  Anordnung  der  bandförmigen  Fasern  gewinnt 
die  Oberfläche  der  Linse  eine  epithelartige  Zeichnung. 

Die  Linse  der  übrigen  Mollusken  hat  nirgends  mehr  einen 
zelligen  oder  faserigen  Bau,  sondern  besteht  aus  concentrischen  Schich- 
ten eines  erhärteten,  eiweissartigen  Stoffes,  an  dem  man  häufig  eine 
gelbliche  Kern-  und  hellere  Rindensubstanz  unterscheiden  kann. 
{Paludina,  Helicinen ,  Atlanta,  Carinaria  etc.)  Bei  den  zuletzt  genann- 
ten Heteropoden  sah  Oeyenhaur  auf  der  Oberfläche  der  Linse, 
welche  der  Hornhaut  zugekehrt  ist,  ein  zartes  Plattenepithel. 

Wieder  von  anderer  Art  ist  die  Linse  der  Arthropoden;  sie 
giebt  sich  als  eine  nach  innen  kuglig  verdickte  Partie  des  chitinisirten 
Hautskelets,  theilt  daher  auch  mit  diesem  die  lamellöse  Zusammen- 
setzung, und  die  Lamellen  sind  auch  wohl  (z.  B.  in  der  Linse  der 
Spinnen)  von  Porenkanälen  durchbrochen. 

Fig.  135. 

b 
d 


Auge  von  Salticus    in    senkrechtem  Schnitt.     (Geringe  Vergr.) 

a  die  allgemeine  Chitinhaut  des  Körpers,  b  die  Krystalllinse,  c  das  dunkle  Augen- 

pignicnt,  d  der  irisartige  Gürtel,  e  der  sog.  ^Glaskörper",  nach  meiner  Auffassung 

die  Enden   flor  Stabgebilde,  f  die  Stäbclienschicht,    g  Zelhnscliicht  der  Retina. 


Linse,  Glaskörper.  257 

§.    222. 

Die  verschiedene  liistologisclie  Beschaffenheit  der  Linse  bei  den 
einzehien  Thiergruppen  erklärt  sich  zum  Theil  aus  ihrer  Entwick- 
lungsweise:  bei  den  Cephalopoden  und  den  Arthropoden  wächst 
die  Linse,  analog  dem  Hergang-  bei  Wirbelthieren,  durch  Verdickung  der 
Hautschichten  von  aussen  nach  innen  herein.  Da  nun  die  Cephalopo- 
den wie  die  Wirbelthiere  eine  äussere  zellige  Hautschicht  besitzen, 
so  ist  auch  die  verdickte  Partie  desselben  oder  die  Linse  aus  faserigen 
Elementen  zusammengesetzt,  die  metaraorphosirten  oder  ausgewachsenen 
Zellen  entsprechen.  Anders  mus  sich  bei  den  Arthropoden  die  Textur 
der  Linse  gestalten,  denn  hier  ist  die  äussere  Haut  oder  das  Bil- 
dungsmaterial der  Linse  nicht  zellig,  sondern  besteht  aus  Lagen  einer 
homogenen  Substanz,  die  von  Kanälen  durchsetzt  ist.  Insofern  nun 
auch  hier  die  Linse  durch  eine  lokale  Verdickung  dieser  Hautschicht 
hervorwächst,  kann  sie  selbstverständlich  auch  blos  den  beschriebenen 
Bau  haben.  Ganz  abweichend  davon  ist  der  Bildungshergang  der 
Linse  bei  den  übrigen  Mollusken  (Gasteropoden,  Heteropoden  etc.) 
Die  Linse  wuchert  nicht  von  aussen  herein,  d.  h.  von  der  Haut  her 
in  den  Augapfel  herein,  sondern  dieser  ist  von  seiner  ersten  Anlage 
aus  eine  geschlossene  Blase ,  in  der  auch  die  Linse  zuerst  sichtbar 
wird  und  die  von  mir  an  Faludina  vivipara  über  diesen  Punkt  gemach- 
ten Wahrnehmungen  lassen  schliessen,  dass  innerhalb  der  Augenkapsel 
der  Kern  einer  elementaren  Zelle  sich  in  eine  feste  Eiweisskugel  umwan- 
delt und  nach  und  nach  durch  Wachsen  die  Zelle  ausfüllt,  hierauf  lagern 
sich,  bis  die  Linse  ihre  typische  Grösse  erreicht  hat,  weitere  Schich- 
ten ab,  welche  dem  Centrum  zunächst  fester  werden,  eine  gelbliche 
Farbe  annehmen  und  den  Kern  der  Linse  darstellen ,  während  die 
äusseren  Schichten  oder  die  Rindenlagen  weniger  consistent  und  weniger 
gefärbt  sind. 

§.  223. 

Der  Glaskörper  der  Mollusken  (Gasteropoden,  Heteropo-  Glaskörper. 
den  etc.)  ist  eine  wasserklare,  strukturlose,  gallertige  Substanz,  die  bei 
Paludina  ursprünglich  als  helle  Flüssigkeit  auftritt,  welche,  die  Augen- 
blase erfüllend,  nach  und  nach  eine  grössere  Consistenz  annimmt  und 
sich  selbst  an  ihrer  Grenze  hautartig  verdichtet.  Sehr  verschieden 
davon  ist  das  Gewebe,  welches  man  bisher  im  Auge  der  Arthropoden 
als  Coi'pus  vitreum  bezeichnet  hat.  Es  folgt  nämlich  im  sog.  einfachen 
Auge  der  Insekten  und  Spinnen  hinter  der  Linse  eine  helle  Lage, 
welche  am  lebenden  Thier  aus  kolbigen  Gallertgebilden  besteht,  deren 
vorderes  Ende  an  die  Linse  stösst  und  deren  hinteres  sich  in  das  Pig- 
ment einsenkt;  es  stimmen  diese  Gallertkolben  in  Lichtbrechung, 
Weichheit,  Verhalten  zu  Reagentien  vollkommen  mit  der  Krjstall- 
kegelmasse  des  Flusskrebses  und  vieler  Insekten  überein,  und  ich  habe 
sie  daher  den  Krjstallkegeln  des  fazettirten  Auges  gleichgestellt  und 
für  modifizirte  Enden  der  Nervenstäbe  erklärt. 

Ijeydig,   Histologie.  X7 


258  Von  den   Augen  der  Wirbellosen. 

§.  224. 
seierotica,  Voii  Untergeordneter  Bedeutung'  ist  es,    ob    sich  das  Auge  durch 

Cornea.  ^.^^  besondcrc  bindegewebige  Hülle  vom  übrigen  Körperparenchym 
stärker  oder  schwächer  absetzt.  In  letzterem  Fall,  wie  bei  Spinnen 
und  Insekten  mangelt  eine  eigentliche  Sclerotica,  das  Auge  hat 
nur  soviel  zarte  Bindesubstanz,  als  hinreicht,  um  die  nervösen  und 
muskulösen  Theile,  sowie  die  Pigmentauhäufungen  und  die  etwaigen 
Tracheen  zu  stützen;  isolirt  sich  aber  das  Sehorgan  vollständiger,  so 
verdichtet  sich  das  Bindegewebe  um  dasselbe  herum  zu  einer  wirk- 
lichen einhüllenden  Sclerotica,  die  bald  mehr  homogen,  bald  auch 
leicht  streifig  oder  fasrig  (bei  manchen  MoHusken  z.  B.)  sich  aus- 
nimmt. Bei  höheren  Krebsen  mit  frei  beweglichen  Augen  kann  man 
die  äussere  Haut,  welche  das  Auge  umgiebt,  als  Sclerotica  ansprechen. 
Bei  Anwesenheit  einer  besonderen  Sclerotica  sind  auch  häufig  eigene 
Muskeln  zur  Bewegung  des  Bulbus  vorhanden,  so  bei  vielen  Kreb- 
sen; hieher  gehört  auch,  dsiss  hei  Aryulus  foliaceus  die  Anschwellung 
der  Sehnerven  quergestreifte  Muskeln  hat,  welche  die  zitternde,  von 
Manchen  „räthselhaft"  genannte  Bewegung  der  Augen  verursachen; 
an  der  hinteren  Fläche  des  Augenbulbus  bei  Cephalopoden  befestigen 
sich  einige  Muskeln,  die  den  Sehnerven  scheidenförmig  umfassen; 
Leuckart  wies  einen  Muskelapparat  des  Augapfels  bei  Firoloidea, 
Oegenbaur  von  Atlanta  und  (kirinaria  nach,  und  wahrscheinlich  ist 
der  Bulbus  bei  noch  vielen  andern  Mollusken  damit  ausgestattet. 

Der  vordere  durclisichtige  Abschnitt  der  Sclerotica  bildet  die 
Cornea;  fehlt  die  Sclerotica,  so  fungirt  ein  dünn  und  hell  gewordener 
Abschnitt  der  äusseren,  bindegewebigen  und  chitinisirten  Haut  als 
Cornea  wie  bei  Spinnen,  Insekten  und  Krebsen.  Vielleicht  hängt 
es  von  der  ganz  ungewöhnlichen  Entwicklung  der  Retinastäbe  ab, 
dass  bei  Krebsen  und  Insekten  die  Hornhaut  nach  ihrer  ganzen 
Dicke  oder  nur  (bei  niederen  Krebsen)  in  ihren  unteren  Schichten 
in  ebenso  viele  vier-  bis  sechsseitige  Abtheilungen  oder  Fazetten  zer- 
fällt, als  Retinastäbe  da  sind;  verdickt  sich  noch  am  fazcttirten  Auge 
die  Hornhaut  einwärts  zu  Linsen,  so  ist  natürlich  auch  die  Zahl 
dieser  durch  die  Retinastäbe  bedingt.  Der  Hauptuntei-schicd  im  Bau 
der  sog.  einfachen  und  der  fazcttirten  Augen  beruht  demnach  darauf, 
dass  in  den  ersteren  eine  einzige  Hornhaut  und  Linse  das  Licht  zu 
allen  stabförmigen  Nervenenden  gemeinsam  zulässt,  in  letzteren  aber 
jeder  der  kolossalen  Nervenstäbe  seine  eigne  Hornliautabtheilung  und 
Linse  beansprucht.  —  Die  Hornhaut  mancher  Insekten,  z.  B.  von 
Hemerohius ,  Tahanus,  Culex  (pipiens)  u.  a.,  spiegelt  sehr  sciiön  gold- 
griin,  was  nicht  von  einem  unter  der  Cornea  angebrachten  Pigmente, 
sondern  von  der  Lichtbrechung  dieser  Haut  selber  herrührt. 

§.  225. 
IMiysiologischerseits  luit  man  bisher,  wie  schon  oben  eiwähnt,  zu  be 
giiuidcn  gesucht,  dass  ein  ganz  wesentlicher  Unterschied  herrsche  zwi- 


Physiologisches. 


259 


sehen  dem  Sehen  mit  den  sog.  einfachen  und  dem  Sehen  mit  fazettirten 
Augen.  Ob  der  Satz  noch  für  die  Zukunft  Gültigkeit  haben  kann?  Man 
sagte ,  das  fazettirte  Auge  sei  ein  Auge ,  dessen  Nervenfasern  keine 
Retina  bilden,  sondern  vereinzelt  bleiben  und  einzeln  sich  je- mit 
einem  optischen  Medium  versehen.  Das  fazettirte  Auge  sei  daher  auf 
Lichtsonderung  eingerichtet,  im  Gegensatz  zum  Auge  der  Wirbel- 
thiere  und  den  einfachen  Augen ,  welche  collektiver  Natur  wären. 
Allein  die  vorgebrachten  Strukturverhältnisse  lehren,  dass  im  ;,ein- 
tachen"  wie  im  ^jZussammengesetzten"  Auge  die  Sehnerven  sich  zu 
einer  ganglionären  Retina  entfalten,  der  dann  musivisch  geordnete, 
stabförmige  Elementartheile  aufsitzen,  von  denen  man  annehmen 
darf,  dass  sie  zunächst  zur  Auffassung  des  Bildes  dienen.  Insoweit 
daher  nach  dem  morphologischen  Befund  geurtheilt  werden  darf, 
scheint  eine  solche  wesentliche  Differenz  im  Sehakt  von '  Seite  der 
genannten  Augen  nicht  obzuwalten.  — 

Die  Arbeit  Krohn's  über  das  Auge  von  Alciope,  Wiegra.  Arch.  1845,  kenne 
ich  leider  nicht  aus  eigner  Anschauung.  Nach  einigen  Untersuchungen  übrigens, 
die  ich  an  Weingeistexemplaren  von  Alciope  Reynaudii  angestellt  habe ,  verdiente 
das  Auge  dieses  Thieres  ein  genaues  histologisches  Stadium.  Ich  gebe  davon 
beistehende  Abbildung. 


Fig.   136. 


»     " 


Auge  von  Alciope. 

a  Cuticula,  b  Zellenschicht  der  äusseren  Haut,    c  Sclerotica,  d  Linse,  e  Chorioidea 

(auf  der  anderen  Hälfte  weggelassen) ,    f  Retina ,    g  die  Stabschicht. 

Der  Augenbulbus  hat  seine  eigne  homogene  Umhülluugshaut  oder  Sclero- 
tica, deren  vorderer,  stark  vorspringender  Abschnitt  oder  Cornea  irnmittelbar  sich 
an  die  äussere  Haut  anlegt ,  so  dass ,  wenn  man  von  aussen  nach  innen  abzählt, 
zuerst  die  dicke,  helle  Cuticula  der  allgemeinen  Bedeckung  kommt,  darunter  die 
zellige    Hautlage ,    dann    die   homogene    Hornhaut    und    unmittelbar   hinter   ihr  die 

17* 


260  Von  den   Augen  der  Wirbellosen. 

kuglige  Linse.  Letztere  erscheint  granulär  und  geschichtet.  Hinter  ihr  kommt 
das  Chorioidealpigmeut,  das  den  grössten  Theil  des  Augapfelumfanges  ein- 
nimmt, aber  nicht  ganz  bis  zum  hinteren  Rand  der  Sclerotica  reicht,  sondern  hier 
breitet  sich  die  ungefärbte  Retina  aus,  in  die  man  den  Sehnerven  übergehen  sieht. 
Es  erscheint  demnach  auch  hier ,  wie  bei  Cephalopoden,  Heteropoden  und  Arthro- 
poden, die  Retina  hinter  die  Chorioidea  gerückt,  und  man  bemerkt  zwei  Lagen  an 
ihr,  eine  äussere,  mehr  granuläre,  und  eine  innere,  radiär  streifige.  Schafft  man 
durch  Natronlauge  das  Pigment  fort,  so  erblickt  man  als  innerste  Lage  der  Retina 
und  sich  gleichweit  mit  den  Conturen  der  Chorioidea  erstreckend  eine  Stabschicht. 
Im  unzerstückelten  Auge  erkennt  man  sie  unter  der  Zeichnung  von  scharfconturir- 
ten ,  dicht  sich  folgenden ,  nach  der  Länge  des  Auges  gestellten  Linien ,  deren 
Zwischenräume  sehr  regelmässig  wieder  quer  abgetheilt  sind,  so  dass  bei  gewisser, 
Fokaleinstellung  eine  schöne  Mosaik  gesehen  wird.  Reisst  man  das  Auge  und  da- 
mit die  Retina  auseinander,  so  yermag  man  die  Linien  einigermaassen  zu  deuten. 
Die  Mosaik  ist  die  Basis  von  scharfconturirten  stabartigen  Gebilden,  die  alle  mit  ihrem 
Längendurchmesser  nach  der  Achse  des  Auges  gerichtet  sind  und  gegen  den  freien 
Rand  der  Pigmentschicht  zu  stetig  an  Länge  abnehmen.  Ueber  ihre  nähere  Be- 
ziehung zu  den  Elementen  der  Retina  konnte  ich  nichts  erforschen ,  nur  möchte 
ich,  so  seltsam  es  lautet,  erwähnen,  dass  es  mir  vorkam,  als  ob  sie  hohle,  nach 
der  Augenachse  gekehrte  Ausstülpungen  einer  homogenen  Membran  wären,  und 
die  regelmässig  gestellten  Eingänge  in  die  Stäbchen  erzeugten  das  musivische 
Bild.  Ich  wiederhole,  dass  diese  Mittheilungen  auf  Weingeistpräparaten  und  nach 
Anwendung  von  Natronlauge  beruhen  und  demnach  erst  die  ('ontrole  durch  Unter- 
suchung frischer  Augen  abzuwarten  ist.  —  Quatrefages  hat  das  Auge  der  Alciopa 
(von  ihm  Torrea  genannt)  ebenfalls  untersucht  und  spricht  von  einer  Retina,  die 
aus  senkrecht  stehenden  Nervenfasern  zusammengesetzt  sei. 

Ueber  das  Auge  der  Cephalopoden  vergl.  H.  Müller  in  Ztschr.  f.  w.  Z. 
1853,  der  Heteropoden  LeucharV s  zool.  Untersuclmngen  und  Gegenhaur'' s 
Werk  über  Pteropoden  und  Heteropoden.  Die  Augen  dieser  Mollusken  haben 
manche  histologische  Eigenthümlichkeiten ;  die  Hornhaut  beschreiben  beide  Autoren 
von  Firola  und  Carmai'ia  als  aus  Zellen  zusammengesetzt.  „Sie  besteht  (bei  Cari- 
narid)  aus  einer  scheinbar  homogenen,  ziemlich  derben  Membiaii,  die  auf  ihrer 
Oberfläche  mit  einem  grossen  Pflasterepitliel  überzogen  wird  und  bei  Essigsäure- 
zusatz auffallende  Veränderungen  zeigt.  Bei  der  ersten  Einwirkung  dieses  Reagens 
konimen  nämlich  zahlreiche  Längsspaltcn  zum  Vorschein,  die  der  Cornea  das  Aus- 
sehen einer  gefensterten  Haut  ertheilen,  später  treten  dann  deutlicher  spiralförmige 
'Zellen  auf,  die  mit  ihren  Enden  ineinander  greifen  und  jene  Lücken  zwischen  sich 
lassen,  und  endlich  werden  in  den  Zellen  noch  Kerne  sichtbar,  so  dass  also  hier 
jene  Verhältnisse,  die  wir  in  den  gefensterten  Häuten  höherer  Tliiere  treffen,  sich 
in  ähnlicher  Weise  wiederholen"  {Gegenhaur).  Die  Chorioidea  hat  bei  Carinaria, 
P/erolrachea  etc.  (nicht  bei  Atlanta)  eigenthümliche  Lücken,  wo  die  polygonalen 
Zellen  ohne  alles  I'igment  sind.  Der  ganglionäre  Theil  der  Retina  liegt  hinter  der 
Chorioidea  und  die  Stäbchen  durchbohren  letztere  nach  heucltart.  Gegenhaur 
ist  üher  den  feineren  Bau  der  Retina  nicht  recht  zum  Abschluss  gelangt,  weicht 
auch  in  Manchem  von  Leuckart  ab,  will  aber  ohne  vorherige  Wiederaufnahme 
der   Untersuchung  diu   Dilfcrenzeii   nicht  lösen. 

Die  Linse  der  Mollusca  cejilialophorU  wird  allgemein  als  rein  homogen  und 
geschichtet  beschrieben,  doch  dürften  vielleicht  hier  mit  der  Zeit  noch  besondere 
Strukturverhältnisse  bekannt  werden.  Ich  mache  nämlich  an  der  Linse  eines 
grossen,  in  Weingeist  aufbewahrten  Trituniurn  die  Wahrnehmung,  dass  der  Kern 
der  Linse  wie  von  feinen  radiär  verlaufenden  Kanälchen  oder  feinen  Lücken  durch- 
setzt sei,  die  sich  mit  l^uft  gefüllt  hatten,  welche  durch   Znsatz  von  Kalilauge  aus- 


Nachtragliches.  261 

getriehen  wird,  worauf  der  Linsenltern  wie  aus  kleinen  Kügelcheu  zusammengesetzt 
erscheint. 

Es  wurde  oben  schon  erwähnt,  dass  im  sog.  einfachen  Auge  der  Insekten 
sich  den  Stäbchen  entsprechende  Gebilde  finden,  und  ich  kann  meinen  früheren 
Mittheilungen  jetzt  noch  die  Hühnerlaus  (Jlenojjon  jyalMdum)  anreihen,  dessen  Auge 
folgendes  Verhalten  zeigt:  Die  Chitinliülle  des  Körpers  bildet,  indem  sie  sich  etwas 
verdünnt,  die  Cornea,  unter  ihr  folgen  gleich  die  kolbigen  Gallertköiper,  die  wahr- 
scheinlichen Enden  der  Stäbe,  ohne  dass  die  Hornhaut  einwärts  sich  zu  einer  Linse 
verdickt  hätte.  Das  Chorioidealpigment  erstreckt  sich  in  einem  Streifen  so  nach 
vorne,  dass  die  Gesammtheit  der  Gallertkolben  in  zwei  Partien  abgeschieden  wird. 

Fig.   137. 


Auge  von  Menopon  pallidum.     (Starke  Vergr.) 
a   Hornhaut ,    b    die    Gallertkolben ,    c    das  Pigment. 

Sehr  wünschenswerth  wären  auch  Untersuchungen  an  frischen  Angen  von 
Pecten  und  Spondylus,  namentlich  in  Bezug  auf  den  sog.  Glaskörper.  Nach  ?'.  Sie- 
bold besteht  er  aus  kernlosen  Zellen,  und  auf  einer  Zeichnung,  die  Herr  Stud. 
E.  Häckel  von  dem  Auge  eines  Pecten  varius  in  Helgoland  fertigte,  sieht  man 
ebenfalls  den  Glaskörper  in  ähnlicher  Art  gehalten.  Da  nun  sonst  bei  den  Mollus- 
ken das  Corpus  vitreum,  eine  gleichmässig  homogene  Gallerte  ist,  so  möchte  ich 
vermuthen,  dass  dieser  „zellige  Glaskörper"  der  Acephalen  sich  wie  bei  Spinnen 
u.  a.  verhält ,  wo  er  der  Krystallkegelsubstanz  im  zusammengesetzten  Auge  gleich- 
werthig  ist.  —  Auch  das  Auge  von  Sagitta  darf  weiterer  Nachprüfung  empfohlen 
werden,  da  es  nach  den  Abbildungen,  welche  Wihns  (observ.  de  Sagitta  Fgg.  6,  7) 
gegeben  hat,  an  das  zusammengesetzte  Auge  der  Arthropoden  erinnert. 

Das  Auge  von  Nephelis  verdient  ebenfalls  eine  erneute  Untersuchung.  Nach 
früheren  Aufzeichnungen  von  mir  besteht  es  aus  einer  Blase,  deren  Wand  die 
Sclerotica  vorstellt  und  einzelne  Kerne  hat.  Aus  dem  Pigment  oder  der  Chorioidea, 
welche  den  hinteren  Abschnitt  der  Augenblase  einnimmt,  ragen  in  den  vorderen 
hellen  Theil  mehre  klare  kolbige  Gebilde,  jedes,  wie  mir  schien,  mit  einem  ebenso 
hellen  Kern  versehen. 

Ueber  das  Auge  der  Krebse,  Spinnen  und  Insekten  vergl.  ausserdem  be- 
kannten Werke  von  Joh.  Müller :  Will,  Beitr.  z.  Anat.  d.  zusammenges.  Aug.  1840, 
Gotische,  Beitr.  z.  Anat.  u.  Phys.  der  Augen  der  Krebse  u.  Fliegen  in  Müll.  Arch. 
1852,  W.  Zenker,  Studien  über  die  Krebsthiere  im  Arch.  für  Naturgesch.  1854, 
Leydig,  zum  feineren  Bau  der  Arthropod,  in  Müll.  Arch.  1855;  die  obige  Schil- 
derung stützt  sich  namentlich  auf  diese  Arbeit.  —  Ueber  die  Augen  der  blinden 
Crustaceen,  namentlich  des  in  der  Mammuthhöhle  lebenden  Astacus  pellucidus, 
hat  Newport  mitgetheilt,  dass  hier  das  Pigment  der  Chorioidea  fehlt. 

Ueber  die  Randkörper  der  Medusen,  welche  bald  für  Seh- bald  für  Gehör- 
organe angesprochen  werden,  vergl.  die  genaue  mikrosk.  Analyse,  welche  Gegen- 
baur  in  Müll.  Arch.  1856  darüber  gegeben  hat.  Es  geht  daraiis  hervor,  dass  sich 
vorläufig  gar  keine  bestimmte  Deutung  feststellen  lässt ,  da  manches  für  sensitive 
Apparate,  manches  für  excretorische  Organe  ausgelegt  werden  kann. 


262  Vom  Gehörorgan  des  Menschen. 

* 

Die  Augenpunkte  der  Infusorien  (Euglenen,  Peridinien,  Ophryoglenen)  be- 
stehen bloss  aus  „einer  Anhäufung  von  feinen,  kaum  messbaren  Körnchen,  welche 
das  Licht  stark  brechen.''  Ein  lichtbrechender  Körper  mangelt.  Bei  Ophryoglena 
atra  und  Bursaria  flava  entdeckte  Lieberkühn  „ein  uhrglasförmiges  Organ", 
welches  bei  Ophryoglena  neben  dem  Augenpunkte  liegt,  durchsichtig,  glashell  ist, 
ohne  Spur  von  Faserung  oder  anderweitiger  Struktur.     Müll.  Arch.  1866. 


Ohr. 


Einundzwanzigster  Abschnitt. 
Vom    Gehörorgan    des    Menschen. 

§.  226. 
AcuBse.es  DIg   knoppeüge  Grundlage   des  äusseren  Olires   und   Gehör- 

ganges gehört  zum  Faserknorpel,  in  welchem  an  den  meisten  Stellen 
mehr  Zellen  als  netzfaserige  Grundsubstanz  zugegen  ist,  ja  letztere 
häufig  nur  zu  schmalen  Balken  zwischen  den  Zellen  reduzirt  erscheint. 
Dies  ist  besonders  in  den  dünnsten  Theilen  des  Ohrknorpels  der  Fall. 
Die  Drüsen  der  den  Ohrknorpcl  überziehenden  Haut  geben  insofern 
zu  Bemerkungen  Anlass,  als  die  Talgdrüsen  an  der  Ohrmuschel  sehr 
entwickelt ,  hingegen  die  Schweissdrüsen  gar  klein  geworden  sind. 
In  der  Haut  des  äusseren  Gehörganges  haben  sich  die  Schweissdrüsen 
zu  den  s.  g.  Ohrenschmalzdrüsen  (s.  oben)  umgeändert. 

§.  227. 
Mittleres  Das  Trommelfcll  besteht  aus  festem  Bindegewebe,  in  M^elchem 

Gefässe  verlaufen ;  aussen  wird  es  von  einer  dünnen  Epidermis,  innen 
von  einem  nicht  flimmernden  Plattenepithel  überzogen. 

Die  Schleimhaut  der  Paukenhöhle  saramt  den  Nebenräumen 
hat  ein  unteres  bindegewebiges,  gefässreiches  und  auch  Nerven  ent- 
haltendes Stratum ,  über  welchem  ein  geschichtetes  Flimmerepithel 
wegzieht.  Das  Epithel  auf  "den  Geluirknöchelchen  flimmert  so  wenig, 
wie  das  des  Trommelfells.  —  Die  Muskeln  des  mittleren  Ohres  sind 
quergestreift. 

Der  Knorpel  der  Eustachischen  Rcihre  stellt  in  seiner  Struktur 
eine  Uebergangsstufe  von  echtem  Knorpel  zum  Faserknorpel  dar. 

§.  228. 

Innere,  Ohr.  ^^as  häutlgc  Labyrinth,   Vorhof  und  Bogengänge,   besteht  aus 

Bindegewebe,  welches  nach  aussen  weicher  ist  und  im  feineren  Ver- 
halten Aehnlichkeit  hat  mit  den  steifen  Faserzügen  des  Bindegewebs- 
stroma's  der  ( Jhorioideo.,  auch  gewöhnlich  einige  bräunliche  Pigment- 
ablagcrungen  enthält;  nach  innen  zu  wird  das  Bindegewebe  fester  und 
gestaltet  sich  zu  einer  mehr  homogenen  durchsichtigen  Lage  um.  Das 
Lumen  begrenzt  ein  einfaches,  sich  leicht  ablösendes  Plattenepithel. 


Spiralplatte. 


263 


Die  Gehör  steinchen,  Otolithen ,  sind  meist  kleine,  prisma- 
tische, an  beiden  Enden  zugespitzte  Säulchen  aus  kohlensaurem  Kalk. 

An  der  Schnecke  nimmt  das  häutige  Spiralplatt  derselben  das 
Interesse  in  Anspruch.  Man  unterscheidet  daran  einen  höckerigen  oder 
inneren  und  einen  glatten  oder  äusseren  Abschnitt  (die  Zona  denti- 
culata  und  die  Zona  pectinata  der  Autoren).  Die  erstere,  unmittelbar 
von  dem  Perioste  der  knöchernen  Lamina  spiralis  ausgeheud,  besteht 
aus  derbem  Bindegewebe  und  erhebt  sich  in  helle ,  längliche  Vor- 
sprünge von  glänzendem  Aussehen,  welche  durch  die  bekannten  Unter- 
suchungen Corti  s  als  Zähne  der  ersten  Reihe  bezeichnet  werden 
und  bindegewebiger  Natur  sind.  Weiter  nach  aussen  folgen  andere 
eigenthümliche  Zellen,  die  bisher  nach  Corti  den  Namen  Zähne  der 
zweiten  Reihe  trugen ,  aber  von  ganz  anderer  Natur  sind ,  als  die 
Zähne  der  ersten  Reihe.  Kölliher  erklärte  sie  für  die  Enden  des 
Nervus  Cochleae.  Die  Fasern  des  Äcusticus  sollten  nämlich  durch  feine 
Löcher  der  Lamina  spiralis  membranaea,  aus  der  Scala  tympani  in 
die  Scala  vestibuli  getreten,  sich  mit  den  s.  g.  Zähnen  der  zweiten 
Reihe  verbinden;  letztere  wären  sonach  eigentlich  terminale  Ganglien- 
zellen, welche  frei  im  Labyrinthwasser  liegen. 


Fig.  138. 


B 


A    Vorhoffläche    der  häutigen  Spiralplatte, 
a  Zähne  der  ersten  Reihe,  b  spindelförmige  Zellen,    c  Zähne  der  zweiten  Reihe, 
d    Epithel    der    Zona   pectinata,    e    gefässhaltiger    Streifen,    zur    Befestigung    der 

Spiralplatte  dienend. 

B    Senkrechter  Schnitt    durch  die  Lamina  spiralis. 
a  Zähne  der  ersten  Reihe,    b  spindelförmige    Zellen    (ich    habe    sie  zwar  in  Ver- 
bindung mit  den  Nervenfasern  gezeichnet,  was  ich  aber  nicht  mit  Sicherheit  ge- 
sehen habe),  d,  e  wie  bei  A,    f  Membran  mit  ihrem  Epithel ,  welche  die  Vorhof- 
fläche der  häutigen  Spiralplatte  überdeckt. 


264  VoiTi  Gehörorgan  des  Menschen. 

§.  229. 

Nach  Untersuchungen,  die  ich  an  jungen  Katzen,  Ziegen,  dann 
am  Maulwurf  anstellte,  bin  ich  ausser  Stand,  die  Angaben  Köllikers, 
was  die  Endigung  des  Hörnerven  und  das  Cortische  Organ  überhaupt 
betrifft,  zu  bestätigen,  muss  sie  vielmehr  grossentheils  verneinen.  Das 
w^irkliche  Verhalten  ist  Folgendes : 

Die  Zähne  der  ersten  Reihe  sind  Erhöhungen  und  Vorsprünge 
des  bindegewebigen  Periostes ;  in's  Innere  der  stärkeren  erheben  sich 
feine  elastische  Fasern,  die  man  bei  Betrachtung  von  oben  meist  im 
scheinbaren  Querschnitt,  also  unter  der  Form  scharfgezeichneter  Punkte 
wahrnimmt.  Am  Rande  der  Abdachung  der  grossen  kammartigen  Vor- 
sprünge liegen  noch  in  sehr  regelmässiger  Folge  kleine  Erhöhungen, 
und  die  Vertiefungen  dazwischen  werden  von  K.  für  Löcher  ausge- 
geben, durch  welche  die  Nervenfasern  heraustreten,  was  ich  zwar  noch 
nicht  gesehen  habe,  aber  doch  nicht  geradezu  in  Abrede  stellen  möchte. 
Bei  ganz  jungen  (noch  blinden)  Kätzchen  trüben  sich  nach  Essigsäure- 
zusatz die  Zähne  der  ersten  Reihe.  Die  Zähne  der  zweiten  Reihe 
oder  die  vermeintlichen  Enden  der  Schneckennerven  lösen  sich  von 
Präparaten,  die  in  doppeltchromsaurem  Kali  einige  Tage  gelegen,  sehr 
leicht  in  toto  ab  und  sind  Zellen  von  einer  sehr  bestimmten  Anordnung 
und  Gestalt.  Die  ersten  (von  den  Zähnen  der  ersten  Reihe  her  ge- 
rechnet) zeigen  sich  als  lange  stabförmige ,  comprimirte  Zellen  mit 
Kern ;  sie  sind  vom  lebenden  Thier  genommen  und,  mit  Zuckerwasser 
untersucht,  sehr  hell ;  an  Chromsäureobjekten  erkennt  man  eine  Schei- 
dung in  homogene  Rinden-  und  granuläre  Achsensubstanz.  Diese 
Zellen  liegen  nun  nicht  einfach  gerade,  wie  auf  der  Kölliher^ sehen 
Figur  (Gewebl.  Fg.  332)  dargestellt  ist,  sondern  sie  vollführen  sehr 
regelmässige,  von  allen  nebeneinander  liegenden  Zellen  in  gleicher 
Weise  eingehaltenen,  Biegungen  und  Drehungen.  Jede  Zelle  beschreibt 
nämlich  zwei  Bogen  nach  aufwärts,  beim  zweiten  mit  Umdrehung  der 
Fläche  und  dazwischen  einen  sehr  steilen  nach  abwärts;  der  letztere 
verursacht  bei  Betrachtung  der  Zellen  von  oben  und  im  Ganzen  jenen 
Streifen,  der  irrthümlich  auf  eine  Theilung  der  Zelle  in  „zwei  Glieder'' 
bezogen  wurde.  An  die  schlangenförmig  gekrümmten  Zellen  schlicssen 
sich  zu  äusserst  drei  Reihen  von  Zellen  an  (die  drei  Cylindcrzellcn 
Corti^s  ,  die  gestielten  Nervenzellen  Kölliker'' s),  welche  sich  mir 
abermals  ganz  anders  zeigen,  als  die  genannten  Autoren  schildern. 
Jede  Zelle  ist  zwar  in  einen  kurzen  konischen  Fortsatz  verlängert, 
aber  mit  diesem  ist  sie  keineswegs  angewachsen  ,  sondern  er  steht 
frei  nach  vorn  und  oben  gekehrt,  gerade  so,  wie  an  gleichen,  in  der 
Ampulla  vorkommenden  Epitlielzellcn,  so  wie  ich  denn  überhaupt  die 
vermeintlichen  Nervenenden  (die  Zähne  der  zweiten  Reihe  Corti'' s) 
für  ein  besonders  geartetes  Epithel  erkläre;  ihr  ganzer  Habitus  im 
frischen  Zustande,  das  Trübwerden  und  Annehmen  sehärferer  Conturen 


Schnecke.  265 

in  Essigsäure,,  ist  wie  bei  solchen  Zellenlagen.     An  diese  Stachelzellen 
grenzen  die  gewöhnlichen  Epithelzellen  der  Zona  pectinata  an. 

Was  die  Endigung  des  Schneckennerveu  betrilft,  so  scheinen 
mir  die  früher  breiten  dunkeh'andigen  Fasern  des  Aciisticas,  nachdem 
sie  durch  bipolare  Ganglienkugeln  unterbrochen  wurden,  fein  und 
blass  geworden  sind,  in  derselben  Art  zu  enden,  wie  in  den  Ampullen; 
sie  verlieren  sich  nämlich  in  ein  Lager  kleiner  Zellen,  mit  denen  sie 
sich  zu  verbinden  scheinen,  jedoch  so,  dass  immer  über  die  Zelle 
hinaus  noch  ein  äusserst  feiner  Faden  eine  kurze  Strecke  weit  sicht- 
bar ist. 

Ferner  findet  sich,  dass  von  der  Habenula  sulcata  aus  über  die 
„Zähne  der  ersten  und  zweiten  Reihe"  weg  eine  zarte  bindegewebige 
Haut  herüberzieht,  die  ein  Epithel  trägt,  sowie  auch  zum  Theil  Blut- 
gefässe besitzt,  und  ich  erblicke  in  dieser  Decke  das  Analogen  der 
sackartigen  Umhüllung  um  die  Vorsprünge  in  den  Ampullen  (s.  unten). 
An  der  Lamina  spiralis  ist  die  Zona  peciinata  gefässlos.  An  Präpa- 
raten, die  8  Tage  in  doppeltchromsaurem  Kali  gelegen  hatten,  waren 
die  Streifen  der  Zona  pectinata  geschwunden,  die  Membran  homogen 
und  nur  von  kurzen,  sich  kreuzenden  Strichen  durchzogen,  etwa  wie 
die  Hornhaut  von  ihren  Bindegewebskörpern.  An  die  Zona  j^ßctinata 
sehe  ich  eine,  zahlreiche  Gefässe  einschliessende  Zona  anstossen  und 
an  dieser  haftet  die  faserige  Masse,  durch  welche  die  häutige  Spiralplatte 
die  Schneckenwand  berührt. 

§.  230. 

Das  Labyrinth  entsteht  durch  Einstülpung  von  der  äusseren  Haut 
her,  was  zuerst  Huscltke  entdeckt  hat.  Beniah  wies  darauf  nach, 
dass  das  die  Labyrinthblase  auskleidende  Epithel  vom  oberen  Keim- 
blatt herrühre,  die  häutigen  und  knöchernen  Wände  vom  mittleren 
Keimblatt  geliefert  werden.  Vom  Gehörnerven  nahm  man  ziemlich 
allgemein  an,  dass  er  aus  dem  Gehirn  zur  Labyrintliblase  wachse; 
indessen  hat  Remak  gefunden,  dass  er  an  Ort  und  Stelle  aus  dem 
mittleren  Keimblatt  sich  sondere. 

Die  wichtigste  Schrift  iiher  das  Gehörorgan  bilden  die  bekannten  Recherches 
sur  l'organe  de  Touie  des  mammiferes  von  A.  Corti.  Vergl.  ferner  Reissner, 
zur  Kenntniss  der  Schnecke  im  Gehörorgan  der  Säugethiere  und  des  Menschen, 
Müll.  Arch.  1854,  Claudius,  Bemerkungen  über  den  Bau  der  häutigen  Spiral- 
leiste der  Schnecke,  Zeitschr.  f.  w.  Zool.  1855.  Dass  die  histologische  Unter- 
suchung der  Schnecke  zu  den  schwierigsten  Arbeiten  gehört,  ist  schon  daraus  zu  ent- 
nehmen, dass  die  Schilderungen  sich  sehr  widersprechen,  indem  Jeder  die  Sache  anders 
gesehen  hat.  So  meldet  Beissner,  dass  von  der  Oberlippe  der  Crista  aus  Gefässe 
nach  dem  äusseren  Rande  der  Schnecke  verlaufen,  was  Claudius  bezüglich  der  au,s- 
gebildeten  Schnecke  für  falsch  erklärt,  worin  er  Recht  haben  mag.  Hinwiederum  er- 
scheint mir  gar  Manches  von  Dem  irrthümlich ,  was  Claudius  über  den  Bau  der 
Schnecke  mittheilt.  Nach  ihm  ist  „die  häutige  Spiralleiste  nicht  eine  einfache, 
häutige  Platte,  auf  welcher  in  der  Vorhofstreppe  das  Corti'sche  Organ  läge,  son- 
dern sie  stellt  einen  durch  zwei  einander  parallel  ausgespannte  Membranen  überall 


266  Vom  Gehörorgan  der  Wirbelthiere. 

gegen  beide  Treppen  abgeschlossenen ,  mit  grossen  dünnwandigen  Zellen  erfüllten 
Raum  in  der  Schnecke  dar,  nnd  in  diesem  liegt  der  von  Corfi  beschriebene 
Apparat."  Ich  vermag  durchaus  nicht  dieses  „Parenchym  grosser  dünnwandiger 
Zellen'',  mit  dem  der  besagte  Raum  ausgeliillt  sein  soll ,  zu  sehen.  Bezüglich  der 
Verbindung  der  Nerven  mit  dem  Corti'schen  Organ  konnte  sich  Claudius  keine 
klaren  Anschauungen  verschaffen  :  die  „Stäbchen"  beschreibt  er  ganz  anders  als 
ich,  sie  sollen  unter  Anderem  auch  mit  ihrem  Aussenende  auf  der  Zona  pectinata 
festgeheftet  sein.  —  Allem  zufolge  düi-fte  wohl  noch  einige  Zeit  vergehen,  bis  über 
den  fraglichen  Gegenstand  eine  übereinstimmende  Ansicht  sich  abgeklärt  hat. 


Zweiundzwanzigster  Abschnitt. 

Vom    Gehörorgan    der  Wirbelthiere. 

§•  231. 
Aeusso.es  X)as  Knorpelfferüst  der  Ohrmuschel  mancher  Säuger  (z.  B.  der 

nd  mittleres  '■        °  .  *-^  IM 

Ohr.  JNager,  der  Fledermäuse)  sieht,  nach  dem  ersten  Blick  zu  urtheilen, 
wie  Fettgewebe  aus ,  da  die  Knorpelzellen  grosse  Fetttropfen  ein- 
schliessen  und  nur  durch  ein  Minimum  von  Grundsubstanz  von  einander 
geschieden  sind.  Bei  dem  Rind,  der  Katze  ist  die  Grundsubstanz 
faserig  und  beim  Meerschweinchen,  dem  Biber  erscheint  der  Knorpel 
theilweise  ossifizirt  {Leuckart,  Mir  am). 

§.  232, 
Das  Trommelfell  der  Säuger,  Viigel  und  wahrscheinlich  auch 
der  beschuppten  Reptilien  besteht  nur  aus  Bindegewebe  mit  feinen 
elastischen  Fasern  und  wird  innen  von  Epithel ,  aussen  von  dünner 
Epidermis  bedeckt.  Beim  Maulwurf,  dessen  Trommelfell  leicht  als 
ein  Ganzes  zu  untersuchen  ist,  sieht  man  klar,  dass  die  elastischen 
Netze  dieser  Haut  in  zwei  Hauptrichtungen,  circulär  und  radiär  näm- 
lich, verlaufen.  Beim  Frosch  sind  in  das  Bindegewebe  radiäre,  glatte 
Muskeln  eingewebt,  welche  am  Rande  des  Trommelfells  einen  Ring 
bilden.  In  der  Mitte  des  Trommelfells,  im  Umkreise  der  Ansatzstelle 
des  dem  Hammer  vergleichbaren  Knorpels  finden  sich  elastische  Fasern, 
die,  obwohl  verzweigt,  doch  in  der  Hauptrichtung  ebenfalls  radiär 
verlaufen.  Es  steht  sich  hier  sonn't  die  Muskelschicht  am  äusseren 
Rande  und  die  Lage  elastischer  Fasern  in  der  Mitte  des  Trommelfells 
antagonistisch  gegenüber:  die  Muskeln  wirken  wie  ein  Spnnner  des 
Trommelfells  nnd  bei  Nachlass  ihrer  Tbätigkeit  führen  die  elastischen 
Fasern  dasselbe  auf  seinen  gewöhnlichen  Extensionsgrad  zurück.  Ueber 
das  eigentliche  Trommelfell  schlägt  sich  die  äussere  Haut  weg ,  sie 
wird  dabei  verdünnt,  behält  aber  ihre,  wenn  anch  kleiner  gewordenen, 
Drüsensäckchen   bei. 


Inneres   Ohr.  267 

Die  Schleimliant  der  Paukenhöhle  hat  bei  Säugern,  Vögeln 
und  Reptilien  ein  Flimmei-epithel,  aber  der  zellige  Ueberzug  an  der 
Innenseite  des  Trommelfells ,  sowie  das  Epithel  der  Gehörknöchelchen 
zeigt  sich  immer  cilienlos.  Die  Columella  des  Falco  ümiuncidus  z.  B. 
hat  einen  fetthaltigen  Markraum,  die  Aussenfläche  des  Knochens  über- 
zieht ein  blutgefässha 'tiges  Bindegewebe  und  auf  diesem  liegt  das  nicht 
wimpernde  Epithel.  Ebenso  verhält  sich  die  Columella  der  Eidechse, 
nur  dass  hier  die  im  Inneren  des  Knochens  verlaufenden  Blutgefässe 
pigmentirt  sind.  Auch  in  den  Gehörknöchelchen  der  Katze,  nament- 
lich im  Fusstritt  des  Stajjes  und  im  Ambos  sind  Blutgefässe  deuthch 
wahrzunehmen.  Am  Ansatz  des  Hammers  vom  Mauhvurf  sind  wohl 
schöne  Havers'sche  Kanäle  deutlich,  aber  nichts  von  Blutgefässen. 

Der  häutige  äussere  Gehörgang  bei  Talpa  wird  durch  einen  mehre 
Windungen  machenden  Spiralknorpel  gestützt  (Hannover),  von  dem 
ich  indessen  sehe,  dass  er  bis  auf  die  Ränder  ossifizirt  ist,  doch  hat  die 
Verknöcherung  mehr  den  Charakter  von  kalkiger  Incrustation.  Bei 
Echidna  zerfällt  der  Knorpel  in  einzelne,  mittelst  eines  Längsstreifens 
verbundene  Ringe ,  und  auch  bei  den  Delphinen  finden  sich  ein- 
zelne  unregelmässig  gestaltete  Knorpelplatten  in  dem  langen  ,  engen 
Gehörgang. 

Der  an  der  äusseren  Haut  mündende  Oh rk anal  der  Rochen, 
Haie  und  Chimären  besteht  aus  Bindegewebe,  in  welches  mehr  oder 
weniger  schw^arzes  Pigment  eingemischt  ist  (sehr  stark  pigmentirt  bei 
Spinax  niger).  Die  Innenfläche  deckt  ein  aus  langen  Cylinderzellen 
zusammengesetztes  Epithel  und  das  Lumen  des  Kanales  zeigt  sich  er- 
füllt von  Otolithen.  Letztere  stehen  zwischen  Molekulargrösse  und 
ziemb'ch  grossen  Klumpen,  sind  entweder  citronenförmig  mit  gescliichte- 
tem  Bau  oder  stellen  drusenähnliche  Körper  dar. 

§.  233. 

Zur  Aufnahme  des  häutigen  Labyrinthes  bildet  bekanntlich  innercsohr. 
der  hyaline  Kopfknorpel  bei  den  Selachiern  weite  Gänge  und  diese 
sind  von  derselben  pflasterförmigen  Knochenkruste  ausgetäfelt,  welche 
auch  die  übrige  Schädelhöhle  und  überhaupt  die  meisten  freien  Flächen 
des  Skelets  überzieht.  Von  dem  bindegewebigen  Periost,  welches  sich 
über  die  Knochenkruste  der  Labyrinthgänge  verbreitet,  gehen  mannich- 
fach  sich  durchkreuzende  Balken  und  Plättchen  zum  häutigen  Labyrinth 
,  selber,  um  es  zu  befestigen.  Die  Maschen  des  bindegewebigen  Netz- 
werkes sind  von  Flüssigkeit  erfüllt  und  in  den  Balken  verlaufen  auch 
einzelne  Blutgefässe. 

Die  Bindesubstanz,  welche  das  häutige  Labyrinth  formt,  gewinnt 
bei  niederen  Wirbelthieren ,  namentlich  den  Fischen  (Selachiern, 
Stör  u.  a.),  sehr  an  Dicke  und  ei'innert  schon  bei  oberflächlicher  Be- 
sichtigung durch  Consistenz  und  einen  gewissen  durchscheinenden 
Habitus  an  Knorpel,  w^as  auch  mit  dem  Resultat  der  mikroskopischen 
Untersuchung  im  Einklang  steht,  indem  man  es  mit  einem  Gewebe  zu 


268 


Vom  Gehörorgan  der  Wirbelthiere. 


thun  hat,  welches  die  Mitte  zwischen  gewöhnlicher  Bindesubstanz  und 
Hyalinknorpel  einhält.  Man  erblickt  da  (z.  B.  am  Stör,  deutlich  auch 
bei  Vögeln)  nach  Anwendung  von  Kalilauge  in  einer  homogenen, 
klaren  Substanz  helle,  schmale  Räume ,  die  alle  mit  ihrer  Längsachse 
dem  Kanal  parallel  laufen;  sie  besitzen  einen  feinkörnigen  Inhalt,  ver- 
längern sich  da  und  dort  bedeutend  und  scheinen  dann  mit  einander 
zusammenzufliessen;  bei  der  Taube  sind  viele  sternförmig,  bei  PohjpteruSj 
wo  die  Bindesubstanz  des  Ohrlabyrinths  auch  ziemlich  dick  ist,  nähern 

Fig.  139. 


Stück  eines  halbcirkel förmigen  Kanales  der  Taube.     (Starke  Vergr.) 
a  die  knorpelähnliche  Wand,  b  die  gallertige  äussere  Schicht  mit  den  Blutgefässen  c, 

d  das  innere  Epithel. 

sich  die  Räume  oder  Bindegewebskörperchen,  welche  mehr  rundlich 
oder  oval  und  dabei  strahlenlos  sind,  den  Knorpelzellen.  Bei  kleinen 
Batrachiern  [Triton  ignevs ,  Bomhinator)  ist  das  Bindegewebe  der 
Ductus  semicir ciliares  fast  ganz  homogen  und  die  zelligen  Theile  sind 
kaum  spurweise  zugegen.  —  Nach  aussen  geht  das  feste,  knorpel- 
ähnliche Bindegewebe  des  Vestihuhwi  und  der  Ductus  senncirculares 
in  eine  lockere,  eher  gallertige  Schicht  aus,  welche  die  Gefasse  trägt, 
häufig  pigmentirt  ist  (beim  Frosch  wenig,  bei  Bomhinator  und  Sala- 
mandra  sehr  stark)  und  mit  dem  vorhin  besagten  Netzwerk  sich  ver- 
bindet. Bei  Batrachiern  enthält  das  lockere  Bindegewebe  um  die 
Gänge  etwas  Fett. 

§.  234. 
Wenn  man  die  Ampullen  rein  hcrausprJiparirt  und  dme  allen 
Druck  (bei  Vermeidung  jeglichen  Deckglases)  von  verschiedenen  Seiten 
her  untersucht,  auch  namentlich  neben  frischen  Objekten  Köpfe,  die 
einige  Zeit  in  doppeltchromsaurem  Kali  gelegen  sind ,  vergleichend 
herbeizieht,  so  bemerkt  man  Orgam'sationsverhältnisse,  die  bisher  nicht 
beachtet  oder   übersehen  wurden.     Ich  habe   besonders   die  Ampullen 


Ampullen. 


269 


der  Taul)e  mikroskopirt,  und  die  beistehende  Figur  ist  genau  nach  der 
Natur.     Sie  zeigt;   dass  im  Inneren  der  Ampulle  nicht  bloss  der  Vor- 

Fig.    140. 


Ampulle  von  der  Taube  (nach  Behandlung    mit    doppeltchromsaurem  Kali), 

geringere  Vergrösserung    als  bei  Fig.   139. 

a  die  knorpelähnliche  Wand,    b  das  Lumen    der  Ampulle,    welches  mit  dem  des 

Ductus  semicircularis  in  Continuität  steht,   c  Nerv  der  Ampulle,  d  die  sackartige 

Umhüllung  des  nerventragenden  Vorsprunges,    e  die  Blutgefässausbreitung. 

Sprung  zugegen  ist,  welcher  den  Träger  der  Nervenendigung  abgiebt, 
sondern  es-existirt  noch  eine  besondere  Haut,  welche,  von  der  Basis 
des  gedachten  Vorsprunges  ausgehend,  sich  über  den  Nervenknopf  in 
bestimmter  Faltung  gleich  einer  Kapuze  herüberzieht.  Der  Nerven- 
knopf erscheint  gewissermaassen  in  einen  zweiten ,  innerhalb  der 
Ampulle  liegenden  Sack  eingestülpt,  und  zwar  so,  dass  oben  und 
unten  eiii  hohler  Raum  zwischen  dem  Sacke  und  dem  Rande  des 
nerventragenden  Vorsprunges  bleibt.  Während  nun  das  Epithel  ausser- 
halb des  Sackes  von  derselben  blassen  BeschaiFenheit  ist,  wie  in  den 
Ductus  yemicirculares,  ist  es  im  Inneren  der  bezeichneten  Kapuze 
dunkelkörnig,  und  an  Chromsäurepräparaten  sah  ich,  dass  diese  Zellen 
an  ihrer  freien  Seite  in  einen  kammartigen  Fortsatz  ausliefen,  der  im 
Profil  wie  ein  Faden  sich  ausnahm.  Dieselben  Zellen  beobachte  ich 
auch  an  der  gleichen  Stelle  beim  Auerhahn ,  und  nachher  bei  der 
Schnecke  werden  sie  noch  einmal  zur  Sprache  kommen.  Diese  Ver- 
schiedenheit des  Epithels ,  sowie  die  ganze  beschriebene  Bildung  ist 
wohl  bei  allen  Wirbelthieren  die  nämliche ;  was  wenigstens  das  Epithel 
betriift ,  so  sagen  alle  meine  frühereu  Aufzeichnungen ,  dass  bei 
Säugern,  Vögeln,  Reptilien  und  Fischen  die  Zellen  in  der  Umgebung 
der  Nervenausbreitung  einen  gelbkörnigen  Inhalt  besässen  und  da- 
durch von  dem  hellen  Epithel,  wie  es  sonst  die  Ampullen  und  die 
Gänge  auskleidet,  bedeutend  abstechen.     Noch  jüngst  sah  ich  an  der 


270  Vom  Gehörorgan   der  Wirljcltliiere. 

Ampulle  eines  Aales,  von  welchem  ich  den  lebenden  Kopf  in  doppelt- 
chromsaures  Kali  gelegt  hatte,  dass  das  Epithel  zunächst  der  Nerven- 
endigung in  lange  haarähnhche  Fortsätze  ausgeht,  gleichsam  in  kolossale 
Wimpern.     Je  eine  Zelle  setzt  sich  in  ein  Haar  fort. 

Fig.   141. 


a  b  d  c 

Epitlielzellen    aus    der  Ampulle   und    der  Schecke. 

a  aus  der  Ampulle  des  Aales  vom  nerventragenden  Vorsprung,  b   aus  der  Scknecke 

der  Taube    im  frischen  Zustande,    c  dasselbe  in  verschiedener  Ansicht,    d  dasselbe 

nach  eintägigem  Aufenthalt  in  doppelt-chrorasaurem  Kali.     (Starke  Vergr.) 

Bei  den  Cyklostomen  allein  unter  den  Wirbelthieren  vN^mpert 
das  Epithel  des  Ohrlabyrinthes  und  die  Cilien  übertreffen  an  Stärke 
alle  anderen  Flimmerhaare  im  Bereiche  der  Wirbelthiere.  Es  sitzt 
immer  auf  einer  Zelle  ein  Wimperhaar  (nach  Erl-er)  mit  gabiig  ge- 
theilter  Wurzel  auf  Das  Haar  zerfällt,  wenn  man  es  nach  vorher- 
gegangener Aufbewahrung  in  Cii romsäure  mit  Natron  behandelt,  und 
presst  in  steife  Fasern. 

Der  Nerv,  welcher  an  die  Ampulle  herantritt,  erzeugt,  wie 
schon  Steif  ens and  (1835)  richtig  beschrieb,  eine  Einstülpung  der 
Ampullenwand  nach  innen  und  damit  den  vorhin  erwähnten  Vor- 
sprung.  Der  Nervenstamm  theilt  sich  innerhalb  der  Einbiegung  zu- 
nächst in  zwei  Hauptäste,  die  nach  den  beiden  Seiten  auseinander 
weichen.  Nimmt  man  Rücksicht  auf  das  Verhalten  der  einzelnen 
Primitivfasern,  so  enden  sie,  blass  geworden,  in  einer  kleinzelligen 
Masse,  und  ich  meine  gesehen  zu  haben,  dass  die  Fasern,  was  schon 
H.  Wagner  und  Meissner  für  die  Fische  angeben,  eine  der  klei- 
nen Zellen  als  Ganglienkugel  aufnehmen,  aber  sie  scheinen  auch  noch 
darüber  hinaus  in  eine  feine  Spitze  auszulaufen.  Der  nerventragende 
Vorsprung  ist  von  einem  sehr  dichten  Blutcapillarnetz  durchzogen. 

§.  235. 

Das  Innere  des  iiäutigen  Labyrinths  beherbergt  ferner  an  gewissen 
Orten  die  Otolithen,  welche  niemals  fehlen  und  von  sehr  mannich- 
facher  Gestalt  und  Grösse  sind.  Die  der  Säuger  und  Vögel  zeigen 
sich  unter  der  Form  kleiner  Krystalle ,  jene  der  Amphibien  sind 
durchschnittlich  grösser ,  wobei  wieder  z.  B.  die  Ohrkrystalle  des 
Landsalamanders  in  ihren  entwickeltsten  Formen  die  der  Frösche  an 
Grösse  übertreffen  ;  die  Ohrkrystalle  der  Landschildkröte  stellen,  voll- 
kommen ausgeprägt,  geschichtete  citronenförnn"ge  Körper  dar.  Bei 
den  Selachiern  sieht  man  punktförmige  Otolithen  ,  dann  grössere 
citronenf()rmige  Körper,  auch  Kalkdrusen  oder  zusammengeballte 
Khimpen.  Es  können  hei  einer  und  derselben  Art  verschiedene 
i'oinion  vorkommen,  man  findet  z.  B.  in  Hcymnus  lichia,  als  die  vor- 


Gehörsteine.  271 

Fig.   142. 


Einige  Formen  von  Otolithen. 
a  von  Scymnus  lichia,    b  von  Raja  batis.     (Starke  Vergr.) 

herrschendste  Form,  viereckige  Plättchen,  welche,  aufeinander  ge- 
schichtet ,  grosse  quadratische  Körper  bilden ,  daneben  sind  runde, 
schalige  Otolithen  und  endlich  Drusen  mit  spiessigen  Krystallen.  Bei 
den  Rochen  ist  die  gewöhnlichste  Gestalt  der  Otolithen  citronenförmig, 
es  giebt  aber  auch  grössere  maulbeerförmige  Klumpen.  Nach  Behandlung 
der  citronenförmigen  mit  Essigsäure  schwand  der  Kalk  und  es  blieb 
eine  rundliche  Zelle  mit  deutlichem  Kern  zurück.  Auch  die  runden 
geschichteten  Otolithen  der  Clmaaera  lassen  unter  denselben  Um- 
ständen nach  Lösung  des  Kalkes  eine  helle,  organische  Masse  zurück 
von  denselben  Umrissen  und  ebenso  geschichtet,  wie  der  unverletzte 
Hörstein,  Etwas  eigenthümlich  nehmen  sich  die  organischen  Reste 
der  Ohrkrystalle  von  Vögeln  aus,  wie  ich  wenigstens  beim  Auerhahn 
sah,  dessen  Gehörorgan  ich  einige  Tage  in  doppeltchromsaurem  Kali 
hatte   liegen  lassen.      Sie    boten  eine  mir  nicht  recht  verständlich  ge- 

Fig.   143. 


Die  Otolithen  des  Auerhahnes,   nachdem  die  Schnecke  zwei  Tage  in  doppelt- 
chromsaurem Kali  gelegen  hatte.     (Starke  Vergr.) 

wordene  Zeichnung  an  den  beiden  Polen  dar,  die  sich  in's  Innere 
zog,  ausserdem  waren  sie  hell,  glatt,  ohne  Kern;  vergl.  hierzu  bei- 
stehende Figur,  Die  grössten  Otolithen,  porzellanartig,  am  Rande 
häufig  gezähnelt,  finden  sich  bei  Knochenfischen.  —  Es  wird  ange- 
geben, dass  bei  den  Cyklostomen  allein  unter  den  Wirbelthieren  die 
Hörsteine  mangeln.  Mir  scheinen  diese  Thiere  keine  Ausnahme  zu 
machen  ,  denn  man  beobachtet  bei  Petromyzon  Planen  grössere 
Conglomerate ,  die  aus  kleinen  runden  Kalkpartikeln  zusammenge- 
baclven  sind  und  ausserdem  noch  zerstreut  eine  Menge  solch  winziger 
Otolithen,  welche  die  „Kalkmilch"  vorstellen,     Kuc\v  Max  Schnitze^ 


272  Vom  Gehöi'organ  der  Wirbelthiere. 

welcher  die  Entwicklung  desselben  Petromyzon  verfolgt  hat,  spricht 
ebenfalls  von  den  „Kalkkugeln"  und  „Otolithen"  des  Embryo  und 
jungen  Thieres  (Sitzgsber.  d.  naturf.  Ges.  z.  HallC;  Sitz.  v.  12.  Mai  1855). 

Die  helle,  klare  Endolymphe  des  Labyrinths  hat  mitunter  bei 
Fischen  dieselbe  Consistenz,  wie  die  gleiche  Ausfüllungsmasse  in  den 
s.  g.  Schleimkanälen,  ja  kann  selbst  wie  dort  den  Charakter  einer 
festen  Gallerte  annehmen. 

§.  236. 

Vom  histologischen  Bau  der  Schnecke  der  Säuger  war  oben 
die  Rede,  ich  habe  meine  Untersuchungen  auch  auf  die  der  Vögel 
und  Reptilien  ausgedehnt.  Unter  den  Vögeln  wurde  namentlich 
die  Taube,  nebenbei  auch  die  Schnepfe,  Auerhahn  und  Kanarienvogel 
in  Betracht  gezogen,  doch  stützen  sich  aus  naheliegenden  Grühden 
die  folgenden  Mittheilungen  vorzüglich  auf  die  Zergliederung  der 
Taube. 

Was  man  mit  freiem  Auge  und  geringen  Vergrösserungen  an  der 
Schnecke  der  Vögel  ermitteln  kann,  haben  vor  längerer  Zeit  Windisch- 
mann  (1831)  und  liuschke  (1835)  im  Allgemeinen  richtig  be- 
schrieben. Der  Knorp  elrahmen,  welcher  an  den  genannten  Vögeln 
einen  vollständigen  Ring  bildet  und,  an  dem  unteren  Ende  sich  ver- 
breiternd und  pantoftelartig  aushöhlend,  die  Grundlage  der  s.  g.  Lagena 
herstellt,  zeigt  interessante  Eigeuthümlichkeiten ;  im  ganz  frischen  Zu- 
stande desselben  erblickt  man  eine  streifig-faltige  Zeichnung  in  der 
Grundsubstanz ,  die  Zellen  dazwischen  sind  ziemlich  zahlreich  und, 
wie  schärferes  Zusehen  belehrt,  sie  sind  deutlich  verästelt.  Setzt  man 
Kalilauge  hinzu,  so  wird  die  Intercellularmasse  homogen  und  giebt 
jetzt  das  Bild  eines  Hyalinknorpels ;  ferner  erscheint  der  Knorpcl- 
rahmen  von  zahlreichen  Blutgefässen  durchzogen,  deren  Ver- 
zweigung man  sich  mühelos  und  übersichtlich  durch  Abpinselung  des 
ganzen  Rahmens  und  Behandlung  mit  Kalilauge  vorführen  kann.  Ich 
sehe  an  jeden  Schenkel  des  Rahmens  (bei  der  Schnepfe)  ein  Stamm- 
gefäss  herantreten,  das,  in  ^Xcn  Knorpel  eingedi'ungen,  sich  zunächst 
in  mehre  Längsgefässe  auflöst,  die  wieder  in  ein  kleineres  Maschennetz 
zerfallen  [Windiscinnann  giebt  von  der  Henne  eine  etwas  andere 
Vei'zwcigung) ;  eine  schöne  Ausstrahlung  von  Blutgefässen  macht  sich 
auch  im  verbreiterten  Knorpel  dei'  Lacjena  bcmerklich. 

In  dem  länglichen  Zwischenräume,  der  zwischen  den  beideji 
Schenkeln  des  Knorpcirahmens  bleibt,  ist  ein  zartes  Häutchen 
ausgcspunnt,  das  bei  der  J^'äparation  fast  immer  an  der  einen  Seite 
sich  loslöst.  Dieses  Häutchen  hat  die  Beschaff^"cnheit  f^Qx  Zona  itectinata 
dei-  Säuger;  es  ist  gcfässlos,  fein  gestreift,  die  rundlichen  Kerne, 
welche  man  auf  seinei"  ( )bei'Häche  sieht,  scheinen  einem  andei'cn,  nocli 
viel  zarteren  lläulchen  anzugehören,  welches  der  gestreiften  Lamelle 
diclit  uuHiegt.  (Auch  an  der  Zona  pectinnta  einer  jungen  Katze  liabe 
icli  dasselbe  bemerkt.)     Wo  nun  die  gedachte  sti'ciHge  Haut  an  jenen 


Schnecke. 
Fig.   144. 


273 


Schnecke  der  Taube,  massig  vergrössert. 

a  a  die  beiden  Knorpelrahmen,  b  die  Lagena,  c  die  Spiralplatte,  d  die  Nerven- 

entfaltuug,  e  Otolithenmasse,   f  die  gefässhaltige  Decke  über  der  Vorhofsfläche 

des  Knorpelrahmens  und  der  Spiralplatte. 

Sclienkel  des  Rahmens  angrenzt,  finden  sich  eigenthümliche 
zellige  Gebilde  von  zweierlei  Art.  Die  einen  sind  ganz  analoge 
Stachelzellen,  wie  sie  von  den  Ampullen  der  Vögel  und  der  Schnecke 
der  Säuger  schon  erwähnt  wurden :  blasse ,  rundliche  oder  kurz- 
cylindrische  Zellen,  welche  dem  ersten  Anblick  nach  in  einen  spitzen 
Fortsatz  sich  verlängern,  in  Wahrheit  aber  erhebt  sich  auf  der  Zelle 
eine  dünne  Membran,  die  eben  im  Profil  wie  eine  dicke  Borste  sich 
ausnimmt.  Man  denkt  unwillkürlich  an  undulirende  Membranen, 
allein  ich  konnte  (die  Theile  aus  dem  noch  warmen  Thier  genommen 
und  mit  Humor  aqueus  befeuchtet)  keine  Spur  einer  Bewegung  er- 
blicken. An  Wimpercilien  wird  man  ferner  noch  dadurch  erinnert, 
dass    nach    eintägigem    Aufenthalt    in    doppeltchromsaurem   Kali    der 

Ivoydig,   Histologie.  \^ 


274  Vom  Gehörorgan  der  Wirbelthiere. 

membran artige  Anhang  der  Zelle  deutlicli  in  3  —  4  Einzelhaare  sich 
zerspalten  zeigt  (vgl,  Fig.  141,  d).  Solche  Zellen  kleiden  auch  die  Lagena 
aus.  Die  anderen,  zwischen  den  beiden  Schenkeln  des  Knorpelrahmens 
vorkommenden  zelligen  Gebilde  sind  die  zartesten  Theile  des  Gehör- 
organes,  denn  während  noch  alle  anderen  Bildungen  verhältnissmässig 
wohl  erhalten  zugegen  sein  können,  sind  dieselben  oft  schon  ganz 
unkenntlich  geworden,  und  ich  bin  auch  trotz  aller  Mühe  nicht  ins 
Reine  mit  ihnen  gekommen.  In  ganz  frischem  Zustande  (unter  Zucker- 
wasser und  mit  Vermeidung  eines  Deckglases  untersucht)  präsentiren 
sie  sich  wie  äusserst  blasse,  gallertige,  cyhndrische  Zellen  und  an 
Chromsäurepräparaten  heben  sie  sich  gerne  im  Zusammenhang  als 
hautartige  Lage  ab,  wo  alsdann  auf  der  Fläche  der  Haut  anscheinend 
helle  Lücken  zwischen  den,  die  Haut  zusammensetzenden  Theilen  ge- 
sehen werden. 

Der  S  c  h n  e  c  k  e n  n  e  r  V  tritt  an  den  einen  Schenkel  des  Knorpel- 
rahmens heran,  um  in  ihm,  sowie  in  der  Lagena  zu  enden;  bei  den 
Säugethieren  blieb  es  mir  unklar,  ob  der  Nervus  cochlearis  die  Lamina 
S])iralis  ossea  verlässt ;  hier  bei  den  Vögeln  geht  er  gewiss  nicht  über 
das  Knorpelstratum  hinaus,  sondern  nachdem  er  in  reiche  Plexus  sich 
entfaltet  hat,  gelangen  die  blass  und  fein  gewordenen  Fibrillen  an  den 
homogenen  dünnen  Rand  des  Knorpels,  an  den  die  gestreifte  Lamelle 
sich  ansetzt,  und  die  Fasern  laufen  äusserst  zart  aus,  nachdem  sie 
kurz  zuvor  eine  kleine  Anschwellung  entwickelt  haben,  die  ich  auf 
eine  winzige  Ganglienkugel  beziehen  möchte. 

Ueber  den  Knorpclrahmen  und  die  dazwischen  gespannte  Haut 
samint  den  eigenthümlichen  zelligen  Körpern  wölbt  sich ,  ein  Dach 
bildend,  eine  Haut,  die  Windischmann  Membrana  vasculosa 
nennt.  Sie  erscheint  in  zahlreiche  Querfalten  gelegt  und  besteht  aus 
einem  zarten  bindegewebigen,  die  Gefässe  tragenden  Stratum  und  einem 
Epithel  (die  J/aferm^^^</yf;o5a  bei  Wüidischmann),  das  Aehnlichkeit  mit 
dem  der  Plexus  choroidei  des  Gehirns  hat:  die  Zellen  haben  einen  dichten 
gelbk">r]iigen  Inhalt,  auch  mitunter  einige  grössere  Fetttropfen.  Die 
Blutgefässe  dieser  Haut  stehen  deutlich  mit  denen  der  Knorpelrahmen 
in  Anastomose,  und  namentlich  ist  hervorzuheben,  dass  an  der  Spitze 
der  von  Iln.schke  entdeckten  Zäime  des  die  Nervenendigungen  ein- 
schliessenden  Knorpelschenkels  je  ein  Gefäss  heraus-  und  in  die  Mem- 
brana vasculosa  übertritt. 

Die  Otolitlicn  in  der  Lagena  bilden  keineswegs  einen  unregel- 
mässig zusammengeschobenen  Haufen,  sondern,  wie  die  Fig.  144,  e  zeigt, 
einen  bandartigen  gekrünnnten  Streifen. 

Vergleicht  man  den  mikroskopischen  Befund  der  Schnecke  der 
Vögel  mit  dem  von  den  Säugern  gemeldeten,  so  scheint  nn'r  eine 
grosse  Analogie  unverkennbar  zu  sein.  Die  Zähne  am  Rand  des 
einen  Knorpclschenkels  etwas  nach  rückwärts  von  den  Nervenenden 
könneii  den  „Zähnen  erster  Reihe"  in  der  Schnecke  der  Säuger  gleich- 


Schnecke. 


275 


OL 


Fig.   145. 


B 


A  Vorlioffläche  der  Spiralplatte  sanimt  Knorpelrahmen  der  Taube. 
B    Die    Spiral jalatte    und    Knorpel    im    senkrechten    Schnitt. 
a  die  Zähne  des  inneren  Knorpels,  b  die  Endplexus  des  Schneckennerven ,    c  Zona 
pectinata,    d  die  gallertigen  Zellen ,    e  die  Stachelzellen  (beide  zusammen  das  Ana- 
logen des  Corti'schen  Organs),    f  die  Membrana  vasculosa. 

gesetzt  werden ,  die  gallertigen  Zellen  entsprechen  vielleicht  den 
schlangenf(innig-  gekrümmten  Zellen,  und  die  mit  dem  membranartigen 
Anhang  sind  'dieselben,  wie  sie  oben  von  Säugern  beschrieben  wurden. 
Das  Dach,  welches  die  Membrana  vasculosa  erzeugt,  findet  sein 
Aequivalent  in  der  schon  von  üorti  gekannten  Membran ,  welche 
die  Hahenula  denticulata  bedeckt. 

§.  237. 
Die  Schnecke  der  Lacerta  agilis  ist  wegen  ihrer  Kleinheit  be- 
züglich des  topographischen  Verhaltens  der  sie  zusammensetzenden 
Theile  sehr  schwer  zu  untersuchen  und  nur  die  Annahme,  dass  bisher 
ausser  der  von  Windischinann  gelieferten  Abbildung  (aus  Lacerta 
ocellata)  keine  andere  bildliche  Darstellung  existirt ,  bestimmt  mich 
zm-  Mittheilung  der  Figur  146.  Die  Schnecke  hat  einen  inneren,  einen 
ovalen  Ring  bildenden,  gelbhchen  Knorpelrahmen,  der,  wie  bei 
den  Vögeln,  von  Blutgefässen  durchzogen  wird,  dazwischen  ist  auch 
eine  gestreifte  Zona  ausgespannt,  aber,  wie  es  mir  vorkam,  nicht 
geschlossen,  sondern  durchbrochen,  und  da  der  Knorpelring  einfach 
quer  gestellt  scheint,  so  würde  der  vor  dem  Rahmen  liegende  Hohl- 
raum mit  dem  hinter  ihm  befindlichen  durch  die  Oeff'nung  der  ge- 
sti-eiften    Lamelle    communiziren.      Das    Epithel    der    Lagena,    welch' 

18* 


:76 


Vom  Gehörorgan  der  Wirbeltliiere. 


Fig.    146. 


Schnecke  von  Lacerta  agilis. 
a  der  Knorpelrahmen,    b  die  Lagena  mit  der  Otolithenmasse,    c  der  Nerv 

letztere  mit  Otolithenmasse  angefüllt  ist ,  hat  einen  körnigen  Inhalt 
und,  ^Yie  ich  zu  sehen  glaube,  auch  kurze  Stachelfortsätze;  in  der 
Nähe  des  Knorpelrahmens  ist  es  ebenfalls  von  granulärem  Inhalt,  doch 
anders  als  in  der  Lagena,  an  der  übrigen  Wand  der  Schnecke  hat  es 
eine  zarte  blasse  Beschaffenheit.  Die  Fasern  des  Nervus  cochlearis 
gehen  in  zwei  ITauptstämme  auseinander,  nachdem  sie  durch  bipolare 
Ganglienkugeln  unterbrochen  wurden;  ein  Stamm  geht  zur  Lagena 
und  einer  zum  Knorpelrahmen,  wobei  er  sich  gabelnd  um  den  einen 
Bogen  lierumkrünunt.  A^  o  und  wie  die  Endigung  dieser  Fasern  statt- 
hat, ist  mir  ganz  unbekannt  geblieben. 

Da  man  bisher  den  Batrachiern  eine  Schnecke  ganz  abspricht, 
so  kann  ich  nicht  unerwähjit  lassen,  dass  ich  auch  bei  Bann  und 
Bombinator  eine,  eiilem  Knorpelrahmen  analoge  Bildung  wahrnahm, 
auf  welche  ich  die  Aufmerksamkeit  hiermit  gelenkt  wissen  möchte. 

§.  238. 

Im  Iliickblick  auf  den  Nervus  acustlcus  sei  noch  bemerkt,  dass  er 
bei  allen  Wiiliclthieren  bipolare  Ganglienzellen  in  seinem  Stamm  hat; 


Vom  Ohr  der   Wirbelloseu.  277 

weiterhin,  im  Labyrinth  angehängt,  formirt  er  Plexus^  die  Fibrillen 
theilen  sich  auch  wohl  (am  Frosch,  Stör  und  Chimaera  beobachtet), 
cndhcli  werden  die  Fasern  blass,  verschraächtigen  sich  bedeutend  und 
hören  zuletzt  wahrscheinlich  allgemein  mit  terminal  aufsitzenden 
Ganglienzellen  auf,  jedoch  so,  dass  die  Zelle  sich  noch  in  eine  feine 
Endspitze  faserartig  auszieht. 

Es  wurde  früher  vielfach  beschrieben  und  abgebildet,  wie  die  Fasern  des 
Hörnerven  in  doppelt  conturirten  Ter minalschlingen  enden  sollten.  Im  Gegen- 
satz hierzu  habe  ich  in  meinen  verschiedenen  Mittheilungen  über  die  Histologie 
der  Fische  immer  ausdrücklich  hervorgehoben ,  dass  die  Nervenfibrillen  da  nicht 
enden ,  wo  die  scheinbaren  Schlingen  sind ,  sondern  dass  sie  darüber  hinaus  sich 
als  feine  blasse  Fasern  fortsetzen ,  deren  eigentliches  Ende  ich  mir  nie  vorführen 
konnte.  R.  Wa(/ner  hat  gezeigt,  dass  die  letzten  Endfäserchen  des  Acusticus  sich 
in  Anhäufungen  von  Ganglienkugeln  verlieren,  welche  an  den  Enden  der  Fäserchen, 
wie  Birnen  an  ihren  Stielen  sitzen  (Götting.  Nachr.  1853).  Mir  scheint  nach  Unter- 
suchungen, welche  neueren  Datums  sind,  als  die  oben  §.  184  erwähnten,  dass  noch 
jenseits   der  terminalen  Ganglienkugel  ein  faseriger  Ausläufer  vorhanden  sei. 

Die  Untersuchung  der  Schnecke  der  Vögel  und  der  unteren  Wirbelthier- 
klassen,  namentlich  wenn  es  sich  um  die  Lagerung  der  Elementartheile  handelt,  ist 
sehr  misslich  und  Avürde  einen  grossen  Aufwand  von  Zeit  und  Mühe  erfordern. 
Von  der  Spiralplatte  der  Vogelschnecke  meldet  Claudius  (a.  a.  O.) ,  dass  er  bis 
jetzt  von  einem  Corti'schen  Organ  noch  keine  Andeutung  gesehen  habe,  welche  An- 
gabe durch  die  obigen  Mittheilungen  in  etwas  berichtigt  sein  dürfte. 


Dreiiuidzwanzigster  Abschnitt. 
Vom  Ohr  der  Wh'bellosen. 

§.  239. 
Das    Gehörorgan   der  Würmer   und  Mollusken   hat   die   Con- 


Olii 


striiktion  einer  Blase  mit  eingeschlossenen  Otolithen  und  sitzt  entweder  weioiiti.ieie. 
den  Nervencentren  auf  oder  ist  am  Ende  von  eigenen  Hörnerven  an- 
gebracht. Hat  das  Organ  eine  solche  Grösse  erreicht,  um  weiter  ana- 
lysirt  werden  zu  können,  so  unterscheidet  man  als  Theile,  welche  in 
den  Bau  der  Ohrblase  eingehen :  Bindesubstanz,  Epithelzellen,  flüssige 
Ausfülliingsmasse  und  die  Otolithen.  Die  Bindesubstanz  bildet  das 
Gerüst  des  Organes ,  sie  ist  bei  Cijclas  cornea'  geschichtet  und  hat 
concentrisch  gelagerte  Kerne,  nach  innen  zu  geht  sie  wahrscheinlich 
allgemein   in    einen   festeren    Grenzsaum,    man  könnte  sagen,    in  eine  * 

Tunica  propria  aus.  Bei  Paludina  vivipara  ist  das  äussere  lockere 
Bindegewebe  der  Ohrblase  aus  grossen  hellen  Zellen  zusammengesetzt, 
wie  sie  auch  sonst  in  diesem  Thiere  einen  guten  Theil  des  Binde- 
gewebes ausmachen;  in  manchen  dieser  Zellen  ist  Kalk  abgelagert, 
auch  ist  diese  Umhüllungsschicht  bei  manchen  Individuen  mit  schwarzem 

Pigment  besprengt.     (Aehnliche  Pigmentirung  bei  Cymbulia.).  —  Das 

4%-         ^, 


■278 


Vom  Ohr  der  Wirbellosen. 


Fig.   U7. 


%;. 


Gehörorgan    von    Cyclas    cornea   nach  Essigsäurebehandliing   und   bei  starker 

Vergrösseriing. 

a  die  bindegewebige  Hülle,    b  deren  scharfe  Grenze    nach   innen  (Tunica  propria), 

c  Flimmerzellen,  d  Rand  des  Ganglions,  welchem  das  Gehörorgan  aufsitzt. 

Epithel,  welches  die  Innenfläche  der  Ohrblase  überzieht,  besteht 
entweder  aus  kleinen  Zellen  [Paludina  vivip.  z.  B.),  oder  die  Zellen 
sind  gross,  breit  mit  feinem,  blasskörnigem  Inhalt  (z.  B.  Cyclas,  Helix, 
Anci/lus)',  in  anderen  Arten  haben  sie  eine  cylindrische  Gestalt/  so 
stellen  sie  z.  B.  bei  ünio,  Anodonta  lange,  schmale  Zeilen  vor,  mit 
gelbkörnigem  Inhalt  gefüllt.  Bei  Carinaria^  Pterotracliea,  Firola  er- 
scheint die  Mehrzahl  der  Zellen  platt  oder  springt  nur  wenig  in  den 
Hohlraum  der  Blase  vor,  andere  ragen  papillenartig  in's  Innere  des 
Ohres  hinein.  Die  Epithelzellen  Scheinen  ferner  entweder  cilienlos  zu 
sein  (ich  konnte  wenigstens  bei  Paludina  keine  bemerken)  oder,  was 
häufiger  der  Fall  ist,  sie  sind  mit  Wimperhaaren  versehen,  und  diese 
scheiden  sich  wieder  in  sehr  feine  (so  bei  Cyclas,  den  Najaden,  den 
Gasteropoden)  und  in  dicke,  borstenartige,  wie  sie  bei  den  Heteropoden 
vorkommen ;  bei  Atlanta  geht  jede  Zelle  in  einige  lange,  starre  Cilien 
aus,   bei  Carinaria,   Pterotrachea,    Firola  tragen  nur  die  pajiillenartig 

Fig.  148. 


Gehörorgan  von  Unio.     (Starke  Vergr.)  ^ 

a  der  Nerv,    b  l)indegewebige  Membran  der  Ohrblasc,    c  die  Flimmerzellen,      ^ 

d  der  Otolith.  . 


Mollusken. 


279 


vorspringenden  Zellen  die  Wimperbüschel.   —    Das  Epithel  der  Ohr- 
blase von  Cephalopoden  wimpert  g-leichfalls. 

§.  240. 
In  der  Flüssigkeit,  welche  die  Ohrblase  prall  erhält,  schweben 
die  Otolithen.  Die  Heteropoden,  Acephalen  und  Turbellarien  haben 
einen  einzigen  Hörstein,  eine  grössere  oder  kleinere  glashelle  oder 
leicht  gelbliche  Kugel,  aus  Kalksalzen  und  einer  organischen  Grund- 
lage bestehend.  Der  Otolith  ist  gewöhnlich  concentrisch  gestreift, 
ausserdem  auch  noch  mitunter  mit  radiären  Strichen  versehen.  Der 
einfache  Otolith  einiger  Turbellarien  (der  Arten  von  Monocelis)  hat 
noch  zwei  seitlich  ansitzende  Höcker.  Die  Ohrblase  der  Quallen  (?), 
der  Anneliden  (Aremcola,  Amphicora),  der  Gasteropoden  und  Ptero- 
poden  umschliesst  zahlreiche  kleine  Ohrkrystalle  (bei  CymhuUa  ein 
maulbeerförmiges  Häufchen  von  Kallcconcretionen).  Bei  den  Cephalo- 
poden sind  die  Kalkprismen  zu  einem  einzigen  Otolithen  verbunden, 
dessen  Conturen  sehr  wechseln  und  meist  einen  Körper  von  unregel- 
mässiger Gestalt  vorstellen. 

Fig.    149. 


-« 


A        / 


a 


f 


Gehörorgan  von  Cariiiaria. 
a  der  Nerv,  b  das  Epithel,  c  die  Papillen  mit  den  Winiperbüscheln,  d  der  Otolith. 

§.  241. 

Sowohl  an  Paludina,  als  auch  am  Ohr  der  Carinaria   suchte  ich 

zu  ermitteln,    wie   der  Hör  nerv   in   der  Ohrblase    endet,   habe   aber 

dabei   nichts   von   spezifischen  Elementartheilen   bemerkt.      Der   Nerv 

hat  ein  homogenes  Neurilem,    das   unmittelbar   in    die   äussere  binde- 


280  Vom  Ohr  der  Wirbellosen. 

gewebige  Haut  der  Ohrblase  übergeht,  der  Inhalt  des  Sehnerven  ist 
eine  feinstreifige  Substanz ,  und  stellt  man  bei  passender  Lage  des 
Objektes  den  Fokus  gerade  auf  das  innere  Ende  des  Nerven  inner- 
halb der  Ohrblase  ein,  so  sieht  man  nichts  weiter,  als  dass  er  sich 
feinpulverig  auflöst.  Qegenhaur  war  nicht  glücklicher,  doch  bemerkt 
er,  dass  das  feinkörnige  Ende  des  Nerven  in  das  Lumen  der  Blase 
eine  Hervorragung  bildet,  was  auch  auf  der  von  mir  früher  gelieferten 
Zeichnung  ersichtlich  ist.  —  Endlich  ist  noch  des  Vorkommens  von 
muskulösen  Elementen  am  Gehörorgan  zu  erwähnen.  Bei  Palu- 
dina  vivip.  lösen  sich  von  der  Muskulatur  des  Fusses  mehre  Bündel 
ab ,  welche  in  einem  Geflecht  die  Ohrkapsel  überziehen  und  nach 
Leuchart  treten  auch  an  das  Gehörorgan  der  Firola  Muskelfäden. 

§.  242. 
Ohr  Aus  der  grossen  Abtheilung  der   Arthropoden   keimt  man  bis 

lei  Krebse,  jp^^^  bloss  cin  Gcliörorgan  bei  einer  Anzahl  von  Krebsen  und  einigen 
wenigen    Lisektengattungen.      Das    Ohr    der    Krebse    liegt   in    der 
*  Regel  im  Basalgliede  der  Innern  Antennen  und  erscheint  entweder  als 

eine  blasenförmige  Einstülpung  der  Haut  der  Antennen  nach  Innen,  so 
dass  die  Ohrblase  durch  eine  spaltförmigc  Oeffnung  mit  der  Aussenwelt 
zusammen  hängt  {Astacus,  Palitmrus,  Paguriis  u.  «.),  oder  die  Ohrblase 
ist  abgeschlossen  {Leucifer,  Mastigoims,  Hippolyte).  Was  den  feinern 
Bau  angeht,  so  scheint  die  Wand  des  Ohrbläschens  nur  eine  homo- 
gene Chitinhaut  (ohne  Epithel)  zu  sein,  die  als  Einstülpung  von  der 
äussern  Haut  her  auch  bei  Offenbleiben  des  Gehörraumes  einen 
Haarbesatz  haben  kann,  wie  es  auch  sonst  an  viele  Stellen  des  Haut- 
skelets  sich  findet  {Astacus  z.  B.).  Der  Otolith  ist  in  den  völlig 
geschlossenen    Ohrbläschen    ein    einziger    hügliger    Körper,    glashcll, 

^  ohne  concentrische  und  radiäre  Streifung,  so  \)q'\  Mastigopus'^  hei  Hi/)- 

polyte  ist  die  Oberfläche  des  Otolithen  nicht  glatt,  sondern  von  zahl- 
reichen sich  durchkreuzenden  Furchen  durchzogen,  die  als  dünne 
^  Risse,  bis  weit  in  die  Substanz  des  Otolithen  hineindringen.  Da  der 
Otolith  leicht  durch  Druck  in  einen  Haufen  grösserer  und  kleinerer 
Concretionen  auseinander  weicht,  so  bildet  ein  solches  Verhalten  ge- 
wissermaassen  den  Uebcrgang  zu  den  Hörsteinen  der  offenen  Gehör- 
blasen, welche  gewöhnlich  einen  Haufen  kleinerer  Kalkkcirper  vor- 
stellen. Ueber  den  an  das  tjchörorgan  vom  Gehirn  herantretenden 
Nerven  liegen  noch  keine  liistologischen  Mittheilungen  vor.*) 


*)  Ueber  das  „Ohr"  des  Flusskrebses  ,(im  Basalglied  der  Antennen)  Hessen 
sich  histologischcrseits  fast  Bedenken  aussprechen.  Es  ist  mir  bis  jetzt  nicht  ge- 
lungen, etwas  von  spezifischen  Elcmentartlicilen  zu  erblicken ;  die  Höhle  wird  von 
einer  gewöhnlichen  porenhaltigcn  Chitinliaut  begrenzt  und  die  sog.  Otolithen 
machen  doch  ganz  den  Eindruck  von  Steiuchen,  die  von  aussen  hereingekommen 
sind.  Zudem  sieht  mau  zugleich  mit  ihnen  in  der  „Ohrliühle"  allerlei  anderen 
Detritus,  Panzer  von  Bacilhirien,  Navicularien  etc. 


Arthropoden. 


281 


§.  243. 
Nach  einem  andern  Typus  als  das  Ohr  der  übrigen  Wirbellosen 
ist  das  Gehörorgan  der  Heuschrecken  und  Grillen  gebaut ,  die 
einzigen  Insekten,  von  deren  Olu'  wir  niit  Sicherheit  wissen.  Bei 
den  Acrididen  liegt  das  Gehörorgan  im  hintren  Theil  des  Thorax  zu 
beiden  Seiten  über  dem  Ursprung  des  letzten  Fusspaares.  Hier 
bildet  die  äussere  Haut  einen  festen  Ring  in  den  eine  trommel- 
fell  ähnliche  Membran  eingespannt  ist^  beide  sind  demnach  chi- 
tinisirte  Bindesubstanz.  An  der  Innenseite  des  Trommelfells  er- 
heben sich  ein  paar  Vorsprünge  von  characteristischer  Form.  Ein 
oberer  kleinerer  ist  ein  dreieckiger  Knopf  mit  der  Spitze  nach  unten 
gekehrt.  Er  hat  ein  von  zahlreichen  Porenkanälen  punktirtes  und 
gestricheltes  Aussehen.  Der  untere  grössere  Vorsprung  ist  eine  Art 
winklig  eingebogene  Querspange ,  deren  einer  Arm  dünn  beginnt, 
und  indem  er  sich  nach  innen  stärker  emporwölbt  und  zahlreiche  feine 
und  weite  Porenkanäl  besitzt,  formt  er  einen  dicken  Wulst,  zu  dessen 
Bildung  übrigens  auch  der  andere  Arm  der  Spange,  welcher  breit 
und  rinnenförmig  ausgehöhlt  ist,  das  seim'ge  beiträgt.  Dieser  mittlere 
Vereinigungshöcker  hat  bienenwabenälmliche  Räume,  von  denen  ein 
Theil  geschlossen  und  mit  Luft  getüUt  ist,  ein  anderer  Theil  frei 
nach  innen  sich  öffnet.  Der  Nervus  acusticus,  welcher  aus  dem 
dritten  Brustganglion  entsprungen  ist,  schwillt,  indem  er  sich  dem 
Knopf  des  spangenartigen  A'orsprunges  genähert  hat,  in  ein  Gang- 
lion an,  das  (bei  Acridium  coerulescens)  etwas  pigmentirt  ist.  Hörnerv 
und  Ganglion  haben  eine  homogene  mit  einzelnen  Kernen  ausgestat- 
tete Hülle,  der  Inhalt    des  Nerven    ist   eine   molekulare  Substanz ,   in 

Fig.   150. 


Uhr  der 
In-'cKten. 


Das   Gehörorgan    einer   Heuschrecke    (Acridium    coerulescens) 

bei  geringer  Vergrösserung  von  innen  betrachtet. 

a  der  Nervus  acusticus,  welcher   mit  einem  Ganglion  endet;    b,  c,  d  drei  Hornvor- 

sprünge  an  der  Innenfläche  des  Trommelfells  e,    wo  der  Ausatz  und  die  Endigung 

des  Hörnerven  Statt  hat ;    f  der  hornige  Rahmen  des  Trommelfells. 


28-2 


Vom  Ohr  der  Wirbellosen. 


welclier  innerhalb  des  Ganglions  kleine  und  grössere  Blasen  von  hel- 
lem Aussehen,  sowie  echte  Kerne  liegen,  letztere  besonders  da,  wo 
die  Pigmentirung  des  Ganglions  aufhört.  Das  vordere  ungefärbte 
Ende  des  Ganglions  bietet  einen  sehr  bemerkenswerthen  Bau  dar. 

Es  nimmt  nämlich,  wenn  auch  in  den  zartesten  Linien,  das  Aus- 
sehen an,  als  ob  die  Nervenmolekule  in  gewisse  strangartige  Massen 
sich  zusammenfügten,  von  denen  jede,  wie  der  freie  Rand  beweist, 
von  einer  überaus  feinen  Hülle  umgeben  ist.  Im  etwas  kolbig  erwei- 
terten Ende  eines  solchen  Stranges  oder  richtiger  Schlauches  springt 
ein  stäbchenförmiges  Gebilde  ins  Auge,  an  dem  man  ein  vor- 
deres, wie  kappenförmiges  Ende  von  dem  eigentlichen  konischen  Stäb- 
chen unterscheidet.  Das  Stäbchen  scheint  hohl  zu  sein,  da  die  Wand 
nach  innen  einige  Vorsprünge  macht  und  sein  hinteres  Ende  geht 
in  einen  feinen  Stift  aus ,  der  sich  eine  Strecke  weit  in  die  Moleku- 
larmasse zurück  verfolgen  lässt,  bis  er  selber  molekular  zerfallend 
mit  der  umgebenden  Punktmasse  verschmilzt.  Die  Zahl  solcher  Stäb- 
chen mag  gegen  20 — 30  in  einem  Ganglion  betragen  und  die  er- 
wähnten   areolären    Räume    an    der    knopfförmigen  Verdickung   des 

Fig.  151. 


|':.V  '-; 


Das  Giinglion    acusticnm    isolirt  und  bei  starker  Vergrösserung. 
a  der  llürncrv,  b  die  Anschwellung,  znni  Theil  pigmentirt,    c  die  Endigung  des 
Hörnerven,  mit  eigenthümlichen   stabartigen  Gebilden. 
Dergleichen    Stäbchen     noch    mehr    ver gr i^ssert. 
a    von   Acridium,    liegt   innerhalb    eines    feinkörnigen    Ncrvenschlaucbcs;     b    von 
Locusta  viridissima,  auch  hier  erscheint  es  vcrgleiclmngsweise  als  der  Kern  eines 
blasig    erweiterten    Nervenschlauches ;    c   dasselbe    von    oben    angesehen  ,    wo    es 

vierkantig   sich  zeigt. 


Arthropoden.  283 

Trommelfells    dienen   zur   Aufnahme    der   schlaucliigen   Enden  sammt 
Stäbchen  des  Ganglions. 

In  einer  gewissen  Beziehung  zum  Gehörorgan  steht  auch  eine 
grosse  Tracheenblase,  welche  durch  ihren  nach  dem  Trommel- 
fell gekehrten  Tlieil  mit  dem  Trommelfell  selber  bis  auf  die  Stelle, 
wo  das  Ganglion  des  Acusficus  sich  an  den  Hornknopf  anlegt,  mit 
dem  Trommelfell  verwachsen  ist.  Der  Hörnerv  sammt  Anschwellung 
liegt  demnach  zwischen  der  Haut  des  Trommelfells  imd  der  äusseren 
Wand  jener  Tracheenblase;  der  betreffende  Raum  ist  somit  unmittel- 
bare Fortsetzung  der  Leibeshöhle  und  theilt  mit  dieser  auch  den  Be- 
sitz der  weichen,  nicht  chitinisirten  Hautlage,  welche  Kerne  mit  brau- 
nem Pigment  enthält. 

§.  244. 

Das  Gehörorgan  der  Lokustiden  und  Achetiden  ist  in  den 
Vorderschienen  untergebracht,  dicht  an  dem  Kniegelenk.  Die  Haut  bildet 
hier  eine  Höhle,  die  nach  vorn  durch  eine  Art  Trommelfell  geschlossen 
ist,  und  der  Haupttracheenstamm  der  Vorderbeine  erweitert  sich  an 
diesem  Orte  zu  einer  Blase,  an  welcher  das  Ganglion  des  Gehör- 
nerven herabzieht.  Der  histologische  Befund  stimmt  im  WesentHchen 
mit  dem  über  die  Acrididen  Gemeldeten  überein:  die  vorhin  als 
Nervenschläuche  beschriebenen  Abtheilungen  des  Ganglions  gehen  in 
deutliche  Endblasen  aus,  die  in  mehreren  Reihen  neben  einander 
längs  der  Tracheenblase  sich  forterstrecken,  wobei  sie  von  oben  nach 
unten  an  Grösse  abnelmien.  Aus  der  Mitte  von  jeder  Endblase  des 
Nervenschlauches  leuchtet  ein  kolbenförmiges,  vierkantiges  Stäbchen 
hervor,  das  noch  von  einem  hellen  Räume  umschlossen  ist.  Das 
mützenartige  Ende  der  Stäbchen  ist  regelmässig  vierlappig,  im  Ein- 
klang mit  den  vier  Seitenkanten.  In  gleicher  Weise  verhalten  sich  die 
stabförmigen  Elemente  bei  der  Feldgrille  {Acheta  campestrts),  deren 
Gehörganglion  ziemlich  stark  braun  pigmentirt  ist. 

Ueber  den  feinem  Bau  des  Gehörorganes  der  Mollusken  haben  gehandelt 
Leuckart  (zoologisch.  Untersuchimgen,  1854,  Heteropodenj ,  Gegenhaur  (Ptero- 
poden  u.  Heteropoden,  1855),  Leydig  {Paludina,  Ztschr.  f.  w.  Z.  1849,  Carinaria, 
Firola,  ibid.  1851,  Cyclas,  Najaden,  Müll.  Arch.  1855);  über  die  Gehörwerkzeuge 
der  Krebse  s.  Leuchart  im  Arch.  f.  Naturg.  1853,  über  die  der  Insekten  v.  Sie- 
bold, ibid.  1844,  Leydig  in  Müll.  Arch.  1855.  Da  die  Präparation  des  Gehör- 
organs der  Locustiden  nicht  ganz  leicht  ist,  so  füge  ich  nach  neuerdings  gemachter 
Erfahrung  bei,  dass  die  zarten  Spezies  von  Locusta  zu  empfehlen  sind,  um  gedach- 
tes Organ  in  toto  und  verhältnissmässig  gut  übersehen  zu  können.  Man  schnei- 
det das  ganze  Bein  ab  und  betrachtet  es  bei  verschiedener  Lage;  die  Haut  ist 
durchsichtig  genug ,  um  die  wasserklaren  Endblasen  des  Nerven  mit  den  eigen- 
thümlichen  Stäbchen  darin  erkennen  zu  lassen. 

,/..  


.ml^a. 


/iL-.  '    Jüe*^«. 


284  Vom  Nahrungskanal  des  Menschen. 


Mund-   M  nd 
HaclienlM'ilile 


Vieriindzwaiizigster  Abseliiiitt. 

Vom    Nah rungsk anal    des   Men sehen. 

§.  245. 

Die  V  er  d  au  ungs  Werkzeuge  bilden  Plölilen  und  Kanäle, 
welche  als  Einwärtsstülpungen  der  Körperoberfiäche  zu  betrachten 
sind    und    sich   in    Mund   und    Schlund,   Magen   und    Darm   scheiden. 

Die  Wand  der  Mundhöhle  wird  von  einer  Schleimhaut  gebil- 
det, die  ziemlich  dick  und  eine  unmittelbare  Fortsetzung  der  äusseren 
Haut  ist,  daher  wie  diese  aus  einer  unteren  bindegewebigen  Lage 
{Corium  der  Schleimhaut)  und  einer  oberen  zelligen  Schicht  (Epithel) 
besteht. 

Das  b  i  n  d  e  g  e  w  e  b  i  g  e  G r  u  n  d  s  t  r  a  t  u  m,  dem  zahlreiche  elastische 
Netze  eingeflochten  sind  und  die  Gefäss-  und  Nervenausbreitung  der 
Mucosa  in  sich  fasst,  ist  nach  den  verschiedenen  Lokalitäten  abwech- 
send  dünner  oder  dicker.  Die  freie  Fläche  geht  in  Papillen  aus  und 
nach  unten  befestigt  sie  sich  in  verschiebbarer  oder  auch  unbeweg- 
licher Weise  an  die  knöchernen  und  muskulösen  Umgebungen.  —  Die 
Zellen  der  Oberfläche  setzen  ein  geschichtetes  Plattenepithel 
zusammen;  die  untersten  Zellen  sind  länglich  und  senkrecht  auf  das 
Corium  gestellt,  weiter  nach  anssen  nehmen  sie  an  Grösse  zu,  platten 
sich  ab  und  die  obersten  stellen  grosse  etwas  verhornte  Plättchen 
dar  mit  einem  oder  mehreren  Kernen.  Durch  die  Sprach-  und  Kau- 
bewegungen werden  die  äuss ersten  Zellen  immer  abgehoben  und 
schwimmen  frei  in  der  Mundflüssigkeit.  ' 

Die    Mucosa    der    Mundhöhle    enthält    eine    grosse    Anzahl    von 

Priisen.  O 

Schleimdrüsen,  die,  wenn  sie  sich  an  einzelnen  Gegenden  sehr  an- 
sammeln, als  Lippendrüsen,  Backendrüsen,  Gaumendrüsen,  Zungen- 
drüsen beschrieben  werden.  Die  Drüsen  gehören  zu  den  traubigen 
Formen,  ihre  liindegewebige  Tunica 'pro'pria  ist  eine  direkte  Fortsetzung 
des  Coriums  der  Schleindiaut  und  ihre  Sckretionszellen  stehen  in  con- 
tinuirlichem  Zusannncnhang  mit  der  Lpithellage  der  Macofia.  Es  mag 
auch  gleich  hier  mit  erwähnt  werden,  dass  sich  die  Speicheldrüsen 
{Olandula  'parotis ,  Gl.  suhmaxillaris ,  Ol.  suhlingualis)  in  ihrem  Bau 
nicht  wesentlich  von  den  gewöhnlichen  Schleimdrüsen  unterscheiden, 
sondern  nur  massig  entwickelte  .Schleimdrüsen  vorstellen.  Doch  ist 
das  Sekret  der  Gl.  parotis  klar  und  flüssig,  ohne  Schleiinstoif,  während 
dieser  in  den  beiden  anderen  Drüsen  enthalten  ist.  Die  Ausfidu'ungs- 
gänge  der  Schleimdrüsen  bestehen  aus  Bindegewebe  mit  elastischen 
Fasern,  der  Ductus  Wliartonianus  alK'in  soll  auch  glatte  Muskeln  In 
seiner  Wand  haben. 


Mund-  und  Rachenhöhle.  285 

§.  246. 

Noch  kommt  in  der  Mimdliöhle  eine  zweite  Art  von  drüsigen 
Gebilden  vor,  die  sog.  Balgdrüsen  der  Zungenwurzel  und  die  Man- 
deln, welche  einen  ganz  anderen  Bau  und  andere  Bedeutung  als  die 
vorhergehenden  zu  haben  scheinen.  Sie  stehen  nämlich,  morphologisch 
genommen,  Lymphdrüsen  sehr  nahe.  Das  Bindegewebe  der  Schleim- 
haut bildet  geschlossene  Kapseln  oder  Folhkeln,  die  in  grösserer 
(Mandeln)  oder  geringerer  Anzahl  (Balgdrüsen  der  Zungenwurzel)  bei- 
sammen liegen.  Auch  ins  Innere  schickt  die  Kapselwand  ein  zartes 
Fachwerk,  das  die  Blutgefässe  der  Hülle  nach  innen  leitet.  Den  eigent- 
lichen grauweissen  Inhalt  der  Follikel  bilden  kleine  Zellen  und  etwas 
Flüssigkeit.  Diese  Beschreibung  ist  nach  Kölliher,  doch  findet  bereits 
Huxley  die  geschlossenen  Follikeln  an  den  Ausstülpungen  der  Schleim- 
haut nicht,  und  nach  Sappey  müssen  geradezu  fragliche  Drüsen  den 
acinösen  beigezählt  werden.  So  sei  hier  auch  bemerkt,  dass,  wie  ich  sehe, 
die  Tonsillen  der  Vögel  ganz  echte,  offne,  sackförmige  Drüsen  sind, 
die  sich  in  nichts  von  den  übrigen  Schleimdrüschen  der  Mundhöhle  unter- 
scheiden, sondern  nur  sehr  entwickelt  sind  und  dicht  beisammenstehen. 

§.  247. 

Die  Muskulatur  der  Zunge,  deren  Beschreibung  der  descriptiven 
Anatomie  angehört,  ist  quergestreift;  Donders  sah  auch  Theilungen 
der  Bündel  und  nicht  fern  von  der  Spitze  an  den  Zungenrändern  die 
Muskeln  in  die  Basis  der  Papillen  eindringen. 

Der  sog.  Zungenknorpel,  welcher  mitten  im  Organ  eine  nach 
der  Länge  gestellte  Platte  bildet,  besteht  nicht  aus  Knorpel ,  sondern 
aus  dichtem  Bindegewebe.  Auf  dem  Zungenrücken  entwickelt  die 
Schleimhaut  eine  Menge  von  Papillen:  die  Geschmackswärzchen,  zunsen- 
welclie  nach  ihrer  Form  in  fadenförmige  {Papulae  filiformes  s.  conicae) 
in  keulenförmige  {Papulae  fungiformes  s.  clavatae)  und  in  wallförmige 
(P.  circuvtvallatae)  eingetheilt  werden. 

Die  Papillae  filiformes  stehen  in  grösster  Anzahl  an  dem 
vorderen  Theil  des  Rückens  und  an  den  Rändern  der  Zunge;  jener,  der 
Bindesubstanz  der  Schleimhaut  zugehörige  Theil  derselben  ist  konisch 
und  geht  meist  an  der  Spitze  in  Erhabenheiten  oder  kleinere  Papillen 
aus.  üeber  die  ganze  Papille  weg  erstreckt  sich  eine  dicke  Epithellage, 
die  das  Eigenthümliche  darbietet,  dass  sie  sich  am  freien  Ende  der 
Papille  in  zahlreiche,  haarähnliche  Fortsätze  auszieht,  worauf  zuerst 
durch  Todd  und  Bowman  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  worden  ist. 

Die  Papillae  fungiformes  treten,  zwischen  die  fadenförmigen 
Papillen  emgestreut,  in  Abständen  auf,  häufen  sich  jedoch  gQg(^y^  die 
Zungenspitze  zu,  wo  sie  sehr  gedrängt  stehen.  Ihr  bindegewebiger 
Theil  hat  eine  kolbenförmige  Gestalt  und  lässt  noch  auf  der  ganzen 
Oberfläche  kleine  oder  sekundäre  Papillen  abgehen.  Das  Epithel  die- 
ser Papillen  wuchert  nicht  in  haar-  oder  pinselartige  Fortsätze  aus,  son- 
dern hat  die  Beschaffenheit  des  gewöhnlichen  Muudhöhlenepithels. 


Papillen. 


286 


Vom  Nahrungskanal  des  Menschen. 


Fie-.   152. 


Papillen    der   Mundhöhle. 
Die  Papille  links    stellt    eine    Papilla    filiformis    dar;    ihre  Spitze  geht  in  vier 

sekundäre  Papillen  aus,  die  Epithellage  verlängert  sich  in  haarähnliche  Fortsätze. 

Die  Papille  rechts  ist  eine  Papilla    fungiformis    mit  acht  sekundären  Papillen; 

die  Bogenlinie    um    das  Ganze  versinnlicht    die  Grenze    des    nicht  gezeichneten 

Epithels. 

Die  Papulae  circumvallatae  weisen  eine  mittlere,  etwas  ab- 
geflachte und  mit  sekundären  Papillen  besetzte  Paj)illo,  fungiformis 
auf,  die  von  einem  Wall  umzingelt  ist,  welcher  die  einfache  Natur 
der  Schleimhaut  hat. 

In  alle  Papillen  treten  Gefässc  und  Nerven  ein;  es  verästelt 
sich  in  jede  Papille  hinauf  eine  kleine  Arterie,  und  entsendet  schlingcn- 
förmige  Ausbiegungen  in  die  sekundären  Wärzchen,  ein  venöses  Stämm- 
chen führt  das  Blut  wieder  heraus.  Anlangend  die  Nerven ,  so  sind 
die  Papulae  fungi'formes  und  circumvallatae  reichlicher  damit  versorgt 
als  die  Papillae  ßliformes.  Die  Nervenfibrillen,  sich  da  und  dort 
theilend ,  hören  entweder  blos  fein  zugespitzt  auf,  oder  es  kommt  in 
den  Papulae  fungiformes  der  Zungenspitze  zur  Bildung  von  Nerven- 
knäueln oder  Tastkörperchen.  Funke  sah  von  den  Nervenfasern  die 
feinen,  blassen  Ausläufer  zuweilen  in  Büscheln  ausgehen.  Die  drei 
unterschiedenen  Papillenformen  des  Zungenrückens  sind  übrigens  nicht 
so  ganz  scharf  von  einander  abgesetzt,  indem  sich  namentlich  zwischen 
den  Filiforimes  und  den  Faiigif'ormesi  zahlreiche  Ucbergänge  finden, 
ja  mitunter  zeigen  beide  Arten  eine  so  geringe  Ausbildung,  dass  das 
Epithel  glatt  übei'  sie  weggeht  und  die  Zuiigenoberfläche  damit  an 
solchen  Stellen  die  sammtne  Beschaffenheit  einbüsst. 

Aus  dem  anatomischen  Verhalten  ist  der  Schluss  leicht  abzuleiten, 
dass  die  physiologischen  Leistungen  kaum  bei  allen  Wärzchen  die 
gleichen    sein    können.     Die    Papillae  fungiformes   darf   man   als    die 


Zähne. 


287 


eigentlicLen  Geschmacksorgcane  ansprechen,  sie  sind  auch  mit  feinem 
Tastgefühl  aasgestattet,  welch  beide  Eigenschaften  wohl  nur  in  weit 
geringerem  Grade  den  Filiformes  beigelegt  werden  können;  man  ist 
sogar  geneigt,  den  letzteren  bloss  eine  mechanische  Bedeutung  für  die 
Fortbewegung  und  das  Festhalten  der  Speisetheilchen    zuzuschreiben. 

§.  248. 
Die  Schleimhaut,    welche    die  Alveolarfortsätze    der  Kiefer   über- 
zieht,   erhebt  sich  in  grosse  Papillen,    die  der  Hauptmasse  nach  ver- 
knöchern und  auf  solche  Art  zu  den  Zähnen  geworden  sind. 

Fig.  153. 


'^ 


A 


Durchschnitt  eines  Backenzahnes, 
a  die  Höhle  für  die  Zahnpulpe,  b  das  Zahnbein,    c  der  Schmelz,    d  das  Cement. 

Man  unterscheidet  an  jedem  Zahn  die  Krone  oder  den  freien 
Theil  und  die  Wurzel  oder  den  in  der  Alveole  steckenden  Abschnitt. 
Die  zwischen  beiden  Hegende  und  blos  vom  Zahnfleisch  umfasste  Par- 
tie wird  Hals  oder  Körper  genannt.  Im  Innern  der  Zähne  findet 
sich  eine  Höhle,  die  sich  nach  unten  bei  einwurzeligen  Zähnen  in 
einen  einfachen  Kanal,  bei  den  Zähnen  mit  zwei-  bis  vierfacher  Wur- 
zel in  ebenso  viele  Ganales  dentales  fortsetzt,  welche  an  der  Spitze 
der  Wurzel  mit  einer  kleinen  Oefltnung  münden.  Die  Zahnhöhle  wird 
eingenommen  von  dem  weichen,  nicht  ossifizirten  Rest  der  Zahnpapille, 
auch  Zahnkeim,  Pulpa  dentis  geheissen.  Sie  besteht  aus  einem 
Bindegewebe,  das  sich  durch  seine  chemischen  Reaktionen  dem  Schleim- 
gewebe nähert  und  dessen  Bindegewebskörperchen  nach  der  Ober- 
fläche der  Pulpa  sehr  zahlreich  werden,  und  indem  sie  sich  cylin- 
drisch  verlängern    und    senkrecht  stellen,    den  Anschein    eines  Cylin- 


ZiUine. 


Zahiikeiin. 


-*.  M 


Zahtiliein, 


288  Vom  Nahrungskanal  des  Menschen. 

derepitliels  hervorrufen.  Die  Zalmpiilpe  ist  sehr  gefässreich;  die  durch 
die  Oeffnung  der  Zahnwurzel  eingetretenen  Arterien  lösen  sich  in  ein 
dichtes  Netz  von  Capillaren  auf,  wesshalb  schon  für  das  freie  Auge 
die  Pulpe  ziemlich  roth  aussieht.  Auch  die  mit  den  Gefässen  durch  die 
Löcherchen  der  Canales  dentales  hereingekommenen  Nerven  steigen 
gegen  die  8pitze  der  Pulpe  aufwärts,  bilden  Geflechte  und  Schhngen, 
ohne  dass  jedoch  kaum  die  letzteren  für  wahre  Endschlingen  der  Nerven- 
fibrillen gehalten  werden  dürfen. 

§.  249. 

Der  harte  Theil  des  Zahnes ,  welcher  gefäss-  und  nervenlos  ist, 
wird  aus  drei  verschiedenen  Substanzen  zusammengesetzt.  Diese  sind: 
1)  das  Zahnbein  oder  Elfenbein  [ßuhstantia eburnea)\  2)  der  Schmelz, 
Email  [Suhstantia  vitrea)]  3)  das  Cement,  'L•^^\\nk^ii  {ßahstantia  ostoi- 
dea).     Zur  näheren  Charakterisirung  Folgendes : 

§.  250. 

Das  Zahnbein  macht  die  Hauptmasse  des  Zahnes  aus  und  be- 
grenzt unmittelbar  die  Zahnhöhle  und  den  Zahnkanal.  Es  übertrifft  an 
Härte  die  Knochensubstanz,  hat  auf  der  Bruchfläche  einen  seiden-  oder 
atlasartigen,  schillernden  Glanz  und  eine  dem  blossen  Auge  sichtbare  con- 
centrische  Streifung,  y^^XchQ  Retzius  mit  den  Jahresringen  eines  Baumes 
vergleicht.  In  chemischer  Beziehung  ist  das  Zahnbein  dem  Knochen  nahe 
verwandt,  da  es  ^'leicli  letzterem  aus  organischer,  leimgebender  Substanz 
und  Kalksalzen  besteht,  nur  sind  die  Mengungsverhältnisse  der  organi- 
schen und  unorganischen  Bestandtheile  etwas  anders,  als  beim  Knochen. 
Mikroskopisch  untersucht  besteht  das  Zahnbein  aus  homogener  Grund- 
materie und  zahllosen  darin  eingebetteten  Kanälchen,  die  man  an  Zäh- 
nen, welche  in  Säuren  ein  gewisses  Macerationsstadium  erreicht  haben, 
von  der  Grundsubstanz  isoliren  kann.  Die  Zahnkanälchen  nehmen  alle 
mit  offner  Mündung  ihren  Anfang  aus  der  Zahnhöhle  und  laufen  von  hier 
aus  strahlig  zur  Peripherie  des  Zahnbeines.  Sic  halten  sich  dabei 
untereinander  parallel,  machen  leichte  Wellenbiegungen  und  verästeln 
sich  auf  ihrem  Wege  häufig.  Je  mehr  sie  sich  der  Grenze  des  Zahn- 
beins nähern,  um  so  feiner  werden  sie  und  um  so  zahlreicher  erscheinen 
die  Theilungen  und  Anastomosen.  Zuletzt  enden  sie  entweder  in 
Schlingen  (von  Er  dl  zuerst  gesehen,  dann  von  Krukenher  g  näher  be- 
schriel)en  und  gewürdigt),  oder  gehen   äusserst  fein  zugespitzt  frei  aus, 

Fig.   154. 


^^^^^.WS'r^'^ 


I  "■ 


.Stück   eines   Schliffes    diircli    den   Schmelz  und   das   Zahn  he  in* 
a  das  Oherhiiutchen  des  Schmelzes,  b  die  yclnnelzfasei'n ,   c  die  Kanü^chen  des 

Zahnbeins.     (Starke  Vergr.) 


Zähne.  289 

oder  sie  treten  an  der  Krone  in  den  Schmelz  hinein,  wo  sie  lakunenartig 
erweitert  aufhören.  Diese  „Schmelzspalten"  beschrieb  ebenfalls  ^'rö?/ 
zuerst;  man  kann  zweifeln,  ob  sie  eine  normale  Erscheinung  sind, 
jedenfalls  aber,  wie  ich  von  vielen  Präparaten  her  weiss,  finden  sie  sich 
.sehr  häutig.  An  der  Wurzel  hängen  die  Kanälcheu  mit  den  Ausläufern 
der  Knochenkörperchen  im  Cement  zusammen.  Im  lebenden  Zalm  füh- 
ren die  Kanälchen  wahrscheinhch  eine  Ernährungsflüssigkeit,  die 
von  den  Blutgefässen  der  Pulpe  abgeschieden  wird  und  auf  solche 
Art  das  Zahnbein  durchdringt.  An  trocknen  Zähnen  ist  nach  Ver- 
dunstung des  Fluidums  Luft  an  dessen  Stelle  getreten  und  die  Zahn- 
kanälchen  sehen  jetzt  bei  Beleuchtung  von  oben  silberweiss,  bei  durch- 
fallendem Licht  schwarz  aus. 

Fast  in  jedem  Zahnbein  existlren  noch  grössere  oder  kleinere 
Höhlungen  von  unregelmässiger  Gestalt,  die,  weil  sie  von  kugligen 
Vorsprüngen  des  Zahnbeins  begrenzt  werden  ,  In terglobular- 
räume  heissen.  Die  kleinsten  können  rudimentären  Knochenkörper- 
chen sehr  ähnlich  werden  und  an  der  Wurzel  zunächst  der  Grenze 
häufen  sie  sich  auch  wohl  derartig,  dass  sie  als  „Körnerschicht 
des  Zahnbeins"  beschrieben  worden  sind.  Li  seltnen  Fällen  beob- 
achtet man  zugleich  mit  der  Anw'esenheit  von  mehr  unregelmässigen 
Zahnkanälchen  wirkliche  Knochenkörperchen  und  selbst  vereinzelte 
Havers'sche  Räume. 

§.   251. 

Der  Schmelz  überzieht  das  Zahnbein  an  der  Krone,  ist  an  den 
Spitzen  und  Schneiden  der  Kaufläche  am  dicksten,  verdünnt  sich  nach 
unten  zu  und  hört  am  Beginn  der  Wurzel  mit  scharfer  Grenze  auf. 
Alle  anderen  Gebilde  des  Körpers  ,  auch  das  Zahnbein  übertrift't  der 
Schmelz  an  Härte  und  Dichtigkeit,  da  er  am  reichsten  an  unorgani- 
schen Bestandtheilen  ist,  ja  fast  nur  aus  solchen  besteht. 

An  fein  geschliifenen  Plättchen  des  Schmelzes  zeigt  sich,  dass  er 
aus  soliden  Säulen  zusammengesetzt  ist,  den  sog.  Schmelzfasern 
oder  Schmelzprismen.  Es  sind  das  polygonale  Fasern,  dicht  neben- 
einander gestellt,  mit  dem  einen  Ende  auf  der  Oberfläche  des  Zahn- 
beines ruhend ,  das  andere  nach  aussen  gekehrt.  Alle  zeigen  eine 
eigenthümliche  Querstreifung,  ein  Ausdruck  der  schichtenweise  er- 
folgten Ablagerung  ihrer  Substanz.  Die  Schmelzfasern  verlaufen  im 
Allgemeinen  so ,  dass  jene  der  Kaufläche  des  Zahns  aufrecht  gestellt 
sind,  weiter  nach  aussen  richten  sie  sich  schräg  und  an  den  Seiten- 
flächen der  Zahnkrone  legen  sie  sich  quer.  Dabei  wird  aber  der  Ver- 
lauf in  der  Art  variirt ,  dass  ganze  Züge  oder  Gürtel  von  Schmelz- 
fasern sich  kreuzen  und  auch  noch  complizirtere  Figuren  beschreiben. 
Es  scheint  auch,  dass  in  den  äusseren  Schichten  Schmelzfasern  sich 
finden,  welche  nur  zwischen  die  anderen  eingeschoben  sind,  ohne  dass 
ihr  inneres  Ende  die  Oberfläche  des  Zahnbeines  erreicht. 

Leydig,    Histologie.  ^Q 


Sclimelz. 


290  Vom  Nahrungskanal  des  Menschen. 

Die  freie  Fläche  des  Schmelzes  wird  von  einer  Cuücula  oder  dem 
Schmelzoberhäntchen  überdeckt,  eine  homogene,  verkalkte  Membran, 
der  man  durch  chemische  Reagentien  gar  wenig  anhaben  kann,  da  der 
organische  Theil  dieser  Haut  sich  weder  in  concentrirten  Säuren  noch 
kaustischen  Alkalien  löst.  Genanntes  Häutchen  hat  Er  dl  zuerst  mittels 
Anwendung  von  verdünnter  Salzsäure  dargestellt. 

§.  252. 
cement.  JJas  Cemcut  überkleidet  die  Zahnwurzel,  hebt  da,  wo  der  Schmelz 

aufhört,  in  dünner  Schicht  an  und  verdickt  sich  nach  dem  Ende  der 
Wurzel.  Chemisch  verhält  sich  das  Cement  wie  Knochengewebe, 
steht  auch  an  Härte  dem  Zahnbein  und  Schmelz  nach.  Mikroskopisch 
besteht  es  aus  Grundmasse  und  Knochenkörperchen,  erstere  erscheint 
homogen,  auch  streifig-lamellös  und  macht,  wo  das  Cement  in  dünner 
Lage  auftritt,  den  alleinigen  Bestandtheil  desselben;  sind  Knochen- 
körperchen  zugegen,  so  ist  ihre  Gestalt  und  Grösse  sehr  wechselnd 
und  häufig  sind  sie  von  sehr  unregelmässiger,  wenn  man  so  sagen 
darf,  verzerrter  Form.  Mit  ihren  Ausläufern  können  sich  die  Enden 
der  Zahnkanälchen  verbinden,  man  trifft  auch  Knochenkörperchen  von 
so  linearer  Gestalt,  dass  sie  mit  Zahnkanälchen  ganz  übereinstimmen. 
In  alten  Zähnen,  wo  das  Cement  oft  eine  bedeutende  Mächtigkeit  er- 
reicht, werden  auch  in  ihm  Havers'sche  Kanäle  (Gefässkanäle) 
beobachtet ,  die  von  aussen  nach  innen  dringend ,  sich  mehrmals 
verästeln  und  blind  endigen. 

Die  äussere  Seite  des  Cementes  wird  vom  Periost  der  Alveolen 
genau  umgeben,  von  welchem  anzumerken,  dass  es  einen  unge- 
wöhnlichen Reichthum  an  Nervenfibrillen  erkennen  lässt. 

§.  253. 
zai.n.  Jii  einer  frühen  Zeit  des  Embryonallebens,  in  der  G.  Woche  ungefähr, 

eiituifklung,  .  1       .  r^  i  1  •     i       T 

/ahnfiuciie,  cutsteht  am  oberen  und  unteren  Kieferrand  cme  r*  urche,  aus  der  sich  die 
säfkci'i'eii.  Zahnpapillen  der  Milchzähne  erheben.  Da  bald  zwischen  ihnen  Septa 
sichtbar  werden,  dann  auch  die  Wände  der  Zahnfurche  gegeneinander 
wachsen,  so  kommen  die  Papillen  in  kleine  von  der  Mundhöhle  abge- 
schlossene Räume  oder  Zahnsäckcli  en  zu  liegen.  Wenn  die  Wälle 
der  Zahnfurchen  sich  schliessen,  entstehen  auch  die  Säckchen  für  die 
bleibenden  Zähne  (Rcservesäckchcn),  die  anfänglich  ihre  Lage  über  den 
Säckchen  der  Milchzähne  haben,  allmählig  aber  an  die  hintere  Seite 
derselben  rücken. 

Die  Umwandlung  der  weichen  Zahnpapille  in  den  knöchernen 
Zahn  erfolgt  so : 

Die  Wand  des  Zahnsäckchens  besteht  aus  einem  gefäss-  und  ner- 
venhaltigen  Bindegewebe,  ebenso  verhält  sich  in  der  Hauptmasse  die 
vom  Boden  des  Säckchens  aufsteigende  Papille  oder  der  Zahnkeim, 
der  ausgewachsen  ganz  die  Grösse  und  Gestalt  der  künftigen  Zahn- 
krone (nach  Abzug  des  Schmelzes)  hat.  Gegen  die  Oberfläche  zu 
werden    die  Bindesubstanzzellen    zahlreicher,    ihre    runde  Form    geht 


Schmelz- 
organ. 


Zähne.  291 

über  in  eine  cylindrische  und  da  sie  senkrecht  und  dicht  gedrängt 
stehen,  so  ahmen  sie  ein  Cylinderepithel  nach,  über  welches  weg  ein 
homogenes  Häutchen  [Membrana  jpTaeformativa)  zieht,  die  eigenthche 
Grenze  des  Zahnkeimes  bildend. 

Der  im  ZalmsUckchen  zwischen  der  Papille  und  der  Wand  des 
Säckchens  noch  übrig  gebliebene  Raum  wird  vom  Schraelzorgan 
(Organon  adamantinae)  eingenommen,  das  demnach  kappenförmig  den 
Zahnkeira  oder  die  spätere  Zahnkrone  überzieht  und  zwar  gerade  so 
weit,  als  der  künftige  Schmelzüberzug  sich  erstreckt.  Das  Schmelzorgan 
besteht  aus  Bindegewebe  und  einem  Epithel.  Wo  es  mit  der  Innenfläche 
der  Zahnsäckchenwand  sich  verbindet,  ist  das  Bindegewebe  das  gewöhn- 
liche und  gefässhaltige,  einwärts  aber  macht  Schleimgewebe  den  Haupt- 
bestandtheil  aus,  auf  dessen  innerer  Rinde  ein  Cylinderepithel  aufsitzt. 

§.  254. 
Hat  der  Inhalt  des  Zahnsäckchens  (Zahnkeim  und  Schmelzorgan) 
die  berührte  Ausbildung  erreicht,  so  geschieht  die  Ossifikation. 
Die  Schmelzfasern  bilden  sich  in  der  Art,  dass  unterhalb  der  Membrana  Bildung  des 
])raeforinativa  der  Kalk  schichtenweise,  Säulen  formend,  sich  abschei- 
det. Anfangs  ist  der  Schmelz  noch  längere  Zeit  weich  und  zerreib- 
lich,  und  erhärtet  erst  nach  und  nach.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die 
Epithelzellen  des  Schmelzorganes  gleichwie  kleine  Drüsen  den  Kalk 
durch  die.  Membrana  praeformativa  hindurch  unterhalb  derselben  ab- 
setzen, und  die  Folge  davon  ist,  dass  die  Membrana  praeformativa  zum 
sog.  Schmelzoberhäutchen  wird.  Das  Zahnbein  entsteht  in  ähnlicher  undung  das 
Weise,  wie  Bindegewebe  ossifizirt:  die  dicht  gestellten  ßindegewebs- 
körperchen  an  der  freien  Fläche  der  Zahnpapille  wachsen  in  Röiirchen 
aus,  die  sich  verästeln ;  erfolgt  nun  die  Kalkablagerung  zwischen  diese 
röhrigen  Zellenausläufer,  so  wandeln  sie  sich  in  die  Zahnkanälchen 
um.  Für  das  freie  Auge  macht  sich  die  Ossifikation  des  Zahnkeimes 
daduich  bemerklich,  dass  zuerst  an  den  hervorragenden  Spitzen  der 
Papille  gleich  von  Anfang  an  sehr  harte  Scherbchen,  welche  die 
Spitzen  in  Form  von  Hütchen  bedecken,  sich  ablagern.  Die  Scherbchen 
vergrössern  sich  nach  der  Fläche  und  in  der  Dicke,  bis  die  Zahnbein- 
papille  eine  vollständige  Kappe  von  hartem  Zahnbein  besitzt.  Wäh- 
rend durch  diesen  Prozess  Schmelz  und  Zahnbein  der  Krone  ihrer 
Vollendung  entgegen  gehen,  ist  das  Schmelzorgan  fast  geschwunden.  ' 
Erst  jetzt  bildet  sich  die  Zahnwurzel  aus,  indem  der  Zahnkeim  sich 

*  .         .  .....  Bildung  des 

verlängert  und  ossifizirt ;  ferner  verlängert  sich  zugleich  damit  in  seinen  cememes. 
unteren  Theil  das  Zahnsäckchen,  und  da  es  sich  an  die  in  der  Bildung 
begriifene    Wurzel  anlegt   und   gleichfalls    ossifizirt,    so    liefert    dieser 
Theil  des  Zahnsäckchens  das  Cement, 

§.  255. 
Dem  Mitgetheilten    zufolge    stehen    sich    die  Theile    des    fertigen 
Zahnes   und   des  Zahnsäckchens    sammt  Inhalt   in   folgender  Ordnung 
einander  gegenüber: 

19* 


292  Vom  Nahrungskanal  des  Menschen. 

Das  Schmelz  oberhäutchen  ist  die  verkalkte  Memlrana  frae,- 
formativa,  die  Schmelzprismen  sind  geschichtete  Kalksäulen,  zu 
denen  das  Material  aus  den  Zöllen  des  Schmelzorganes  kam ,  das 
Zahnbein  ist  die  ossifizirte  Rindenlage  des  Zahnkeimes  und  die  Zahn- 
kanälchen  stellen  röhrig  ausgewachsene  und  verkalkte  ßindegewebs- 
körperchen  dar ,  der  nicht  verknöcherte  Rest  des  Zahnkeimes  bleibt 
als  gefäss-  und  nervenreiche  Papille  im  Innern  des  Zahnes  zurück. 
Das  Cement  ist  verkalktes  gewöhnliches  Bindegewebe  des  unteren 
Theiles  vom  Zahnsäckchen ,  und  nach  dem  Durchbruch  des  Zahnes 
verschmilzt  der  übrige  Theil  des  Zahnsäckchens  mit  dem  Periost  der 
Alveole. 

Wenden  wir  uns  nach  diesem  embryologischen  Excursus  zurück 
zu  dem  Bau  des  Nahrungsrohres. 

§.  256. 
Die  Schleimhaut  des  Schlund kopfes,  Pharynx,  hat  in  der  unteren 
Partie  desselben  ein  geschichtetes  Plattenepithel  wie  die  Mundhöhle,  der 
obere  oder  respiratorische  Abschnitt  besitzt  ein  geschichtetes  Flimmer- 
epithel. Im  bindegewebigen  Stratum  der  Mucosa  liegen  traubige 
Schleimdrüsen  und  Balg-  (oder  Lymph-)  drüsen. 

schi.n,,!.  Die  Schleimhaut  des  Oesophagus  besteht  aus  einem  geschichteten 

Plattenepithel  und  dem  bindegewebigen,  sich  in  Papillen  erhebenden 
Corium,  in  welches  glatte  Muskeln,  die  nach  der  Länge  verlaufen,  ein- 
gewebt sind  und  in  welchem  auch  traubige  Sclileimdrüsen  sich 
finden.  Die  Schleimhaut  verbindet  sich  nach  aussen  durch  Bindege- 
webe jnit  der  Muskelhaut,  deren  circuläre  und  longitudinale  Fasern  in 
der  oberen  Hälfte  deutlich  quergestreift  sind,  nach  dem  Magen  hin 
aber  den  Charakter  von  glatten  Muskeln  annehmen.  Zu  äusserst  ist 
der  Schlund  umgeben  von  einer  bindegewebigen  Schicht,  die  sehr 
entwickelte,  elastische  Fasern  cuthält. 

§.  257. 
sci.icimhani  Während    die    Schleimhaut   des   Schlundes    ein    mehr    weissliches 

Aussehen  hat  und  eine  gewisse  Derbheit  darbietet,  ist  die  in  zotten- 
artige Falten  sich  erhebende  Magenschleimhaut  sammtartig  weich 
anzufühlen  und  hat  meist  eine  gelbröthliche  Farbe.  Uebrigens  ist 
auch  die  Struktur  dieser  Schleimhaut  eine  ganz  andere  ,  da  sie  fast 
nur  drüsiger  Natur  ist.  Die  weit  überwiegende  Mehrzahl  der 
Drüsen  bilden  die  sog.  Labdrüsen  (Magensaftdrüsen),  es  sind  ein- 
fache, blindgeendigte  Schläuche,  eine  dicht  an  die  andere  gedrängt, 
senkrecht  nebeneinander  stehend.  Das  blinde  Ende  erscheint  nicht 
selten  etwas  kolbig  verbreitert,  auch  gewunden  oder  getlieilt,  mit 
Ausbuchtungen  versehen,  letzteres  namentlich  an  der  Portio  cardiaca. 
Erstreckt  sich  die  Theilung  höher  und  vereinigen  sich  mehre  solcher 
gegabelten  Drüsen  zu  einem  gemeinschaftlichen  Ausführungsgang,  so 
entstehen  die  zusammengesetzten  Labdrüsen  (der  Autoren).    Die 


des  Miigei»-* 
i^rÜHcn. 


Magen, 


293 


Fig.   155. 


Senkrechter  Schnitt    durch  die  Magenhäute. 

A  die  Schleimhaut,    B  die  Muskelhaut,    C  die  seröse  Hülle. 

a  die  Drüsen  ,    b  Muskellage  der  Schleimhaut ,    c  Bindegewebsstratum  derselben, 

d,  c    Längen-   und  Querlagen    der    Muscularis.      (Massige  Vergr.) 


Fig.    156. 


Magen  drüsen,    einzeln  dargestellt. 

a  einfache  Labdrüse,    b  zusammengesetzte  Labdrüse,  c  Magenschleimdrüse 

(mit  C'ylinderzellen). 


294  Vom  Nahrungskanal  des  Menschen. 

Tunica  propria  der  Drüsen  wird  von  der  Bindesubstanz  der  Schleim- 
haut gebildet  und  innen,  den  Drüsenraum  meist  vollständig  ausfüllend, 
liegen  die  Sekretions-  oder  Labzellen,  welche  rundlich,  blass  granulär 
sind  und  den  bei  der  Verdauung  wirksamen  Stoff,  das  Pepsin,  bereiten. 
Die  Labzellen  stossen  in  den  einfachen  Drüsen  unmittelbar  an  das 
Cylinderepithel  der  freien  Fläche  der  Mucosa,  und  in  den  zusammen- 
gesetzten an  das  gleiche  Cylinderepithel  des  Ausführungsgangs.  —  Am 
Pylorus  tritt  in  grösserer  Menge  eine  andere  Sorte  von  Drüsen  auf,  welche 
anstatt  der  rundhchen  Labzellen  mit  Cylinderepithel  ausgekleidet 
sind  und  durch  manchfache  Spaltungen,  Ausbuchtungen  und  Windungen 
den  traubigen  Schleimdrüsen  sehr  ähnlich  werden,  auch  keine  ver- 
dauende Wirkung  äussern  sollen,  —  Endlich  beobachtet  man  auch  da 
und  dort  einzelne  geschlossene  Follikel  (oder  Lymphdrüsen),  die  gewöhn- 
lich unter  dem  Namen    linsenförmige  Drüsen    aufgeführt  werden. 

§.  260. 
Muskeln,  In    dcr  Bindesubstanz    der  Schleimhaut  verlaufen   um    das   blinde 

,e  as.e.  YA\([a  dcr  Drüsen  herum  und  auch  zwischen  die  Drüsen  aufsteigend 
glatte  Muskeln,  ebenso  ist  das  Bindegewebe  der  Träger  der  Blut- 
gefässe. Feine  Arterien  dringen  zwischen  den  Drüsen  empor  und 
umspinnen  mit  ihren  Capillarnetzen  die  Drüsenwände.  An  der  Lmen- 
seite  der  Schleimhaut  vereinigen  sie  sich  zu  grösseren  Maschen,  von 
denen  jede  eine  Drüsenmündung  ringförmig  umgiebt.  Erst  in  diesen 
geräumigeren  Capillaren  wurzeln  die  Venenstämmchen. 

§.    26L 
Muskelhaut  Nach    ausscu    von    der  Schleimhaut    liegt    die    Muscularis    des 

dea  Magen».  Magens,  slc  bcstcht  aus  schiefen,  ringförmigen  und  Längsfasern  und 
alle  gehören  zu  den  glatten  Muskeln.  Bemerkenswerth  ist,  dass  die 
mnersten  (die  schiefen)  Muskeln  sich  zum  Theil  mit  elastischen  Sehnen 
nach  Treitz  an  die  Schleimhaut  ansetzen.  Die  äusserste  Haut  des 
Magens  bildet  die  Serosa,  welche  aus  einem  bindegewebigen,  ela- 
stische Fasern  enthaltenden  Stratum  und  einem  einfachen  Plattenepi- 
thel besteht. 

§.  262. 
Darmzotten.  Dic  Schlcimhaut  des  Magens  entbehrt  eigentlicher  Papillen,  welche 

hingegen  an  der  Mucosa  der  Gedärme  eine  ganz  besondere  Ausbildung 
crreichoi  und  unter  dem  Namen  der  Darmzotten,  Villi  mtestinorum 
bekannt  sind.  Sie  kommen  im  ganzen  Dünndarm  (im  Dvodenvm  und 
Jejumi7n  gedrängter,  als  im  Ueum)  vor  und  mangeln  im  Dickdarm, 
Als  weiche,  fingerförmige  oder  auch  platte  Fortsätze  des  Bindegewebs- 
stratums  der  Schlcimiiaut  ragen  sie  frei  in  die  IL'ihle  des  Darmes 
hinein  und  dienen  zui-  Resorption  des  Chylus.  Was  den  feineren  Bau 
derselben  beti-ifft,  so  ist  ihr  Grundgewebe  Bindesubstanz,  in  der 
glatte  Muskeln,  hauptsächlicli  in  longitudinalcr  Anordnung,  doch 
auch  quergelagerte  sich  finden,    die  mit  der  Muskuhitur,    welche    der 


295 


0  e     c 

Darmzotte. 

a  der  bindege-webige  Theil  derselben,  b  die  Gefässe  und  c  die  Muskeln,  welche  in  dem 

Bindegewebsstroma  der  Zotte  liegen,  d  die  Epitliellagc.,  e  der  centrale  Chylusraum. 

Schleimhaut  des  ganzen  Traktus  überhaupt  eigen  ist,  zusammenhängen. 
Ferner  wird  jede  Zotte  von  einer  oder  mehren  kleinen  Arterien 
versorgt,  die  im  Aufsteigen  ein  dichtes  Capillarnetz  erzeugen,  dessen 
Gefässchen  nach  der  Basis  der  Zotte  hin  zu  einem  ableitenden  Venen- 
stämmchen  sich  vereinigen.  Endlich  kennt  man  in  den  Zotten  ausser 
den  Blutgefässen  auch  Chylus räume,  deren  Capiilaren  wohl  nichts 
anderes  sind,  als  verzweigte  Hohlräume  des  Bindegewebes  (Bindege- 
webskörper),  in  der  Achse  der  Zotte  fliessen  sie  zu  einem  grösseren 
Raum,  dem  „centralen  Chylusgefäss  ",  zusammen,  das  in  die 
tieferen,  selbständigeren  Chylusgefässe  der  Schleimhaut  übergeht. 

Das  Epithel  der  Zellen,  wie  der  Schleimhaut  des  Traktus  im 
Ganzen  ist  ein  einfaches  Cylinderepithel,  dessen  Zellen  in  dem  'vor- 
dersten Theil  ihrer  Wand  verdickt  sind,  was  einen  breiten,  hellen 
Saum  am  freien  Rande  hervorruft  und  bei  ganzen  Zellenreihen  den 
Anschein  einer  die  Zellen  überdeckenden,  homogenen  Cuticula  bedingt. 
Von  letzterer  darf  man  voraussetzen,  dass  sie  wie  bei  Thieren  (s.  unten) 
von  feinen  Porenkanälen  durchsetzt  ist. 

§.  258. 
Die  Schleimhaut  der  Gedärme  besitzt  drei  Drüsenformen ,    1)  die 
Brunner  sehen  Drüsen,    2)  die  Lieherkühnsclien  Drüsen,    3) 
die  Peyer sehen  Follikel. 


Darmdrüsen. 


259. 


Die  Brunner  seh  en  Drüsen  linden  ^lokvxmx  mv  Duodenum  ^  wo 
sie  allerdings  ziemlich  gehäuft  stehen.    Es  sind  dem  Bau  und  der  Funk- 


Brunner'sche 
Drüsen. 


296 


Vom  Nahrungskanal  des  Menschen. 


Lieberkühn'- 
sclic    iJrÜHen. 


tioii  nach  trcaubige  Scliloimclrüsen,    in    nichts    verscbieden    von    denen 
des  Schlundes,  der  Mundhöhle  u.  a.  0. 

Die  Lieherlxühnschen  Drüsen  verbreiten  sich  in  grösster 
Menge  über  den  Zwölffingerdarm ,  Dünndarm  und  Dickdarm ,  also 
durch  den  ganzen  Darmkanal.  Der  Gestalt  nach  sind  es  einfache, 
senkrecht  gestellte  Schläuche,  deren  blindes  Ende  häufig  etwas  ange- 
schwollen ist.  Im  Dickdarm  nimmt,  entsprechend  der  grössren  Dicke 
der  Schleimhaut,  ihre  Länge  zu,  überall  aber  erscheint  ihre  Tunica 
propria  als  homogene  Grenzschicht  der  ßindesubstanz  der  Schleim- 
haut und  die  Zellenauskleidungen  bestehen  aus  Cylindern,  die  in  con- 
tinuirlichen  Zusammenhang  mit  dem  Epithel  der  freien  Fläche  der 
Miicosa  treten.  Die  Anordnung  der  Blutgefässe  ist  dieselbe,  wie  an 
den  Magensaftdrüsen. 

Fig.    158. 


D  iircli  seil  11  i  tt  durch  die  Dar  m  Wandungen,    wo    ein   l'cyor 'scli  er 

I)r  üscnliaufe  n    sich  befindet. 

a   die  Zotten,   b  die  Licberkühn'schcn   Drüsen,  b'   die  Oeffnungen  derselben  auf  der 

Sclileiiiiliautfläche,  c  die  Peyer'.selicn  Drüsen,  d  die   Schichten   der  Mnskelliaut. 

Was  die  V  eij  er  s  cli  eii  Follikel  angeht,  so  hat  man  in  der 
neueren  Zeit  dargethan,  dass  es  Lymphdrüsen  sind,  Organe  Avahrschein- 
lich  zur  Bereitung  dci-  Lymphkörperclien  bestimmt.  Sie  bestehen  aus 
riMidüchcii ,  dicht  beisammonliegenden ,  gescldossenen  Bälgen,  deren 
bindegewebige  Wand  iiach  innen  ein  zartes  Balkenwerk  entsendet;  so- 
wohl in  dei-  Wand,  wie  in  dem  Arcolarnetz  verzweigen  sich  viele 
Bhitgefässe;    di(>   Maschniränmo    im   Innern   des   Follikels  füllen  klein- 


Darm, 


297 


zellige  Elemente  an ,  wie  sie  auch  in  den  anderen  Lymphdrüsen  den 
Inhalt  der  Follikel  bilden  und  unter  dem  Namen  Lymphkörperchen 
bekannt  sind.  Zahlreiche  Chylnsgefrisse  hängen  mit  den  Follikeln  zu- 
sammen. Im  ganzen  Darmkanal  treten  auch  diese  Lymphdrüsen  unter 
der  Form  von  einzelnen,  isolirten  Kapseln  auf  und  heissen  dann  s eli- 
täre Follikel, 

Fig.   159. 


^?^-|-sSS'0 


Ein  Lymph  follik  el  der  Peyer'schen  Drüsen;    man  sieht  die  Gefäss- 
verzweigung  im  Inneren.     (Massige  Vergr.) 

§.  263. 
Die  Muskelhaut  des  Darmes  hat  wie  am  Magen  nur  glatte 
Fasern,  —  Auch  die  Serosa  hat  dieselbe  Zusammensetzung  wie  am 
Magen,  Der  Entwicklungsgeschichte  sei  entnommen,  dass  das  Nah- 
rungsrohr aus  dem  mittleren  und  unteren  Keimblatt  hervorgeht.  Von 
letzterem  stammt  das  Epithel  und  die  zelligen  Auskleidungen  der 
Darmdrüsen,  das  erstere  erzeugt  die  muskulösen  Schichten,  sowie  das 
gefass-  und  nervenführende  Bindegewebe, 

Auf  den  Epithelialfortsätzen  der  Papulae  filiformes  der  Zunge  wuchert  sehr 
constant  eine  Pilzmasse,  welche  unter  der  Form  einer  fcingranulirten  Substanz 
den  Epithelzellen  aufsitzt;  aus  ihr,  die  man  für  die  Matrix  des  Pilzes  anspricht, 
keimen  die  Pilzfäden  hervor. 

Der  Neugewinn.i  den  die  letzten  Jahre  für  die  Histologie  des  Darmkanales 
brachten,  umfasst  besonders  folgende  Punkte.  Brüche  wies  die  Existenz  eines 
Muskelsystems  der  Schleimhaut  nach  und  brachte  dabei  die  bei  uns  unbeacht 
gebliebenen  Beobachtungen  von  Lacauchie  über  Contractionen  der  Darrazotten 
in  Erinnerung.  Dem  Wiener  Physiologen  verdanken  wir  ferner  die  erste  richtigere 
Kenntniss  über  die  Follikel  der  sog.  Peyer'schen  Plaques,  indem  wir  ihnen  jetzt 
die  Bedeutung  von  Lymphdrüsen  beilegen.  Die  Blutgefässe  in  deren  Innerem  ent- 
deckte Frey.  Auch  die  Lehre  von  den  Anfängen  der  Chylusgefässe  in  den 
Darmzotten  hat  durch  Brüche  eine  Umgestaltung  erfahren,  jedoch  versteht  mau  sich 
darüber  noch  nicht  recht,  auch  scheint  man  theilweise  mehr  über  Wörter,  denn 
über  Sachen  zu  streiten.  Entgegen  der  früheren  Annahme  von  selbständigen  Chylus- 
capillaren  im  Zottenparenchym  nimmt  Brüche  interstitielle  Lücken  im  Parenchym 
als  Chyluswege  an,  die  dann  im  Achsenkanal  der  Zotte  zusamnienfliessen.  Funke 
schliesst  sich  dieser  Ansicht  insofern  an,  als  er  von  ungebahnten  Wegen  spricht, 
auf  denen  der  Durchgang  der  Fetttröpfchen  erfolgt;  nach  ihm  entstehen  bei  der 
Resorption  des  Chylus  in  der  Zotte  Fettstrassen  oder  Fettströmehen,  die  nach  der 
Zottenachse  convergiren  und  da  zusammentreffen.  —  Wenn  ich  oben  von  Bindege- 
webskörperchen  gesprochen  habe,  welche  anstatt  der  Chyluscapillaren  vorhanden 
seien,  so  habe  ich  damit  dieselben  Lücken  gemeint,  welche  das  Stroma  der  Zotten 


Miindliölilo 


298  Yom  Nahrungskanal  der  Wirbelthiere. 

durchsetzen ;  es  soll  die  angewendete  Bezeichnung  lediglich  die  „interstitiellen 
Lücken"  Brücke's  und  die  „ungebahnten  Wege"  Fuiike's  unter  einen  genaueren 
histologischen  Gesichtspunkt  bringen.     (Siehe  unten  Lymphgetasssystem.) 


Fünfundzwanzigster  Absclmitt. 
Vom  Nahrungskanal   der  Wirbelttiiere. 

§.  264. 
Zum  Aufbau  des  Nahrungsrohres  der  Säuger,  Vögel,  Reptilien  und 
Fische  werden  immer  gefäss-  und  nervenhaltiges  Bindegewebe,  dann 
Muskeln  und  drittens  zellige  Lagen  verwendet.  Wie  an  anderen 
Orten  bildet  die  Tela  conjunctiva  das  eigentliche  Gerüste,  sie  verdickt 
sich  nach  einwärts  zu  einer  besonderen  Haut,  welche  als  binde- 
gewebiges Stratum  der  Schleimhaut  bezeichnet  wird,  auf  ihr 
ruht  das  Darmepithel.  Ebenso  verdichlet  sie  sich  noch  einmal, 
wenn  auch  in  geringerem  Grade,  auswärts  zu  einer  besonderen  Haut, 
welche  als  die  B  indegewebsschicht  der  Serosa  fungirt  und 
auch  diese  deckt  ein  Epithel.  Zwischen  diesen  hautartigen  Grenz- 
schichten erscheint  sie  als  Gitterwerk,  in  dessen  Zwischenräumen  die 
contraktilen  Elemente  zu  einer  besonderen  Haut,  der  Tunica  mus- 
cularis,  angehäuft  sind.  Und  so  unterscheidet  man  darnach  die 
drei  Hauptschichten  des  Nahrungsrohres :  1)  die  Schleimhaut,  welche 
eine  Fortsetzung  oder  Einstülpung  der  äusseren  Haut  nach  innen  ist, 
2)  eine  Muskelhaut,  3)  die  Serosa. 

§.  265. 
Der  bindegewebige  Theil  der  Rachenschleimhaut,  welcher 
öfters  bei  niederen  und  höheren  Wirbelthieren  pigmentirt  erscheint, 
scharlachroth  z.  B.  bei  Dactijloptera,  schwarz  bei  Chimaera ,  stellen- 
weise beim  Hund  etc.,  zeigt  meist  die  Charaktere  des  gewöhnlichen 
Bindegewebes  mit  zahlreichen  elastischen  Fasein  ,  die  z.  B.  bei 
Selachiern  in  den  Stämmen  oft  sehr  breit  sind  und  sich  fein  ver- 
zweigen. Bei  den  eben  genannten  Fischen  sind  die  Maschen  des 
Bindegewebes  mit  Gallci'te  ausgefüllt  und  die  Schleimhaut  verdickt 
sich  da  und  dort,  besonders  unter  (k>m  Zungenrudiment  polsterartig. 
(Auch  das  submuköse  Bindegewebe  der  Rachenschleimliaut  ist  bis- 
weilen, Hexanchus  z.  B. ,  sehr  mit  Gallerte  durchsetzt.)  Die  Miicosa 
ist  entweder  glatt  an  der  freien  Fläche,  oder  erbebt  sit'h  in  Papil- 
len und  Wülsten.  Diese  können  so  gross  sein,  dass  sie  schon  für 
das  freie  Auge  sich  sehr  bemerkbar  machen  (z.  B.  bei  den  Wieder- 
käuern) und  dann  tragen  sie  mikroskopisch  noch  zahlreiche  kleine 
Papillen,    wie    ich    es    z.  B.   an  der  Ziege   sehe,    wo    die    sekundären 


Mundhöhle. 


299 


Fiff.  160. 


u 


A    Vom    Schnabel    der    Gans: 
a  Oberhaut,  b  Papille  des  Coriums  mit  Nerven  und  Pacini'schen  Körpern. 

B  Eine  Schleimhautpapille  des  Rachens  von  Leuciscus: 

a  die  Stammpapille ,    welche  sich  in  fünf  Ausläufer    zerspaltet,    an  deren  Ende  die 

becherförmigen  Organe  b  sitzen,  c  Blutgefässschlingen,  d  Nerven,  e  Epithel. 

« 
Papillen  an  der  Basis  des  gemeinsamen  Kegels  am  grössten  sind  nnd 

nach  aufwärts  sich  verkleinern;  auch  Wedl  meldet,  dass  die  Seiten- 
wand der  Maulhöhle  beim  Kameel  grosse  Papillen  besitze,  die  „Agglo- 
merate  von  ungemein  feinen  Papillen"  wären.*)   Bei  Fischen  sind  nicht 


*)  Ich  kann  nicht  umhin,  hier  eine  an  Echidna  gemachte  Wahrnehmung  nach- 
zutragen. Die  Schleimhaut  des  Gaumengewölbes  bildet  da  bekanntlich  mehre  Quer- 
reihen von  spitzen,  nach  rückwärts  gekehrten  Papillen;  nach  Abzug  des  sehr  ver- 
dickten Epithels  hält  man  die  Zwischenräume  zwischen  den  l'apillenreihen  für  glatt, 
aber  mikroskopisch  erscheinen  ausnehmend  lange  und  schmale  Papillen, 
die  ganz  denen  ähnlich  sind ,  welche  bei  den  Vögeln  an  der  Zunge  vorkommen. 
Sie  schliessen  nur  eine  steile  Gefässschlinge  ein.  —  Die  Zellen  der  obersten  Lagen 
des  Epithels  haben  eine  eigenthümliche  Punktirung,  von  der  sich  nicht  bestimmen 
liess,  ob  sie  von  Porenkanälen  oder  von  feinen  Höckern  auf  der  Oberfläche  der 
Zellen  herrühre, 


300  Vom   Nahrungskanal  der  Wirbelthiere. 

minder  die  Papillen  der  Mund-  und  Uachenschleimhaut  oft  sehr  ent- 
wickelt, so  dass  sie  (z.  B.  beim  Stör)  nicht  im  Epithel  vergraben 
bleiben,  sondern  aus  demselben  hervorragen  und  die  Mucosa  selbst 
für  das  freie  Auge  höckerig  machen.  Diese  Papillen  tragen,  wie  an 
der  äusseren  Haut,  bei  Teleostiern  und  Ganoiden  die  oben  beschriebe- 
nen becherförmigen  Organe.  —  Die  Bin  degewebskörper  der 
Mucosa  der  Rachenhöhle  stehen,  wie  ich  beim  Landsalamander  finde, 
alle  senkrecht  auf  der  Fläche  und  sind  hier  ungewöhnlich  lang  und 
breit. 

§•  266. 

Die  Zungenoberfläche  ist  bald  glatt,  bald  durch  Papillen 
und  Leisten  uneben,  so  hat  z.  B.  unter  den  Sauriern  Lacerta  agilis 
zierliche  Querfalten,  deren  Kanten  sich  abermals  in  kurze  Papillen  aus- 
zacken, bei  Leposternon  viicrocepJialus ,  Anguis  fragilis  erstrecken  sich 
über  die  ganze  Zunge  weg  sehr  entwickelte  Papillen,  in  deren  Innerem 
fast  immer  Blutgefässe  und  Nerven  gesehen  werden.  Die  Papillen  der 
Blindschleiche,  wie  die  Falten  der  Eidechse  sind  zum  Theil  (bei  der 
Blindschleiche  namentlich  an  der  Zungenspitze)  dunkel  pigmentirt, 
wobei  das  Pigment  nur  im  Bindegewebe  der  Papillen  und  Falten  ent- 
halten ist  und  das  Epithel  ganz  frei  davon  bleibt.  Indem  die  Papillen 
nach  oben  sich  polygonal  gegen  einander  absetzen,  hat  bei  Leposternon 
die  Zunge  ein  wie  getäfeltes  Aussehen.  Eine  besondere  Merkwürdig- 
keit bietet  mir  noch  die  Zunge  der  Anguis  fragilis  dar:  man  erblickt 
mit  freiem  Auge  gegen  die  Zungenwurzel  zu  gerade  in  der  Mittellinie 
zwischen  den  gewöhnlichen  Papillen  ein  weissliches,  etwas  längliches 
Höckerchen,  das,  mikroskopisch  untersucht,  in  seinem  Inneren  einen 
echten  Knochen  birgt.  Mir  ist  vor  der  Hand  aus  eigener  Anschauung 
dies  das  erste  Beispiel  von  einer  theilweisen  Ossifikation  einer  Zungen- 
papille bei  den  Reptilien.  Man  sieht  in  der  nicht  verknöcherten  Partie,  die 
schon  an  und  für  sich  etwas  fester  und  derber  ist,  als  die  übrigen  Pa- 
pillen, schöne  Bindegewebskörperchen  von  derselben  Grösse  und  Form, 
wie  in  dem  rundlichen,  in  einige  Höcker  (es  schienen  deren  drei)  ausge- 
henden Knochenstück.  —  Die  Zunge  des  Stachelschweines  hat  eine 
„schu])penförmige  Bewafihung'',  welche  O.  Carus  „Knochenschuppen" 
heisst.  Es  wäre  angenehm,  wenn  ein  Forscher,  dem  das  Objekt  zu  Gebote 
steht,  dies  prüfen  würde,  sowie  auch  die  halbkugelförmige,  glatte  Ver- 
tlickung,  welche  nach  r.  Bapp  an  der  Zungenspitze  der  ^liirmecophaga 
sich  befindet  und   vielleicht  ebenfalls  ein  Knochen  ist! 

Auf  der  Zunge  der  Fische  und  fischartigen  Amphibien  (Pro- 
teus z.  B.)  mangeln  Papillen;  in  anderen  Batiachiern,  beim  Land- 
salamander z.  B. ,  werden  sie  durch  l''ältclKiil)ildung  vertreten.  Auch 
bei  höheren  Thieren  giebt  es  Zungen,  welchen  die  Papillenbildung 
abgeht.  Die  Zungenfiäche  des  Delphin  z.  B.  ist  schon  für  das  freie 
Auge  glatt  und  bei  mikroskopischer  Ujitersuchung  sehe  ich  unter  dem 
dicken  Epithel  kaum  nennenswerthe  hüglige  Erhabenheiten  desZungcn- 
coriums.    Die  Zungenschleimhaut  kann  ferner  in  sein-  lange  und  schmale 


Zähne, 


aoi 


Papillen  ausgehen,  ohne  dass  solches  äusserlich  wegen  des  dicken 
Epithels  sichtbar  wird;  dies  ist  der  Fall  bei  den  meisten  Vögeln. 
Beim  Auerhahn,  der  Taube  z.  B.  sind  die  an  der  Spitze  der  Zunge 
behiuUichen  und  äusserst  langen  Papillen  so  schmal,  dass  gerade  eine 
Blutcapillarschlinge ,    die    bis   zur   Spitze    aufsteigt ,    darin    Platz    hat. 

Fig.  161. 


Zungenspitze   einer  jungen  Taube  auf  dem  Längenschnitt. 

a  der  Zungenknorpel,  b  die  Papillen  der  Schleimhaut  mit  ihren  Gefässsclilingen, 

c  das  dicke  Epithel,    in  welchem    die  Papillen  vergraben  sind. 

Nerven  mangeln  in  diesen  Papillen,  aber  bei  vielen  Wasservögeln 
(s.  oben  Tastwerkzeuge)  sind  sie  mit  Nerven  und  Pacinischen  Körper- 
chen versehen.  Bei  der  Mehrzahl  der  Säugethiere  lassen  sich  wie  an 
der  menschlichen  Zunge  mehrerlei  Papillenarten  unterscheiden, 
was  noch  einmal  bei  Fröschen  und  Kröten  wiederkehrt.  Hier  haben 
die  oben  mit  seichter  Vertiefung  versehenen  Papulae  fungiformes 
ausser  den  Blutgefässnetzen  auch  noch  Nerven,  die  Papulae  filiformes 
nie  Nerven  und  wenn  Gefdsse,  nur  eine  einfache  Schlinge  ohne  Ver- 

Fig.   162. 


Z  u  n  g  e  n  p  a  p  i  1!  e  d  e  r  T  e  s  t  u  d  o  g  r  a  e  c  a. 
a  das  Epithel,  b  der  Lyuiphraum  im  Innern  der  Papille. 


302  Vom  Nahrnngskanal  der  Wirbeltbiei'e. 

zweig-ung.     In  den  sehr  grossen  Zungenpapillen  der  Landschildkröte, 

welche  mit  sekundären  Wärzchen  besetzt  sind,   findet  sich  ausser  den 

Blutgefässen  noch  ein  weites  Lymphgefäss  (vgl.  Leydig,  Fische  und 

Reptil.  S.  39). 

§.   267. 

zghne.  Die  Papillen  können  zu  Zähnen  umgeschafFen  werden  auf  zweierlei 

Weise:  1)  durch  starke  Verhornung  ihres  dicken  Epithels;  von 
dieser  Art  sind  die  Hornzähne  des  Petromyzon,  vielleicht  auch  die  des 
Ornitkorhynchus  u.  a. ;  2)  durch  Verkalkung  der  Bindesubstanz. 
Die  naturphilosojjhische  Schule  hatte  schon  früher  erklärt,  man  könne 
sagen,  die  Fischzähne  wären  verhärtete  und  mit  Zahnsubstanz  überklei- 
dete Wärzchen  oder  Papillen  des  Zahnfleisches,  Gaumens,  der  Zunge  etc., 
und  die  genauere  mikroskopische  Verfolgung  hat  gezeigt,  dass  diese 
Betrachtung  für  die  ganze  Wirbelthierreihe  erfahrungsgemäss  ist. 
Ossifizirt  bloss  das  freie  Ende  der  Papille  gleichsam  kappenartig, 
so  bleibt  der  Zahn  beweglich,  greift  die  Verkalkung  tiefer,  etwa  bis 
zur  Basis  der  Papille  und  zum  ßindegewebsstratum  der  Schleimhaut 
selber,  so  erscheinen  die  Zähne,  indem  die  verknöcherte  Mucosa  mit 
dem  darunter  liegenden  Knochen  verschmilzt,  als  unmittelbare  Aus- 
wüchse der  Knochen,  und  die  Hohlräume  im  Zahn  sind  dann  die  un- 
mittelbaren Fortsetzungen  der  Markkanäle  des  Knochens.  (Vergl. 
m.  Mittheilungen  in  d.  Zeitschr.  f.  w.  Z.  1854.  S.  52  über  die  Ver- 
knöcherung der  Schleimhaut  der  Mund-  und  Rachenhöhle  des  Polyp- 
terus.)  Da  nun  gerade  bei  Fischen  die  Schleimhaut  der  Mundhöhle 
sich  allerorts  in  sehr  starke  Papillen  erhebt  und  diese  so  leicht  ossifiziren, 
so  wird  dadurch  zum  Tlicil  verständlich,  warum  hier  zahlreiche  Knochen 
(ausser  dem  Zwischen- Ober-  und  Unterkiefer  die  Gaumenknochen,  Piiug- 
schaar,  Keilbeinkörper  etc.)  mit  Zähnen  ausgerüstet  sehi  können.  Bei 
grossen  Exemplaren  von  Raja  und  Hexanclius  sah  ich  auch  die  Papillen 
am  Gaumengewölbe  zu  schönen  Zähnchen  ossifizirt  (s.  Rochen  u.  Haie 
S.  52). 

§.  268. 

Es  werden  bei  Fischen  und  Amphibien  (mit  Ausnahme  einiger 
Saurier  nach  Owen)  die  verknöchernden  Zahnpapillen  nie  in  Säck- 
chen eingeschlossen  und  zugleich  damit  fällt  auch  die  Anwesenheit 
eines  Schmclzorganes  weg.  Die  Zähne  der  genannten  Thiere  bestehen 
einzig  und  allein  aus  verknöchertem  Bindegewebe,  d.  \\.  aus  dem 
Zahnbein  oder  Elfenbein,  dessen  feine,  vielfach  verzweigten  Kanäl- 
chen mit  heller  Ernährungsflüssigkeit  gefüllt  sind.  Bei  vielen  Fischen, 
wo  der  Zahn  ohne  Pulpaliöhle,  also  solid  ist,  wirtl  das  Zahnbein  von 
Gefässkanälen  durchzogen  [Salmo,  Perca,  Gottus,  Bcomher  u.  a.).  Erhält 
sich  der  innerste  Theil  der  ursprünglichen  Zahnpapille  in  unver- 
kalktem  Zustande ,  so  hat  der  Zahn  eine  weiche  Pulpe ,  die  bei 
Plagiostomcn  (wie  ich  bei  Scymnus  llchia  sah)  nerveidos  ist  und  nur 
aus  Bindegewebe  nn"t  Gallertmasse  und  Blutgefässen  besteht.  Bei 
Tetrayonurus^  wo  die  ganze  Mundschleimhaut  pigmentirt  ist,   erscheint 


Zähne. 


303 


auch  die  Zalinpulpe  pigmentirt.    {Mettenheim er,  anut.-histül.  Unters. 
üb.   Tetragoiiurus  Cuvieri.) 

Schmelz  und  Gerne  nt  mang-ehi  den  Zähnen  der  niederen 
Wirbelthiere.  Diese  beiden  Substanzen  gesellen  sich  zum  Zahnbein 
in  den  Fällen,  wo  die  Zahnpapillen  in  Säckchen  eingeschlossen  waren, 
was  bei  einigen  Sauriern  und  den  Säugern  geschieht,   doch  wird  selbst 


B 


Fig.  163. 


A    Junger  Zahn    von  Salamandra,    sich  darstellend  als  verkalkte  Papille 

mit  dem  Epithelüberzug  b. 
B    Zahn    eines  Embryo  von  Torpedo:    a  die  Höhle  des  Zahnes. 

hier  bei  manchen  Zähnen  der  Säuger  (Edentaten,  Stosszähne 
des  Elep hauten  etc.)  der  Schmelz  vermisst,  und  bei  der  grossen 
Mehrzahl  der  Mars upial  ien,  sowie  hei  Sorex,  HyraXj  Dipus  scheint 
der  Schmelz  nur  eine  Modifikation  des  Zahnbeines  zu  sein  (Tomes). 
Beachtung  verdient  auch,  dass  das  Zahnbein  mitunter,  sowie  häufig 
das  Cement  gefässhaltig  ist  (Stosszähne  des  Elephanten,  beim  Faul- 
thier,  Schneidezähne  einiger  Nager  z.  B.),  und  dass  (z.  B.  beim  Luchs, 
Schaf)  Knochenkörperchen  zwischen  den  Zahnröhrchen  sich  finden. 
Der  Schmelz  kann  noch  vom  Cemente  überzogen  sein  (Herbivoren, 
Elephant,  Faulthier,  Wallross  u.  a.).  Die  Schneidezähne  der  Nager, 
die  Backenzähne  der  Wiederkäuer  sind  auch  durch  ein  besonderes 
Pigment  ausgezeichnet.  Das  gelbe  der  Nager  rührt  nach  r.  Bibra 
von  Eisen  oxyd  her. 

§.  269. 
Die    starke    Papillarentwicklunff ,     welche    die    Schleimhaut    der  ^";p"'*"'" 

i  _  O  7  Schlund. 

Mund-  und  E-achenhöhle  bei  den  Fischen  an  den  Tag  legt,  erstreckt 
sich  auch  bei  einigen  Arten  auf  die  Mucosa  des  Schlundes  {Tetragonu- 
rws  z.  B.),  und  auch  diese  Papillen  können  zahn  artig  verknöchern 
(Rhombus,  Stromateus,  Seserinus).  Nicht  minder  sind  seit  Langem  von 
Chelonia  die  grossen  Papillen  im  Schlünde  bekannt,  die  sich  nach 
Rathhe  auch  bei  Sphargis  coriacea  finden.  Otto  [Carus  u.  0.  Er- 
läuterungstaf.  z.  vergl.  A.)  meldet,  dass  diese  grossen  Papillen  im 
Schlünde  der  Seeschildkröten  „im  Leben  einer  deutlichen  Turgescenz 


Scilleiitihaiit 
<le-(  Maj^ens. 


Sclilcinihniit 
ÖCB   Uaniis. 


304  Vom  Nalirungskanal  der  Wirbelthiere. 

und  Aufrichtung  fähig  seien.''  An  einem  Weingeistpräparate  sehe  icli 
nach  Abzug  des  dicken  Epithels  die  einfach  conturirte ,  nicht  mit 
sekundären  Höckern  besetzte  Papille  nur  von  bindegewebiger  Natur, 
selbst  ohne  elastische  Fasern,  und  auch  von  Muskeln  konnte  nichts 
nachgewiesen  werden  ,  '  wohl  aber  zeigten  sich  Spuren  zahlreicher 
Blutcapillaren.  Es  bleibt  demnach  noch  übrig,  an  frischen  Exemplaren 
festzustellen,  wodurch  die  von  Otto  beobachtete  Erscheinung  zu  Wege 
kommt.  Sollten  etwa  im  Inneren  der  Papillen  ähnliche  grosse  Eymph- 
räume  sich  linden,  wie  ich  dergleichen  an  den  Zungenpapillen  der 
Testudo  erkannte ,  und  diese  sich  füllen  und  entleeren  können  ?  — 
Sonst  erscheint  die  Mucosa  des  Schlundes  bei  Eischen ,  Peptilien, 
vielen  Vögeln  und  Säugern  entweder  ganz  glatt,  oder  wenn  sie  sich  in 
Papillen  verlängert,  so  machen  diese  die  Innenfläche  des  Oesophagus 
nicht  höckerig,  sondern  bleiben  unter  dem  Epithel  versteckt  liegen. 
Bei  der  Taube  z.  B.  ist  die  Mucosa  hier  ganz  eben ,  oder  entwickelt 
nur  winzige  Höckerchen,  in  welche  sich  eine  kurze  Grefiisss clilinge  aus- 
buchtet; beim  Haushahn  erblickt  man  längere  Papillen,  die  indessen 
bei  genauerer  Untersuchung  nach  Entfernung  des  Epithels  durch  Kali- 
lauge als  dünne,  mit  Gefässen  versehene  Faltenzüge  erkannt  werden. 
Die  Gans  hat  lange,  schmale,  aber  nicht  eben  dicht  stehende  Papillen. — 
Sehr  allgemein  ist  die  Schleimhaut  des  Schlundes  in  grössere  Längs- 
falten gelegt,  oft  netzförmig  verbunden  [Cobitis  fossilis  z.  B.),  seltener 
sind  Querfalten,  wie  man  sie  h&i  Äcipenser  (hier  mehr  warzenartig) 
oder  bei  Try<jo7i  pastinaca  sieht,  wo  die  starken  regelmässigen  Quer- 
falten der  gelblichen  Schleimhaut  selbst  wieder  runzelig  sind.  Die 
Querfalten  lassen  da  nach  der  Länge  eine  Strecke  frei,  die  nur  kleine, 
netzförmige  Falten  hat. 

§.  270. 
Auch  die  Mucosa  des  Magens  ist  gewöhnlich  längsgefaltet;  die 
Falten  können  sehr  dicht '  stehen  und  zottenartig  werden  (Plicae 
villosae) ,  aber  eigentliche  Papillen  mangeln  im  Magen  der  meisten 
Wirbelthiere;  nur  die  verschiedenen  Abtheilungen,  welche  bei  den 
Wiederkäuern  vor  dem  Labmagen  liegen,  zeigen  mannichfach  vor- 
springende Warzen-  und  blattartige  Bildungen.  (Der  Pansen  des 
Huanaco  und  dos  Dromedars  ist  nach  B er (j mann  und  Leuckart 
ohne  die  konischen  Zä])fchen.)  An  diesen  grossen  Papillen  wieder- 
holt sich  unter  dem  Mikroskop  die  Erscheinung,  dass  ihnen  zahlreiche 
kleinere  oder  sekundäre  Papillen  aufsitzen,  wie  ich  deutlich  an  den 
Papillen  des  Pansen  vom  lieh  und  Rind  nach  Abnahme  des  Epithels 
sehe ;  auch  die  Höcker  auf  den  Falten  des  Blättermagens  gehen 
mikroskopisch  abermals  in  sekundäre  Höcker  aus.  Der  Labmagen  ist 
auch  hier  von  der  gewöhnlichen  papillcnlosen  Beschaffenheit. 

§.  27L 
Die  Schleimhaut  des  Darmes  hingegen  zeigt  fast  durchgängig 
Zotten    und   Leisten   in   mamiiclifaltigcn    Uebergängen.      Zotten  sind 


Darmzotten.  305 

allgemeiner  den  Säugetliieren  und  Vögeln*)  eigen;  sie  sollen  dem 
Maulwurf  fehlen,  was  ich  bestreiten  muss,  denn  man  bemerkt  im  Dünn- 
darm desselben  breite,  blattartige  Zotten,  allerdings  von  etwas  zarter 
Beschaffenheit,  aber  doch  ganz  deutlich  und  mit  Gefässnetzen  aus- 
gestattet. Im  Dickdarm  sind  bloss  die  dem  freien  Auge  sichtbaren 
Falten  zugegen.  Das  Schnabelthier,  dem  die  Darmzotten  angeblich 
ebenfalls  mangeln  sollen,  besitzt  sie  deutlich  im  Dünndarm;  sie  sind 
hier  länger  als  breit.  Zotten  lehlen  auch  manchen  Fischen  nicht. 
Bei  Squatina  z.  B.  finden  sich  im  Darm  kurze,  warzenförmige,  mit 
der  Basis  aneinander  stossende  Zöttchen ;  bei  Spinax  niger  sieht  man 
schöne,  lange  Zotten,  die  im  Anfang  des  Klappendarms  gross  sind 
und  auf  der  Spiralklappe  in  Leistchen  übergehen ,  welche  schräg 
treppenartig  auf  der  Oberfläche  der  Spiralklappe  verlaufen  und  gleich- 
sam sekundäre  Spiralklappen  nachahmen;  bei  Torpedo  erhebt  sich  die 
Spiralklappe  in  Zotten,  Trygon  pastinaca  hat  an  der  vorderen  Partie 
der  Spiralklappe,  welche  dünn  ist,  nur  niedrige  Fältchen,  nach  dem 
hinteren  verdickten  Ende  hin  kommt  es  zu  förmlicher  Zottenbildung. 
Dass  auch  an  grossen  Zotten  die  Oberfläche  derselben  von  Neuem  ni 
sekundäre  Zöttchen  sich  erheben  kann,  zeigt  der  Darm  des  Rhinoceros 
(vergl.  Mayer  in  den  Nov.  Act.  Acad.  Leopl.  1854),  wo  die  Zotten 
zweiter  Linie  so  entwickelt  sind,  dass  die  Mutterzotten  für  das  freie 
Auge  wie  mit  feinen  Härchen  besetzt  erscheinen.  Hier  ist  auch  des 
Elephanten  zu  gedenken.  O.  Carus  giebt  in  den  Erläuterungstafeln 
z.  vergl.  Anat.  eine  vortreffliche  Abbildung  von  der  inneren  Fläche  des 
Dünndarmes  dieses  Thieres ;  die  Schleimhaut  zeigt  einen  grossen  Reich- 
thum  an  Falten,  „welche  in  allen  Richtungen  an  der  Darm  wand  sich  er- 
heben und  oft  länger  als  ein  halber  Zoll  in  die  Höhle  des  Darmes  hinein- 
ragen." Doch  irrt  der  genannte  Forscher,  wenn  er  sagt:  „eigent- 
liche freie  Darmzotten  giebt  es  nicht" ;  ich  sehe  vielmehr  an  einem 
Darmstück  (vom  Ende  des  Krummdarmes)  unter  Wasser  schon  mit 
freiem  Auge,  besser  natürlich  mit  dem  Mikroskop,  die  gewöhnlichen 
Zotten.  Mir  scheint,  als  ob  die  von  Garns  abgebildeten  Falten  auch 
für  kolossale  Zotten  genommen  werden  könnten,  die  dann  nochmals 
mit  den  feinen  Zotten  besetzt  sind.  Hervorheben  möchte  ich  auch, 
dass  die  fraghchen  grossen  Falten  der  Mucosa ,  wenn  man  sie  vor- 
sichtig unter  Wasser  einschneidet,  einen  deutlichen  Hohlraum  zeigen, 
der  zum  Theil  ganz  scharf  begrenzt  ist  und  nach  unten  und  seitlich 
sich  in  die  Alveolarräume  des  submukösen  Bindegewebes  verliert. 
Ich  erblicke  in  diesem  Raum  das  Analogen  des  Chylusraumes  der 
feinen  Zotten,  also  nur  eine  Wiederholung  miki'oskopischer  Bilder  im 
Grossen.     Die    D&vm-Mucosa  des    Elephanten   hat   auch   ihre   eigene 


*)  Bei  der  Gans  sieht  man  die  Zotten  des  Mastdarmes  von  schwärzlicher 
Farbe,  was  von  dunklen,  in  die  Substanz  der  Zotten  eingelagerten  Klümpchen 
(veränderte  Blutkügelchen  ?)  herrührt. 

Leydig,    Histologie.  20 


306  Vom  Nahrungskanal  der  Wirbelthiere. 

Muscularis,  doch  konnte  ich  nicht  mehr  bestimmen,  wie  weit  die  Fasern 
derselben  in  die  verschiedenen  Vorspränge  mit  cauf'steigen.  —  Die  Darm- 
schleimhaut der  meisten  Fische  und  Reptilien  bildet  mit  ihren  Er- 
hebungen Leistchen  und  Fältchen,  die  oftmals  netzförmig  sich  verbinden. 
Im  Enddarm  (Afterdarm)  verliert  bei  niederen  Wirbelthieren  die  J/m- 
cosa  das  zottige,  sammtartige  und  rothgelbe  Aussehen,  indem  sie  wieder 
glatt,  weiss  und  der  Innenfläche  des  Schlundes  ähnlich  wird. 

§.  272. 

Epithel  de!.  Gleichwie    das    Corium    der   äusseren    Haut    von    der    Epidermis 

rohrea.     übcrzogen  ist,    so  wird  auch  die  freie  Fläche  des  in  seinem  mannich- 

faltigen  Verhalten  besciiriebenen  Bindegewebsstratums  der  Schleimhaut 

von  einem  Epithel   überdeckt,   das   nach   den  Lokalitäten   und   den 

Thiergruppen  gewisse  Eigenthümlichkeiten  an  den  Tag  legt. 

§.  273. 
Epithel  In  der  Mund-  und  Rachenhöhle  der  Säug-er,  Vöffel,  beschupp- 

des  Anfang-,-  1       T-i-        1  •  1  IT  TT     i  •  1-1 

dannes.  tcn  Kcptilien  und  Iiische  ist  der  zeilige  Ueberzug  em  geschichte- 
tes Plattenepithel.  Die  Plattenzellen  können  an  bestimmten  Orten 
sich  anhäufen  und  stark  verhornen ,  auch  pigmenthaltig  werden ;  so 
verdickt  sich  das  Epithel  bei  den  Säugern  zu  den  s.  g.  Gaumen- 
wUlsten,  bei  den  Vögeln  ist  da  ebenfalls  an  den  Choanen  das  Epithel 
sehr  stark,  zugleich  häufig  an  der  Zunge,  an  den  Papillen  des  Randes 
der  Tonsillen  (von  Falco  Imted)  schwärzlich  pigmentirt;  hierher  gehören 
auch  die  Barten  der  Wallfische  (das  s.  g.  Fischbein).  Zwischen  den 
Hornplättchen  des  Fischbeins ,  welche  durch  Kalilauge  zu  grossen 
Zellen  sich  aufquellen  lassen,  liegt  ein  eigenthümliches  Lückensystem, 
das  von  den  concentrisch  gelagerten  Zellen  umgrenzt  wird.  Es  sind 
die  Querschnitte  grösserer  und  feinerer  Kanäle,  in  welche  stärkere 
und  zarte,  lange  Papillen  der  bindegewebigen  Mucosa  hineintreten 
(vcrgl.  d.  Holland.  Beitr.  v.  Donders  u.  Moleschott  Bd.  I.  Hft.  1, 
und  besonders  Hehn-Reichert:  de  textura  et  formatione  barbae  ba- 
laenae,  Dorp.  1849).  Auch  die  Kieferscheiden  der  Vögel  und  Schild- 
kröten, die  Hornscheiden  auf  den  Zungenpapillen  mancher  Säuger 
(Fledermäuse,  Fleischfresser),  wodurch  die  Zunge  sich  rauh,  wie  eine 
Bürste  anfühlt,  sind  verdickte  E])ithelialbildungen ,  doch  sind  die 
eigentlichen  Geschmackswärzchen  bei  einzelnen  Tliieren  frei  von  dieser 
Bewafi'nung.  G.  Carus  giebt  z.  B.  eine  Abbildung  von  der  Zunge 
der  Leaeria  persica  und  erklärt  dazu,  dass  hier  immer  vor  den  mit 
starkem  Hacken  versehenen  Papillen  noch  ein  Büschel  von  weichen, 
gctheilten  Geschmackswärzchen  sitzt.  Es  giebt  auch,  was  schon  er- 
wähnt wurde,  wahre  Hornzähnc  bei  Cyklostomen,  dem  Schnabel- 
thier  u.  a.  Man  kennt  ferner  eine  Anzahl  von  Säugern  mit  theilweiser 
Behaarung  des  Mundes:  Lejms  timidus,  Arctomys  citillits,  Pteromys, 
Hystrix  prebentfüt's,  Ayouti,  Paca,  Äscomys  canadensis,  Mynnecophaga 
didactyla ,  Alants  pentadactyla  und  tetradactyla  (G.  Carus  und 
Lichtenstein).  Nach  Molin  ist  auch  die  „Zahnplatte"  am  Os 
hasüare    occipitis    der   Cyprincn    (Cyprmus    carjJto ,    Tinea   chrysitis, 


Epithel. 


307 


Barhus  ßuviatilis,    Abramis   hrama,    Leuciscus    dohula,    Cho7idrostoma 
nasus)  eine  Verdickung  des  Epitliels  (Sitzb.  d.  Wien.  Akad.   1850). 

§.  274. 
Abweichend  von  allen  genannten  Thierabtheilungen  bat  die  Mund- 
und  R a c h e n s c b  1  e i ni h a u t  der  Batracbier  ein  gescbicbtetes 
Flimmerepitbel,  wie  man  wenigstens  bei  Fröschen,  Kröten  und 
Salamandern  sieht;  doch  habe  ich  beim  Proteus  vergeblich  darnach 
gesucht,  und  auch  beim  Frosch  giebt  es  flimmerlose  Stellen.  Die 
Flimmerzellen  nämlich,  welche  die  Papulae  fungiformes  der  Zunge 
überziehen ,  nehmen ,  am  Rande  der  vertieften  Fläche  der  Papille 
(s.  Fig.  164)  angekommen,  eine  ganz  andere  Natur  an ;  vorher  hell  und 
mit  den  Flimmerhärchen  versehen,  verlieren  sie,  indem  sie  das  quer 
abgeschnittene,  vertiefte  Ende  der  Papille  überdecken,  ihr  helles  Aus- 
sehen und  ihre  Cilien,  der  Inhalt  wird  feinkörnig  und  nimmt  einen  Stich 
in's  Gelbliche  an.  Bei  Batrachiern  sieht  man  auch ,  dass  bereits  die 
Epithelzellen  der  Rachenhöhle  sich  in  helle  scheiden  und  in  solche, 
welche  mit  eiweissartigen  Kügelchen  angefüllt  sind. 

Fig.   164. 


Papilla    f  ungiform  is    der    Froschzunge, 
a  Gefässe ,    b    Nerven  ,    c    das  Epithel.     (Starke  Vergr.) 

§.  275. 
Das  Epithel  des  Schlundes  verhält  sich  bei  drei  Wirbclthier- 
klassen,  den  Säugern,  Vögeln  und  Fischen,  wie  in  der  Mund- 
höhle, d.  h.  ist  ein  geschichtetes  Plattenepithel,  welches  zu- 
weilen eine  ungewöhnliche  Dicke  erreichen  kann,  wenigstens  werden, 
wie  ich  finde,  die  harten  Vorsprünge  oder  Warzen,  welcbe  man  am 
unteren  Ende  des  Schlundes  ^om  Biber  gewahrt,  bloss  vom  Epithel 
gebildet.  Die  faltigen  Erhebungen  des  Bindegewebssü-atums  darunter 
sind  nicht  höher  als  auf  der  übrigen  Schlundfläche.  Aehnlich  ist  viel- 
leicht auch  der  Bau  der  vielen  rückwärts  gekehrten  Papillen,  welche 
Home    vom    Ende    des    Schlundes    der    Echidna   beschreibt.    —    Bei 

20* 


Epitliel  des 
Schlundes, 


308  Vom  Nahrungskanal   der  Wirbelthiere. 

vielen  Amphibien,  selbst  solchen,  welche  in  der  Mundhöhle  keine 
Flimrnerung  haben,  findet  sich  im  Schlünde  ein  geschichtetes 
Wimperepithel  (beim  Grasfrosch,  Feuerkröte,  Land-  und  Wasser- 
salaniander,  Landschildkröte,  Eidechse ,  Blindschleiche,  Ringelnatter. 
Nur  beim  Proteus  habe  ich  die  Cilien  vermisst  und  auch  das  hornartige 
Epithel  im  Schlünde  der  Seeschildkröte  ist  ebenfalls  flimmerlos)."  Am 
Plattenepithel  im  Schlünde  der  Vögel  fällt  mir  auf,  dass  die  Zellen 
Eettpünktchen  zum  Inhalt  haben,  die  namentlich  im  Kröpfe  (z.  B.  der 
Taube)  sehr  zahlreich  werden.  Wie  schon  mikroskopisch  solche  Zellen 
sehr  an  die  Sekretionszellen  der  Milch  bei  Säugethieren  erinnern, 
so  darf  man  gewiss  die  Erscheinung,  dass  die  Tauben  zur  Brütezeit 
einen  milchartigen  Saft  hier  absondern,  worauf  durch  Hunter  (1786) 
zuerst  aufmerksam  gemacht  worden  zu  sein  scheint,  mit  diesen  fett- 
haltigen Zellen  in  Zusammenhang  bringen.  Sie  entsprechen  physio- 
logisch den  Milchzellen  der  Säuger. 

§.   276. 
'Kpiuiei  Das   Epithel    vom    Magen   und   Darm  tritt   im   Allgemeinen   als 

una  u«rm!  C  j  1 1  n  d  c r c p  1 1 li 0 1  Huf.  (Bei  Cohitis  fossüis  besteht  das  Magenepithel 
in  der  tiefer  gelegenen  Schicht  aus  Cylinderzellen,  während  die  Zellen 
der  oberflächlichen  Lage  rund  sind.  Im  Darm  der  Katze  sind  nach 
Fink  die  Epitheliumscylinder  an  den  Spitzen  der  Zotten  beständig 
höher,  als  an  den  seitlichen  Wänden.)  Das  Magen-  und  Darmepithel 
wimpert  bei  Säugern  und  Vögeln  nie ,  auch  nicht  im  embryonalen 
Zustande;  bei  Batrachiern  indessen,  sowie  bei  den  Se  lach  lern 
ist  es  im  Fr)talleben  ein  flimmerndes  (Leyätg,  Rochen  u.  Haie)  und 
bei  einigen  der  niedersten  Wirbelthiere,  dem  Avqjhioxus  (Joh.  Müller, 
Retzius)  und  Petromyzon  {Leydig,  Unters,  üb.  Fische  u.  Reptil.) 
behält  es  zeitlebens  das  Cilienspiel.  A,  Müller  meldet  auch  jüngst 
[Müll.  Arch.  1856),  ein  Flimmerepithel  im  Schlünde  der  jungen 
Petromyzonten  wahrgenommen  zu  haben. 

§.  277.  _ 
iiuinHohiciit  Wenn    der  Magen    bei    Säugern    ein    zusammengesetzter    ist ,    so 

im  Musuei-  [  j  j-^  /jj^.j  (jßj-^  W 1  c  d  c T k  ä  u  c  r  u)  alle  dem  Labmao-en  vorhero-ehen- 
vüK'^i-  tlen  Hr»hlungen  ein  geschichtetes,  ziendich  stark  verhorntes  Piatten- 
epithel  und  erst  im  Labmagen  hebt  das  Cylinderepithel  an.  Ebenso 
hat  die  Cardiahälfte  des  Magens  von  Nagern  ,  vom  Pferd  und  viel- 
leicht überall,  wo  sich  eine  Theilung  in  eine  Portio  cardiaca  und  in 
eine  Portio  pylorica  ausspricht,  die  erstere  das  Epithel  des  Schlundes 
und  die  letztere  Cylinderepithel.  —  Sehr  merkwürdig  verhält  sich 
der  Muskelmagen  der  VJigcl.  Das  Sekret  nändich,  welches  die 
Di-üsen  des  Magens  absetzen,  häuft  sich  über  den  Cylinderzellen  an 
und  erhärtet  meist  zu  einer  derben  Kruste,  welche  fälschlich  als  „liorn- 
artigos  Epithel"  des  Muskelmagens  in  den  Büchern  figurirt  (meine  gegen- 
thciligcn  Beobachtungen  in  Müll.  Arch.  1854,  S.  331,  o3o).  \is  können 
zwar  einzelne  Zellen  mit  in  das  Sekret  gerathen  sein,  aber  der  Haupt- 


309 


Durchschnitt    durch    den  Muskelmagen    des  Reihers. 

a  die  Gallertschicht ,    das  Analogen  der   sog.  schwielig  verdickten  Epidermis  bei 

anderen  Vögeln,  b  die  drüsigen  Einsackungen  der  Schleimhaut,  c  die  Schichten  der 

Muskelhaut,  d  der  bindegewebige  Ueberzug  des  Magens.     (Starke  Vergr.) 

masse  nach  ist  es  durchaus  nicht  ein  Epidermisgebikle,  sondern  eine 
homogene,  geschichtete  Substanz,  unterhalb  welcher  erst  die  Epithel- 
oder Sekretionszellen  der  Magendrüsen  kommen  (vgl.  oben  Fig.  23).  Bei 
manchen  Vögeln,  wie  ich  es  z.B.  an  einem  frischen  Reiher  {Ardea  cinerea) 
beobachte,  bleibt  das  Sekret  eine  helle,  gallertige  Substanz,  zum  Theil  in 
Folge  der  Schichtung  von  leichtstreifigem  Aussehen.  Auch  einzelne 
Kerne,  wohl  von  abgestossenen  Zellen  herrührend ,  werden  in  ihr  unter- 
schieden. Man  darf  vielleicht  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht  die  glas- 
helle, homogene  Schleimschicht,  welche  man  im  frischen  Magen  mancher 
Säuger  über  dem  Epithel  erblickt  und  in  der  mehr  oder  weniger 
abgestossene  Epithelzellen  sich  finden,  nicht  eine  ganz  analoge  Bildung 


310 


Vom  Nahrungskanal  der  Wirbelthiere. 


Poreiikaiiiilp, 


Schleim- 
Zellen« 


ist?  —  Von  anderer  Natur  zeigt  sich  hingegen  die  „Hornschicht''  im 
Magen  der  Echidna,  Bradyj^us  und  Halmaitirus.  Beim  Faulthier,  wo 
ich  sie  untersuchte,  besteht  sie  aus  Lagen  sehr  abgeplatteter  Epithel- 
zellen, welche  keinen  Kern  mehr  haben.  Dieses  dicke,  stark  ver- 
hornte Epithel  bildet  nicht  bloss  bei  Echidna  in  der  Nähe  des  Pfört- 
ners hornige  Papillen,  sondern  auch  beim  Faulthier  sehe  ich  dasselbe, 
nur  ist  zu  ihrer  Darstellung  eine  geringe  Vergrösserung  nothwendig. 
Auch  möchte  ich  vorbringen,  dass  die  Zellen  dieser  Hornpapillen  ein  so 
eigenthümliches,  fein  punktirtes  Aussehen  haben ,  dass  man  an  das  Vor- 
handensein von  feinen  Porenkanälen  der  Zellenmembran  denken  könnte. 

§.  278. 
Am  Darmepithel  wahrscheinlich  aller  W  irbelthiere  (den  Menschen 
mit  eingeschlossen)  verdienen  noch  zwei  Bildungen  Beachtung.  Das 
erste  sind  die  Porenkanäle  in  der  Cuticula  des  Epithels.  Die 
Cuticula  nämlich,  gewissermaassen  die  erste  Andeutung  jener  über 
die  Epithelzellen  ausgeschiedenen  homogenen  Lage,  welche  im  Muskel- 
magen der  Vögel  ihr  Extrem  erreicht,  ist  von  feinen,  senkrecht  stehen- 
den Kanälchen,  den  Porenkanälen  durchsetzt,  welche  die  homogene 
Cuticularschicht  fein  streifig  und ,  von  der  Fläche  gesehen ,  fein 
punktirt  erscheinen  lassen.  Das  andere  ist  die  Anwesenheit  be- 
sonderer Zellen  zwischen  den  ordinären  Epithelzellen.  Im  Darm 
der  Fische,  Reptilien,  Vögel  und  Säuger  fallen  kolbige  oder  keulen- 
förmige Zellen  auf,  die  mehr  oder  weniger  prall  mit  Körnchen  er- 
füllt   sind    und    dadurch    von    den    umliegenden  Zellen  ohne  Weiteres 

Fig.   166. 


/ 


eines    Weissfisches. 

(Starke  Vergr.) 


finden 
mahnt. 


Ich  glaube   annehmen  zu  dürfen, 


Epithel    der    Darm  Schleimhaut 
a  die  gewöhnlichen  Cylinderzellen,  h  die  Schleimzellen. 

abstechen.       Es    sind    dieselben    Zellen ,     Avelciie    sich    auch    in     der 
Epidermis  der  äusseren  ETaut  von  Mollusken  {Polndina  vivipara  z.  B.) 
deren   äussere   Haut  ja   auch   sonst    an    tue  Schleimhäute  ge- 

dass  wir  in  diesen  kolbigen 
Die  beiden 

Zellenarten  scheinen  nur  in  der  Form  verschieden  und  diese  wieder 
abhängig  zu  sein  von  der  Spezies  des  Epithels,  in  welche  sie  einge- 
streut sind.  Daher  hat  das  plattzellige  Epithel  in  der  Mund-  und 
Rachenhöhle  bei  Fischen  die  dem  Runden  sich  nähernden  „Schleim- 
zellen"; und  auch  im  Magenepithel  von  Cohitis  fossilis ,  wo,  wie  er- 
wähnt, die  Zellen  der  oberen  Schicht  rund  sind,  begegnen  wir  ebenso 


Zellen  das  Analogen  der  „Schleimzellen"  vor  uns  haben 


Drüsen, 


311 


geformten  „Schleimzellen."  Im  Cylindciepithcl  des  übrigen Traktus  aber, 
in  Uebereinstimmung  mit  den  umgebenden  Zellenformen,  haben  sie  sich 
in  die  berührten  kolbigen  oder  keulenförmigen  Zellen  mit  granulärem 
Inhalt  umgewandelt. 

§.  279. 
Es  wurde  vorhin  gesagt,  dass  der  Enddarm  bei  Fischen  (Rochen, 
Haien)  schon  im  äusseren  Ansehen  der  Innenfläche  des  Schlundes 
gleiche,  und  er  hat  auch  wieder  anstatt  des  Cylinder-  ein  Platten- 
epithel. Ebenso  besitzt  nicht  minder  die  Kloake  der  Vögel  ein  ge- 
schichtetes Plattenepithel.  —  (Auffallend  ist  mir,  im  Darm  von  Cohitis 
fossilis,  wo  bekanntlich  dieses  Organ  zugleich  der  Athmung  dient,  ein 
Epithel  nicht  nachweisen  zu  können,  Müll.  Arch.  1853.  S.  6.) 

§.  280. 
Von  der  bindegewebigen  und  epithelialen  Schicht  der  Schleimhaut 
werden  gemeinschaftlich  die  drüsigen  Bildungen  zusammengesetzt, 
welche  als  Einsackungen  der  Mucosa  auf  Flächenvermehi-ung  der- 
selben hinwirken.  Doch  ist  die  Anwesenheit  von  Drüsen  keineswegs 
ein  ausnahmsloser  Charakter;  ich  vermisse  vielmehr  bei  Petromyzon 
fluviatilis,  Myxine,   sowie  bei  Cobitis  fossilis  die  Drüsen  im  Schlund, 


Fpithel  des 
Enddarmea. 


Magen  und  Darm. 


Fig.   167. 


«-  -, 


a 
c 


Drüse  aus  der  Mundschleimhaut  der  Taube. 
Tunica  propria    und    ihre  Fortsetzungen   ins  Innere,    b  die  Sekretionszellen, 
die  Drüsenöffnung    und    um    sie    herum    das   Plattenepithel    der  Mundhöhle, 
d  durchschimmerndes  Blutgefäss,   welches  die  Oeffnung  umgiebt. 

(Starke  Vergr.) 

Auch  die  Mund-  und  Rachens  chleimhaut  der  übrigen 
Fische  ist  immer  drüsenlos,  und  wenn  manche  Autoren  von  Drüsen- 
öflnungen  sprechen,  so  sind  wahrscheinlich  die  Mündungen  der  „becher- 
förmigen Organe",  welche  den  Papillen  aufsitzen,  für  solche  genommen 
worden.  Die  Mucosa  vom  Mund  und  Rachen  der  Säuger  hat  wohl  allezeit 
Schleimdrüsen,  und  was  vielleicht  weniger  bekannt  ist,  die  Haut  der 
nackten  Schnauzengegend  finde  ich  beim  Rind  und  Hirsch  mit  sehr  ent- 
wickelter traubiger  Drüsenmasse  ausgestattet.  Bei  den  Amphibieni,hat 
wenigstens  die  Zunge  beim  Frosch,  Schildkröte,  Chamäleon,  Grocodilus 


Drüsen  des 

Nahruugs- 

rolires. 


Drllsen  des 
Anfang- 
dnrine?^» 


312  Vom  Nahrungskanal   der  Wirbelthiere. 

sclerops,  zahlreiche  Drüsen,  wenn  auch,  wie  z.  B.  beim  Frosch,  die 
übrige  Rachenschleimhaut  dergleichen  entbehrt.  Bei  Anguis  fragilis, 
wo  die  Zunge  ohne  Drüsen  zu  sein  scheint ,  sehe  ich  zu  beiden  Seiten 
der  Zunge  am  Boden  der  Mundhöhle  eine  Drüsengruppe,  welche  für 
das  freie  Auge  einen  besondern  länglichen  Wulst  bildet.  Es  sind  mehr- 
mals eingekerbte  Säckchen ,  so  dass  sie  sich  dem  traubigen  Drüsentypus 
nähern.  {Treviranus  sah  bei  Chamaeleo  carinatus  auf  beiden  Seiten 
der  unteren  Kinnlade,  an  der  innwendigen  Seite  der  Zähne,  eine 
wulstige,  mit  Papillen  besetzte  Lefze,  die  ich,  nach  dieser  Beschreibung 
zu  schliessen  für  analog  dem  Drüsenwulst  der  Anguis  fragilis  halten 
möchte).  Bei  den  Vögeln  häufen  sich  die  Drüsensäckchen  ebenfalls  an 
bestimmten  Stellen,  z.  B.  zur  Seite  der  Zunge,  Kieferrand,  an  und 
bilden  für  das  freie  Auge  gut  unterscheidbare  Massen ,  auch  die  Ton- 
sillen, wie  ich  wenigstens  an  8trix  passerina  und  Falco  huteo  sehe,  sind 
von  derselben  Natur  wie  die  übrigen  Drüsenfollikel  der  Mund-  und 
Rachenhöhle  und  kömiten  für  den  Fall ,  dass  die  Tonsillen  der  Säuger, 
wie  Manche  behaupten ,  aus  geschlossenen  Säckchen  bestehen,  mit  letz- 
teren nicht  zusammengestellt  werden,  doch  vergleiche  man  was  liierüber 
oben  §.  246  bemerkt  wurde.  Nimmt  man  Rücksicht  auf  die  Form 
dieser  verschiedenen  drüsigen  Bildungen,  so  sind  es  entweder  ein- 
fache kürzere  oder  längere  sackförmige  Einstülpungen  der  bindege- 
webigen Mucosa,  in  welche  sich  die  Epithelzellen  fortsetzen,  oder  der 
Drüsenraum  buchtet  sich  etwas  mehr  aus,  die  Tunica  "proijria  bildet  Vor- 
sprünge ins  Innere.  Die  Zungendrüsen  des  Frosches  (besonders  gut 
an  gekochten  Zungen  wahrzunehmen)  sind  an  ihrer  Ausmündung 
trichterfcirmig  erweitert.  An  den  Secretionszellen  der  Zungendrüsen 
des  Triton  igneus  glaube  ich  Flimmerhaare  gesehen  zu  haben.  Her- 
vorheben darf  man  auch  besonders,  dass  nur  bei  Säugern  die  Drüsen, 
indem  die  verästelten  Kanäle  sich  ausbuchten  und  zu  einem  Knäuel  sich 
zusammenschieben,  einen  wirklich  traubigen  Typus  annehmen,  wäh- 
rend sie  bei  den  ReptiHen  und  Vögeln,  wenn  sie  auch  anscheinend  traubig 
sind,  immer  nur  die  Form  eines  Beutels  haben,  dessen  Innenfläche 
allerdings  durch  viele  häutige  Vorsprünge  vervielfältigt  ist. 

§.  281. 
i)ru,en  des  Dcr  Schluud   dcr  Fische  und  der  Mehrzahl  der  Amphi  bien 

ist  ohne  D  r  ü  s  e n b  i  1  d  u  n  g  e  n  ;  sie  mangeln  nach  meinen  Erfahrungen 
bei  Gystignathus  oceUatus^  Uombinator  igneas,  tiiredon  piscifornns,  Sa- 
lamandra  maculatd,  Lacerta  agilis,  Coluber  natrix;  kommen  dagegen 
vor  bei  Rana  temporaria,  Proteus  anguinus,  (wo  sie  wegen  ihrer  Grösse 
tuberkelartig  hervorragen  und  gegen  den  Magen  zu  immer  grösser 
werden),  Testudo  graeca  (mit  freiem  Auge  wohl  erkennbar  und  da- 
durch, dass  das  Bindegewebe  zwischen  ihnen  weiss  ist,  der  Schleimhaut 
ein  netzförmiges  Aussehen  gebend).  Umgekehrt  zeigt  sich  die  Schleimhaut 
des  Schlundes  von  Vögeln  und  Säugern  sehr  constant  mit  Drüsen 
versehen.     Bezüglich  ihrer  Gestalt  und   sonstigen  Natur   verhalten  sie 


öchluüdes. 


Drüsen. 


313 


sich  ganz  wie  die  Drüsen  der  Mnnd  und  Rachenhöhle ,  bei  Strix  passe- 
rina  sind  sie  am  ßeg-inn  des  Schhnides  äusserst  zaMreich  und  länghche 
Schläuche,  an  Lieberkühnsche  Drüsen  erinnernd,  beim  Reiher  {Ardea 
cinerea)  findet  man  die  Drüsensäckchen  kürzer,  aber  ebenfalls  dicht  ge- 
drängt an  ein  ander,  beim  Auerhahn  rücken  sie  ziemlich  weit  von  ein- 
ander weg,  bei  der  Taube  fehlen  sie  im  obern  Abschnitt  des  Schlundes 
ganz  und  treten  erst  gegen  den  Kropf  hin  auf  und  wiederholen  eben 
immer  die  Form  einfacher  oder  mit  innerer  Septenbildung  ausgestatteter 
Beutel.   Nach  innen  mit  sekundären  Follikeln  sind  sie  auch  beim  Proteus 

versehen. 

Fig.   168. 


Durchschnitt  durch  die  Häute  des  Schlundes  vom  Reiher. 

a  die  Schleimhaut  mit  den   dicht  stehenden  Drüsen  ,    b  die  beiden  Muskellagen, 

c  die  äussere  bindegewebige  Umhüllung  des  Schlundes.    (Geringe  Vergr.) 

§.   282. 

Wohl  am  regelmässigsten  besitzt  bei  allen  Wirbelthieren  mit  Aus- 
nahme der  genannten  Fische  die  Schleimhaut  des  Magens  Drüsen. 
Bei  den  Plagiostomen  besetzen  die  Drüsen  nicht  vollständig  die  In- 
nenwand des  Magens,  sondern  die  Schleimhaut  behält  auf  bestimmte 
Strecken  hin  ihre  vom  Schlund  mit  herübergenommene  Beschaffenheit. 


B 


Fig.   169. 


Magendrüsen  der  Fische. 

A  Labdrüsen  von  Torpedo,    B  Labdrüsen  von  Acipenser. 

n   die  Drüsenöffnung,  b  die  Epithelzellen  der  Innenfläche  des  Magens.    (Starke  Vergr.) 


Magen- 
drüsen. 


314  Vom  Nahrungskanal  der  Wirbelthiere. 

Es  beginnt  nämlich  die  Drüsenlage  mit  verschiedenen  Ausläufern  und 
Zacken  gegen  den  Oesophagus  zu  und  es  ziehen  von  da  durch  die  ganze 
Länge  des  Magens  gleichsam  weisse  Furchen,  die  ohne  Drüsen  sind; 
ebenso  verstreichen  die  Drüsen  nach  dem  Pylorus  hin  schon  in  ziem- 
licher Entfernung  von  ihm,  aber  nicht  mit  einemmale,  sondern  wieder 
läuft  das  Drüsenstratum  in  mehrere  Spitzen  und  Zacken  aus.  Was  die 
Form  der  Magendrüsen  betrift't,  so  sind  es  dicht  neben  einander  stehende, 
nach  unten  blindgcendigte  Röhren,  deren  blindes  Ende  auch  häufig  etwas 
kolbig  erweitert  ist.  Beim  Stör  sind  es  kurze  cylindrische  Säcke,  die  aber 
nicht  so  dicht  sich  folgen,  dass  bei  Betrachtung  der  Schleimhaut  von 
oben  Mündung  an  Mündung  liegt,  sondern  es  bleibt  immer  einiger  Raum 
zwischen  den  Oeffnungen  der  Drüsen  übrig.  Die  Magendrüsen  des 
Polypterus  sind  im  vordem  Theil  des  Magens  ziemlich  lange  Schläuche, 
die  aber  mit  der  Verdünnung  der  Schleimhaut  gegen  das  blinde  Ma- 
genende zu  ebenfalls  an  Länge  abnehmen,  dabei  indessen  ihren 
Querdurchmesser  vergrössern  und  zuletzt  nur  ganz  seichte,  aber  breite 
Crypten  der  Schleimhaut  repräsentiren ,  die  auch  nicht  mehr  eng 
an  einander  stehen ,  sondern ,  je  näher  dem  blinden  Magenende, 
immer  weiter  auseinander  gerückt  sind,  bis  sie  endlich  ganz  vereinzelt 
zu  stehen  kommen.  • —  Die  Magendrüsen  der  Batrachier  und  auch 
der  beschuppten  Reptilien,  Testudo  graeca,  Lacerta  agilis  z.  B., 
erscheinen  vielleicht  durcliM^eg  als  kurze  Säckchen*),  die  eine  gewisse 
gruppenweise  Anordnung  nicht  verkennen  lassen.  Auch  die  schmalen 
schlauchförmigen  Drüsen,  welche  hn  Muskelmagen  der  Vögel  unter- 
halb der  fälschlich  sogenannten  Hornschicht  liegen,  stehen  immer 
truppweise  beisammen,  und  endlich  im  Drüse nmagen  der  Vögel 
erreicht  die  Isolation  solcher  Gruppen  ihren  schärfsten  Ausdruck  da- 
durch, dass  immer  eine  grössere  Anzahl  von  Schlauchdrüsen  durch 
eine  gemeinsame  bindegewebige  Hülle  zu  einem  Ganzen,  zu  einem 
abgeschlossenen   Paquet,    verbunden  wird.     {Molin   in   d.  Denkschr. 


*)  Nur  im  ersten  dickwandigen  Magen  der  Krokodile  (Crocodihcs  niloticus)  sehe 
ich  die  dicht  stehenden  Drüsen  unter  der  Form  sehr  hxnger,  verhältnissniässig  enger 
Schläuche;  im  zweiten  dünnwandigen  Magen  sind  es  kurze,  weite  Säcke.  An  dem  vor 
mir  liegenden  Präparate  fehlt  das  Ei)ithel  des  Magens  vollständig,  was  ich  um  so 
mehr  bedaure,  als  ieh  dasselbe  von  ähnliclier  Uescliaft'enheit  vermuthe,  wie  „die  Horn- 
schicht" im  Muskelmagen  der  Vügcl.  Es  sprechen  auch  mehre  Autoren  von  einem 
^starkem  Epithelium"  dieser  Magcnabthcilnng  ,  welche  durchaus  grosse  Aehnlich- 
keit  mit  dem  Fleisclnuagen  der  Vögel  liat.  —  Von  manchen  Zootomeii  wird  auch 
die  Magenbildung  der  Pipa  dorsif/era  mit  der  des  Krokodils  verglichen,  was  mir 
nicht  ganz  passend  scliuint ,  denn  der  sog.  zweite  Ivlchicrc  Magen  der  Pipa  dürfte 
wühl  besser  als  erweiterter  Anfang  des  Duodenums  angesehen  werden.  Der  sog. 
erste  Magen  ist  aber  insofern  erwähnensweitli ,  als  er  gegen  den  Fylorus  zu  im 
Innern  schwarz  pigmentirt  ist.  Das  Pigment  liegt  in  dem  starke  Netzfalten  bil- 
denden Bindegewebsstratum  der  il/ju'OA« ,  das  Epithel  besteht  aus  schönen  Cylinder- 
zellen,  die,  indem  sie  die  Vertiefungen  zwischen  den  Fältchen  auskleiden,  die  Rolle 
von    Drüsenzclien  spielen. 


Drüsen.  315 

Fig.   170. 


Durchschnitt    durch    den  Drüsenmagen    der  Taulie. 

a  Schleimhaut    mit    den  Paqueten  der  Labdrüsen,    b  die  Muskelsehichten, 

c  die  äusserste  bindegewebige  Umhüllung. 

d.  Wien.  Akacl.  1850,  Leydtg  in  Müll.  Arch.  1854  S.  331,  333.)  — 
Die  Mag-endrüsen  der  S  äugetliiere  sind  entweder  einfache,  cylin- 
drisclie  Schläuche,  das  blinde  Ende  gern  etwas  verbreitert,  auch  leicht 
eingekerbt,  daher  wie  gespalten,  oder  es  vereinigen  sich  mehre 
Schlauchdrüsen  zu  einem  grössern  Gang,  mit  dem  sie  sich  in  das 
Magenlumen  öffnen.  In  diesen  zusammengesetzt  -  schlauchförmigen 
Magendrüsen ,  wie  solche  beim  Hund ,  der  Katze ,  Pferd ,  Hase, 
Kaninchen,  Schwein  u.  a.  beobachtet  worden  sind,  erblicke  ich  das 
Analogon  der  abgesetzten  Drüsenpaquete  im  Proventriculus  der  Vögel. 

§.  283. 
Ein  besondres  morphologisches  Interesse  gewährt  im  Baue  der  Säuge- 
thiere  jene  Magenform,  welche  sich  in  eine  Portio  carcUaca  und  Portio 
pijlorica  mehr  oder  w^eniger  abschnürt  und  dabei  für  den  linken  Ab- 
schnitt, der  dann  gewöhnlich  drüsenlos  ist,  eine  eigne  starke  Drüsen- 
scliicht  besitzt.  Ich  kenne  aus  Autopsie  die  histologischen  Verhältnisse 
nur  von  Gastor  fiber  VixAManatus  australis.  Die  grosse  Magendrüse 
des  Bibers  besteht  aus  schlauchförmigen  Labdrüsen,  die  in  Gruppen 
geordnet  sind  und  in  cavernöse  Räume  münden,  von  denen  der  Drüsen- 
wadst  durchzogen  ist.  Beim  Manati,  wo  der  Magen  genau  in  zwei 
Hälften  geschieden  wird,  von  denen  die  Schleimhaut  der  Portio  cardiaca 
glatt  und  drüsenlos  ist,  während  die  Portio  pijlorica  die  gewöhn- 
liche Ausstattung  mit  Labdrüsen  darbietet,  hat  diese  letztere  Abthei- 
lung zwei  Blindsäcke,  w^elche  einfache  Ausstülpungen  der  Magen- 
häute von  derselben  histologischen  Beschaflenhcit  repräsentiren,  wie 
die  Portio  ]iylorica  selber;  der  Blindsack  hingegen  an  der  linken 
Magenportion  ist  von  ganz  anderer  Art  und  entspricht  dem  Drüsen- 
wulst am  Magen  des  Bibers.     Er  hat  keine  einftiche  mit  dem  Magen- 


316 


Vom  Nalirungskanal  der  Wirbelthiere. 


Aus  der  Mageiidrüse  des  Manatus  australis. 

Man  unterscheidet   drei    schlaucliförmige  Abtheilungen ,    man    könnte    sagen  (a)  die 

Enden   einer  kolossalen  zusammengesetzt-schlauchförmigen  Drüse  und  erst  innerhalb 

dieser  Schläuche  liegen  die  Labdrüsen  (b).     (Geringe  Vergr.) 

lumen  communicirende  Höhlung-,  sondern  sein  Inneres  ist  cavernös 
und  die  Areolen  sind  für  das  freie  Auge  mit  einer  gelbweissen, 
körnig-bröckligen  Masse  erfüllt.  Durch  mikroskopische  Untersuchung 
erfährt  man,  dass  der  ganze  Blindsack  ein  Aggregat  von  schlauch- 
förmigen Drüsen  ist.  Bindegewebe  formt  das  Fächerwerk,  wobei 
es  nun  sehr  merkwürdig  ist,  dass  bei  Betrachtung  grösserer  Schnitte 
das  Bindegewebe  ähnliche  Umrisse  zieht,  wie  wenn  eine  zusammen- 
gesetzt -  schlauchförmige  Drüse  zu  zeichnen  wäre ,  und  man  glaubt 
bei  geringer  Vergrösserung ,  die  Wand  dieser  scblauchförmigen  Hohl- 
räume sei  mit  cylindrischen  Sekretionszellen  besetzt,  bis  stärkere 
Vergrösserungcn  aufdecken,  dass  die  vermeintlichen  Sekretionszellen 
vollkommen  ditfcrenzirte  schmale  schlaucbföi-nu'gc  Labdrüsen  sind,  an 
denen  man  die  Tunica  pvopria  und  die  Epithclzcllen  klar  sieht.  Wir 
finden  demnach  hier  in  ähnlicher  Art  wie  ich  früher  (Zeitschr.  für 
wiss.  Zool.  1850)  von  tler  Profffata  des  Pferdes  abgebildet  habe,  eine 
fortwährende  Wiederholung  der  Formen ,  indem  eine  Anzahl  von 
cylindrischen  Labdrüsen  von  gemeinsamer  Haut  umgeben  den  läng- 
lichen Äcinus  von  einer  scheinbaren  grossen  zusammengesetzt-schlauch- 
förmigen  Drüse  bildet,  und  durch  die  Vereinigung  derselben  ent- 
stehen abermals  grössere  Drüsenmassen,  die  dann  ziihtzt  mit  mehren 
Oeffnungen  in  den  ersten  oder  Cardiamagen  münden.  —  Neuerdings 
untersuchte  auch  Ecker  die  Magenschleimhaut  von  Delphinus  Phocaena 


Drüsen.  317 

und  fond,  dass  im  zweiten  Magen  die  Labdrüsen  eine  n>ächtige  Ent- 
wicklung zeigen,  wodurch  sie  eine  Anzahl  dicker  Wülste  der  Mucosa 
bedingen  (Vcrhandl.  der  Gesellsch.  für  Beförder.  der  Naturwissensch. 
in  Freiburg  1855.)  —  (Etwas  Aehnliches  sieht  man  wahrscheinlich  auch 
bei  Myoxus  avellanarius  und  den  eigentlichen  Siebenschläfern,  wo  nach 
mehren  Forschern  ein  eigener  kleinerer,  sehr  dicker  und  drüsenreicher 
Vormagen  noch  stärker  als  bei  Vögeln  vom  zweiten  Magen  abgeschnürt 
ist;  ebenso  sind  noch  Manis  und  andere  Säugethiere,  von  denen 
eigene  Magendrüsen  gemeldet  werden,  einer  eingehenden  Untersuchung 
zu  unterwerfen.  Am  Magen  des  Maulwurfes  sind  die  schlauchförmigen 
Labdrüsen  am  Cardiatheil  stärker  entwickelt,  als  an  der  Pylorushälfte.)  — 
Beim  Rind  vermisse  ich  in  den  vor  dem  Labmagen  liegenden,  mit  starkem 
Plattenepithel  versehenen  Mägen  jegliche  Spur  von  Drüsen;  Wedl 
spricht  Von  ^jSchleimfollikeln"  im  Pansen  und  in  der  Haube  des  Kameeis. 

§.  284. 
Im  Vorhergegangenen  wurde  ausschliesslich  Rücksicht  genommen 
auf  die  Form,  welche  die  bindegewebige  Tw/u'ca^^ro^-^rm  (die  unmittel- 
bare Grenzschicht  des  Coriums  der  Schleimhaut)  den  Drüsen  auferlegt, 
die  eigentlichen  Werkstätten  des  Sekretes  sind  aber  die  den  Drüsen- 
raum auf^kleidenden  Zellen,  und  diese  scheinen,  wenigstens  bei  Vögeln 
und  Säugern,  von  zweierlei  Art  zu  sein.  Die  einen  sind  die  das 
Pepsin  absondernden  Labzellen,  sie  haben  eine  rundliche  Gestalt 
und  dunkelgranulären  Inhalt,  bei  den  Vögeln  kleiden  sie  die 
Drüsenpaquets  des  Prove^itriculus  aus,  auch  bei  den  Sängern  scheinen 
sie  zumeist  die  Drüsen  der  Cardialportion  (auch  beim  Biber  und  Manati) 
zu  erfüllen,  die  Zellen  haben  hier  oft  eine  bedeutende  Grösse,  so  dass 
sie  die  Endschläuche  der  Drüsen  zu  starken  Ausbuchtungen  veran- 
lassen, und  es  ist  dann  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  mehren  ein- 
zelligen Drüsenformen  wirbelloser  Thiere,  wie  sie  unten  zur  Be- 
schreibung kommen  werden,  unverkennbar.  Wie  bei  letzteren  eine 
einzige  grosse  Drüsenzelle  in  einem  bindegewebigen  Beutelchen  liegt, 
so  isoliren  sich  auch  die  grossen  Labzellen  in  den  Ausbuchtungen  des 
gemeinsamen  Kanals  von  einander.  Die  zweite  Art  der  Sekretionszellen 
hat  eine  cylindrische  Form  und  einen  meist  hellen  Inhalt. 
Sie  machen  bei  Vögeln  das  Epithel  der  Drüsen  des  Muskelmagens  aus, 
bei  Säug'rn  kleiden  sie  die  Drüsen  aus,  welche  dem  Pylorus  zunächst 
liegen.  Diese  Differenz  der  Sekretionszellen  weist  darauf  hin ,  dass 
auch  zweierlei  verschiedene  Sekrete  von  den  Magendrüsen  geliefert 
werden.  Ob  auch  bei  Amphibien  und  Fischen  eine  solche  Trennung 
herrscht,  ist  noch  nicht  festgestellt.  Die  Zellen,  welche  bei  Ba- 
trachiern  die  Magendrüschen  erfüllen,  werden  in  verschiedenen  Zu- 
ständen getroffen,  indem  ich  bald  helle  (Landsalamander),  bald  in 
verschiedenem  Grade  körnige  beobachtet  habe.  Beim  Stör  sind 
die  Magendrüsen  auf's  regelmässigste  von  einem  zierlichen,  hellen 
Cyiinderepithel  ausgekleidet.     Das  Cyhnderepithel    geht  an  den  Oeff- 


318 


Vom  Nahrungskanal  der  Wirbelthiere. 


DarmdrUsen. 


nungen  der  Drüsen  unmittelbar  In  das  Cyllnderepithel  der  Magen- 
schleimhaut über,  dessen  Zellen  sich  von  denen  der  Drüsen  da- 
durch unterscheiden,  dass  sie  grösser  und  gegen  das  freie  Ende  zu 
mit  Molekularmasse  prall  angefüllt  sind.  Auch  bei  Polypterus  sind 
die  Zellen  der  Magendrüsen  cylindrisch  und  so  regelmässig  gelagert; 
dass  ein  klares  Lumen  der  Drüsen  sich  erhält. 

§.  285. 
Die  Schleimhaut  des  Darmes  hat  bei  Säugern  und  Vögeln  sehr 
constant  zahllose,  schlauchförmige  {Lieherhülin sehe)  Drüsen,  deren 
Grösse  nach  den  einzelnen  Darmpartien  etwas  wechselt  (bei  Säugern 
z.  B.  im  Dickdarm  länger  sind  als  im  Dünndarm,  bei  den  Vögeln  im 
Zwölffingerdarm  länger  als  im  Dünndarm  und  Afterdarm),  aber  immer 
von  einem  regelmässigen  Cylinderepithel  ausgekleidet  werden.  Ob 
man  der  Darmmucosa  der  Reptilien  und  Fische  Drüsen  zu- 
schreiben oder  absprechen  will,  hängt  von  der  individuellen  Auffas- 
sungsweise ab ,  nur  selten  nämlich ,  wie  z.  B.  an  Torpedo  Qalvanii  in 
dem  zwischen  Magen  und  Klappendarra  liegenden  Darmstück ,  bei 
Pohfpterus  ebenso  am  pylorischen  Rohr  sieht  man  noch  eigentliche 
schlauchförmige  oder  Lieberkühn'sche  Drüsen,  meist  erhebt  sich  die 
Schleimhaut  in  zahllose ,  dichte  Fältchen  und  Balken ,  die  netzartig 
sich  verbinden,  und  auf  diese  Weise  ein  Zellen-  und  Gitterwerk  er- 
zeugen, das  dem  freien  Auge  dasselbe  Bild  gewährt  ^  wie  der  mikro- 
skopischen Untersuchung  etwa  die  Magenschleimhaut  des  Frosches, 
nachdem  aus  den  Drüsen  die  Inhaltszellen  herausgespült  sind,  sich 
zeigt.  Da  also  nur  in  der  Grösse  ein  Unterschied  obwaltet,  keines- 
wegs aber  in  der  Struktur,  so  möchte  ich  in  der  feingittrigcn  Be- 
schaffenheit der  Schleimhaut,  z.  B,  des  Stör  s,  des  Pohipterus,  vom  Frosch, 
Salamander,    Proteus    den  Ausdruck    einer   sehr   gesteigerten  Drüsen- 

Fig.   172. 


Drei    1)  a  r  111 11  r  ü  scn    von    Sn  I  a  m  ;i  ii  (1  r  ;i  iii  ;i  c  nl  a  t  a. 
Die  Driisfiiüfl'iiiingcn  (a)  sind  umsponnen  von  Blutgel'ässcii  (b).    (Starke  Yergr.) 


Drüsen. 


319 


bildiing  erkennen,  die  Drüsen  sind  hier  aber  zu  so  grossen  Grübchen 
entwickelt,  dass  das  freie  Auge  zur  Erkennung  ihrer  Umrisse  schon 
theilweise  hinreicht.  *) 

§.  286. 
Ausser  den  schlauchförmigen  Drüsen  kommen  sowohl  bei  Säuge- 
thieren  als  auch  bei  einigen  Fischen  noch,  traubige  Drüsen  an  be- 
stimmten Lokalitäten  vor.  Bei  Säugethieren  sind  es  die  unter  dem 
Namen  .5ri<n  wer 'sehe  Drüsen  bekannten  Gebilde,  welche  im  Duodenum 
sich  finden.     Nach  Middeldorpf  sind  sie  am  zahlreichsten  bei  den 

Fig.   173. 


Brunner'rtche 
Priinen. 


c. 


Schnitt    durch    das  Duodenum  des  Maulwurfes. 
a  Lieberkühn'sche  Drüsen,    b  Mnskellage  der  Schleimhaut,    c  das  Bindegewebs- 
stratum   derselben,    d    die  Muscularis  des   ganzen  Darmes,    e    die  Brunner'schen 

Drüsen.    (Geringe  Vergr.) 

pflanzenfressenden  Säugethieren;  beim  Maulwurf,  wo  die  Brunner''schen 
Drüsen  nur  den  unmittelbaren  Anfang  des  Duodenum  besetzt  halten 
und  hier  einen  für  das  freie  Auge  gelb  weissen  Ring  bilden,  haben,  wie 
ich  sehe,  ihre  SekretionszeJlen  einen  dunklen,  feinmolekulären  Inhalt, 
woher  auch  die  angegebene  Farbe  rührt.  Den  Vögeln,  Reptilien 
und  den  meisten  Fischen  mangeln  Brunn  er' s,q\\q  Drüsen.  Nur  bei 
den  Chimären,  den  Rochen  und  Haien  erblickeich  eine  analoge 
Drüsenbildung,  wenn  auch  am  entgegengesetzten  Darmende.  Am  An- 
fang des  Afterdarmes  bei  Chimaera  monstrosa  finden  sich  gegen  acht 
ziemlich  stark  vorspringende,  nach  hinten  spitz  auslaufende  Längs- 
wülste. Hebt  man  die  Schleimhaut  über  diesen  Wülsten  ab,  so  kom- 
men röthlichgelb  gefärbte  Drüsenhaufen  zum  Vorschein,  die  mikros- 
kopisch aus  verästelten  Drüsenschläuchen  bestehen  und  zu  rundlichen 
Läppchen  mit  einander  verbunden  sind.  Gleichwie  beim  Manati  (s.  oben) 
die  Magendrüsen  der  Portio  cardiaca  sich  zu  einem  besonderen,  blind- 
sackartigen Anhängsel   vom  Magen    abgetrennt  haben,    so    sind    auch 


*)  Bei  der  Giraffe  mögen  ähnliche  Verhältnisse  sich  finden.  A.  Sebastian 
(Tydschr.  voor  natuurl.  Geschied.  XII,  1844)  beschreibt  von  der  Schleimhaut  des 
Colons  an  der  Einmündungsstelle  des  Dünndarmes  kleinere  und  grössere  Zellen 
mit  einer  runden  oder  ovalen  Oeffnung,  und  einige  dieser  Zellen  seien  wieder  durch 
Wände  in  Fächer  abgetheilt. 


320 


Vom  Nahrungskanal  der  Wirbelthiere. 


bei  Rochen  und  Haien  diese  traubigen  Drüsen  von  der  Darmwand 
abgerückt  und  bilden  die  „f  i  n g  e  r  f  ö  r  m  i  g  e  D  r  ü  s  e",  welche  in  die 
Rückseite  des  Afterdarmes  einmündet.  Die  fingerförmige  Drüse  hat 
auf  dem  Längendurchschnitt  eine  gelbliche,  dicke  Drüsensubstanz  und 
einen  innren  Hohlraum.  Letztrer  ist  meist  erfüllt  mit  einem  schmutzig 
gelben  Sekret,  vom  Aussehen  der  Magenflüssigkeit,  mikroskopisch 
besteht  es  aus  Punktmasse  und  grossen  mit  der  gleichen  Körnersub- 
stanz gefüllten  Zellen,  deren  Membran  häufig  schon  geschwunden  ist, 
so  dass  nur  ein  heiler  Kern  von  der  Punktmasse  klumpenförmig  um- 
hüllt wird.  Der  Hohlraum  ist  durch  eine  starke  Lage  Bindegewebe  von 
der  Drüsensubstanz  geschieden  imd  setzt  sich  als  Ausführungsgang  fort. 
Das  Epithel  ist  ein  pflasterförmiges.  Die  sehr  blutreiche  Drüsensubstanz 
besteht  aus  dicht  gedrängten,  traubenförmigen  Drüsenbläschen,  welche 
an  einem  sehr  kurzen  Ausführungsgang  sitzen. 

§.  287. 

Die  Lymphdrüsen  des  Tractus  verhalten  sich  bei  den  Säuge- 
thieren  wie  beim  Menschen,  im  Rachen  hiessen  sie  bisher  Balg- 
drüsen und  Tonsillen,  im  Magen  linsenförmige  Drüsen, 
im  Darm  Peijersche  Haufen  und  solitäre  Follikel.  Der  Bau 
ist  der  oben  angegebene :  Das  Bindegewebe ,  welches  die  Wand  der 
Kapseln  bildet,  schickt  ins  Innre  ein  feines,  zahlreiche  Blutcapillaren 
tragendes  Fachwerk,  und  die  Maschenräume  sind  von  einer  kleinzel- 
ligen Masse  eingenommen,  deren  Elemente  mit  den  sog.  Lymphkügelchen 
übereinstimmen. 

Die  Pe?/ er 'sehen  Follikel  sind  bei  den  Vögeln  durch  den  ganzen 
Darm  zerstreut  und  zeigen  sich  besonders  entwickelt  in  dem  Darm- 
divertikel    der  Gaiis.     Sie    wurden    namentlich    untersucht    von    Bas- 

Fig.  174. 


Aus  dem   D.arnie  der  Gans. 

a   Daiinznttc,  ])  zwii   Lichirkfiliirsclie  Drüsen,    c  ein  Peyer'scher  Follikel, 

d  Muskelscbicht.     (Geringe  Vergr.) 


Drüsen.  321 

linger  (Sitzb.  d.  Wien.  Akad.  1854),  welcher  folgendes  Resultat  zu- 
sammenfasst:  Die  Peyer'schen  Drüsen  haben  nach  aussen  in  der  Mus- 
kulatur eine  scharfe  Grenze,  durchbohren  aber  mit  verschmächtigtera 
Halse  die  innre  Längshaut ,  breiten  sich  dann  zwischen  den  Krypten 
bedeutend  aus  und  lassen  ihre  „Cytoblastemmasse''  ohne  irgend  eine 
Grenze  in  die  Zotten  übergehen.  Nach  B asling er  müsste  man  dem- 
nach einen  direkten  Zusammenhang  des  Chylusraumes  der  Zotte  mit 
der  Peyer'schen  Drüse  statuiren.  Ich  bedaure,  diese  Angaben  nicht 
bestätigen  zu  können,  indem  wenigstens  am  Darm  der  Gans,  den  ich 
frisch,  getrocknet  und  mit  Essig  gekocht  untersuchte,  den  feineren  Bau 
der  Follikel  in  nichts  abweichend  finde  von  den  Peyer'schen  Drüsen 
der  Säuger,  insbesondere  erscheint  die  Kapsel  nach  der  Zotte  zu 
ebenso  scharf  umgrenzt,  wie  da,  wo  sie  an  die  Muskelhaut  anstöst.  — 

§.  288. 

Erwähnung  verdient  auch,  dass  die  Schleimhaut  der  Bursa  Fa- 
bricii  der  Vögel  mit  Ausschluss  andrer  drüsiger  Bildungen  die 
Peyer'schen  Follikel  in  grösster  Menge  besitzt;  ich  untersuchte  die 
Wasseramsel  [Cinclus  aquattcus) ,  das  Rebhuhn,  den  Steinkauz  und 
die  Ente.  Die  Bindesubstanz  der  Schleimhaut  grenzt  lauter  geschlossne, 
rundliche  Follikel  ab ,  die  dicht  neben-  und  übereinander  liegen  und 
bei  der  Ente  durch  besondre  lokale  Entwicklung  in  der  Bursa  zwei 
oder  mehre  für  das  freie  Auge  auffallende  Längswülste  erzeugen. 
Uebrigens  sind  die  Bälge  verschieden  gross  und  ausser  einem  feinzelli- 
gen,  in  Essigsäure  sich  ti'übenden  Inhalt  noch  deutlich  von  ßlutcapillaren 
durchzogen.  Die  Oberfläche  der  Mucosa  deckt  ein  geschichtetes  Cy- 
linderepithel.  (Nach  R.  Wagner  wären  die  Drüsen  der  Bursa  Fa- 
bricii  „Schleimdrüsen"  die  „mit  kleineren  Poren"  in  die  Höhle  mün- 
den. Ich  habe  bisher  die  Sache  bei  wiederholter  Prüfung  nur  so  ge- 
sehen ,  wie  ich  sie  eben  beschrieben  habe.  —  Da  die  Peyer'schen 
Drüsen  gegenwärtig  für  Lymphdrüsen  gelten,  so  darf  in  Erinnerung 
gebracht  werden ,  dass  nach  mehren  Autoren  die  Grösse  der  Bursa 
Fahricii  mit  dem  Alter  des  Thiers  abnehmen  soll,  was  übereinstimmen 
würde  mit  dem  Verhalten  der  freien  Lymphdrüsen,  die  angeblich  auch 
in  spätrer  Lebenszeit  sich  verkleinern  und  zusammenschrumpfen.  Die 
Thymus,  welche  ich  ebenfalls  zu  den  Lymphdrüsen  rücke,  thut  dasselbe). 

Fig.   175. 


Durclischnitt  durch   die   Wand    der  Bursa  Fabricii    der    Wasseramsel, 
a  das  Epithel,  b  die  Peyer'schen  Drüsen  der  Schleimhaut,  c  die  Muskellage. 

(Geringe  Vergr.) 
Leydig,   Histologie.  21 


liursa 
Fabricii. 


322  Vom  Nahnmgskanul   der  Wirbelthiere. 

§.   289. 
i.ympi.-  In    der    Schloimliaiit    des    Nahrungsrohrs    von    Reptilien    und 

■rvnuu'.Tol  t^i sehen  ist  bisher  noch  Nichts  von  Lymphdrüsen  nachgewiesen 
»•"'^'^'""' """' worden ,  doch  möcliten  jene  weisse,  srelappte  Masse,  welclie  ich  von 
der  ('Jmnaera  monstrosa  {Müll.  Arch.  1851,  S.  269)  anzeigte  und 
welche  sich  zwischen  der  Basis  cranis  und  der  Rachenschleimhaut  findet; 
sowie  ferner  die  weisse  Substanz^  welche  man  bei  Sclachiern  in  ziem- 
lich mächtiiier  La<?c  zwischen  der  Muskel-  und  Schleimhaut  des  Schlun- 
des  antriftt  (Rochen  und  Haie  S.  53)  für  Bildungen  anszuprechen  sein, 
welche  den  Lympluh-üsen  analog  sind.  Beide  bestehen  in  ganz  gleicher 
Weise  aus  einem  Faehwerk  von  zartem  Bindegewebe,  gefüllt  mit 
Kernen  und  Molekularkörnern.  Die  drüsige  Substanz  beginnt  und 
hört  auf  bei  den  Selachiei-n  mit  ganz  bestimmter  Grenze,  nach  oben, 
wo  die  Längsfdten  des  Schlundes  anfangen,  und  nach  unten,  wo  der 
Schlund  in  den  Magen  übergeht. 

§.  290. 
Muskulatur  j)Jq    Schlcimliaut   des   Tractus  ist  der  Contraktion  fähiff,    da 

Bchioimhaut.  \\\  das  Biiii (1  egcwebc  bei  den  verschiedensten  Wirbelthieren  glatte  Mus- 
keln eingeflochten  sind.  Beim  Stör  habe  ich  sie  vermisst*),  hingegen 
beim  Frosch  und  Salamander,  wo  sie  sich  zwischen  die  Drüsen- 
gruppen fortsetzen,  bemerkt;  am  durchschnittenen  Magen  eines  leben- 
den Frosches  zieht  sich  an  der  Schnittfläche  durch  die  Muskelwirkung 
Muskel-  und  Schleimhaut  von  einander  weg  und  die  Schleimhaut  rollt 
sich  alhnählig  ein.  Bei  den  Vögeln  (Gans)  beschrieb  sie  Brücke, 
und  verfolgte  sie  bis  in  die  Zotten;  ich  sah  sie  in  der  Schleimhaut 
des  Afterdarmes  der  Taube.  Im  Darm  der  Säuger  erheben  sich 
ebenfalls  sehr  gewöhnlich  die  Muskelfasern  der  Schleimhaut  bis  in  die 
Zotten,  in  welch  letztren  Ger  lach  bei  der  Katze  zwei  Muskeliagen 
unterschied,  eine  centrale  longitudinale ,  und  eine  peripherische  trans- 
versale. Beim  Hund  (und  dem  Menschen)  sei  die  transversale  Lage 
minder  deutlich  und  scheine  oft  ganz  zu  fehlen.  Ilieher  gehört  auch, 
dass  die  Zungenpapillen  des  Frosches  (von  mir  bei  Rana  temporaria 
und  besonders  schön  bei  Cystiynatus  ocellatus  gesehen)  bis  weit  hinauf 


*)  Hei  Rochen  und  Haien  ist  die  glatte  Muskulatur  der  Mucosa  vorhanden, 
wie  icli  noch  jüngst  an  der  Längsklapjjo  des  Ilaninicrliaics  sah;  bekanntlich  ver- 
läuft da,  äimlich  wie  bei  Fetromyzoii,  der  Stamm  der  Intestinalvene  im  ft-eien 
Rande  der  Klajipe,  und  JJuvernoy  (Ann.  d.  sc.  n.  18.^5)  glaubte  eine  Belegung 
der  Veno  mit  Muskelfasern  erkannt  zu  haben.  An  feinen  senkrechten  Schnitten 
von  der  getrockneten  Klappe  genommen  und  mit  Essigsäure  wieder  erweicht  sieht 
man  sehr  schön ,  wie  ein  ziemlich  dichtes  Netz  aus  glatten  Muskeln  das  lockere 
Bindegewebe  der  Schleimhaut  durchzieht,  an  der  Peripherie  in  die  leistenartigen 
Erhebungen  sich  verliert,  sowie  central  mit  den  Häuten  der  Vene  und  einer  stär- 
kereu zugleich  mitvorhandenen  Arterie  zusammenhängt.  Sollte  vielleicht  JJuvernoy, 
durch  eine  andere  Präparationsweise  veranlasst,  dieses  Muskehietz  der  Schleimhaut 
als  Muskelbüleg  der  Vene  angenommen  haben  ?  —  An  der  gleichen  Stelle  bei 
Pelromyzon  vermisse   ich  muskulöse  Elemente. 


Muskelhaut.  323 

mit  quergestreiften  Muskeln,  den  Ausläufern  von  verästelten 
Zungenmuskeln  ausgestattet  sind.  Ferner  habe  ich  noch  eine  jüngst 
gemachte  Beobachtung  anzureihen.  Die  Blätter  Im  Psalter  {Omasus) 
des  Rindes,  welche  eigentlich  feine  Duplikaturen  der  Mucosa  mit 
Papillen  sind,  haben  ebenfalls  einzelne  Züge  glatter  Muskeln  in  ihi-em 
Innren ,  die  für  das  freie  Auge  wulstartige  Vorsprünge  erzeugen  und 
sowohl  nach  der  Länge  der  Blätter  als  auch  bogenförmig  ziehen. 

§.  291. 
Die  Muskeln    bilden    ferner    am  Darm  eine    eigene,  nach  aussen  Muskulatur. 
von    der  Schlcindiaut    gelegene,   zumeist   aus  Längen  und   Ringfascrn   '"""oine«'" 
bestehende  Schicht,    die    bald    dünner,   bald  dicker,   doch    wohl    dem  ^om  Mund 
Tractus   der  meisten  Wirbelthiere   zukommt  (bei  Myxine  und    einigen 
Wirbellosen  fehlt  sie  nach  meiner  Beobachtung),  sie  ist  z.  B.  bei  Chi- 
maera  durchweg  nur  gering  entwickelt,  andererseits  am  Muskclmagen 
der  Vögel  und  Krokodile,     auch  bei   vielen  Fischen  am  Pförtnertheil 
des  Magens    sehr   mächtig  ausgebildet.    (Bei   manchen  Fischen  ist  be- 
kanntlich   die   Muskulatur    des  Pylorus    so    dick,    dass    letzterer    sich 
gleich  dem  Vogelmagen  als  eine  kugelige   Masse  abgrenzt.     Am  Mus- 
kelmagen   der  Vögel    und  Krokodile   gehen    die  Längs-    und  Cirkel- 
fasern    in    eine   an   beiden    Seiten   gelegene   Centralsehne   über,     eine 
ähnliche    Bildung   fand  Retzius  auch   am  Magen    von  Süuriis  glanis 
und    an    mehren    egyptischen   Siluren,  nur  ist   die  gegenseitige  Lage- 
rung der  Muskelschichtcn    die  umgekehrte    von    der    bei    den   Vögeln 
bekannten.)     Anlangend   die   histologischen  Eigenschaften,    so    ist  die 
den  Eingang   zum    Nahrungsrohr   umgebende    Muskulatur,    also  jene 
der   Mund-    und  Rachenhöhl?)   immer   quergestreifter  Natur. 
Am  Gaumen  einiger  Gräthenfische  {Cyprinen,  Cohitis,  Acertna)  verdickt 
sich  die  Muskulatur  zum  sog.  contraktilen  Gaumenorgan.     Man  un- 
terscheidet in  letzterem  die  vielfach  durch  einander  geflochtenen   quer- 
gestreiften Muskelbündel ,  zahli-eiche  Nerven  und  gefässhaltiges  Binde- 
gewebe; bei  manchen  Cyprinoiden  linden  sich  Fettzellen  in  reichlicher 
Menge  zwischen  der  Muskulatur.    Davaine,  der  das  Organ  ebenfalls 
und  zwar  vom  Karpfen  untersucht  hat  (Compt.  rend.  de  la  Societ.  d.  Bio- 
log. LS50)    sieht  ausser  den  quergestreiften  Muskeln  auch  glatte,   was 
mir  nicht  vorkam.     Davaine   hält   das  Gebilde   für  eine  die  Degluti- 
tion    erleichterndes  Organ,    welcher  Ansieht    ich    beistimmen    möchte, 
da   die  Schleimhaut  sich  hier   nicht  anders  verhält  als  in  der  übrigen 
Rachenhöhle,  auch  die  gewöhnhchcn  Papillen  mit  den  becherförmigen 
Organen   besitzt.      Die    früheren   Beobachter   hielten    es    für   ein    Ge- 
schmackswerkzeug. (Nach  Nardo  existirt  auch  ein  „Geschmacksorgan" 
bei  einigen  Haifischen,   Oxyrrhina  (jompliodra,  Älopias  vulpes,  Hqualus 
glaucus  in  Form  „einer  wulstigen  Erhebung  der  Gaumenhaut,  welche 
nicht    mit    der    rauhen  Schleimhaut   bekleidet  ist,    sondern    mit    einer 
weichen,  zahlreiche  Papillen  enthaltenden  und  eine  schleimige  Flüssig- 
keit durch  viele  Poren  absondernden.    Es  besteht  aus  einer  fibrös-vas- 

21* 


524  Vom  Nahningskanal   der  Wirbelthiere. 

culüroii,  pulpösoii ,    weichen  Masse,    die  ihre  Nerven  aus  dem  dritten 
Ast  des  Trigeminus  erhält."  (F.  Carus,  Jahrb.  d.  Zoot.  Ber.  I.) 

§.  292. 
Mu.)>ciimnt  Auch    die   Muskelhaut    des   Schlundes    behält    häufig   die    quer- 

scMundes.  gcstrcifte  Beschaffenheit  bei.  So  sehe  ich  bei  vielen  Säugethie- 
ren,  Maus,  Kaninchen,  Biber  und  Fledermaus  {Vespertilio  pipis- 
trellus),  dem  Maulwurf,  dem  Manati  u.  a.,  die  Muskulatur  bis  zur  Cardia 
quergestreift  und  dergleichen  Bündel  erstrecken  sich  beim  Biber 
v^eit  über  und  in  den  oben  beschriebenen  Drüsenwulst  hinein,  bei 
anderen  Säugern  besitzt  (ähnlich  wie  beim  Menschen)  nur  die  obere 
Hälfte  des  Schlundes  quergestreifte  Elemente ,  die  untere  glatte,  was 
nach  E.  H.  Weher  bei  der  Katze  der  Fall  ist.  —  Bei  den  Fischen 
scheint  durchgängig  die  Muskelhaut  des  Schlundes  quergestreifter  Na- 
tur zu  sein,  wie  sich  dies  aus  meinen  Erfahrungen  an  zahlreichen 
Selachierarten,  sowie  von  Teleostiern  an  Karpfen  und  Barscharten, 
Dentex  vulgaris ,  Gobius  niger,  Hijjpocampus ,  Zeus  faber  ergiebt. 
Bei  Polypterus  ist  der  quergestreifte  Charakter  der  Schlundmuskeln 
wenigstens  andeutungsweise  vertreten  (vergl.  Zeitschr.  f.  wiss.  Z.  1854 
S.  61).  —  Contrastirend  mit  den  Säugern  und  Fischen  ist  die  Mus- 
kelhaut des  Schlundes  bei  allen  bis  jetzt  hierauf  geprüften  Vögeln 
und  Reptilien  (die  Aufzählung  der  letzteren  s.  in  m.  Fisch,  u.  Rept. 
S.  41)  glatt. 

§.  293. 
Mu-kpii.aui  Fi^ii"  die  Muscularis  des  Magens   und  der  Darmabtheilungen  aller 

vom  Magen  Wirbclthicrc  (eingerechnet  die  mancherlei  Blindsäcke,  auch  die  Bursa 

nnii  Darm.  .  t. 

Fabricii)  sehen  wir  als  Regel,  dass  die  Elemente  derselben  glatt  sind, 
doch  giebt  es  Uebergangsformen  von  der  glatten  zur  genuin  querge- 
streiften Faser.  Dies  ist  z.  B.  der  Fall  am  Fieischmagen  der  Vögel ,  in 
so  fern  die  kontraktile  Substanz  der  Fasern  nicht  rein  homoa-en  ist,  son- 
dern  in  quere  Stückchen  zerfällt,  womit  auch  Hand  in  Hand  geht 
ein  leicht  gelblicher  Anflug  und  für  das  freie  Auge  eine  ziemlich  leb- 
haft rothe  Färbung  der  ganzen  Muskelhaut.  Von  derselben  rothen 
Farbe  mag  aucli  der  erste  Magen  der  Krokodile  im  frischen  Zustande 
sein  ,  da  iiocli  am  Weingeistpräparate  die  Magenmuskuhitur  unter  dem 
Mikroskop  stark  gelb  aussieht.  Bei  einigen  Fischen  ist  die  Tunica 
muscularis  dos  Darmes  oder  wenigstens  vom  Magen,  aus  echt  quer- 
gestreiften l^ilementen  gebildet,  Ixm'ui  Schlammpeitzger  {(■obitis 
füssüis)  nämlich  erstrecken  sich  solche  Muskeln  in  fjjings-  und  Ring- 
schleht  über  den  Magen  und  bei  der  Schleie  {Tinea,  c/iri/sifis)  über  den 
ganzen  Tractus.  Doch  folgt  bei  beiden  Fischen  unter  der  quergestreiften 
Muskulatur  noch  eine  glatte  Lag«',  die  wahrscheinlich  als  eine  sehr 
entwickelte  Muskelschicht  der  Schleimhaut  anzusehen  ist.  —  Am  Ende 
des  Afterdai-mos  treten  sehr  allgemein  ({ii ergestreifte  Spliinkteren 
auf  und  bei  den  V(igeln  ist  die  ganze  Muskelhaut  tler  Kloake  quer- 
gestreift. 


Seröse  Hülle.  325 

§.  294. 
Die  Tunka  serosa  des  Nahrungsrohres  und  der  ßcUiohhölile  be-  soiöneHaut. 
steht  aus  Bindegewebe,  das  nicht  selten,  namentlich  bei  niederen  Wir- 
belthieren,  mancherlei  Pigmentirungen  zeigt  (bei  Chimaera  monsfrosa 
z.  B.  ist  die  äussere  Fläche  des  ganzen  Verdauungskanales  schwarz- 
blau gefärbt,  ähnlich  der  grösste  Theil  des  Tractus  von  Poli/chrus 
marmoratus,  Chamaeleo  pumihis ,  grün  golden  ist  bei  Raja  hatis  das 
Bauchfell  an  der  Rückenseite,  durchweg  tief  schwarz  bei  Chondrostoma 
nasus,  Pristiurus,  Lacerta  agilis,  Anguis  fragüis,  Corondla  u.  a.  Im 
Bindegewebe  des  Bauchfelles  machen  sich  häufig  elastische  Fasern 
in  grösserer  Menge  bemerklich,  ja  sie  können  an  gewissen  Gegenden 
einen  Hauptbestandtheil  des  Bauchfelles  und  seiner  Falten  ausmachen 
(so  sehe  ich  bei  Mustelus  vulgaris  sehr  zahlreiche  schöne  und  dicke 
elastische  Fasern  in  der  Falte  zwischen  dem  Magen  und  den  aus  imd 
zu  ihm  führenden  Gefässen,  während  andererseits  in  der  Falte  zwi- 
schen Magen  und  Milz  sie  nur  in  spärlicher  Zahl  sich  finden ;  beim 
Haushahn  hat  das  Mesenterium  des  Darms  ebenfalls  ein  dichtes,  fein- 
faseriges, elastisches  Netz),  üeber  die  freie  Fläche  weg  geht  ein  ein- 
faches Plattenepithel.  Beim  Frosch  scheint  das  Epithel  des  Bauchfelles 
streckenw^eise  zu  flimmern,  so  am  Ueberzug  der  Bauchmuskeln  (auch 
am  Mesoarium).  Keine  Wimperung  am  Mesenterium.  Bei  Selachiern 
{Mustehis  vulgaris)  ist  das  Bauchfell  der  Bauchfläche  dicker,  als  an  den 
seillichen  Theilen.  —  Eine  eigene  Erscheinung  ist,  dass  die  Mesen- 
terien verschiedener  Wirbelthiere  mit  glatten  Muskeln  ausge- 
stattet sind.  Ich  kenne  sie  bisher  aus  dem  zarten  von  vielen  grös- 
seren und  kleineren  Lücken  durchbrochenen  Mesenterium  des  Gohius 
niger ,  ferner  verschiedener  Selachier  {Mustelus  vulgaris,  Squatina 
angelus ,  ^cyllium  etc.) ,  wo  die  bedeutenden ,  mit  freiem  Auge 
sichtbaren  Züge,  von  der  Muscidaris  des  Magens  und  Darmes  wegge- 
hend, sich  im  Mesenterium  netzförmig  verbinden.  Auch  im  Gekröse 
der  Mehrzahl  der  von  mir  untersuchten  Reptilien  sind  zahlreiche  Bün- 
del glatter  Muskeln  vorhanden.  Sie  verlaufen  im  Allgemeinen  in  der 
Richtung  der  zum  Darm  gehenden  Blutgefässe,  also  strahlig  von  der 
Anheftungslinie  des  Gekröses  an  der  Wirbelsäule  zum  Darm,  die 
stärkeren  und  schwvächeren  Bündel  verbinden  sich  dabei  netzartig  und 
können  oft  mit  blossem  Auge  wahrgenommen  werden.  Die  Amphi- 
bien mit  Muskeln  im  Gekröse  sind  tialamandra,  Triton,  Siredon,  Te- 
studo, Lacerta  ^  Anguis,  Leposternon,  Psammosaurus  (bei  letztrem  hat 
sie  Brücke  in  einer  zur  Leber  gehenden  Peritonealfalte  beobachtet)  *). 
Ohne  muskulöses  Mesenterium  sind  der  I^'otcus,  Frösche  und  Kröten.  — 
Im  Bauchfell    und    seinen  verschiedenen  Fortsetzungen  sieht    man  bei 


*)  Auch  bei  Coluher  natrix  bemerke  ich,  dass  das  Anheftungsband  der  l.eber 
von  starken  Netzen  glatter  Muskeln  durchzogen  ist. 


326  Vom  Nahrungskanal   der  Wirbelthiere. 

Batrachiern  gar  nicht  selten  (nach  Aufhellung  durch  Natronlauge  z.  B.) 
schöne  Theilungen  von  Nervenprimiti vfasern. 

Das  Netz  der  Säugethiere  hat  eine  ähnliche  zierlich  gegitterte 
Beschaffenheit  wie  beim  Menschen,  nur  sind  die  Netze  mitunter  klein- 
maschiger, beim  Dachs  z.  B. 

§.  295. 
iuutgefä6„e.  Die    Blutgefässe    des    Nahrungsrohres    anlangend,     so    ist    die 

Schleimhaut  am  reichlichsten  damit  versehen.  Die  zu  ihr  tretenden 
kleinen  Arterien  lösen  sich  in  ein  Netz  feiner  Capillaren  auf,  welche,  wie 
überall ,  nur  im  Bereich  des  Bindegewebes  sich  haltend ,  die  Drüsen 
dicht  umstricken  und  deren  Mündungen  ringförmig  umgeben ;  wo  die 
Schleimhaut  sich  in  Papillen,  Zotten  und  Fältcheir  erhebt,  steigen  die 
Blutgefässe  mit  auf  und  in  jenen  Papillen  und  Zotten,  welche  mit 
sekundären  Höckern  versehen  sind,  biegen  auch  in  diese  die  Cajaillar- 
schlingen  aus.  Den  grössten  Gefässreichthum  hat  die  Darmschleim- 
haut von  Cobitis  fossilis]  sie  scheint  eigentlich  nur  aus  Blutcapillaren 
und  etwas  homogener  Bindesubstanz,  als  Träger  derselben  zu  beste- 
hen. Dieser  Fisch  schluckt  bekanntlich  in  einem  fort  Luft  und  giebt  sie 
wieder  durch  den  After  von  sich,  nachdem  er  sie  in  Kohlensäure  ver- 
wandelt hat ;  er  athmet  demnach  mit  seinem  Darm  atmosphärische  Luft 
und  ohne  Zweifel  steht  der  Gefässreichthum  der  Darmschleimhaut 
damit  in  Wechselbeziehung. 

Die  Gefässe  der  Muskelhaut  bilden  mit  ihren  Capillaren  läng- 
liche Maschen,  und  wie  wenigstens  Gerlach  beobachtet  hat,  so  herrscht 
in  der  Anordnung  der  Capillarnetze  bei  glatter  Muskulatur  eine  viel 
grössere  Regelmässigkeit  als  in  der  quergestreiften,  indem  jede  Masche 
ein  ziemlich  vollständiges  Rechteck  formt.  —  Die  seröse  Haut  des 
Traktus  und  das  Bauchfell  sind  verhältnissmässig  nur  von  sparsamen 
Blutgefässen  durchzogen. 

§.  296. 
Norveu.  Was    dlc  Ncrvcn  des  Nahrungsrohres    betrifft,    so    ist  besonders 

darauf  hinzuweisen,  dass  in  der  Mundhöhle  zahlreiche  Papillen  mit 
Nerven  versehen  sind  und  es  selbst  zur  Entwicklung  von  Taster- 
ganen  kommt,  in  welcher  Beziehung  ich  an  die  Pacini' sahen  Kör- 
per in  den  Schnabelpapillcn  der  Vögel,  wie  in  den  Zungenpapillen  des 
Elephanten  erinnere,  in  der  Mundschleimhaut  iles  letzteren  beobachtete 
lerner  de  Filippi  eigenthümliche  gestielte  Blasen,  die  er  fragweise 
den  Pact'w «"sehen  Körperchen  vergleicht,  auch  die  von  Gerber  aus 
der  Lippenschleimhaut  des  Pferdes  beschriebenen  Nervenglomeruli 
müssen  unter  diesen  Gesichtspunkt  gestellt  werden,  ebenso  die  becher- 
förmigen Organe  auf  den  Papillen  der  Rachcnschleimhaut  vieler  Fische 
(s.  oben).  Anders  verhalten  sich  die  Schleimhäute  vom  Schlünde, 
Magen  und  Darm.  Obschon  hier,  wie  oben  aus  einander  gesetzt 
wurde,  zahlreiche  Erhebungen  derselben  unter  der  Form  von  Zotten, 
Falten  und  Blättern  sich  finden  ,  so  erblickt  man  darin  wohl  sehr  con- 


Nerven.  327 

stant  Blutgefässe  und  Ljonphrilume,  auch  wohl  (s.  oben)  Muskelzüge, 
aber  nie  Nerven,  ich  vermisste  sie  bis  jetzt  Avenigstens  immer,  so 
oft  ich  auch  an  Darmzotten ,  Papillen  im  Magen  der  Wiederkäuer  etc. 
meine  Aufmerksamkeit  darauf  richtete.  Von  jeher  ist  auch  die  ge- 
ringe Empfindlichkeit  der  tiefer  gelegenen  Schleimhaut  des  Nahrungs- 
rohres bekannt  gewesen,  was  offenbar  damit  zusammenhängt.  Die 
Nerven ,  Avelche  den  Darmkanal  versorgen ,  haben  zahlreiche  blasse 
oder  Remak's,c\\Q  Fasern  unter  ihren  dunkelrandigen ,  ja  bei  der 
Ratte,  wo  ich  grosse  Strecken  des  Mesenteriums  auf  die  zum  Darm 
gehenden  Nerven  prüfte,  sah  ich  nur  Remah^&cha  Bündel.  Beim 
Haushahn,  w^o  die  Nerven  des  Gekröses  aus  dunkel-  und  blassrandi- 
gen  Fasern  bestehen,  sieht  man  bis  nahe  an  den  Darm  heran  im  Ver- 
lauf der  Nerven  kleine  Ganglien,  (manche  Autoren  sprechen  irrthüm- 
lich  von  einem  „ganglienlosen  Plexus  coeliacus^  der  Vögel)  auch  an  den 
Nerven  des  Mesenteriums  vom  Landsalamander,  vom  Kaulbarsch,  habe 
ich  zahlreiche  Ganglienkugeln  wahrgenommen.  Im  Mesenterium  der 
Katze  enden  viele  Nervenfasern  als  Pacini&che  Körperchen. 

Die  grossen  für  das  freie  Auge  auffallenden  Papillen  der  (äusseren)  und 
Schleim-Haut  der  Amphibien  und  Säuger  sind  wohl  constant  noch  mit  mikrosko- 
pisch kleinen  Papillen  besetzt,  nicht  so  die  grossen  Papillen  in  der  Mund-  und 
EachenhÖhle  der  Vögel,  die  mir  auch  unter  dem  Mikroskop  nach  Abnahme  des 
starken  Epithels  einfache  Conturen  darbieten. 

Gleichwie  die  verschiedenen  Blindsäcke  am  eigentlichen  Darm  die  histo- 
logische Schichtung  des  Darmes  wiederholen  ,  so  ist  das  auch  mit  den  am  Mund- 
darm befindlichen  Aussackungen  der  Fall.  Die  Backentaschen  des  Hamsters 
z.  B.  sehe  ich  zusammengesetzt  aus  einer  äusseren  quergestreiften  Muskelhaut  (auch 
an  Arctomys  citiUus  ist  diese  Muskellage  deutlich)  und  der  Schleimhaut ,  welch' 
letztere  hier  ohne  Drüsen  zu  sein  scheint,  sich  aber  in  Fältchen  erhebt  und  deren 
zelliger  Ueberzug  die  gewöhnlichen  Epithelplättchen  der  Mundhöhle  sind.  Ebenso 
besteht  der  Kehlsack  der  Trappe  {Ötis  tarda)  aus  einer  Muskelhaut,  deren 
Elemente  die  Form  von  schmalen  glatten  Fasern  haben,  und  einer  Schleimhaut,  die 
fast  nur  aus  elastischen ,  netzförmig  geflochtenen  Fasern  gewebt  ist  und  sich  hin 
und  wieder  zu  seichten  Drüsensäckchen  einsenkt.  (Ob  nicht  auch  an  dem  so 
höchst  dehnbaren  Kehlsack  des  Pelikans  die  Schleimhaut  ebenfalls  elastisches  Ge- 
webe zur  Hauptgrundlage  hat?) 

Der  sog.  Toll  wurm  {Lyssa)  in  der  Zunge  mehrer  Fleischfresser  (Hund, 
Katze,  Bär,  nach  Budolphi  auch  beim  Coati,  Känguruh,  Eichhörnchen  und  Hyäne, 
nach  G.  Carus  auch  beim  Maulwurf)  besteht  aus  einem  dichten  Fettgewebe,  welches 
in  einer  festen  fibrösen  Scheide  eingeschlossen  ist  und  wird  an  seinem  oberen  Um- 
fang überdeckt  von  quergestreiften  Muskelfasern,  die  gegen  den  Zungenrücken  quer 
verlaufen.  A'ergl.  Virchovj  in  s.  Archiv  Bd.  VII.,  wo  auch  die  verschiedenen 
Angaben  über  dieses  'Gebilde  sehr  vollständig  zusammengetragen  sind. 

Die  Cartilago  entoglossa  erscheint  bei  jungen  Tauben,  beim  Auerhahn 
fast  als  reiner  Zellenknorpel,  mit  einem  Minimum  von  Grundsubstanz  zwischen  den 
Zellen;  bei  der  jungen  Gans  überwiegen  die  Kuorpelzellen  keineswegs  die  Grund- 
substanz, auch  sieht  man  hier  im  Knorpel  zahlreiche  Gefässkanäle. 

Bei  Noctilio  unter  den  Chiropteren  und  mehren  AflTen  {Stenops,  Eapale, 
Mycetes,  Cebus,  Callithrix  u.  a.  finden  sich  bekanntlich  Unterzungen.  Ich  habe 
diese  Bildung  von   Cebus  capucinus  untersucht    und    sehe,    dass    sie  eigentlich  eine 


328  Vom  Nahrungskanal  der  Wirbelthiere. 

Schleimhautfalte  der  Mucosa  vorstellt,  denn  die  Unterzunge  ist  nicht  der  Haupt- 
masse nach  muskulös,  sondern  besteht  aus  einem  dei-ben,  festen  Bindegewebe,  in 
das  sich  vielleicht  nur  von  der  Basis  her  einige  spärliche  Längsmuskelstreifen  zu 
verlieren  scheinen.  Die  freie  Fläche  erhebt  sich  in  lange  schmale  Papillen,  deren 
Epidermis  namentlich  in  den  unteren  Lagen  stark  braun  pigmentirt  ist. 

Bei  manchen  Fischen  {Sargus  z.  B.)  finde  ich ,  dass  eine  schmelzähnliche, 
gelbe  Schicht,  vor  dem  aus  dicht  aneinander  liegenden  Zahnkanälchen  bestehenden 
Zahnbein,  den  zugeschärften  Rand  des  Zahnes  bildet.  Auch  bei  Batrachiern  (Frosch, 
Salamander,  Proteus)  erscheint  die  Sj^itze  der  Zähne  von  etwas  anderem  Aussehen 
und  Farbe  wie  das  übrige  Zahnbein;  sie  ist  gelblich,  mehr  homogen  und  setzt 
sich  wie  eine  besondere  Kuppe  ab.  Steht  diese  Bildung  vielleicht  mit  „einer  Art 
Schmelzorgan",  welche  nach  Oioen  beim  Frosch  und  Krokodil  vorhanden  wäre, 
in  Beziehung  ?  —  Die  Zähne  unserer  einheimischen  Saurier,  z.  B.  Angins  fragüis, 
haben  nichts  von  einem  Schmelzorgan,  man  sieht  leicht,  dass  sie  freistehende  ver- 
kalkte Papillen  sind,  in  ihrer  Jugend  von  dem  Epithel  der  Mundhöhle  überzogen, 
das  nach  und  nach  zu  Verluste  geht.  Beim  Landsalamander  erhebt  sich  hinter  den 
Kieferzähnen  die  Schleimhaut,  ähnlich  wie  bei  den  Haien ,  in  zahlreiche  Papillen, 
die  zuweilen  ebenfalls  zu  Zähnen  verkalken.  —  An  den  Zähnen  des  Myliobates  unter- 
scheidet Harless  wirklichen  Schmelz  und  führt  seine  Entwicklung  auf  verkalkende 
Epithelplättchen  zurück.  Es  ist  mir  nicht  wahrscheinlich,  dass  3Iyliohates  von  den 
andern  Rochen  eine  Ausnahme  machen  wird,  an  deren  Zähnen  zwar  die  periphe- 
rische Schicht  eine  etwas  andere  Lichtbrechung  hat,  im  Ganzen  aber  nicht  wesent- 
lich in  ihrem  Bau  vom  übrigen  Zahnbein  abweicht.  —  Ueber  Einzelheiten  im  Zahn- 
bau, z.  B.  wie  im  Zahnbein  die  Röhrchen  nach  ihrer  Dünne,  Dicke  oder  sonstigen 
Form  (mit  varikösen  Erweiterungen  beim  Dugong),  Menge  ihrer  Zweige  u.  s.  w. 
sich  verhalten;  ferner  hinsichtlich  der  sog.  Kornsubstanz,  Pondigue  nach  Cuvier, 
in  der  Dentine  der  Säuger;  dann  über  die  Dünne  und  Dicke  der  Emailsäulen  bei 
verschiedenen  Säugethieren ,  über  das  Wechselnde  in  der  Dicke  der  Cementlage 
(beim  Hund  z.  B.  nur  eine  dünne  Schicht  bildend ,  beim  Delphin  sehr  bedeutend 
dick,  beim  Physeter  fast  ebenso  mächtig  wie  das  Zahnbein)  vergleiche  man  die  be- 
kannten Abhandlungen  von  Erdl,  Peizius,  Tomes,  sowie  als  Hauptwerk  die 
Schrift  von  Oioen  und  endlich  die  jüngst  erschienene  Arbeit  \on  Hannover :  Ent- 
wicklung u.  Bau  des  Säugethierzahnes  in  den  Verhandl.  d.  k.  Leop.  Akad.   1856. 

Das  .„hornige  Epithel"  im  Muskelmagen  der  Vögel  hat  auch  Molin 
(Studi  anatomico  morphol.  sugli  stomachi  degli  uccelli ,  Denkschr.  d.  Wien.  Acad. 
1850)  untersucht.  Nach  ihm  besteht  es  aus  einer  Menge  von  Hornfäden ,  welche, 
einzeln  oder  in  Grupj^en  vereinigt,  aus  Schläuchen,  wclclic  sich  in  der  Matrix  be- 
finden ,  herauswachsen  und  deren  Zwischenräume  durch  eine  aus  sehr  kleinen 
Zellen  bestehende  Substanz  ausgel'üllt  sind,  so  dass  man  sich  das  Ganze  unter  der 
Form  einer  Bürste  vorstellen  kann,  deren  Borsten  durch  eine  feste  Zwischensubstanz 
mit  einander  verklebt  sind.  Bei  einer  jungen  Strix  passerina ,  welche  ich  noch 
jüngst  vor  mir  hatte,  war  die  „Hornschicht"  des  Muskelmagens  bedeutend  weich 
vmd  obschon  ziemlich  viele  Zellen  aus  den  unterliegenden  Drüsen  in  sie  mit  auf- 
genommen waren,  so  bestand  sie  doch  der  Hauptmasse  nach  aus  einem  homogenen 
Sekrete.  —  Bei  Procellaria  glacialis  thcilt  sich  die  starke  „Magenbewaifnung"  in 
einzelne  „Hornzähne"  ab  ((?.  Carus). 

Die  Poren  der  Cuticula  der  Darmschleimhaut  wurden  von  Funke  am  Kanin- 
chen entdeckt  und  darauf  von  Kollilcer  an  verschiedenen  Wirbelthieren  bestätigt. 

In  dem  Mesogastrium  und  auch  auf  der  Aussenfläche  des  Magens  der  Frösche, 
dann  im  Mesometrium  der-Kaninchen,  ferner  als  Anhänge  der  Läppchen  der  Thymus 
der  Katze  finden  sich  mitunter  sog.  .„Wimp erb! äsen  ",  bestehend  aus  einer  binde- 
gewebigen  Schicht  und  aus  einem  Flimmcrepithcl.     EeinaJc,    durch  den  wir  zuerst 


Vom  Nahi-ungskanal  der  Wirbellosen.  329 

auf  diese  Bildungen  aufmerksam  gemacht  wurden,  hat  ermittelt,  dass  dergleichen 
Wimperblasen  auf  Abschnürungen  der  Schleimhaut  zurückgeführt  werden  müssen. 
Bei  Batrachiern  {Rana,  Biifo,  Felobates,  Salamandra)  trifft  man  aussen  am 
Magen  oder,  was  gewöhnlicher  ist,  im  Mesenterium,  selbst  im  Fettkörper,  abge- 
brochene Insektenhaare,  die  von  Bindegewebe  eingekapselt  sind;  ebenso  sah  ich 
bei  einer  Cei^ola  Skeletstücke  von  Krustenthieren ,  welche  nach  Durchbohrung  der 
Magenwand  an  der  Aussenfläche  encystirt  waren. 


Darm  der 


Seclisiindzwanzigster  Abschnitt. 

Vom  Nahrungskanal  der  Wirbellosen. 

§.  297. 
Ueber   die   feinere  Zusammensetzung  des   gallertig-körnigen  Lei- 
bes vieler  niederer  Thierformen,    sind  bis  jetzt    unsere  Kenntnisse   so  ^"f'"'^;'^" 

'  J  und  Hydren. 

wenig  auslangend j  dass  sich  auch  rücksichtlich  des  Darmkanales  vom 
histologischen  Standpunkt  aus  kaum  etwas  gehöriges  sagen  lässt.  Bei 
jenen  Infusorien,  wo  eine  Mundöffnung  in's  Innere  leitet,  mangelt 
doch  ein  von  der  Körpersubstanz  geschiedener  Darm;  der  Raum,  den 
die  Bissen  beim  Niedersteigen  durchmessen,  ist  eine  Aushöhlung  in 
der  Leibessubstanz,  man'  könnte  sagen,  eine  kanalartige  Lücke,  und 
da  man  beobachtet  hat  (v.  Frantztus,  Schmidt,  Lachmann  bei 
Ophriclium  versatilis,  Paramaecium  ^  den  Vorticellinen  u.  a.),  wie  die 
Nahrungsballen  beständig  in  derselben  Richtung  hinabgehen,  so  darf 
man  schliessen,  dass  die  kanalartige  Lücke,  welche  den  Darm  reprä- 
sentirt,  von  einer  bestimmten  bleibenden  Form  ist;  die  Grenzschicht 
der  Leibessubstanz,  welche  den  Darmrauni  bildet,  ist  nicht  so  scharf, 
dass  sie  als  abgesetzte  Linie  sich  bemerkbar  macht;  nur  wie  Li  eh  er- 
kühn und  Lachmann  gefunden  haben,  bei  Trachel'ms  ovum  ist  die 
Wand  der  Verdauungshöhle  vom  Körperparenchym  geschieden,  indem 
wirklich  der  von  Ehrenherg  beschriebene  baumartig  verzweigte  Ka- 
nal im  Innern  den  Darmkanal  vorstellt.  Bei  anderen  Infusorien  ist 
der  Eingang,  sowie  der  Ausgang  der  Darmhöhle  öfter  schärfer  con- 
turirt,  indem  sich  eine  homogene  Grenzhaut  nachweisen  lässt,  die  mit 
der  Cuticula  der  Körperoberfläche  in  Continuität  steht,  oder  wie  man 
sich  gewöhnlicher  ausdrückt:  ein  unten  offener  Oesophagus  hängt  in  die 
grosse  Verdauungshöhle  hinein.  In  manchen  Fällen  verdickt  sich  auch 
dieses  Grenzhäutchen  {Cuticula)  des  Mundes  zu  haarähnlichen  Bil- 
dungen (der  fischreusenähnliche  Cylinder  in  der  Mundhöhle  von  Pro- 
rodon,  Nassula,  Amphilejdus  anser).  —  Selbst  noch  bei  Geschöpfen, 
wie  z.  B.  den  Süsswasserp  olypen,  deren  Körpersubstanz  eine 
deutliehe  Differenzirung  in  Zellen  zeigt,  fehlt  ein  Magen  oder  Darm- 
kanal, denn  was  man  so  nennt,  erscheint  auch  hier  nur  als  innere 
Höhlung  des  Thieres  ohne  besondere  Wand,  sondern  überall  einzig 
und  allein  begrenzt  von  den  gleichen  contractilen  Zellen,  welche 
den  Polypenleib  zusammensetzen. 


330 


Vom 


:~\anal   der  Wirbellosen. 


Zusammen- 
setzung des 
NahrungH- 
rohres  im 
Allgemeineu 


§.  298. 
Ein  morphologisch  selbständiger  Nahrungskanal  scheint  erst  da 
aufzutreten,  wo  das  Zellenmatcrial,  aus  welchem  der  Körper  hervor- 
, geht,  sich  in  Gewebe  fortgebildet  hat,  denn  zum  Aufbau  dieses  Or- 
ganes  sind,  wie  bei  den  Wirbelthieren ,  bindegewebige  Häute 
und  Zellenschichten  nothwendig,  sehr  allgemein  auch  Muskeln. 
Der  Grundplan  nun,  den  wir  in  der  histologischen  Construktion  des 
Traktus  der  Würmer,  Strahlthiere,  Mollusken  und  Arthropoden  befolgt 
sehen ,  ist  so :  Bindesubstanz  giebt  das  eigentliche  Gerüste  und  liefert 
unter  der  Form  einer  homogenen  starken  Membran  die  sog.  Timica 
propria  des  'Nahrungsrohrs ,  nach  innen  von  ihr  lagert  das  Darmepi- 
thel und  nach  aussen  schlägt  sich  um  sie  die  Muscularis.  Da  aber 
häufig  die  Bindesubstanz  von  der  Tunica  propria  sich  zwischen 
den  contraktilen  Elementen  nach  aussen  durchzieht,  so  kann  sie  auf 
der  äusseren  Fläche  des  Darmes,  demnach  jenseits  der  Muskelhaut, 
abermals  eine,  wenn  auch  zartere,  membranöse  Hülle  bilden.  Auf 
solche  Art  gewinnt  der  Darmkanal  der  Wirbellosen  eine  mit  dem  der 
Wirbelthiere  analoge  Zusammensetzung,  denn  die  Tunica  propria 
sammt  ihrer  Zellenschicht  hat  ihr  Gegenüber  in  dem  Bindegewehs- 
stratum  und  Epithel  der  Mucosa  der  Wirbelthiere,  die  Muskelhaut 
entspricht  in  gleicher  Linie  der  Muscularis  ^  und  im  Falle  die  Binde- 
substanz noch  einmal  an  der  Aussenseite  der  Muskelhaut  sich  mem- 
branartig gestaltet,  liegt  das  Acquivalent  der  Serosa  vor. 

Fiff.   176. 


OL- 


Die  ein  zu  In  en  Hiliite  dos  Darmes  vom   Flusskrebs. 

a  die   Cuticula  (Intima  des  Darmes)  mit  zelliger  Zeichnung,  b  die  Epithelzellen, 
c  die  binilegewebige  Tunica  propria,  d  die  Längen-  und  Eingmuskeln, 

c  die  Serosa. 

§.  299. 

zeiieuhirio  Fassen    wir    nun   wieder    die    Modificationcn    in's   Auge,   welche 

Schlund  der  dlc  cinzcluen  Schichten  des  Nahrungsrohrcs   erfahren  können!    Zuvör- 

Anhrop.dcn.  jgj,g^  vcrdicut  Erwäluiung ,  dass  die  Epithelzellen  im  Oesophagus  der 

Arthropoden*)    vielleicht    durchweg    mangeln    (ich    vermisste    sie    bei 

*)    Gelegentlich    sei  bemerkt,    dass    die    den    Saugrüssel    bildenden    und   ver- 
längerten Maxillen  der  Schmetterlinge  mir  keineswegs  in  dem  Sinne  hohl  und  den 


Darmflimmerung.  331 

Phyllopoden,  Schmar ozerkrebsen,  locodes ,  den  Rotatorien 
u.  a.)  und  dieser  Abschnitt  des  Tractus  dann  lediglich  aus  einer  inne- 
ren homogenen  Chitinhaut  und  der  Muscularis  besteht.  Nach  Hein- 
rich Meckel  fehlen  die  Zellen  auch  im  Saugmagen  der  Hymenop- 
teren  und  Dipteren,  im  Kaumagen  des  Krebses  (wo  ich  sie  indes- 
sen erkenne)  und  vieler  Insekten,  ebenso  im  Mastdarme  der  letzteren. 
Dass  in  dem  zum  Spinnorgan  umgewandelten  Mastdarme  der  Myrme- 
leonlarve  die  Zellenlage  ebenfoUs  vollständig  mangelt,  wie  ich  ange- 
zeigt {Müll.  Arch.  1855,  S.  450)  gehört  nicht  minder  hieher. 

§.   300. 

Das  Epithel  des  Verdauungskanales,  welches,  wie  oben  darge- 
legt wurde,  nur  bei  äusserst  wenigen  Wirbelthieren  flimmert,  trägt 
bei  Wirbellosen  nicht  selten  Ci-lien,  so  bei  Acalephen ,  vie- 
len Würmern,  Echinodermcn  und  Mollusken.  Die  Arthropoden  (Krebse, 
Insekten  und  Spinnen)  entbehren  im  ganzen  Körper  und  also  auch 
im  Tractus  der  Flimmerung,  und  nur  die  Rotatorien,  welche  eine 
ausgesprochene  Magen-  und  Darrawimperung  besitzen ,  würden  eine 
Ausnahme  machen,  wenn  man  der  Ansicht  von  Burmeisterj  Dana 
und  mir  nicht  abhold  ist,  sie  den  Krustenthieren  beizugesellen.  — 
Die  Wimperung  kann  die  ganze  Innenfläche  des  Verdauungsrohres 
überziehen,  was  z.  B.  in  den  Muscheln:  Cyclas,  Najaden  u.  a. 
der  Fall  ist,  oder,  und  dies  dürfte  gewöhnlicher  sein,  die  Bewimperung 
erscheint  durch  Strecken  cilienloser  Zellen  unterbrochen:  Paludina 
vivipara  z.  B.  hat  im  ganzen  Schlünde  Wimpern,  im  Magen  gros- 
sentheils,  mit  Ausnahme  einer  scharf  begrenzten  Stelle,  der  Anfangs- 
theil  des  Darmes  wimpert  wieder,  der  Enddarm  ist  cilienlos ;  bei  flya- 
laea  ist  die  Flimmerung  im  Magen  durch  die  dort  sich  findenden 
festen  Platten  unterbrochen;  heiHelix  hortensis  wimpert  das  Epi- 
thel des  Schlundes  nur  in  bestimmten  Längsstrichen,  Magen  und  Darm 
scheinen  gar  nicht  zu  flimmern.  Umgekehrt  ist  der  Schlund  bei  Echi- 
nus  esculentus  ohne  Cilien,  während  Mundhöhle,  Magen  und  Darm 
damit  versehen  sind.  Bei  Cephalopoden  wimpert  der  Darm,  nicht 
der  Magen  und  Schlund.  Ohne  diese  Beispiele  zu  vermehren,  sei 
blos  darauf  hingewiesen,  dass  in  manchen  Fällen  der  grösste  Theil 
der  Innenfläche  des  Traktus  cilienlos  werden  kann  und  nur  auf  klei- 
nem beschränkten  Räume  das  Epithel  in  Flimmerhärchen  ausgeht. 
So  sehe  ich  beiPlanaria  gonocephala  lediglich  das  Schlingorgan, 
bei  Clepsine  nur  den  Mastdarm  flimmern,  bei  Nephelis  wimpert 
eine    ganz    kurze  Strecke    der  Anfangstheil    des    Darms,    unmittelbar 


Darm- 
flimmeruns. 


Saugkanal  zu  erzengen  scheinen,  wie  Treriranus  will,  denn  bei  SiMnx  pinastri 
sehe  ich  deutlich  ,  dass  in  den  langen  quergeriefelten  Blättern  der  Lingua  spiralis 
ein  starker  Nerv  bis  zur  Spitze  verläuft,  ebenso  Tracheen  und  quergestreifte  Mus- 
keln. Der  Saiigkanal  entsteht  durch  das  Aneinanderlegen  der  beiden  modifizirten 
Unterkiefer, 


332 


Vom  Nahrungskaiial  der  Wirbellosen. 


hinter    dem  Sphincter   der  Magen    und  Darm    trennt,  bei  Piscicola 
die  Stelle,  welche  sich  vor  dem  letzten  Blindsackpaar  befindet. 

§.  301. 
Auch  in  ihren  übrigen  Eigenschaften,  in  Grösse,  Form,  In- 
halt, bieten  die  Zellen  des  Darmepithels  mannichfache  Verschieden- 
heiten bei  einzelnen  Gruppen  der  Wirbellosen  dar.  Man  beobachtet 
von  kleinen  rundlichen  Bläschen  bis  zu  enorm  langen  cylindrischen 
Zellen ,  wie  sie  sich  im  Darm  unsrer  Gasteropoden  [Paludiva ,  Liniax 
u.  a.)  finden,  alle  Zwischenformen.  Ungemein  gross  werden  auch  die 
Zellen  in  dem  Darm  vieler  Insekten  und  mancher  Krebse  (z.  B.  Onis- 
cus,  Porcellio ,  wo  den  Zellen  auch  eigenthüralich  ist,  dass  unterhalb 
der  Membran  eine  dicke,  granuläre  Zone  sich  bemerkbar  macht, 
welche  radiär  streifig  erscheint),  die  ungewöhnlich  grossen  Zellen 
im  Enddarme  von  der  Raupe  der  Sphinx  Euphorhiae  zeigen  verästelte 
Kerne.  Der  Inhalt  der  Zellen  ist  bald  eine  helle  (Substanz,  bald  blass- 
körnig, bald  sind  es  gefärbte  Körner  (gelbbraun  z.  B.  bei  Echinus 
escidentus ,  röthlich  bei  Hynapta  diyitata)  oder  es  füllen  auch  Fett- 
tröpfchen die  Zelle  aus. 

Fig.    177. 


*'uticula  oder 

liilima  des 

Nahninys- 

rulires. 


Vom  Darm   des  Oniscus. 

a  die  Ciiticula,    b  die    grossen  eigenthümlichen  Epitlielzellen   des  Darmes, 

c  die   Muscularis,     d    die  Serosa. 

Aehnlich,  wie  bei  den  Wirbelthieren  das  Darmepithel  nach  seinem 
Inhalt  aus  zweierlei  Zellen  zusanmiengesetzt  wird  ,  besteht  auch  die 
zelh'ge  Auskleidung  des  Darmrohres  bei  Mollusken  aus  verschiedenen 
Zellen,  indem  die  einen  von  mehr  hellem  Habitus  sind,  während  sich 
die  anderen  durch  eine  dichte  Anflilhmg  iVires  freien  Endes  mit  körniger 
Masse  auszeichnen. 

§.  302. 

Im  Traktus  vieler  Wirbellosen  kommt  es  wieder  zu  sehr  aus- 
geprägten Cu  ticMi  l;i  rbi  Id  ungcu  ,  und  mit  diesem  Gegenstande  haben 
wir    Ulis   etwas   näher   abzugeben,     ScIkih   im    Darme  der  Wirbelthicre 


entsteht,  wie  oben  vorgehi'acbt 


wiu'de,   (hiich  die 


Verdickujii»-  der  freien 


Zelh'nenden  und  dci-en  regelmässige  Aneinanderreihung  v\\\  heller 
homogener  8aum  als  Grenzschicht  des  Epithels,  welche]-  die  iiodcutung 
einer  Cuticula  hat  und  von  feinen  Poreid<anälen  durchsetzt  wird. 
Noch  weit  aufiäl liger  und  mannichfahigei"  wird  diese  Bildung  in  der 
ileihe  vieler  Wirbellosen.    Bei   manchen   Mollusken,  im  Magen  und 


Cuticnla. 


333 


Darm  von  Helix  hortensis  z.  B.,  ist  zwar  eine  glashelle,  dicke  Schicht, 
eine  Cuticula  vorhanden,  welche  durch  die  aneinander  liegenden  ver- 
dickten Zellenendcn  erzeugt  wird,  allein  sie  ist  noch  so  weich,  dass 
nach  Einwirkung  von  Reagentien  diese  Cuticula  die  selbständige  Exi- 
stenz, welche  sie  vorgespiegelt  hat,  verliert,  indem  beim  Aufblähen  der 
Zellen  jede  ihr  verdicktes  Ende  für  sich  behält. 

Fig.  178. 


et 
-h 


cC 


Durchschnitt    durch    die  Darmwand    von    Helix  hortensis. 
a  Cilien,    b  Cuticularsaum,    c  die  Epithelzellen,    d  die  beiden  Muskelschichten 
(sollten    etwas    breiter    gezeichnet    sein) ,     e    der    seröse    Ueberzug    mit    Binde- 
substanzzellen. 

An  anderen  Orten  und  Arten  hingegen  gewinnt  die  Cuticular- 
schicht  eine  solche  Festigkeit,  dass  man  sie  wie  an  der  äusseren 
Haut  als  ein  homogenes  Häutchen  zu  isoliren  vermag.  Im  Magen  von 
Paludina  vivipara  z.  B.  hat  sich  an  bestimmter  Stelle  (vergl.  Ztschr. 
f.  wiss.  Z.  Bd.  n.  S.  162)  die  Cuticula  zu  einer  -Membran  von  knorpel- 
ähnlicher Consistenz  verdickt,  die  sich  an  Exemplaren ,  welche  in 
heissem  Wasser  getödtet  wurden ,  als  continuirliche  Haut  mit  der 
Pinzette  abheben  lässt.  Die  Cuticula  verdickt  sich  ferner  lokal  zu 
den  Zungenplatten  und  Ki ef er t heilen  der  Schnecken,  Tinten- 
fische und  Würmer  (Zähne  der  Egel,  Kauapparat  der  Kiemenwürmer) 
zu  den  Magenzähnen  der  Äplysia  und  den  Hörn  platten  im  Magen 
anderer  Mollusken.  Auch  den  s.  g.  Kry stallstiel  im  Magen  der 
Najaden  und  von  Cyclas  zähle  ich  zu  den  Cuticularbildungen. 

§•  303. 
Wendet  man  die  Aufmerksamkeit  auf  den  Bau  solcher  ver- 
dickter Cutlcularschichten,  so  erfährt  man  immer,  dass  die 
Hauptsubstanz  eine  homogene  und,  weil  geschichtet,  streifige  Materie 
ist;  die  Magenzähne  der  Aplysia^  welche  die  Farbe  und  Consistenz 
des  Hyalinknorpels  haben ,  zeigen  mir  .  diese  Beschafi"enheit  nicht 
minder,  wie  der  Krystallstiel  von  Anodonta  und  Cyclas  oder  wie  die 
mit  Kalilauge  behandelten  Kiefer  von  Helix  pomatia.  Heftet  man 
den  Bhck  auf  die  untere  Fläche  dieser  Cuticularprodukte ,  da  wo  sie 
den  Zellen  unmittelbar  aufsassen,  so  hat  man  eine  mosaikartige  Zeich- 
nung,  wie  von  einem  Epithel  herrührend,  zur  Ansicht,  allein  man 
muss    dieses   Bild ,    wie    ich    schon   in   meiner  Arbeit    über   Paludina 


Bei 

Mollusken. 


that  (a:  a.  0.  S. 


163^ 


damit  erklären,   dass   die  polygonalen  Enden 


334  Vom  Nahrungskanal  der  Wirbellosen, 

der  die  Outlcula  abscheidenden  Zellen  sich  in  der  homogenen  Masse 
in  Abdrücken  erhalten.  Auch  kann  man  in  den  unteren  Schichten, 
z.  B.  der  Kiefer  der  Schnecken,  einzelnen  wirklichen  Zellen,  da  und 
dort  eingestreut,  begegnen ,  ähnlich,  wie  man  in  der  schwielig  ver- 
dickten Cuticula  des  Muskelmagens  der  Vögel  zwischen  der  homogen- 
geschichteten Substanz  auf  einzelne  Zellen  stösst;  sie  scheinen  mir 
indessen  keinen  wesentlichen  Bestandtheil  zu  bilden,  sondern  mehr, 
wenn  man  sich  so  ausdrücken  darf,  zufällig  mit  hineingerathen  zu 
sein.  —  Die  Härte  der  Cuticularbildungen  wird  auch  bei  den  Mollusken 
durch  Chitin isirung  der  Substanz  erzeugt  (Kiefer  der  Schnecken 
und  Cephalopoden  z.  ß.)  und  in  noch  höherem  Grade  selbst  durch 
Imprägnirung  mit  Kalk,  wovon  die  Magenplatten  der  Bullaea 
ein  Beispiel  abgeben.  (Verschiedene  Autoren  nennen  irrthümlich  die 
Magenskelete  der  Bullaeen  „hornig",  G.  Garus  jedoch  bezeichnete 
sie  bereits  von  Bullaea  lignaria  in  den  Erläuterungst.  z.  vergl.  Anat. 
mit  dem  Namen  „Kalkschale  des  Magens."  Nach  Hancock  wären 
bei  den  Eolidien  die  Zungenzähne  durch  Kieseltheilchen  erhärtet, 
was  auch  bei  Buccmuni  und  andern  der  Fall  sein  soll.) 

Fig.   179.  • 


Bei 

Artliropodon, 


__£• 


Durchschnitt   aus  einer  Magenabtheilung  von  Paludina  vivipara. 

a    dicke  Cuticularbildung,    b    Cylinderzellen,    c    Tunica  propria    des    Magens,    die 

Bindesubstaniizellen  derselben    sind  mit  Kalkkugeln    gefüllt,    d  die    beiden 

Muskelschichten ,    e    die    Serosa ,    auch    hier    die  Bindesubstanzzelleu    zum 

Theil  kalkhaltig. 

§.  304. 
Bei  Krebsen,  Spinnen,  Insekten  ist  die  Cuticula  des  Traktus, 
gewisserraaassen  in  Ucbereinstimniung  mit  dem  entwickelten  Zustande 
derselben  auf  der  äusseren  Haut  noch  allgemeiner  als  ein  selbständiges 
Gebilde  vorhanden,  das  namentlich  im  Schlünde  (auch  bei  Hirudineen 
hier  sehr  deutlich)  und  Mastdarm  als  eine  ziendich  dicke  Plaut  gesehen 
wird,  dann  auch  vorzüglich  im  Kaumagen  der  Insekten  und  Krebse 
zu  mancherlei  zahnartigen  Vorsprüngen  und  haarförmigcn 
Verlängerungen  sich  umgestaltet.  Obschon  auch  hier  die  Cuticula 
und  ihre  Verdickungen  aus  liomogener,  geschichteter  Substanz  be- 
stehen, welche  durch  den  Chitinisiningsprozess  eine  verschiedene  Här- 
tung erfahren  haben,    so  trifft  man  doch  abermals  auch  mitunter  sehr 


Cuticula.  335 

zierliche  Zeichnungen  und  Skulpturen,  die  für  den  ersten  Blick  den 
Glauben  an  eine  zellige  Zusammensetzung  aufkommen  lassen  und 
auch  einige  Forscher  getäusclit  haben.  Beim  Flusskrebs  z.  B.,  wo  die 
Cuticula  an  Exemplaren ,  die  einen  Tag  lang  in  Cliromsäure  gelegt 
wurden,  als  ein  vollständiger  Schlauch  aus  dem  Darm  herausfällt,  hat 
diese  homogene  Intima  grössere  Felder  und  innerhalb  dieser  wieder 
kleinere,  die  mit  feinen  Höckern  besetzt  sind.  Und  doch  sind  letztere 
trotz  aller  Aehnlichkeit. keine  Zellen,  sondern  nur  der  Abdruck  der 
darunter  gelegenen  Zellen.  {R.  Mechel  hielt  die  Intima  des  Krebses 
nicht  für  strukturlos,  sondern  sie  bestehe,  wie  „die  hornige  Epidermis" 
aus  zackig  ineinander  greifenden  Zellen.)  Ln  Proventrikel  von  Pro- 
crustes  coriaceus  sieht  man  wabige  Bildungen,  in  deren  Grund  wieder 
feinere,  sternförmig  gestellte  Faltenzüge  erblickt  werden.  Aehnhches 
zeigt  sich  im  Kropf  von  Locusta  viridissima. 

Fig.  180. 


Ein  Stück  Cuticula  aus  dem  Kröpfe  von  Locusta  viridissima,    um  die 
den  Knochenkörpern  ähnlichen  Skulpturen  zu  zeigen. 

Man  ist  anfänglich  überrascht  von  der  Uebereinstimmung  der 
Bilder  mit  Knochenkörperchen  oder  Bindegewebskörperchen,  und  doch 
sind  es  nur,  wovon  nähere  Besichtigung  überzeugt,  Faltenbildungen. 
Im  Darm  erheben  sich  die  Leisten  der  Intima  zu  regelmässigen, 
polygonal  sich  begrenzenden  Alveolen.  So  halte  ich  auch  die  „Zellen" 
und  die  „den  einzehien  Zellen  aufsitzenden  Stacheln",  welche  Kar- 
sten in  Müll.  Arch.  1848.  Taf.  X.  Fig.  9  von  Brachinus  abbildet, 
bloss  für  Skulpturen  der  homogenen  Cuticula ,  nicht  minder  die 
„Drüsenhaut"  Fig.  10  aus  dem  Magen,  und  die  den  Knochenkörpern  ähn- 
liche Darstellung  auf  Fig.  8. 

§.  305. 

Es   scheint,    als    ob  bei  etwelcher  Dicke   der  homogenen   Intima  Porenkanäi« 

'  _  °  der  Cuticula. 

des  Darmes    auch   in   ihr  Po  renk  anale  wiederkehren  können.     Ich 
beobachte  wenigstens   im  Magen   der  Raupe    von  Noctua  aceris  eine 

Fig.  181. 


l 

Aus  dem  Darm   der  Raupe  von  Noctua  aceris. 
a  die    mit  Porenkanälen   durclisetzte  Cuticula,    b  die  Epithelzellen. 


336  Vom  Nahruugskanal  der  Wirbellosen. 

verhältnissmässig  starke  Cuticulaj  welche  in  sehr  klarer  Art  von  dicht- 
stehenden, senkrechten  Strichen  durchbohrt  ist  und  auf  mich  den  Ein- 
druck von  Porenkanälen  machten ;  bei  längerem  Verweilen  im  Wasser 
quoll  die  Intima  auf  und  die  Kanäle  wurden  dadurch  weiter. 

§.  306. 
Verkalkte  Wie    bcl    verscliiedencn   Krebsen    das    Chitingewebe    des    Haut- 

gebude.  panzers  durch  Verkalkung  sich  erhärtet,  so  wird  nicht  minder  die 
grössere  Härte  der  Magenzähne  im  Kaumagen,  z.  B.  von  Oniscus, 
Porcellio,  durch  Aufnahme  von  Kalk  in  die  Cuticularsubstanz  zu  Wege 
gebracht.*)  (In  die  Zähnchen  der  Mundfalten  von  Haemopis  habe  ich 
nach  früheren  Aufzeichnungen  gleichfalls  anorganische  Kügelchen  ein- 
gelagert gesehen.) 

Da  eben  von  Zahngebildcn  die  Rede  ist ,  so  mag  eingeflochten 
sein,  dass  das  KaugerUst  des  Echinus ,  dann  der  bei  ^ynapta  den 
Schlund  umgebende  Knochenring,  wie  die  verkalkte  Lederhaut  der 
Echinodermen  aus  organischer  Grundlage  und  Conglomeraten  von  Kalk- 
stückchen zusammengesetzt  werden,  die  eigentlichen  Zähne  indessen 
von  Echinus^  welche  auch  schon  in  Form  und  Aussehen  an  die  Zähne 
höherer  Thiere  erinnern,  werden  nach  H.  Meyer  [Müll.  Arch.  1849. 
S.  195)  aus  Schmelzfasern  gebildet,  welche  in  drei  Ordnungen  zu- 
sammengelagert   sind. 

§.  307. 
Darmdruscu.  Naclidcm  Im  Vorhergegangenen  gezeigt  wurde,    dass   die   Tunica 

propria  des  Darmes  in  Geraeinschaft  mit  dem  darüber  ausgebreiteten 
Zellenbeleg  (\.qt  Mucosa  der  Wirbelthiere  gleichzusetzen  ist,  so  muss  jetzt 
zur  Sprache  kommen,  ob  auch  bei  Wirbellosen  durch  Einstülpung  der 
beiden  Schichten  Darmdrüsen  entstehen.  Die  Beantwortung  dieser 
Frage  hängt  von  der  subjektiven  Auffassung  ab.  Es  faltet  sich  näm- 
lich bei  den  verschiedensten  Mollusken,  Annulaten,  Echino- 
dermen etc.  die  Innenfläche  des  Darmes  oft  eben  so  dicht  und  zier- 
lich, wie  im  Darm  der  Amphibien  und  Fische,  und  ich  möchte  wohl 
diesen  grösseren  Crypten  oder  Vertiefungen  zwischen  den  netzartigen 
Falten  den  Namen  Drüsen  beilegen;  wer  aber  nur  den  ganz  feinen 
Einsenkungen  der  Schleindiaut  die  ßezeiclmung  von  Drüsen  zugestehen 
will,    der    wird  den  meisten  Wirbellosen   die  Darmdrüsen  absprechen 

*)  Auch  die  sog.  Krebssteine  möclite  ich  in  die  Reihe  der  verdickten  und 
verkalkten  Cuticularbildungen  rücken.  Untersucht  man  nämlich  die  ersten  scheiben- 
förmigen Anfänge  derselben,  welche  zwischen  der  Zellcnlage  und  der  Intima  des 
Magens  auftreten ,  so  sieht  man  deutlich ,  dass  sie  nicht  einfach  aus  abgelagertem 
Kalk  entstehen,  sondern  der  Abscbeidung  des  Kalkes  geht  eine  Abscheidung  ho- 
mogener organischer  Lagen,  d.  h.  Verdickung  der  Cuticula  voraus,  welche  sich 
an  dem  Rande  des  isolirtcn  scheibenförmigen  Krebssteines  als  ein  Saum  bemerk- 
lich macht,  dessen  Eigenscliaften  mit  denen  der  Cuticula  übereinstimmen.  Durch 
die  liier  angenommene  Entstehungsweise  ist  es  denn  weiter  bedingt,  dass  die  noch 
dünnen  Krebssteine,  namentlich  an  den  dünnen  Rändern  von  zahlreichen  Poren- 
kanälen   durchsetzt  sind,  die  wohl  auch  an  ausgebildeten  nicht  fehlen  werden. 


Darmdrüsen.  337 

müssen.  Bei  den  Cephalopod  en  sollen  schlauchförmige  Drüsen 
im  Dcirm  zugegen  sein ;  bei  Piscicola  kommen  im  Darm  eigenthüm- 
liche  grosse  Zellen  vor,  zu  mehren  von  einer  gemeinschaftlichen 
Kapsel  umgeben,  die  vielleicht  ebenfalls  drüsiger  Natur  sind.  In  die 
Kategorie  der  Drüsen  können  auch  die  zahlreichen,  kurzen  und  dünnen 
zottenartigen  Hervorragungen  aufgenommen  werden,  die  am  Magen 
vieler  Insekten  sichtbar  sind.  Wie  bereits  Bergmann  und  Leuchart 
ricTitig  bemerken,  sind  sie  keine  Ausstülpungen  des  gesammten  Darm- 
rohres, indem  ihnen  die  Muskellage  fehlt  und  sie  nur  aus  der  binde- 
gewebigen Tunica  propria  und  den  Sekretionszellen  bestehen ;  auch 
H.  Mekel  beschreibt  so  die  halbkugeligen  Recessus  am  Magen  der 
Musca  vomitoria  und  die  Blinddärmchen  am  Magen  der  Larven  von 
pflanzenfressenden  Käfern ,  jedoch  muss  ich  beifügen ,  dass  bei 
Staphylinus  maxillosus  ^  wo  die  meisten  der  Blindsäckchen  die  eben 
gemeldete  Struktur  haben ,  doch  einige  noch  mit  deutlichen  quer- 
gestreiften Längen-  und  Ringmuskeln  überzogen  werden,  also  Aus- 
stülpungen der  vollständigen  Darmwand  darstellten ,  was  natürlich 
ihrer  Bedeutung  als  Drüsen  nicht  den  mindesten  Eintrag  thun 
kann.  H.  Mekel  fand  auch  die  Blindsäcke  hinter  dem  Kaumagen 
der  Orthopteren  innen  mit  parallelen  Falten  besetzt  und  dazwischen 
nach  aussen  gehende  Blindsäckchen ,  die  er  den  Lieberkühn'schen 
Drüsen  vergleicht.  —  Was  den  „merkwürdigen  Abschnitt  des  Chylus- 
magens"  bei  Pentatoma  betrifft,  in  den  „vier  Reihen  eng  mit  einander 
verbundener  Drüsenreihen  einmünden"  (v.  Siebold)  ,  so  kann  man 
diese  Bildung  dem  gekammerten  Endtheil  des  Ductus  deferens  von 
Chimaera  z.  B.  vergleichen.  Auffallend  war  mir ,  in  den  Kammern 
einer  lebenden  solchen  Wanze  dichte  Massen  von  vibrionenartigen, 
sich  bewegenden  Wesen  zu  erblicken ,  was  bekanntlich  auch  vom 
Magen  einiger  Säuger  beobachtet  wurde.  Den  mancherlei  grösseren 
blindsackigen  Anhängen  am  Darm  der  Wirbellosen,  z.  B.  dem  Blind- 
sack am  Magenausgang  der  Cephalopoden,  den  paarigen  langen  An- 
hängen bei  Haemopis ,  Hirudo  u.  a.  muss  wohl  immer  eine  drüsige 
Natur  zugesprochen  werden,  und  wie  mir  scheint  besonders  auch  auf 
den  Grund  hin,  weil  ihre  Epithelzellen  alle  (bei  Haemopis  z.B.)  mit 
grösseren  Kügelchen  stark  angefüllt  sind,  während  im  übrigen  Darm- 
epithel solche  Zellen  nur  zerstreut  vorkommen. 

§.  308. 
Im  Dickdarm  vieler  Insekten  finden  sich  „Wülste  von  räthsel- ';«k."idriuen 
hafter   Bedeutung'^,    über    die    andere    Zootomen    die   Meinung' 
äussern,  dass  es  Drüsen  („Rektaldrüsen'')  seien.     Ich  kann  mich  nicht 
zu  dieser  Ansicht  halten,    sondern  möchte  in  fraglichen  Organen  be- 
sonders geartete  Papillen  und  Falten  des  Darmes  erkennen.    Es   fusst 
diese  Betrachtung  auf  der  Untersuchung  von  Musca  domestica,  Eristalis 
tenax,    Palex,  Acheta  campestris,  Locusta   viridissima,    Forficida  auri- 
crdaria,     Formica   herculavea.    Apis,    Vespa ,    Mevnpon  pallidum    und 

Leydig,    Histologie.  ^^ 


(lei-  Insekten. 


338  Vom  Nahrungskanal  der  A\' irbellosen. 

mehrer  Schmetterlinge.    Bei  Musca,  Eristalis  und  Pulex  ragen  sie  in 
Form    von    vier   kegelförmigen    Gebilden    in's    Innere ,    bei    Forficula^ 
Formica  und  den  Schmetterlingen  sind  es  rundliche  Körper*),  bei  den 
übrigen  genannten  Arten   haben   sie   eine  längliche  Gestalt.     Am  ge- 
nauesten ist  mir  der  Bau  von  der  Stubenfliege  bekannt,  wo  er  folgender- 
maassen  sich  verhält.    Zu  innerst  erscheinen  die  Kegel  überzogen  von 
einer  homogenen,  mit  nach   oben  gekrümmten  Häckchen   versehenen 
Guticula,   darunter  kommt  eine  starke  Lage  von  Zellen,  deren  Kerne 
gross  und' deutlich,  weniger  klar  die  Membranen  sind.    Die  Zellenlage 
ist  nach   innen  durch   ein  homogenes   Häutchen  abermals  abgegrenzt. 
Die  bis  jetzt  bezeichneten  Theile  bilden  eigentlich  zusammen  eine  hohle 
Einstülpung   in    den   Darm ,    indem    die    mit   Häckchen    ausgestattete 
Cuticula  mit  der  Intima  des  Darms  in  Continuität  steht  und  das  Häut- 
chen, welches  den  Innenraum  des  Kegels  auskleidet,  eine  Fortsetzung 
der   den  Darm    äusserlich  umhüllenden  homogenen  Bindesubstanz  ist. 
Letztere  verdickt  sich  gerade  da,  wo  die  Einstülpung  statt  hat,  zu  einem 
bräunlichen,   gezacktrandigen    Ring.     (An    frisch    getödteten    Fliegen 
kommt  er  durch  die  Contraktion  der  Darmmuskeln  etwas  höher  hinauf 
zu  liegen.)     In  den  Hohlraum  des  Kegels  erhebt  sich  nun  von  aussen 
her  ein  Zapfen ,    der  aus   Tracheen    und   dem   dazu  gehörigen  Binde- 
gewebe besteht.     Er  ist  scharf  abgegrenzt  und  von  seiner  Oberfläche 
spannen  sich  zu  dem,  den  Innenraum  des  Kegels  auskleidenden  Häut- 
chen  zahlreiche    kleine    Bälkchen    herüber.     Zu   jedem    Kegel    gehen 
zwei  starke  Tracheenstämmchen,    die  sich  so  verästeln,  dass  eine  An- 
zahl von  Längsgefässen  durch  Verzweigen  die  Zellen  umspinnen,    ein 
anderer  Theil  in  den  inneren  Zapfen  des  Kegels  tritt  und  hier  in  ein 
sehr  dichtes  Netz   ausgeht,    das    für  sich  abgeschlossen  ist.      Endlich, 
was  noch  beachtenswerth  scheint,  es  tritt  in  den  Zapfen  jedes  Kegels 
ausser  den  Tracheen  ein  Nervenstämmchen  herein,    über   dessen  wei- 
teres Verhalten    bei    der  Zartheit   des  Objektes    nichts    zu    erforschen 
ist.       Bei    Eristalis     bieten    die    Kegel    im    Wesentliclien    dieselben 
Strukturverhältnisse    wie    bei    Musca    dar ,    nur    ist    die  Cuticula    hier 
glatt,  ohne  Häckchen.    Bei  Forßcula,  Acheta  etc.  ist  die  Chitinisirung 
dgr  Bindesubstanz  zu  einem  braunen  Ring  um  die  Basis  des  Organes 
stärker  als  in  den  Museiden.     Melophagus   zeigt  „die  convexe  Fläche 
der  vier   ovalen   Wülste    mit  kurzen,    steifen    Plättchen   überwachsen" 
{Leon  D ufour ,  v.   Siehold)]  eine  ähnliche  Bildung  lutbe  ich  nacli 
einer  Beobachtung,    die  ich  nicht  mehr  wiederholen  konnte,    in  Oma- 
loplia  brunnea  gesehen.     Die  Form  der  Zellen  unter  der  Cuticula  ist 
im    Allgemeinen    rundlich    oder    cylindrisch,    der    Inhalt    innner    fein 
punktirt.      Ueberall    erhalten  die  fraglichen  Organe  eigene  Tracheen, 


*J  Auch  in  dir  Kilfergattuiig  Silpha,  wo  sie  in  grösster  Menge,  zu  Hunderten 
vorhanden  sind,  iiiiljen  sie  eine  rundliche  Gestalt,  sind  dabei  übrigens  lilciuer  als 
jene  der  oben  genannten  Arten. 


Darmdrüsen. 


339 


deren    Stärke    und    Reichtlmm    der   Verästelung    sich    jedoch    nicht 
g-leich    bleibt ,    und    bei    den    Fliegen   z.   B.    bedeutender   als   bei    den 


Schmetterlingen  ist. 


Fig.  182. 


^  - 


Eine    sog.  Rektaldrüse    von  Musca  doinestica. 
a  Tracheen ,    b    das    Nervenstäramchen.     (Starke  Vergr.) 

Wenn  ich  nach  dem  Gesagten  die  Gründe  zusammenfasse,  welche 
gegen  die  drüsige  Natur  der  s.  g.  Rektaldrüsen  sprechen  und  eher 
die  Meinung,  dass  es  Darmpapillen  von  besonderer  Art  seien,  recht- 
fertigen ,  so  sind  es  diese.  Die  berührten  Gebilde  weisen  sich  be- 
stimmt als  Einstülpungen  des  Darmrohres  nach  innen  aus^  wobei  sich 
allerdings  nur  die  Intima ,  die  Zellenlage  und  die  äussere  Binde- 
substanz des  Darmes  betheiligen.  Ganz  abgesehen  davon ,  dass  an 
ihrer  Wölbung  jegliche  Oeffnung  mangelt ,  wäre  es  gegen  alle  Ana- 
logie, dass  eine  Darmdrüse  durch  Einstülpung  der  Darmwand  nach 
innen  zu  Stande  käme.  Es  lehrt  vielmehr  die  Betrachtung  der  Darm- 
innentläche  von  Insekten  mit  länglichen  „Rektaldrüsen",  dass  fragliche 
Gebilde  lediglich  modifizirte  Partien  der  auch  sonst  vorhandenen 
Längsfalten  des  Dickdarmes  sind.  So  verlaufen  sie  bei  den  Grillen, 
den  Heuschrecken  in  gleicher  Linie  mit  den  Längsfalten  und  grenzen 
sich  nur  durch  den  braunen  chitinisirteu  Ring  an  ihrer  Circumferenz 
von  den  Falten  ab.  Die  Tracheen  übrigens ,  welche  bei  Fliegen, 
Schmetterlingen  etc.  nur  in  der  Pseudodrüse  endigen,  erstrecken  sich 
z.  B.  bei  der  Feldgrille  vorn  und  hinten  über  dieselbe  hinaus  und  in 
die  gewöhnliche  Darmfalte  hinein.  Dann  ist  es  ferner  von  grossem 
Belang  und  nicht  mit  Drüsenstruktur  vereinbar,  dass  in  den  Hohlraum 
der  Einstülpung  ein  dieser  entsprechend  geformter  Zapfen  ragt,  der 
zur  Entfaltung  eines  oft  sehr  dichten  Tracheennetzes  dient,  sogar  aus 
nichts  anderem  als  aus  Bindesubstanz  und  Tracheen  besteht,  wozu  noch 

22* 


340  Vom  Nalirungskanal  der  Wirbellosen. 

ein  Nervenstämmchen  kommt.  Die  Zellen  unter  der  Cuticula  stimmen 
in  ihren  Eigenschaften  nicht  ganz  mit  den  übrigen  Zellen  des  Darmes, 
letztere  sind,  wie  ich  mir  wenigstens  von  Forficula  aurictdaria  genauer 
angemerkt  habe,  kleiner  und  bleiben  in  Essigsäure  hell,  während  die 
grossen  Zellen  des  kugeligen  Wulstes  dunkel  werden.  Und  so  glaube 
ich  nach  obigen,  allerdings  etwas  abgerissenen  Mittheilungen  annehmen 
zu  können,  dass  die  s.  g.  Rektaldrüsen,  houtons  charnus  i\s.q\\  Dufour 
(der  sie  für  muskulös  hält  und  in  Verbindung  mit  der  Defäcation  stehen 
lässt),  glandulär  protuberances  der  englischen  Autoren  kaum  mit  der 
Sekretion  etwas  zu  thun  haben,  sondern  passender  sehr  entwickelten 
Papillen  oder  modifizirten  Partien  der  Darmfalten  vom  morphologischen 
Standpunkt  aus  verglichen  werden.  *) 

§.  309. 
Miiskniaria  Was  dlc  M u s k 0 1  li a u t  des  Darmes  betrifft,  so  mangelt  sie  öfters, 

was  ich  z.  B.  bei  kleinen  Acarinen,  bei  Cossus,  am  gekammerten  Chylus- 
magen  won  Pentatoma  bemerke,  nach  Leuckart  auch  bei  den  Salpen. 
Das  Nahrungsrohr  besteht  dann  nur  aus  der  Tunica  propria  und  den 
Epithelzellen.  Wo  sie  vorhanden  ist,  scheidet  sie  sich  gewöhnlich  in 
zwei  Lagen,  in  Längs-  und  Ringfasern,  und  nimmt  man  Rücksicht  auf 
die  weitere  Beschaffenheit  der  Elemente,  so  bemerkt  man,  dass  bei 
Würmern,  Echinodermen  und  Mollusken  die  Fasern  von  ein- 
facher Natur,  ohne  Querstreifen  sind,  wobei  jedoch  zu  beachten,  dass 
manchmal,  besonders  am  Schlundkopf  (z.  B.  von  Septola,  Paludina, 
Echinus  u.  a.)  durch  eine  regelmässige  Lagerung  des  körnigen  Li- 
haltes  in  der  einfachen  Faser,  diese  sich  dadurch  zur  quergestreiften 
hinüberbildet. 

Andererseits  erscheint  die  Darmmuskulatur  der  Insekten, 
Spinnen  und  Krebse  quergestreift,  doch  giebt  es  da  Ausnahmen, 
wenigstens  haben  nach  Frey  und  Leuckart  kleine  saugende 
Insekten ,  sowie  die  Krustaceen  Grangon ,  Mysis ,  Baianus  glatte 
Fasern.  Bei  Rotatorien  sind  die  Muskeln  des  Darmes  glatt,  die 
des  Scidundkopfes  einiger  Arten  [Notommata  Sieboldii  z.  B.)  be- 
stehen aus  exquisit  quergestreiften  Elementen.     Es  ist  auch  eine  ziem- 


*)  I(;li  habe  jüngst  noch  diese  Organe  bei  Phryganea  grandis  untersucht,  wo 
sie  von  einer  Htruktur  sind,  dass  ein  Streifliclit  auf  die  eigentliclie  Function  ge- 
worfen VAX  werden  scheint.  Die  fragliclicn  Bildungen  sind  hier  umfänglich,  von 
lilngliclier  Gestalt,  in  das  Innere  s])ringen  von  beiden  Seiten  her  regelmässig  ge- 
stellte häutige  Septen  vor,  die  zum  Tragen  der  Tracheenausbreitungen  dienen, 
in  den  freien  Räumen  dazwischen  waren  viele  Blutluigelchen  angehäuft.  Mir 
däucht  nun,  dass  die  .„Rektaldrüsen"  der  IVirygaiiea  den  Uebcrgang  bilden  zu  den 
sog.  „Traclieen-Kicmen"  im  Mastdarm  der  Libellenlarven.  Berücksiclitigt  man  näm- 
llcli,  dass  die  Ijcsagtcii  Organe  immer  durch  ganz  besonderen  Tracheenreichthum  sich 
anszeiclinen,  ferner  dass  (vergl.  unten)  bei  Wirbellosen  eine  „Darmathmung"  eine 
allgemeinere  Erscheinung  sein  dürfte,  so  müchtcM  aucli  die  abgehandelten  Gebilde 
mit  der  Respiration  durch  die  Darm  flu  che  in  näherer  Beziehung  stehen. 


Fettkörper.  341 

lieh  gewöhnliche  Erscheinung,  dass  die  Muskelcyhndcr  in  der  äusseren 
oder  Längsschicht  bei  Annulaten  {Fiscicola  z.  B.),  sowie  bei  den 
Krebsen  und  Insekten  eine  verästelte  Form  darbieten. 

§.  310. 

Der  Serosa  des  Darmes  ist  es  bei  Aphrodite  aculeata,  dann  den  ser»sejiaut. 
Bryozoen,  den  Echinodermen  {Synapta,  Echinus  z.  B.)  eigenthümlich, 
dass  sie  flimmert  {v.  Allma7i  bezweifelt  mit  Unrecht  die  Cilien  bei 
den  Bryozoen,  ich  sehe  sie  deutlich  bei  Plumatella).  Als  ein  selteneres 
Vorkommniss  könnte  betrachtet  werden,  dass  bei  Üynapta  digitata  im 
Mesenterium  eine  netzförmige  Muskulatur  sich  ausbreitet,  allein  mir 
scheint,  dass  sich  dazu  Analogieen  finden;  so  sind  die  Bauchfellzüge, 
welche  bei  den  Schnecken  das  Nahrungsrohr  umgeben  und  fest- 
halten, da  und  dort  mit  Muskeln  durchstrickt ;  nicht  minder  möchte  ich 
die  zahlreichen  Scheidew^ände  hierherziehen,  welche  bei  Ringel- 
würmern den  Darm  gleich  wie  durch  Mesenterien  in  der  Leibes- 
höhle befestigen  und  hauptsächlich  aus  Muskelcyhndern  bestehen. 

§.  31L 
Die  Stelle  der  Mesenterien  vertritt  bei  den  Arthropoden  der  Fettkö,per. 
s.  g.  Fettkörper,  welcher  in  seiner  entwickelten  Form  aus  fett- 
haltigem Bindegewebe  und  Tracheen  besteht.  Bei  Ixodes  testudinis 
durchzieht  zur  Befestigung  der  Eingew^eide  ein  Balkenwerk  den  Leibes- 
raum, welches,  obgleich  das  Aequivalent  des  Fettkörpers  vorstellend, 
ohne  Fettgehalt  ist.  Das  Balkennetz  ist  aus  verschmolzenen  Zellen 
hervorgegangen,  deren  Kerne  permanent  bleiben.  Die  Verwachsung 
der  Zellen  scheint  in  der  Art  erfolgt  zu  sein,  dass  röhrenartige  Ge- 
bilde entstanden,  in  denen  die  ursprünglichen  Kerne  und  eine  Punkt- 
masse liegen.  Hier  und  da  sitzen  dem  Balkengewebe  grössere  Blasen  i 
an,  in  denen  man  wahrhaft  riesige  Kerne  erblickt.  Die  sogenannte 
Peritonealhülle  der  Tracheen  ist  die  unmittelbare  Fortsetzung  des 
Balkengewebes  und  beide  sind  in  jeghcher  Beziehung  eine  und  die- 
selbe Substanz.  —  Wendet  man  dem  Fettkörper,  z.  B.  von  Gammarus 
pulex,  die  Aufmerksamkeit  zu,  so  zeigt  er  sich  als  ein  helles  Netzwerk, 
entstanden  aus  zusammengeflossenen  Zellen,  deren  Kerne  überall  noch 
vorhanden  sind.  Dazu  kommen  jetzt  Fetttropfen  als  Ablagerungen  in's 
Innere  der  netzförmigen  Bindesubstanz.  Will  man  vom  Fettkörper  der 
Insekten  sich  überzeugen,  dass  er  lediglich  Bindegewebe  mit  einge- 
schlossenen Fetttropfen  ist,  so  nehme  man  Stellen  zur  Ansicht,  in 
welchen  das  Fett  ganz,  oder  fast  ganz  mangelt.  Sehr  gut  eignet  sich 
z.  B.  von  LocAista  viridis sima  jener  Tlieil,  welcher  an  der  Spitze  der 
Eierstöcke  sich  findet;  wem  die  verschiedenen  Modifikationen  des 
Bindegewebes  bei  höheren  Thieren  bekannt  sind,  wird  da  augenblick- 
lich die  Spezies  der  netzförmigen  Bindesubstanz  erkennen.  Man  hat 
helle ,  strahlig  ausgewachsene  Zellen  vor  sich  ,  deren  Ausläufer  mit 
einander  verschmelzen,  und  aus  den  Knotenpunkten  leuchten  die  Kerne 


342  Vum  Nahrungskanal  der  Wirbellosen. 

klar  hervor.  Fetttropfen  fehlen  hier;  ist  indessen  eine  grössere  Partie 
des  Gewebes  ausgeschnitten  worden,  so  kann  man  den  Uebergang  des 
zarteren  und  fettlosen  Bindegewebes  in  fetthaltiges ,  d.  h.  in  den 
echten  Fettkörper  verfolgen.  In  letzterem  erscheint  das  Balkenwerk 
von  beträchthcherem  Umfang  und  ausser  den  Zellenkcrnen  nimmt 
eine  mehr  oder  minder  reichliche  Fettniederlage  das  Innere  der  Binde- 
substanz ein. 

In  den  äusseren  Umrissen  kann  der  Fettkörper  in  den  verschiede- 
nen Insektengattungen  und  nach  den  Lebenszuständen  sehr  variiren, 
blätterig,  lappig,  traubenförmig ,  netzförmig  (sehr  zierlich  z.  B.  bei 
Tipula  oleracea)  sein;  mitunter  ist  er  auch  in  einem  solchen  Grade 
mit  Fett  erfüllt,  dass  eine  weitere  Untersuchung  sehr  erschwert  wird. 
Die  Farbe  richtet  sich  öfter  nach  der  vorherrschenden  Farbe  des 
Thieres;  sie  ist  z.  B.  bei  Trichodes  apiarius  roth,  bei  Zerene  grossu- 
lariata  gelb ,  bei  Fentatoma  grün.  Aus  dem  Voranstehenden  ergiebt 
sich  auch,  dass  der  Vergleich  des  Fettkörpers  mit  dem  Netze  der 
höheren  Thiere,  wie  ihn  frühere  Beobachter,  namentlich  Malpighi 
und  Guvier,  machten,  auch  vom  histologischen  Standpunkt  aus  voll- 
kommen richtig  ist. 

§.  312. 

Weiterhin  sei  vorgebracht,  dass  bei  Cossus  hesperidum  die  Zellen 
des  Fettkörpers  sich  auf  eine  bemerkenswerthe  Weise  nach  Einwirkung 
von  Essigsäure  verhalten.  Wird  das  genannte  Reagens  zugesetzt,  so 
ändert  sich  der  Inhalt  der  Fettzeilen  dahin  um,  dass  aus  der  Zelle 
flüssiges  Fett  in  Form  kleiner  Kügelchen  austritt,  der  zurückbleibende 
Theil  aber,  in  Nadeln  anschiessend,  krystallinisch  sich  umgestaltet. 
Es  erinnert  dieser  Hergang  un  die  Fettzellen  mit  Margarinkrystalleu, 
wie  sie  nicht  selten  bei  Wirbelthieren  beobachtet  werden. 

Ein  Gegenstand  der  besonderen  Erörterung  ist  das  Vorkommen 
von  eigenthümlichen  Substanzen  in  dem  Fettkörper,  und 
zwar  zugleich  mit  dem  Fett.  Schon  früher  habe  ich  bezüglich  des 
Fcttk()rpers  von  Locusta  viridissima  und  Decticus  rerrucivorus  ange- 
zeigt, dass  hier  ausser  den  gelben  Fettkügelchen  noch  eine  andere 
Substanz  getroffen  wird,  die  sich  unter  der  Form  von  verästelten 
schwarzen  (bei  autfallendem  Licht  weissen)  Flecken  bemerkbar  macht 
und  aus  kleinen  Körnchen  sich  zusammensetzt,  welche  in  Essigsäure 
aushalten  und  in  Kalilauge  schwinden.  Diesen  Thieren  kann  ich  jetzt 
auch  Menopon  pallidum  (aus  dem  Gefieder  des  Haushuhns)  anreihen, 
bei  welchem  gleichfalls  in  dem  Fettkörper  ausser  den  Fettkügelchen 
eine  dunkle,  Körnchenhaufen  bildende  Materie  vorkommt,  welche  in 
Kalilauge  sich  löst,  indessen  die  Fettkügelchen  unverändert  bleiben, 
höchstens  etwas  erblassen.  Von  grossem  Interesse  ist  mir  übrigens 
in  der  beregten  Hinsicht  die  Untersuchung  unserer  Leuchtkäfer  {Lam- 
pyris  spendidula)  geworden  ,  indem  sich  gezeigt  hat ,  dass  hier  die 
leuchtende    Substanz    ebenfalls    im  Fettkörper   deponirt    ist,    aber 


Fettkörper. 


343 


von  den  Fettkügelchen  auf  den  ersten  Blick  sich  unterscheidet.  Der 
Fettkörper,  nach  seinen  Umrissen  betrachtet,  bildet  zum  Theil  Beutel- 
chen, durch  zarte  Stiele  sich  anheftend^  zum  Theil  mehr  ästig-  gelappte, 
auch  wohl  compaktere  Massen.     Die  Zellen  des  Fettkörpers  enthalten 

Fig.   183. 


Fettkörper   von  Lampyris. 

a  Vom  Leuchtorgan  des  Männchen  nach  Behandlung  mit  Kalilauge,  b  vom  Fett- 
körper des  Männchen  und  ohne  die  anorganischen  Kügelchen ,  c  Fettkörper  des 
Weibchen,  in  welchem  die  dunklen  Kugeln  die  anorganische  Masse  bezeichnen, 
d  zwei  Kugeln  der  letzteren  frei  und  stärker  vergrössert,  darunter  mehre  derselben 
innerhalb  der  Sekretbläschen  (sind  im  Holzschnitt  etwas  übel  ausgefallen), 

nun,  wie  der  erste  Anblick  lehrt,  ausser  den  Fettkügelchen  noch  andere 
Kugeln  und  Körnchen,  viel  diuikler  als  die  Fettkügelchen,  und  die 
grösseren  von  einem  Habitus,  der  lebhaft  an  die  Concremente  in  den 
Nierenzellen  der  Schnecken  erinnert;  sie  weisen  selbst  die  gleiche 
strahlige  Zeichnung  auf,  wie  jene,  ja  noch  mehr,  sie  stecken  auch  in 
besonderen  Hohlräumen  der  Zellen,  gewissermaassen  in  Sekretbläschen. 
Und  nicht  bloss  das  äussere  Ansehen  unterscheidet  sie  scharf  von  den 
Fettkügelchen,  auch  ihre  chemische  Beschaffenheit  ist  ganz  different, 
denn  nach  Zusatz  von  Kalilauge  lösen  sie  sich  vollständig,  indessen 
die  Fettkügelchen  bleiben.  Die  männliche  und  weibliche  Lampyris 
verhalten  sich  etwas  verschieden  bezüglich  der  Vertheilung  und  An- 
sammlung dieser  Substanz  im  Fettkörper.  Beim  Weibchen  enthält 
der  Fettkörper  des  ganzen  Abdomens  die  beschriebenen  grösseren 
Concretionen  ausser  den  Fettkügelchen,  und  bekanntlich  leuchlet  auch 
beim  Weibchen,  wenn  gleich  schwächer,  der  ganze  Hinterleib;  beim 
Männchen  nur  die  letzteren  Hinterleibssegmente.  Der  Fettkörper  des 
Männchens  entbehrt  aber  auch  bis  auf  die  bezeichnete  Stelle  der 
Leuchtkörnchen.  Am  intensivsten  phosphoresciren  beide  Geschlechter 
an  der  Bauchseite  der  Hinterleibssegmente,  wo  sich  das  eigentliche 
Leuchtorgan    vorfindet,    dadurch   gebildet,   dass  hier  die  Zellen   einer 


341  Vom  Nabrungskanal  der  Wirbellosen. 

compakten  Fettkörpermasse  aufs  dichteste  mit  der  fraglichen  Substanz, 
beim  Männchen  selbst  mit  Ausschluss  aller  fettigen  Elemente  angefüllt 
sind.  In  diesem  eigentlichen  Leuchtorgan  sehe  ich  beim  Männchen 
und  Weibchen  die  leuchtende  Substanz  nur  in  Molekularform  und 
nicht  in  grösseren  Concretionen.  Das  Leuchtorgan  der  Lampyriden 
ist  daher,  wie  schon  Treviramis  aussprach,  morphologisch  ge- 
nommen, ein  modifizirter  Fettkörper,  aber  die  leuchtende  Substanz  ist 
nicht  Fett,  sondern  ein  anorganischer  Körper,  der  in  den  Zellen  des 
Fettkörpers  sich  abscheidet.  Morren  hat  bereits  1841  behauptet,  dass 
das  Leuchten  von  Phosphor  herrühre,  der  unter  die  Fettsubstanz  ge- 
mischt sei,  und  das  Mikroskop  weist,  wie  ich  gezeigt  habe,  eine 
Substanz  nach,  welche  man  für  den  Phosphor  halten  möchte.  Die 
zahlreichen  Tracheen,  welche  sich  im  Leuchtorgan  verzweigen,  unter- 
halten durch  die  Luftzufuhr  den  Verbrennungsprozess  und,  wie  man 
am  lebenden  Thier  bemerkt,    das   Glühen  wird  stärker,    je  lebhafter 

die  Respiration  ist.*) 

§.  313. 
Pigmente,  Dass  dlc  zum  Darm  gehörigen  Gewebe  auch  bei  den  Wirbellosen 

Nerven  und  ii  ii-  1  1  1" 

Blutgefässe  pigmentirt  sein  können,  soll  nur  nebenbei  erwähnt  werden;  bei 
Echinus  esculentus  sehe  ich  auch  in  den  Muskelcylindern  die  gleichen 
gelben  Körner,  wie  sie  im  Darmepithel  sich  finden.  An  die  Muscularis 
des  Darmes  bemerkt  man  bei  verschiedenen  Annulaten,  Mollusken 
und  Arthropoden  Nervenstämmchen  herantreten,  allein  die  schon 
'  mehrmals  berührte  Blässe  und  fein  molekulare  Beschafi'enheit  derselben 
zwingt  uns,  von  einem  weiteren  Verfolgen  abzulassen.  Die  wenigen 
wirbellosen  Thiere  mit  individuahsirten  Blutgefässen  (Annulaten, 
Cephalopoden)  lassen  diese  auch  an  den  bindegewebigen  und  musku- 
lösen Darmschichten  erkennen,  ich  sehe  z.  B.  den  Darm  von  Eaemopis 
sehr  reich  an  Gefässen ,  und  an  (ßio,etogaster  habe  ich  die  Art  der 
Verbreitung  näher  in's  Auge  gefasst.  Hier  gehen  vom  Rückengefäss 
zahlreiche  Gcfässe  ab,  welche,  in  der  Tunica  propria  des  Nahrungs- 
rolirs  verlaufend ,  den  Magen  und  Darm  reifartig  umstricken ,  und 
indem  sie  sich  durch  seitliche  Aeste  untereinander  verbinden,  entstehen 
stricklciterähnliche  Maschen.  Auf  der  Bauchseite  sammeln  sich  dielling- 
gefässe  zu  einem  medianen  Längsstamm,  der,  weiter  hinten  vom  Darm 
weggehend ,  in  das  Stammgefäss  des  Bauches  einmündet.  Vergl.  die 
Figur  der  folgenden  Seite. 

lieber  den  Verdauungsapparat  der  Infusorien  sclnvankt  die  Meinung  noch 
herüber  und  liinüber.  Nach  Ehrenberg  besitzt  die  eine  Ordnung  {Aneiitera) 
viele  eigenwandige  Magenblasen,  die  mit  einem  Stiel  in  die  Mundüilniing  führen; 
bei  der  anderen  Ordnung  {Knterodela)  ist  ein  Darnikanal  vorliandcn  mit  Mund  und 
Afterölfniing  versehen  und  die  Mfigenblascn  münden  in  den  Darnikanal  ein.  Ein 
anderer  Forscher,    der    sich    niclit    wenig    in    dem  Stutiium  dieser  Tliicrgruppe  um- 


*)    Bei   Jülus  terrestris    finden    sich    im   Fettkürpcr    ebenfalls   die   Concremente, 
nnd  zwar  in  grösster  Menge,  nicht  aber  bei  Scolopetidra  electrica ! 


Blutgefässe. 


345 


B 


A   Chaetogaster,   um  die  Gefässe  in  der  Wand  des  Tractiis  zu  veranschaulichen. 
I  Schlundkopf,    II  Schlund,    III  Magen  :    a  Rückengefäss,    b  Bauchgefäss, 

c  Gefässnetz  des  Magens. 
B  Stückchen  vom  Magenrand:     a  Tunica  propria,    b  die  Blutgefässe,    c  die 

Substanz  der  Leberzellen. 

gethan  hat,  v.  Siebold  nämlich,  lehrt  den  Ehr enh er g'' sehen  Ansichten  entgegen, 
dass  wenn  ein  Mund  bei  den  Infusorien  zugegen  sei,  doch  selbst  bei  Gegen- 
wart eines  Schlundes  und  eines  Afters  ein  bestimmt  abgegrenzter  Darm  fehle, 
die  Speisebissen  schieben  sich  nach  v.  Siehold  auf  ganz  unbestimmten  Wegen  vom 
Ende  des  Oesophagus  bis  zum  After  hin.  Mir  scheint  aber,  in  Uebereinstimmung  mit . 
den  oben  namhaft  gemachten  Beobachtern,  wie  wenn  ein  bestimmt  abgemessener  Raum 
als  Darmkanal  fungire.  Wenn  ich  die  histologischen  Verhältnisse  des  Darmkanales 
der  Infusorien  durch  etwas  Analoges  erklären  möchte,  so  scheint  es  ungefähr  der  Fall 
zu  sein,  wie  mit  der  Chitinhaut  im  Verdauungsrohr  vieler  Arthropoden  :  am  Mund 
und  durch  den  Schlund  hinab,  sowie  am  After,  wo  die  Darmcuticula  mit  der 
Chitinhaut  der  äusseren  Bedeckungen  in  unmittelbarem  Zusammenhang  steht,  ist 
sie  dick  und  überhaupt  sehr  :iunenfällig,  hingegen  im  Chylusmagen  wird  sie  ^ehr 


346  Vom  Nah i-tingsk anal  der  Wirbellosen. 

dünn  und  zart.  Rechnet  man  nun  hinzu,  wie  bei  den  Infusorien  fast  alle  Conturen 
Sehr  fein  sind,  so  wird  man  sich  kaum  wundern  dürfen ,  dass  die  Begrenzung  des 
als  Darmkanal  fungirenden  Raumes  nicht  durch  eine  besondere  Linie  sich  von  der 
Umgebung  absetzt.  —  Die  Anwesenheit  eines  Afters  bei  Infusorien  bestreitet  Stein, 
während  ihn  Lachmaim  von  verschiedenen  Arten  beschreibt.  —  Interessant  ist 
die  Beobachtung  des  zuletzt  genannten  Forschers,  dass  bei  den  Acineteu  durch  die 
strahlenartigen  Fortsätze  des  Körpers   die  Nahrungsaufnahme  vermittelt  wird. 

Die  Kiefer  der  Cephalopoden,  die  Hornplatten  im  Magen  der  Pteropoden 
leiten  Kölliker  und  Gegenbaur  von  verhornenden  Zellen  ab  und  ich  selber 
habe  früher  die  Entwicklung  der  Kiefer  von  Faludina  in  dieser  Art  dargestellt, 
allein  mit  besserem  Wissen  muss  ich  gegenwärtig,  wie  oben  geschehen,  fragliche 
Gebilde  als  Zellenabscheidungen  ansehen. 

Vom  Darm  der  Turbellarien  meldet  Schultze ,  dass  derselbe  „eine 
faserige  oder  strukturlose  Haut  nicht  besitze"  (Beitr.  z.  Naturg.  d.  Turb.  S.  28). 
Ich  glaube  diese  Angabe  nach  Untersuchungen  an  Planarien  dahin  bestimmen  zu 
dürfen,  dass  die  Tunica  proi^ria  des  verzweigten  Darmes  nichts  Selbständiges  ist, 
sondern  die  Grenzschicht  einer  homogenen  Bindesubstanz ,  die  continuirlich  und 
areolär  den  Körper  durchzieht.  Nach  innen  liegen  die  Darmzellen.  Ich  habe  da- 
mit nur  histologisch  präcisirt,  was  v.  Siebold  in  anderer  Art  ausdrückt,  wenn»er 
sagt:  „die  Wände  des  Darmkanales  (der  Turbellarien)  stehen  immer  unmittelbar 
mit  dem  Körperparenchym  in  inniger  Verbindung."  Bei  den  Gordiaceeu  ist  der 
ganze  Ernährungsapparat,  wie  wir  durch  die  Mittheilungen  Meissner's  erfahren 
haben ,  so  höchst  eigenthüralicher  Art ,  dass  ein  histologisches  Beschreiben  ohne 
Kcnntniss  des  allgemein  Topographischen  kaum  verständlich  ist,  wesshalb  wir  auf 
die  Arbeit  des  genannten  Forschers  in  der  Zeitschr.  f.  w.  Zool.  1853  verweisen. 
Nur  bezüglich  des  Gordius  sei  erwähnt ,  dass  anstatt  eines  eigentlichen  Darm- 
kanales ein  seltsames  Zellenparenchym  zugegen  ist,  das  nach  aussen  von  einer 
homogenen  Haut  begrenzt  wird.  Meissner  reiht  die  Zellen,  welche  mit  Pfianzen- 
zellgewebe  grosse  Aehnlichkeit  haben,  in  die  „chitinisirenden"   Gewebe  ein. 

Im  Enddarm  des  Entomostraken  Polyphemus  kenne  ich  seit  Langem  einen 
zarten  haarähnlichen  Besatz,  der  auf  den  ersten  Blick  an  ruhende  Flimmerhaare 
erinnert;  Lereboullet  meldet  auch,  dass  die  innere  Fläche  des  Rektum  von 
JJajihnia  mit  langen,   dünnen,  hornigen  Fäden  besetzt  sei. 

Es  mag  hier  auch  die  Bemerkung  eine  Stelle  finden ,  dass  ich  im  Darm 
einiger  Wirbellosen  einen  Parasiten  beobaclitct  habe,  der  mir  noch  nirgends 
angezeigt  scheint.  Man  sieht  ihn  bei  Fiscicola,  Pontobdella,  Ixodes  testudinis  und 
zwar  immer  in  grösster  Menge;  er  ist  länglich,  an  manche  Zoospermienformen 
erinnernd  (z.  B.  an  die  von  Notoviinata  Sieboldii)  und  mit  undulirender  Membran 
versehen.  Dass  er  eigentlich  mit  tk'm  IHute  der  I'^ische  und  Schildkröten  in  den 
Darm  der  genannten  Thiere  gerathen  ist,  schliessc  ich,  weil  ich  einmal  im  Blute 
aus  dem    Herzen  des  Frosches  mehre  solcher  Schmarotzer  antraf. 

Der  Fettkörper  der  Arthropoden  verdiente  ein  einlässlicheres  Studium; 
ausser  den  oben  namhaft  gemacliten  Eigenthümlichkeiten  ist  noch  anzuführen,  dass 
ich  nicht  bloss  bei  Ixodes,  sondern  auch  bei  Fhryyanea  grandis  ganz  kolossale  Zellen 
beobachtet  habe,  die  bei  Phryyaneu  einzeln  zwischen  den  gewöhnlichen  Fettbeuteln 
liegen  und  mit  ihnen  durch  eine  äusserst  zarte  umliüllende  Haut  zusammenhängen. 
Der  Zelleiiinhalt  ist  gelbgranulär  und  der  grosse  Kern  ist  mit  so  eignen  Pünktchen 
unil  Strichen  gezeichnet,  dass  man  l'orenkanälc  zu  sehen  meint.  Bei  Carabus 
auratus  liegen ,  schon  fiir  das  freie  Auge  kenntlich ,  zwischen  den  meisten  Fett- 
läppchen  gelbgrüne  IVirtinncn    und  statt  des  Fettes  mit  gelbgrünen  Körnern  angcliillt. 


Von  den  Speicheldrüsen  der  Thiere.  '       347 


Siebenundzwanzigster  Abschnitt. 
Von    den    Speiclieldrüsen    der    Tliiere. 

§.  314. 
Die  Mundhöhle  der  Wirbelthiere  hat,  mit  Ausnahme  der  Fische  Batroch» 
und  der  fischartigen  Amphibien  ,  grössere  Anhangsdriisen,  die  nach 
ihrer  Funktion  in  Speicheldrüsen  und  Giftdrüsen  unterschieden 
werden.  Auch  die  Batrachier  besitzen,  wie  ich  gefunden,  eine 
grössere  Drüse,  welche  den  Lippen-  und  Kieferdrüsen  der  Ophidier 
und  Saurier  zu  vergleichen  ist.  Beim  Frosch  und  Salamander  er- 
scheint sie  als  unpaarer  gelblicher  oder  weisslicher  Körper,  der  an 
der  Schnauzenspitze  in  der  Vertiefung  zwischen  den  beiden  Nasen- 
höhlen, unmittelbar  unter  der  Haut  liegt.  Bei  weiterer  Untersuchung 
sieht  man,  dass  sie  aus  langen  Drüsenschläuchen  besteht,  die  ge- 
wunden und  innen  von  einem  Cylinderepithel  überzogen  sind.  Die 
Zellen  haben  einen  feinkörnigen,  blassen  Inhalt  und  sind  so  zart,  dass 
sie  nach  Wasserzusatz  bald  zu  Grunde  gehen  und  nur  der  Kern  sich 
erhält.  Die  Drüse  mündet  mit  zahlreichen  Gängen,  die,  wie  ich  ein- 
mal gesehen  zu  haben  glaube,  flimmern,  vor  den  Gaumenzähnen  in 
die  Mundhöhle.  Beim  Proteus  erblickt  man  in  der  Haut  der  Schnauzen- 
spitze lange,  gewundene  Drüsenschläuche,  in  denen  ich  das  Aequivalent 
der  Naseudrüse  der  vorhergehenden  Batrachier  erkennen  möchte. 

S.  315. 


Die  Speicheldrüsen  der  Ophidier    bestehen  nach  Joh.  Müller 


Iiei>tilieD| 
Vögel. 


„aus  zelligen  Schläuchen,  die,  ähnlich  den  Meibom'schen ,  neben 
einander  liegen  und  wovon  jeder  seinen  besonderen  Ausführungsgang 
hat.  „Die  lebhaft  weisse  Farbe  rührt,  wie  ich  bei  der  Eingelnatter 
sehe,  von  einer  dunkelmolekulären  Masse  her,  welche  die  Sekretions- 
zellen dicht  erfüllt,  in  Kalilauge  erblasst,  worauf  dann  die  Umrisse  der 
Drüsenbläschen  deutlich  werden."  Die  Giftdrüsen  sind  entweder 
aus  zahlreichen,  hohlen,  wieder  getheilten  Lappen,  welche  mit  ihren 
Ausführungsgängen  an  dem  Hauptgang  sitzen,  gebildet;  oder  es 
münden  in  denselben  einfache ,  zahlreiche  Röhren ;  zuweilen  scheint 
auch  die  Absonderung  auf  Säckchen  und  zelligen  Fächern  stattzu- 
finden.'^  Die  Giftdrüsen  sind  von  starker  fibröser  Scheide  und  quer- 
gestreiften Muskelschichten  umgeben.  —  Die  Speicheldrüsen  der  Vögel 
sind  im  Baue  denen  der  nicht  giftigen  Schlangen  sehr  ähnlich. 

Die   Speicheldrüsen    der    Säuger   zeigen   wie    die    des  Menschen    Säuger. 
den   traubigen  Drüsentypus ,    doch    liegen    bisher    keine    spezielleren 


braten. 


348  Von  den  Speicheldrüsen  der  Thiere. 

Untersuchungen  vor;  Donders  sah  in  den  Speicheldrüsen  des  Pferdes 
nach  Einwirkung-  von  Natronsolution  deutliche  Verzweigungen  von 
Nervenröhrchen  zwischen  den  Drüsenbläschen;  nach  Tobten  haben 
die  Aust'ührungsgänge  beim  Rind  glatte  Muskeln,  Eine  starke  Mus- 
kulatur hat  auch  die  Blase,  zu  welcher  sich  die  Ausführungsgänge  der 
Glandula  suhmaxillaris  bei  Dasijpus  vereinigen  (v.  Bapp). 

§.  316. 
Everte-  Jj^   dcr   Abtheiluug    der   Wirbellosen    sind    bei    verschiedenen 

Würmern ,  der  Mehrzahl  der  Arthropoden  und  unter  den  Mollusken 
bei  den  Cephalophoren  und  Cephalopoden  Organe  erkannt  worden, 
die  den  Speicheldrüsen  der  Wirbelthiere  entsprechen  und  durch  be- 
sondere Strukturverhältnisse  unser  Interesse  fesseln.  Ich  vertheile  die 
hierher  gehörigen  Bildungen  in  drei  Gruppen.  Die  erste  derselben 
umfasst  die  wirklich  einzelligen  Drüsen,  wie  sie  bei  Hirudineen 
{Piscicola,  Clepsine,  Pontohdella,  BvanclxelUon  u.  a.)  sich  finden.  Hier 
verlängert  sich  die  Membran  der  Sekretionszelle  unmittelbar  zu  dem 
oft  sehr  langen  Ausführungsgang.  Der  Inhalt  der  Zelle  ist  eine  fein- 
körnige Masse,  der  Kern  macht  eigenthümliche  Veränderungen  durch, 
w^orüber   man   m.  Aufs.  üb.  Piscicola  in  d.  Ztschr.  f.  vi.  Zool.  Bd.  I. 

vergleichen  kann. 

Fig.  185. 


Einzellige    Speicheldrüse    von  Piscicola. 

Die  zweite  Gruppe  begreift  einzellige  Drüsen,    deren    Zellen- 
membran   aber   geschlossen  ist,    sich  also  nicht  in  den  Ausfüh- 
rungsgang fortsezt,    und  die    nur  in    sofern  einzellige  Drüsen  heissen, 
als  jede  Sekrctionszelle  für  sich  in  einer  Tunica  propria  liegt.     Nach 
diesem  Schema  sehen  ^\\v  z.  B.  die  Speicheldrüsen  der  Landgasteropo- 
den  {Jleliv,  lAtna.r  u.  a.)  gebaut.     Die  Sekretionszellen  sind  gross  und 
jede  ist  einzeln  in  ein  zartes,    bindegewebiges,  mit  etlichen  Kernrudi- 
menten versehenes  Beutelchen  gebettet.     Letzteres    verlängert   sich  in 
einen  dünnen  Stiel  und  verbindet  sicli  (hidurch  mit  dem  gemeinsamen 
Ausführungs-    oder  Sammelgang,    dessen  Iimenfiächc    bei    Limax    ein 
Flimmerepithel    zu    haben    scheint.     Eine    IModifikation    dieses  Drüsen- 
typus bietet   z.  B.  die    obere  Speichehlrüse   der  Biene    dar:    hier   ist 
zwar  eine  Anzahl  von  Sekretionszellen  von  einer  gemeinsamen,  zarten 
Blase  [Tunica  propria)  unihiillt,  die  sich  wieder  stielförmig  verlängernd 
in   den   gemeinsamen    Ausfiihrungsgang    fiiln-t.      Die    Imienfl'iche    des 
k'tzteren  ist  von  einer  chitinisirten  (\divula  ausgekleidet,  unil  von  ihr 
gehen  als  Fortsetzungen    ebenso  viele   feine  Röhrehen    in  die  von  der 
Tunica  propria  gebildeten  Blase,  als  Sekretionszellen  vorhanden  sind. 


Einzellige  Drüsen. 


349 


(€■' 


A    Schema  für  die    Speicheldrüse    von    Helix:    a  Sekretionszelle,    b  beutel- 
torniige  Tunica  propria,  c  Anfang  des  gemeinsamen  Ausführungsganges. 

B    Stückchen    aus    der    oberen    Speicheldrüse  der  Biene:    a  Sekretions- 
zellen,  b  Tunica  propria,  welche  die  sechs  Zellen  umschliesst,   c  die  chitini- 
sirten    Röhrchen ,    welche    zu    den    Zellen    treten ,    d   der   gemeinsame   Aus- 
führungsgau g. 

§.  317. 

Endlich  die  dritte  Gruppe  enthält  die  mehrzelligen  Drüsen, 
also  jene  Formen,  welche  sich  an  das  gewöhnliche  Drüsenbild  an- 
schliessen.  Es  wird  hier  immer  eine  grössre  Anzahl  von  Sekretions- 
zellen durch  eine  bindegewebige  Tunica  propria  zusammengehalten, 
ohne  dass  etwas  von  einer  solchen  Isolirung  der  Zellen,  wie  sie  oben 
geschildert  wurde,  bemerkbar  wäre. 

Die  Tunica  propria  oder  das  Drüsengestell,  erzeugt  durch  seine 
Umrisse  eine  gewisse  Manchfaltigkeit  der  Formen  und  wie  bei  den 
Wirbelthieren  steht  das  Epithel  des  Ausführungsganges  in  Continuität 
mit  den  Sekretionszellen.  Letztere  können  flimmern  z.  B.  bei  Paludina 
vivijyara,  auch  nach  Gegenhaur  bei  Littorina,  Pteropoden  und  He- 
teropodeii.  Bei  den  Arthropoden  flimmern  sie  nie,  sind  hier  aber 
häufig  von  einer  Cuticula  überdeckt,  die  je  mehr  der  Ausführungs- 
gang der  Mundhöhle  sich  nähert,  chitinisirt,  und  dann  selbst  mit  spi- 
ralförmigen Verdickungen  ins  Lumen  des  Kanales  vorspringt,  was  bei 
Insekten  als  ein  sehr  allgemeines  Vorkommniss  betrachtet  werden  muss. 

Bemerkenswerth  scheint  mir,  dass  in  den  Endblasen  [Äcini)  der 
unteren  Speicheldrüsen  von  Apis  meUißca  die   homogene  Intima  {Cu- 


350  Von  den  Speicheldrüsen  der  Thiere. 

ticula)  von  kleinen  Löchern  durchbohrt  ist,  die  meist  als  Centrum 
eines  Fcaltenkranzes  sich  präsentiren  und  wohl  in  derselben  Anzahl 
wie  die  blassen  und  zarten  Sekretionszellen  vorhanden  sind.  Sie 
müssen  für  das  Aequivalent  der  feinen,  chitinisirten  Röhrchen  gelten, 
welche  (wie  vorhin  dargestellt)  das  Sekret  aus  den  Zellen  der  oberen 
Speicheldrüse  in  den  gemeinsamen  Ausführungsgang  leiten.  Es  bedarf 
übrigens  wohl  kaum  der  Erwähnung ,  dass  es  wie  überall  Uebergangs- 
oder  Mittelformen  giebt  zwischen  dem,  was  wir  als  Typen  aufstellen, 
so  -wie  denn  auch  die  Speicheldrüse  des  Ixodes  (vergl.  ra.  Abbild,  in 
Müll.  Arch.  1855,  Taf.  XV.  Fig.  11.)  eine  Vereinigung  von  ein-  und 
mehrzelligen  Drüsen  vorzustellen  scheint. 

^  Fig.  187. 


Eine  Endblase    der    unteren   Speicheldrüse  von  Apis  mellifica. 
a    Tunica  propria,    b    die  Sekretionszellen ,    c  die    Intima    mit    ihren  Oeffnungen. 

§.  318. 
Eine  Art  Speicheldrüsen  sind  auch  die  Serikterien  oder  Spinn- 
drüsen der  Raupen.  Wir  dürfen  denselben  eine  besondere  Aufmerk- 
samkeit schenken,  weil  hier  nach  der  Entdeckung  von  H.  31  e ekel 
eine  Form  von  Zellenkernen  vorkommt,  die  bis  jetzt  nur  bei  Insekten 
getroffen  wurde.  Die  Kerne  sind  nämhch  verästelt,  die  Aeste  lau- 
feji  zuweilen  durch  die  ganze  Höhle  der  Zelle  hindurch,  erweitern 
sich  dabei  stellenweise  und  setzen  sich  durch  Nebenäste  in  Verbin- 
dung. Bei  Vanessa  urticae  sind  die  Kerne  auffallend  durch  Länge 
und  Feinheit.  Jn  den  grossen,  regelmässig  sechseckigen  Drüsenzellen 
der  Spinngefässe  von  Cossus  Ugniperda  liegen  an  der  Stelle  der  Kerne 
eine  Anzahl  blindsackähnlicher  Körper,  die  kleine  Körnchen  enthalten 
und  durch  dünne,  mehr  oder  weniger  lange  Stiele  an  der  Innenllächo 
der  Zellenwand  befestigt  sind.  Ich  kenne  die  Serikterien  von  Raupen 
verschiedner  Tag-,  Abend-  und  Nachtfalter  und  habe  mich  von  der 
Richtigkeit  der  Angaben  Äl eckeis  überzeugt.  Es  sind  die  Sekretions- 
zellen  der  gedachten  Organe  w.ahrhaft  kolossal,  so  dass  öfter  nur  zwei 
Zellen  auf  den  Umfang  des  Follikels  kommen.  Die  Kerne  sind  hell 
und  scheinen  hohl  zu  sein,  gefüllt  mit  Flüssigkeit;  nach  Weingeist, 
Essigsäure  etc.  nehmen  sie  gleich  anderen  Kernen  härtere  Conturen 
an  und  werden  dunkel.  (Es  wurde  schon  angeführt,  dass  ähnliche 
verzweigte  Kerne  sich  noch  in  den  Hautdrüsen  sowie  in  den  Epi- 
thelzcUen  des  Darmes  gewisser  Raupen  finden.)     Die  Kerne  sind  z.  B. 


Sp 


inngefässe. 


351 


bei  der  Raupe  von  Sahimla  carpini  so  stark  verästelt,  dass  die  kolbigen 
Enden  der  Aeste  dicht  nebeneinander  zu  liegen  kommen  und  man 
beim  ersten  Anblick  zu  sehen  glaubt,  es  lägen  viele  einzelne,  rund- 
liche oder  gebuchtete  Kerne  in  einer  gemeinsamen  Grundsubstanz. 

Fiff.   188. 


Ein   Stück    der    Spinndrüse  einer  Raupe. 

a  Tunica  propria,    b  die  Sekretionszellen  mit  ihrem  verästelten  Kern,    c  die 

Tunica  intiraa,    d  der  Sekretfaden.     (Starke  Vergr.) 

Die  Höhle  der  Serikterien  ist  von  einer  ziemlich  dicken  und 
homogenen  Intima  ausgekleidet^  sie  scheint  znweilen  auch  von  Poren- 
kanälen  durchsetzt  zu  sein,  denn  die  Angabe  Meckels,  dass  die 
Tunica  iv^luna  bei  Gossus  Ugniperda,  yvo  die  Follikel  überhaupt  eine 
bedeutende  Dicke  haben,  „aus  feinen,  perpendikulär  zur  Fläche  stehen- 
den Cylindern"  zusammengesetzt  sei,  lässt  sich  in  diesem  Sinne  deuten. 
—  Das  Sekret  der  Spinndrüsen  besteht  aus  einem  wässrigen  Fluidum 
und  einer  elastischen,  zähen  Substanz,  die  in  Form  eines  mehr  oder 
weniger  dicklichen  Fadens  den  Kanal  des  Follikels  gerade  oder  ge- 
schlängelt durchläuft. 

Die  Darstellung,  welche  ich  früher  {Palucl.  vivip.  Zeitschr.  f.  w.  Zool.  Bd.  I. 
S.  166  Anmerkg.  1)  von  den  Speicheldrüsen  der  Helix  hortensis  gegeben  habe, 
möchte  ich  nach  oben  mitgetheilter  Beschreibung  verbessert  wissen. 

Ueber  die  Speicheldrüsen  der  Insekten  {Formica  rufa,  Stubenfliege,  Biene, 
Feldgrille,  Raupen)  vergleiche  man  die  wichtige  Arbeit  H.  Mechels:  Mikrographie 
einiger  Drüsenapparate  der  niederen  Thiere,  Müll.  Arch.   1846. 


Achtundzwanzigster  Abschnitt. 
Von   der   Bauclispeiclieldrüse   des    Menschen. 


§.  319. 


Das  Pancreas,  welches  nach  dem  Hergang  seiner  Entwicklung 
als  eine  Ausstülpung  von  der  hinteren  Wand  des  Duodenum  anzusehen 
ist ,  stimmt  im  feineren  Bau  vollkommen  mit  den  traubenförmigen 
Speicheldrüsen    überein.     Bindegewebe   ist    zur    Bildung    der    Tunica 


352  Von  der  Bauchspeicheldrüse. 

projjria  der  kleinen  und  grösseren  Läppchen,  sowie  für  den  Ausfiüi- 
rung'sgang  verwendet.  Die  Sekretionszellen  haben  einen  granulären 
Inhalt  und  häufig  auch  Fetttröpfchen.  In  der  Wand  des  Ausführungs- 
ganges finden  sich  zahlreiche,  ti-aubenförmige  Drüsen,  welche  im  Hin- 
blick auf  die  gleich  zu  verörternden  Vorkommnisse  bei  Thieren,  als 
kleine  Portionen  der  Pancreassubstanz  aufzufassen  sind.  —  Der  Berück- 
sichtigung werth  ist  auch ,  dass  auf  den  Acini  ausser  den  die  Drüsen- 
bläschen umspinnenden  Blutgefässen  noch  reichhche  Lymphgefässnetze 
beobachtet  wurden. 


Neunundzwanzigster  Abschnitt. 

Von    der   Bauclispeiclieldrlise    der   Tliiere. 

§.  320. 

wiri,eui,ie,e.  Es  sclicint  mir  von  einigem  Belang  und  vielleicht  in  der  Zukunft 

verwerthbar,  dass  das  Pancreas  verschiedener  Wirbelthiere  (mancher 
Plagiostomen,  Chimaera,  Ringelnatter,  Eidechse)  der  Milz  unmittelbar 
angewachsen  ist,  bei  Chimaera  monstrosa  allerdings  zugleich  mit  der 
Leber.  Auch  B tschoff  hat  schon  aufmerksam  gemacht,  dass  bei 
Ilindsembryonen  die  Blasteme  für  Pancreas  und  Milz  anfangs  voll- 
kommen verschmolzen  sind.  An  Pelohates  fällt  ferner  bezüglich  der 
Lage  des  Pancreas  auf,  dass  ein  guter  Tlieil  davon  mit  der  Magen- 
wand fest  verwachsen  ist ,  genauer  gesagt ,  zwischen  der  Serosa  und 
der  Muscularis  des  Magens  liegt.  Beim  Landsalamander  hängt  auch 
ein  Theil  der  grossen ,  gelappten  Drüse  der  Darmwand  innig  an. 
Richtet  man  sein  Augenmerk  auf  den  Bau^  so  unterscheidet  man 
eben  wieder  eine  bindegewebige  Grundlage,  welche  die  rundlichen 
Drüsonräumo  begrenzt,  und  zweitens  die  mit  Punktmasse  oder  auch 
Fetttröpfchen  erfüllten  Sekretionszellen.  Bei  Fischen  (ich  sehe 
es  so  bei  Acipenser,  Chimaera)  ist  der  Ausführungsgang  nach  seinem 
ganzen  Verlauf  mit  Drüsensubstanz  besetzt,  was  ihm  eine  gleichmässig 
dickh'clic  l')csch;iffcnheit  und  ein  gi'auweisses  Aussehen  verleiht.  In 
geringerem  Grade  erhält  sich  diese  Bildung  bei  (1(mi  Vögehi ,  bei  der 
Taube  wenigstens  sitzen  n;icii  meiner  Erfahrung  dem  Pancreatischcn 
Gang  von  Stehe  zu  Stelle  kleine  Knötchen  an,  die  sich  unter  dem 
Mikroskop  als  Abtheilungen  der  Bauchspeichehh-üsen  ausweisen.  End- 
licli  bei  den  Säugethieren  wei'den  diese  den  huchis  Wirs^imjiavus 
begleitiMiden  Drüsenpoi-tionen  so  klein,  dass  ihnen  voii  manchen  Au- 
toren di«3  Bedeutung  von  Schleimdrüsen  beigelegt  wird. 


Muskeln,   Blutyefüsse  etc.  '653 


Fig.   189. 


^■■^ 


^ — V_-^ 

Ein    Stück  Ausführungsgang    des    Pancreas    vom    Stör. 
a  Lumen  des  Ganges,    b  die  ihn  begleitende  Drüsenmasse.     (Geringe  Vergr.) 

Muskulöse  Elemente  am  Drüsengerüst  sind  mir  unbekannt, 
Tobten  meldet,  am  Ductus  Wirsungianus  vom  Rinde  glatte  Muskeln 
gefunden  zu  haben. 

Die  Blutgefässe  umstricken  die  Drüsenbläscben  wie  an  andren 
traubigen  Drüsen,  ebenso  begegnen  einem  einzelne  Nervenfasern  in 
der  bindegewebigen  Grundlage  des  Drüsenkörpers.  Sehr  merkwür- 
dig ist  mir  das  Pancreas  des  Maulwurfes.  Dasselbe  zeigt  eine  grosse 
Entwicklung,  von  der  Hauptmasse  zweigen  sich  weithin  verästelte 
Züge  ab  und  von  diesen  lösen  sich  grössere  und  kleinere  Lappen  weg, 
die  keineswegs  mehr  durch  Aeste  des  Ductus  pancreaticus  mit  der 
Drüse  zusammenhängen,  sondern,  bei  übrigens  vollständiger  Isolation 
nur  durch  ihre  Blutgefässe  den  Zusammenhang  mit  den  grösseren 
Lohuli  unterhalten.  Auch  hat  das  ganze  Pancreas  hier  nicht  das 
lebhaft  weisse  Aussehen,  wie  bei  anderen  Thieren,  sondern  eher  etwas 
Durchscheinendes.  Die  Sekretionszellen  in  den  ^cm«*  sind  hell  und 
inmitten  der  Endfollikel  sammeln  sich  Körnerhaufen  an. 

§.  321. 
In  der  Reihe  der  Wirbellosen  haben  allein  die  Cephalopoden  wubeiios 
ein  deutliches  Pancreas.  Nach  H.  Müller  besteht  es  aus  bald  ein- 
facheren Blinddärmchen,  bald  sind  die  Drüsenabtheilungen  zu  trau- 
bigen Bäumchen  angeordnet.  (Bei  Bossia  dispar  wurde  aussen  darauf 
eine  Schicht  derselben  gelblich  körnigen  Zellen  gefunden,  welche  die 
in  derselben  Wasserzelle  gelegenen  Venenanhänge,  bekleiden.) 

Ueber  das  Pancreas  des  Stör's  s.  meine  Unters,  über  Fische  u.  Rept.   S.  18.  — 
Ueber  das  der  Cephalopoden  H.  Müller  in  Zeitschr.  f.  w.  Z.   1853  S.  343. 


Leydig,  iiistologie.  2o 


354  Von  der  Leber  des  Menschen. 


Dreissigster  Abschnitt. 
Von    der   Leber    des    MenscHen. 

§.  322. 

Diese  grosse,  die  Galle  bereitende  Drüse,  zeichnet  sich  zwar  durch 
manche  Eigenthümlichkeiten  aus,  ohne  jedoch  so  ganz  aparter  Art  zu 
sein,  um  den  anderen  Drüsen  gegenüber  eine  eigene  Stellung,  wie 
Manche  wollen,  einnehmen  zu  müssen,  denn  im  Wesentlichen  ihres 
Baues  stimmt  sie  mit  anderen  secernirenden  Organen  überein.  Wie 
diese  nämlich  hat  sie  ein  bindegewebiges  Gestell,  das  zugleich 
Träger  der  Blutgefässe  (und  Nerven)  ist,  und  zweitens  zellige 
Elemente,  in  denen,  als  den  eigentlichen  Werkstätten  der  Sekretion 
die  Galle  abgeschieden  wird. 

Bevor  wir  uns  mit  der  Struktur  der  Leber  befassen,  sei  aus  den 
embryologischen  Untersuchungen  Remak' s  erwähnt,  dass  die  zellige 
Lebersubstanz  der  Genese  nach  identisch  mit  dem  Epithel  des  Darm- 
rohres ist,  also  eine  Fortsetzung  des  Drüsenblattes  darstellt,  während 
das  bindegewebige  Fachwerk  sammt  Gefässen  und  Nerven  von  der 
Faserhaut  des  Darmes,  einer  Sonderung  des  mittleren  Keimblattes, 
geliefert  wird.  Die  Leber  entsteht  nämlich  als  Anhang  des  Darmes, 
unter  der  Form  zapfenartiger  Auswüchse,  an  deren  Wucherung  sich 
die   beiden  bezeichneten  Darmlagen   betheiligen. 

§.  323. 
i.chci-  Das  Drüsengerüst  der  Leber  wird,  wie  schon  gesagt,  von  Binde- 

gewebe geformt,  welches  indessen  in  der  menschlichen  Leber  zarter  und 
weniger  massenhaft  ist,  als  in  der  Leber  vieler  Thiere,  so  dass  sogar  von 
Einigen  die  Anwesenheit  von  Bindesubstanz  in  der  menschlichen  Leber 
irrthiimlich  geläugnet  wird.  Das  Bindegewebe,  sowohl  mit  dem  serösen 
Ueberzug,  als  auch  mit  den  Ausstrahlungen  der  sog.  Glissonischen  Kapsel 
im  Zusammenhang,  durchsetzt  die  Leber  in  der  Art,  dass  ein  doppeltes 
Fachwerk  zu  Stande  kommt.  Etwas  stärkere,  blattartige  Züge  nämlich 
vereinigen  sich  zur  Hildung  wabiger  Räimic,  nnd  dies  giebt  die  Abson 
derung  der  Lebersubstanz  in  Läppchen  oder  Inselchcn.  Aber  auch  in 
diese  Fächerräume  hinein  setzt  sich  das  Bindegewebe  zum  zweitenmalc, 
wenn  auch  in  äusserst  zarter  Weise  als  J>alken-  und  Netzwerk  fort  und 
lässt  retikulär  zusammenhängende  Maschenräume  frei.  Hält  man  die 
Leber  mit  einer  grösseren  traubigen  Drüse  zusammen  und  vergleicht 
beide  bezüglich  ihres  Bindegewebsgerüstes,  so  entsj)rechen  jene  Züge 
Bindegewebes,  welche  den  Umriss  der  Läppchen  zeichnen  der  all- 


lÜDpfhcn. 


(los 


Leberzellen. 


355 


gemeinen  Faserlüille  und  die  Begrenzung  des  Netzwerkes   im  Inneren 
des  Läppchens  der  sog.    Tunica  propria. 

Fig.   190. 


Ein  Lebei-läppclien  in  schematisclier  Darstellung, 
a  die  cavernösen  Eäume  des  bindegewebigen  Fachwerkes,  nachdem  die  Zellen  ent- 
fernt sind ,    b  ein  Theil ,  welcher  mit  den  Leberzellen  gefüllt  ist ,    bei  c  stehen  die 
Anfänge    des    Ductus    hepaticus    mit    den    Hohlräumen    in    offener    Communikation, 
d    Vena    interlobularis    (letzte    Verzweigung    der    Pfortader) ,    e  Vena   intralobularis 

(Wurzeln  der  Vena  hepatica) ,    f  das  lobuläre  Capillarnetz. 

§.  324. 
Innerhalb  der  Maschenräume  liegen  die  Leberzellen,  und  da 
diese  in  dicht  gedrängter  Reihe  die  Hohlgänge  der  Bindesubstanz  voll- 
ständig erfüllen,  die  Räume  selber  aber  netzförmig  zusammenhängen, 
so  bilden  auch  die  Leberzellen  in  ihrer  Ganzheit  betrachtet,  solide,  ver- 
zweigte Stränge,  die  sog.  Leberzellennetze.  Richtet  man  den 
Blick  auf  die  näheren  Eigenschaften  der  Zellen,  so  sehen  wir  sie  von 
etwas  unregelmässiger  Gestalt,  bald  mehr  abgerundet,  bald  platt-poly- 
gonal, der  Kern  einfach  oder  doppelt  mit  deutlichem  Nucleolus.  Der 
Inhalt  erscheint  feingranulär,  dazu  können  kommen  Fetttröpfchen  und 
gelbe  Körner  (Gallenfarbstoif). 


Leberzellen  bei  starker  Vergrüssernng. 
a  mit  blassgranulärem  Inhalt,    b  mit  gelben   Körnern,    c  mit  einigen  Fetttröpfchen. 

23* 


356  Von    der  Leber  des  Menschen. 

§.  325. 
ouuengange.  Wie    bcI    ulleii    aiidreii  Drüsen    mit    Ausfülirungsgang    betheiligt 

sieb  auch  das  Bindegewebe  der  Leberläppchen  an  der  Bildung  der 
Tunica  liTopria  der  feinsten  Gallenausführungsgänge.  In  dem 
Bindegewebe,  welches  die  Läppchen  umschreibt,  grenzen  sich  die 
sog.  Ductus  interlohulares  ab,  welche  in  der  Substanz  der  Läppchen 
selber  derartig  wurzeln,  dass  das  bindegewebige  Fachwerk,  welches 
die  Zellennetze  umgiebt,  sich  continuirlich  in  die  bindegewebige  Haut 
der  Ductus  inteiiolndares  fortsetzt.  Das  Epithel  oder  der  zcllige  Ueber- 
zug  der  feinsten  Ausführungsgänge  steht  wahrscheinlich  ebenfalls  in 
continuirlichem  Zusammenhang  mit  den  eigentlichen  secernirenden  Zel- 
lennetzen des  Läppchens,  aber  die  Epithelzellen  sind  kleiner  und  blasser 
geworden,  füllen  den  Gang  auch  keineswegs  mehr  aus,  sondern  indem 
sie  denselben  blos  auskleiden,  bleibt  ein  klares  Lumen  übrig. 

Die  Ductus  interlohulares  müssen,  da  sie  ganz  von  der  die  Läppchen 
umschreibenden  Bindesubstanz  in  ihrem  Verlauf  abhängig  sind,  viel- 
fach anastomosiren  und  zuletzt  vereinigen  sie  sich  zu  den  grössren 
Gallengängen,  worauf  sie  als  Ductus  hej^jaticus  die  Leber  verlassen. 
In  den  stärkren  Gallengängen  zeigt  sich  die  bindegewebige  Haut  ver- 
dickt, und  das  Epithel  hat  die  Cylinderform  angenommen.  Der  Duc- 
tus hepaticus^  choledochus  und  cysticus  und  vielleicht  auch  die  Gallen- 
blase haben  traubige  Schleimdrüsen  in  ihrer  Wand.  Die  bindege- 
webige Haut  der  Gallenblase  besitzt  ferner  eine  dünne  Muskel- 
schicht aus  glatten  Elementen,  wovon  sich  auch  Andeutungen  in  den 
Galienwegen  finden.  Die  gelbbraun  gefärbten  Cyhnderzellcn,  welche 
die  fein  gegitterte  Mucosa  der  Gallenblase  überkleiden ,  sind ,  worauf 
Henle  zuerst  aufmerksam  gemacht  hat,  meist  kernlos. 

§.  326. 
liii.igenisso  Bezüglich  iin-er  Blutgefässe  bietet  bekanntermaassen  die  Leber 

das  Eigene  dar,  dass  ihr  nicht  blos  durch  die  Arteria  hepatica  ar- 
terielles Blut  zugefühlt  wird,  sondern  auch  venöses,  im  Bereich  der 
Verdauungsorgane  gesammeltes  Blut  durch  die  Vena  jjortarum  ihr 
zuströmt.  Die  Ableitung  des  Blutes  aus  dem  Organ  geschieht  durch 
die    Venae  liepaticae. 

Ohne   hier    auf  die  gröberen  Verzweigungen  dieser  verschiednen 
Gefässe   Rücksicht   zu    nehmen,    sei    lediglich  besonders  darauf  hinge- 
wiesen ,    dass    die    feinere    Verbreitung    n  u  r    i  n  n  e  r  h  a  1  h    d  e  r    die 
Leber  durchsetzenden  Bind  c  su  b  stanz  erfolgt,  mit  anderen 
Worten,   das  Bindegewebe  selbst  wird   zur  Bildung  der  Gefässwändc 
verwendet,    und   da   von    vorneherein   in    der  menschlichen  Leber   das 
bindegewebige  Fachwerk,    wie  bereits  bemerkt,    in    geringrer  Menge 
als  in  manchen  Thierlebern  vorhanden  ist,  so  kann  das  Bindegewebe 
zur  Herstellung  der  Gefässe  derartig  verbrnucht  werden,  d.iss  dasselbe, 
wenn  ninii  von  stärkeren  Gefässen,  denen  es  zur  Begleitung  dient,  ab- 
sieht,  in   der  nienschlichen  Leber  fast  wie  zu  fehlen  scheint. 


ii»id  Newca. 


Gefnsse.  357 

Ueber  das  Verhalten  der  Gefässc  zu  den  Leberläppclien  darf  Icli 
mich  ins  Kurze  fassen:  die  Pf or tader  zerfällt  in  ihren  letzten  Ver- 
zweigungen in  Aestchen,  welche  zwischen  den  Leberläppclien  ver- 
laufen und  gewöhnlich  Venae  interlohidares  heissen.  Von  ihnen  dringen 
zahlreiche  Endäste,  Venae  lobulares  genannt,  ins  Innre  der  Läppchen 
und  lösen  sich  in  ein  Capillarnetz  auf,  dessen  bindegewebige  Wand , 
an  die  Leberzellennetze  anstösst.  Mitten  in  jedem  Läppchen  ver- 
einigen sich  die  Capillaren  wieder  zur  Darstellung  eines  stärkeren 
Gefässstämrachens,  welches  als  Vena  intralobularis  unterschieden 
wird.  Die  Venae  intralobulares  treten  darauf  aus  den  Leberläppchen 
heraus  und  bilden  die  Anfänge  der  Venae  heimticae ,  welche  sich  in 
eine  rechte  und  linke  Lebervene  sammeln,  um  schliesshch  in  die 
untere  Hohlvene  einzumünden. 

Sind  die  Blutgefässe  der  Läppchen  gleichmässig  angefüllt ,  so  ist 
die  Leber  für  das  freie  Auge  einfach  braunroth ,  hat  sich  aber  im 
centralen  Theil  (also  im  Gebiet  der  Vena  {ntralobidaris),  oder  umge- 
kehrt im  peripherischen  (Bereich  der  Vena  interlobularis)  das  Blut  mehr 
angestaut,  so  erscheint  das  Aussehen  der  Leber  getüpfelt,  ältere  Anatomen 
sprechen  dann  auch  von  einer  Mark-  und  Rindensubstanz  dieses  Organes. 
Die  Leberarteri  e  hat  eine  untergeordnete  Bedeutung,  sie  dient 
bloss  zur  Ernährung  des  Lebergewebes.  Die  Endzweige  derselben  auf 
den  Wänden  der  grösseren  Gefässe  und  grösseren  Gallengänge  sind  die 
Rami  vasculares,  dann  in  der  bindegewebigen  Hülle  und  dem  Fach- 
werk der  Leber  die  Rami  capsulares  und  lobulares. 

Die  Nerven  der  Leber  stammen  hauptsächlich  aus  dem  Sfjmpa- 
thicus,  haben  mehr  Re7nak'&che  als  dunkelrandige  Fasern  und  können 
ziemlieh  weit  ins  Linre  verfolgt  werden ,  ohne  dass  man  etwas  über 
ihre  eigentliche  Endigung  in  Erfahrung  gebracht  hätte. 

Die  Leberzellen  sind  beträchtlich  grösser  als  die  Epithelzellen  der  feinsten 
Gallengänge  und  man  könnte  etwas  ganz  Ungewöhnliches  darin  finden  wollen,  dass 
nach  der  gegebenen  Beschreibung  des  Leberbaues  beide  Zellenarten  unmittelbar 
aufeinander  stossen.  Allein  die  Labdrüsen  des  Magens,  namentlich  die  sog.  zu- 
sammengesetzten schlauchförmigen  Drüsen  bieten  ein  ganz  analoges  Verhältniss 
dar,  indem  auch  hier  die  grossen  körnigen  Labzellen,  entsprechend  den  Leber- 
zellen, an  die  viel  kleineren,  hellen  und  cylindrischen  Zellen  des  Ausführungs- 
ganges ohne  Uebergangsformen  sich  anschliessen. 

Meine  Erfahrungen  vom  Bau  der  Leber,  wie  sie  der  obigen  Schilderung  zu 
Grunde  liegen,  wurden  zuerst  an  verschiedenen  Wirbelthieren  gewonnen  und  erst 
später  für  den  Menschen  bestätigt.  Beichert  veröffentlichte  in  jüngster  Zeit 
(Müll.  Arch.  Jnhresb.  1854)  Ergebnisse  über  die  Lebcrstruktnr  des  Menschen,  die 
mit  meiner  Auffassung  ganz  harmoniren.  Er  sagt:  der  secernirende  Theil  der 
Leber  des  Menschen  sei  als  ein  kavernöses  Drüsenhöhlensystcm  anzusehen,  in 
welchem  Läppchenregionen  unterschieden  werden  müssten ,  wenn  es  auch  wahr- 
scheinlich sei,  dass  die  Höhlen  der  einzelnen  Läppchenregionen  nicht  vollkommen 
gesondert  von  einander  bestellen.  Die  Wandungen  oder  das  Gerüste  dieses  Höhlen- 
systemes  sind  Bindesubstanz,  welch'  letztere  besonders  an  einer  cirrhotischen  Fett- 
leber eine  sehr  mächtige  Entwicklung  zeigte.     Man    habe    es    daher   gleichsam  mit 


358 


Von  dor  Leber  der  Wirbelthiere. 


einem  in  Bindesubstanz  eingegrabenen  complizirten  Höhlensystem  zu  thun ,  dessen 
Wandungen  die  Capillaren  führten,  dessen  Hohlräume  von  den  Leberzellen  erfüllt 
sind.  Fertigt  man  daher  feine  Schnittchen  an  und  entfernt  daraus  die  Leberzellen, 
so  stellt  sich  die  Bindesubstanz  als  ein  zierliches  Netzwerk  dar.  —  Dergleichen 
Mittheilungen  werden  wohl  nach  und  nach  den  Irrthum  hinwegräumen ,  dass  die 
feinsten  Gallenkanälchen  keine  selbständige  Wandungen  besässen ,  sondern  dass 
die  Blutcapillarnetze  die  Leberzellennetze  begrenzen.  Bei  starker  Anfüllung  der 
Blutcapillaren  kann  wohl  ein  solcher  Anschein  entstehen,  da,  worauf  schon  oben 
hingedeutet  wurde,  die  bindegewebigen  Septen ,  die  Träger  der  Capillaren,  bei 
ihrer  Zartheit  in  der  normalen  menschlichen  Leber ,  dadurch  zurücktreten ,  allein 
streng  genommen  werden  die  Leberzellen  von  den  bindegewebigen  Wänden  des 
Höhlensystems  umgeben. 


Einunddreissigster  Abschnitt. 
Von    der    Leber    der    Wirbelthiere. 

§.  327. 

Die  Leber  der  Säuger,  Vögel,  Reptilien  und  Fische 
stimmt  in  den  Grundzügen  des  Baues  mit  der  menschlichen  Leber 
überein  und  variirt  bloss  in  Folgendem: 

Das  Gerüste  aus  Bindesubstanz,  so  gering  in  der  Leber  des 
Mensclien,  erscheint  bei  manchen  Säugethieren  weit  beträchtlicher, 
so  z.  B.  beim  Eisbären  {Joh.  Müller\  dem  Schwein,  und  die  Folge 
davon  ist,  dass  die  Abgrenzung  in  Läppchen  eine  viel  sinnen- 
fälligere wird.  Doch  schliessen  sich  andre  Säuger,  wie  z.  B.  Kalb, 
Hund,  Katze,  Ratte  in  der  geringen  Entwicklung  des  bindegewebigen 
Drüsengestelles  wieder  dem  Menschen  an,  die  Abgrenzung  der  Läpp- 
chen erscheint  verwischter,  letztere  sehen  da  und  dort  aus,  als  wären 
sie  mit  einander  verschmolzen,  und  an  feinen  Schnitten  der  Läppchen 
scheinen  die  Leberzellen  unmittelbar  an  die  Blutcapillaren  anzustossen. 
Die  Grösse  der  Läppchen  wechselt,  die  des  Schweines  z.  B.  sind  um- 
fänglicher als  die  des  Menschen,  beim  Kaninchen  sind  sie  grösser  als 
beim  Hund,  bei  der  Katze,  bei  diesen  wieder  grösser  als  beim  Eich- 
hörnchen {lietzius).  In  der  Leber  der  Vögel,  wie  ich  wenigstens 
an  der  Taube,  der  Gans  gesehen  habe,  ist  das  Bindegewebe  eben- 
falls in  geringer  Ausbildung  vorhanden,  eine  Abgrenzung  in  Läppchen 
auch  kaum  sichtbar,  und  an  feinen  Schnitten  getrockneter  und  dann 
wieder  mit  Essigsäure  behandelter  Leber  verhalten  sich  die  Gefäss 
capillaren  zu  den  Zcllennetzen,  wie  es  vom  Kalb,  Hund  etc.  angegeben 
wurde.  In  vielen  niedren  Wirbelthieren,  nach  meiner  Erfahrung  un 
tcr  den  Amphibien,  z.  B.  beim  Frosch,  Salamander,  Triton,  Pro- 
teus, und  noch  schärfer  unter  den  Fischen,  bei  Chimaera,  den  Pla- 
giostomen,  den  Ganoiden,  ist  das  Bindegewebsgerüst  in  hohem   Grade 


Leberzellen. 


359 


Fig.   19- 


Aus   der  Leber   der  Rochen. 

A    Noch  netzförmig  zusammenhängende  Leberzellen ,    herausgespült   aus  dem 

Läppchen ;    sie    sind  stai-k  fetthaltig. 

B  Ein  Stück  des  bindegewebigen  Gerüstes  der  Leberläppchen  :    a  die  Ilohlräunie, 

befreit  von  den  Zellen,  b  noch  mit  den  Zellen  gefüllt,  c  ein  Anfang  des  Ductus 

hepaticus.     (Starke  Vergr.) 

deutlich ,  und  ebenso  schon  für  dcas  freie  Auge  die  Umrisse  der 
Läppchen.  Jedes  Läppchen,  bei  Selachiern  z.  B.  von  polygontaler 
Form  in  der  Mitte  die  Centralvene  und  aussen  mit  dunklerer  Ein- 
fassung, besteht  aus  einem  bindegewebigen.  Fachwerk,  das  die  Ge- 
fässe  trägt  und  die  netzförmigen  Hohlgänge  der  Bindesubstanz  sind 
von  den  Sekretionszellen  eingenommen.  Die  Leber  junger  Larven 
von  Salamandra  maculata  ist  wohl  geeigenschaftet,  um  den  Bau  dieses 
Organes  am  mühelosesten  erkennen  zu  lassen.  Man  sieht  hier  klar,  dass 
netzförmig  verbundene  Schläuche  mit  noch  lichten  Inhaltszellen  die 
Drüse  zusammensetzen.  Später  geht  der  röhrenförmige  Bau  durch 
zahlreiche  Anastomosenbildung  unter  und  das  Drüsengerüst  repräsen- 
tirt  alsdann  vielmehr  ein  Cavernensystem.  —  Nach  Remak  weicht 
die  Leber  der  Fische  von  jener  der  übrigen  Wirbelthiere  darin 
ab,  dass  hier  die  Hohlgänge  der  Bindesubstanz  mit  den  Leberzellen 
darin  (der  genannte  Forscher  gebraucht  hiefür  den  Ausdruck  Leber- 
cylinder)  einfach  blind  geendigt  seien^  ohne  netzförmige  Verbindungen. 
Mir  schien  es ,  als  ob  die  Fische  in  diesem  Punkte  mit  den  übrigen 
Wirbelthieren  übereinkommen. 

§.  328. 
Was  die  Beschaffenheit  der  Leberzellen  betrifft,  so  ist  ihre 
Membran  häufig  (bei  Amphibien,  Vögeln  z.  B.)  eine  so  zarte  Hülle, 
dass  sie  nach  Wasserzusatz  alsbald  vergeht ;  bezüglich  des  Inhaltes 
\st  man  etwas  betroffen  über  die  Erscheinung,  dass  die  Leberzellen 
entweder  constant  oder  vorübergehend  in  manchen  Lebensperioden 
so  prall  mit  Fetttropfen  angefüllt  sind,  dass  sich  die  ganze  Leber 
in  diesem  Punkte  wie  eine  grosse  Talgdrüse  verhält,  auch  dann  nicht 
mehr  rothbraun,  sondern  grauweiss  aussieht.  Von  dieser  Art  ist  z.  B. 
die    Leber    der    Plagiostomen     und     Chimären;    macht    man    in 


3(30  Von   der  Lelier  der  Wirbelthiere. 

die  weiche  Leber  der  Chimaera  monstrosa  Einschnitte,  so  sammelt 
sich  sogleich  das  Fett  in  der  Tiefe  der  Einschnitte  in  flüssiger  Form 
an.  Auch  die  Leber  des  Polypterus,  des  Peristedion  catapirracta  ist 
sehr  fettreich ,  beim  Stör  können  die  Zellen  fetthaltig  sein  oder  auch 
bloss  eine  feine  Punktmasse  enthalten.  Aehnliche  wechselnde  Zustände 
beobachtet  man  bei  andren  Fischen,  Amphibien,  Vögeln  und  Saugern; 
bald  haben  die  Zellen  lediglich  ein  feingranuläres  Contentum,  bald 
sind  kleine  Fettpünktchen  beigemischt,  bald  gewinnen  letztere  das 
Uebergewicht.  In  neugebornen  Ratten  sind  die  Leberzellen  sehr  fett- 
reich. —  Bei  Fischen  und  Batrachiern  zeichnet  sich  mitunter  auch  die 
Leber  durch  ein  Uebermaass  von  Pigment  häufen  aus,  an  einem 
Proteus  z.  B.  bestand  das  Leberparenchym  aus  gleichen  Theilen  Leber- 
zellen und  schwarzbraunen  Pigmentmassen. 

§.  329. 
Die  Gallenblase  und  die  Gallenwege  besitzen  bei  grösseren 
Säugethieren,  z.  B.  dem  Ochsen,  eine  starke,  aus  glatten  Fasern  be- 
stehende Muskulatur,  die  indessen  wenigstens  in  einfacher  Lage,  wie 
ich  sehe,  auch  dem  Gallengang  der  Vögel  (Taube  z.  B.)  nicht  fehlt. 
(Die  Gallenblase  des  Hundes  fand  Brücke  ebenfalls  contraktil).  Der 
Gallcngang  der  Plagiostomen  {Baja  batis,  Torj^edo  Galvanii,  Spinax 
niger ,  hier  über  Zoll  weit  zwischen  Muskel-  und  Schleimhaut  des 
Darmes  abwärts  laufend,  bis  er  einmündet)  hat  ebenfalls  glatte  Mus- 
keln, vermisse  sie  jedoch  in  der  Gallenblase  der  Knochenfische,  Ba- 
trachier  und  Vögel.  Die  Schleimhaut  der  Gallenblase  hat  bei  den 
niederen  Wirbelthieren  (Amphibien,  die  Mehrzahl  der  Fische)  eine 
meist  glatte  Innenfläche,  bei  den  Rochen  [Bay'a  clauata)  erhebt  sie  sich  in 
Falten ,  die  nach  dem  Ausführungsgang  zugehen  und  sich  zum  Tlit-il 
netzartig  verbinden.  Im  Bodeii  der  dadurch  entstandenen  Maschen 
treten  weitere  sehr  niedrige  sekundäre  Fältchen  auf.  Die  Falten  setzen 
sich  in  den  Ausführungsgang  fort.     Die  Schleimhaut  des  Gallenganges 

Fig.    193. 


Ä?- 


m' 


a 


6 

Stück    des  Gallenganges  von  Torpedo.  •*• 

;i  dio  bindegewebige  WjuhI  ,  nacli  innen  zu  die  Menil)ran,i  pmiiria  der  scblauch- 
förniigcn  Drüsen  1)  l)ildend,  nach  aussen  mit  dem  Hindegewebsstratuni  der  Serosa 
verscliniolzeii    und     überdeckt    von    den     Plattenzellen    c,     d    das   Kiiitlicl     in     der 

Lichtung  des  Kaiiales. 


Von  der  Leiber  der  Wirbellosen.  361 

hat  bei  Rochen  und  Chimaera  monstrosa  schlauch  f  ö  r  m  i  g  e  Drüsen, 
bei  Vögehi  (Taube)  fehlen  Drüsen ,  bei  Säugern  sind  sie  vorbanden. 
Wedl  hat  darüber  am  Pferd,  Hund,  Schwein,  Schaaf  Untersuchungen 
angestellt:  es  seien  traubenförmige  Drüsen  und  beim  Pfei'd  habe  er 
eine  Membrana  intima  in  den  Endbläschen  wahrgenommen  (Sitzb. 
d.  Wien.  Akad.  1850  II.).  Auch  von  den  Beutelthieren  (Känguruh, 
Dideljjliis,  Phalangista)  wird  angegeben,  dass  die  Wände  des  Gallen- 
ganges „mit  Schleimfollikeln  besetzt"  seien. 

Das  Epithel  der  Gallenwege  ist  überall  ein  Cylinderepithel, 
dessen  Kerne  bei  Salamandra  macidata  nicht  in  der  Mitte,  sondern  in 
der  unteren  Hälfte  der  Zellen  liegen.  Bei  Fröschen  wimpert  im  Em- 
bryonalzustande das  Epithel  des  Gallenganges  [Remak,  Corti),  bei 
Petromyzon  zeitlebens  {Leydig). 

Bichon  Blumenbach  (Handb.  der  vergleichend.  Anat.)  machte  die  Bemerkung, 
dass  die  Leber  mehrer,  übrigens  beinahe  fettloser  Fische,  z.  B.  des  Rochen  und 
Kabeljau  von  Thran  strotzend  gefunden  werden.  —  Bei  mehrem  Hausgeflügel  wird 
bekanntlich  auch  unter  Einschränkung  der  Muskelbewegung  und  reichlicher  Zul'uhr 
von  Nahrung  der  Fettgehalt  der  Leber  bedeutend  vermehrt ,  sowie  ihre  Grösse 
gesteigert. 

Im  Inhalte  der  Gallenblase  beobachtet  man  auch  mitunter  ausser  abgelösten 
Epithelzellen  noch  andere  geformte  Theile.  Bei  einer  kleinen  Solea  des  Mittel- 
meeres fand  ich  in  der  Galle  lange,  gegliederte  Körper  von  gelblichem  Aussehen, 
von  denen  sich  zum  Theil  eine  zarte  Hülle  abhob.  Diese  Gebilde  lagen  in  Bün- 
deln beisammen.  In  der  Gallenflüssigkeit  eines  Landsalamanders,  der  3 — 4  Monate 
in  der  Gefangenschaft  ohne  Nahrung  zugebracht  hatte,  sah  ich  in  grösster  Menge 
geschichtete  Massen  mit  oder  ohne  einen  Centralkörper  von  hellem,  gegen  die 
Mitte  zu  etwas  gelblichem  Aussehen;  im  Centrum  lag  häufig  ein  scharf  conturirter, 
sich  wie  Fett  ausnehmender  Körper.  Es  konnten  selbst  mehre  dergleichen  ge- 
schichtete Massen  zusammen  wieder  einen  Centralkörper  vorstellen  und  von  an- 
deren Schichten  umschlossen  werden.  Das  Ganze  machte  so  ziemlich  den  Eindruck 
von  Colloidmassen. 


Zweinnclclreissigster  Abschnitt. 
Von    der   Leber    der   Wirbellosen. 

§.  330. 
Wo  bei  den  wirbellosen  Thieren  eine  Leber  als  selbständiges, 
von  dem  Darm  getrenntes  Organ  wahrgenommen  wird,  wie  bei  Kreb-  cgaues. 
sen,  den  Arachniden,  den  Mollusken,  besteht  sie  immer  aus  der  binde- 
gewebigen Tunica propria  und  den  Sekretionszellen.  In  den  Umrissen, 
welche  das  Drüsengestell  einhält,  unterscheidet  man  zwei  Formen,  den 
blindsackförmigen  und  den  seh  wammigen  oder  cavernösen 
Typus.     Die    Leber    ist    nämhch    entweder    durch    wenige,    einfache^, 


Arcliitek- 
tonik   des 


362 


Von  der  Leber  der  Wirbellosen. 


Feinerer 
lla\i. 


kurze;  unverzweigte  Blindsäcke  repräsentirt  (Entomostraka ,  Phyllopo- 
den) ,  oder  die  wenigen  Blindsäcke  sind  lange  Schläuche :  Isopoden, 
Ampliipoden  (unter  den  Mollusken  bei  Creseis  nach  H^ixley  und 
Gegenbau7-),  oder  sie  verästeln  sich  (Argidus ,  unter  den  Mollusken 
bei  den  Eolidiern) ,  und  werden  sehr  zahlreich  bei  den  Cirripedien 
und  den  höheren  Krebsen.  Eine  ähnliche  follikulöse  Leber  haben  auch 
unter  den  MoHusken  die  Bivalven,  manche  Gasteropoden  und  Hetero- 
poden,  so  z.  B.  Ostrea,  Cyclas,  Dreissena,  wo  die  Follikel  kurz  und 
wenig  vom  Hauptgang  abgeschnürt  sind,  Unio ,  Änodonta ,  wo  die 
Follikel  länger  sind.  Bei  Atlanta  erscheint  die  Leber  nur  als  ,,ein 
spärlich  ausgebuchteter  Drüsenschlauch",  bei  Pneumodermon  sind  die 
Leberschläuche  kurz,  cylinderisch ,  hie  und  da  verästelt  und  ohne  ein 
gesondertes  Organ  vorzustellen,  sind  sie  mit  dem  Magen  innig  ver- 
bunden. Indem  nun  aber  die  Follikel  sich  vielfach  theilen  und  ana- 
stomosiren,  entsteht  die  cavernöse  Bescliaffenheit  der  Leber  und  da- 
mit eine  Annäherung  an  die  Leber  der  Wirbelthiere.  Schon  an  der 
Leber  von  Limax,  Paludina  vivipara  und  andrer  Gasteropoden  ist  eine 
solche  Umbildung  nachzuweisen,  noch  mehr  bei  Thetijs,  Doris,  Tritonia, 
wo  die  Leber  ein  maschiges  Aussehen  darbietet,  vielleicht  ist  auch  die 
von  Carnnarta,  Firola  von  dieser  Beschaffenheit.  Eine  cavernöse  Leber 
scheint  auch  Squilla  zu  besitzen.  Es  bedarf  wohl  kaum  der  Bemerkung, 
dass  sich  zwischen  dem  einfach  follikulären  und  dem  cavernösen  Leber- 
typus dieselben  Uebergangsformen  finden,  wie  man  sie  bei  der  embryona- 
len Entwicklung  der  Leber  der  Wirbelthiere  sich  vor  Augen  führen  kann. 

§.  333. 
Die  Tunica  propria  der  Leberschläuche  ist  meist  eine  ganz 
liomogene  Haut,  bei  Paludina  geht  sie  nach  aussen  in  gewöhnliches 
Bindegewebe  über,  dessen  Zellen  zum  Theil  Kalk,  zum  Theil  gelbes 
und  weisses  Pigment  aufgenommen  haben,  was,  wenn  es  in  reichlichem 
Maasse  geschehen  ist,  dem  Durchschnitt  der  Leber  ein  zierliches, 
weissgegittertes  Aussehen  giebt.  Von  allgemeinem  Interesse  ist  ferner, 
dass  um  die  Tunica  propria  herum  Muskeln  angebracht  sein  können. 
Ich  habe  dergleichen  sowohl  im  Bauchfellüberzug  der  Leber,  als  auch 
zwischen  den  Follikeln  bei  Paludina  gesehen,  kenne  sie  ferner  auch 
auf  den  Leberschläuchen  mancher  Krebse  {Oidscus,  Oammarus  z.  B.), 

Fig.  194. 


Ende    eines    Leb  orscli  lauclics  von   Ganimarus. 
a    Tunica  propria,    b  die  Sekrctionszellen,    c  die  Intiina,    d  die  Kingnuinkeln. 


Gasteropoden,  Arthropoden.  363 

und  zwar  sind  sie  hier  im  Einklang  mit  der  Darmmuskulatur  circulär  an- 
geordnet, verkaufen  auch  wohl  nach  der  Länge  und  verbinden  sich  zu 
Netzen.  Zu  äusserst,  also  über  diesen  Muskeln,  folgt  noch  ein  zarter, 
bindegewebiger  Ueberzug,  das  Analogon  der  Serosa  des  Darmes. 

Die  Sekretionszellen,  der  Innenfläche  der  Tunica  propria  an- 
liegend, hängen  unmittelbar  mit  dem  Darmepithel  zusammen,  und  da 
letzteres  häufig  flimmert,  so  erstreckt  sich  die  Bewimperung  z.  B.  bei 
den  Mollusken  mitunter  auch  in  die  Ductus  hepatici,  sehr  selten  aber 
bis  in  die  Endfollikel  der  Leber ;  ich  wüsste  gegenwärtig  nur  Cyclas 
und  vielleicht  auch  die  Cephalopoden  (wie  es  mir  nach  früheren  Be- 
obachtungen schien)  als  Beispiel  aufzuführen.  Oegenhaur  glaubt  auch 
einigemale  in  einem  Acinus  von  Pneumodermon  Wimperbewegung 
gesehen  zu  haben  und  meldet  sie  auch  vom  Magenblindsack  der 
Creseis ,  der  nach  ihm  und  Huxley  entgegen  Joh.  Müller  das  Ana- 
logon der  Leber  ist.  Die  eigentlichen  Sekretionszellen  der  Leber 
sind  bei  allen  andren  Mollusken,  soweit  meine  Erfahrung  reicht,  cilien- 
los.  Was  den  Inhalt  der  Leberzellen  betriflft,  so  ist  er  dem  der 
Wirbelthiere  sehr  ähnlich,  entweder  erscheint  das  Contentum  als  eine 
blass  granuläre  Masse,  oder  als  gelbbraun  gefärbte  Körner;  in  Cyclas 
bildet  das  ausgeschiedene  Sekret  der  Leberzellen  eigenthümliche, 
fadenförmige  Gebilde  zwischen  den  Zellen  {Müll.  Arch.  1854  S.  53). 
—  Unter  den  Leberzellen  von  Embryonen  der  Paliidina  vivij^ara  am 
Ende  des  Eilebens  sah  ich  auch  einzelne  mit  flüssigem,  gelbgefärbten 
Inhalt  und  mehren  gelben ,  spiessigen  Krystallen.  In  der  Leber  der 
Helix  hortensis  fand  ich  ferner  zur  Zeit  des  W^interschlafes  die  Galle  zum 
Theil  unter  der  Form  von  braunen  geschichteten  Kugeln  (Gallensteinen?). 
Sehr  allgemein  sind  die  Leberzellen  fetthaltig,  und  zeitweise  kann  sogar 
Fett  den  alleinigen  Zelleninhalt  ausmachen.  —  In  den  Leberfollikeln  der 
Anodonta  cygnea  ist  die  Ausbreitung  der  Drüsenzellenschicht  nach 
H.  Mechel  auf  vier  longitudinale  Streifen  beschränkt,  die  am  Centrum 
des  blinden  Endes  zusammenlaufen.  Bei  den  Arthropoden  zieht  noch  in 
der  Leber  eine  homogene,  hautartig  consolidirte  Cuticula  über  die 
Sekretionszellen  weg,  die  mit  jener  des  Darmes  in  unmittelbarem  Zu- 
sammenhang steht.  Karsten  hat  sie  zuerst  von  der  Leber  des  Krebses 
bekannt  gemacht,  ich  sehe  sie  bei  Arg^dus,  Gammarus,  Oniscus  u.  a. 

§.  332. 

Es  giebt  aber  auch  eine  Anzahl  von  Thieren,  bei  welchen  das 
Darmrohr  keineswegs  sich  zu  Leberschläuchen  aussackt,  sondern  wo 
die  braunkörnigen  Leberzellen  unmittelbar  in  der  Magen-  oder  Darm- 
wand sich  finden.  Dies  ist  selbst  bei  dem  niedrigsten  Wirbelthier 
(Branchiostoma)  der  Fall,  ferner  bei  mehren  Arthropoden 
(Larven  von  Myi-meleon  formicarius  z.  B.,  Rotatorien)  und  Ringel- 
würmern. Im  Magen  der  Rotatorien  und  des  Ameisenlöwen  vertre- 
ten diese  grossen  (bei  den  Rotiferen  wimpernden)  Leberzellen  die 
Stelle  des  Epithels,   hingegen  bei  den  Annulaten   {Nais,  Chaetoyaster y 


86  4  ^011  der  Leber  der  Wirbellosen. 

Lumhricus)  liegen  sie  aussen  am  Darm,  das  Lumen  des  Nahrungs- 
rohres begrenzt  hier  eine  farblose  Zellenschicht,  die  wieder  in  eine 
Cuticularsaum  ausgebt,  auf  dem  die  Cilien  sitzen.  Diese  Leberzellen 
haben  bei  Lumbricinen  (auch  bei  Piscicola)  eine  retortenförmige  Ge- 
stalt und  erinnern  damit  an  einzelh'ge  Drüsen. 


logisches. 


cC 


Cü 

Der  Darm  von  Nais  im  senkrechten  Durchschnitt.    (Starke  Vergr.) 
a  Tunica  propria ,    b  die  Leberzellen,    c    Darmepithel,    d    Litima    mit    den    Cilien. 

§.  333. 
physio-  Hinsichtlich  der  näheren  Thätigkeit  der  einzelnen,  das  Verdauungs- 

system zusammensetzenden  Organe,  haben  wir  bei  unserer  Unkennt- 
niss  über  die  Lebensökonomie  der  meisten  Thiere  nur  spärliche  An- 
haltspunkte, wesshalb  ich  darüber  nur  einige  flüchtige  Bemerkungen 
einschieben  will.  Schon  die  Funktion  jener  Drüsengruppe,  die  wir 
nach  morphologischem  Eintheilungsprincip  unter  dem  Namen  Spei- 
cheldrüsen zusammenfassen,  scheint  der  speciellen  Lebenszwecke 
halber  sehr  abzuändern.  Bei  Wirbelthieren  dient  das  schleimartige 
Sekret  hauptsächlich,  um  die  Speisen  einzuweichen,  die  Ballenbildung 
und  das  Niederschlingen  zu  erleichtern,  doch  kann  nicht  abgeläugnet 
werden,  dass  über  diese  mechanische  Leistung  hinaus  die  Speichel- 
flüssigkeit den  eigentlichen  Verdauungsakt  dadurch  einleitet,  dass  eine 
Umwandlung  des  Stärkmehls  in  Zucker  in  der  Mundhöhle  beobachtet 
wurde.  Es  kann  aber  auch  bei  manchen  Thieren  eine  förmliche  Vor- 
verdauung in  der  Mund-  und  liachenhöhle  statt  finden  ,  wozu  ich  als 
Beispiel  die  Larve  von  Corethra  i^hiTnicornis  (s.  Ztsch.  f.  w.  Z.  1851, 
S.  449)  anführe.  Hier  kommt  das  ganze ,  von  der  Larve  erhaschte 
und  in  den  Pharynx  eingetriebene  Thier,  nicht  über  diesen  Abschnitt 
des  Nahrungsrohres  hinaus,  indem  eine  bestinnntc  flschreusenähnliche 
Vorrichtung  allen  festeren  Theilen  den  Durchgang  zum  Schlund  ver- 
wehrt: es  bleibt  dabei-  im  Pharynx  der  verschhickte  Wasserfloh  z.  B, 
so  lange  liegen  ,  bis  seine  der  Einverleibung  fähigen  Stofte  von  ihm 
ausgezogen  sind.  Diese  können  in  flüssiger.  Form  die  Fischreuse  pas- 
siren  und  gehen  durch  den  engen  Schlund,  und  es  darf  hier  wohl 
mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  angenommen  wei'dcn,  dass  bei  dieser 
Vorvci-duuung  im  Pharynx  das  Sekret  der  Speicheldrüsen,  welches 
sich  im  Spciclielbehältcr  angesammelt  haben  kann,    eine   mitwirkende 


Physiologisches    über  die  Verdauungsorgane.  365 

Rolle  spielt.  Das  Chitinskelet  des  eingewürgten  Thieres  aber  muss 
wieder  durch  die  Mundöffnung  auswandern,  wobei  eine  theilweise  oder 
selbst  gänzliche  Umstülpung  des  Pharynx  erfolgt.  —  In  anderen  Fäl- 
len nimmt  das  Sekret  von  einzelnen  Speicheldrüsen  eine  spezifische 
Natur  an,  so  wird  die  Parotis  gewisser  Schlangen  durch  Absonde- 
rung einer  tödtlichen  Flüssigkeit  zu  einer  Giftdrüse,  auch  bei 
manchen  Insekten,  vielen  Hemipteren  z.  B. ,  übt  das  Sekret  eine  rei 
zende  Wirkung  auf  die  Wunde.  Bei  anderen  Insekten ,  wo  man  obere 
und  untere  Speicheldrüsen  unterscheidet,  ist  das  Sekret  derselben 
von  verschiedener  Natur;  bei  der  Honigbiene  z.  B.  scheiden  die  „un- 
teren Speicheldrüsen"  eine  zähe  das  Licht  stark  brechende  Materie 
ab,  die  wahrscheinlich  ein  Kittstoft"  ist,  um  die  aus  den  Leibesrin- 
gen schwitzenden  Wachsstückchen  zu  verbinden ;  bei  der  Ameise 
scheint  ebenfalls  das  Sekret  der  unteren  Speicheldrüse  zum  Auskitten 
ihres  Baues  zu  dienen  [H.  Meckel),  u.  s.  f.  — 

Der  Schlund  hat  die  einfache  Funktion  der  Fortbewegung  der 
Speisen  und  diese  wird  bei  Säugern,  Fischen  und  Arthropoden  schnel- 
ler vor  sich  gehen,  als  bei  andern  Thieren,  da  dort  die  Muscularis 
aus  quergestreiften  Fasern,  hier  aus  glatten  gewebt  ist.  —  Auf  die 
eigenthündiche  Beziehung,  welche  das  Epithel  des  Kropfes  (bei  Tau- 
ben) zur  Abscheidung  eines  milchähnlichen  Saftes  hat,  wurde  oben 
bereits  hingewiesen. 

Jene  Magenabtheilungen  der  Wirbelthiere,  welche  der  Drü- 
sen ermangeln,  dürfen  wohl  für  blosse  Behälter  der  Nahrung  ange- 
sehen werden,  um  sie  aufzubewahren  und  zu  durchweichen.  Die 
eigentliche  Verdauung  oder  die  Auflösung  der  Speisen  in  einen  an- 
gesäuerten Brei ,  den  sog.  Chymus,  erfolgt  in  den  mit  Labdrüsen  ver- 
sehenen Magenportionen.  Die  Sekretionszellen  der  Magendrüsen  schei- 
nen übrigens,  ähnlich  wie  die  Epithel-Zellen  der  Darm-  und  ande- 
rer Schleimhäute  ,  von  zweierlei  Art  zu  sein ,  Zellen  mit  klarem  Inhalt 
und  Zellen  mit  dunkelgranulärem  Contentum  und  Manches  spricht 
dafür,  dass  die  Magendrüsen  mit  den  Sekretionszellen  der  ersten  Art 
für  die  Verdauung  wirksamer  sind,  als  die  Drüsen,  deren  Zellen 
einen  hellen  Inhalt  haben. 

In  dem  Darm  erfährt  zwar  der  Speisebrei  noch  mancherlei  Um- 
änderungen, hauptsächlich  aber  geschieht  in  ihm  die  Aufsaugung  der 
gelösten  Stoffe  in  die  Blut-  und  Chylusgefässe.  Für  die  Aufnahme 
der  Fettmolekule  aus  der  Darmhöhle  zunäclist  in  die  Epithelzellen 
und  von  da  weiter  bis  in  die  Chylusräume  müssen  wir  eine  Porosität 
der  organischen  Häute  statuiren,  und  au  der  verdickten  hellen  End- 
fläche der  Cylinderzellen  des  Darmes  ist  auch  eine  in  neuester  Zeit 
bei  Wirbelthieren  und  manchen  Arthropoden  beobachtete  feine  senk- 
rechte Streifung  auf  sichtbare  Porenkauäle  gedeutet  worden. 

Ueber  die  Function  desPancreas  und  der  Leber  schwimmen 
bekanntlich  noch  die  Ansichten,  und  ich  möchte  im  Hinblick  auf  das 


366  Von  der  Leber  der  Wirbellosen. 

letztere  Organ  nur  mit  einigen  Worten  auf  den  Inhalt  der  Leberzel- 
len zurückkommen. 

H.  Meckel  folgert  aus  seinen  Beobachtungen,  dass  in  der  Leber 
des  Krebses  und  der  Mollusken  zwei  spezifisch  verschiedene  Arten 
von  Zellen  zugegen  seien ,  von  denen  die  einen  den  GallenstofF,  die 
anderen  das  Fett  secerniren.  Ich  kann  dieser  Ansicht  nicht  das  Wort 
reden,  und  so  wenig  in  der  Reihe  der  Wirbelthiere  eine  derartige 
Scheidung  der  Leberzellen  zulässig  ist,  vermag  man  sie  für  die  Wir- 
bellosen aufrecht  zu  erhalten.  Dieselbe  Zelle  producirt  Fett  und  pro- 
ducirt  Galle  lediglich  durch  Umwandlung  ihres  Inhaltes ,  und  zwar 
erscheint  das  Gallenfett  als  Vorläufer  des  Gallenstoifes.  Die  oben 
mitgetheilten  Thatsacheu  von  dem  ungemeinen  Fettreichthum  der  Le- 
berzellen (bei  Selachiern  z.  B.)  machen  bemerklich,  dass  bei  gewis- 
sen Thieren  das  Fett  das  Ilauptsekret  der  Leber  ist  und  seitdem 
man  von  der  Bereitung  des  Zuckers  in  der  Leber  weiss,  darf  man 
auf  Beziehungen  zwischen  beiden  Stoffen  rathen.  Ich  habe  auch 
schon  früher  eine  Beobachtung  über  Paludina  vivipara  berichtet 
(Ztsch.  f.  w.  Z.,  1849)  die  mir  damals  zu  zeigen  schien,  „dass  das 
Fett  im  Haushalt  der  genannten  Schnecke  unter  gewissen  Umstän- 
den den  Gallenstoff  substituiren  kann."  An  Thieren  nämlich,  die  sich 
im  Monat  November  zum  Winterschlaf  vorbereiten  mochten,  sah  die 
Leber,  statt  wie  sonst  gelb  oder  braun,  jetzt  weisslich  aus  und  die 
Leberzellen  enthielten  keinen  Gallenstoff  mehr,  sondern  nur  Fettkör- 
perchen.  Im  Magen,  wo  früher  die  Galle  lange,  von  farbloser  Sub- 
stanz umhüllte  Stränge  bildete ,  fand  ich  die  letzteren  nur  aus  Fett- 
plättchen  zusammengesetzt.  Bei  anderen  Exemplaren  mit  weisslicher 
Leber  bestand  der  Zelleninhalt  und  die  erwähnten  Stränge  aus  einer 
feinkörnigen  Masse  (Fettmolekule?) 

Ueber  die  Leber  der  Wir  belthiere  vergl.  Remak  in  seiner  Entwicklungs- 
geschichte, Leydig,  über  Selachier,  Ganoiden  etc.;  Leber  der  Wirbellosen 
die  Arbeiten  von  Meckel,  Leuchart,  Gegenhaur  w.  a.  —  Bezüglich  der 
„Leber"  der  eigentlichen  Hirudineen  zwingen  mich  meine  Beobachtungen,  von 
der  herrschenden  Ansicht  ganz  abzugehen.  Man  spricht  eigenthümliche ,  gelb- 
braune, den  Magen  und  Darm  umspinnende  Schläuche  als  Leber  an;  sie  sollen  mit 
ihren  Ausi'ülirungsgängen  ineinander  münden  und  auf  der  inneren  Fläche  des  Darms 
ihren  Inhalt  entleeren.  Dieser  Darstellung  gegenüber  getraue  ich  mir  zu  behaupten, 
dass  das  Leber  sein  sollende  Gewebe  der  Hirudineen  eine  andere  Bedeutung  habe, 
es  ist  mit  dem  sog.  Fettkörper  der  Artliropoden  auf  eine  Stufe  zu 
stellen.  Seiner  Zusammensetzung  nach  besteht  es  aus  Zellen,  die  verschieden 
gross  und  von  wechselnder  Gestalt  sind,  rund,  länglich,  auch  faserartig  ausgezogen, 
im  anderen  Falle  verzweigt,  die  Fortsätze  unter  sich  anastomosirend ;  häufig  vei"- 
schmclzen  sie  ferner  zu  Röhren  mit  halbkugligen  Ilervortreibungen,  kurz  es  kehren 
eigentlich  alle  die  Gestaltvcränderimgen  wieder,  welche  die  den  „Fettkörper"  der 
Arthropoden  compouirendcn  Zellen  sehen  lassen.  Den  Zelieninhalt  bildet  bei 
Hiriido,  llaeniopis,  Nephelis  eine  braune  Körnermassc,  in  stärkerer  oder  geringerer 
Füllung.  Gleichwie  nun  der  „Fettkörper"  der  Arthropoden  mit  der  äusseren  Haut 
der  Tracheen,    der  Eingeweide  etc.  in  Continuität  steht,  so  tritt  auch  das  irrtbüm- 


Von  den  Respirationsorganen  des  Menschen.  367 

lieh  bisher  für  Leber  geltende  Gewebe  der  Hirudineen  mit  den  bindegewebigen 
Ueberzügen  aller  Eingeweide  in  Verbindung,  es  umhüllt  nicht  bloss  den  Traktus, 
sondern  bildet  auch  den  braungefärbten  Ueberzug  der  Hodeublasen ,  die  Tunica 
adventitia  der  Gefässstämme ,  die  braune,  lockere  Hülle  des  Nervensystemes  etc., 
mit  einem  "Wort  diese  „Leber"  ist  eben  eine  Form  der  Bindesubstanz,  welche  bei 
Mangel  einer  eigentlichen  Leibeshöhle  die  Zwischenräume  zwischen  den  Organen  aus- 
füllt und  sie  umgiebt.  Auch  noch  in  anderen  Beziehungen  ist  die  Aehnlichkeit  mit 
dem  „Fettkörper"*  nachzuweisen.  Obschon  nämlich  die  braungefärbten  Kürner  die 
Hauptmasse  der  Zellen  erfüllen ,  so  sieht  man  doch  [Uaemojns  z.  B.)  zwischen 
solchen  braungefärbten  Netzen  andere  Stränge,  deren  Zellen  farblose  fettartige 
Kügelchen  zum  Inhalt  haben  iind,  was  sprechend  ist,  bei  Clepsine,  Piscicola  ersetzt 
ein  schönes ,  unbezweifelbares  Fettgewebe  die  Stelle  der  braungefärbten  Netze. 
Wo  die  Zellen  durch  ihre  Ausläufer  ein  Maschenwerk  erzeugen ,  liegt  Gallerte  in 
den  Räumen.  —  Ausser  der  Untersuchung  frischer  Thiere  ist  folgendes  Verfahren 
zu  empfehlen.  Man  wirft  den  lebenden  Egel  einige  Minuten  in  heisses  Wasser 
trocknet  ihn  alsdann  und  macht  feine  Querschnitte  durch  das  ganze  Thier,  die 
man  in  leicht  angesäuertem  Wasser  wieder  aufweicht.  Solche  Präparate  lehren 
deutlich,  dass  das  Bindegewebe,  welches  von  der  äusseren  Haut  an,  durch  die 
Muskelbündel  hindurchziehend,  alle  Organe  verbindet,  in  seinen  zelligen  Ele- 
menten au  vielen  Körperstellen  mit  braungefärbten  Kügelchen  erfüllt  sein  kann, 
dass  diese  färbende  Materie  im  Innern  des  Körpers  aber  von  derselben  Natur  ist, 
wie  der  braune  Farbstoff  der  äusseren  Haut. 

Bemerkungen  über  die  Leber  der  Insekten    finden  sich  unten,  wo  von  den 
Harnorganen  der  Wirbellosen  die  Rede  ist. 


Dreiunddreissigster  Abschnitt. 
Von  den  Eespirationsorganen  des  Menschen. 

§.  334. 

Die  zu  den  Athraimgs Werkzeugen  zählenden  Organe:  der  Kehl- 
kopf, die  Luftröhre  uud  die  Lungen,  welche  von  einem  allge- 
meineren morphologischen  Standpunkt  aus  betrachtet,  in  ihrer  Ge- 
sammthcit  das  Bild  einer  grossen  traubenförmigen  Drüse  gewähren, 
bestehen  aus  Gefäss-  und  Nerventührender  Bindesubstanz,  Muskeln 
und  zelligen  Ueberzügen.  Im  Embryo  keimen  diese  Theile  als  Aus- 
stülpungen der  vorderen  Schlundwand,  die  selbst  wieder  aus  einem 
Epithelialrohr  und  einer  Faserhaut  zusammengesetzt  ist.  Letzteres 
liefert  das  Gefäss-  und  Nervenführende  Bindegewebe,  ersteres  die 
zelligen  Lagen. 

Entsprechend  den  Umrissen  einer  traubenförmigen  Drüse,  endi- 
gen die  Bronchien  in  die  trichterförmi  gen  Räum  e  {Infundibula, 
Rossignol,  Adriani) ,  an  deren  Wänden  die  Lungenzellen  {Al- 
veoli  parietales)  sich  befinden.  Nach  Adria7ii  ka,nn  ein  Bronchiolus 
mit  einem  oder  auch  mehren  Infundibula  besetzt  sein.  Man  verge- 
genwärtigt sich  den  Bau  der  Lungenbläschen  am  besten,  wenn  man 


3(38  Von  deu  Respirationsorganeu  des  Menschen. 

sich  darcan  licält,  dass  ein  einziges  Infundibulum  der  Menschen  (und 
Säuo-ethier-)  Lunge  einer  ganzen  Froschlunge  mit  ihren  Alveoli  -pa- 
rietales gleichzusetzen  ist. 

§.  335. 
Die  Bindesubstanz  tritt  im  Kehlkopf,  der  Luftröhre  und  den 
Bronchien,  um  für  diese  Theile  ein  festeres  Gestell,  ein  Skelet  her- 
zurichten, unter  der  Form  verschiedener  Knorpel  auf,  von  denen 
die  einen,  nämlich  der  Schildknorpel,  Ringknorpel,  Giessbecken- 
knorpel,  die  Knorpel  der  Trachea  und  Bronchien  zum  Hyalinkn  or 
pel  gehören,  während  der  Kehldeckel,  die  Santorini&chen  und 
Wrishei-g'^chew  Knorpel  den  Faserknorpeln  sich  anschliessen. 
Die  Corpuscula  triticea  zeigen  bald  mehr  die  Natur  von  Hyalin-, 
bald  mehr  von  Faserknorpel.  Li  den  feinsten  Bronchien  verlieren 
sich  die  Knorpelblättchen.  —  Die  hyalinen  Kehlkopfsknorpel  ossifi- 
ziren  nicht  selten  theilweise  und  sind  dann  gefässhaltig. 

Fig    196. 


Durchschnitt    durch  die  Schleimhaut  der  Luftröhre, 
a  das  Flimmereijitliel ,    b  Bindegewebsstratum  der  Mucosa,    c  traubenförmige 

Schleimdrüse.     (Starke  Vergr.) 

Zur  Verknüpfung  der  Knorpel  verdichtet  sich  ferner  die  Binde- 
substanz zu  zahlreichen  Bändern,  die  sehr  reich  an  elastischen 
Fasern  sind  oder  auch  fast  nur  aus  solchen  Elementen  zusammen- 
gesetzt sich  zeigen,  und  alsdann  eine  hellgelbe  Farbe  haben.  Die 
elastischen  Fasernetze  sind  von  der  feineren  Varietät.  Das  Binde- 
gewebe bildet  ferner  die  gefäss-  und  ncrvenhaltige  Grundlage  der 
Sclileimh  aut,  deren  Eigcnthümlichkeit  sich  darin  zeigt,  dass  sie 
sich  nicht  in  Papillen  erhebt  und  einen  ganz  besonderen  Reichthum 
an  elastischen  Faserzügen  hat.  Schon  in  der  Trachea  gewinnen  die 
(dastischen  Elemente  eine  grosse  Ausdehnung,  so  dass  sie  zum  Theil 
allinählig  als  liauptconstituens  der  Mucosa  ersclieinen,  was  noch  auf- 
fälliger wird  in  den  feineren  Luftröhrenästen,  und  zuletzt  besteht  die 
häutige  Grundlage  der  Eiulbläschcu  an  den  dünnsten  Bronchialzwei- 
gcu   fast  lediglich  aus  elastischem  Gewebe. 


Lungen. 


369 


Im  Kehlkopf,  der  Luftröhre  und  tief  in  die  Bronchien  hinein, 
nach  Rem  ah  sogvar  in  den  feinsten  Bronchien,  buchtet  sich  das 
Bindegewebsstratura  der  Mucosa  zu  trau  b igen  Räumen  aus  die 
von  Fortsetzungen  des  Epithels  ausgekleidet,  die  Schleimdrüsen  vor- 
stellen; sie  sind  fast  durchweg  sehr  zahlreich,  stehen  am  Kehlkopfs- 
eingang gehäuft,  so  dass  sie  sich  hier  schon  dem  freien  Auge  be- 
merklich machen. 

Fig.  197. 


Das  Endstück  eines  I[nftindibulums  der  Lunge    mit    drei  Lungen- 
bläsctien  (Parietalzellen),  von  innen  angesehen  und  in  schematischer 

Darstellung. 

a  Lungenbläschen ,    an  dem  das  Epithel    zu  sehen  ist ,    b  Lungenbläschen ,    an 

welchem  das  Epithel  weggelassen  wiirde,  um  die  bindegewebige  Grundlage  der 

Bläschenwand    samrat    den    elastischen    Fasern    zu    zeigen ,    c    Lungenbläschen, 

ebenfalls  ohne  Epithel,  aber  das  dichte  Capillarnetz  versinnlichend. 

§.  336. 

Der  zellige  Ueberzug  der  Respirationsschleinjhaut  ist  im 
Allgemeinen  ein  Flimmerepithel,  das  am  Kehlkopfseingang  beginnt 
und  sich  durch  die  Luftröhre  und  deren  Verästelungen  verbreitet. 
Die  Cilien  sind  fein  und  die  Richtung  ihrer  Gesammtthätigkeit  geht 
von  innen  nach  aussen.  Im  Kehlkopf  wird  das  Flimmerepithel  un- 
terbrochen durch  ein  geschichtetes  Plattenepithel ,  das  die  oberen 
Stimmbänder  überdeckt  {Rheiner).  Ebenso  verlieren  sich  die  Ci- 
lien in  den  Endbläschen  der  Bronchialausläufer.  Das  Epithel  ändert 
auch  an  den  verschiedenen  Lokalitäten  der  Schleimhaut  insofern  ab, 
dass  es  im  Kehlkopf,  in  der  Luftröhre  und  den  stärkeren  Aesten  der- 
selben, im  Einklang  mit  der  grösseren  Dicke  des  Bindegewebsstra- 
tums  der  Mucosa,  mehrschichtig  erscheint,  in  den  dünnhäutigen  Bron- 
chien aber  zu  einer  einzigen  Schicht  herabsinkt,  die  dann,  wie  be- 
merkt, in  den  Endbläschen  selbst  die  Flimmerhärchen  verliert,  was 
zuerst  Remah,  gegenüber  von  Henle  und    Valentin,  hervorhob, 

Loydig,  Histologie.  24 


370  Von  den  Respirationsorganen  des  Menschen. 

§.  337. 

Was  die  contra  etilen  Fasern  des  Respirationsapparates  anlangt, 
so  sind  die  Muskeln  des  Kehlkopfes  quergestreift ,  die  der  Luftröhre 
und  Bronchien  sind  glatte  Bündel,  deren  Sehnen,  wie  KöUiker  ge- 
zeigt hat,  ganz  aus  elastischen  Fasern  zusammengesetzt  sein  können. 
Die  Endbläschen  scheinen  ohne  Muskeln  zu  sein. 

Die  Lungen  haben  ein  zweifaches  Gefässystem,  von  denen  das 
eine,  die  Lungcngefässe,  das  Blut,  welches  athmen  soll,  enthält,  das 
andere  oder  die  Bronchialgefässe  zur  Ernährung  des  Lungenparenchyms 
dienen.  Zu  beschreiben,  wie  diese  verschiedenen  Gefässe  im  Speciellen 
verlaufen,  liegt  ausser  dem  Kreise  dieser  Darstellung.  Hier  genügt  zu 
erwähnen,  dass  das  Capillarnetz,  welches  von  der  bindegewebigen  Wand 
der  Lungenbläschen  getragen  wird,  eines  der  allerdichtesten  des  ganzen 
Körpers  ist,  so  dass  im  angefüllten  Zustande  desselben  nur  schmale 
Liselchen  der  bindegewebigen  Grundlage  zwischen  den  Capillaren 
übrig  bleiben. 

In  Betracht  der  Lungennerven,  welche  vom  Vagus  und  Sym- 
pathicus  kommen,  ist  erwähnenswerth,  dass  sie,  die  Bronchien  be- 
gleitend und  ihren  Verzweigungen  folgend,  in  zahlreiche  kleine  Ganglien 
anschwellen  {Re  m a  k). 

Die  schwarzblaue  Farbe,  welche  die  Lunge  des  Erwachsenen 
hat,  rührt  her  von  Pigmentkörnern,  welche  meist  im  Bindegewebe 
zwischen  den  Läppchen  oder  auch  im  bindegewebigen  Gerüste  der 
Lungenbläschen  selber  abgelagert  sind. 

An  der  äusseren  Fläche  der  Lungen  gestaltet  sich  das  die  grösse- 
ren und  kleineren  Gruppen  der  Lungenbläschen  zusammenhaltende 
J^indegewcbe  zu  einer  abgrenzenden  Haut,  die  sammt  dem  sie  decken- 
den Plattcnepithel  als  seröser  Ueberzug  der  Lunge  {Pleura)  bezeich- 
net wird.  Durch  LuscJih-a  ist  man  auf  zottenartige  Verlängerungen 
aufmerksam  geworden,  die  am  Rande  der  Lungenflügel  durch  die 
Serosa  gebildet  werden.  (Aehnliche  Appendices  linden  sich  auch  in 
den  Synovialkapseln   und  aui  Visceralblaft  des  Hodens.) 

§.  338. 

sci>iM.i.iiyo.  In    einen    gewissen    anatomisclien    Zusammenhang    mit    den    Luft- 

wegen tritt  die  Schilddrüse,  Glandula  tliiireoidea^  welche  nach 
Re'mak  durch  Abscimürung  eines  Thells  der  vojik'rcn  Schlundwand 
sich  bildet.  Gleich  anderen  di-üsigen  Organen  besteht  sie  aus  Binde- 
gewebe und  zelligen  Elementen.  Das  Biudegewebe  bildet  zunächst 
um  das  ganze  Organ  eine  feste  Hülle,  dann  in's  Innere  dringend 
grenzt  es  allseitig  geschlossene  Blasen  ab  und  die  unmittelbare 
Coiitursciiicht  der  Bindesubstanz,  welche,  wie  anderwärts,  unter  der 
Gestalt  eines  hellen  Saumes  die  eigentliche  Wand  des  Follikels  formt, 
kann  als  Membrana  propria  unterschieden   werden.     Selbstverständlich 


ScLilddrüse.  371 

ist  die  Bindesubstanz  zugleich  der  Träger  der  so  überaus  reichlichen 
Blutgefässe,  der  Lymphgefässe  und  der  wenigen  Nervenfasern.  Die 
Innenfläche  der  Follikel  wird  von  einer  einfachen  Zellenlage  ausge- 
kleidet und  der  übrige  Hohlraum  von  einer  farblosen  Flüssigkeit  er- 
füllt. Ausserdem  beobachtet  man  sehr  gewöhnlich  noch  homogene, 
festweiche  Kugeln  im  Inneren  der  Schilddrüsenblasen,  die  unter  dem 
Namen  Colloid  bekannt  sind  und  mitunter  den  Raum  des  Follikels 
ganz  einnehmen.  Man  schreibt  ihnen  eine  pathologische  Natur  zu, 
eine  Annahme,  welche  durch  Untersuchungen  an  Thieren  (s.  unten) 
keineswegs  gestützt  wird.  Dagegen  ist  es  erfahrungsgemäss,  dass  die 
menschliche  Schilddrüse  sehr  häufig  entartet,  wobei  die  Follikel  unter 
Zersetzung  ihres  Epithels  und  Ueberfüllung  mit  Colloid  sich  zu  grösseren 
Hohlräumen  ausdehnen  und  zu  Cysten  zusammenfliessen. 

Die    Schilddrüse    entbehrt   bekanntlich   eines    Ausführungsganges. 

Ueber  das  Epithel  in  den  Lungenbläschen  des  Menschen  herrscht  im  Augen- 
blicke einige  Uneinigkeit  unter  den  Beobachtern ;  die  Einen  nämlich  lassen  es  ganz 
oder  theilweise  fehlen,  während  Andere  die  Anwesenheit  eines  vollständigen  Epithels 
behaupten.     Vergl.  auch  unten  §.  344  Anmerkung. 


Vieruuddreissio-ster  Abschnitt. 


'ö 


Von  den  Respirationsorganen  der  Wirbelthiere. 

§.  339. 
Die  Lungen  der  Wirbelthiere  spiegeln  in  ihren  Umrissen  immer 
das  Bild  einer  Drüse  wieder  und  leicht  ist  es,  sich  die  verschiedenen 
Abstufujigcn  von  einfacher  bis  zusammengesetzter  Bildung  vorzufüh- 
ren. Die  Tri  tonen  bekannthch  haben  ganz  simple  Lungensäcke, 
bei  den  F  rose  he  n  u.  a.  entstehen  durch  Vorspringen  von  Septen 
auf  der  Innenfläche  rhomboidale  Maschen,  auf  deren  Flächen  zum 
zweitenmal  kleine  Waben  zum  Vorschein  kommen  und  bei  den  höhe- 
ren Ordnungen!  der  Reptilien  kann  die  Lunge  durch  fortgesetzte  Ver- 
mehrung der  Dissepimente  eine  mehr  parenchymatöse  Natur  anneh- 
men. Bei  den  Vögeln  besteht  die  Lunge  aus  häutigen  Röhren  und 
Pfeifen,  welche  in  die  Bronchien  offen  sind  und  welche  man  dem  primä- 
ren Lungensack  der  Amphibien  für  gleichwerthig  ansehen  kann.  Die 
Wände  der  Röhren  werden  wiederum  mit  einem  feinen  Netz  von 
kleinen  Scheidewänden  überzogen,  wodurch  gleich  den  Waben  der 
Amphibienlunge     meist    sechseckige    Höhlchen     entstehen,    und    auch 

24* 


372  Von  den  Kespiiationsorganen  der  Wirbelthiere. 

in  jetler  Masche  dieses  Netzes  liegen  noch  kleinere  sechseckige  Räume, 

welche    wir  den   Endbläschen    der    Öäugethierlungen    vergleichen 

dürfen, 

§.  340. 

Das  Bindegewebe,  welches  das  Gerüst  der  Lungen  liefert,  er- 
scheint bei  Säugern  und  Vögeln  dergestalt  von  elastischen  Ele- 
menten durchwebt,  dass  sie  nahezu  die  Grundmasse  des  ganzen 
Lungengestelles  ausmachen,  während  in  der  Lunge  der  Reptilien ,  wo 
Muskeln  sehr  verbreitet  sind,  die  elastischen  Fasern  zurücktreten. 
—  Am  Kehlkopf,  der  Luftröhre  und  ihren  Verzweigungen  modificirt 
sich  die  Bindesubstanz,  um  diesen  Theilen  eine  festere  Stütze  zu  ge- 
währen, in  einzelne  Knorpelst  iick  e,  welche  bei  Säugern  öfters 
gleich  beim  Eintritt  in  die  Lungen  aufhören  {Sus ,  Meles ,  Erinaceus 
u.  a.),  oder  sie  sind  noch  w^eit  in  die  Lungen  zu  verfolgen  (Wieder- 
käuer, viele  Fleischfresser,  Equus  u.  a.),  bei  Vögeln  (dem  Reiher  z.  B.), 
kann  ich  ihnen  gleichfalls  über  Zoll  weit  in  die  Lungen  nachgehen. 
Auch  bezüglich  höherer  Reptilien  {^(Jrocodü'^s,  Monitor)  wird  die  An- 
wesenheit von  Knorpelstreifen  in  den  Lungen  gemeldet,  was  ich 
wenigstens  für  die  Schildkröte  bestätigt  linde.  Die  Knorpel  sind  iVus- 
läufer  der  Bronchialringe  und  erhalten  die  Eingänge  in  das  Maschen- 
netz ausgespannt.  Bei  Lacerta  ayilis  existiren  nur  an  der  Lungen- 
wurzel noch  die  Knorpelstreifen,  wie  man  gut  sieht,  wenn  die  Lunge 
im  Ganzen  herausgenommen  und  mit  Kalilauge  behandelt  wird ,  wo 
sich  dann  zeigt,  dass  Streifen  hyalinen  Knorpels  von  einfacher  oder 
ästiger  Form  in  die  Lungenbalken  ausstrahlen  und  zuletzt  als  Knor- 
pelinseln aufiiören.  R.  Wagner  giebt  an,  es  scheine  im  Kehlkopf 
von  Salamandra  und  Triton  „nichts  Knorpeliges"  sich  zu  finden,  auch 
sei  die  kurze  Luftröhre  vom  Salamander  bloss  „häutig."  Ich  sehe 
indessen  mit  aller  Klarheit  im  Larynx  der  Salamandra  maculata 
Stücke  aus  schönem  Hyalinkorpel  als  seitliche  den  Eingang  begren- 
zende Längsstreifen,  dann  in  der  Wand  der  „häutigen"  Luftröhre  zu 
beiden  Seiten  6  —  7  ebensolche  hyalinknorpelige  kurze  llalbringe 
Bei  der  Grösse  der  zelligen  Theile  dieses  Thieres  überhaupt,  haben 
auch  die  Knorpelzellen  einen  bedeutenden  Umfang. 

Die  Knorpel  der  Respirationswerkzeuge  können  bei  Säugern 
theilweise  ossifizircn;  den  Vögeln  eigcntliümlich  ist,  dass  die  Knor- 
pel des  Kehlkopfs ,  der  Trachea  und  Bronchien ,  sehr  allgemein  ganz 
oder  theilweise  verknöchern.  In  den  ossifizirtcn  Tracheairingen  sehe  ich 
(beim  Staaren,  dann  einer  Papageiart)  schöne  verästelte  Markkanälchen, 
die  hauptsächlich  in  der  Querrichtung  verlaufen.  Bei  Tetrao  soll  nach 
Nitzsch  die  Luftröhre  nur  Knorpel  enthaUen ,  indessen  finde  ich  bei 
T.  urogallus ,  dass  auch  da  die  Trachcaknorpel  Ossifikationen  haben, 
freilich  zum  Theil  nur  schmale  Streifen  bildend,  aber  doch  deutheh 
vorlianden.  An  einer  untersuchten  Strix  flamniea  waren  die  Ringe 
ohne    alle  Verknöchcrungcn.      Die    blasige    Erweiterung   des    Larynx 


Kehlkopf,    Luftröhre.  373 

hronchiah's  besitzt  eine  sehr  dicke  Knorpelwand,  und  wie  ich  bei  einer 
jungen  Ente  bemerke,  ist  sie  von  zahlreichen  verästelten  Gefässkanälen 
durchzogen,  die  für  das  freie  Auge  allerdings  erst  dann  sichtbar  sind, 
wenn  man  den  Knorpel  in  feine  Scheiben  schneidet ,  wobei  sich  die 
Kanäle  mit  Luft  füllen  und  durch  ihren  Silberglanz  abstechen.  Auch 
im  Bügel  sind  sie  vorhanden.  Die  theilweisen  Ossifikationen  am  Larynx 
hronchialis  sind  ebenfalls  sehr  gefässreich.  (Auffallend  ist  mir,  dass 
bei  einem  älteren  Thiere ,  wo  der  Larynx  hroncliialis  fast  ganz  ver- 
knöchert war,  die  knöcherne  Wand  nicht  im  Entferntesten  die  Dicke 
der  beschriebenen  Knorpelwand  besitzt.)  Bei  den  Reptilien  scheinen 
die  Knorpel  des  Larynx  und  der  Trachea  selten  zu  verknöchern,  je- 
doch möchte  bei  den  Schlangen  die  Ossifikation  allgemein  sein,  denn 
ich  nehme  wahr,  dass  nicht  bloss  bei  Python  die  Tracheairinge  bis 
auf  einen  knorpelig  bleibenden  Grenzsaum  ossifizirt  sind,  sondern 
auch  bei  Coluher  natrix  und  Coronella  laevis  zeigen  sich  sämmtliche 
Knorpelstücke  vom  Larynx  an  durch  die  Trachea  bis  hart  an  die 
Lungen  heran,  verkalkt,  und  nur,  wie  bei  Python,  die  Grenzschicht 
erhält  sich  im  knorpeligen  Zustande.  Das  Knorpelgewebe  ist  sog.  Zel- 
lenknorpel, d.  h.  mit  einem  Minimum  von  Grundsubstanz  zwischen 
den  Zellen ,  und  der  Kalk  erscheint  nur  in  den  Intercellularstoff  ab- 
gesetzt, übrigens  bildet  sich  nichts  von  Markräumen  oder  Havers'schen 
Kanälen  aus. 

Am  Kehlkopf  der  Säuger  kommt  Hyalin-  und  Faserknorpel  vor, 
letzterer  z.  ß.  beim  Ochsen  mit  sehr  entwickelten  Fasernetzen,  der 
Hyalinknorpel  zeigt  mir  bei  demselben  Thier  im  Ring-  und  den  Giess- 
kannenknorpeln  Kanäle  mit  Blutgefässen.  Die  Trachealknoi'pel  der  Säu- 
ger können  sehr  fetthaltig  sein  {Vespertilio  pipistrellus  z.  B.),  bei  den 
Vögeln  zeichnen  sich  diese  Knorpel  durch  überwiegende  Zahl  der 
Knorpelzellen  aus,  auch  bei  beschuppten  Reptilien  (wie  ich  es  wenig- 
stens an  der  reichlich  von  Pigment  umsponnenen  Trachea  der  An- 
guis  fragilis,  sowie  bei  Coluher  natrix  sehe),  walten  die  Zellen  so 
vor,  dass  die  Grundsubstanz  kaum  in  Spuren  zugegen  ist. 

§.  34L 

Der  bindegewebige  Theil  der  ]\[ucosa  bildet  bei  Säugern  und  Vö- 
geln im  Kehlkopf  und  der  Luftröhre  die  Timica  propria  von  Schleim- 
drüsen, welche  bei  Säugethieren  eine  traubige  Form  haben,  be- 
Vögeln (nach  Untersuchungen  am  Reiher)  nur  kurze  einfache  Säck- 
chen vorstellen.  Am  Larynx  hronchialis  der  Ente  erscheint  mir  unter- 
halb der  verdickten  Knorpelwand  auch  die  Schleimhaut  polsterartig 
verdickt,  indem  sie  sich  zu  einer  weissgelblichen,  einige  Linien  dicken 
elastisch-gallertigen^Lage  umgewandelt  hat ,  die  bei  mikroskopischer 
Untersuchung  als  gallertiges  Bindegewebe  erkannt  wird,  Sie  besteht 
aus  einem  Maschenwerk  verästelter  und  faserig  ausgezogener  Binde- 
gewebskörper  und    die   Zwischenräume    sind   mit  einer  Sülze    gefüllt, 


374  Von   den  Respirationsorganen  der  Wirbelthiere. 

welche  in  Essigsäure  gerinnt.  Uebrigens  überwiegt  fast  die  Menge 
des  Fasergerüstes  die  der  homogenen  Zwischensubstanz,  wesshalb  auch 
die  Haut  im  Ganzen  fester  ist,  als  z.  B.  das  gallertige  Bindegewebe 
im  Embryo. 

An  den  Stimmbändern,  die  in  ähnlicher  Weise  verdickt  sind,  hat 
die^sulzige  Zwischensubstanz  zugenommen  und  in  Folge  davon  ist 
auch  die  Weichheit  dieser  Portion  grösser.  Das  Gallertgewebe  ist 
von  Blutgefässen  durchzogen.  (An  älteren  Thieren  mit  fast  ganz  ver- 
knöchertem Larynx  hronchialts  war  die  Schleimhaut  nur  gegen  den 
Anfang  der  Bronchien  zu  polsterartig  verdickt.)  Das  Epithel  der 
Mucosa  ist  wohl  durchweg  ein  flimmerndes,  nur  der  zunächst  für  die 
Stimmbildung  dienende  Theil  des  Kehlkopfes  hat  bei  Säugethieren 
und  Reptilien  cilienloses  Plattenepithel,  genauer  angegeben  haben 
z.  B.  beim  Hund  die  oberen  und  unteren  Stinmibänder  ein  Plattenepi- 
thel ,  ebenso  beim  Kaninchen ;  bei  der  Katze  beginnt  Flimmerepitliel 
erst  unterlialb  der  Stimmritze  {Rheiner)^  auch  bei  der  Ratte  sehe  ich, 
dass  der  Kehldeckel  und  die  Stimmbänder  ein  geschichtetes  Platten- 
epithel besitzen,  während  der  übrige  Kehlkopf  flimmert,  und  schon 
aus  früheren  Beobachtungen  war  mir  bekannt,  dass  beim  Frosch  und 
der  Eidechse  das  Epithel  des  Stinunbandes  ein  anderes  sei,  als  das 
des  übrigen  Kehlkopfes:  hier  lebhaft  flimmernd  und  die  Zellen  mit 
klarem  Inhalt ,  dort  flimmerlos  und  die  Zellen  mit  körnigem  Conten- 
tum.  Wie  sich  die  Vögel  am  oberen  und  unteren  Kehlhopf  verhal- 
ten, bleibt  noch  festzustellen,  ich  konnte  zwar  bei  einer  Ente  anschei- 
nend von  allen  Orten  des  Larynx  hronchialis  Flimmerzellen  gewinnen, 
allein  zwischen  den  Fragmenten  des  Flimmerepithels  waren  zusam- 
menhängende exquisite  Plattenzellen  zugegen;  nur  gelang  es  nicht, 
(\^\\  eigentlichen  Standort  derselben  zu  bestimmen. 

In  den  Lungenbläschen  der  Sänger  und  den  Lungenzellen  der 
Vögel  scheint  nirgends  ein  Flimmerepithel  zu  existiren ,  ja  es  ist 
mir  bis  jetzt  nicht  einmal  gelungen,  das  Epithel  in  den  J.uiigenzellen 
der  Viigel  (Reiher,  Taube)  zweifellos  zu  sehen.  Die  Lunge  der 
Amphibien  flimmert  bekanntlich,  mid  die  Zellen  haben  \iQ\  (Joronella 
laevis  hier  und  dnrcli  den  ganzen  Respirationsap])arat  einen  scharf 
conturirten  körnigen   Inhalt. 

§.   342. 

Die  Muskeln  des  Kehlkopfes,  bei  \'ögeln  auch  der  eigenthüm- 
liche  Muskelappai'at  des  Larijnx  hronchialis,  sind  (piergestreitt,  in  der 
Wand  der  'Iracliea  und  Bronchien  vt)n  Säugern  und  Vögeln  unter- 
scheidet man  glatte  Bündel.  Die  Muskclpaare ,  welche  bei  Vögeln 
die  Luftröhre  herabziehen,  gehören  zu  den  quergestreiften.  Li  wie 
weit  die  Lunge  der  Wirbelthiere  eine  glatte  Muskulatur  besitzt,  steht 
noch  zu  erforschen.  Die  Säuger  scheinen  so  wenig  wie  der  Mensch 
in  der  Lunge  mit  contractilen  l^]lenienten  versehen  zu  sein,  doch  dürf- 
ten A'w  Lungen  der  Wale  einer  näheren  Prüfung  zu   unterwerfen  sein. 


Liincren  ,  Schilddrüse. 


375 


da  denselben  „eine  ansserordentliche  Contractilität"  zn^eselineben  wird, 
so  dass  sie  sich  „von  Luft  vollkonniieu  entleeren"  können.  In  der 
Vog'ellung-e  glaube  ich  am  Reiher  Muskeln  gesehen  zu  haben,  die 
den  grösseren  Röhren  angehören  mochten,  bei  den  Amphibien  sind 
die  Lungen  der  einen,  z.  B.  die  vom  Frosche,  Landsalamander,  Rin- 
gelnatter, Pi/tJwii ,  Eidechse,  Schildkröte,  deutlich  damit  ausgestattet, 
ja  die  Septen  bestehen  (z.  B.  an  Locerta  agilfs  bis  zur  Lungenspitze), 
hauptsächlich  aus  Muskeln,  selbst  in  den  blinden  dünnwandigen  End- 


Fig.  198. 


«.- 


Ein  Stück  der  Lungeninnenfläche  von  Lacerta  agilis. 
a  Muskulöses  Septum,  b  Boden  einer  Lungenzelle,  auf  dem  man  die  Blutcapillaren 
sieht,    c  ein  Septum,    an  dessen  Rande  das  Flimmerepithel  sichtbar  ist,    sowie  da- 
hinter das  Gefässnetz    und  in  der  Tiefe  die  Muskelzüge. 

zipfeln  der  Lungen  des  Chamäleon  sehe  ich  deutlich,  dass  die  poly- 
gonalen Streifen  von  glatter  Muskulatur  herrühren.  —  Die  kleinen, 
weissen  Knötchen,  welche  man  in  der  Lunge  des  Fi/thon  in  den 
Winkeln  der  Maschen  erblickt,  repräsentiren  verdichtetes  Bindegewebe, 
in  welchem  die  verzweigten  Körper  deutlich  sichtbar  sind.  Man  könnte 
sich  dieselben  als  die  festen  Punkte  vorstellen,  gegen  welche  die  Mus- 
kelbalken wirken.  Andere  Reptilien,  z.B.  Triton,  Proteus,  vielleicht 
auch  Meuopoma ,  haben  keine  Spur  von  Muskeln  im  Lungengewebe.  — 
An  den  Lungen  mancher  Batrachier,  {Proteus  z.  B.)  sitzen  aussen 
viele  Fettzellen  an. 

Die  Nerven  im  Lungengewebe  sah  Remak  bei  Säugern  und 
beim  Frosch  in  kleine  Ganglien  anschwellen,  ich  beobachtete  das- 
selbe auch  in  den  Lungen  der  Testudo  graeca. 

§.  343. 
Ob    die  Lungen    pigmentirt  sind   oder    nicht,    unterliegt    grossen 
Schwankungen,  unsere  einheimischen  Frösche,  Kröten  und  Landsala- 
mander   z.    B.  haben    reichlich    pigmentirte   Lungen,    die    der  Vögel 


37g  Von  den  Respirationsorganen  der  Wirbeltliiere. 

scheinen  immer  pigmentlos  zu  sein.  Bei  letzeren  kommuniziren  mit 
den  Lungen  die  sog.  Luft  sacke,  sie  bestehen  wie  die  Lungen  aus 
einer  an  elastischen  Elementen  überaus  reichen  Bindesub stanz,  auch 
däucht  mir  glatte  Muskeln  darin  erkannt  zu  haben.  Von  8ula  und 
Pelicanus  wird  angegeben,  dass  sich  über  die  Aussenwand  des  Inter- 
clavicularsackes  und  seiner  Fortsetzungen  von  der  Furcula  kommende 
Muskelfasern  fächerförmig  ausbreiten.  Das  Epithel  ist  stellenweise  ein 
flimmerndes.  Beim  Thurmfalken  z.  B.  erblickt  man  in  jenen  den 
Lungenlöchern  zunächst  liegenden  Partien  ein  Flinunerepithel,  ausser- 
dem cilienlose  Zellen, 

Bei  Cetaceen  ist  nach  Leuckart  der  Pleuraüberzug  der  Lungen 
sehr  dick  und  hat  eine  mächtige  Schicht  elastischer  Fasern.  Dies 
dürfte  doch  kaum  ein  allgemeiner  Charakter  sein ;  beim  Manatus 
australis  wenigstens  zeigt  sich  mir  die  Lungenpleura  nicht  dicker  als 
anderswo,  ist  bindegewebig  und  in  der  Tiefe  mit  ganz  feinen  elasti- 
schen Fasern  durchflochten. 

§.  344. 

Schilddrüse.  Die   Schilddrüse  ergiebt  bei  den  verschiedensten  Wirbelthieren 

einen  sehr  übereinstimmenden  Bau.  Wo  sie  nämlich  bis  jetzt  von  Fi- 
schen, Amphibien,  Vögeln  und  Säugern  untersucht  wurde, 
bestand  sie  aus  geschlossenen,  mit  zahlreichen  Blutgefässen  umspon- 
nenen Blasen,  an  deren  Innenwand  ein  schönes  Epithel  liegt,  den 
übrigen  Raum  nimmt  eine  wasserklare  Flüssigkeit  eiji,  oder  auch 
Colloidmassen,  welche  ich  selber  bei  Knochenfischen  {Zeus  faber 
z.  B.),  Bochen  und  Haien,  bei  Reptilien  (Proteus,  Ringelnatter, 
Eidechse)  und  Vögeln  (Sperling  z.  B.)  wahrgenommen  habe,  auch  eben- 
desshalb  diese  Gebilde,  wenn  sie  beim  Menschen  gefunden  werden,  kaum 
für  eine  pathologische  Erscheinung  gelten  lassen  möchte.  Bei  den  nie- 
deren Wirbelthieren  ist  wenig  Bindegewebe  zwischen  den  Drüsenblasen 
zugegen  (am  wenigsten,  wie  mir  scheint,  bei  der  Ringelnatter)^  daher  die 
Blasen  dicht  an  einander  gereiht  sind,  und  das  ganze  Organ  sowohl 
für  das  freie  Auge  durch  sein  gckörnclt  höckeriges  Aussehen ,  als  auch 
unter  dem  Mikroskop  den  Eindjuck  eines  Eierstockes  macht.  Beim 
Landsalamandcr  ist  das  die  Gefässe  tler  Thyreoidcablasen  tragende 
Bindegewebe  manchmal  von  vielem  schwarzen  Pigmente  durchzogen. 
Die  Zahl  der  Blasen  variirt  bei  Thiercn  derselben  Art,  beim  Pro- 
teus z.B.  waren  in  mehren  Fällen  nur  3  —  5  Blasen  zugegen,  um 
welche  rings  licrum  viele  Fettklihnpchen  lagen.  13ei  Lacerta  agllis 
sehe  ich  die  Thyreoidea  vim  zweihörniger  Gestalt,  die  Mitte  am 
dicksten.  Nur  die  Thyreoidea  der  ungeschwänzten  Batrachier  (Frö- 
sche, Kröten)  weicht  ab,  da  sie  anstatt  zahlreicher,  kleiner  ge- 
schlossener Follikel,  die  eng  zusammengedi-ängt  wären,  nur  gewöhnlich 
aus  drei  grossen,  mit  engmaschigem  Capill.irnetze  versehenen  und 
von  einander  isolirten  Blasen  besteht,    deren    Inhalt  weder  helle  Flüs- 


Schwimmblase  der  Fische. 


377 


sigkeit,  noch  Colloicl,  sondern  eine  feinkörnige,  zum  Theil  fettige 
Substanz  ist  (Ueber  der  Thyreoidea  liegt  ein  kleines  längliches  Gang- 
lion mit  14  —  15  Ganglienkugeln). 

Fig.  199. 


Schilddrüse    des  Proteus  anguiiius. 

a  Blutgefäss,    b  die  Drüsenblasen,  sie  werden  theils  von  der  Fläche,   theils  im 
Durchschnitt  gesehen;    in  mehren  befindet  sich  CoUoid. 

Die  Athmung  bezweckt  bekanntlich  die  Aufnahme  von  Sauerstoff  aus  dem 
umgebenden  Medium,  wobei  eine  beständige  Ausleerung  von  Kohlensäure,  die  sich 
in  Folge  der  stets  fortschreitenden  Zersetzungen  im  Thierleibe  gebildet  hat,  vor 
sich  geht.  Es  soll  nun  nach  Ecker  (Icones  phys.)  in  den  Endbläschen  der  Lunge 
ein  wirkliches  Epithel  fehlen,  indem  bloss  zerstreut  einige  Zellen  sich  finden. 
Somit  wären  die  Blutcapillaren  nackt  der  Luft  exponirt  und  es  liegt  nahe,  den 
Mangel  eines  solchen  zelligen  Ueberzuges  mit  einem  dadurch  erleichterten  Stoff- 
austausch zwischen  Luft  und  Blut  in  Zusammenhang  zu  bringen.  Wenn  diess  der 
Fall  ist,  so  dürfte  auch  eine  von  mir  schon  oben  mitgetheilte  Beobachtung  über 
Cobitis  fossilis  einiges  Interesse  verdienen.  Dieser  Fisch  athmet  zum  Theil  mit 
seinem  Darm,  er  schluckt  atmosphärische  Luft  und  giebt  durch  den  After  Kohlen- 
säure von  sich.  Die  Schleimhaut  des  Darmes,  welche  lebhaft  roth  ist,  sich  in 
niedrige  Fältchen  erhebt  und  ohne  Drüsenbildung  ist,  zeichnet  sich  durch  unge- 
meinen Gefässreichthum  aus,  so  dass  sie  eigentlich  nur  aus  Blutcapillaren  und 
etwas  homogener  Bindesubstanz ,  als  Träger  derselben ,  besteht  und ,  was  mir  eben 
recht  auffallend  war,  weder  am  frischen  Objekte  noch  nach  Behandlung  mit  Essig- 
säure ist  es  mir  geglückt,  ein  Darmepithel  nachzuweisen  ! 

An  den  Stimm  blasen,  welche  viele  männliche  Batrachier  besitzen,  erkennt 
man  deutlich  eine  Muskelhaut;  die  innere  Überfläche  ist  von  einer  Schleimhaut  mit 
Flimmerepithel  ausgekleidet  (v.  Rapj)). 

Ueber  die  Thyreoidea  von  Triton,  Salamandra,  Proteus,  Coecilia,  Bana, 
Testudo,  Coluber,  Äcipeiiser,  Squatina,  Torpedo,  Mustelus  u.  a.  siehe  meine  Unters, 
üb.  Fische  u.  Rept. ,  Rochen  u.  Haie.  —  In  der  trefflichen  vergleichenden  Physio- 
logie von  Bergma7in    und    Leuckart    ist    bezüglich    dieses  Organes    gesagt,    der 


8ch"  itliln 
blas«. 


Aeiis^ere 
Hiille. 


Mii-Kelliaia 


378  Von  den  Respirationsorganen  der  Wirbeltliiere. 

mikroskopische  Befund  deute  auf  ein  Entstehen  und  Vergehen  von  Zellen  innerhalb 
der  Blasen  hin.  Diesen  Aussprach  kann  ich  nicht  billigen.  Man  sieht  viel- 
mehr bei  Thieren  die  Zellen  constant  in  Form  eines  schönen  Epithels  die  Wand 
der  Blasen  auskleiden,  ohne  Anzeichen  eines  Zert'allenwollens  der  Zellen.  Uebrigens 
ist  uns  die  Function  der  Schilddrüse  ganz  unbekannt  und  wir  flüchten  uns,  wie 
in  ähnlichen  Fällen,  hinter  die  oft  zum  Ersatz  eintretende  Bemerkung:  es  diene 
fragliches  Organ  zu   „einer  bestimmten  Umänderung  des  Blutes." 

§.  345. 

Ein  Orgaiij  das  vom  morphologischen  Standpunkt  aus^  den  Lun- 
gen verglichen  werden  darf^  ist  die  Seh wircm blase  der  Fische« 
Man  unterscheidet  an  ihr  zumeist  drei  Schichten ,  einen  Bauchfell- 
überzug, eine  Muskelschicht  und  eine  ihr  eigene  Faserhaut. 

Der  Bauchfellüberzug  besteht  aus  gewöhnlichem  Bindege- 
webe^  das  häufig  pigmentirt  ist.  Bei  vielen  Knochenfischen  sehe  ich, 
dass  die  einzelne  verästelte  Pigraentzelle  oft  ungemein  weit  ihre  ver- 
zweigten Ausläufer  entfaltet.  Die  Schwimmblase  der  Saiblinge  (Salmo 
salveUnus)  ist  schön  rosenroth,  aber  nach  v.  Frantzius  ohne  beson- 
deres Pigment,  sondern  das  Gewebe  selbst  sei  gleichmässig  schön 
rosenroth  tingirt*).  —  Bei  einigen  Fischen  (Colntts,  Acanthopsis,  nach 
Cuvie?'  auch  Ophidium  imJm'he),  erscheint  die  äussere  Bindegewebs 
Schicht  verknöchert  und  die  Schwimmblase  steckt  dann  in  einer 
Knochenhülse ,  welche  z.  B.  an  (Jolntis  fossilis  für  das  freie  Auge 
wie  siebförmig  durchstochen  erscheint  und  unter  dem  Mikroskop  zeigt 
sie  sich  von  der  Gestalt  eines  zierlichen  Knochengitters.  Die  Kno- 
chcnhülle    ist  mit  dem  Querfortsatz  des   dritten  Wirbels  verwachsen. 

Unter  der  Serosa  breitet  sich  sehr  häufig  eine  dünnere  oder 
dickere  Muskellage  aus,  sie  ist  z.  B.  beim  Stör,  wo  die  Schwimm- 
blase geradezu  sich  als  Ausstülpung  des  Darmrohres  erweist,  nicht 
besonders  dick  und  umhüllt  das  Organ  continuirlich,  auch  beim  Po- 
lypterus  htchir  belegen  zwei  sich  kreuzende  Muskellagen  vollständig 
die  Schwimmblase;  8<dmo  s(dvelmus  hat  zwei  dünne,  der  Länge  und 
Quere  nach  verbundene  Muskelschichten,  beim  Hecht  beschränken 
sich  die  Muskeln  auf  die  untere  Fläche,  beim  Brassen  [Abramis 
Brama)  isoliren  sie  sich  zu  Streifen,  die  mit  der  Lungenachse  parallel 
verlaufen,  während  sie  bei  ( Jhondrostoma  nasus  die  Schwimmblase  spiralig 
umziehen  [flolt.  Müller,  (Jzermack).  Bei  Trigla  hirundo  und  Dacty- 
loptera  volänths  ist  eine  starke  Muskelschicht  vorhanden,  welche,  wenn 
man  die  untere  Fläclie  dv.v  Schwimmblasen    vor    sich    hat,    nur    als 


■*)  Wie  ich  au  frischen  Saiblingen  finde,  rührt  die  Kosafarbe  von  den  „elasti- 
schen riattc'ii"  her,  die  einzeln  zwar  farblos  sind,  aber  sobald  mehre  beisammen 
liegen  einen  gelblichen  Anflug  haben  ;  für  das  freie  Auge  und  in  Masse  bewirken 
sie  den  Rosaschiller,  die  Erscheinung  leitet  sich  demnach  von  älmlichen  Ursachen 
ab,  welche  die  Retina  resp.  die  Stabschicht  derselben  beim  Frosch,  dem  Salamander 
mit  rothem  Atlasglanz  erscheinen  lassen. 


Scliwiinmblase  der  Fische.  379 

zwei  den  seitlichen  Rand  einnehmende  Streifen  sicli  ausnehmen,  die 
aber  auf  der  Dorsalfläche  der  Schwimmblase  zusammentreffen  und 
sich  demnach  um  die  ganze  hintere  (obere)  Seite  der  Schwimmblase 
erstrecken.  Ju  den  äusseren  Schichten  laufen  die  Muskeln  quer,  in 
den  inneren  nach  der  Länge.  Die  letztere  Lage  ist  beträchtlich 
dünner,  als  die  aus  querziehenden  Bündeln  zusammengesetzte.  Die 
Schwimmblase  anderer  Fische ,  z.  B.  die  vom  CohitLs  fossilis  ent- 
behrt der  contractilen  Elemente.  Fragt  man  nach  der  histologischen 
Natur  dieser  Muskeln ,  so  ergiebt  sich,  dass  sie  in  der  Mehrzahl  der 
glatten  Art  augehören,  so  beim  Acipenser ,  Esox,  Abramis,  Chon- 
drostoma, Salmo.  Quergestreift  sehen  wir  sie  bei  Poli/pterus,  Ti-igla, 
Dactyloptera  und,  was  sich  eigentlich  von  selbst  versteht,  von  glei- 
cher Beschaffenheit  sind  die  Muskeln,  welche,  wie  z.  B.  bei  Gadus, 
Zeus  faber  von  der  Muskulatur  der  Wirbelsäule  sich  ablösend,  an 
die  Schwimmblase  sich  ansetzen. 

§.  346. 

Die  eigentliche  Faserhaut  der  Schwinimblase  fällt  häutig  un-  laserha.u 
schwer  in  zwei  Häute  auseinander,  von  denen  dann  die  eine  weisslich 
ist  mit  atlasartigem  Glanz  und  die  andere  bläulichweiss;  beide  be- 
stehen aus  Bindegewebe ,  welches  in  den  atlasartig  schillernden 
Schichten  sich  zu  einer  besonderen  Varietät  umgebildet  hat.  Schon 
bei  den  Teleostiern  {Barbus,  Cohitis  z.  B.)  löst  sich  die  bezeichnete 
Bindesubstanz  bei  unsanfter  Behandlung  in  eigenthümliche  starre, 
feine,  zugespitzte,  oft  wie  winkelig  geknickte  Fasern  auseinander. 
Noch  auflallender  wird  diese  Erscheinung  beim  Stör.  Hier  ist  an  der 
frischen  Schwimmblase  jene  Haut  mit  Atlasglanz  so  weich ,  dass  sie 
sich  beim  Versuch,  sie  mit  der  Pinzette  abzuziehen,  in  kleine,  spindel- 
förmige oder  nadelähnliche  Massen  abblättert ;  leichter  noch  fällt  sie 
in  dergleichen  Trümmer  auseinander,  wenn  man  sie  mit  Wasser  be- 
feuchtet. Werden  solche  nadeiförmige  Theilchen  niikroskopirt,  so  er- 
weisen sie  sich  zusammengesetzt  aus  ganz  ähnlichen  faserartigen  Massen, 
wie  die,  welche  das  freie  Auge  unterscheidet.  Sie  sind  hell,  scharf 
conturirt  und  dabei  starr ,  die  einen  können  mehr  für  wirkliche  zu- 
gespitzte Fa>jern  angesprochen  werden,  andere  erinnern  in  ihrer  Ge- 
stalt eher  an  Hobelspäne  oder  spitz  eingerollte  Papierstreifen.  (Es 
darf  wohl  angenommen  werden ,  dass  gerade  dieses  eigenthümliche 
Bindegewebe  die  Schwimmblase  der  Störe  und  in  geringerem  Grade 
auch  die  anderer  Fische  zu  einem  so  geschätzten  Leim  verwenden 
lässt.) 

Noch  habe  ich    in   der  Wand  der  verschiedensten  Knochenfische  „Kiasu^L-he 
sonderbai'e  Elementartheile  gefunden,  über  deren  Bedeutung  ich  nichts 
vorzubringen    vermag.     Es  sind  ganz  pelluzide   Plättchen  von  un- 
regelmässiger   Gestalt ,    die    sich  gern    einrollen    und  dann  für  starre 
Fasern  genommen   werden   können.      Jedes  Plättchen  besitzt  einen  in 


l'lättcheii 


380  Von  den  Respirationsorgancn  der  Wirbelthiere. 

der  Mitte  liegenden  ovalen  Kern,  nach  Essigsäure  trübt  sich  das  Plätt- 
chen und  nimmt  damit  eine  gelbliche  Färbung  an,  ohne  sonst  an  der 
Schärfe  seiner  Conturen  etwas  einzubüssen.  Ich  habe  solche  Elemente 
mitten  im  Bindegewebe  der  Schwinmiblase  gesehen,  z.  B.  bei  Chondro- 
stoma nasus,  Zeus  faber,  Gobius  niger,  Hippocamp^cs ,  Dactyloptey-a, 
Cepola  u.  a.  Sie  sind  bis  jetzt  von  Niemand  erwähnt  worden, 
V.  Frantzius  ausgenommen,  der  sie  in  der  Schwimmblase  der 
Saiblinge  beobachtete  und  sie  als  elastische  Gebilde  betrachtet,  die 
in  zahlreicher  Menge  zwischen  das  Bindegewebe  locker  eingebettet, 
bei  der  Mechanik  der  Schwimmblase  eine  Rolle  ausüben. 

§.  347. 
Kpuhei.  Das  Epithel,    welches  die  Innenfläche  der  Schwimmblase  über- 

zieht ,  liegt  entweder  der  weissen  ,  atlasartig  glänzenden  Haut  auf, 
deren  Elemente  die  starren,  krystallähnlichen  Fasern  sind  (Stör  z.  B.), 
oder  einer  aus  gewöhnlichem  Bindegewebe  bestehenden  Schicht 
(z.  B.  Cobitis  fossilis).  Die  Epithelzellen  sind  bei  beiden  Teleostiern 
von  rundlicher  Gestalt  und  ohne  Wimpern ,  bei  den  Ganoiden  hin- 
gegen, wie  ich  wenigstens  bei  Äcipenser  und  Pohipterus  wahrge- 
nommen, ist  ein  W  imperepith  el  vorhanden.  Die  Flimmerzellen 
sind  beim  Str>r  von  klarer  Beschaffenheit,  nur  gegen  die  Ausmündung 
der  Schwimmblase  nach  dem  Magen  zu  wird  ihr  Inhalt  mehr  körnig. 
(Die  nicht  flimmernden  Epithelzellen  bei  Salmo  Salvelinus  sind  strecken- 
weise dicht  mit  grösseren  Fetttröpfchen  angefüllt.)  Beim  Polypterus 
gehört  das  Epithel  der  geschichteten  Cylinderform  an,  indem  man 
rundliche,  ferner  bedeutend  lange  Zellen  erblickt,  die  zwei  bis  drei 
in  Distanzen  stehende  Kerne  haben;  die  obersten  Cyliuderzellen  flim- 
mern und  zeigen  an  der  Basis  der  Flimnierhaare  den  bekannten 
hellen  Saum.  (Es  darf  dieser  Beobachtung  eine  gewisse  Bedeutung 
zugelegt  werden  ,  da  es  den  Anschein  hat ,  als  ob  flimmernde 
Schwimmblasen  mit  zu  einem  exclusiven  Charakter  der  Ganoiden- 
gruppe  werden  könnten.) 

§.  348. 
Die  Innen  haut  der  Schwimmblase  hat  entweder  eine  glatte 
Fläche,  oder,  wie  bei  Polypterus^  dichtstehende,  im  Allgemeinen 
längsverlaufende  schmale  AVülste ,  mitunter  auch  gleich  manchen 
Amphibienlungcn  wabige  Vorsprünge  (lle')niravq)hus  nach  Valen- 
ciennes).  Bei  Lepidosteus  osseus  ist  die  innere  Olierfläciic  der 
Schwimmblase  areolär  und  mit  Muskeln  in  den  Balken  des  Maschen- 
werkes versehen.  (Der  „Lungensack "  dos  Silurus  Hmgio  hat  „drüsige" 
Wände  und  ist  von  einem  von  Querfalten  gebildeten  Muskel  um- 
geben.   Duvernoy.) 

Die  Blutgefässe  sind  zum  Theil  sehr  spärlich,  so  z.  B.  in  der 
inneren  hliiulich  weissen  Haut  liei  Cobitis  fossilis,  häutiger  finden  wir 
sie    in    reichlicher  Menge    iiiul    die    letzten    Verzweigungen    bilden   bei 


Kiemen.  381 

vielen  Fischen    Wundernetze,    die,    wenn   sie  lokal  sich  beschränken, 
die  s.  g".  rothen  Körper  der  Schwimmblase  hervorrufen. 

Schwimmblasen  ohne  Muskeln  scheinen  auch  der  Nerven  zu 
ermangeln ,  während  die  mit  contractilen  Elementen  ausgestatteten 
sehr  reich  an  Nerven  sind.  Beim  Hecht  z.  B.  verzweigen  sich  eine 
Menge  feiner  und  dicker  Nervenfibrillen  in  der  Schwimmblase ,  von 
denen  die  letzteren  sich  oft  hintereinander  theilen.  Auch  an  der 
quergestreiften  Muskulatur  der  Triglen  ist  mir  der  Nervenreichthum 
wahrhaft  auffallend ,  man  mag  noch  so  viele  Muskelstückchen  mikro- 
skopiren,  in  allen  zeigt  sich  eine  Unzahl  von  Nervenfibrillen  und,  was 
gleichfalls  hervorgehoben  zu  werden  verdient ,  die  Theilungen  der 
Nervenprimitivfasern  sind  überraschend  häufig  zu  sehen:  meist  sind 
es  dichotomische  Verzweigungen,  die  sich  schnell  wiederholen  und 
dabei  die  gewöhnlichen  Veränderungen  darbieten,  d.  h.  blass  werden 
und  in  feine  Reiserchen  auslaufen. 

§.   349. 
Wie  die  Lungen  für  das  Athmen  in  der  Luft  bestimmt  sind,    so  Kiemen. 
die  Kiemen   für  das  Athmen  im  Wasser,    und    es   reihen  sich  daher 
diese  Organe  den  Lungen,  wenn  auch  nicht  in  morphologischer  Hin- 
sicht, so  doch  in  physiologischer  Beziehung  an. 

Die  äusseren  Kiemen  der  Amphibien  (Proteus,  Salamander- 
larven) lassen  sich  als  Fortsetzungen  der  äusseren  Haut  betrachten, 
die  beim  Proteus  durch  einen  zarten  Knorpel  gestützt  werden.  Im 
bindegewebigen  Theil  der  Kieme  verlaufen  die  Blutgefässe  und  zwar 
beim  Proteus  (und  Tritonlarven)  in  der  Art,  dass  in  jedes  sekundäre 
Kiemenlüppchen  eine  Gefässschlinge  geht,  die  sich  nicht  weiter  ver- 
zweigt, höchstens,  dass  der  rückführende  Abschnitt  der  Schlinge  sich 
getheilt  hat.  Beim  Proteus  und  den  Salamanderlarven  sehe  ich  in 
die  KJemenstämme  einen  quergestreiften  Muskel  eintreten,  der 
sich  mit  zugespitzten  Ausläufern  gegen  die  Basis  der  sekundären 
Läppchen  verliert,  ohne  dass  man  Fasern  in  die  Plättchen  selber  ver- 
folgen konnte,  sie  bestehen  vielmehr  nur  aus  einer  dünnen,  homogenen, 
die  Blutcapillaren  tragenden  Haut  und  dem  Epithel.  Auch  dunkelrandige 
Nerven  sind  hier  in  den  Kiemenstämmen  sichtbar.  Die  Kiemen- 
glocken des  merkwürdigen  Beutelfrosches  (Notodelphys)  enthalten  eben- 
falls, wie   Weinland  gezeigt  hat,  quergestreifte  Muskelfasern. 

Die  Epidermiszellen  der  äusseren  Kiemen  der  Amphibien 
flimmern.  Abweichend  hiervon  verhalten  sich  die  äussei-en  Kiemen- 
fäden der  Fötus  von  Rochen  und  Haien.  Sie  haben,  was  ich  nach 
Untersuchung  frischer  Thiere  aussagen  kann,  ein  flimmerloses  Platten- 
epithel, und  was  den  übrigen  Bau  angeht,  so  macht  die  lange  Gefäss- 
schlinge keine  weiteren  Verästelungen,  und  als  Stütze  des  ganzen 
Kiemenfadens  dient  ein  Achsenstrang,  der  aus  gallertigem  Binde- 
gewebe besteht. 


382 


Von  den  Respirationsorganen  der  Wirbelthiere. 


Fig.  200. 


Freies    Ende    einer    Kieme    von  Proteus  anguinns. 
a  Kiemenstamm  mit  quergestreiften  Muskeln  im  Innern,    bbb    drei  sekundäre 
Kiemenblättclien ;    an    dem    einen    sind  die  Blutgefässe    sowie    das  Epithel  aus- 


geführt. 


Die  inneren  Kiemen  der  Fische  sind,  was  die  Hant  betrifft, 
welche  das  respiratorisclie  Gefässnetz  trägt,  wesentlich  Verlängerungen 
der  Rachenschleimhaut,  das  Epithel  daher  auch  ein  flimmerloses,  mit  ein- 
ziger Ausnahme  des  Amphwxus,  dessen Kiemenschlaucli,  wie  Joh.  Müller 
sah,  wirapei't.  Als  festere  Grundlage  der  Kiemenblättchen  fungiren 
knorpelige  oder  knJicherne  Strahlen,  wobei  der  Knorpel  in  der  Achse 
fast  lediglich  aus  rundlichen  Zellen  besteht  (Gohius  fluviatilis,  Leuciscus 
dohula,  Acvrina  ceruua,  Esox  lucius)^  was  ebenso  wiederkehrt  in  den 
Knorpelstrahlcn  der  Ncbenkicmon.  An  der  Peripherie  nimmt  die  Grund- 
substanz  sehr  zu  und  die  Zellen  sind  spindelförmig.  Kleine  quergestreifte 
Muskehl,  an  der  Basis  der  Kiemenblättchen  liegenil,  ziehen  sie  aneinan- 
der. Auch  die  Nebenkiemen  der  Selachier  verhalten  sich  histologisch 
gleich  d(!n  wahren  Kiemen ;  bei  llaja  hdtis  z.  B.,  wo  sie  aus  11  — 1!2 
b'alten  bestehen ,  sind  sekundäre  Querfalten  zugegen .  in  denen  die 
Gefässe  Schlingen  bilden,  eine  silberglänzende  Punktmasse  färbt  die 
Haut  weiss.     Der  zellige  IJeberzug  besteht  aus  PHasterepithel. 

Die  am  concavcn  Uand  der  Kiemenbogen  befindlichen  stäche  1- 
artigen  Auswüchse,  welche  die  Autoren  irrthümlich  zu  den  IJorn- 
bilduiigen  stellen,    haben  vom  Saibling  (Halmo  salvelinus)  z.   B.   eine 


Von  den  Respirationsorganen  der  Wirbellosen. 


383 


knöcherne  Grundlage  von  schwammiger  Beschaffenheit  und  gehen  in 
sekundäre  Zähnchen  aus,  wobei  die  Höhlen  der  Zähne  die  unmittel- 
baren Fortsetzungen  der  Knochenräume  sind.  Ueber  den  Knochen- 
kern des  Stachels  zieht  ein  bindegewebiger  Ueberzug  weg  mit  Blut- 
gefässen und  (wie  Behandlung  mit  Kalilauge  lehrt)  mit  zahlreichen 
Nerven.  Darüber  kommt  die  Kpithelschicht.  Das  Ganze  repräsentirt 
sohin  eine  grosse  Papille  mit  Tochterpapillen,  deren  Bindegewebe 
grossentheils  verknöchert  ist.  Auch  bei  den  Leucisci  sind  fragliche 
Bildungen  innen  ossifizirt  und  die  noch  bindegewebige  Rinde  weist 
sehr  zahlreiche  Nerven  auf,  was  gewiss  mit  der  Funktion  dieser 
Zähne ,  die  Kiemen  vor  dem  Hineinfallen  fremder  Gegenstände  zu 
schützen,  in  näherer  Beziehung  steht.  Es  fehlen  auch  nicht  kurze 
Papillen    mit    den    „becherförmigen   Organen." 

Fig.  201. 


Ende    eines  Kiemenfadens  von    einem  Embryo  des  Sjiinax. 
a  die  Blutgefässsclilinge,  b  der  Achsenstrang,  c  das  Epithel. 

Man  liest  noch  in  neueren  Werken ,  z.  B.  im  System  der  Morpho- 
logie von  V.  Garus^  dass  die  Schleimhaut  der  Kiemenhöhle  „zahlreiche 
traubige  Schleimdrüsen"  besitze,  was  ein  Irrthum  ist;  mir  wurde  bis  jetzt 
kein  Fisch  bekannt,  dessen  die  Mund-,  Rachen-  und  Kiemenspalten  aus- 
kleidende Haut  mit  dergleichen  Drüsen  ausgestattet  wäre. 

Durch  einen  Schreibfehler  steht  in  dem  soeben  erschienenen  ausgezeichneten 
Werk  Schlossjberger'' s  „die  Chemie  der  Grewebe",  in  welchem  die  vergleichende 
Histologie  zum  erstenmale  von  Seite  eines  Chemikers  alle  Berücksichtigung  erfährt, 
dass  „die  Kiemenbögen  der  Fische  und  Froschlarven"  zu  den  „Horngebilden"  ge- 
hören (S.  273).  Zur  Bildung  der  Kiemenbögen  tragen  viele  Gewebe  bei :  Binde- 
gewebe,   Knorpel,  Knochen,  Muskeln,  Nerven  und  Epithel. 


Füiifunclclreissigster  Abschnitt. 
Von  den  Respirationsorganen  der  Wirbellosen. 


§• 


350. 


Die  wirbellosen  Thiere  athmen  entweder  unmittelbar  die  Luft 
und  das  geschieht  durch  Lungen,  oder  sie  athmen  die  ans  Wasser 
gebundene    Luft    mit    Hilfe    der   Kiemen.      Andererseits    kann    aber 


384  Von  deu  Eespirationsorganen  der  Wirbellosen. 

auch  der  Athmiingsprozess  dadurch  unterhalten  werden ,  dass  Luft 
oder  Wasser  das  Innere  des  Körpers  durchströmt,  welcher  Hergang 
in  dem  einen  Falle  die  Anwesenheit  eines  luftführenden  oder  Tracheen- 
systemes  und  in  dem  anderen  Falle  das  Dasein  eines  Wasser- 
gefässsystemes  bedingt.  Vielen  niederen  Thierformen  gehen  auch 
gesonderte  Athmungswerkzeuge  vollständig  ab  und  man  muss  zur 
Aufstellung  einer  Hautrespiration  seine  Zuflucht  nehmen. 

§.  351. 

i,.,ngen.  ^ic  Lungcu  kommen  nicht  sehr  verbreitet   vor,    und   nur  eine 

Anzahl  von  Schnecken,  die  s.  g.  Pulmonaten,  haben  solche  Organe. 
Es  sind  mehr  oder  minder  geräumige  Höhlen,  gewissermaassen  Ein- 
sackungen der  äusseren  Haut  und  mit  letzterer  auch  durch  eine  Oefif- 
nung  in  unmittelbarem  Zusammenhang.  Sie  besitzen  desshalb  auch 
dieselbe  histologische  Zusammensetzung,  wie  die  äusseren  Bedeckungen 
und  weichen  nur  durch  ihren  Gefässreichthum  von  der  äusseren  Haut 
ab.  Bindesubstanz  bildet  das  Grundgewebe  der  Lunge  und  zugleich 
die  eigentliche  Haut  der  in  der  Wand  der  Lungenhöhle  verlaufenden  Ge- 
fässe,  dazu  kommen  reichliche  Muskeln,  welche  besonders  die  stärkeren 
Gefässe  belegen  und  den  Grund  liefern,  warum  die  Gefässe  für  das 
freie  Auge  selbständiger  sich  vom  Boden  der  Lungenhöhle  abheben, 
als  es  der  mikroskopischen  Untersuchung  gelingen  will,  die  histo- 
logische Lidividualisirung  der  Gefässe  nachzuweisen.  Auch  um  das 
Athemloch  herum  häufen  sich  die  Muskeln  sphinkterartig  an.  Wo 
die  äussere  Haut,  wie  bei  den  Wasserpulmonaten,  durchweg  flimmert, 
wird  auch  die  Lungenhöhle  von  dem  gleichen  Epithel  ausgekleidet, 
und  sie  hat  nach  mehren  Autoren  flimmerlose  Zellen,  wenn  die  ße- 
wiraperung  der  Cutis  nur  auf  die  Fläche  und  Seitenränder  der  Sohle 
beschränkt  bleibt ,  wie  letzteres  bei  den  Landgasteropoden  [Helix, 
Ärion,  Bulimus  z.  B.)  der  Fall  ist.  Eigentlich  aber  habe  ich  sowohl 
früher  wie  jetzt  bei  den  genannten  Schnecken  an  der  Decke  wie  am 
Boden  der  Lungenhöhle  gar  kein  Epithel  gesehen,  sondern  die  binde- 
gewebige Wand  der  cavernösen  Bluträume  zeigte  sieh  ohne  zelligen 
Ueberzug  der  Luft  ausgesetzt.  Obschon  ich  weitere  Nachprüfungen 
für  nothwendig  halte,  so  sei  doch  darauf  hingedeutet,  dass  auch  die 
atlimeudc  Darmfläche  von  Üohiti^  fossüis  denselben  Mangel  darbot 
und  dass  endlich  das  Epithel  der  Lungenbläschen  des  Menschen  gegen- 
wärtig in  Frage  gestellt  ist. 

§.  352. 

Kienen.  ^^^    Kicmcn    dcr   Echinodermen ,    Annulaten ,    Mollusken    und 

Krebse  tragen  durchweg ,  so  mannichfach  auch  die  äussere  Gestalt 
abändern  mag,  den  Charakter  von  Fortsetzungen  der  äusseren  Haut 
und  darnach  richtet  sich  ihr  feinerer  Bau.  Das  Gerüste  der  Kiemen 
ist  Bindesubstanz,   welche,   wenn    deutliche   Gefässe    im  Thiere   vor- 


Kiemen.  ^  ,      385 

handcn  sind,  wie  bei  Cephalopodon  und  Ringelwürmern,  die  rcspiriren- 
den  Geftisse  hält  oder  bei  Mangel  individualisirter  Gefässe  nur  von 
lakunalen  Bluträumen  durchbrochen  ist.  Da  bei  den  Krebsen  die 
äussere  Haut  chitinisirt,  so  theilt  auch  das  Kiemengestell  diese  Eigen- 
schaft*); selbst  in  den  blattförmigen  Kiemen  der  Muscheln,  wo  das 
Bindegewebe  meist  weich  geblieben  ist,  treten  doch  chitinisirte 
Stützen  auf,  die  ein  zierliches  Gitterwerk  bilden,  oder  es  finden 
sich  auch  knorpelige  Stäbe,  wie  ich  dergleichen  bereits  oben 
(s.  inneres  Skelet)  von  den  Kiemen  der  Amphicora  und  Serpula  er- 
wähnt habe  und  welche  auch  nach  V.  Garus  in  den  Kiemen  der 
Cephalopoden  vorkommen.  —  Die  Wandungen  der  Kiemen  bei  Echi- 
noiden  bergen,  in  Ueberelnstimmung  mit  der  äusseren  Haut,  ein  w^eit- 
maschigcs ,  gitterartiges  K  a  1  k  s  k  e  1  e  t. 

§.  353. 

Mit  Ausnahme  der  starren  Kiemen  der  Krebse  sind  sonst  die  der 
anderen  wirbellosen  Thiere  durch  Muskeln  contractil.  Ferner  liegt, 
im  Einklang  mit  der  Struktur  der  äusseren  Haut,  dem  Bindegew^ebs- 
gerüst  der  Kiemen  bei  den  Mollusken  ein  Epithel  auf,  welches  bei 
den  Cephalopoden  nicht  wimpert,  bei  den  übrigen  Weichthieren  in- 
dessen sehr  allgemein  Flimmerhaare  hat.  Im  Hinblick  auf  die  Cilien 
darf  bemerkt  werden,  dass  bei  den  Muscheln  die  Wimpern  der 
Kiemen  vielleiclit  nirgends  von  einerlei  Art  sind ,  gewöhnlich  sehen 
wir  feine  und  dicke,  borstenartige  in  bestimmter  Vertheilung  (Najaden, 
Gyclas,  Venus  u.  a.,  bei  (Ujclas  scheint  von  den  dicken  Flimmerhaaren 
immer  nur  Eines  auf  einer  Zelle  zu  sitzen);  mannichfaltiger  noch  ist 
die    Bewimperung    bei    den    Muscheln    mit    kammfiirmigen    Kiemen ; 


*)  Das  Innere  der  Kiemenfäden  ist  mir  indessen  bei  unserem  Flusskrebs  noch 
nicht  ganz  klar  geworden.  Man  gewahrt,  dass  eine  Art  zarter  Scheidewand  den 
Innenraum  in  zwei  Gänge  theilt,  von  denen  der  eine  wohl  der  arteriellen ,  der  an- 
dere der  venösen  Strömung  dient;  dann  machen  sich  aber  ferner  birnförmige  Zellen 
bemerklich,  die  in  Abständen  stehen,  das  stielförmige  Ende  gegen  die  Cuticula 
gekehrt,  wo  sich  alsdann  an  letzterer  immer  ein  seichter  Eindruck  befindet.  Im 
angeschwollenen  Theil  der  Zelle  liegt  ein  deutlicher  runder  Kern.  Diese  bini- 
förmigen  Zellen  scheinen  mir,  indem  sie  das  Lumen  der  eiwähnten  Blutbahnen 
durchsetzen,  die  Gefässräume  selber  in  gewissem  Sinne  cavernös  zu  machen,  denn  die 
„Cajjillaren  der  Kiemen'',  von  denen  man  liest,  existiren  nicht;  schärfer  sieht  man 
die  Gefässlücken  in  den  Blättern  der  Kieferfüsse,  welche  zugleich  die  Erneuerung 
des  Wassers  befördern.  Hier  spannen  sich  zwischen  den  beiden  Lamellen  des 
Kiemenblattes  einfache  oder  verästelte  Balken  durch,  welche  dem  Blutraum  eine 
areoläre  Beschaffenheit  geben.  Die  Balken  sind  Fortsetzungen  der  weichen  nicht 
chitinisirten  Hautlage  und  zeigen  Kerne,  in  einer  streifigeii  Grundsubstanz.  Sieht 
man  die  verästelten  Balken  im  scheinbaren  Querschnitt,  so  haben  sie  ein  eigcn- 
thümliches  strahliges  Aussehen ,  worüber  sich  aber  bald  durch  wechselnde  Fokal- 
cinstellung  und  Vergleichen  der  im  Profil  sich  darbietenden  Balken  das  Verstäud- 
niss  aufthut. 

I^eyilig,   Hi.stoloyie.  ^^ 


•gg'ß  Von  den   Respirationsorganen   der  Wirbellosen. 

nehmen  wir  als  Beispiel  LitJiodomus  lifhophagus ,  so  besitzt  jeder 
Faden  drei  Reihen  der  bekannten  starken  Wimpern,  die  mit  deutlich 
hackenförraiger  Beweguno-  arbeiten ;  aus  dem  freien  ,  abgerundeten 
Ende  des  Kieraenfadens  ragen  aus  diesen  Wimpern  einzelne  Cilien- 
büschel  hervor ,  welche  noch  einmal  so  lang ,  als  die  ersten  sind. 
Hinwiederum  besetzen  sich  die  eigenthümlichen  Polster  der  Kiemen- 
laden mit  äusserst  feinen  Flimmerhärchen,  und  endlich  auf  der  Bück- 
seite der  Kiemenfäden  stehen  vereinzelte,  langsam  schlagende  Wim- 
pern von  kolossaler  Grösse,  welche  die  in  drei  Reihen  gestellten  der 
Vorderfläche  um  das  6  —  7fache  an  Länge  übertreffen.  —  Die  Athem- 
röhren  der  Cyclas  scheinen  nicht  überall  zu  flimmern;  der  Slpho 
der  Venus  decussata  wimpert  weder  aussen  noch  innen  und  die 
pigmentirten  Cylinderzellen  sind  von  einer  Cuticula  überzogen.  Von 
der  äusseren  Wand  der  Siphonairöhren  von  Pliolas  meldet  auch 
Haue  och,  dass  sie  nicht  flimmern. 

Die  Kiemen  der  Seeigel  haben  ebenfalls  ein  Flimmerepithel; 
bei  den  Ringel würmern  (Capitihranchiaten)  mögen  wohl  ähnliche 
undulirende  Hautsäume,  w^ie  ich  sie  an  Ämphicora  mediterranea  be- 
obachtet habe,  öfters  die  Stelle  der  Wimperhärchen  vertreten. 

§.  354. 
Der  Athmung  mittels  Tracheen  begegnen  wir  bei  Arachni- 
den,  Insekten  und  unter  den  Krebsen  bei  den  Myriapoden. 
Die  Tracheen  sind  ihrer  Form  nach  cylindrische  oder  platte  Röhren, 
die  meist  in  vielfacher  Verzweigung,  oder  auch  ohne  sich  gerade  viel 
zu  verästeln,  theils  in  die  Organe  eintreten,  theils  sie  nur  umspinnen. 
Auch  die  s.  g.  Lungen  der  Spinnen  stellen  nichts  anderes,  als 
plattgedrückte,  fächerförmige  Tracheen  vor.  Der  Bau  zeigt  folgende 
Modiflkationen. 
•ir„.i„M.n  .lor  ])](3    gaiig    uud    o-äbc   Beschreibuno-      wonach    die    Tracheen    der 

Insekten  aus  einem  Peritonealüberzug  und  aus  einerinneren  Schleim- 
haut Ix'stchen  sollen,  zwischen  welchen  Häuten  ein  Spiralfaden  sich 
hinwinde,  kann  nicht  gutgeheissen  werden.  Anlangend  die  „Pcrito- 
nealhiillc",  so  ist  sie  eine  bindegewebige,  heUc  und  gewöhnlich 
farblose  Haut,  die  durch  das  Verwachsen  von  denselben  Zellen  ent- 
stand ,  welche  den  Fcttkör])er  bilden  und  mit  dem  sie  auch  in 
imu'gem  Zusammeidiang  bleiben.  Die  Kerne  der  Zellenerhalten  sich 
fortwährend  in  dieser  Hülle.  Älitunter  liegen  gefärbte  Kügelchen  in 
der  Haut,  gelbe  z.  B.  bei  Locusta  viridissima  ^  die,  weim  grösser 
geworden,  gelbe  Fetttropfen  darstellen;  bei  der  Raupe  von  Bphinx 
orellata  erscheint  besagte  Haut  grünlich  pigmentirt,  diuikelviolett  bis 
in  die  feineren  Verästelungen  bei  A<jrton  pitella ,  dunkelbraun  in 
manchen  Ljirven  von  Ejdietnera  etc.  Mitunter  liegt  diese  Haut  der  nächst- 
folgenden so  enge  an,  dass  sie  fast  nur  ;in  ihren  Ki'rnen  sichtbar  ist, 
so    y.     I).    ;tn    den    stärkeren    Ti'aclieen    von    Sjiliinx   pinasfri.    —    Die 


Traelieui 


317 


Fig.   200. 


A  Stück  von  einer  starken  Trachee. 
a  sog.  Peritonealüberzug ,    b  die  Intima  mit  den  reifartigen  Verdickungen. 

(Spiralfaden.) 
B  Zeigt  das  Verhältniss,    in  welchem  die  Tracheen  zum  Binde- 
gewebe  stehen, 
a  Peritonealhülle,    b  interstitielles  Bindegewebe,    c  die  Intima  der  Trachee. 

Membran,  welche  den  Tracheen  das  spezifische  Aussehen  verleiht,  ist 
eine  homogene  Chitinhaut,  das  Lumen  unmittelbar  begrenzend, 
und  welche  auch  den  s.  g.  Spiralfaden  erzeugt.  Es  ist  übrigens  ganz 
irrthümlich ,  sich  den  letzteren  als  ein  selbständiges  Gebilde  vorzu- 
stellen ,  da  er  nur  eine  nach  innen  vorspringende  Verdickung  der 
homogenen  Chitinhaut  ist,  er  liegt  daher  auch  keineswegs  „zwischen 
der  äusseren  und  inneren  Haut",  sondern  ist  innere  Haut  selber.  Von 
einer  inneren  Schleimhaut,  die  aus  Pflasterepithel  bestehen  soll,  habe 
ich  nirgends  eine  Spur  wahrgenommen,  und  wenn  selbst  der  erfahrene 
Zergliederer  der  Insekten  Stein  (Vergleichend.  Anat.  u.  Phys.  d.  Ins. 
S.  105  Anmerk.)  von  einer  „Epithelialhaut  der  Tracheen"  spricht,  auf 
der  „Stachelborsten"  vorkommen  können,  so  bemerke  ich  dazu,  dass 
die  vermeintliche  Epithelialhaut  lediglich  die  homogene  Chitinhaut  ist 
und  die  „Stachelborsten"  so  gut,  wie  der  „Spiralfaden"  nur  Auswüchse 
dieser  Haut  nach  innen  sind,  wie  ich  wenigstens  an  den  grösseren 
Tracheen  von  Lampyris  splendidula  gewahre,  wo  vielleicht  die  Borsten 
es  gewesen  sind,  welche  Petei^s  auf  die  Annahme  einer  Flimmer- 
bewegung  in  den  Tracheen  des  Leuchtkäfers  geführt  haben. 

Beim  Durchmustern  der  Tracheen  verschiedener  Insekten  gewinnt 
man  die  Belehrung,  dass  ausser  der  eigentlichen  spiralen  Verdickung 
nach  innen  und  den  Stacheln,  die  Chitinhaut  auch  noch  da  und  dort 
andere,  wenn  man  so  sagen  darf,  sekundäre  V  o  r  s  p  r  ü  n  g  e  bildet. 
In  dieser  Weise  beobachtet  man  an  den  starken  Tracheen  von  Pro- 
crustes  coriaceus  in  dem  Räume  zwischen  den  Spiraltouren  noch  kleine, 

25* 


388 


Von  den  Kespirationsorganen    der  Wirbellosen. 


zalilrciclie,  die  Spiralring-e  in  Winkel  schneidende  YorsprUng-e.  In 
den  blasigen  Erweiterungen  der  Tracheen,  denen  Manche  einen  Spiral- 
faden absprachen,  während  Andere  richtiger  auch  hier  einen  modifi- 
zirten  Spiralfaden  zugestanden ,  haben  die  Hauptverdickungen  der 
Chitinhaut  meist  einen  unregelmässig  zickzackigen  Verlauf,  aber 
zwischen  ihnen  können  abermals  so  zahlreiche  kleinere  Septen  ent- 
stehen, dass  die  Innenfläche  der  Blase  ganz  gitterartig  wird,  wie  ich 
es  z.  B.  an  den  Tracheenblasen  von  Scarabaeus  sfercorarius  finde. 
An  den  Tracheenerweiterungen  im  Kopf  der  Biene  und  anderer 
Hymcnopteren  erzeugen  die  Vorsprünge  ein  derartig  kleinmaschiges 
Netz  nach  innen ,  dass  die  Vertheilung  der  Luft  innerhalb  dieser 
Tracheenblasen  lebhaft  an  die  gleich  zu  schildernden  bandartig-platten 
Tracheen  und  s.  g.  Lungen  der  Arachniden  erinnert.  Die  Spirale 
Verdickung  erscheint  selten  pigmentirt,  so  z.  B.  dunkelbraun  bei  der 
Larve  von  Dytiscus  marginalis,  wo  die  Hauptstämme  desshalb  schon 
für  das  freie  Auge  ein  schwärzliches  Aussehen  haben. 

§.  355. 

K,>.ii  un  .  -^^®  Endigung  der  Tracheen    in    und   an  den  Organen   erfolgt 

auf  ähnliche  Weise,  wie  die  Blutgefässe  der  Wirbelthicre  an  der 
Peripherie  sich  verhalten.  Regel  ist  nämlich  die,  dass  die  verschiede- 
nen^ zu  einem  Organ  herangetretenen  Tracheen  nach  feiner  und  fein- 
ster Vertheilung  sich  zu  einem  Netz  —  den  Capillarcn  entsprechend  — 
verbinden.  Man  vermag  sich  hiervon  z.  B.  am  Darmkanal  von 
Enstalis  tenax  ein  gutes  Bild  vorzuführen.  An  der  Larve  der  Üorethra 
plumicornis  sah  ich,  wie  die  Urahüllungsmembran  der  Tracheen,  nach- 


Fig.  201. 


rracheeiililaHc  nnd   !■;  m  digii  ug  der  Tracheen   von  (Joretlir  i    pl  ii  ni  icorn  i  s. 
a  äu.ssere   lliillo    niii    dum    Pigment,    h   innere   Ifant    mit  dem   Spiralfaden,    c  die 
verästelten    Zellen ,     welche    das    eigentliclie    Ende    der    'rracheenverzwcigung 

hilden. 


Aracliolden. 


Tracheen.  889 

dem  in  der  Endverbreitung'  die  innere,  scharfconturirte  Haut  zurück 
geblieben  ist,  mit  stark  verzweigten  Zellen  in  Verbindung  stand,  deren 
Strahlen  demnach  die  eigentlichen  Enden  der  Tracheen  vorstellten. 
Die  Bildung  erinnert  sehr  an  die  Blutcapillaren  im  Schw^anze  der 
Froschlarven.  Von  Interesse  sind  auch  die  Kiemenblätter  im  Mast- 
.darm  von  Libellenlarven;  hier  steigen  die  feinen  Tracheen  zum  Rande 
der  Blätter  auf  und ,  indem  sie  mit  leichten  Schlängelungen  neben- 
einander in  dichter  Folge  verlaufen ,  sich  verästeln  und  am  Ende 
Schlingen  bilden,  erinnert  das  Bild  sehr  und  namentlich  die  Art,  wie 
die  Endschliugen  entstehen,  an  die  Kanälchen  im  Zahnbein  der  Säuger. 
In  selteneren  Fällen  endigen  gev^isse  Ausläufer  der  Tracheen  für  sich 
blind ,  so  z.  B.  in  aulfälliger  Art  die  Röhren ,  welche  bei  Syrphus 
zwischen  den  Nervenstäben  des  Auges  liegen. 

§.  356. 

Die  Luftröhren  der  Acarinen,  z.  B.  von  Ixodes,  stimmen  im  Bau  Tiacheen  der 
mit  denen  der  Insekten  überein.  Nicht  so  die  der  eigentlichen  Spin- 
nen, welche  vielmehr  Eigenthümlichkeiten  zeigen.  Es  wird  behauptet, 
die  Tracheen  der  Spinnen  seien  „spiralfaserlos";  wenn  man  jedoch 
die  grösseren  Tracheenschläuche,  welche  hinter  den  s.  g.  Lungen- 
säcken entspringen,  z.  B.  von  Segestria,  betrachtet,  so  wird  man  eine 
interessante  Modifikation  des  „Spiralfadens"  entdecken,  welche  darin 
besteht ,  dass  die  Chitinmembran  ringförmig  vorspringende  Leisten 
bildet  und  indem  dazwischen  abermals  Plättcheu  sich  erheben ,  so 
wird  dadurch  das  Lumen  der  Tracheen  etwas  areolär  und  die  Luft 
ist  nicht  als  einzige  Säule  enthalten,  sondern  fein  zertheilt.  Dasselbe 
gewahrt  man ,  doch  in  zarterer  Ausführung ,  bei  Tetragnatha  und 
andererseits  am  schärfsten  gezeichnet  und  desshalb  auch  am  ehesten 
erkennbar  bei  Argyroneta  aquatica,  wo  die  reifartigen  Vorsprünge  und 
die  Septen  dazwischen  tiefe  Becessus  für  die  Luft  bilden.  In  den  au« 
dem  Ende  der  grossen  Tracheenschläuche  büschelförmig  sich  ab- 
zweigenden kleinen  Tracheen  erscheint  die  Chitinmembran  nach  innen 
glatt  und  damit  die  Luftsäule  continuirlich.  Wiederum  sehr  beachtens- 
werth  sind  jene  platten  Tracheen,  welche  aus  einer  Querspalte  vor 
den  Spinnwarzen  ihren  Ursprung  nehmen.  Auch  bei  ihnen  ist  das 
Lumen  kein  ununterbrochen  gleichmässiges^  sondern  es  erheben  sich 
von  der  Chitinhaut  in's  Innere  zahllose  Vorsprünge ,  die  nach  dem 
Austreiben  der  Luft  und ,  von  der  Fläche  angesehen ,  als  Körnchen 
erscheinen.  Die  Lichtung  der  Trachee  wird  auf  solche  Art  in  un- 
zählige mit  einander  zusammenhängende  Areolen  zerfällt,  was  zur 
Folge  hat,  dass  die  Luft  in  diesen  Tracheen  ebenso  fein  zertheilt  ist, 
wie  in  den  „Lungenplatten''  der  Arachniden,  und  der  Mangel  solcher 
Vorsprünge  in  den  büschelförmigen  Endzweigen  verursacht  im  Gegen- 
theil  jene  continuirliche  Luftsäule,    wie  sie  hier  beobachtet  wird. 


390 


Von  den   Respirationsorganen   der  Wirbellosen. 


Fig.   JO-i. 


A 


mm 


A    Tra  eil  eenstam  m     und    sein     büschelförmiges    Zerfallen    von    der 

Wasserspinne    (Argyroneta  aquatica). 
B  Stück  eines  Tracheenstani  ines  von   Tetragnatha:   a  die  helle,  binde- 
gewebige Hülle,    b  die  Chitinhaut  mit  ihren   Vorsprüiigen  nach  innen. 
So  weit  die  schwarze  Schattirung  reicht,    ist    noch    die  Luft   zugegen, 

der  lielle  Thcil  i.st  luftleer. 

C  Stück    eines    T  räche  en  st  am  nies    von    Segestria,    um   die  eigenthüm- 

lichen  Conturen  zu  zeigen,  welche  durch  die  Vorsprünge  der  Ciiitinhaut 

nach  innen  gebildet  werden.    Bezüglich  der  hellen  und  dunklen  Partie 

gilt  die  Bemerkung  von  vorhin. 

D  Stück   einer  Trachee  von   Lycosa  saccata,  dunkel,  wo  udch  lufthaltig, 

hell,    wo  luftleer.     (Starke    Vergr.) 

§.  357. 
„Lungen"  Wcis    (Wß   s.    fi'.    L II 11  o; G 11    (Icr  Spiniicii    betrifft,    so    hat    bereits 

der    Spinnen.  •  if  Ti  •  •  T  r\ 

Leu c Kart  mit  aller  Bestimmtheit  au8gcsprochen^  dass  diese  Organe 
nichts  anderes  sind,  als  „modifiKirte  Tracheen."  Ich  sehe,  dass  der 
feinere  Bau  vollkommen  der  gleiche  ist  mit  den  zuletzt  behandelten 
bandartig-platten  Tracheen,  und  in  den  kleinen,  punktförmigen  Körn- 
chen, welche  nach  Leuckart  in  die  Chitinhaut  eingelagert  sind, 
erkenne  ich  dieselben  Fortsetzungen  der  Chitinhaut  in's  Innere,  welche 
man  in  den  platten  Tracheen  erblickt  und  in  denen  schon  der  genannte 
Forscher  mit  Recht  die  ersten  Andeutungen  der  .,Spiralftiser"  vermuthet. 


Wassergefässsysteni. 


391 


§• 


358. 


Dem  Trachcensystein  oder  luftalhmenden  Gcfässsysteni  der  Artlirc-*^"'^;^^""'"" 
poden  stellt  man  hcrkömndich  ein  wasserathmendes  Getasssystcm  der  system. 
Sjnapten,  Trematoden,  Turbellarien,  Anniilaten  und  Rota- 
torien  gegenüber.  Nehmen  wir  auf  die  Morphologie  dieses  Systemes 
im  Allgemeinen  Rücksicht,  so  besteht  es  aus  Röhren,  die  häufig  viel- 
iach  verzweigt  sind,  oder  auch  vielfach  gewunden,  bei  Ilirudineen 
kommt  selbst  (nach  Gegenbaui')  durch  die  Communikation  der  neben- 
einander laufenden  Kanäle  eine  labyrinthförmige  Bildung  zu  Stande; 
die  Röhren  münden  constant  nach  aussen  und  öffnen  sich  vielleicht 
bei  allen  den  Thieren ,  welche  eine  deutliche  Leibeshöhle  haben 
(Synapten ,  Annulaten  ,  Rotatorien)  ,  frei  in  letztere.  Die  inneren 
Mündungen  der  Kanäle  sind  häufig  erweitert  und  haben  eigene  For- 
men ,  trichterartige  bei  den  Lumbri  einen,  wie  Arabesken  oder 
Rosetten  bei  H  i  r  u  d  i  n  e  e n  ,  pantofFelförmig  bei  den  S  y  n  a  p  t  e  n, 
ähnlich  den  Trompeten  bei  manchen  Rotatorien  etc.  Bei  den 
Thieren  ohne  gesondertes  Leibescavum  (Turbellaricn)  gehen  die 
Kanalverästelungen  bis  zu  unmessbarer  Feinheit  aus,  so  dass  sich  über 
die  innere  Endigung  nichts  sagen  lässt.  Häufig  erscheint  auch  der 
Endtheil,  welcher  nach  aussen  führt,  schlauch-  oder  blasenartig  er- 
weitert (Trematoden,  manche  Hirudineen  und  Lumbricinen; 
R  ä  d  e  r  t  h  i  e  r  e). 


Fig.   203. 


A.    Die    freie  Endigiing  eines  Kaiinl.s  vom     Wfi  .sser  gef  ässsys  teiiie    in 

die   Lei  b  esli  ölile   von    »Synapta    iligitata. 

a    die    wiinpernden    füllhornartigeii    Erweiterungen. 

_B   Endigung  ein  es  Wassergefässes  in  die  Leibesiiöhle  von  Clep sine 

complanata.     (StarliC  Vergr.) 


392  Von  den  Kespiisitionsorgaiien  dev  Wirbellosen. 

§.  359. 

Der  feinere  Bau  des  Apparates  ist  folgender.  Eine  helle  Haut 
[Tunica  pi-opria)  bildet  wie  bei  anderen  Organen  das  Gestell  des 
Kanalsjstemcs.  Sie  ist  entweder  ganz  homogen  oder  hat  auch  (bei 
Sy7iapta  digitata  z.  B.)  Kernrudiniente.  An  der  inneren  Fläche  kann 
sie  Wimperorgane  tragen,  bald  in  Form  einzelner,  abstandsweise 
angebrachter  Flimmerläppchen,  so  bei  Turbellarien,  Trematoden, 
Cestoden  (bei  letzteren  zuerst  von  Virchoiv  an  Echinococcus,  dann 
von  Wo  gen  er  gesehen),  sie  gehören  nach  Wagener  nur  den  peri- 
pherischen Verzweigungen  der  Gefässe  an,  bald  ist  ein  ziemlich  aus- 
gedehnter Wimperbesatz  zugegen,  wie  man  es  bei  Lumbri einen 
und  Branchiobdella  beobachtet.  Wenn  auch  sonst  im  Kanal  die 
Flimmerung  mangelt,  so  ist  sie  doch  meist  an  den  erweiterten  Enden 
und  Ausläufern,  wodurch  die  Wassergefässe  mit  der  Leibeshöhle  zu- 
sammenhängen, vorhanden  (bei  den  eigentlichen  Blutegeln,  Htrado, 
Aidocostoma  etc. ,  sind  diese  flimmernden  OefFnungen  noch  nicht  ge- 
sehen worden).  An  diesen,  wie  vorhin  bemerkt,  eigenthümlich  ge- 
formten Mündungsstellen  sind  die  Gilien  ganz  besonders  entwickelt, 
so  am  trichterförmigen  Ende  der  Lumbr{cine7i,  dem  arabeskenförmigen 
von  Clepsine,  dem  rosettenförmigen  von  Nephelis,  der  pantoffelartigen 
der  Hynaj[)ta ,  den  s.  g.  Zitterorganen  der  Räderthiere.  Für  die 
Deutung  der  in  Rede  stehenden  Organe  ist  es  nicht  unwichtig  zu 
wissen,  dass  bei  allen  genannten  Thieren  die  Richtung  der  Flimmer- 
bewegung von  innen  nach  aussen  geht. 

Die  Strecken  des  Wasserkanales,  welche  bloss  aus  der  homogenen 
Haut  und  noch  höchstens  dem  zarten  Wimperepithel  bestehen ,  er- 
scheinen dünnwandig  und  glashell.  Sehr  häufig  indessen  nimmt  der 
Abschnitt  des  Kanales,  welcher  sich  der  iVusmündung  an  der  Körper- 
oberfläche nähert,  eine  andere  Beschaffenheit  an,  indem  seine  Wände 
beträchtlich  dick  werden  und  ein  drüsiges  Aussehen  gewinnen  (Regen- 
wurm z.  B.).  Die  Dickenzunahme  kommt  auf  Rechnung  von  grossen 
Zellen,  welche  das  Lumen  begrenzen,  so  dass  denmach  die  Membran 
der  Zellen  die  Wand  des  Kanah^s  formt.  Die  Zellen  besitzen  einen 
feinkörnigen  Lihalt ,  sind  bei  auflallendem  Licht  gelbröthUch  oder 
bräunücli,  bei  durchfallendem  dunkel,  und  es  sitzen  ihnen  beim  Regen- 
wurm lange  Gilien  auf.  Bei  vielen  Räder  thieren  sind  die  Wände 
der  Röhren  oft  In  grosser  Ausdehnung  von  solchen  Zellen  gebildet, 
die  ausser  dem  feingraindären  Inhalt  hin  und  wieder  auch  Feltpünkt- 
clicii  enthalten.  Dass  diese  Zellen  als  Sekretionsorganc;  aufzufassen 
sind,  dafür  spricht,  dass  bei  Txibifex  rivulorum  ein  Büschel  wirklicher 
einzelliger  I)riisen  lilcr  dem  Kanal  aufsitzt.  Zu  den  genannten  Ge- 
weben können  noch  Muskeln  hinzukonnnen,  und  zwar  zumeist  an 
dem  blasen-  oder  schhiuchartlg  erweiterten  Endabschnitt,  bei  Nephelis, 
dem  Regenwurm,  den  Rädert  liieren,  wahrscheinlich  auch  den 
Cestoden,  wo  sich  ebenfalls   eine  contractile  Blase  findet  (dicTur- 


Wassergefässsystem. 


393 


bellarien   sind   ohne  diese  Blase).     Bei  Haennris  (wie  Geg enhaur 
mittheilt)    äussern    auch    die    Knäuel    der   Kanäle    ein    sehr   lebhaftes 


Contractionsverraögen. 


\ 


Fig.  304. 


A     Stück     eines    Wasserk  anales    von     Haemopis. 

a  das  Lumen,  b  die  Zellen,  welche  dasselbe  umgeben. 

B    Knäuel    eines    Wass  e  r  k  an  al  e  s    von    Notommata    centrura. 

a  die  flimmernden  freien  Endigungen  in  die  Leibeshöhle. 


§.  360. 

In  neuerer  Zeit  ist  uns  durch  die  Untersuchungen  von  E.  Mecl^el, 
van  Beneden  und  Aubert  die   interessante  Aufklärung  geworden, 
dass   bei  den  Trematoden  die  s.  g.  Respirations-  oder  Wasserkanäle, 
d.  h.  jene  wasserhellen,  starren,   mit  Wimperläppchen  versehenen  und 
verzweigten  Gefässe,    und  die  s.  g.  Excretionsorgane,    d.  h.  jene  mit 
Fetttröpfchen  oder  Kalkkörperchen  angefüllten,  contractilen  Schläuche, 
hinten    mit   einer   Oeffnung  ausmündend,    in  direkter  Verbindung 
stehen  und  als  Ein  System    zu  betrachten    sind.     Man  darf  in 
dieser  Vereinfachung  einen  Avahren  Fortschritt  unserer  morphologischen 
Auffassungen  erblicken,    denn  es  ist  doch  gar  nicht  abzulehnen,    dass 
in  dem  vorderen  wasserhellen  Abschnitt,  den  bisherigen  Wassergefässen, 
das  Analogen  der  wasserhellen  Kanäle  der  Ringelwürmer  vorhegt, 
während  in  dem  unteren,   sich  nach  aussen  öffnenden  Abschnitt,    der 
häufig  ganz  mit   Absonderungsprodukten   angefüllt  ist   und  bisher  als 
Excretionsorgan  galt,    das  Aequivalent  des  drüsigen  Theiles  der  An- 
nulaten  sich  kund  giebt. 

Auch  die  inneren  „baumförmigen  Kiemen"  der  Holothurien, 
welche  ein  Flimmerepithel  haben  und  contractu  sind ,  mögen  als 
Analoga  der  vorhergegangenen  Kanalsysteme  betrachtet  werden,  ob- 
wohl hierüber  erst  genauere  Untersuchungen  abzuwarten  sind.  (Doch 
kann  ich  nicht  umhin,  schon  jetzt  die  Vermuthung  zu  äussern,  dass 
„der  Lungenbaum"  der  Holothurien  den  s.  g.  Respirationskanälen  ent- 


394  ^'f>"   t^en   'ßespirationsorganen   der  Wirbellosen. 

sprechen  mag,  während  jene  „ eigen thiimHchen  drüsigen  Anhänge  am 
Stamm  des  Lungenbaumes",  welche  ( 'u  vier  zuerst  gesehen,  aber  irrthüm- 
lich  den  männlichen  Geschlechtstheilen  verglichen  hat,  dem  „Excretions- 
organ",  resp.  Nieren,  gleich  zu  halten  wären.  Joh.  Müller  hat  die 
fraglichen  drüsigen  Schläuche  nach  ihren  verschiedenen  Formen  näher 
bestimmt  [üb.  d.  Bau  der  Echinodermen  S.  87],  ohne  seine  Meinung 
über  ihre  Funktion  kundzugeben  ,  er  nennt  sie  Cuvier'sche  Organe. 
Jäger  hatte  sie  schon  1833  den  Nieren  parallel  gestellt.) 

§.  361. 

Das  beschriebene  Kanalsystem  kann  aber  gewiss  nicht  in  aus- 
schliesslichem Sinne  ein  respiratorisches  genannt  werden;  spricht  doch 
schon  die  constant  von  innen  nach  aussen  gewendete  Flimmerrichtung 
gegen  die  Ansicht ,  dass  Wasser  von  aussen  nach  innen  eingeführt 
werden  soll,  vielmehr  w^eist  Manches  darauf  hin,  dass  die  ganze  Vor- 
richtung dazu  da  sei ,  um  Flüssigkeit  aus  der  Leibeshöhle  oder  dem 
Körperparenchym  nach  aussen  treten  zu  lassen.  Bringt  man  nun  in 
Berücksichtigung,  dass  die  Wände  des  Kanalsystemes  ganz  oder  eine 
Strecke  lang  aus  grossen  secernirenden  Zellen  besteht,  auch  wohl  (bei 
Trematoden)  der  Endabschnitt  mit  festen  Ausscheidungssubstanzen 
angefüllt  sein  kann,  so  wird  man  die  sekretorische  Thätigkeit 
der  betreffenden  Organe  als  ihre  vornehmste  Leistung  ansprechen 
dürfen ,  und  forscht  man  weiter  nach  der  Natur  des  Sekretes ,  so 
machen  es  gar  manche  Erscheinungen  wahrscheinlich,  dass  man  es 
hier  mit  einer  Harnabsonderung  zu  thun  habe. 

Mir  däuclit,  als  ob  der  eigentliche  Respirationsakt  bei  den  ge- 
nannten Thiergruppen  darin  zu  suchen  sei,  dass  durch  feine  (Poren-) 
Kanäle  der  Haut  Wasser  von  aussen  nach  innen  dringt  und  sich  der 
Blutflüssigkeit  beimischt.  (Die  Aufnahme  von  Wasser  in's  Innere  des 
Körpers  haben  schon  in  früherer  Zeit  Delle  Chiaje  von  Hahjoüs, 
Buccinum,  Nerita,  v.  Bär  an  U^iio  und  Anoilonta  gezeigt.)  Bei  den 
obigen  Thieren  sind  zwar  die  Hautkanäle  noch  nicht  nachgewiesen 
oder  aufgesucht  worden,  aber  bei  einer  Muschel  (Cyclas  cornea)  habe 
ich  sie  mit  aller  Klarheit  gesehen.  Und  so  möchte  ich  bezüglich  des 
Wassereinströmens  und  dem  Wiederabscheiden  des  untauglich  Ge- 
wordenen eine  Uebereinstimmung  zwischen  Würmern  und  i\lolluskcn 
in  der  Alt  vcrmuthen,  dass  bei  den  Würmern  durch  die  Porenkanäle 
der  Haut  das  Wasser  in's  Leibesparenchym  einsickert  iiiul  durch  die 
als  Haniorgane  gedeuteten  Röhren  wieder  den  Körper  verlässt,  und 
dass  ebenso  bei  den  Mollusken  das  durch  die  Haut  eingetretene 
Wasser,  nachdem  es  sich  dem  Blute  zugemengt  und  den  Körper  durch- 
kreist hat,  abermals  durch  die  hier  lebhaft  contractile  Niere  sich  ent- 
leert. Dieser  Theorie  steht  aber  bezüglich  der  Mollusken  vorläuhg 
eine  Wahrnehmung  Geg enhaurs  im  Wege,  nach  welcher  bei  den 
Pteropodcn  und  Hetcr  upodcu  das  Wasser  umgekehrt  durch  wirk- 


Wassergefässsystem.  395 

liehe  Schlirckbewegungen  der  Niere  von  aussen  nach  innen  aufge- 
nommen wird.  Bestätigt  sich  solches,  so  nimmt,  was  a  priori  freilich 
etwas  seltsam  klingt,  bei  den  Mollusken  das  den  Leib  durchströmende 
Wasser  gerade  den  umgekehrten  Weg,  wie  bei  den  Würmern.  Hier 
tritt  es  durch  die  Porenkanäle  der  Haut  ein  und  verlässt  unter  Ab- 
scheidung des  Harns  den  Körper,  dort  dringt  es  durch  die  Nieren 
ein  und  strömt  durch  die  Porenkanäle  aus.  Jedenfalls  fordert  der  hier 
dargelegte  Standpunkt  dieser  Frage  zu  Untersuchungen  auf,  die  speziell 
darauf  ausgingen,  um  die  Sache  zum  Abschluss  zu  bringen. 

§.  362. 

In  die  Klasse  des  eben  abgehandelten  Systemes  scheinen  mir 
auch  die  s.  g.  contra  etilen  Blasen  der  Infusorien  zu  gehören. 
0.  Schmidt  hat  zuerst  diese  Ansicht  aufgestellt  und  vertheidigt  sie 
jetzt  noch  :  nach  ihm  mündet  bei  Bursaria  leucas  und  Paramaecium 
aureliCb  die  Blase  nach  aussen.  Von  dem  contractilen  Organ  weg  er- 
strecken sich  zahlreiche  Ausstrahlungen.  An  Vorticellinen  glaube  ich 
ebenfalls  gesehen  zu  haben,  dass  die  Blase  nach  aussen  führt,  und 
zwar  in  die  Vertiefung,  in  welcher  Mund  und  After  liegt.  Ich  möchte 
ebenso,  wie  0.  Schmidt  auf  die  Aehnlichkeit  dieser  Organe  der 
Infusorien  mit  dem  s.  g.  Wassergefässsystem  der  Rotatorien,  Tur- 
bellarien  etc.  Gewicht  legen,  und  da,  wie  vorhin  erläutert  wurde, 
dieses  s.  g.  Wassergefässsystem  mehr  der  Excretion  dient,  so  wäre 
ich  geneigt,  auch  der  contractilen  Blase  der  Infusorien  eine  verwandte 
Funktion  zuzuschreiben.  Zwar  sind  genaue  Forscher,  Clarapede, 
Lachmann,  Lieherkühn,  sehr  entschieden  dafür,  dass  die  frag- 
lichen Organe  der  Infusorien  ein  Blutgetasssystem  und  die  contractilen 
Blasen  herzartige  Theile  seien  (auch  Pouch  et  hatte  schon  früher 
dieselbe  Meinung  ausgesprochen),  allein  wenn  wir  zunächst  von  der 
Frage  absehen  wollen,  ob  die  Blasen  nach  aussen  münden  oder  nicht, 
dürfte  doch  nicht  ausser  Acht  zu  lassen  sein,  dass  in  der  Reihe  der 
niederen  Thiere  eher  ein  Organ  vorhanden  sich  zeigt,  welches  der 
Excretion  vorsteht,  als  ein  Blutgefässsystem  und  Herzen,  in  welcher 
Beziehung  man  z.  B.  der  Strudelwürmer,  Trematoden  und  Cestoden 
gedenken  möge.  Die  detaillirten  Mittheilungen  übrigens,  welche  z.  B. 
Lieberkühn  (Müll.  Arch.  1856)  über  dieses  „Gefässsystem'^  von 
Bursaria  flava  und  B.  vorticella  gicbt,  stimmen  so  mit  den  Erschei- 
nungen am  Excretionsorgan  der  Rotatorien  überein,  dass  sie',  anstatt 
die  Richtigkeit  der  Deutung  als  Getässsystem  zu  sichern,  meine  gegen- 
theilige  Meinung  mir  noch  wahrscheinlicher  machen,  namentlich,  was 
er  über  den  feineren  Bau  der  Kanäle  von  Bursaria  flava  sagt  und 
über  die  Weise  der  Füllung  und  Entleerung  der  Kanäle  und  der  Blase 
von  Bursaria  vorticella. 

Ueberhaupt:  unsere  Darstellungen  über  die  Respirationsorgane 
der  Wirbellosen  enthalten  noch  manch  Traditionelles,   was  wohl  mit 


396  Von  den  Re.s^iirationsorganen   der  Wii-bellosen. 

der  Zeit  getilgt  werden  miiss.  Die  s.  g.  Kiemen  der  Gasteropoden 
und  Bivalven  z.  B,  scheinen  mir  eine  untergeordnete  Bedeutung  für 
die  Respiration  zu  haben,  die  äussere  Haut  ist  ^Yahrscheinhch  bei  diesen 
Thieren  von  demselben  Belang  für  die  Athmung,  wie  die  Kiemen. 
Was  ich  an  jungen  Thieren  von  Cyclas  über  den  Kreislauf  be- 
obachtete ;  vermehrt  meine  Zweifel.  Es  ist  mir  nämlich  nie  ge- 
lungen ,  obwohl  ich  wiederholt  an  vielen  Individuen  meine  Aufmerk- 
samkeit hierauf  lenkte  ,  Bhitkügelchen  in  die  „Kiemen"  eintreten  zu 
sehen,  was  doch  und  sogar  in  reichem  Maass  geschehen  müsste,  wenn 
hier  das  Blut  vorzugsweise  athmete.  Während  im  übrigen  Körper 
und  auch  im  Mantel  die  Bhitkügelchen  herumgetrieben  wurden,  war 
ich  nie  so  glücklich,  irgend  einmal  ein  Biutkügelchen  in  den  betreiFen- 
den  Organen  zu  erblicken.  Es  darf  auch  wohl  daran  erinnert  werden, 
dass  einer  der  ausgezeichnetsten  Zootomen,  Boj anus ^  schon  vor 
langer  Zeit  bei  den  Najaden  die  Bedeutung  der  „Kiemen"  als  Respi- 
rationswerkzeuge  in  Abrede  gestellt  hat.  Bei  manchen  Mollusken 
fehlen  sogar  die  Kiemen,  so  z.  B.  bei  Cleodora  und  Creseis  nach 
Oegenhaur. 

Nicht  bloss  die  äussere  Haut,  sondern  auch  die  Darminnenfläche 
scheint  sich  bei  Mollusken  an  der  Respiration  zu  betheiligen,  wie  man 
wenigstens  gewisse  Beobachtungen  Qegenhaur  s  auslegen  könnte. 
Dieser  Forscher  sah  nicht  nur  bei  allen  Pteropoden  und  Heteropoden, 
sondern  auch  bei  vielen  Gasteropoden  aus  der  Ordnung  der  Nudi- 
branchiaten  ,  dass  die  Elimmerströmung  im  Darm  vom  After  gegen 
den  Magen  zurückgeht;  dazu  kommt,  dass  der  After  häufig,  oft  sogar 
rhythmisch  sich  öffnet  und  schliesst,  „welche  Bewegungen  mit  Schluck- 
versuchen die  grösste  Aehnlichkeit  besitzen.  An  jede  dieser  Be- 
wegungen schliesst  sich  eine  peristaltische,  deren  Undulationen ,  je 
weiter  gegen  den  Magen  sie  fortschreiten,  um  so  schwächer  werden. 
Das  Oeffnen  des  A)ius  erfolgt  ganz  unabhängig  von  der  Entleerung 
von  Fäkalstoffen,  und  sehr  oft  sieht  man  auch  die  Analöftnung  weit 
ausgedehnt.  Hiebei,  sowie  bei  dem  rhythmischen  Oeffnen  des  Afters 
strömt  jedesmal  eine  Quantität  Wasser  in  den  Darm,  welche  theils 
durch  die  Cilien,  theils  durch  die  peristaltischcn  Bewegungen  weiter 
fortgeleitet  wird,  so  dass  ein  continuirlicher  Wasserstrom  die  ganze 
Länge  des  Darms  bis  in  die  Nähe  des  Magens  durchströmt."  Es  ist 
Wülil  kaum  etwas  Ungereimtes,  wenn  man  diese  „Darmbewässerung" 
zunächst  niif  dem  Respirationsvorgang  in  Zusammenhang  bringt.  Das 
Pliänomen  scheint  übrigens  bei  Wasserthieren  verbreiteter  zu  sein, 
denn  auch  Lerehoullet  beobachtete  bei  jungen  Flusskrebsen,  ferner  bei 
Limnadia  und  Doplmia  ein  regelmässiges  Oeffnen  und  Schliessen  der 
Analklappen  und  sah  im  Wasser  suspcndirte  Farbstttflpartikel  regel- 
mässig durch  dieselben  ein-  und  austreten.  Bei  Astacus  zählte  er 
15 — 17,  bei  Limnadia  25,  ;^0  —  40,  bei  Vophiria  40  solchei-  Aspira- 
tionen in  der  Mimite.   (Vergl.  Carus,  Jahresb.  in  d.  Zootonn'e  I.  S.  22.) 


Darniatliimiiig.  397 

Endlich  ist  schon  lange  auf  die  Dannatlimung  der  Libcllcnlarven  hin- 
gewiesen worden,  wo  die  Kiemen  mit  dem  Mastdarm  in  Verbindung 
stehen  und  das  die  Athmung  vermittelnde  Wasser  durch  Contractionen 
des  Hinterleibes  rhythmisch  aus-  und  einströmt. 

An  den  Kiemendeckeln  verschiedene!'  Onisciden  fallen  kreideweise 
Flecke  auf,  was  von  feinzertheilter  Luft  in  ihnen  herrührt.  Die  Luftgänge  bilden 
ein  ähnliches  engmaschiges  Netz,  wie  die  Capillaren  in  den  Lungen  der  Wirbel- 
thiere ;  mau  kann  die  Luft  leicht  austreiben,  worauf  die  Luftgefässe  als  polygonale 
helle  Gänge  in  der  Haut  des  Organes  zurückbleiben.  Auf  der  Unterseite  glaube 
ich  eine  grössere  Oeft'nung  zu  sehen,  die  zum  Einlassen  der  Luft  dienen  könnte. 

Ueber  die  histologische  Beschaffenheit  der  Kiemenblätter  von  Asellus  aquati- 
cus  s.  Müll.  Arch.   1855  S.  458. 

Die  Epithelzellen  an  den  Kiemen  der  Paludina  vivipara  sind  nicht  von  einer- 
lei Art,  indem  die  einen  sich  durch  besonderen  Inhalt  auszeichnen,  siehe  Zeitschr. 
f.  wiss.  Zool.  Bd.  IL 

Ueber  den  Bau  der  Tracheen  der  Insekten  und  Spinnen  s.  Leydig  in 
Müll.  Arch.  1855  S.  458;  auch  schon  andere  Forscher  sind  bezüglich  des  soge- 
nannten iSpiralfadeus  zu  ähnlichen  Resultaten  gelangt  wie  ich.  So  sagt  H.  Meyer 
(Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  1849  S.  181),  dass  er  die  Ansicht  gewonnen  habe,  der 
Spiralfaden  sei  nicht  als  solcheV  abgelagert,  sondern  stelle  ursprünglich  eine  homo- 
gene Membran  dar  und  diese  spalte  sich  erst  nach  geschehenem  Lufteintritt  in 
den  Spiralfaden.  Die  Unrichtigkeit  der  letzteren  Angabe  springt  jedoch  in  die 
Augen,  wenn  man  von  starken  Tracheen  eines  grossen  Käfers  (z.  B.  von  Procrustes 
coriaceus)  die  sog.  Intima  ins  Auge  fasst.  Man  stelle  dabei  den  Fokus  auf  den 
äusseren  Eand  der  homogenen  Chitiuhaut  ein  und  man  wird  wahrnehmen,  dass  sie 
keineswegs  unterbrochen  ist,  was  doch  der  Fall  sein  müsste,  wenn  sie,  wie  Äleyer 
will ,  gewissermaassen  reifartig  zersprungen  wäre ,  im  Gegentheil  ihre  äussere  Con- 
tur  geht  continuirlich  fort  und  die  innere  erhebt  sich  in  Abständen  nach  innen, 
d.  h.  springt  spiralig  vor.  Auch  Leuckart,  der  den  Spiralfaden  noch  zwischen 
zwei  Häuten  eingeschlossen  sein  lässt,  spricht  doch  aus,  dass  auch  da,  wo  er  ana- 
tomisch selbständig  auftritt,  er  nur  eine  entwickelte  (freilich  sagt  er  „äussere") 
Schicht  des  Tracheenskelets  darstelle.  Endlich ,  wie  ich  nachträglich  erfahre,  hat 
auch  schon  Dujardin  sich  dahin  erklärt,  dass  der  Spiralfaden  von  der  Innenhaut 
der  Tracheen  nicht  zu  trennen  sei,  „er  ist  nur  das  Resultat  einer  Verdickung  der- 
selben" (Compt.  rend.  T.  28,  1849).  Auch  führt  Dujardin  mehre  Insekten  auf, 
bei  denen  er  Haare  im  Innern  der  Tracheen  fand.  Daneben  hat  freilich  auch  die- 
ser Autor  die  irrige  Angabe,  dass  die  äussere  Haut  der  Tracheen  „homogene  Sar- 
code" sei.  —  Gute  Abbildungen  über  die  Stigmata  von  Alusca  vomitoria  und 
Bombus  terrestris  siehe  bei  Bishop  in  der  Cycl.  of  anat.  and  phys.  Vol.  IV. 
Art.  Voice. 

Zu  dem  sog.  Wass  er  gef  ässsyste  m  sei  angemerkt,  dass  ich  bei  Piscicola 
in  der  Haut  ungefähr  auf  halber  Länge  des  Körpers,  unter  dem  contractilen  Blut- 
gefäss, eine  OefFnung  erblickte,  die  sich  rhythmisch  öffnet  und  schliesst,  und  viel- 
leicht zu  dem  fraglichen  System  gehört.  —  Es  wurden  oben  die  sog.  Wassergefässe 
und  die  Excretionsorgane  der  Trematoden  u.  a.  als  zusammengehörig  betrachtet, 
obschon  sich  ein  sehr  genauer  Beobachter,  M.  Schnitze,  lebhaft  gegen  eine  solche 
Auffassung  erklärt  hat  (Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  1853  S.  188).  Schnitze  will  die 
beiden  Organe  scharf  geschieden  haben ,  scheint  mir  aber  diessmal  im  Unrecht  zu 
zu  sein,  wie  namentlich  aus  den  Mittheilungen  Auberfs  hervorgeht.  —  Auf  die 
excretorische  Thätigkeit  der  sog.  Wassergefässe  dünken  mir  auch  die  Angaben 
Schmarda^s    über    die    Anatomie    der    Bonellia    hinzuweisen.      Bei    diesem    Thier 


398  Vom  Gefässsystem  des  Menschen. 

seien  die  den  Holothurienkiemen  entsprechenden  Organe  von  brauner  Farbe,  wo- 
bei ich  mir  eben  die  Frage  erlauben  möchte,  ob  nicht  die  „Pigmentkörnchen" 
Harnconcremente  wären?  Es  Hesse  sich  dann  noch  mehr  rechtfertigen,  wenn  diese 
Organe  hierher  gestellt  werden.  —  An  der'  neuen  riesengrossen  Egelart  aus  Bra- 
silien ,  die  de  Filipjii  unter  dem  Namsn  Ilaementeria  bekannt  gemacht  hat,  be- 
schreibt er  vier  paar  ansehnliche  Gefässknäuel ,  die  Seitendrüsen  vertretend,  und 
deutet  sie  als  Nieren,    was  dann  mit  der  jetzigen  Auffassung  zusammenfiele. 


Sechsimddreissigster  Abschnitt. 
Vom    Gefässsystem    des    Menschen. 

§.  363. 
Zum  Gefässsystem  gehören   die  Blut-  und  Lympligefässe,    als 
deren    Mittelpunkt   das  Herz  zu   betrachten  ist.     Besondere  Anhangs- 
gebilde des  Gefässsystemes  sind  die  Milz,  die  Thymus  und  die  Lymph- 
drüsen. 

§.   364. 
we^y..  Das   Herz    und    die   grossen    Gefässstämme    sind  In  ihrer  ersten 

Anlage  solide  Zellenmassen  des  mittleren  Keimblattes^  die  sich  in  der 
Art  weiter  umgestalten,  dass  die  zu  innerst  gelegenen  Zellen  J^lut- 
oder  Lymphkügelchen  werden,  während  die  Rindenzellen  die  Wände 
bilden.  Die  Capillaren  möchte  ich  für  weiter  entwickelte  Bindegewebs- 
körperchen  halten  und  es  scheint,  als  ob  auch  die  feineren  Arterien 
und  Venen  ihren  nächsten  Ursprung  von  denselben  J^ildungen  nehmen. 

Die  Hauptmasse  des  Herzens  ist  quergestreifte  Muskel- 
substanz, deren  Elemente  sich  von  den  Stainnunuskeln  durch  folgende 
Punkte  unterscheiden:  1)  zeigen  die  s.  g.  Primitivbündel  ein  gewisses 
gekörneltes,  dunkleres  Aussehen  und  haben  einen  geringeren  Breiten- 
durchmesser, als  die  willkürlichen  Muskeln;  2)  die  s.  g.  Primitiv- 
bündel thcilen  sich  häufig  und  anastomosiren  untereinander,  und  3)  das 
Bindegewebe,  welches  in  den  Stammmuskeln  als  Perviiysium  internum 
die  Primitivbündel  in  Gruppen  vereinigt  und  scheidet ,  ist  hier  im 
Herzen  auf  ein  Minimum  beschränkt,  und  selbst  das  Sarcolennna  der 
Primitivbündel  kann  mitunter  erst  dui'ch  lieagenticn  sichtbar  gemacht 
werden.  Dieser  fast  gänzliche  Mangel  von  Bindegewebe  verleiht  der 
Herzmuskulatur  den  bekannten  hohen  Grad  von  Festigkeit.  Nur  an 
der  Aussen-  und  InnenHäche  der  Herzwandungen  verdichtet  sich  das 
Jündegewebc  zu  Membianen  ,  welche  die  deseriptive  Anatomie  als 
viscerales  Blatt  des  Herzbeutels   und  als  Endocardhim  unterscheidet. 


Hlutgefässe.  399 

§.  365. 

Die  GruiuUagc  des  Pericardiums  ist  BindcgX'webe  mit  elastischen 
Netzen  und  auf  der  freien  Seite  ruht  ein  einfaches  PlattenepitheL 
An  den  Rändern  der  Herzohren  verlängert  sich  die  Serosa  in  zotten- 
artige Fortsätze  (Luschka).  Auch  das  Endocardium  oder  die 
Haut,  welche  die  innere  Herzoberfläche  überzieht;  besteht  aus  Binde- 
gewebe ,  dessen  elastische  Elemente  nach  der  freien  Fläche  zu  so 
zahlreich  werden ,  dass  sie  fast  eine  eigene  elastische  Schicht  er- 
zeugen. Darüber  liegt  ein  dünnes  Epithel;  die  Klappen  im  Herzen 
sind  aus  Bindegewebe,  elastischen  Fasern  und  Epithel  gebildet,  er- 
scheinen also  auch  histologisch  nur  als  Verdickungen  des  Endocardiums. 

Die  Blutgefässe  der  Herzmuskulatur  verästeln  sich  wie  bei 
anderen  quergestreiften  Muskeln,  indem  sie  mit  länglichen,  der  Dicke 
der  Primitivbündel  entsprechenden  Maschen  letztere  umspinnen.  Im 
Endocardium,  halten  sie  sich  meist  nur  innerhalb  der  eigentlichen  Binde- 
gewebslage,  in  die  Atrioventrikularklappen  treten  die  meisten  Gefässe 
vom  angewachsenen  Rande  aus  in's  Innere  der  Klappe,  andere  ge- 
langen diXxvQh  d\Q  Ghordae  tendineae  dahm  (Luschka)]  die  Semilunar- 
klappen  wurden  bisher  für  gefässlos  erklärt,  indessen  hat  der  eben 
genannte  Autor  (Arch.  f.  phys.  Heilkunde  1856)  gezeigt,  dass  beim 
Menschen  und  beim  Schwein  .eine  bedeutende  Anzahl  von  Gefässchen 
von  allen  Punkten  des  angewachsenen  Randes  aus  zwischen  den  beiden 
Klappenblättern  unter  vielfacher  Yerästigung  und  reichlicher  Anasto- 
mosirung  aufwärts  steigen.  Auch  im  Pericardium  bildet  das  Gefäss- 
netz,    wie  in  anderen  serösen  Häuten,    grosse,  nicht  dichte  Maschen. 

Bezüglich  der  Herznerven  ist  zu  beachten,  dass  sie  selbst  mitten 
in  der  Muskulatur  zu  Ganglien  anschwellen  (Remak). 

§.  366. 

Die   peripherischen  Blutgefässe    theilt   man    hergebrachter  BiutKcdi.xe 
Weise  ab  in  die  Pulsadern  oder  Arterien,  in  die  Blutadern  oder  Venen 
und  in  die  Haargefässe  oder  Capillaren. 

Das  Grundgewebe  der  Blutgefässe  ist  die  Bi  n des ubs tanz  mit 
Einschluss  des  elastischen  Gewebes,  und  es  g-iebt  einige  Gefäss- 
formen,  die  einzig  und  allein  daraus  bestehen,  wie  z.  B.  die  Blut- 
behälter (Sinus  venosi)  der  harten  Hirnhaut,  die  Venae  diploeticae,  die 
weiten  blutführenden  Kanäle  der  Placenta  materna  u.  a. 

Gewöhnlich  aber  sind  in  diese  Gewebe  Muskeln  eingeflochten 
und  die  Gefässe  werden  dadurch  contractil.  Die  iimere  Fläche  hat 
(ob  an  allen  Orten?)  noch  ein  zartes  Epithel.  Es  bilden  nun  die 
Gewebe ,  welche  die  Wandungen  der  Gefässe  constituiren ,  mehre 
Schichten,  welche  seit  alter  Zeit  als  Innenhaut,  als  mittlere  Haut  und 
als  äussere  Haut  unterschieden  werden.  Man  ist  zwar  eine  Zeitlang 
der  Darstellung  Henles  von  sechs  Häuten  der  Gefässwände  gefolgt, 
aber  jetzt  wohl  allgemein  zu  der  natürlichen  früheren  Annahme  dreier 


400 


Vom  Gefässsystem  des-  Menschen. 


Häute  zurückgekelirt.  Alle  Beobachter  haben  ferner,  was  ebenfalls 
noch  vorausbemerkt  werden  soll,  die  Erfahrung  gemacht,  dass  die  ein- 
zelnen Schichten  der  Gefässhäute  nicht  bloss  an  Gefässen  verschiede- 
nen Kalibers  bei  einem  und  demselben  Individuum ,  sondern  auch 
bei  verschiedenen  Individuen   desselben  Alters  Abänderungen  zeigen, 

Fig.  205. 


ff. 


tj  c  h  e  ni  a    A    von  einer  Arterie,    B    von  einer   Vene, 
a  homogene   Intini.i  mit  dem  Epithel   b,    c  muskulöse  Media,  d  bindegewebige 

Adventitia. 

§.  367.  ' 
Um  mit  der  Innenhaut,  Tunica  intima,  zu  beginnen,  so  richtet 
sich  dieselbe  in  ihrer  Stärke,  obgleich  immer  im  Dickendurchmesser 
der  mittleren  Gefässhaut  nachstehend,  nachdem  Umfang  der  Gefässe; 
in  den  kleinen  Arterien  und  Venen  hat  sie  zur  Grundlage  eine 
homogene,  elastische  Haut  mit  netzstreihger  Zeichnung,  welche  nach 
Rem  ah  der  Ausdruck  feiner  Spältchcn  ist.  Ihi-  liegt  nach  innen  das 
Gefässepithel  auf,  dessen  längliche  Zellen  sehr  platt  sind,  auch  wohl 
untereinander  zu  einer  strid^turlosen  Haut  verschmelzen.  Die  ehasti- 
sche  Grundlage  giebt  der  Intima  das  weissliche  Aussehen.  In  den 
stärkeren  Gefässen  verdickt  sich  die  elastische  Haut  durch  ebenfalls 
elastische  Schichten  oder  Lamellen,  die  entweder  rein  homogen  oder 
Jängssti-eifig  sind  ,  bei  den  stärksten  Arterien  auch  häufig  von  zahl- 
i'eichen  Löchern  durchbrochen  werden  und  dann  (h-n  Namen  ge- 
fensterte  Häute  tragen.  Ninnnt  die  Zahl  der  Lücken  sehr  zu.  so 
ändert  sich  notliwendig  das  Bild  einer  gcfensterten  Membran  in  das 
einer  elastischen  Netzhaut  um.  Selbst  in  den  grössten  Venen  bleibt 
die  Intima  in  ihrei-  Lntwickhmg  hinter  den  starken  Arterien  zurück. 
Aus  dem  Mitgctheilten  erhellt,  dass  die  Intima  der  Gefässe  haupt- 
sächlich bindegewebiger  Natur  ist,  und  seltener  konunt  es  vor,  dass 
schon  in  sie,  wie  man  es  an  der  Intima  der  Arteria  axillaris  und 
A.  poplitaea  beobachtet  hat,  glatte  Muskeln  eingeflochten  sind.  Die 
Venen  des  schwangeren  Uterus  zeigen  allerdings  aui'h  in  ihrer  Intima 
eine  sehr  entwickelte  glatte  Muskulatur  auf. 


Blutgefässe.  401 

§.  368. 
Die  mittlere  oder  Ringtaserhaut,  Tunica  media,  ist  bei  den 
Arterien  die  stärkste  Lage,  in  den  Venen  erscheint  sie  schwächer 
entwickelt  und  ist  hier  meist  dünner,  als  die  äussere  Gefässhaut.  Für 
das  freie  Auge  hat  sie  bei  Venen  und  Arterien  von  mittlerer  Dicke 
eine  grauröthliche,  bei  den  starken  Arterien  eine  gelbe  Farbe.  Diese 
mittlere  Gefässhaut  ist  vorzugsw^eise  muskulös,  in  den  kleinen  Arterien 
besteht  sie  fast  lediglich  aus  Muskeln.  (In  den  feinsten  Arterien  des 
Gehirns,  Rückenmarkes  und  Markgewebes  der  Knochen,  welche  in 
die  Capillaren  übergehen,  von  Andern  auch  schon  Capillaren  genannt 
werden,  ist  die  Muskulatur  nach  Rohin  spärlicher,  als  an  den  übrigen 
Theilen.)  Die  Muskeln  der  Tunica  media  sind  glatte,  nicht  besonders 
lange,  an  den  kleinsten  Gefässen  sogar  kurze  Fasern,  welche  sich 
bei  den  Arterien  immer  ringförmig  um  das  Gefäss  legen,  während 
bei  den  Venen  mit  den  querverlaufenden  Muskeln  auch  andere,  in  die 
Längsrichtung  ziehende  vorhanden  sich  zeigen. 

§.  369. 

Die  äussere  Gefässhaut  oder  Tunica  adventitia  ist  an  kleinen 
Arterien  gewöhnlich  ebenso  dick ,  als  die  Tunica  media ,  an  den 
grössten  Arterien  dünner,  als  die  Ringfaserhaut,  und  an  den  Venen 
ist  sie  gemeinhin  die  stärkste  der  Gefässhäute.  Ihrer  Struktur  nach 
gehört  sie  döm  ordinären  Bindegewebe  an,  welches  nach  der  Länge 
des  Gefässes  sich  schichtet  und  häufig  elastische  Netze  noch  auf- 
nimmt. Die  Tunica  adventitia  der  stärksten  Venen  oÖenbart  die 
Eigenthümliohkeit ,  dass  in  ihr  mächtige  Züge  glatter  Längen- 
muskeln verlaufen,  so  im  Lebertheil  der  V.  cava  inferior,  in  den 
Stämmen  der  Lebervenen,  Stamm  der  Pfortader,  Venen  des  schwange- 
ren Uterus  u.  a.  Endlich  wird  die  Tunica  adventitia  aller  grossen 
Venen,  wo  sie  in's  Herz  sich  einsenken,  von  der  Herzmuskulatur  aus 
mit  einer  quergestreiften  Muskellage  eine  gewisse  Strecke  weit  (die 
obere  Hohlvene  bis  zur  Subclavia,  die  Venae  'pulmonales  bis  in  ihre 
Hauptzweige)  ausgestattet. 

Nach  dem  Vorgebrachten  haben  die  Arterien  und  Venen  gemein- 
same Grundzüge  ihres  Baues,  und  die  Hauptdiiferenz  zwischen  beiden 
liegt  darin ,  dass  die  mittlere  Gefässhaut  bei  den  Venen  dünner  be- 
schaffen ist ,  dann  auch ,  dass  bei  den  Arterien  die  Muskeln  dieser 
Haut  nur  circulär  verlaufen,  bei  den  Venen  aber  auch  longitudinal. 

§.  370. 

Die  feinsten  Gefässnetze,  in  welche  die  Arterien  nach  oft  wieder- 
holter Zertheilung  schliesslich  ausgehen,  und  welche  nach  der  anderen 
Seite  hin  wieder  zu  Venenwurzeln  sich  fortbilden,  nennt  man  Capil- 
laren oder  Haargefässe.  Die  eigentlichen  Capillaren  bestehen, 
wo  sie  isolirt  werden  können,  aus  einer  einzigen  homogenen  Haut, 
die  wasserhell,    einfiich    oder   doppeltconturirt   ist    und   in    mehr   oder 

Leydig,    Uidtologie.  26 


402 


V'(jin  Gefilsssystciii  tles  Munsclien. 


minder  regelraässig-ei\  Zwischenräumen  runde  oder  ovale  Kerne  in 
ihrer  Substanz  hat.  Häufig  ist  indessen  diese  Haut  mit  der  umliegen- 
den Bindesubstanz  so  verwachsen  ,  dass  sich  die  Capi Haren  nur  wie 
entwickelte  Bindegcwebskörperchen  oder  mit  anderen  Worten  lediglich 
wie  scharf  begrenzte  Hohlgängc  in  der  Bindesubstanz  ausnehmen.  Man 
vermag  daher  auch  bloss  da  die  Capillaren  gut  zu  isoliren,  wo  sie  von 
einer  sehr  zarten  und  weichen  Bindesubstanz  getragen  w^erden,  wie 
das  in  den  Nervencentren  und  ganz  besonders  in  der  Retina  des 
Auges  der  Fall  ist;  von  dieser  Haut  lassen  sich  nach  gelinder  Mace- 
ration  und  Abspülung  der  pulpösen  Masse  Capillarnetze  am  aller- 
schönsten  erhalten.  Aus  anderen  bindegewebigen  Thcilen  hingegen^ 
welche  im  injicirten  Zustande  äusserst  i'eich  an  Capillaren  sind,  wie 
z.  13.  die  Schleimhaut  des  Darmes,  der  Lungen  etc.,  gelingt  es  keines- 
wegs, die  Capillarnetze  isolirt  darzustellen,  weil  eben  hier  die  Wand 
der  Capillaren  mit  der  undiegcnden  Bindesubstanz  verschmolzen,  an- 
ders aufgefasst:    iu  dem  Bindegewebe   ausgegrabene  Hohlgängc  sind. 

Fig.   208. 


C  ap  i  1 1  ar  g  e  t'Jls  s  e. 

a  eclitc  Capillaren,    bei   h   übcrgeheiul   in   eine  feine    Arterie   und    bii   c   in   eine 

feine  Vene.     (Starke   Vergr.) 


§.  -571. 

Die  starken  Blutgefässe,  welche,  wie  wir  gesehen,  einen  Com- 
plex  von  Geweben,  d.  h.  Organe  vorstellen,  bedürfen  auch  eigener 
E  rn  all  III  ngsge  fasse,  Vasa  nutrientia.  Diese  kommen  aus  kleinen 
Arterien  der  Nachbarschaft  und  verbreiten  sich  vorzüglich  in  der 
Tunica  adventitia ^  treten  auch  ila  und  dort  in  die  Tunica  media 
hinein,  doch  nicht  in  die  hifima,  welche  immer  gefässlos  zu  sein 
scheint.  Auch  Nervcnfäden  sind  an  vielen  Gefässen  wahrgenonnnen 
worden,  doch  fehlen  über  das  eigentliclie  Verhalten  dei'sellien  bis  jetzt 
nähere  Aufklärungen. 


Lymj)liiin'isen. 


403 


§.  372. 

Was  die  Lymphgefässc  betrifft,  so  nnterscheidet  man  an  ihnen 
wieder  die  feinen  Anfänge  oder  Lyniplicapillaren  und  die  stärkeren 
Gefässe. 

Wurde  schon  vorhin  bezüglich  der  BlutcapiHarcn  hervorgehoben, 
dass  dieselben  innerhalb  des  festeren  Bindegewebes  häufig  den  histo- 
logischen Charakter  von  blossen  Bindegewebskörperchen  haben ,  so 
ist  das  für  die  Lymphcapillaren  durchweg  der  Fall.  Es  existiren 
keine  anderen  Lymphgetässanfänge,  als  die  Bindegewebskörperchen. 
Auch  die  Chylusgefässe  in  den  Darmzotten  sind  nur  die  (bleibenden) 
netzartigen  Hohh'äume  in  der  Bindesubstanz  der  Zotte,  die  zu  einem 
grösseren  centralen  Raum  zusammenfliessen.  Die  Begrenzungsschicht 
dieses  Kanalsystemes  entspricht  der  homogenen  Haut  jener  Blut- 
capillaren,  welche  wegen  der  grösseren  Weichheit  des  umgebenden 
Bindegewebes  von  diesem  ausgeschält  werden  können.  Wie  nun 
Blutcapillaren  vom  Charakter  der  Bindegewebsräume  durch  Schichten- 
bildung der  Wand  und  Auftreten  von  contractilen  Elementen  von  der 
umgebenden  Bindesubstanz  sich  abheben  oder  selbständiger  werden, 
gerade  so  gewinnt  auch  die  B  egrenzungslini  e  der  Lymphcapillaren 
an  Stärke,  sie  verdickt  sich  zu  einer  elastischen  Intima,  es  legt 
sich  im  weiteren  Verlauf  eine  aus  glatten  Muskelfasern  bestehende 
Tunica  media  oder  Ring faser haut  herum  und  endlich  sondert  eine 
Tunica  adventitia,  aus  Bindegewebe,  elastischen  Fasern  und 
einem  muskulösen  Flechtwerk  zusammengesetzt,  das  Lymphgefäss  von 
den  nächstgelegenen   Theilen  ab.    Innen  scheint  auch  noch   ein  feines 

Epithel  zugegen  zu  sein. 

Fig.  209. 


r^ymph 


Schema    über    die    Anfänge    der    Lym  ph  gefässe. 

A    Netz   der  Bindegewebskörperchen,    B    lieginn  eines  selbständigen   Lympbgefäss- 

stämuicbens  mit  homogener  Intima  und  der  Mnskelscbiclit. 

26* 


drüscn 


404  Vom   CTetJIsssystt'm   des   Mensch eii. 

§.  373. 
Lmypii.  £~)ip  Lymplig'cfässc  werden  auf  ilireni  Weg'e  zv.m  Ductus  thoracims 

hiinfio-  von  ovalen,  bohnenförmigen  Körpern,  deren  Grösse  zwischen 
einer  Linie  und  einem  Zoll  Durchmesser  wechselt,  unterbrochen.  Der 
Bau  dieser  Lymphdrüsen,  und  wie  sie  sich  zu  den  aus-  und  ein- 
tretenden Lymphgefässen  verhalten ,  lässt  sich  in  Folgendem  zu- 
sammenfassen. 

Wie  bei  anderen  drüsigen  Organen,  formt  wieder  Bindesubstanz 
das  Drüsenskel  et.  Nachdem  nämlich  das  Bindegewebe  an  der 
Oberfläche  der  Lymphdrüsen  eine  ziemlich  feste  Hülle  gebildet  hat, 
durchsetzt  es  als  Fach-  oder  Schwammwerk  das  Innere  der  Drüse, 
ohne  dass  jedoch  dieses  Areolarwerk  in  der  Rinde  und  im  Mark  der 
Drüse  von  ganz  gleicher  Beschaffenheit  w'äre.  In  der  Rindensubstanz 
werden  durch  das  Balkengerüst  des  Bindegewebes  foUikelartige  Räume 
begrenzt,  die  untereinander  zusammenhängen  und  dem  freien  Auge 
schon  deutlich  sind ;  aber  auch  in's  Innere  dieser  Hohlräume  erstreckt 
sich,  wie  bei  den  Peyer'schen  Follikeln  u.  a. ,  zum  zweitenmal  die 
Bindesubstanz,  wenn  schon  als  ein  weit  zarteres  Netzwerk.  So  ge- 
schieht CS  denn  ,  dass  durch  die  Bindesubstanz  der  Rinde  zweierlei 
Fachwerke  zu  Stande  kommen,  ein  grösseres,  dem  freien  Auge  zugäng- 
liches, welches  die  s.  g.  Follikel  erzeugt,  und  ein  feineres,  das 
wieder  die  Follikularräume  durchstrickt.  Im  Mark  umschreibt  das 
Fächerwerk  nocli  grössere  Hohlräume ,  wie  schon  das  blosse  Auge 
auf  dem  Durchschnitt  der  Drüse  gewahrt,  und  man  kötnnte  eben,  von 
den  sonstigen  Strukturverhältnissen  absehend,  sagen:  das  Bindegewebe 
der  Rinde  entspricht  einem  feinmaschigen,  das  der  Marksubstanz  einem 
grobmaschigen  Schwamm.  Suchen  wir  uns  klar  zu  machen,  wie  die  aus- 
und  eintretenden  Ly mp hg ef äs se  (Fa^a  t?(/erew^m  und  V .  ef'erentia) 
zu  dem  bindegewebigen  Gerüst  sich  verhalten,  so  bemerken  wir  zu- 
nächst, dass  die  Vasa  inferentia,  welche  unmittelbar  vor  der  Drüse  in 
Aeste  zerfallen,  den  gewöhnlichen  Bau  hahen,  d.  h.  sie  bestehen  aus 
einer  homogenen,  elastischen  Intima,  einer  muskulfisen  Media  und 
einer  bindegew^ebigen  Adventitia.  Die  feinen  Aeste,  mit  denen  sich 
(las  Lyniphgefäss  der  Drüse  nähert,  verlieren  sich  in  das  zwischen 
den  h'ollikeln  befindliche  Bindegewebe  und  iiehineii  den  Charakter 
von  netzffirmigen  Interstitien  des  Bindegewcshes  an,  und  ohschon  ich 
bisher  ni(^  (an  den  Lymphdrüsen  des  Gekröses)  weissen  Chylus  in 
die  Follikeln  eingedrungen  sah,  so  muss  nach  den  bei  künstlichen 
Injektionen  sieh  ergebenden  Erscheinungen  angenommen  werden,  dass 
sich  die  J^yniphgänge  der  Rinde  in  die  Areolarräume  öffnen.  ]n  der 
Marksubstanz  der  Drüse  haben  die  Lymphgefässe,  wenn  man  sich  so 
ausdrücken  darf,  ihre  Unselbständigkeit  wieder  abgelegt,  man  erblickt 
hier  wieder  geräumige  Lymphgefässplexus ,  aus  homogener  Intima, 
muskulöser  Media  und  bindegewebiger  Adrevtitia  bestehend,  und  aus 
diesem  Lymphgefässnctz  geht   gegen    den    llilus    dei-   Drüse    das    Vas 


Milz.  405 

efferens  hervor.  Das  Fachwerk,  Avelches  sich  dem  freien  Auge  in  der 
Marksubstanz  darbietet,  geliört  demnach  ausser  den  noch  zu  schildern- 
den Bhitgefässen  den  Wänden  der  Lymphgefässplexus  an  und  die 
Hohh'äunie  dazwischen  sind  die  Lichtungen  der  Lymphgetasse. 

§.  374 

Die  Follikuhirräunie  der  Rinde  sind  mit  denselben  kleinen  farb- 
losen Zellen  (den  Ly  mphkügelch  en)  erfüllt,  wie  sie  die  grau- 
weisse  Pidpe  der  Peyer'schen  Follikel  u.  a.  bilden.  Von  diesen  Zellen, 
welche  in  den  Lymphdrüsen  keimen  und  sich  durch  Theilung  ver- 
mehren, geht  immer  eine  Anzahl  in  die  Vasa  efferentia  über  und 
wandert  gegen  den  Ductus  ihoracicus  fort. 

Die  Lymphdrüsen  haben  auch  zahlreiche  Blutgefässe,  deren 
feinere  Vertheihing  in  der  Rindensubstanz  Statt  hat,  und  zwar  die- 
nen, wie  anderwärts,  die  Bindegewebsbalken  und  Platten,  um  die 
Capillaren  und  stärkeren  Gefässe  zu  tragen. 

Mit  den  Arterien  gehen  aucb  immer  einige  Nervenfasern  in  die 
Lymphdrüsen  binein,  obne  dass  man  wüsste,  wo  und  wie  sie  ende-^i. 

Sucht  man  sich  die  Struktur  der  Lymphdrüsen  von  einem  all- 
gemeineren Standpunkt  aus  zu  ordnen  und  abzurunden,  so  stellt  sich 
heraus,  das  die  Vasa  inferentia  innerhalb  der  Rinde  in  Lymphca- 
pillaren  sich  auflösen  und  mit  den  die  Lymphkügelchen  produziren- 
den  FoUikularräumen  zusammenhängen,  man  könnte  auch  sagen,  die 
Follikel  seien  Appendices  der  Lymphgänge;  nach  dem 
Marke  zu  vervollständigen  sich  wieder  die  Capillaren  zu  grösseren, 
netzförmig  verbundenen  Lyraphgefässen  und  diese  zum  Vas  efferens 
geeinigt,  leiten  den  Lymphsaft  und  die  Lymphkügelchen  weiter  zum 
Gefässsystem  fort.  Erzeugung  der  Lymphkügelchen  scheint 
demnach  die  eigentliche  physiologische  Leistung  der  erörterten  Glan- 
dulae zu  sein. 

§.  375. 

Den  Lymphdrüsen  im  Baue  nahe  verwandt  ist  die  Milz.  Ihr  mu,... 
kommt  ebenfalls  eine  bindegewebige,  starke  Hülle  {Tuiiica  albuginea 
s.  proirria)  zu,  in  welche  zahlreiche  elastische  Fasernetze  eingewebt 
sind.  Von  dieser  Hülle  geht  nach  innen  ein  netzförmiges  Balken- 
werk ab,  die  sog.  Traheculae  lienis^  welche  mit  freiem  Auge  bequem 
verfolgt  werden  können  und  gleich  der  Hülle  aus  Bindegewebe  und 
elastischen  Fa.-crn  bestehen.  In  den  dadurch  gebildeten  Räumen 
liegt  eine  weiciie,  röthhche  Masse,  die  Milzpulpe,  und  zwar  wie 
es  dem  unbewaftheten  Auge  erscheint,  unmittelbar  eingebettet.  Allein 
mit  Hülfe  des  Mikroskops  erfährt  man,  dass  innerhalb  der  vom 
freien  Auge  sichtbaren  Trabekularräume  ein  ähnliches  bindegewebi- 
ges Balkenwerk  in  zarterer  Ausführung  sich  wiederholt,  wie  wir  es 
im  Grossen  an  der  Milz  sehen.  Die  dem  freien  Auge  sich  darstel- 
lenden Trabekularräume  der  Milz  sind  mit  den  FoUikularräumen  der 
Lymphdrüsen    in  Parallele    zu    stellen    und     das    feine    Netzwerk     in 


406 


Vom  Gefässsystem  des  Mcnscheii. 


letzteren  findet  sein  Analogou  in  dem  zarten  Fasergerlist,  welches 
die  Trabekularräume  durchkreuzt.  Und  wie  in  den  Lymphdrüsen 
der  Inhalt  der  Alveolen  eine  grauweisse  Pulpe  bildet,  so  liegt  bei 
der  Milz  in  den  Lücken  des  Fachwerkes  die  rothe  Pulpe,  aus  Blut- 
körperchen und  farblosen  Zellen  bestehend.  An  den  Lymphdrüsen  ist 
es  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  die  Follikularräume  mit  dem  Lumen 
der  Lymphgefässe  zusammenhängen  nnd  ebenso  scheint  es  sich  für 
die  Milz  herauszustellen,  dass  die  Trabekularräume  mit  den  Blutgefässen 
in  Communikatiun  stehen,  mit  anderen  Worten,  Bluträume  sind  und 
die  Pulpe  als  Inhalt  dieser  Bluträume  zu   bezeichnen  ist. 

§.  376. 
Schon  dem  freien  Auge  machen  sich  in  der  rothen  Milzpulpe 
weissliche  Flecken  beraerklich,  die  unter  dem  Nanaen  Malpighi- 
sche  Körperchen  schon  viel  bespi:oclien  wurden.  Sie  rühren 
davon  her,  dass  kleine  Partien  des  mikroskopisch  feinen  bindegewe- 
bigen Fachwerkes  fast  ausschliesslich  mit  farblosen  Zellen  (Lympli- 
kügelchen)  angefüllt  sich  zeigen  und  eben  desswegen  mit  grauweisser 
Farbe  von  der  übrigen  rothen  Pulpe  abstechen.  Fast  immer  halten 
sich    solche  Ansammlungen    von    Lymphkügelchen    an  die  Nähe    der 

Arterienzweige. 

Fig.  210. 


c     b 


Ein    Stück    vom   1)  nie  lisch  ni  tt    der  Milz, 
ii  grössere   lSIi]zl);ilk('n    (die   dunkleren   gcsclilängclteii   Linien    in   denselben    denten 
die   elastiselicii    K;isern   ;in),    b   (l;is  feinere   bindegeweliige   Netzwerk  ,    e   die    Pulpe, 
welclie   in   den  Masclienräumen  liegt,    d  ein   Arterienstämmchen,    e  ein  Malpighi'- 

sches  Kürperchen.     (Starke  Vergr.) 

In  die  Milz  tritt  bekanntlich  eine  starke  Arteric  ein,  deren 
grössere  und  feinere  Verzweigungen  lediglich  im  Bereich  des  grö- 
beren  und   zarten   l'alkcnwerkes  geschehen,  d.   h.  die  biiulegewebigcn 


Thymus.  407 

Trabekel  sind  die  Träger  der  Blutgefässe  und  die  sog.  Tumca  ad- 
venütia  der  Arterlenäste  und  der  büschelförmigen  Endzweige  ist  ein 
Theil  des  BalkengeAvebes;  die  Capillaren,  in  welche  die  Arterien 
sich  auflösen,  werden  von  dem  mikroskopisch  zarten  Flechtwerk  ge- 
stützt, in  dessen  Räumen  die  Pulpe  ruht  und  daher  durchziehen  die 
Capillaren  auch  die  sog.  Malpighischcn  Körper.  Wie  schon  gesagt, 
gehen  wahrscheinlich  die  Ca])illaren  in  die  Pulperäume  frei  aus  und 
erst  diese  werden  wieder  zu  Venen.  Etwas  eigenthümliche,  spindel- 
förmige Korper,  deren  Kern  oft  in  einem  knopfförnn'gen  Vorsprung 
liegt,  werden  als  Epithelzellen  der  Venen  gedeutet. 

Die  Lymphgefässe  der  Milz  verlaufen  zugleich  mit  den  Ar- 
terien, und  wie  man  nach  vergleichend-anatomischen  Wahrnehmun- 
gen schliessen  darf,  so  stehen  sie  zu  den  sog.  Malpighischcn  Kör- 
pern in  einer  ähnlichen  Beziehung,  wie  in  den  Lymphdrüsen  die 
Follikeln  zu  den  Lymphgefässen,  oder  anders  ausgedrückt,  es  sind 
mit  farblosen  Zellen  gefüllte  Räume,  welche  mit  den 
Lymphgefässen  zusammenhängen. 

In  den  Nerven  der  Milz  zählt  man  hauptsächlich  sympathische 
{Remak's>c\\<i)  Fasern  und  nur  wenige  dunkelrandige  Fibrillen  sind 
eingestreut. 

§.  377. 
Auch  die  innereßrustdrüse  oder  Thymus  giebt  manches  Verwandt-  Ti.ymu». 
schaftliche  mit  den  Lymphdrüsen  kund.  Sie  hat  ein  gelapptes  Aus- 
sehen, die  Lappen  zerfallen  in  Läppchen  und  diese  in  die  ?>q^.  Acini. 
Das  Gewebe,  welches  diese  Gliederung  besorgt,  ist  wieder  Binde- 
gewebe, das,  nachdem  es  die  Hülle  des  Organes  geformt,  die  Con- 
turen  von  den  grösseren  bis  zu  den  kleinsten  Abtheilungen  beschreibt. 
Darnach  könnte  man  glauben,  dass  die  Thymus  einer  traubenförmi- 
gen  Drüse  näher  stehe,  als  den  Lymphdrüsen.  Diese  Ansicht  muss 
aber  sofort  schwinden,  wenn  man  erfährt,  dass  das  Bindegewebe 
innerhalb  der  letzten  Lobuli  ein  ähnliches  Netzwerk  er- 
zeugt, wie  solches  von  den  Peye?*'schen  Follikeln,  den  Lympli- 
drüsenfollikein,  beschrieben  wurde,  und  dass  die  dazwischen  frei  blei- 
benden Lücken  von  einer  weissgrauen  zelligen  Pulpe  eingenommen 
werden.  J^etztere  besteht  aus  anscheinend  freien  Kernen,  farblosen 
Zellen  (Lymphkügelchen)  und  zuweilen  sind  runde,  geschichtete  Kör- 
per eingemengt,  die  wohl  nicht  pathologischer  Natur  sind,  da  sie 
auch  bis  zu  niederen  Wirbelthieren  herab  sich  finden. 

Die  zahlreichen  Blutgefässe  der  Thymus  folgen  in  ihrer  Ver- 
zweigung dem  Bindegewebe,  und  die  Faserzüge  in  den  Acini  tra- 
gen, wie  in  den  Lymphdrüsen,  die  Ausbreitung  der  Capillaren. 

Einige  Nerven  versorgen  im  Begleit  der  Arterien  die  Drüse. 

Es  weicht  nur  darin  die  Thymus  vom  Schema  der  Glandulae 
lymphaticae  ab,  dass  das  ganze  Organ  einen  geschlossenen  Central- 
kanal  besitzt,  der  sich  in  die  Läppchen  aussackt  und  dessen  Lihalt 


408  Vom  Gefässsystem   des  Menschen. 

die  bezeichneten  Elemente  der  Pulpe  ausmachen.  Man  möchte  ver- 
muthen,  dass  die  Lymphgetasse,  welche  in  nicht  geringer  Menge 
die  TJiymus  verlassen,  mit  den  Hohlräumen  derselben  communici- 
ren,  doch  liegen  hierüber  keine  Beobachtungen  vor. 

Unsere  Kenntnisse  über  die  Entwicklung  der  Thymus  (beim 
Hühnchen)  verdanken  wir  Bern  ak.  Die  Ränder  der  dritten  und  vier- 
ten Kiemenspalte,  welche  von  Fortsetzungen  des  Darmepithels  über- 
zogen sind,  schnüren  sich  ab,  und  indem  sie  den  von  den  Schlund- 
wänden sich  ablösenden  Aortenbogen  folgen,  entsteht  die  Thymus 
unter  der  Form  von  zwei  länglichen  Säckchen ,  welche  jederseits 
zwischen  die  Aortenbogen   zu  liegen  kommen. 

§.  378. 
^'^^"1°-  Die  Gefässe  dienen  dazu ,  eine  Ernährungsflüssigkeit  behufs  der 

Unterhaltung  des  Thätigscins  der  Theile  durch  den  Körper  zu  lei- 
ten und  andererseits  die  Zersetzungsprodukte  der  Organe  aufzuneh- 
men, um  sie  durch  drüsige  Gebilde  aus  dem  Körper  zu  entfernen. 
Das  besondere  Verhalten  der  Gewebe  im  Gefässsystem  giebt  mir 
noch  zu  einigen  Bemerkungen  Anlass.  Die  Thatsache,  dass  im  Herzen 
die  Anastomosen  der  Muskelprimitivbündel  eine  so  häufige  Erschei- 
nung sind,  darf  man  als  eine  Wiederholung  im  Kleinen  von  dem  an- 
sehen, was  man  an  der  Herzmuskulatur  im  Grossen  wahrnimmt.  Die 
Scliichtcn  der  Herzmuskulatur  kreuzen  sich  mannichfach  und  das 
Netzwerk  der  Trabecidae  carneae  führt  dem  freien  Auge  dieselbe 
Anordnung  der  Muskelsubstanz  vor,  welche  sicli  mikroskopisch  in 
den  anastomosirenden  Primitivbündeln  wiederspiegelt.  Eine  sehr  all- 
seitige Contraetion  ist  wohl  die  Folge  einer  derartigen  Verflechtung 
der  Fleischfasern.  An  den  Gefässen  spielen  zwei  Gewebe  eine  her- 
vorragende Rolle,  das  elastische  Gewebe  und  die  Muskelhaut,  erste- 
res  vorherrschend  in  den  Stämmen  (der  Arterien) ,  während  an  den 
feineren  Gelassen  die  Muskelfasern  die  Oberhand  haben.  Das  ela- 
stische Gewebe,  welches  von  der  Nervenwirkung  nicht  beeinflusst 
wird,  sucht  bloss  die  Veränderungen,  welche  der  Umfang  der  Ge- 
fässe durch  Ausdehnung  oder  Druck  erfährt,  wieder  auszugleichen; 
hingegen  die  contractilen  Fasern,  der  Thätigkeit  des  Nervensystemes 
unterworfen,  bewirken  eine  stärkere  Anspannung  oder  ein  Nachlas- 
sen von  der  mittleren  Spannung  der  Gefässe,  je  nach  der  verschie- 
denen Steigerung  des  Nervenlebens,  Daher  kann  man  auch  die 
Bedeutung  beider  Gewebe  am  Kreislauf  so  fassen,  dass  man  sagt, 
das  elastische  Gewebe  ist  nothwendig  für  die  Blutleitung  oder  die 
Circulation  überhaupt,  das  contractile  Gewebe  aber  für  die  bestimmte 
Vertheilung  der  Blutmasse. 

Unser  Wissen  über  die  Funktion  der  Lymphdrüsen  ,  incl. 
der  Milz  und  Thymus  j  stellt  noch  auf  einer  sehr  niedrigen  Stufe, 
nur  was  schon  oben  erwähnt  wurde:  es  verschafl't  sich  in  neuerer 
Zeit  immer  mehr   die  Ansicht  Eingang,    dasf    die    berührten  Organe 


Physiologisches.  409 

die  Biklungslierde  der  farblosen  Blutküg'elcheii  (sog.  Lyraplikügelchcn) 
sind.  Von  grösstem  Belang  sind  in  dieser  Frage  die  bekannten  Arbeiten 
Virchow's  über  die  Leukämie,  wovon  ich  nur  die  Erfahrung  heraus- 
liebe,  dass  mit  Lymphdrüsentumoren  eine  ausserordentliche  Vermeh- 
rung der  farblosen  Blutzellen  v.erbunden  ist.  Virchoiu  nimmt  an,  dass 
bei  solcher  Hypertrophie  der  Lymphdrüsen  auch  ein  vermehrter  Ueber- 
gang  der  Lymphkügelchen  in  das  Gefässsystem  statt  habe. 

Eine  kurze  Zeit  war  bezüglich  der  Milz  die  Ansicht  im  Schwung, 
dass  in  diesem  Organ  eine  regressive  Metamorphose  der  rothen  Blut- 
kügelcheu  statt  habe,  sie  sollten  da  zerfallen  und  sich  auflösen.  Diese 
Theorie  ist,  wie  billig,  wieder  schlafen  gegangen,  da  man  sich  überzeugt 
hat,  dass  die  sog.  Blutkörperchen  haltenden  Zellen,  aufweiche  die  Hy- 
pothese basirt  war,  ein  zufälliges  Vorkommniss  in  der  Milz  sind. 
Dergleichen  Klümpchen  von  Blutkörperchen,  aus  der  Blutbahn  aus- 
getreten und  im  Zustande  der  Entfärbung  v^nd  Zerbröckelung  sich 
befindend,  können  in  allen  möglichen  Blutergüssen  zur  Beobachtung 
kommen.  Ich  will  nur  als  Beispiel  anführen,  dass  ich  die  Blutkör- 
perchen hiiltenden  Zellen  im  Fleische  des  Schwanzes  von  Fischen 
in  grösster  Menge  angetroffen  habe  und  zwar  in  der  Umgebung  von 
Entozoen,  welche  auf  der  Wanderung  begriffen,  beim  Graben  ihrer 
Minen  durch  Verletzung  der  Blutgefässe  Extravasate  verschuldet  hatten. 

Bemah  hat  in  jüngster  Zeit  (Deutsche  Klinik  Nr.  70)  über  die  Muskulatur 
der  Venen  noch  folgende  Thatsachen  ermittelt.  1)  Die  aufsteigenden  Venen  des 
menschlichen    Kör25ers    sind    weit    reicher    an  Muskeltasern ,    als    die    absteigenden. 

2)  Die  Menge  der  Muskelfasern  nimmt  in  der  Venenwand  im  Allgemeinen  zu  mit 
den  Hindernissen ,    welchen    die   Rückkehr    des    Blutes    zum  Herzen    ausgesetzt  ist. 

3)  Die  Vena  cava  mferior  thoracica  und  der  an  das  Herzfleisch  grenzende  Theil 
der  Vena  cava  superior  entbehren  fast  ganz  der  glatten  Muskelfasern.  —  Die  sack- 
förmigen beulenartigen  Anhänge  der  Venen  an  der  Herzseite  der  Venenklappen 
bestehen  ausser  einer  dünnen,  äusseren  elastischen  Schicht  und  einer  ebenfalls 
dünnen  bindegewebig- elastischen  Innenhaut  fast  ganz  aus  Bündeln  langer  glatter 
einkerniger  Muskelfasern  ,  welche  sich  in  den  verschiedensten  Richtungen  kreuzen, 
im  Allgemeinen  jedoch  eine  circuläre  Richtung  einhalten.  Durch  Erschlaifung 
dieser  Klappensäcke  entstehen,  was  kaum  einem  Zweifel  unterliegt,   die    Varices. 

Die  grösseren  und  kleineren  Räume  der  Arachnoidea  halte  ich  für  gleich- 
werthig  mit  Lymphräumen ,  und  man  kann  auch  zu  Gunsten  dieser  Ansicht  an- 
führen, dass  beim  Stör  zwischen  Pia  mater  und  Uiira  mater  eine  Lymphdrüsen  ähn- 
liche Substanz  den  vom  Gehirn  freigelassenen  Raum  des  Schädels  auslullt  (s.  meine 
Untersuchungen  üb.  Fische  u.  Rept.  S.  5),  ferner  dass  man  bei  Trygo7i  pastinaea 
an  den  Gefässen  der  Pia  mater  dieselben  eigenthümlichen,  von  mir  früher  „turban- 
ähnliche" Körper  genannten  Qlovieruli  sieht ,  wie  sie  bei  Selachiern  sonst  nur  in 
die  Lymphgefässe  hineinragen. 

Was  den  Bau  der  Lymphdrüsen  betrifft,  so  haben  genau  genommen  schon  die 
älteren  Forscher  Jio^^i^'Äi  nndt.  Hewson  dieselbe  Vorstellung  davon  gehabt  wie  wir. 
Freilich,  wer  viel  auf  den  Namen  giebt,  wird  widersprechen,  da  Hewson  die  Drüsen 
aus  anastomosirenden  grossen  Hohlräumen,  die  mit  den  Lymphgefässen  zusammen- 
hängen, und  Malpighi  aus  wirklichen  Lymphgefässplexus  bestehen  lässt,  was  doch 
bei  Licht  besehen   zwei  verschiedene  Ausdrücke  für  eine  und  dieselbe  Sache  sind. 


410  Vom   Gefjisssystem   der   Wirbelthicrc. 

Hinsichtlich  der  Malpighi'' schnn  Körper  der  Milz  liest  man  hänfii;-  die 
Klage,  dass  sie  gar  su  schwer  zu  isoliren  seien  und  fast  immer  unter  der  Prüparation 
zertiicssen.  Ich  meine,  ein  solches  Verhalten  dürfe  uns  nur  dann  Wunder  nehmen, 
wenn  wir  in  den  fraglichen  Gebilden  durchaus  selbständige  Körper  erblicken  wollen, 
während  sie  doch   in  Wahrheit  bloss  modifizirte   Partien  der  Pulpe  sind. 


Siebenunddreissigster  Abschnitt. 
Vom    Gefässsystem    der    Wirbeltliiere. 

§.  379. 

Die  Herzmuskulatur  der  Säuger,  Vögel,  Reptilien  und  Fi- 
sche ist  immer  quergestreift,  differirt  aber  durchweg  von  den  Stamni- 
muskeln  darin,  dass  die  Primitivbündcl  ein  mclir  gekorneltes  Aus- 
sehen haben  und  schmäler  sind,  sich  häufig  verästeln  und  anasto- 
mosiren,  sowie  dadurch,  dass  fast  kein  Bindegewebe  zwischen  den 
Primitivbündeln  sich  findet.  Bei  Batrachiern  und  Fischen  existirt 
bekanntermaassen  ausser  den  Vorhöfen  und  Herzkammern  noch  eine 
"""""  muskulöse  Hcrzabthcilunc; ,  der  soe;.  Tnincus  arteriosvs,  dessen  cou- 
tractilen  Elemente  nicht  überall  dieselben  sind.  Die  Ganoideu, 
Chimären,  Plagiostomen,  Lepidosiren  und  Batrachier  haben 
hier  eine  quergestreifte  Muskulatur,  bestehend  aus  einfach  verlän- 
gerten Zellen  mit  quergestreiftem  Inhalt,  und  w^elche  daher,  wenn 
für  „Primitivbündel"  gehalten,  zu  den  ganz  schmalen  zu  rechneu 
wären.  Der  Truncus  arteriosus  dieser  Thiere  pulsirt.  Bei  den  T  e- 
leostiern  ist  die  Muskulatur  eine  glatte,  und  damit  in  Ueberein- 
stimmung,  fehlen  auch  rhythmische  lebhafte  Coutractionen.  Die 
Muskeln  sind  an  unseren  Süsswasserfischen ,  Leaci'scus ,  Gobio  z.  B., 
im  frischen  Zustande  leicht  feinkörnig,  die  Bündel  ziehen  geflecht- 
artig durch  einander;  bei  Lahra.v  Ivpns  sehe  ich  ferner,  dass  die 
frischen  Muskelfasern  hier  sehr  blass,  weit  schmäler  und  kürzer 
sind,  als  die  gleichen  Elemente  des  Nahruugsrohres.  (Es  hat  der 
Bulbus  nach  Untersuchungen  an  Leuciscus  ruh'lus  seine  eigenen  Blut- 
gefässe ,  Arterien  und  Venen.) 

Beim  Proteus  und  bei  Torpedo  stösst,  wie  ich  gezeigt  habe  (Un- 
ters, üb.  Fische  und  Re])t.)  an  den  schlagenden  Bulbus  arteriosus 
noch  eine  Erweiterung,  die  bei  Torpedo  aus  elastischen  Elementen, 
beim  Proteus  zu  äusserst  ebenfalls  aus  elastischen  Fasern  und  nach 
innen  aus  glatten  Muskeln  gebildet  ist. 

§.  380. 
'"■'"■  Die    blassen  Zellen    des  Endorardium    verschmelzen    öfter    unter 

i-iirdiuin, 

jiczuiHiMK-,,.  einander,  so  dass  die  ehemaligen  Zellcnkerne  jetzt  in  einer  homogenen 
Haut  liegen;  meine  Beobachtungen  wenigstens  an  Haien  und  Gräthen- 


Herz.  411 

fischen  sprachen  für  eine  solche  Auffassung.  An  der  Bindcgewebsschicht 
des  Endocardium  grösserer  Säuger  lässt  sich  unterhalb  des  Epithels 
eine  homogene  Grenzlamelle  unterscheiden  {Basement  membrane)  wie 
an  serösen  Häuten,  Schleimhäuten  etc.  Unter  dem  Endocardium 
der  Wiederkäuer  breiten  sich  eigenthümliche  graue  gallertige  Fä- 
den netzförmig  aus,  die  modifizirte  Miiskelsubstanz  zu  sein  scheinen. 
Dieser  Bildungen  gedenkt  zuerst  Für  k  in  je,  später  hat  v.  Hessling 
(Zeitschr.  f.  w.  Z.  Bd.  V.)  genauere  Untersuchungen  darüber  angestellt, 
ohne  aber  den  Gegenstand  zum  Abschluss  bringen  zu  können.  Ganz 
neuerdings  handelt  Reichert  (Jahresb.  f.  d.  J.  1854)  in  ausführlicher 
Mittheilung  über  diese  Purkinje'schen  Fäden  und  kommt  zu  dem 
Schlüsse,  dass  man  es  mit  einem  netzförmig  ausgebreiteten  Spann- 
muskel des  Endocardiuins  zu  thuu  habe,  dessen  primitive  Mus- 
kelbündel etwas  anders  als  die  der  übrigen  Herzmuskeln  sich  vei'- 
halten.  Die  Muskelcylinder  sind  kurz,  sehr  hell,  innen  mit  körniger 
Achse  und  Kernen  und  so  gelagert,  dass  sie  mit  ihrem  einen  abge- 
stumpften Ende  gegen  die  übrige  Muskelmasse  des  Herzens,  mit 
dem  andern  gegen  die  elastische  Faserschicht  des  Endocardtmns  ge- 
richtet sind.  —  Die  Herzklappen  sind  Duplikaturen  des  Endocar- 
diuins, mithin  bindegewebiger  Natur,  nur  die  starke  Klappe  im 
rechten  Herzen  der  Vögel  (und  des  Schnabelthieres)  besteht  aus 
quergestreiften  Muskeln,  auch  nehme  ich  wahr,  dass  bei  Leuciscus 
und  wahrscheinlich  auch  anderen  Fischen  die  Klappe  zwischen  Sinus 
venosus  und  Vorhof,  welche  röthlicli  grau  aussieht,  aus  denselben 
quergestreiften  körnigen  Muskeln  ,  wie  das  Herz  überhaupt,  gebildet 
ist.  An  den  sänimtlichen  Herzklappen  verschiedener  Leucisci  bemerke 
ich  ferner  eigenthümliche  Anhänge.  Es  sind  einfach  blasige  oder 
auch  gebuchtete  Hervorragungen  am  Rand    der  Klappen,    entweder 

Fis.   163. 


Kand  einer  Herzklappe  von  Leuciscus    mit    drei  Anliängeu. 

(iStarke  Vergr.) 

mit  breiter  Basis  aufsitzend ,  oder  auch,  wie  an  den  Semilunarklap- 
pen  gestielt.  Sie  zeigen  eine  bindegewebige  Grundlage  und  einen 
zelligen  Ueberzug  von  derselben  Natur,  wie  das  Endocardium.  An 
Chondrostoma    nasus    vermisse     ich     dergleichen     Klappeuanhängscl, 


412  Vom  Geiasssystem  der  Wirbelthiere. 

ebenso  bei  Lahrax  lupus,  wo  übrigens  die  Valvulae  semilunares  eben- 
falls aus  Bindegewebe  und  feinen  elastischen  Fasern  bestehen.*) 

Beachtung  verdient  weiterhin,  dass  im  Bulbus  arteriosus  der  ge- 
schwänzten ßatrachier  [Salamandra  maculata)  und  der  Haie 
[Hejcanchis  griseus) ,  Ganoiden  {Polupterus) ,  klappenartige  Längs- 
wülste vorspringen,  die  aus  gallertigem  Bindegewebe  mit  elastischen 
Fasern  geformt  sind;  im  vorderen  dicken  Theil  der  Wülste  wandelt 
sich  beim  Land  Salamander  das  Bindegewebe  in  schönen  Hyalin- 
knorpel  um.  Das  Vorkommen  von  Knorpelgewebe  im  Herzen  ist 
wohl  verbreiteter,  denn  auch  bei  Schildkröten  {Testudo  graeca 
und  Emys  europaea)  nimmt  man  in  den  klappenartigen  Vorsprüngen 
am  Austritt  der  grossen  Gefässe  aus  dem  Herzen  einen  genuinen 
Hyalinknorpel  wahr,  innerhalb  dessen  homogener  Zwischensubstanz 
die  Knorpelhöhlen  gewöhnlich  mehre  Zellen  einschliessen.  Gegen 
die  Peripherie  hin  wird  die  Zwischensubstanz  weicher,  es  ziehen 
Streifen  durch  dieselbe  und  die  Zellen  kommen  mehr  vereinzelt 
zu  liegen.  Es  scheint,  dass  auch  Ossifikationen  hier  vorkommen 
können,  wenigstens  hat  Bojanus  bei  Emys  europaea  einen  kleinen 
Knochen  gefunden,  welcher  von  den  Trabeculae  carneae  der  rechten 
Kammer  aus  zwischen  die  abtretenden  Arterienstämme  sich  erstreckte. 
Und  eine  alte  Erfahrung  ist  es,  dass  bei  einigen  Säugethieren 
(Rind,  Schaf,  Kameel,  Giraffe,  Gazelle,  Hirsch,  Schwein,  nicht 
selten  auch  bei  Pferden)  unterhalb  des  Ursprunges  der  Aorta,  ein 
kreuzförmiger  Knochen  normal  vorhanden  sich  zeigt,  (Der  Herz- 
knochen der  Kameele  wurde  bezüglich  seiner  Markkanäle,  Markzel- 
len und  Knochenkörper  von  Wedl  und  Franz  Müller  untersucht, 
Sitzungsber.  d.  Wiener  Ak.   1850,  S.  4UL) 

§.  38L 
peric«.<iium,  ]^)as  Pericardium  hat  überall  eine   bindeffcwebice  Grundlage, 

IlerzMcrvon.  .  .  .  .  .      . 

kann  mehr  oder  weniger  pigmentirt  sein  (Amphibien  z.  B.),  auch 
Fcttzellen  entlialten  und  hat  bei  allen  Wirbelthieren  nur  ein  einfa- 
ches Plattenepithel,  lediglich  die  ungeschwänzten  Batrachicr  be- 
sitzen ein  flimmerndes  Epithel  des  Herzbeutels.  Nach  Mayer  zwar 
soll  sowohl  bei  geschwänzten  und  ungeschwänzten  Batrachiern  das 
Pericardium  flimmern.  Ich  kann  nur  für  die  ersteren  (Frosch  z.  1».) 
dies  bestätigen,  muss  hingegen  l)ezüglich  des  Landsahimanders  und 
des  Proteus  die  Flimmerbewegung  des  Herzbeutels  in  Abrede  stel- 
len. —  Vereinzelt  steht  bis  jetzt  die  Wahrnehmung  Bemak's ,  dass 
beim   Ochsen    am  Rande    des  linken  Herzohres  das  Pericardium  in 


*)  Audi  hciin  iMcusclicii  scliciin^ii  iiliiiliclic  lüldiiii^cii  sioli  /ii  tliidcii.  I.itschla 
besclucibt  soeben  (Ueiitscbe  Klinik  185(5  Nr.  23)  zolleuförmige  Aiiswiiclise  an  den 
Scniilnnarklapiien,  bestehend  aus  gefässloseni  liomogeiiem  Hindugewebe  mit  Hpitlielial- 
überzug. 


Blutgefässe.  413 


'ö 


eine  Reihe  ähnlicher  Zotten  ausgewachsen  ist,  wie  solche  am  Rande 
des  Herzens  vom  bebrüteten  Hühnchen  sich  finden.  —  Bei  niederen 
Wirbehhieren  (Fischen  und  Batrachiern)  spannen  sich  öfters  Fäden 
zwischen  dem  Herzen  und  Pericardium  hin,  beim  Landsalamander 
z.  B. ,  wo  man  dergleichen  Fortsätze  besonders  auf  der  Rückenseite 
der  Vorhöfe  sieht,  bestehen  sie  aus  Bindegewebe,  enthalten  einzelne 
Blutgefässe,  auch  wohl  Pigment  und  selbst  Fettzellen.  Die  Aussen- 
fläche  deckt  ein  Plattenepithel. 

Die  Nerven  des  Herzens  bilden  in  der  Muskelsubstanz  der 
Kammer  und  Vorkammer,  wie  Rem  ah  beim  Kalbe  entdeckte,  Gang- 
lien, was  wohl  für  alle  Wirbelthiere  seine  Geltung  hat,  wenigstens 
kennt  man  sie  von  der  Scheidewand  und  in  der  Grenze  der  Kam- 
mern und  Voi^kammern  beim  Frosch,  und  auch  bei  unseren  Süsswas- 
serfischen  {Chondrostoma  nasus,  Gohio  ßuviatilis)  sehe  ich  am  Rande 
der  Klappe  zwischen  Vorhof  und  Sinns  communis,  umgeben  von  eini- 
gen verzweigten  Pigmentzellen,  ein  Ganglion.  An  dieser  Stelle  brei- 
tet sich  überhaupt  ein  reiches  Nervennetz  aus  mit  auch  sonst  noch 
eingestreuten,  blassen  Ganglienkugeln;  gar  nicht  selten  erbhckt 
man  Theilungen  der  Nervenfibrillen  in  zwei  und  selbst  mehr  Aeste. 
leb  kann  übrigens  nicht  umhin,  zu  bemerken,  dass  die  ungleiche 
Vertheilung  der  Nerven  in  der  Muskelsubstanz  des  Herzens  in  ähn- 
licher Weise  etwas  aufffillendes  hat,  wie  auch  an  manchen  anderen 
Muskeln.  Man  kann  nämlich  ganz  grosse  Strecken  von  dem  Vor- 
hof, oder  auch  den  Muskelschichten  des  Ventrikels  mit  Natronlösung 
durchsichtig  machen,  ohne  auch  nur  einer  Nervenfibrille  ansiciitig 
zu  werden  ,  während  die  gedachte  Klappenstelle,  sowie  die  Klappen- 
gegend zwischen  Vorhof  und  Ventrikel  sehr  nervenreich  ist.  —  Die 
oberflächlichen  Herznerven  schwellen  beim  Rind,  da  wo  sie  quer 
über  die  Gefässe  gehen,  in  platte,  ganglienartige  Erweiterungen  an, 
sind  auch  von  Lee  dafür  gehalten  worden,  sie  entbehren  indessen, 
wie  Cloetta  angiebt,  der  Ganglienzellen,  und  die  Verdickung  seheint 
auf  Rechnung  des  Ncurilems  zu  kommen.  —  Auf  dem  Herzen  lagert 
sich  bei  verschiedenen  Wirbclthieren  mehr  oder  weniger  Fett  ab, 
beim  Frosch  z.  B.  trifft  man  häufig  einen  grösseren  P'ettklumpen 
oben,  wo  die  Theilung  der  grossen  Gefässstämme  statt  hat,  dann 
auch  an  der  Basis  des  Bulbus  arteriosus ,  auf  den  Vorhöfen,  auch 
an  den  Aortenbogen. 

§.  382. 

Die  histologische  Grundlage  der  Arterien,  Venen  und  C  a- Peripherisch, 
pi Haren  der  Wirbelthiere,  bleibt  die  Bindesubstanz  und  in  gar 
manchen  Fällen,  besonders  an  Venen  und  venösen  Sinm  der  Fische, 
besteht  aus  ihr  und  elastischen  Fasernetzen  lediglich  die  Gefässwand. 
Auch  die  Aorta  von  Fischen,  wenn  sie  in  einem  Knorpelkanal  verläuft 
(bei  Acipenser  z.  B.)  oder  zum  Theil  den  Vertiefungen  der  \\'irbel- 
körper  eingefügt  ist,    hat    bloss    eine    bindegewebige    mit  elastischen 


414  Vom  Gcfässsysteiii  der  Wirbeltliierc. 

Fasern  durchsetzte  Haut,  die  continuirlicli  in  den  Knorpelkanal  oder 
das  Knochengewebe  der  Wirbel  übergelit.  Es  kann ,  namentlich 
wieder  bei  Fischen,  die  bindegewebige  Wand  der  Venen  so  zart 
sein  und  so  w^enig  von  dem  Bindegewebsgerüst  der  Organe  gesondert, 
dass  man  früher  oft  eine  eigentliche  abgrenzende  Haut  (z.  B.  in  den 
Nieren)  anzweifelte  und  die  Venen  für  Rinnen  in  dem  Parenchym 
der  Organe  erklärte,  ein  Ausdruck,  der  gar  nicht  unpassend  ist, 
wenn  man  nur  im  Auge  behält,  dass  die  Rinnen  innerhalb  der  Binde- 
substanz ausgehöhlt  sind.  Denn  die  grossen  Bhitbehälter,  welclie 
sich  z.  B.  im  Abdomen  der  Selachier  finden,  sind  ebenfalls  nicht 
mehr  als  blosse  Bindegewebsräume. 

Eine  sinncnfälligere  Selbständigkeit  gewinnen  die  Blutgefässe 
erst  durch  die  Umwandlung  von  Bindesubstanzsehiehten  in  elastische 
Häute  und  durch  das  Auftreten  von  Muskeln  ,  welche  das  Gefässrohr 
umgeben.  Bei  den  Epischen  (nach  meinen  Erfahrungen  an  Plagiosto- 
men)  wird  die  Hauptmembran  der  starken  aus  dem  Bulbus  kommen- 
den Gefässe  (Kiemenarterien)  aus  elastischen  Elementen  gebildet, 
nach  aussen  folgt  eine  aus  gewöhnlichem  Bindegewebe  und  einge- 
mengten elastischen  Fasern  bestehende  Tunica  adventitia\  nicht  min- 
der sind  bei  den  Vögeln  die  dicken,  weissgelbcn  Wände  der  Trimci 
anonymi  aus  elastischen  Faserschichten  gebildet.  An  der  Aorta  des 
Reihers  {Ärdea  cinerea)  bemerkt  man,  dass  die  Hauptmasse  der  elasti- 
schen Fasernetze  in  circulären  Scliichten  sich  zusammenhält,  die  dann 
immer  durch  gewöhnliche  Bindesubstanz  gesondert  sind.  Nur  zu  äusserst 
ziehen  auch  einige  Lagen  nach  der  Länge  des  Gefässes.  Die  elasti- 
schen Fasern  gehören  bei  Fischen  und  Vögeln  der  starken,  ästig 
verbundenen  Art  an.  In  den  stärksten  Arterien  der  Säuger,  welche 
zunächst  aus  dem  Herzen  entspringen,  ist  das  elastische  Gewebe 
gleichfalls  der  Hauptconstltuens  der  Gefässwand.  Die  elastischen 
Fasern  in  den  Aortenbogen ,  Aorta  thoracica  und  Aorta  superior  des 
Schafes  haben  eine  durchh'icherte  oder  gefensterte  Beschaffenheit 
(Remak).  Bei  anderen  Thieren  (Schwein,  Rind)  konnte  der  ge- 
nannte Forscher  an  den  entsprechenden  Stellen  nur  sehr  wenige,  in 
anderen  Gelassen  gar  keine  gofenstertcn  Fasern  finden.  Die  elasti- 
schen Fasern  können  sich  verbreitern  und  zu  elastischen  Platten  sich 
verbinden.  —  Auch  die  zwei  Zoll  dicke  Wand  der  Aorta  von  Balaena 
musculus ,  welche  ich  vor  mir  habe,  besteht  nur  aus  elastischem  Ge- 
webe, sie  zeigt  schon  für  das  freie  Auge  eine  Schichtung  in  grössere 
und  kleinere  Abtheilungen,  zwischen  denen  man  Gefässliicken  er- 
bli(;kt  und  mikroskopisch  setzen  elastische  Netze  und  klein  durch- 
löcherte elastische  Häute   die  grösseren  Lagen  zusammen. 

An  den  Arterien,  welche  weiter  ab  vom  Herzen  liegen,  helfen 
Muskeln  die  Gefässhaut  zusammensetzen.  Variabel  ist  der  Ort,  wo 
sie  beginnen.  Bei  liaja  hatis ,  t^pinax  niger ,  Polypterus  z.  B.,  ver- 
misstc  ich  an  der  Aorta  und  vielen  starken  Arterien,  eine  Tunica  mus- 


Blutgefässe.  415 

cularis ,  bei  Raja  hatis  bestand  die  Aorta  ;uis  der  Tnnica  adventitia, 
die  hier  einzelne  goldglänzende  Pigmentliüufchen  besass,  und  zwei- 
tens aus  einer  elastischen  lutinia  sammt  Epithel. 

Beim  Zitterrochen  [Torpedo)  war  zwischen  der  bindegewebi- 
gen Adventitia  und  der  elastischen  Intima  eine  Muscidaris  eingescho- 
ben;  an  Scynmus  lichia  enthielt  die  Basilararterie  des  Gehirns,  die 
stark  schwarz  pigmentirt  sich  zeigte,  keine  Muskeln  mehr,  während 
die  kleinen  Hirngetasse  mit  einer  deutlichen  Ringniuskelschicht  ver- 
sehen waren.  Die  grossen  arteriellen  Gefässstämme  der  Batrachier 
sind  schon  jenseits  des  Bulbus  mit  contractilen  Elementen  ausgestat- 
tet und  an  der  Aorta  des  Landsalaraanders  unterscheidet  man  leicht 
eine  Muscularis  mit  geflechtartig  verlaufenden  Fasern.  In  den  klei- 
nen Arterien,  welche  sich  der  Capillarverzweigung  nähern,  fehlt  eine 
muskulöse  Ringschicht  wohl  nie  und  ist  namentlich  schön  zu  sehen 
beim  Salamander  und  Proteus,  deren  Elementartheile  in  allen  Geweben 
durch  eine  ungewöhnliche  Grösse  sich  auszeichnen.  Von  ganz  be- 
sondrer Entwicklung  beobachte  ich  auch  die  Ringmuskeln  in  den 
Gefässen,  welche  in  die  langen  Zotten  des  trächtigen  Uterus  von 
Acanthias  vulgaris  aufsteigen. 

In  den  Venen,  vorzüglich  bei  Fischen,  kann  die  muskulöse 
Media  ganz  fehlen,  oder  höchstens  in  sehr  zarter  Schicht  vorhanden 
sein.  Dagegen  ist  man  in  neuerer  Zeit  darauf  aufmerksam  gewor- 
den, dass  in  der  Adventitia  grosser  Venen  bei  Säugethieren  glatte 
Längsmuskeln  eingewebt  sind;  Glaud  Bernard  sah  solches  beim 
Pferd,  Remak  beim  Ochsen,  Schaf,  am  stärksten  in  dem  Lebertheil 
der  unteren  Hohlvene  und  den  Lebervenen.  Auch  in  der  Adventi- 
tia mancher  Arterien  kommen  Muskeln  vor,  nach  Remak  lassen 
sich  bei  den  genannten  Säugern,  sowie  beim  Schweine  an  der  Aus- 
senfläche  des  Aortenbogens  und  des  Brusttheils  der  Aorta,  schon  mit 
blossem  Auge  die  von  ihnen  gebildeten  Bündel  unterscheiden. 

§.  383. 
Gewisse  Partien  des  Gefässsystemes,  abgesehen  vom  Central- 
herzen,  können  besonderer  Zwecke  halber  mit  quergestreifter  Mus-  nenen. 
kulatur  ausgestattet  sein,  wodurch  peripherische  Herzen  angelegt 
werden.  Bei  Myxine  und  Branchiostovia  existirt  ein  Pfortaderherz,  bei 
letzterem  ferner  ein  Venenherz  für  das  Lebervenenblut,  auch  die 
Anfänge  der  Kiemenarterien  und  die  Aortenbogen  sind  herzartig 
contractu  {Retzius,  Joh.  Müller).  Im  Schwänze  des  Aals  hat  Mar- 
shai Hall  einen  erweiterten  pulsirenden  Sinus  entdeckt,  was  von 
Joh.  Müller  bestätigt  wurde*),  und  Davy  hat  ein  pulsirendes  Organ 


*)  Von  Interesse  ist  die  Beobachtung-,  welche  G.  Carus  gemacht  hat,  dass 
an  eben  ans  dem  Ei  gekommenen  kleinen  Goldkarpfen  {Cyprinus  auratua)  an  der 
Hohlvene  des  Schwanzes,  wo  vom  hinteren  Ende  der  Aorta  drei  Stämme  in  sie 
überbiegen,  eine  Erweiterung  sich  findet,  an  der  übrigens  nichts  von  Contractionen 
zu  sehen  war.     (Erläuterungstaf.  zur  vergl.  Anat.  Heft  VI.) 


Acc©H 

HUI  iüclte 


416  Vom  Gefässsystem  der  Wirbelthiere. 

in  den  Genitalanhängen  der  Plagiostomen  beobachtet.  Ferner  wur 
den  in  den  Flügehi  der  Fledermäuse  von  W.  Jones  selbständige 
rhythmische  Bewegungen  der  Venen  entdeckt,  die  Tunica  media  ent- 
hält Muskeln,  die,  nach  der  Beschreibung  des  genannten  Frosches 
zu  schliessen,  quergestreifter  Natur  sind,  da  sie  im  Allgemeinen  den 
Muskelfasern  der  Lymphherzen  vom  Frosch  gleichen  sollen,  diese 
aber  den  evident  quergestreiften  angehören.  Schiff  hat  beobachtet, 
dass  die  grösseren  Schlagadern  des  Ohres  vom  Kaninchen  eben- 
falls eine  vom  Herzen  unabhängige  rhythmische  Bewegung  besitzen, 
er  nennt  die  Gcf'ässtämrae  accessorische  Arterienherzen.  Was  hin- 
gegen die  sog.  Axillarherzeu  von  Chimaera  und  Torpedo  betrifft, 
so  müssen  diese,  wie  ich  gezeigt  habe,  aus  der  Reihe  der  periphe- 
rischen Herzen  gestrichen  werden  ,  da  die  hiefür  genommenen  Bil- 
dungen Nebenorgane  des  Sympathicus  oder  Nervendrüsen  sind 
(vergl.  oben  d.  Capit.  üb.  Nebennieren). 

§.  384. 

PuNhende  Bci    (\q\\    höhcrcn  Wirbelthieren    sind  wohl    sehr  allgemein    die 

Venen.  Veucn,  wclclic  in  das  Herz  einmünden,  von  diesen  aus  eine  Strecke 
weit  mit  quergestreiften  Muskeln  belegt  und  schlagen  dann  auch 
wahi-scheinlich;  bei  den  Batrachiern  kann  man  die  rhythmischen 
Contractioncn  der  in's  Herz  führenden  Venenstämme  leicht  dem 
Auge  vorführen.  Sie  sind  mit  einer  dünnen,  aber  deutlichen  Lage 
quergestreifter  Muskeln  versehen.  Ebenso  hat  bei  Fischen  [Aci- 
penser  z.  ß.)  der  vor  dem  Vorhof  gelegene  gemeinschaftliche  venöse 
Sinus  ein  weitmaschiges  Netz  quergestreifter  Muskeln. 

§.  385. 

Cfiveruöee  Au  dcu  Siuus  vetiosi  solbst   der  höchsten  Wirbelthiere  (ich  erin- 

üc-tu^se.  j^^^.y  ^  ß  .^11  ^Ij^  Blutleiter  der  Dura  'iiiater)  kann  das  Lumen  durch 
ein  nach  innen  vorspringendes  Balkennetz  areolär  werden;  von  den 
Arterien  der  Säuger  ist  mir  hierzu  kein  analoges  Beispiel  bekannt, 
wohl  aber  hat  man  bei  Vögeln  und  Amphibien  Bildungen  wahr- 
genommen, die  unter  diesen  Gesichtspunkt  zu  stellen  sind.  Bei  der 
Gans  nach  Tiedemann  und  Barkoio,  formt  die  Arteria  mesenterica 
superior,  da  wo  sie  die  Ravii  intesthiales  abschickt,  eine  Erweiterung, 
die  Wände  verdicken  sich  dabei,  und  da  sie  nach  innen  zahlreiche 
Klappen,  welche  zum  Theil  unter  einander  verbunden  sind,  abge- 
hen, entsteht  ein  netzförmiges  Ansehen.  Sollte  nicht  eine  Notiz, 
die  ich  dem  Jahresb.  L  von  Carvs  entlehne  mul  wornach  Davjy  ge- 
funden hat,  dass  beim  wilden  Schwan  die  Aorta  nach  Abgabe  der 
Arferiae  i/iacae  von  einer  höchst  wahrsclieinlich  muskulösen  Masse 
ningebcu   sei,  auf  eine  verwandte  Grganisation'^bezogen   werden   kön- 


Cavernöse  Gefjisse. 


417 


nen  ?  *)  Ferner  ist  hier  aufzuführen  die  sog.  Carotide  ndrüse  der 
ßatrachier;,  welche  nach  meiner  Erfahrung  dadurch  entsteht,  dass 
die  Kingfasersehicht  des  Gefässes  an  Masse  zunimmt  und  sich  in  ein 
Maschen-  und  Balkenwerk,  ähnlich  den  Herztrabekeln  auflöst,  wobei 
noch  erwähnenswerth  ist,  dass  die  Muskelfasern  der  sog.  Carotis- 
drüse  zu  den  Mittelstufen  zwischen  glatten  und  quergestreiften  Mus- 
keln gehört.  Die  Faser  hat  hiernach  die  Gestalt  und  den  Kern  der 
eigentlichen  glatten  Muskelfaser,  aber  der  Inhalt  zeigt  sich  querge- 
streift. Eine  Anzahl  solcher  Fasern  wird  durch  Bindesubstanz  zu 
grösseren  und  kleineren  Bündeln  vereinigt.  (Beim  Landsalamander 
ist    die  Carotidendrüse    stark  pigraentirt.)     Noch   ist  an    diesem  Orte 

Fig.  208. 


Carotidendrüse  des  Frosches, 
a    Carotis ,    b    die    cavei'nöse    Anschwellung.     (Geringe  Vergr.) 

der  Aorta  der  Meerschildkröten  zu  gedenken;  die  innere  Fläche 
der  grossen  Pulsaderstämme,  sowohl  der  für  die  Lungen,  als  der  für 
den  Körper,  bildet,  wie  Betziiis  zuerst  beschrieben  hat,  für  das 
blosse  Auge  Zellen,  die  ein  der  Schlangonlunge  gleiches  Ansehen 
gewähren.  Diese  nach  innen  geöffneten  Zellen  leiten  zu  anderen, 
tiefer  liegenden,  so  dass  die  ganze  innere  Membran  wie  spongiös 
anzusehen  ist.  In  dem  Aortenstamm  reicht  diese  cavernöse  innere 
Bekleidung  bis  zur  Mitte  des  Rückgrathes  und  setzt  sich  etwas  wei- 


*)  Ich  habe  unterdessen  die  eigenthümliche  Bildung  an  der  Art,  mesent.  sup. 
der  Gans  selbst  untersucht.  Die  klappenartigen  Vorsprünge  stehen  im  oberen  Ab- 
schnitt ziemlich  regelmässig  quer,  im  unteren  verbinden  sie  sich  mehr  netzförmig; 
sie  bestehen  übrigens  der  Hauptmasse  nach  aus  Netzwerken  feiner  elastischer 
Fasern,  und  die  glatten  Muskeln,  welche  allerdings  vorhanden  sich  zeigen,  sind 
in   der    Minderzahl. 

Leydig,    Histologie.  27 


(Jefilss- 
epithel. 


418  Vom  (jrefässsystem  der   Wirbelthiere. 

ter  nach  'hinten  in  dem  rechten,  als  im  linken  Stamme  fort.  (Bei 
der  Land-  und  Flussschildkröte  mangelt  dieser  Bau.)  Da  in  der 
sog.  Carotidendrüse  der  Batrachier  das  Balkenwerk  rau.^kulöser  Natur 
ist,  so  darf  wohl  ein  gleiclies  auch  bezüglich  der  angegebenen  Bil- 
dime:  der  Gans  und  der  Meerschildkröte  vermuthet  werden. 

§.  386. 

üb  ein  Epithel  beständig  die  innere  Wand  der  Gefässe  über- 
kleidet, davon  bin  ich  nicht  überzeugt,  ja  habe  dasselbe  öfters,  so 
noch  jUngsthin  an  der  Aorta  des  Reihers  vermisst,  bei  Knochen- 
fischen sah  ich  es  mitunter  ans  sehr  zarten  Zellen  zusammengesetzt, 
die,  mit  Wasser  zusammengebracht,  schnell  aufqnollen  und  phatzten. 
Nach  Bemah  besteht  das  P]pithcl  der  Aorta  des  Menschen,  Och- 
sen, Schweines,  Schafes,  aus  einer  einfachen  Lage  unverschmolzener 
Zellen,  die  sich  gern  ablösen  und  auseinander  fallen,  daher  auch 
leiclit  der  Beobachtung  entgehen.  Darnnter  kommt  noch  eine  ziem- 
lich dicke  Lage  von  platten,  langgezogenen  Zellen,  tue  mehr  der 
Länge  als  der  Quere  nach  zusammenhängen.  (Von  diesem  Epithel 
glauben  Henle,  Schnitze  und  ich  selber  öfters  eine  Verschmel- 
zung der  Zellen  zu  einem  klaren,  ziemlich  festen,  mit  hingsovalcn 
Kernen  versehenen  Häutchen,  wahrgenommen  zn  iiaben.)  Auch  in 
der  Lungenarterie  und  den  grösseren  Aesten  sei  das  Epithel  aus 
mehren  Schichten  zusammengesetzt.  In  der  Carotis  und  anderen 
Arterien  von  gleicher  Stärke  sei  es  dünner  und  weicher,  ebenso  in 
den  grösseren  Venen.  Doch  fügt  auch  Bemal-  hinzu,  dass  noch 
festzustellen  bleibe,  wie  weit  sicli  das  Epithel  nach  der  l'eri|)herie  hin 
erstrecke. 

§.  387. 
(•«piiiaren.  Anlangend    die    feinsten   Ca])illaren,     so    besitzen    sie    übcrein- 

stinmiend  bei  allen  Wirbelthiercn,  wo  si(^  gesondert  dargestellt  wer- 
den können,  eine  einzige  homogene  Haut  mit  längsuvalen  Kernen. 
Dass    beim   Proteus    we<ren     i\i,'r    enorm    i>-rossen    Blutkiio-elchen    auch 

o  o  o 

die  feinsten  Capillaren  geräumiger  sind,  als  bei  andei-en  Wirbelthie- 
rcn, ist  selbstverständlich. 

Im  Fleisclic  des  Herzens  von  nnsercni  St-lilaclitvieli  Ix-obaclitcte  r.  Jlessling 
eif^enthfhnliclu!  parasitische  Kör-por,  die  mit  den  oben  (s  Miiskelsystem)  cr- 
wäimteu  p.irasitiscben  («ebilden  ans  den  Muskeln  der  Ratten  und  Mäuse  Aehnlich- 
keit  zuigen  (Zeitschr.  für  wiss.  Zool.  Hd.  V).  Dass  ich  auch  bei  Spinnen  sowohl 
in  den  Muskeln  des  Stnnnnes  als  ancli  des  Herzens  verwandte  Körper  angetroffen 
habe,  wurde  sehen  erwähnt.  iCs  waren  Haufen  eigcntiiümlicher  ovaler  Körperchen, 
hell,  scliarf  contnrirt ,  lagen  im  Innern  der  i'riniitivbündcl  und  sehwanden  nicht 
in  Kalilauge;  wo  sie  diciit  beisammen  lagen,  verursachten  sie  bei  auffallendem 
Licht  weisse  Streifen. 

Im  1'1'ortadcrstamni  der  Coluher  zieht  sich,  wie  Ilriickr  beschrieben,  ein 
Spiral  ig  verlaufendes  ]5and  hin,  welches  bei  der  Füllung  der  Vene  tief  in  das 
LnuHMi   leicht   und    den  Wnlci  stand    vermehrt.      Ich   habe  hieranr  unsere  Ringelnatter 


Lynipligefässe.  "  419 

untersucht  und  finde,  dass  es  mit  diesem  „Band"  folgende  Bewandtniss  hat.  Aus  dem 
Leberende  treten  ausser  dem  Hauptgang  noch  zahlreiche,  ich  zähle  gegen  12,  feine 
Gallengänge  heraus,  die  sich  netzförmig  verbinden.  Nach  dem  Darm  hin  sammeln 
sie  sich  in  einige  wenige  Gänge  und  diese,  der  Pfortader  innig  angeheftet,  erzeugen 
das  erwähnte^^  „spiralige  Band."  Meine  Präparationsweise  ist  die,  dass  man  das 
Endstück  der  Leber  mit  allem  was  ein-  und  austritt  im  Zusammenhang  ausschneidet, 
ausbreitet  und  mit  Essigsäure  behandelt.  Das  Epithel  der  jGallengänge  trübt  sich 
und  es  stechen  somit  letztere  ohne  Weiteres  von  den  ganz  hell  gewordenen  Blut- 
gefässen ab  und  können  leicht  verfolgt  werden. 

§.  388. 

Was  das  Lympligefässsystem  angeht,  so  ist  abermals  vorn  vorne     ^-y^i''- 
lierein  zu  bemerken,  dass  dasselbe  in  einzelnen  Partien  einer  organo- 
logisclien  Selbständigkeit  entbehrt,  da  häufig  die  Lichtungen  der  Gefässe 
mit  Hohlgängen  oder  Räumen  in  dem  Bindegewebe  gleich  bedeutend 
sind.     Für   die   sog.  Lymphcapillaren   ist  solches    durcliM^eg    der  Fall, 
sie  sind  nichts  andres,  als  netzförmig  zusammenhängende  Bindegewebs- 
körperchen,  w^as  man  sich  am  leichtesten  vom  Schwänze  der  Batrachier- 
larven   zur   Anschauung   bringen   kann.     Bei    niederen    Wirbelthieren 
(Fischen,    Amphibien)  bleiben  auch  die  stärkeren  Gefässe,  welche 
häufig   zu    grossen  Säcken    und  Behältern  sich  erweitern,    auf  dieser, 
wenn  man  so  sagen  darf,  indifferenten  Stufe  stehen,  die  dünnen  Wände 
grenzen  sich  nicht  von  der  bindegewebigen  Umgebung  ab,  und  es  ist 
mir  sehr  zweifelhaft,    ob  ein  Epithel  die  Räume  auskleidet.     Bei    den 
höheren  Klassen,  namentlich  den  Säugethieren,  individualisiren  sich 
viele  Lymphgetässe  dadurch,  dass  die  Bindesubstanz  sich  in  elastische 
Schichten  verwandelt,  und  glatte  Muskeln  sich  herumlegen.     Eine  sehr 
allgemeine  und  merkwürdige  Erscheinung  bezüglich  des  Verlaufes  der 
Lymphgefässe  bei  Fischen  und  Amphibien    ist   die,    dass    die  Blutge- 
fässe von  Lymphgefässen    scheidenartig  umgeben  werden   (zuerst  von 
Bojanus  an  der  Aorta  descendens    der  Schildkröte  erkannt,    wo    der 
Milchbrustgang    durch    Lufteinblasen    als  Scheide    um    das  Blutgefäss 
erschien),  wobei  alsdann  das  Gewebe  der  Tunica  adoentitia  des  Blut- 
gefässes zur  Darstellung  der  Lymphgefässwand  verwendet  ist.     Noch 
kürzlich    sah    ich  sehr  schön    an    einer    weiblichen  Pipa    dorsigera  die 
Blutgefässe  des  Darmgekröses  von  Lymphgefässen   umschlossoi ,    die, 
sich  vom  Darm  her  sammelnd,  zu  einem  grossen,  länglichen  Behälter 
wurden,  der  nach  der  Wurzel  des  Darmgekröses  hinlief.     Der  Inhalt 
der  Lymphgefässe  war  eine  grauweisse,  krümliche  Masse,  die  mikros- 
kopisch aus  Punktsubstanz  und  zahlreichen  Fettkügelchen  verschiedener 
Grösse  bestand.     (Die  Milz    lag  der  Wand    des  Lymphbehälters    an.) 
—   Hat    das   Lymphgefäss    eine    grosse  Weite,    so   spannen  sich  von 
der  Wand    desselben    zum    eingeschlossenen    Blutgefäss    häutige   Bal- 
ken herüber.     Aber    nicht  blos  bei   niedren  Wirbelthieren ,    auch   bei 
Säugern    dürfte   mitunter    eine   ähnliche    Beziehung    zwischen   Blut- 
und    Lymphgefässen    obwalten.      Ich    habe    bei    der    Präparation    des 

27* 


420  Vom  (iefässsystem  der  Wirbelthiere. 

Brusttheils  der  Aorta  vom  Ochsen  bemerkt,  wie  die  Tunica  advenüüa 
nach  innen  zu  ein  weitmaschiges  Fächerwerk  beschrieb  ,  dessen  freie 
Flächen  von  glattem,  glänzendem  Aussehen  waren  und  in  den  Räumen 
lagen  lymphatische  Gerinsel.  Es  ist  mir  in  hohem  Grade  wahrschein- 
lich, dass  hier  die  Tunica  adventitia  der  Aorta  die  Rolle  von  um- 
spinnenden Lymphräumen  hatte.  Ein  andres  Beispiel  meldet  Brücke. 
Nach  diesem  Forscher  gelangt  beim  Kaninchen  der  Chylus  innerhalb 
Scheiden,  welche  um  die  Blutgefässe  gebildet  sind.  (Besehe  ich  mir 
die  Figur  genauer,  welche  Uosenthal  in  den  Act.  Acad.  Leop.  XV. 
von  der  grossen  Gekrösdrüse  der  Phoca  vitulina  geliefert  hat,  so  will 
es  mich  bediinken,  als  ob  auch  hier  der  Zeichner  die  Vasa  lactea 
ajferentia  aus   der  Scheidenhaut  der  Blutgefässe  sich  hervorbilden  sah.) 

§.  389. 

Das    über    die  Histologie    der  Lymphgefässe    eben  Vorgebrachte 
könnte  dazu  dienen,  die  bis  jetzt  darüber  gepflogenen  Streitigkeiten  zu 
schlichten.     Alle  Forscher,    welche  früher  sich  mit  dem  Studium  der 
Lymphgefässe  speziell  abgaben,  bedienten  sich  der  Methode  der  Lijec- 
tion,  so  Fohviann,  Fanizza,  Rusconi.     Schon  gegen  die  Arbeiten 
Fohmantis,  obwohl  sie  grosse  Anerkennung  fanden,  machte  sich  der 
Einwurf  geltend ,    es   seien  die  mit  Quecksilber    dargestellten  Lymph- 
gefässe meist  nur  künstliche  Räume  im  Bindegewebe.     Panizza   ge- 
brauchte ebenfalls  die  Quecksilberinjectlon,  Rusconi  erstarrende  Mas- 
sen, da  er  entgegen  Panizza  aufmerksam  machte,  dass  durch  Queck- 
silber die  Lymphgefässe  zu  übermässig  ausgedehnt  und  daher  dilfbrm 
dargestellt  würden.   In  der  Hauptsache,  zunächst  abgesehen  von  andren 
DiflPerenz punkten  kommen  beide  insofern  überein,  dass  bei  den  Amphi- 
bien ein  grosser  Theil  der  Arterien  in  Lymphgefässen  eingeschlossen 
liegen.      Die    Arbeiten    der     beiden     genannten     italienischen    Natur- 
forscher   haben    später    dasselbe    Urtheil    über    sich     ergehen    lassen 
müssen,  wie  Fohmann.    Es  versuchte  nämlich  Meyer  mit  Anwendung 
der  einfachen,    anatomischen  Untersuchung,    des  Aufblasens  mit  Luft 
und  Injiciren  mit  Milch,  die  Angaben  von    Panizza    zu    prüfen    und 
er  kam  zu  dem  Resultat,   dass  fast  alle  Kanäle,    welche  Panizza  als 
Lymphgefässe  beschrieb,  Hohlräume  im  Bindegewebe,  Räume  zwischen 
Lamellen    bindegewebiger   und    seröser  Membranen    und  dei-gl.  seien, 
so  dass  es  schien,    als    ob  den  Werken    von  Panizza  und  Rusconi 
nur  ein  geringer  Werth  zugestanden  werden  könne    und  Ecker,    in- 
dem   er    über    die  Schriften    der    genannten    Anatomen   in  Müllers 
Archiv  rcferiit,  meint,  es  sei  das  Lymphgefässsystem  der  Amphibien, 
das  doch  ohne  Zweifel  existire,    sehr    wenig  bekannt,    und  seine  Er- 
forschung   sei    eine  Aufgabe    der  Jetztzeit.     Allein    insoweit    icb    den 
Lymphgefässen  der  Fische  und  Amphibien   histologisch  nachgegangen 
bin,   wovon  ich  das  Ergebniss  vorhin  mitgetheilt  habe,  möchte  ich   be- 
haupten, dass  Fohma  nn ,    Panizza  und    Rusconi   im  Rechte  sind, 


Lymphherzen.  421 

wenn  sie  daran  festhielten,  Lymphgefässe  injicirt  zu  haben  und  dass 
aber  auf  der  andren  Seite  die  Gegner,  namentlich  Meyer,  nicht  min- 
der Recht  haben,  wenn  sie  den  von  genannten  Forschern  beschriebenen 
Lymphgefässen  lediglich  die  morphologische  Bedeutung  von  Bindege- 
websräumen  zuerkennen.  Die  Lymphgefässe  niedrer  Wirbelthiere 
sind  eben,  wie  oben  aufgestellt  wurde,  wirklich  nichts  andres  als  Hohl- 
gänge und  Räume  im  Bindegewebe  und  es  existirt  in  der  Tliat  kein 
andres  Lymphgefässsystem,  als  jenes,  welches  Fohmann  und  Panizza 
geschildert  haben.  Dass  durch  die  Quecksilberinjectionen  manche 
Ditformitäten  zu  Wege  kamen,  thut  der  Sache  keinen  Abbruch.  Auch 
der  eigentliche  Streitpunkt  zwischen  Panizza  und  Rusconi,  ob 
nämlich  das  Blutgefäss  im  wirklichen  Lumen  des  Lymphgefässes  liege 
oder  nur  in  dasselbe  eingeschoben  sei,  wie  etw^a  das  Eferz  in  den 
Herzbeutel ,  erledigt  sich  aus  der  histologischen  Auffassung.  Denn  die 
Wand  der  eingeschlossenen  Arterien  ist  nicht  rein  muskulös,  sondern 
auch  bindegewebig  und  mit  diesem  Bindegewebe  steht  die  Wand  des 
umhüllenden  Lymphgefässes  durch  Balken  und  Plättchen  in  Conti- 
nuität.  Man  könnte  eben  desswegen  auch  sagen,  die  Tunica  advenütia 
der  Arterien  sei  umhüllendes  Lyraphgefäss  geworden. 

§.  390. 
Es  wurde  oben  erörtert,  dass  die  Lymphgefässe  der  Fische 
und  Reptilien,  vielleicht  auch  die  der  Vögel,  ledighch  aus  Binde- 
gewebe bestehen,  die  der  Säuger  aber  häufig  durch  den  Besitz  einer 
Muskclhaut  vervollständigt  sind.  Vielleicht  kann  man  damit  in  Zu- 
sammenhang bringen,  dass  bei  Fischen,  Amphibien  und  Vögeln  ge- 
wisse Stellen  des  Lymphgefässsystemes  sich  mit  stärkrer,  quergestreif- 
ter Muskelsubstanz  belegen  und  so  zu  Lymph herzen  werden,  wäh- 
rend man  bei  Säugethieren  dieselben  bis  jetzt  nicht  hat  auffinden 
können.  Die  Lymphherzen  wurden  von  JoJi.  Müllen-  und  Panizza 
zuerst  bei  den  Batrachiern  entdeckt  und  darauf  bei  allen  Ordnungen 
der  Amphibien  nachgewiesen.  (Die  Schlangen,  Chelonier,  Saurier 
haben  zwei,  die  Frösche  vier  oder  auch,  wie  ich  von  Geratoplirys 
dorsata  gezeigt,  sechs,  ebenso  viele  haben  nach  Panizza  und  Meyer 
Salamandra  und  Triton.)  Die  der  Fische  hat  Hyrtl  kennen  ge- 
lehrt, die  der  Vögel  Panizza.  Die  gedachten  Organe  bestehen  aus 
dem  bindegewebigen  Grundstratum,  welches  auch  die  Lmenfläche  be- 
grenzt und  (wenigstens  bei  Ceratophrys  dorsata)  ohne  Epithel  war,  an 
den  Lymphherzen  des  Pseudojyus  Pallasii  unterschied  Hyrtl  ein 
Plattenepitliel;  die  Hauptmasse  des  Lymphherzens  wird  aus  der  quer- 
gestreiften Muskulatur  gebildet,  welche  auch  in  Trabekeln  vorspringt 
und  deren  Primitivbündel  sich  gerne  verästeln. 

§.  39L 
Lymphdrüsen,    welche    den    Säugethieren    allgemein    zu-     Lymph- 
kommen, mangeln  schon  bei  den  Vögeln  im  Mesenterium  und  linden 


l-.\  ITIpIt- 

lieizen. 


drüsen- 


422  Vom  Gefässsystem  der   VVirbelthiere. 

sich  fast  nur  am  vordren  untren  Theil  des  Halses.  Bei  den  Reptilien 
scheinen  sie  allerorts  zu  mangeln  (nur  beim  Krokodil  sollen  der- 
gleichen beobachtet  worden  sein)  und  ebenso  wurden  sie  bisher  für 
die  Fische  in  Abrede  gestellt.  Jedoch  ist  an  der  Existenz  von 
Lymphdrüsen  bei  der  letztren  Thierklasse  nach  meinen  Erfahrungen 
nicht  zu  zweifeln.     Ich  halte  für  Lymphdrüsen: 

1)  die  weisse  Drüsenmasse,  welche  zwischen  der  Muskel-  und 
Schleimhaut  des  Schlundes  bei  Rochen  und  Haien  w^ahrgenommen 
wurde ; 

2)  die  weisse  Drüsenmasse  in  der  Augenhöhle  und  unter 
der  Gaumenhaut  von  CMmaera  (Müll.  Arch.  1851); 

3)  das  von  Joh.  Müller  entdeckte  epigonale  Organ  in  den 
Bauchfellfalten  der  mit  einer  Nickhaut  versehenen  Haifische; 

4)  die  weiche,  pulpöse  Masse,  welche  beim  Stör  in  der 
Schädelhöhle  den  Anfangstheil  des  Rückenmarkes  deckt  und  bis  zum 
Schädeldache  emporsteigt.  Alle  diese  Bildungen  stimmen  im  äussren 
Habitus  und  im  Bau  vollkommen  miteinander  überein.  Für  das  freie 
Auge  erscheinen  sie  als  gelbliche,  oder  weissliche,  oder  grauröthliche, 
drüsige  Massen,  die  mehr  oder  weniger  deutlich  gelappt  sind  und 
keinen  Ausführungsgang  besitzen ;  histologisch  bestehen  sie  aus  einem 
Gerüst  von  Bindesubstanz  mit  Blutgefässen  und  zclliger  Pulpe,  deren 
Elemente  sich  von  Lymphkügelchen  nicht  verschieden  zeigen. 

Zweifellose  Lymphdrüsen  sind  ferner 

5)  die  schwammige  Substanz,  welche  die  Herzkammer  und 
den  Biilhus  arteriosus  des  Störs  umkleidet,  sow^ie  die  Drüse,  welche  im 
Communikationskanal  zwischen  Herzbeutel  und  Bauchhöhle  bei  dem- 
selben Fische  sich  findet.  Sie  bestehen  ans  einem  bindegewebigen 
Fachwerk,  das  foUikelartige,  miteinander  zusammenhängende  und  mit 
Lymphe  erfüllte  Räume  erzeugt,  wobei  merkwürdig  ist,  dass  mitten  in 
die  Lymphräume  hinein  ein  Gefässb  üschel  hängt,  den  man  schon 
mit  freiem  Auge  als  rothen  Blutfleck  erkennt.  Mit  dieser  letztren 
Beobachtung  sind  offenbar  ein  paar  andre  von  mir  veröffentlichte 
Wahrnehmungen  in  Beziehung  zu  setzen.  Bei  den  Plagiostomen 
nämlich,  wo  man  die  Blutgefässe  häufig  innerhalb  von  Lymphgetassen 
trifft,  springen  dabei  in  das  Lumen  des  Lyinphgefässes  einfache  Ge- 
fässglomeruli  vor;  und  beim  Landsalamander,  wo  die  grössre  Vene, 
welche  von  der  Bauchwand  zur  Leber  tritt,  ebenfalls  von  einem  Lyniph- 
gefass  umschlossen  liegt,  giebt  diese  Vene  kleine^Aussackungen  in 
das  Lumen  des  Lymphgefässes ,  die  eine  einfache  oder  mehrfache 
Schlinge,  eine  Art  Olomeridus  bilden,  aber  unmittelbar  neben  ihrem 
Austritt  wieder  in  das  Stammgefäss  zurückkehren.  Diese  Erscheinungen 
alle  weisen  auf  eine  gewisse,  innige  DurcJuh-ingung  von  Blut-  und 
Lymphgefässen  hin. 


Lymphdrüsen, 


423 


Fig.  209. 


Zu    den  L  y  mphgefässen  der  Amphibien  und  Fische. 
A  Lymphgefäss  vom  Landsalamander,  eine  Vene  (a)  einschliessend,  welche  einfache 

knäuelförmige  Ausbuchtungen   ins  Innere  des  Lymphgefässes    abgiebt. 
B    Die    Glomeruli,    welche    bei    Selachiern    in    das  Lumen   des  Lymphgefässes  vor- 
springen.    (A  bei  geringer,    B  bei  starker  Vergr.) 

Endlich  6)  bei  manchen  Knochenfischen  werden  die  Blutge- 
fässe des  Mesenteriums  nach  ihrem  ganzen  Verlauf  scheidenartig-  von 
Lymphdrüsen  undiüllt.  Die  Tvnica  adveittitia  der  Blutgefässe  nämlich 
wandelt  sich  zu  Areolen  um,  welche  mit  klaren,  kleinen  Zellen  und 
(in  der  Mitte  der  Follikel)  mit  hellen  Körnchen  angefüllt  sind,  die  den 
Kügelchen  des  Sekretes  vom  Pancreas  ähneln.  Diese  Gruppirung  des 
zellig -körnigen  Inhaltes  der  Ljmphräume  erinnert  an  die  Strukturver- 
hältnisse der  Thymus  mehrer  Thiere.  Ich  habe  eine  solche  Organisation 
von  Trigla  Jnnmdo  und  Bactyloptera  voUfans  beschrieben  (Müll.  Arch. 
1854,  S.  323),  finde  jetzt  auch  bei  einem  sehr  grossen  Exemplar  von 
Cohitis  fossiUs ,  dass  die  Blutgefässe  zwischen  Magen  und  Leber  von 
Lymphdrüsenmassen  undiüllt  w^erden,  die  selbst  mit  den  Venen  in  die 
Lebersubstanz  sich  hineinziehen,  was  dann  der  Lebersubstanz  ein  sehr 
eigenthümliches  Aussehen  giebt. 

Die  beiden  Thatsachen,  einmal  dass  die  Blutgefässe  innerhalb 
von  Lymphgefässcn  liegen  können  und  zweitens,  dass  die  bindege- 
webige Timica  adrentitia  sich  zu  dem  Gerüst  einer  Lymphdrüse  um- 
formen kann,  geben  einen  nicht  unbedeutsamen  Fingerzeig  über  die 
morphologische  Beziehung  der  Lymphgcfässe  zu  den  Lymphdrüsen. 
Letztre  müssen  gleichsam  für  erweiterte  und  durch  ein  bindegewebiges 
Flechtwerk,    das    bei    manchen  Säugern    auch  Muskeln  enthalten    soll. 


424 


Vom  Gefässsysteta  der   Wirheltliiere. 


Fig.   210. 


"^<jr^ 


Ein  Stück  Blutgefäss    aus   dem   Mesenterium    von  Trigla  liirundo. 
a  Blutgefäss,  ):>  die  einschliessende  Lymphdrüsenmasse.     (Starke  Vergr.) 

areolär  gewordene  Lympbgefässe  erklärt  werden.  Die  Masclienräimie 
(Follikel)  sind  mit  zelligen  Elementen  angefüllt,  welcher  Inhalt  dem 
Gebilde  die  solide,  drüsige  Beschaffenheit  verleiht. 

Für  die  physiologische  Auffassung  der  Milz  scheint  mir  von  Be- 
lang, zu  wissen,  dass  jene  Lymphdrüsen,  welche  bei  manchen  Säugern, 
dem  Schweine  z.  B.,  in  der  Brusthöhle  nach  dem  Verlauf  der 
Aorta  thoracica  liegen,  von  derselben  dunkelrothen  Färbung  sind  wie 
die  Milz,  so  dass,  falls  sie  in  nächster  Nähe  dieses  Organs  lägen,  recht 
wohl  für  Nebenmilzen  erklärt  werden  könnten.  Wir  haben  gleich 
in  den  nächsten  Zeilen,  wo  uns  die  Milz  der  Wirbelthiere  zu  beschäf- 
tigen hat,  hierauf  zurückzukommen. 


Milz. 


§.  392. 

Die  Milz,  welche  bei  allen  Wirbelthieren  mit  Ausnahme  einiger 
niedrigst  stehender  Fische  {Branchiostoma  und  Muxine)  angetroffen 
wird,  bietet  folgende  Modifikationen  im  Bau  dar. 

Die  bi  ndege  v/ebige  Hülle  ist  bald  dicker,  bald  dünner,  und 
enthält  bei  manchen  Säugethieren  (Hund,  Schwein,  Esel,  Katze) 
auch  glatte  Muskeln  eingewebt;  das  von  der  Hülle  nach  innen  sich 
fortsetzende  Balkenwerk  ist  entweder  so  stark  entwickelt,  dass  man 
die  gröberen  Züge  mit  freiem  Auge  als  weisse  Fasernetze  unterscheiden 
kann  oder  so  fein,  dass  es  erst  der  mikroskopischen  Beobachtung  sich 
darstellt.  Die  Trabekeln  bestehen  meist,  Avie  die  Hülle,  aus  Bindege- 
webe und  elastischen  Fasern,  bei  einigen  Säugethieren  (Rind ,  Hund, 
Katze,  Ratte,  Pferd,  Schaaf,  Kaninchen,  Igel,  nach  Gray)  auch  zum 
Theil  aus  glatten  Muskeln,  doch  scheinen  die  Muskeln  in  der  Hülle 
\\\\^\  dem   P)alkennetz  der  Milz  nicht  über  sehr  viele  Wirbelthiere  ver- 


Milz. 


425 


breitet  zu  sein,  wenigstens  habe  ich  bei  allen  bisher  hierauf  geprüften 
Fischen  und  Amphibien  am  fraglichen  Orte  contractile  Elemente  ver- 
misst.  In  die  Räume  des  Fachwerkes  ist  die  Pulpe  eingebettet  und 
diese  zeigt  sich  als  rothe  und  theilweise  auch  als  weissgraue  Masse. 
In  der  Regel  ist  die  rothe  Pulpe  in  überwiegender  Menge  vorhan- 
den, während  die  weissgraue  sich  auf  einzelne,  kleine  Stellen  be- 
schränkt und  diese  werden  durch  den  Namen  Malpighische  Kör- 
per eben  ausgezeichnet;  so  ist  das  Bild  bei  den  meisten  Säuge- 
thieren,  Vögeln,  manchen  Batrachiern;  andrerseits  durchzieht 
die  weissgraue  Pulpe  in  dendritischer  Form  mit  knospenartigen  Vor- 
sprüngen die  rothe  Pulpe,  Beispiele  hiefür  liefert  die  Milz  des  Maul- 
w^urfes  und  vieler  Fische;  in  seltneren  Fällen  nimmt  die  weiss- 
graue Pulpe  kernartig  die  Mitte  der  Milz  ein  und  herum  liegt,  gleich- 
sam wie  eine  Schale,  die  rothe  Pulpe,  dies  kommt  vor  bei  der  Unke 
{Bomhinator  i'gneus)]  ebenso  vereinzelt  ist  die  Bildung,  dass,  wie  wir 
es  bei  der  Ringelnatter  erblicken,  die  rothe  Pulpe  vollständig  fehlt, 
die  Milz  daher  weisslich  aussieht  und  kaum  einen  Stich  ins  Rothe  hat.*) 


Fig.  211. 


A     T, 


Stücke  von  der  Milz  einiger  Thiere.     (Natürl.  Grösse.) 
A  Von  Hexanchus  griseus :    a  die  Randvene,    b  die   durchschimmernden  und  den 

Gefässscheiden  aufsitzenden  Malpighi'schen  Körper. 
B  Von  Scymnus  lichia:    a  die  Schnittfläche,    auf  der  man  die  traubig  gruppirten 

Malpighi'schen  Körper  unterscheidet. 
C  Von  Acipenser:    a  die  Schnittfläche,  die  weissen  Flecke  sind  die  Aequivalente 

der  Malpighi'schen  Körper. 
D  Von  Bombinator  igneus  (beiläufig   .Smal    vergrössert) :    bei    a  die  Schnittfläche 

und  in  ihr  der  weissgraue  Kern. 

Die  Elemente  der  Pulpe  selber  anlangend,  so  besteht  die  rothe 
vorwaltend  aus  gefärbten  Blutkügelchen  und  beigemischten ,  farblosen 
Zellen,  letztere  machen  hingegen  den  Hauptbestandtheil  der  weiss- 
graue n  Pulpe  aus;  sehr  eigenthümlich  verhalten  sich  in  diesem  Punkte 
manche  Haie,  Scymnus  lichia  z.  B.,  bei  welchem  die  weissgraue  Pulpe 


*)  Habe  berichtigend  anzumerken,  dass  der  Mangel  der  rothen  Pulpe  in  der 
Milz  der  Natter  individuell  ist  und  von  bestimmten ,  mir  nicht  näher  bekannten 
Lebenszuständen  abhängt,  denn  an  vier  diesen  Sommer  untersuchten  Exemplaren 
war  rothe  Älilzpulpe   zugegen. 


426 


Vom  Gefässsystem  der  Wirbeltbiere. 


aus  Fettkörnern  gebildet  ist.  (Auch  in  der  Milz  von  Embryonen  des 
Spinax  acanfhias  waren  die  farblosen  Zellen  mit  einem  Ring  von  Fett- 
tröpfchen umgeben.)  Es  ist  ferner  ins  Auge  zu  fassen,  wie  sich  das 
ßindegewebsgerüst  der  Milzbalken  in  der  unmittelbaren  Umgebung 
der  Weissgrauen  Pulpe  gestaltet.  Da  wo  diese  in  dendritischer  Form 
die  rothe  Pulpe  durchsetzt,  vermag  man  unschwer  wahrzunehmen, 
dass  eine  feste  Bindegewebsscheide  sie  umgiebt,  die  sich  bei  näherer 
Untersuchung  als  die  Tunica  adventitia  der  Gefässe  ausweist,  z.  B. 
beim  Stör.  Die  Adventitia  nämlich  löst  sich  feinmaschig  auf  und  die 
Zwischenräume  werden  von  den  farblosen  Zellengruppen  eingenommen; 
stellenweise  erfolgt  eine  stärkre  Anschoppung  der  Lymphkügelchen, 
was  sich  dann  dem  freien  Auge  unter  der  Form  knospenartiger  Vor- 
sprünge der  weissgrauen  Substanz  kund  giebt.  Auch  bei  den  Säuge- 
thieren  kann,  wie  wir  durch  Remalc  wissen,  die  graue  Pulpe  nach 
Art  einer  streifigen  Ablagerung  innerhalb  der  Tunica  adventitia 
sich    anhäufen,    öfter   indessen    sammeln   sich    die  Zellen  so  an,    dass 

Fig.  212. 


,\  • 


--«. 


Alis    i\i'v    Milz    des   St  Ti  r  s. 
Uliitgcffiss,    h  TmiiCii  adventitia  dorseiben,     dincii    I'".inl;iyeruiig  zclligi  i    Kleniente 
coiitinuii-licli  iuii'getrieben  und  dadiircb   MaljiigbiVcbe  Köi-perchen  bildend. 


Milz.  427 

niiKlliche  Ballen  zuwege  kommen  und  da  auch  das  Bindegewebe  um 
die  Zellenanhäufungen  herum  so  fest  sein  kann,  dass  eine  etwelche 
Isolirung  möglich  wird,  so  hat  man  nun  dergleichen  Ansammlungen 
farbloser  Zellen  für  besondere  Organe  erklärt  und  mit  dem  Namen 
„Malpighi'sche  Körperchen"  belegt.  Allein  es  hängt,  wie  die  Ei'fahrung 
darthut,  lediglich  von  der  derberen  oder  zarteren  Beschaffenheit  des 
Bindegewebes  ab ,  ob  man  sie  ausschälen  kann  oder  nicht.  —  Schon 
bei  Säugeth leren  finden  wir  häufig  die  Malpighischen  Körper  so 
wenig  abgeschlossen,  dass  eine  Grenze  zwischen  dem  Bindegewebe 
des  Malpighi'schen  Körpers  und  des  umliegenden  bindegewebigen 
Fachwerkes  nicht  wahrzunehmen  ist,  ebenso  treffen  wir  es  bei  Vö- 
geln und  Batrachlern.  Seihst  hei  Bombinator,  wo,  man  könnte  be- 
haupten, ein  einziger  kolossaler  MalpighTscher  Körper  das  Centrum  der 
Milz  einnimmt,  lässt  sich  denn  doch  nicht  eine  abschliessende  Hülle  nach- 
weisen, sondern  das  zarte,  bindegewebige  Netz,  das  den  weissgrauen 
Milzkern  durchstrickt,  setzt  sich  contlnuirllch  In  die  rothe  Pulpe  fort. 
Den  genannten  Fällen  gegenüber  haben  die  Malpighischen  Körper  des 
Hexanchus,  wo  sie  kuglige  Auftreibungen  der  Tunica  adventitia 
bilden,  eine  sehr  scharfe  Umgrenzung;  nicht  minder  die  bei  der  Rlngel- 
natter,  welche  derbhäutige  Follikel  vorstellen. 

§.  393. 

Nach  Dem,  was  Im  Voranstehenden  mitgetheilt  wurde  und  was  sonst 
in  neurer  Zeit  über  die  Struktur  der  Milz  bekannt  geworden  Ist,  erhärtet 
sich  Immer  mehr  die  Ansicht,  dass  dieses  Organ  mit  dem  Bau  der 
Lymphdrüsen  die  grösste  Verwandtschaft  gemein  hat.  Es 
scheinen  auch  die  mit  rother  Pulpe  gefüllten  Räume  in  unmittelbarer 
Communikation  mit  den  Blutgefässen  zu  stehen  und  analogerweise 
müssen  wohl  die  mit  grauer  Pulpe  versehenen  Partien  für  Lymphräume 
gelten.  Dafür,  dass  die  mit  rother  Pulpe  gefüllten  Cavernen  der  Milz 
mit  dem  Blutgefässsystem  communiziren  spricht  ausser  der  Zusammen- 
setzung der  Pulpe  aus  gefärbten  Blutkügelchen  der  Umstand,  dass  es 
nicht  gelingt,  einen  unzweifelhaften  Uebergang  von  den  Caplllaren  der 
Arterlen  In  die  Venenanfänge  aufzufinden,  vielmehr  ist  das  Mittelglied 
zwischen  beiden  (den  Caplllaren  und  Venen)  das  Areolarsystem  der  Milz, 
wozu  auch  einen  weitren  Beleg  die  Beobachtung  giebt,  dass  die  (bei 
manchen  Säugern  und  Fischen,  Trygon  z.  B.)  sehr  weiten  Milzvenen 
häufig  im  Innren  des  Organes  Ihre  Selbständigkeit  verlieren,  indem 
ihre  Wände  mit  dem  Fächerwerk  der  Pulpe  zusammenfllessen.  Die 
Annahme,  dass  die  welssgrauen  Stellen  dem  Lymphgefässsystera  ange- 
hören, wird  dadurch  gestützt,  dass  auch  ausserhalb  der  Milz  die  Blutge- 
fässe in  Scheiden  von  Lymphgefässen  liegen  können,  wobei  ferner  das  ein- 
schliessende  Lymphgefäss  (man  erinnre  sich  an  Trigla  und  Dactyloptera) 
zahlreiche  Folllkularräume,  gewissermaassen  Malpighi'sche  Körperchen 
mit  fester  Kapsel  entwickelt.    Endlich  ist  überhaupt  zwischen  den  weiss- 


428 


Vom  Gefässsystem  der  Wirbelthiere. 


Fig.   213. 


A  Aus  der  Milz  von  Scymnus  lichia.  (Starke  Vergr.) 
a  Blutgefäss,  dessen  Tunica  adventitia  sich  zu  vier  Malpiglii'schen  Körperchen 
aufblcäht,  den  Inhalt  derselben  bilden  Fettkörner,  b  die  rothe  Pulpe,  aus  einem 
Fächergerüst  und  Blutkügelchen  bestehend. 
B    Ein    Stück    Milz    von    Coluber    natrix.     (Geringe  Vergr.) 
a  die  Follikel  mit  der  Capillarverzweigung  im  Inneren,  b  das  Bindegewebe  da- 
zwischen,  c  ein  stärkeres  Bhatgefäss. 

grauen  Pulpapartien  der  Milz  imd  der  Pulpe  der  eigentlichen  Lymph- 
drüsen gar  kein  Unterschied,  hier  wie  dort  hat  man  ein  bindegewebiges, 
Blutcapillaren  tragendes  Netzwerk  und  in  den  Lücken  Ansammlungen 
von  Lymphkügelchen,  mitunter  auch  von  Serum  lymphae',  die  derbhäu- 
tigen Milzbläschen  der  Ringelnatter  z.  B.  trifft  man  dergestalt  mit  Lymph- 
flUssigkeit  angefüllt,  dass  sie  ein  ganz  durchscheinendes  Aussehen  ge- 
winnen und  über  die  Oberfläche  der  Milz  hervorragend,  das  Organ 
höckerig  machen.  Aehnliches  erblicken  wir  an  der  Lymphdrüsenmasse, 
welche  das  Herz  des  Störs  umlagert:  die  Hohlräume  können  hier  so 
viel  Lymphserum  enthalten,  dass  sie  gleichfalls  ein  durchschimmerndes, 
pralles  Aussehen  haben  und  etwa  in  der  Weise  von  den  herumliegenden 
minder  stark  angefüllten  Räumen  abstechen,  wie  am  Eierstock  der  Säu- 
gethiere  ein  reifer  Follikel  von  den  unreiferen. 

§.  894. 
Alles  zusammengerechnet,  könnte  man  zwischen  der  Milz  und  den 
Lymphdrüsen  nur  die  Unterscheidungsmerkmale  finden,  dass  die  IMilz 
rothe  und  graue  Pulpe  zugleich  besässe,  die  Lymphdrüsen  aber  blos  die 
letztere.  Obschon  bezüglich  der  Mehrzahl  der  Thicre  diess  seine  Gültig- 
keit haben  mag,  ist  jener  Unterschied  doch  keineswegs  ein  durchgreifen- 
der, denn  ich  habe  gezeigt,  1)  dass  es  Milzen  gibt,  die  wenigstens  zeitweise 
durch  Mangel  Jeglicher  rothen  Pulpe  auffallen,  wozu  die  Ringelnatter  ein 
Beispiel  liefert;  2)  was  mindestens  von  nicht  geringrem  Werthe  ist,  man 
stösst  auf  Lymphdrüsen ,  die  zugleich  mit  der  grauen  Pulpe  noch  eine 
rothe  einschliessen.  Es  wurden  nämlich  vorhin  Lymphdrüsen  des  Schweins 
erwähnt,  die  in  der  Brustluihle  nacli  dem  Verlauf  der  Aorta  flioradca  lie- 
gen und  dasselbe  dunkelrothc  Aussehen  haben,  wie  die  Milz.   Schneidet 


Thymus.  429 

man  sie  durch,  so  bietet  die  Schnittfläche  die  vollkommenste  Ueberein- 
stimmung  mit  der  Milz  dar:  in  einer  dunkelrothen  Pulpe  liegen  weiss- 
liclie,  aus  Zellen  bestehende  Massen,  gerade  wie  in  der  Milz  die  sog. 
Malpighisclien  Körper.  Untersuchen  wir  darauf  der  Reihe  nach  alle  die 
dunkelrothen  Lymphdrüsen,  welche  am  bezeichneten  Orte  vorkommen, 
so  machen  wir  die  Erfahrung,  dass  in  manchen  die  weisslichen  Partien  sich 
immer  mehr  vergrössern  und  zuletzt  die  dunkelrothe  Pulpe  so  verdrängen, 
dass  in  einigen  dieser  Ijymphdrüsen  ein  Drittheil  des  Organes  vollständig 
weisslich  ist,  der  übrige  Theil  aber  noch  dunkelrothe  Pulpe  mit  kleinen 
rundlichen,  weissgrauen  Partien  hat.  In  solcher  Weise  erfolgt  ein  all- 
mähliger  Uebergang  zu  anderen  in  der  Brusthöhle  gelegenen  Lymph- 
drüsen, die  schon  äusserlich  die  weissgraue  Farbe  besitzen  und  auf  dem 
Durchschnitt  sich  ebenso  ausnehmen.  Und  indem  ich  auf  diese  Organi- 
sationsverhältnisse fusse,  möchte  dem  Schluss,  den  ich  bereits  an  einem 
anderen  Orte  daraus  ableitete,  die  Milz  sei  eine  Art  Lymphdrüse, 
noch  immer  seine  Berechtigung  nicht  abgesprochen  werden  können. 

Die  Nerven,  welche  die  Milz  versorgen,  sind  allenthalben,  wo 
ich  hierauf  achtete,  hauptsächlich  aus  sympathischen  (blassen  oder  Re- 
mayt'schen)  Fasern  zusammengesetzt,  und  enthalten  nur  wenige,  dunkel- 
randige  Fibrillen.  ISehr  allgemein  lassen  sich  auch  dünne  Nerven- 
stämmchen,   eigens  für  die  Lymphdrüsen   bestimmt,  nachweisen. 

Den  Gedanken ,  dass  die  Bindegewebskörper  die  Funktion  von  Lymphgefäss- 
capillaren  haben  können,  hat  bei  uns  zuerst  Virchow  ausgesprochen,  nachdem  es 
bereits  früher  Boiumaii  gelungen  war,  die  Hornhautkörper  mit  Quecksilber  und 
gefärbtem  Leim  zu  injiciren.  Auch  Boiviiian  betrachtet  sie  „als  eine  modifizirte 
Form  von  Lymphgefässen."  Brücke,  welcher  die  selbständigen  Wandungen  in 
den  Anfängen  der  Lyraphgefässe  ebenfalls  läugnet,  bedient  sich  zwar  nicht  des 
Ausdruckes:  Bindegewebskörperchen,  allein  für  Den,  welcher  die  fraglichen  Dinge 
aus  eigner  Anschauung  kennt,  kann  kein  Zweifel  darüber  obwalten,  dass  „die 
interstitiellen  Parenchymräume",  nach  Brücke  die  Anfänge  der  Lymphgefässe, 
dasselbe  Object  sind,  was  in  unserer  Darstellung  „Bindegewebskörperchen"  oder 
auch  wohl  vei'zweigte  Hohlräume  der  Bindesubstanz  genannt  wurde. 

Die  Milz  theilt  mit  den  Lymphdrüsen  auch  in  der  äusseren  Gestaltung  die 
Aehnlichkeit ,  dass ,  wie  man  bei  Untersuchung  zahlreicher  Thiere  derselben 
Art  erfährt,  sich  leicht  von  ihr  einzelne  Theile  ablösen,  wodurch  sog.  Neben- 
milzen entstehen.  Ich  habe  dergleichen  aus  fast  allen  Wirbelthierklassen  be- 
obachtet, bei  Selachiern,  dem  Stör,  unter  den  Reptilien  fand  ich  Nebenmilzen  beim 
Proteus,  Landsalamander,  jüngst  ferner  bei  der  Feuerkröte,  dem  Haushahn,  nach 
Meckel  kommt  auch  beim  indischen  Casuar,  beim  Strauss  ein  solches  Zerfallen 
der  Milz  in  mehre  Lappen  vor,  unter  den  Säugethiereu  bei  Cetaceen  (Delphin, 
Narwal). 

§.  395. 

Den  Lymphdrüsen  schhesse  ich  die  Thymus  an,  ein  bekanntlich    Thymus. 
weiches,  lappiges  Organ,  welches  bei  Fischen,  Reptilien,  Vögeln 
und  Säugethieren  gefunden  wurde.    Es  besteht  überall  aus  einem  ge- 
fässreichen  Bindegewebsgerüst,  das  follikelartige  Äbtheilungen  begrenzt, 
und   letztere    bergen    eine    weiche    Pulpe.      Die    Elemente    der  Pulpe 


430 


Vom  Gefässsystem  der  Wirbelthiere. 


machen  der  Hauptmasse  nach  farblose  Zellen  aus,  von  Lymphkügelchen 
nicht  unterscheidbar;  dazwischen  durcli  bemerkt  man  einzelne  ge- 
schichtete Körperchen,  welche  ich  noch  bei  den  Amphibien 
antreffe,  bei  Fischen  aber  bisher  vermisse. 


Fig.  214. 


:b 


A   Die  Thymus  des   Frosches:    a  die  Schläuche  derselben,    b   der  Centralraum, 

c  die  Blutgefässe   der  Schläuche.     (Massige  Vergr.) 

B    Z  e  11  i  g  e    Elemente    der    Thymus    vom    Frosch    und    Salamander. 

(Starke  Vergr.) 

Einen  wohl  sehr  constanten  Charakter  der  Thymus  bildet  ferner 
das  Vorhandensein  einer  geschlossenen  Gen  tr  alh  öhl  e,  oder 
wenn  das  Organ  in  selbsständige  Tjappen  zerfällt,  mehrer  Central- 
räume;  ringsherum  sitzen  die  Folh'kel  und  der  Raum  ist  mit  den 
gleichen  zelhgcn  Theilen,    wie  die  Follikuhirmaschen  selber  angefüllt. 

Eine  merkwürdige  Erseheiiumg  hat  Remak  an  der  Thynnis 
junger  Katzen  wahrgenommen.  Fr  fand  als  Anhänge  der  Thymus- 
läppchen  gestielte  Wimperblas  cn ,  deren  Wand  aus  einer  festen, 
bindegewebigen  Schicht  und  aus  einem  mit  schwingenden  Wimpern 
besetzten  Fpitbcl  besteht. 


§• 


396. 


Für  die  Stellung  der  Thymus  hier  unter  den  lymphdi'üsenartigen 
Organen  redet  1)  die  Aehnlichkeit  im  Bau  mit  den  Lymphdrüsen: 
die  Thymus  hat  keinen  andren  Ausführimgsgang,  als  ihre  Blut-  und 
Lymj)hgef;lsse;  das  Verhalten  ihres  bindegewebigen^  gefiisstragenden 
Facliwerkes  zu   der  eingeschlossenen  ]^dj)e  ist  wie   bei   den   genannten 


Thymus.  431 

Gebilden  und  selbst  das  Vorkommen  eines  Centralraumes  findet  ein 
gewisses  Analogen  in  jenen  Lymphdrüsen,  welche  bei  den  Triglen 
(s.  oben)  die  Blutgefässe  des  Mesenteriums  scheidenartig  umhüllen. 
Auch  dort  nämlich  sehen  wir  den  Follikularraum  nicht  gleichmässig 
erfüllt,  sondern  an  der  Peripherie  liegen  die  klaren,  kleinen  Lymph- 
zellen, während  in  der  Mitte  der  Alveolen  kleinere,  helle  Körnchen, 
gleichsam  wie  ein  Secret,  dicht  angehäuft  sind.  Aber  auch  bei  der 
Thymus  steht  der  Centralrauni  zu  den  Follikeln  in  keiner  andren 
Beziehung,  als  in  der  eines  Behälters  des  Secretes;  2)  die  zelligen 
Elemente  der  Tulpe  der  Thymus  weisen  durch  ihre  ein-  oder  mehr- 
fach eingeschnürten  Formen  ebenso  auf  eine  Vermehrung  durch  Thei- 
lung  hin,  wie  die  Zellen  der  Lymphdrüsen,  der  Milz,  welchen  Vor- 
gang man  wegen  Grösse  der  Elementartheile  besonders  bequem  beim 
Landsalamander  wahrnehmen  kann ;  3)  die  Lymphdrüsen  sind  bei 
Kindern  und  jungen  Leuten  weicher  und  voluminöser  als  bei  Er- 
wachsenen, auch  diese  Eigenschaft  theilt  die  Thymus  mit  den  genann- 
ten Organen  und  zwar  nicht  blos  bei  höheren  Wirbelthieren,  sondern 
auch  von  Batracliiern  habe  ich  mich  überzeugt,  dass  die  Thymus  der 
Froschlarven  grösser  ist  und  viel  mehr  von  zelligen  Elementen  über- 
füllt, als  in  späterer  Lebenszeit.  (Ihre  Fintwicklung  ist  bei  Batrachiern 
überhaupt,  namentlich  beim  Proteus,  individuellen  Schwankungen  unter- 
worfen, da  sie  an  dem  einen  Thier  viel  massiger  und  gelappter  ge- 
funden wird,  als  bei  dem  andren.) 

Zur  Zeit,  in  der  li.  Wagner  sein  Lehrbuch  der  vergleichenden  Anatomie 
schrieb  (1831),  schien  es,  wie  wenn  die  Thymus  nur  bei  Säugethieren  vor- 
komme. Simon  hat  dann  die  Existenz  derselben  auch  bei  Vögeln  und  Rep- 
tilien dargetlian ,  doch  sind  dabei  einige  Verwechslungen  untergelaufen.  Er  hat 
offenbar  die  Tliymus  des  Frosches  nicht  gekannt,  wenn  er  von  einem  Organ  spricht, 
was  über  der  Herzbasis  liegen  soll  und  später  in  Fett  übergehe;  auch  die  Theile, 
welche  Ecker  die  Thymus  des  Frosches  nennt,  können  auf  diese  Bezeichnung 
keinen  Anspruch  maclieu,  da,  wie  ich  (1853)  gezeigt  habe,  die  ungeschwänzten 
Batrachier  {Puma,  Bufo)  an  derselben  Stelle  eine  wahre  Thymus  besitzen,  wo 
sie  auch  bei  den  geschwänzten  Batrachiern  {3Ienopoma,  Amjohiu7ua,  3Ieno- 
hranchus,  Siredon,  Proteus,  Salumandru,  Triton)  ruht,  d.  i.  im  Nacken,  unmittel- 
bar unter  der  Haut,  am  hinteren  Ende  des  Kopfes.  Auch  bei  Fischen  hat  sie 
die  gleiche  Lage.  Für  die  Plagiostomen  ist  es  die  Drüse,  welche  Ecker  und 
Bobin  zwischen  den  Seitenmuskeln  und  der  Kiemenhöhle  vor  dem  Schultergürtel 
gefunden  haben;  beim  Stör  sind  es  die  sog.  FoUiculi  branchialen ,  welche  an  der 
hinteren  Grenze  der  Kiemenhöhle  vor  dem  Schultergürtel  liegen;  bei  den  Knochen- 
fischen sind  es  ebenfalls  die  sog.  FoUiculi  hranchiales ,  und  wenn  diese  fehlen,  die 
Drüse,  welche  bei  Gadus,  Lota  vulgaris,  Pleuronectes  platessa,  P.  ßesus,  Phomhus 
maximus,  J.ophius  piscatorius  unter  der  die  Kiemenhöhle  auskleidenden  Haut  in  der 
Gegend  der  häutigen  Commissur  liegt,  welche  den  Kiemendeckel  mit  dem  Schulter- 
gürtel verbindet. 

Ueber  die  Struktur  der  sog.  Winterschlafdrüse  mancher  Säugethiere 
(Murmelthier ,  Igel  etc.)  sind  mir  keine  neueren  Untersuchungen  bekannt.  Sie 
scheint  ebenfalls  eine  Art  Lymphdrüse  zu  sein.  Nach  Valentin  (Beitr.  z.  Kennt- 
niss  des   Winterschlafes  der  Murmelthiere  in   Jloleschott' s   Unters,  zur  Naturlehre 


432  Vom  Gefässsystem  der  Wirbellosen. 

des  Menschen  u.  d.  Thiere  Bd.  I)  findet  sich  beim  Mnrmelthier  eine  ähnliclie  drü- 
sige Masse  wie  die  Winterschlafdrüse  längs  den  Seitenflächen  der  Brustwirbel  und 
neben  und  vor  den  (Trenzsträngeii  des  sympathischen  Nerven  und  erstreckt  sich  bis 
nach  der  Unterleibshöhle  hinab. 


heit  des 
Muskel- 
liei-^clies 


Achtunddreissigster  Abschnitt. 

Vom    Gefässsystem    der   Wirbellosen. 

§.  397. 

Hecimßen.  Elii  p  11 1  s  1 1"  6  H  cl  G  s  Central  oTgau   oder    herzartige  Abschnitte 

am  Gefässsystem  finden  sich  sehr  verbreitet  bei  Arthropoden^ 
Mollusken,  Ringel wü  rmern,  manchen  Echiiiodernien.  Die 
Hauptsubstanz  des  Herzens  wird  jederzeit  vom  Muskelgewebe  gebil- 
det und  es  ist  hervorzuheben,  dass,  obschon  die  Muskulatur  immer 
im  Wesentlichen,  in  der  Frage  also,  ob  glatt,  ob  quergestreift  mit  der 
Muskulatur  des  Stammes  übereinstimmt,  doch  meist  etwas  im  feineren 
Verhalten  von  der  Leibesmuskulatur  abweicht.  Bei  Insekten,  Spinnen, 
Krebsen  ist  das  Muskelgewebe  des  Herzens  entsprechend  den  Stamm- 
muskeln exquisit  quergestreift,  bei  den  anderen  Gruppen  entweder  glatt 
oder  in  den  manchfaclien  Uebergangsformen  vom  Rcinglatten  bis  zur 
vollkomranen  Querstreifung  begriffen.  Es  wurde  oben  bei  den  Wir- 
belthieren  bezüglich  der  Herzmuskulatur  darauf  hingedeutet,  dass  die 
Primitivbündel  durch  eine  gewisse  dunklere,  gekörnelte  Beschaffen- 
heit von  den  Skeletiuuskeln  abstechen  und  das  wiederholt  sich  hier 
bei  Arthropoden  und  Mollusken  in  ganz  gleicher  Weise  und  macht  die 
Differenz,  falls  die  Muskulatur  des  Herzens  einige  Dicke  hat,  schon  für 
das  freie  Auge  auffällig.  So  hebt  sich  bei  Mollusken  das  Herz  diu-ch 
gelbliche  Farbe  sehr  gewöhnlich  von  den  glashcUen  Muskehi  des 
Stammes  ab,  ähnlich  ist  es  auch  bei  Spinnen,  vielen  Insekten  u.  a. 

Wo  das  Herz  eine  mehr  schlauch-  oder  gcfässartige  Form 
hat,  wie  bei  Annulaten,  niedren  Krebsen,  Spinnen  und  Insekten; 
scheinen  die  Primitivcylinder  immer  ungcthcilt  zu  sein,  und  legen  sich 
ringförmig  um  das  Organ,  manchmal  kommen  zu  den  circulären 
Fasern  auch  Längszüge.  Die  Primitivcylinder  bestehen  aus  zarter 
Hülle  und  Lihalt,  wovon  der  letztre  bei  Ringelwürmern  {Haemopis  z.  B.) 
eine  Scheidung  in  helle,  homogene  Rinde  und  körnige  Achsensubstanz 
zeigt  und  in  dieser  bemerkt  man  wieder  einen  schönen,  blasigen  Kci'n, 
je  einen  für  eineu  Cylinder.  Bei  Echinus  und  den  Mollusken  ist  der  von 
zarter  Hülle   innschlossenc  lidialt  des  Priinitivcylinders  einfach  kr»rnig- 


Kii.lo- 
cardiiim. 

Herz- 


Herz.  433 

bröcklig  und  die  Körnchen  erscheinen  auch  mitunter  so  regelmässig 
gelagert,  dass  man  lebhaft  an  Querstreifung  erinnert  vrird,  bis  denn 
im  Herzen  der  Ai^thropoden  selbst  in  den  niederen  Formen  derselben 
(Entomostraken,  sehr  deutlich  z.  B.  noch  bei  Polyphemus)  diese  letzte 
histologische  Sonderung  mit  aller  Schärfe  eingetreten  ist.  Dem  Seeigel 
{Echinus)  ist  es  eigen,  dass  zwischen  den  Muskeln  braune  Körner- 
klumpen liegen,  die  das  Herz  schon  für  das  freie  Auge  stark  braun 
pigmentirt  erscheinen  lassen. 

Ist  das  Herz  fleischiger  geworden,  wie  bei  Mollusken  und  den 
höheren  Krebsen,  so  gestaltet  sich  auch  der  Verlauf  der  Muskelbündel 
manclifaltiger,  er  wird  geflechtartig,  und  es  entstehen  trabekelähnliche 
Stränge.  Damit  steht  in  Zusammenhang,  dass  die  Primitivcylinder  jetzt 
sich  theilen  und  anastomosiren,  wie  im  Herzen  der  Wirbelthiere. 

§.  398. 

Nach  innen  wird  die  Herzmuskulatur  überzogen  von  einer  feinen 
'Haut,  dem  Endocardium,  über  deren  eigentliche  histologische  Natur 
ich  noch  nicht  recht  ins  Klare  gekommen  bin,  bald  nämlich  glaubt  puppen 
man  ausser  der  Bindesubstanz  noch  ein  wirkliches  Epithel  vor  sich 
zu  haben  (z.  B.  bei  Paludina  vivip.)^  bald  macht  sie  nur  den  Eindruck 
von  einer  homogenen  Haut  mit  eingestreuten  Kernen  (Larven  von 
Corethra  plumicorms  z.  B.);  oder  sie  präsentirt  sich  endlich  als  wirk- 
liche, homogene  Intima  (z.  ß.  in  der  Raupe  von  Bombyx  ruhi).  ich 
möchte  mich  auch  lieber  dahin  neigen,  das  Endocardium  einfach  für 
die  flächenhafte  Ausbreitung  der  Bindesubstanz  zu  halten,  welche  das 
Gerüst  des  Herzens  bildet,  wofür  spricht,  dass,  wie  wir  sehen  werden, 
"diese  Haut  unmittelbar  in  das  Bindegewebe  der  Organe  übergelit, 
nachdem  die  Gefässe  ihre  Selbstständigkeit  verloren  haben.  Die  Frage 
nach  dem  Epithel  muss  einstweilen  noch  für  eine  offne  erklärt  werden. 

Die  klappenartigen  Vorrichtungen,  welche  in  die  Lieh 
tung  des  Herzens  ragen,  sind  entweder  DupHkaturen  der  bindege- 
webigen Intima^  in  welche  sich  auch  Muskeln  erstrecken  können,  oder 
es  fungiren  als  Klappen  eigenthümliclie  zellige  Gebilde.  So  verrich- 
ten, wie  icii  bekannt  gemacht  habe,  in  der  hintersten  Kammer  des 
Herzens  der  Larve  von  Corethra  plumicornis  sechs  bis  acht  Paar 
gestielter  Zellen  die  Dienste  von  Klappen,  sie  stehen  alternirend,  eine 
demnach  iminer  etwas  höher  als  die  andre,  wodurch  bei  der  Systole 
des  Herzens  zwei  zusammengehörige  Klappen  dicht  hinter  einander 
zu  liegen  kommen  und  das  Lumen  der  Kammer  vollständig  absperren. 
Es  ist  sehr  wahrscheinlich ,  dass  noch  andre  Insekten  mit  ähnlichen 
Apparaten  ausgestattet  sind,  ich  habe  wenigstens  im  Herzen  der  Raupe 
von  Bombyx  ruhi  nach  innen  von  der  Tunica  irdima  von  Stelle  zu 
Stelle  sehr  grosse  Zellen  wahrgenommen,  die  vielleicht  ebenfalls  Herz- 
klappen vorstellen  mögen,  docli  ist  hier  die  Untersuchung  ungleich 
schwieriger  als  bei  Corethra. 

Leydig,   Histologie.  28 


434 


Yom  Gefässsystem  der  ^Wirbellosen. 


i-~-  c 


-l 


A   Die  h  i  n  t  e  r  s  t  e  H  e  r  z  k  a  m  m  e  r  von  d  c  r  L  a  r  v  e  d  e  r  C  o  r  e  t  h  r  a  ji  1  n  in  i  c  o  r  n  i  s : 
a  die  hintere  Oeffnung,    b   die  seitlichen  Spalten    an   der  üebergangsstelle 
in  die  zweite  Kammer,    c  die  einzelligen  Klappen,    d  zwei  Blutkügelcheu. 

B    Ein   Stück  Herz    von  Branchipns    mit  Einstellung  des  Fokus  auf  eine  seit- 
liche Oeffnung:    a  IJingnmskeln  des  Herzens,  b  eigentliche  Haut  des  Her- 
zens mit  einzelnen   Kernen,    c  frische,    d  mit  Essigsäure    behandelte  Blut- 

kügclchen. 

C    Ein     Stück     R  ü  c  k  e  n  g  c  f  ä  s  s    von    P  i  s  c  i  c  o  1  a  :      a    eine    zellige    Klappe. 

D    Ein    S  t  ü  c  Ic    R  ü  c  k  e  n  g  e  f  ä  s  s    von    P  i  s  c  i  c  o  1  a    in    der    Systole:     a  das 

Rückengefjiss,    b  der  das  Herz    umgebende  Raum,    in    dem   Bliitkügelchen 

strömen,    c  Verbindungsstränge  zwischen  beiden.     (Starke  Vergr.) 

Ein  Seitciistüclc  zu  diesen  einzellioen  Klappen  im  IJ erzen  der 
In.sektcn  liefern  die  nielirzelii^en  Herzklappen  gewisser  Tlirudineen  ; 
bei  Piscicola,  Cle/)sine,  BrancheUion  und  Fontohdella  treten  in  das  ge- 
fässartige  Herz  (Rückengefäss)  abstandsweise  weiehe  gelappte  Körper 
vor,    die    bei    der  Contraetion    des  Herzens  dasselbe    wie   in   einzelne 


Herz.  435 

Kammern  abtheilen.  Auf  ihren  Bau  betrachtet,  bestehen  dergleichen 
Klappen  aus  einem  Haufen  von  feinkörnigen,  mit  Kern  und  Nucleolus 
versehenen  Zellen,  durch  eine  weiche  Verbindungsmasse  zu  einem 
Ballen  zusammengehalten.  Von  verwandter  Art  sind  vielleicht  auch 
die  zwei  Klappen,  welche  Geyenhaur  zwischen  dem  Kopf  und 
Mantelsinus  der  Hyalaea  auffand :  von  fast  kugelrunder  Gestalt  sitzen 
sie  mit  einem  kurzen  Stiel  der  Wand  an  und  bestehen  aus  einer 
zarten,  strukturlosen  Hülle  und  feingranulirter  Masse,  hie  und  da  „mit 
kernähnlichen  Gebilden". 

§.  399. 
Ein  Gegenstand,  welcher  noch  weitere  Untersuchungen  erheischt,  He,^l,euu•l 
ist  der  sog.  Herzbeutel  (Pericardium)  der  Wirbellosen.  Er  ist  ent- 
weder ein  selbständiger  aus  Bindegewebe  gebildeter  Sack,  wie  bei 
vielen  cephalophoren  und  acephalen  Mollusken ,  oder  es  zeigt  sich, 
wie  bei  Paludina  vivipara,  kein  freier  Herzbeutel,  sondern  die  bindege- 
webige Haut,  welche  den  weiten,  das  Herz  umschliessenden  Raum 
begrenzt,  erscheint  mit  den  umgebenden  Organen  innig  verwachsen. 
Anfcings  meinte  ich  ein  paar  Oefthungen  wahrzunehmen,  welche  in 
diesen  Raum  führten,  und  es  lag  daher  die  Annahme  nahe,  den  Herz- 
beutel für  einen  Blutsinus  zu  halten,  was  sich  aber  nicht  bestätigen 
wollte.  Hingegen  ist  es  für  die  höheren  Krebse  nachgewiesen,  dass 
der  sog.  Herzbeutel  als  Blutbehälter  fungirt  und  zur  Aufnahme  des 
aus  den  Kiemen  kommenden  Blutes  dient.  In  wie  weit  bei  Arthro- 
poden und  Mollusken  eine  ähnliche  Einrichtung  verbreitet  ist,  muss 
die  Folgezeit  lehren,  doch  vex-mag  ich  für  jetzt  schon  anzugeben,  dass 
bei  den  Entomostraken  {Daphnia,  Lynceus  z.  B.)  dem  Herzbeutel  die 
gleiche  Bedeutung  zugesprochen  werden  muss;  und  auch  bezüglich 
der  Insekten  nehme  ich  eine  analoge  Organisation  an.  Bei  diesen 
Thieren  nämlich  sehen  wir  das  Herz  von  einer  eigenthümlichen  Masse 
umhüllt,  welche  manche  Zootomen,  R.  Wagner  z.  B.,  als  zellige 
Schicht  des  Herzens  unterscheiden ,  und  welche  ausser  einer  hellen, 
homogenen  Grund-  und  Verbindungssubstanz  aus  grossen  Zellen  be- 
steht, die  bei  den  verschiedensten  Coleopteren  und  Orthopteren  einen 
gelbkörnigen,  bei  Locusta  viridissima  einen  grünkörnigen  Inhalt 
haben ;  bei  Spiaax  jiinastri  ist  diese  zellige  Masse  um  das  Herz  heller 
als  sonst,  der  Zelieninhalt  leicht  gelblich,  feingranulär.  In  die  helle 
Bindesubstanz  verlieren  sich  die  Scheiden  der  dreieckigen,  hautartig 
ausgebreiteten  Flügelmuskeln,  welche  das  Herz  an  die  Leibessegmente 
befestigen.  Ich  habe  nun  in  jüngster  Zeit  bei  einigen  Käfern 
{Blaps  mortisaga  z.  B.)  Beobachtungen  gemacht,  welche  mir  darthun, 
dass  diese  äussere  Umhüllung,-  des  Herzens  wie  eine  Art  Blutsinus 
sich  verhält,  aus  dem  erst  das  Blut  in  das  Herz  eintritt;  mehre  Schrift- 
steller gaben  schon  früher  dasselbe  an.  Ferner  dürfte  der  Herzbeutel  der 
Cephalopoden  ebenfalls  Blutraum  sein,  da  er  bei  Nautilus  in  die  Ab- 
domiualhöhle,  bei  den  übrigen  Cephalopoden  in  die  grosse  Hohlvene 

28* 


436  Vom   Gefässsystem   der  Wirbellosen. 

einmünden  soll.  Auch  der  Herzbeutel  von  EcMnus  ist  ein  Blutraum, 
denn  ich  sah  in  ihm  dieselben  hellen  Körperchen  innerhalb  eines  klaren 
Fluidums  treiben,  wie  sie  sich  in  den  Blutgefässen  finden.  Endlich 
kann  ich  nicht  umhin,  auch  daran  zu  erinnern,  dass  bei  manchen 
Hirudineen,  z.  B.  bei  Piscicola,  Clepsine  das  herzartige  Rückengefäss 
in  einem  Blut-  oder  Lymphsinus  liegt,  von  dessen  Wand  in  grösseren 
Zwischenräumen  sich  Fäden  zum  Herzen  herüberspannen. 

Die  sog.  Kiemen-  oder  Nebenherzen  der  Cephalopoden  ent- 
sprechen dem  contractilen  Harnorgan  andrer  Wirbellosen,  wovon 
nachher.  - —  In  den  Schienbeinen  mehrer  Wasserwanzen  werden  eigen- 
thümliche  bewegliche  Lamellen,  welche  auf  die  Blutströmungen  im  Kör- 
per einwirken  sollen,  beschrieben  (Behn,  Verloren)]  so  viel  ich  in- 
dessen an  jungen  Naucoris  sehen  kann,  sind  diese  vermeintlichen  .,pul- 
sirenden  Organe"  blos  die  Zuckungen  hier  sich  ansetzender  Muskeln, 
wie  auch  bereits  v.  Siehold  die  Erscheinung  erklärt  hat,  obschon  es 
dann  immerhin  merkwürdig  bleibt,  warum  gerade  an  diesen  Stellen  die 
Muskeln  des  Beines  ihre  Zuckungen  so  regelmässig  wiederholen.  Auch 
die  von  van  Beneden  (Froriep's  Notiz.  Bd.  37)  an  Nymphen  beschrie- 
benen eigenthümlichen ,  rhythmisch  sich  contrahirenilcu  Membrauen, 
welche  innerhalb  der  Basis  der  Bcnne  angebracht  seien,  und  von  denen 
der  Lupuls  zu  den  Blutströmungen  in  den  Extremitäten  ausgehen  soll, 
möchten  wohl  ebenfalls  nur  solche  Muskelcontractionen  gewesen  sein. 

§.  400. 
Heri-  Die  Gefässe  haben  sich  bei  Wirbellosen  in  sehr  verschiedenem 

Gefiuse.  Grade  von  der  allgemeinen  Bindesubstanz  der  ()rgane  individualisirt, 
mitunter  so  wenig,  dass  für  ganze  Thiergruppen  die  Lehre  aufgestellt 
wird,  das  Blut  circulire  frei  durch  die  Interstitien  des  Parenchyms. 

Ein  sehr  selbständiges  Gepräge  legen  noch  die  IMutgefässe  der 
Ringel  Würmer  (Hirudineen,  Chaetopoden  etc.)  an  den  Tag,  was  sich 
bis  in  die  feineren  Verzweigungen  erstreckt.  Die  vom  Rückengefäss 
(Herzen)  abgehenden  Aeste  haben  auf  grössere  oder  geringere  Strecken 
weit  im  Wesentlichen  den  Bau  des  Rückengefässes,  d.  h.  bestehen 
aus  einer  bindegewebigen,  scharfconturirten  Litima  und  um  diese 
herum  legen  sich  Muskeln  ,  welche  stellenweise  eine  solche  Entwick- 
lung haben,  dass  die  Gefässe  auf  weithin  herzartig  pulsiren.  Die 
Muscularis  hat  Ring-  und  Längenmuskcln  {Hirudo  z.  B.),  die  aber 
beide  nicht  streng  circulär  und  longitudinal  verlaufen,  sondern  an 
Flechtwerke  (uünnern.  Die  Fasern  der  Ringmuskeln  sind  breiter  als' 
die  der  Längsmuskeln.  Zu  äusserst  kommt  eine  weiche,  bindege- 
webige Hülle  [Adventitia)  mit  einzelnen  Kernen  und  ist  öfters  pigmcn- 
tirt,  z.  B.  an  den  Stammgefässen  bei  Haemopis.  (Etwas  eigenes  sind  bei 
Lumbriculus  variegatus  die  blind  endigenden,  contractilen  Aussackungen, 
welche  das  Rückengefäss  jedem  Leibessegment  entsprechend  abgiebt. 
Nach  dem  Vordcrleibscnde  zu  werden  diese  Gefässfortsätze  zahlreicher, 
länger  und    bilden    damit    ganze  Quasten.     In  ihrer  Adventiüa  liegen 


Blutgefässe.  437 

schtartconturirte  Körperclien  und  daher  sind  sie  tlieilweise  auch  ganz 
dunkel  gefärbt.  Sie  haben  die  Muscularis ,  und  alle  Zotten  eines 
Quastenpaares  contrahiren  sich  gleichzeitig.) 

Wü  die  Getasse  nichts  mehr  von  Contractilität  zeigen,  bestehen 
sie  lediglich  aus  der  homogenen,  scharfgezeichneten  Iniima  (letztere  ist 
z.  B.  am  Bauchgefäss  von  Piscicola  von  ziemlicher  Dicke  und  hat  einen 
Stich  ins  Gelbliche)  und  aus  der  zarten  Adventiüa,  welche  den  Cha- 
rakter von  gewöhnlicher  Bindesubstanz  darbietet.  Am  Bauchgefäss 
von  Clepsine  und  Piscicola  bemerkt  man  noch  die  Eigenthümlichkeit, 
dass  nach  der  Länge  des  Gefässes  ein  längsgestreiftes  Band  zieht, 
gegen  welches  sich  die  Intima  in  feinere  und  gröbere  Ringsfalten 
legt,  wodurch  das  ganze  Gefäss  einem  Stück  des  Grimmdarmes  der 
Säugethiere  ähnelt.  Bei  Clepsine  sind  zwei  solche  einander  gegenüber 
stehende  Ligamenta-  zugegen.  Ein  Epithel  des  Gefässlumens  fehlt. 
Beim  Regenwurm  ist  die  Intivia  des  Stammgefässes  der  Bauchseite 
eine  sehr  starke,  strukturlose  Membran,  nach  der  Länge  sich  in  grosse 
Falten  legend  und  auch  nach  der  Quere  fein  gestrichelt,  was  wahr- 
scheinlich auf  Faltenbildung  beruht.  Die  Ädventitia  enthält  ausser 
vielen  Kernen  noch  zahlreiche,  scharfgezeichnete  Körnchen  einge- 
streut. Zu  innerst  sah  man  noch  vereinzelte,  blasse  Kerne,  die  wahr- 
scheinlich von  Blutkügelchen  herrührten. 

§•  40L 

Unter  den  Weichthieren,  namentlich  bei  Schnecken  und  Tin- 
tenfischen ,  bewahren  noch  die  Aorta  und  ihre  Verästelungen  eine 
sehr  ausgesprochene  Individualisirung,  und  der  Bau  ist  im  Wesentlichen 
dem  vorherbeschriebenen  der  Ringelwürmer  gleich ;  man  hat  demnach 
zu  innerst  eine  Intima  zur  Ansicht ,  hyalin  oder  auch  feinkörnig  (bei 
Paludina  viv.  z.  B.),  auch  sich  gern  in  Längsfalten  legend  {Sept'ola  z.  B.), 
weiter  nach  aussen  folgt  die  Muscularis,  deren  contractile  Elemente 
entweder  bloss  einfach  circulär  oder  auch  geflechtartig  gelagert  sind, 
und  als  dritte  Haut  kommt  die  bindegewebige  Ädventitia ,  deren  spe- 
zielles Aussehen  sich  nach  der  Beschaffenheit  richtet ,  welche  die 
Bindesubstanz  des  betreffenden  Thieres  hat,  daher  bei  Sepien  z.  B. 
von  demselben  lockig-gestreiften  Habitus  ist,  wäe  bei  den  Wirbelthie- 
ren,  hingegen  aus  grossen  Zellen  zusammengesetzt  bei  unseren  iTe^ice*, 
Paludina,  deren  Bindegewebe  wir  unter  dieser  Form  kennen.  Wie 
bei  niederen  Wirbelthieren,  kann  sich  auch  bei  Wirbellosen  Pigment 
in  diese  Haut  absetzen,  hQ\Ario7i  Kalk,  und  zwar  in  so  reichlicher 
Menge,  dass  die  Gefässe  für  das  freie  Auge  weiss  gefärbt  und 
dadurch   sehr   auffällig   werden. 

Allmählig  gegen  die  peripherische  Verzweigung  zu  schwinden 
die  Muskeln  oder  hören  auch  wohl  plötzlich  auf,  wenn  ein  stärkeres 
arterielles  Gefäss  in  einen  grösseren  venösen  Hohlraum  sich  fiffnet. 
Li  beiden  Fällen  gehen  bloss  die  Intima  und  Ädventitia  continuirlich 
in  das  Bindegewebsgerüst  der  Organe  oder  in  das  interstitielle  Binde- 


138 


Vom   (jefässsy Stern   der  Wirbellosen. 


Fig.   -216. 


A  Stück  eines    contractilen  Glefässes  von  Hir'udo:    a  Intimn,   b  Muskularis, 

c   Adventitia. 

B    Ein    Stück    Aorta    von    Helix    pomatia:    a    äussere   glashelle  Zellenschicht 

oder   Adventitia,    b  die  Ringmuskeln.     (Starke   Vergr.) 


Fiff.    217. 


A 


CL 


J  --    c 


A    Stück    Baueli  gelTiHS    von  Clepsine:    a  die   Intinia  mit  den  eigenthümlichen 

Längsbändern  b,    c  die  Adventitia. 
15    r>asselbe  vom  Regenwurm:    a  Intima   (in  einzelne  Falten  gelegt),  b   Adven- 
titia,   c  ob   veränderte  Blutkiigelchen V     (Starke   Vergr.) 

gewebe  über,  was  zur  Folge  hat,  dass  von  eigener  GefässAvand, 
wenigstens  niclit  im  gewöhnlichen  Sinne,  mehr  geredet  werden  kann, 
wesshulb  man  sich  bis  jetzt  gewöhidich  so  ausdrückt,  jene  Blutbahnen, 
welche  mit  dem  Capillarnetz  der  Wirbelthiere  auf  gleicher  Stufe  ste- 
hen, seien  Lücken  oder  Lakunen  im  Leibesparenchym.  Es  darf  jedoch 
im   Hinblick    auf    den    gegenwärtigen  Stand    der  Histologie    nicht  ver- 


Bliitgefähisc.  439 


'e 


gessen  werden ,  rlass,  wenn  man  der  Sache  recht  g-enau  nachgeht,  die 
Differenz,  welche  zwischen  einem  geschlossenen  Gefasssystem  und 
einer  interstitiellen  Blutbahn  aufgestellt  wird,  nicht  strenge  begrün- 
det ist.  Schon  bei  den  Vertebraten  können,  wie  angegeben  wurde, 
gar  manche  Capillaren,  und  selbst  grosse  Venenräume,  so  wenig  von 
der  umgebenden  Bindesubstanz  abgemarkt  sein ,  dass  die  Capillaren 
nur  auf  dem  Bange  von  Bindegewebskörperchen  stehen ,  und  selbst 
die  grösseren  venösen  Sinufi  bloss  die  morphologische  Bedeutung  von 
umfänglicheren  Hohlräumen  der  Bindesubstanz  beanspruchen  können. 
Andere  Autoren  sprechen  in  solchen  Fällen  von  einem  „lückenhaften 
Gefasssystem",  wie  z.  B.  Quatrefa<)es  von  dem  des  Ammocoetes. 
Und  eine  derartige  Degradation  der  peripherischen  Gefässe  ist  nun 
Regel  bei  den  Weichthieren.  Nachdem  die  arteriellen  Verästelungen 
muskellos  geworden  sind,  geht  alsbald  die  bindegewebige  Geftisswand 
in  das  Bindegewebe  der  Organe  oder  in  das  interstitielle  Bindegewebe 
über ,  welch'  letzteres  an  dem  einen  Ort  sich  maschig  durchkreuzt, 
an  dem  anderen  grössere  Hohlräume  umschreibt,  immer  aber  so,  dass 
die  Räume  die  Fortsetzungen  der  Gefässlichtung  bilden.  Wenn  ich 
daher  auch  den  Namen  Lakune  gebrauche,  so  verstehe  ich  darunter 
nicht  „wandungslose  Flöhlen",  sondern  Höhlen  und  Kanäle ,  deren 
Begrenzung  zwar  Bindesubstanz  ist,  aber  ohne  von  dem  übrigen 
Bindegewebe  abgeschieden  zu  sein ;  es  kann  vielmehr  die  andere  Flä- 
che der  bindegewebigen  Wand,  vielleicht  die  Tunica  propria  einer 
Drüse,  oder  das  Sarcolemma  eines  Muskels,  das  Neurilem  u.  dergl. 
vorstellen.  Häufig,  wie  z.  B.  bei  Paludina  zwischen  den  Leberfol- 
likeln  oder  bei  den  Cephalop hören  und  Acephalen  wohl  durchweg 
im  Fuss,  durchstricken  auch  Muskeln  das  Balkenwerk  der  blutführen- 
den Bindegewebshöhlen.  An  den  venösen  Kanälen,  welche  aus  den 
Interstitien  des  Leibes  das  Blut  zu  den  Respirationsorganen  und 
dem  Herzen  zurückleiten ,  ordnen  sich  die  Muskeln  in  bestimmten, 
das  Gefässlumen  umkreisenden  Geflechten,  so  dass  wieder  eine  etwelche 
Selbständigkeit  dem  Gefässe  zuerkannt  werden  darf 

Bei  den  Salpen,  einigen  Ptero-  und  Heteropoden  {Cymbu- 
lia^  Tiedemannia,  Pterotracliea)  wird  der  ganze  Nahrungskanal  sammt 
der  Leber  und  den  Geschlechtsorganen  von  einer  besonderen  mem- 
branösen  Hülle  eingeschlossen  und  bildet  den  sogenannten  Nucleiis 
dieser  Tliiere.  Die  fragliche  Hülle  ist  eine  homogen-streifige  Mem- 
bran von  hoher  Elasticität  und  ist  durchbrochen  von  zahlreichen  Oeff- 
nungen,  von  denen  Gegenbaur  gezeigt  hat,  dass  durch  sie  das  Blut 
aus  dem  Eingeweidesack  {Nucleus)  in  einen  letzteren  umgebenden  Blut- 
sinus strömt. 

In  seltenen  Fällen  können  sich  auch  bei  den  Weichthieren  und 
Ringelwürmern  die  peripherischen  Blutwege  unter  dem  Bilde  wirk- 
liclier  Capillaren  vom  Bindegewebe  absetzen.  Wir  erfiduen  näm- 
lich durch  V.  Hesslinyj    dass  die  Falten  und  vorspringenden  Blätter 


440 


Vom   Gefässsystem  der  Wirbellosen. 


Ncben- 

lierKCii. 


der  Niere  von  Anodonta  ein'  Capillargefässnetz  tragen,  welches  die 
grösste  Aehnliclikeit  mit  den  Gefässwindungen,  Gefässknäueln  in  den 
Nieren  der  höheren  Thiere  habe.  Dann  lösen  sich  zweitens  hei  den 
Cephalopoden  die  Arterien  in  sehr  vielen  Körpertheilen  (mir  bekannt 
aus  Muskeln,  Hoden,  Auge,  Sehnerven,  äussere  Haut  etc.)  in  echte 
Capillaren  auf,  bestehend  aus  einer  einzigen  homogenen  Haut  und 
länglichen  von  Stelle  zu  Stelle  angebrachten  und  oft  etwas  buckelför- 
mig  in's  Innere  vorspringenden  Kernen.  Endlich  sind  beim  Regen- 
wurm und  den  Egeln  echte  Capillaren  leicht  zu  demonstriren. 

Fig.  218. 

1  .\      IS 


A  iLliropodeu 


A    Stück    von  einem  feineren  G  e  f  ä  s  s ,  das    den  Capillaren  nahe  steht, 

von  P  i  s  c  i  c  o  1  a. 

B    Wirkliche   Capillargefässe  von   Sepiola.     (Starke  Vergr.) 

§.  402. 
Gleichwie  bei  Wirbelthieren  durch  partiell  verstärkten  Muskelbeleg 
Neben  herzen  am  Gefässsystem  hervorgebracht  werden,  so  wieder- 
holt sich  das  auch  bei  Wirbellosen;  ausser  den  schon  erwähnten 
pulsirenden  Gefäss bogen  der  Annulaten  zählen  z.  ß.  hierher  die  ac- 
cessorischen  Herzen,  welche  Hancock  an  der  Wurzel  der  grossen 
Flossenarterien  bei  Ommastrephes  todartis  auffand;  auch  die  Beobach- 
tung Oe(]enhauT''s  ziehe  ich  hier  an,  dass  bei  Hyalea  die  zu  den 
Flossen  aufsteigende  ^orto  „auffallend  contractu"  sei,  und  „es  kommt 
hier  gleichsam  die  Contractilität  der  Gefässwand  dem  Herzen  zu 
Hülfe  und  unterstützt  die  Weiterbewegung  des  Blutstroms  zu  den 
Flossen."  Die  muskulösen  Elemente,  welche  Gegenhaur  an  der 
bezüglichen  Stelle  vermisste,  dürften  doch  wohl  noch  gefunden  werden. 

§.  403.^ 
Anlangend  die  Arthropoden  (Krebse,  Spinnen,  Insekten),  so 
sind  auch  bei  den  höheren  Formen  der  Krebse  und  vieler  Arachni- 
d  e  n  die  vom  Herzen  abgehenden  Gefässe  auf  grössere  oder  geringere 
Strecken  weit  mit  differenzirten  Wandungen  [Tnthna,  Muscularis  und 
Adventitia)  verschen.  Im  weiteren  Verlauf  schwinden  zuerst  die  Mus- 
keln ,  das  Gefäss  beschränkt  sich  zuerst  auf  die  bindegewebige  A\  and 
und  weiterhin  findet  die  Verschmelzung  mit  der  Hindesubstanz  der 
Organe  und  dem  interstitiellen  Bindegewebe  statt.  Das  Blut  strömt 
jetzt  in  den  Bindegewebslück(>n,  doch  sehe  ich,  dass  bei  höheren 
Krebsen  (^Astacns  fuviatilis)  an  manchen  Orten,  z.  B.  in  der  gallertig 


Blutgefässe.  441 

verdickten  weichen  Hautlag'e,  wciclie  sich  unter  dem  Schalcndacli  der 
Kiemenhöhle  findet,  noch  wirkliche  Capillaren  sich  erhalten,  die  bei  be- 
trächtlicher Weite  eine  scharfgezeichnete  Intima  und  zartere  kernhaltige 
Ädventitia  besitzen;  niedere  Krebse  haben  von  selbständigen  Gefässen 
höchstens  eine  kurze  Aorta^  als  Ausläufer  der  vordersten  Herzkammer. 

Auch  bei  Insekten  lassen  sich  an  einzelnen  Orten  Blutbahnen  be- 
obachten, welche  den  Capillaren  ganz  ähnlich  sind:  in  den  Flügelstummeln 
einer  Hemhlislarve  z.  B.  sah  ich  das  Blut  in  scharf  abgegrenzten  Wegen 
circuliren,  welche  ganz  den  Eindruck  von  wirklichen  Capillaren 
machten,  und  was  noch  ferner  merkwürdig  war,  es  gingen  seitlich 
feinere  Zweige  ab ,  die  keine  Blutkügelchen  mehr  aufnehmen  konn- 
ten und  die  letzten  Ausläufer  von  diesen  schienen  mit  den  Poren- 
kanälen der  Haut  zusammenzuhängen,  so  dass  auch  hier  das  Blut 
mit  von  aussen  eingedrungenem  Wasser  sich  mischen  könnte,  ohne 
dass  dabei  Blutkügelchen  zu  Verluste  gingen,  da  diese  nur  in  den 
weiteren  Gefässstämmchen  zu  kreisen  vermögen.  Auch  Q.  Carus 
zeichnet  in  seinen  „Erläuterungstafeln  zur  vergleichenden  Anatomie" 
die  „Adern"  in  den  Flügeln  der  Sembits  hilineata  mit  scharf  sich  ab- 
grenzenden Conturen,  und  zwar  ganz  anders,  als  er  die  „Blutbahnen"  der 
Agrion  puella  und  Ephemer a  vulgata  darstellt.  Weniger  richtig  finde 
ich  hingegen  seine  Abbildung  der  Blutströme  vom  Brustschilde  der 
Lampyris  spendidula ,  da  sie  ganz  markirt  gezeichnet  sind,  während 
sie  in  Wirklichkeit  nur  lakunär  sich  ausnehmen.  (Schön  sieht  man 
auch  und  auf  die  gleiche  Weise  die  Blutcirculation  in  den  vorsprin- 
genden hellen  Rändern  der  Bauchschienen  beim  Weibchen.) 

§.  404. 

Oben  bereits,  als  von  der  Gefässstruktur  der  Wirbelthiere  die 
Rede  war,  konnte  ich  nicht  umhin,  bezüglich  der  Constanz  des  Ge- 
fässepithels  einige  Bedenklichkeiten  einzustreuen,  die  sich  mir 
noch  lebhafter  in  Anbetracht  der  Wirbellosen  aufdringen.  Ich  habe  bis 
jetzt  wieder  bei  Würmern,  noch  Weichthieren,  noch  den  Glie- 
derfüsslern  ein  zweifelloses  Gefässepithel  wahrnehmen  können  und 
möchte  daher  das  Vorhandensein  desselben  fast  in  Abrede  stellen. 
Von  Pcdudina  vivipara  hatte  ich  freilich  früher  angegeben,  dass  die 
Kiemengefässe  „eine  Art  Epithel  von  sonderbaren,  mit  ungleich  dicker 
Wand  und  kleinem  glänzenden  Kern  versehenen  Zellen"  besitzen. 
Allein  wenn  ich  jetzt  die  damals  gefertigten  Zeichnungen  betrachte, 
so  möchte  ich  in  diesem  „sonderbaren  Epithel"  ein  Analogen  der 
schwammigen  Venenanhänge  der  Cephalopoden  erblicken,  wovon  unten. 
—  An  den  feineren  weissen  Gefässen  des  Arxon^  die  keine  Muskel- 
lage mehr  haben  und  nur  aus  einer  ziemlich  dicken  homogenen  Intima 
und  der  zelligen  kalkhaltigen  yl(^ve?i^«>ia  bestehen,  gewahre  ich  allerdings 
zu  innerst  von  der  Intima  noch  kleine  rundliche,  häufig  eingekerbte 
Kerne,  die  man  aber  bis  auf  weiteres  ebenso  gut  auf  ein  Epithel 
als   wie   auf  Kerne   von  Blutkügelchen    beziehen    kann.     An    den  Ar- 


epithel. 


442  Vom  Gefässsystem  der  Wirbellosen. 

terien  von  Carinaria  sitzt  nach  Gegenbaur  der  homogenen  Haut 
ein  Plattenepithel  auf.  Jedenfalls  bedarf  diese  Frage  erneuter  Un- 
tersuchungen. 

§.  405. 
Ljmphge-  ^q\  Wirbelthieren    scheidet    man    bekanntlich   den   Gefässapparat 

fiisssyateni.. 

in  ein  Blutgefässsystem  und  in  ein  Ly  m  phgef  ässsy  s  tem, 
und  es  ist  in  neuerer  Zeit  schon  öfter  zur  Sprache  gebracht  ay Or- 
den, dass  auch  bei  manchen  Wirbellosen  eine  ähnliche  Gliederung 
anzunehmen  sei,  was,  wie  ich  nach  eigenen  Wahrnehmungen  bei- 
stimmend bemerken  muss,  mit  allem  Recht  geschieht.  Noch  am 
nächsten  in  der  berührten  Organisation  stehen  den  Wirbelthieren  die 
Hirudineen.  Jiei  Clepsäie,  Fiscicola,  Branchellioii,  Pontobdella  hat 
sich  nachweisen  lassen,  dass  ausser  den  eigentlichen  Blutgefässen  noch 
ein  zweites  Gefässsystem  vorhanden  sei,  welches  einen  grossen  Median- 
sinus und  zwei  Seitenstämme  aufweist;  am  Kopf  und  Hinterleib  ste- 
hen die  drei  Stämme  bogenförmig  in  Verbindung  und  an  den  Leibes- 
gliedern durch  Queranastomosen.  Im  Bereich  dieses  Gefässsystemes, 
und  zwar  zumeist  in  der  Bahn  der  Seitengefässe  ,  kommen  blasenar- 
tige Erweiterungen  oder  Ausstülpungen  vor.  (Näheres  in  der  m.  Aufs, 
üb.  Piscicola,  Ztsch.  f.  wiss.  Z.  1849,  Bericht  v.  d.  zoot.  Anst.  in  Würz. 
1849,  S.  17,  Anatomisches  üb.  BranchelUon  u.  Pontobdella  Ztsch.  f.  w. 
Zj.  1851.)  Histologisch  weichen  diese,  dem  Lymphgefässsystem  ver- 
gleichbaren Gefässe  von  den  eigentlichen  Blutgefässen  darin  ab,  dass 
die  Wände  sich  nicht  so  scharf  markiren ,  vielmehr  ist  die  homogene, 
das  Lumen  begrenzende  Haut  weit  zarter  und  mitunter  so  wenig 
von  der  interstitiellen  Bindesubstanz  geschieden,  dass  auch  die  Be-' 
Zeichnung  Lakunen  anwendbar  erscheint.  Meist  legen  sich  Muskeln 
äusserlich  um  die  homogene  LIaut ,  doch  macht  es  den  Eindruck,  als 
ob  sie  nicht  ausschliesslich  den  Gefässen  angehören ,  sondern  der 
Leibesmuskulatur  überhaupt. 

Bei  den  acephalen  und  cephalophoren  Mollusken  scheint  ein 
Lymphsystem  nicht  mehr  morphologisch  vom  Blutgefiissystem  geschie- 
den zu  sein,  denn,  wie  ich  Avenigstens  bei  Cyclos  beobachtet  habe, 
tritt  das  umgebende  Wasser  durch  die  Porenkanäle  der  Haut  am  Fuss 
in  die  zwischen  der  Muskulatur  befindlichen  Lakunen  des  Blutsystems. 
Sollte  zwar  v.  BieJ>old  Recht  haben,  dass  bei  Uiiio  und  Anodonta 
neben  dem  durch  die  Porenkanäle  nach  aussen  offenen  Kanalsystem 
noch  ein  zvs^eites  Netz  von  engeren  Kanälen  eigens  für  das  Blut  vor- 
handen wäre,  so  würden  sich  die  Acephalen  den  Llirudincen  in  die- 
ser Beziehung  anreihen.  Doch  möchte  ich  nach  meinen  Beobachtungen 
einstweilen  daran  festhalten,  dass  hei  den  Acephalen  und  Cephalopho- 
ren morphologisch  ein  einziges  Kanal-  oder  Lückensystem  den 
Körper  durchzieht,  welches  Blut  fiihi't.  aber  thircli  direkte  Aufnahme 
von  äusserem  Wasser  physiologisch  auch  zugkich  das  Lymphgefäss- 
system mit  repräsentirt. 


Lymphgefässe. 


443 


Die  Ceplialopoden,  die  sich  schon  in  der  Individualisirung 
ihrer  Blutgefässe  selbst  bis  zu  den  Capillaren  herab  den  Wirbelthie- 
ren  so  nahe  stellen,  dürften  auch  in  der  Art,  wie  die  Lymphgefässe 
zu  den  Blutröhren  sich  verhalten,  mit  jenen  gewisse  Aehnlichkeiten 
tlieilen.  Es  ist  mir  nämlich  bei  Seplola  und  Lolicjo  aufgefallen ,  dass 
an  den  Arterien  die  äusserste  Haut  (Ädventiäa),  welche  die  Zeichnung 
des  gewöhnlichen  Bindegewebes  darbietet,  sehr  weit  von  der  Ringmus- 
kelschicht absteht,  wodurch  das  Bild  so  wird,  als  ob  das  aus  der 
Timica  elastica  und  Tunica  viuscularis  zusammengesetzte  Gefäss  inner- 
halb eines  anderen,  dünnhäutigen  Gefässes  liege.  Entsinnt  man  sich 
nun,  dass  schon  früher  Er  dl  Angaben  gemacht,  wornach  die 
Blutgefässe  der  Cephalopoden  innerhalb  von  Lymphgefässen  verlau- 
fen und  bringt  man  damit  in  Zusammenhang,  dass  wirklich  Wasser 
von  aussen  her  aufgenommen  wird ,  so  liegt  der  Gedanke  nicht  fern, 
anzunehmen,  dass  hier  das  Lymphgefässsystem  eine  gewisse  Selbstän- 
digkeit hat  und  zum  Theil  analog  den  Fällen,  wie  sie  oben  von  nie- 
deren und  selbst  höheren  Wirbelthieren  vorgebracht  wurden ,  schei- 
denförmig  die  Blutgefässe  umschliesst. 

Fig.  219. 


Ein    stärkeres    Blutgefäss    von   Sepiola. 

a  homogene  Intima,    b  aus  Kingmuskeln    bestehende    Media,    c  bindegewebige 

Tunica  adventitia  (Lymphgefäss?).     (Starke  Vergr.) 

Bei  den  Echinodermen  ist  ebenfalls  ausser  den  Blutgefässen 
noch  ein  Lymphsystem  vorhanden.  Vornämlich  ist  der  Leibesraum 
in  diesem  Sinne  zu  deuten,  der  fast  allenthalben  mit  Cilien  besetzt 
ist:  es  wimpern  die  Mesenterien,  die  Aussenfläche  des  Darmes,  des 
Herzbeutels,  die  äussere  Fläche  der  längs  des  Darmes  laufenden  Blut- 
gefässes, die  Aussenseite  des  Eierstockes,  der  Ambulacralbläschen  und 
nicht  minder  ist  die  äusserst  zarte,  bindegewebige  Haut,  welche  die 
Interambulacralplatten  überzieht,  bewimpert.  Das  Seewasser  hat  Zu- 
tritt zur  Leibeshöhle  und  mischt  sich  der  Lymphe  bei.  Ob  und  wo 
die  Blutgefässe  in  die  Lymphräume  münden,  ist  bei  diesen,  so  höchst 
schwierig  zu  zergliedernden  Thieren,  noch  unbekannt. 

In  neuester  Zeit  hat  Wedl  Beobachtungen  über  das  Herz  von  Menopon  palli- 
dum veröffentlicht  (Sitzungsber.  d.  Wien.  Akad.  1855),  aus  denen  hervorgehen  soll, 
dass    man    bis    jetzt    das    eigentliche  Herz  der  Insekten  wahrscheinlich   übersehen 


444 


Vom  Gefässsystem   dci"  Wirbellosen. 


habe;  bei  genanntem  Thier  liege  nämlich  hinter  dem  sog.  Rückengetass  noch  ein 
selbständiges  Herz  von  folgendem  Bau.  Die  Gestalt  nähere  sich  dem  Kugligen, 
vorn  und  rückwärts  sei  eine  Oeffnung ,  es  besitze  einen  parenchymatösen  Theil, 
beiderseits  in  Form  eines  Kugelsegmentes  erscheinend  und  aus  feiner  Molekular- 
masse bestehend.  Von  der  inneren  Oberfläche  des  parenchymatösen  Theiles  ent- 
springen zackige  Verlängerungen,  welche  an  die  Papilhirmuskeln  des  Wirbelthier- 
herzens  erinnern.  An  der  Aussenseite  inserirten  sich  Aufhängebänder  des  Herzens. 
Nach  vorne  stehe  das  Herz  mit  dem  sog.  Rückengefäss  in  Zusammenhang.  Dieser 
Darstellung  gegenüber  kann  ich  nun  gerade  niclit  sagen,  dass  Wedl  auf  seinem 
Streifzuge  in  die  Entomotomie  allzu  glücklich  gewesen  wäre.  Erstens  ist  es  un- 
richtig, wenn  Wedl  von  einem  parencliyniatösen,  kuglig  vorspringenden  Theil  des 
Herzens  spricht  und  zeichnet;  was  er  so  nennt  sind  dieselben  zelligen  Gebilde,  von 
denen  oben  die  Rede  war ,  die  sich  am  Herzen  der  Insekten  allgemein  finden, 
sie  haben  wie  dort  einen  körnig- bröckligen  Inhalt  und  eine  schwach  gelbliche 
Farbe.  Von  ihnen  entspringen  auch  keineswegs  die  „Papillarmuskeln",  wohl  aber 
setzen  sich  aussen  an  sie  wie  l)ci  anderen  Insekten  die  Flügelmuskeln  des  Herzens, 
die  .„Aufhängebänder"  WedTg.  Dann  scheint  mir  zweitens  irrthümlich ,  wenn 
genannter  Autor  das  Herz  „rückwärts"  (womit  wohl  das  hintere  Ende  gemeint  ist)  mit 
einer  Oeffnung  versehen  sein  lässt;  ich  sehe  es  hier  geschlossen;  auch  die  .„problema- 
tisch" angenommenen  und  gezeichneten  „Hauptvenen"  existiren  nicht,  wohl  aber 
sieht  man  seitlich  vor  und  hinter  den  zellenartigen  Körpern  eine  Spalte  mit  Klappen- 
spiel.    Die  beigegebene  Figur  mag  das  Uebrige  versinnlichen. 


Fig.  220. 


Hinterster  Abschnitt  des  Herzens  vonMenopon   pallidum.   (Starke Vergr.) 

a  die  Flügelmu.skeln  des  Herzens,   b  ilie  /.clh'nJihnlicheii  Ki'upcr,   c  die  Ringmuskeln 

des  Herzens.      Die  vier  Pfeile  bezeiclnuii   die  SpiiItiHliiungcu  des  Organes. 

Hätte  Wrdl  das  Herz  anderer  Artlirojjodeii  gekannt,  so  wiirdcii  seine  Deu- 
tungen wolii  auch  anders  ausgefallen  sein,  denn  es  ist  offenbar,  dass  bei  Meno].)on 
etwas  Aehnliches  vorliegt,  wie  z.  H.  an  der  Larve  von  Vorcthra  phnnkontis  oder 
wie  bei  Arcjvlun  foliaceu.s :  der  Iiinterste  Abschnitt  des  Herzens  ist  breiter  und 
muskulöser  als  der  weiter  nach  vorne  liegende  und  zeichnet  sich  noch,  worauf  ich 
aiudi  in  meinem  Aufs,  über  Corcihra  iiinwi(>s,  dineli  andere  Eigciitliüinlielikeiteu 
aus.  Dass  bei  Menojwn  die  zcllenähnlichen  Massen  lun  das  Herz  auf  die  paar 
Kugeln  um  die  Iiinterste  Kamtncr  reduzirt  sind,  geht  noch  über  die  Verhältnisse 
bei    (.orclhra  zunick  ,    wo   wenigstens   je    einer  immer   einer  Sj)altöffnung   entspricht. 


Vom  Blut  und  der  Lynijilie  des  Mensclieu.  445 


Neimunddreissiffster  Abschnitt. 


ö' 


Vom    Blut    und    der   Lymphe   des   Menschen. 

§.  406. 

Die  Höhlungen  des  Blut-  und  Ljmphgefasssystemes  enthalten  die 
bezeichneten  Flüssigkeiten.  Das  Blut,  ein  rother  und  während  des 
Lebens  in  beständigem  Kreislauf  durch  den  Körper  begriffener  Saft 
besteht  aus  der  Blutflüssigkeit  {Liquor,  Plasma  sanguinis)  und 
zweitens  aus  unzähligen  darin  schwimmenden  Bläschen,  den  sog.  Blut- 
körperchen. Der  Liquor  sanguinis  ist  hell,  klar,  farblos  und  seine 
weiteren  Eigenschaften  aus  einander  zu  setzen,  gehört  der  Chemie  an. 
Uns  interessiren  zunächst  die  Blutkörperchen.  Es  sind,  im  Allgemei- 
nen gesagt;  kleine,  weiche  Zellen,  die  nach  Farbe,  Grösse  und  Ge- 
stalt, sich  in  zwei  Arten  sondern,  in  die  rothen  und  in  die  färb-  uotho  bi„i 
losen  oder  weissen  Blutkörperchen.  Die  ersteren  bilden  den  bei  ■'"'i"""'''""" 
weitem  grösseren  Theil  der  Formelemente  des  Blutes ,  sind  einzeln 
betrachtet  schwach  röthlich  gefärbt ,  erst  in  Menge  beisammen  lie- 
gend ,  erscheinen  sie  intensiv  roth  und  sie  sind  es ,  welche  für  das 
freie  Auge  die  rothe  Farbe  des  Blutes  hervorrufen.  Was  ihre  Gestalt 
betrifft,  so  nehmen  sie  sich  aus  wie  kreisrunde,  scheibenförmige  Bläs- 
chen mit  mittlerer  Teile.  Ihrer  Bläschennatur  entsprechend ,  sind  sie 
aus  einer  elastischen,  farblosen  Hülle  und  einem  gefärbten,  aus  Hä- 
matin  und  Globulin  bestehenden  Inhalt,  zusammengesetzt. 

Wer  die  gefärbten  Blutkügelchen  zum  erstenmal  sieht,  glaubt 
auch  in  ihnen  einen  centralen  Kern  zu  erblicken ,  was  sich  aber  bei 
sorgfältigerer  Nachforschung  dahin  aufklärt,  dass  die  vorher  erwähnte 
napfförmige  Vertiefung  durch  optischen  Effect  einen  Kern  vorgespiegelt 
hat.  Die  rothen  Blutkügelchen  des  Menschen  sind  vielmehr  kernlos. 
In  dem  zu  Ader  gelassenen  Blute  legen  sich  die  farbigen  Kügelchen 
mit  ihren  platten  Flächen  gerne  so  an  einander,  dass  sie  geldrollenähn- 
liche  Reihen  bilden. 

§.  407. 

Die   zweite   Art   der  Blutkügelchen,    die  farblosen   oder  weis-  weis.eBiut- 
sen,  oder  auch  Lymphkügelchen  genannten,  sind  in  weit  geringerer  ''°'"p«'"<^''^"- 
Anzahl  als  die  farbigen  im  Blute  zugegen.     Auf  einige  hundert  rothe 
kommt  ein  weisses.  Im  Venenblut  sind  sie   nach  Beinah  häufiger,  als 
im  Arterienblut.     Was   ihre  Grösse ,  Gestalt  und  sonstigen  Merkmale 


446  Vom   Blut  und  der  Lymplie  des  Menschen. 

angeht,  so  übertreffen  sie  die  farbigen  fast  um  das  doppelte  an  Grösse, 
und  geben  sich  als  gewöhnliche,  morphologisch  indifferente  Zellen: 
sie  sind  kugelig,  hell  oder  leicht  gekörnelt,  der  Kern  einfach  oder 
eingeschnürt  oder  auch  in  mehre  zerfallen. 

Ausser  den  geschilderten  zelligen  Gebilden,  können  (abgesehen 
von  pathologischen  Vorkommnissen ,  Hämatozoen ,  Pigmentzellen  u. 
dergl.)  im  Blutserum  noch  Fettkügelchen  suspendirt  sein,  beson- 
ders einige  Stunden  nach  der  Nahrungsaufnahme.  R.  Wagner  beob- 
achtete auch  im  kreisenden  Blute  des  Gekröses  von  warmblütigen 
Wirbelthieren  „nicht  gar  selten  kleine ,  das  Licht  stark  brechende, 
zuweilen  selbst  aggregirte  Moleküle ;  welche  ganz  das  Ansehen  von 
Fettkörnchen  haben."  (Nachricht,  d.  Univers.  u.  d.  Gesellsch.  d.  Wiss. 
z.  Göttingen,  1(856.) 

Im  Embryo  entstehen  die  Blutkörperchen  durch  Umwandlung 
der  gewöhnlichen  Embryonalzellen.  Während  sich  Zellen  zur  Bildung 
des  Herzens  und  der  Gefässe  gruppiren ,  werden  die  Achsenzellen 
solcher  Anhäufungen  Blutkügelchcn  und  die  Rindenzellen  gestalten 
sich  zu  den  Gefasswandungcn.  Dasselbe  wiederholt  sich  wohl  mit  der 
Anlage  grösserer  Lymphgefässe.  Dergleichen  primäre  Blutkügelchcn 
sind  natürlich  ungefärbt  und  verändern  sich  allmählig  in  die  rothcn 
Blutkügelchcn.  Mit  Gründen,  die  fast  null  sind,  behaupten  Einige, 
dass  nach  der  Geburt  und  im  Erwachsenen  eine  Neubildung  von  Blut- 
zellen in  der  Blutflüssigkeit  statt  habe,  ungefähr  wae  Krystalle  in  der 
Mutterlauge  anschiessen.  Eine  derartige  extracelluläre  Bildung  von 
Blutbläschen  existirt  kaum;  im  Gegentheil ,  die  einmal  entstandenen 
Blutzellen  vermehren  sich  nur  durch  Theilung  und  worauf  manche 
Beobachtungen  hindeuten ,  das  sog.  Gefässepithel  scheint  ebenfalls 
durch  Zellenwucherung  die  Zahl  der  Blutkügelchcn  vergrössern  oder 
die  etwa  untergegangenen  ersetzen  zu  können. 

Zu  erwähnen  bleibt  noch,  dass  in  dem  Blute  ausserhalb  des  Kör- 
pers aus  dem  Globulin  der  Blutzellen,  in  Verbindung  mit  Hämatin 
Krystalle  sich  bilden,  in  Form  von  Tafeln,  Säulen,  Nadeln.  Sie 
vergehen   leicht  bei  Zusatz  von  Wasser  und  Essigsäure. 

Bezüglich  der  Blutkrystalle  hat  Hr.  K'olliker  sich  mit  Nachdruck  fin- 
den Entdecker  derselben  erklärt  (Mikrosk.  Anat.  Bd.  II.  S.  587)  und  „diess  geschieht 
nur,  um  der  Geschichte  ihr  Recht  zu  vindiziren"  (a.  a.  O.  8.  588).  Möge  sich 
Hr.  A'.  hierin  eine  kleine  Berichtigung  gefallen  lassen.  Der  eigentliche  Entdecker 
der  Blutkrystalle  ist  Reichert,  der,  ohne  freilich  zu  wissen,  dass  diese  Krystalle 
aus  dem  Blute  entstehen.  1849  seine  Beobachtungen  „über  eine  eiweissartige  Sub- 
stanz in  Krystallform"  veröfl'entlichte.  Aber  selbst  ehe  noch  Hr.  Kolliker  etwas 
von  „Globnlinkrystallcn"  wusste,  habe  ich  die  fraglichen  Gebilde  gelegentlich  mei- 
ner Untersuchungen  (Winter  1817  48j  über  Fiscicola  gesehen  und  auch  Hrn.  Kolliker 
gezeigt.  Die  kurze  Mittheilnng  steht  in  meinem  Aufsatz  über  Fiscicola,  Zeitschr. 
f.  wiss.  Zool.  1849  S.  116  Abbildg,  Fig.  34  B.  Der  Passus  lautet:  „Eine  andere 
interessante  Veränderung  geht  das  Blut  von  Nephelis  ein  ,  wenn  es  in  den  Magen 
von   Clepalne  gelangt  ist.      Anfangs  ist  es  flüssig    und    die  farblosen  Blutkörperchen 


Chylus.  447 

sind  in  dem  rotlien  Plasma,  deutlich  zu  sehen.  Bald  aber  schwünden  letztere  und 
das  rothgefärbte  Plasma  selbst  zerfällt  in  eine  Menge  von  rothgefärbten ,  tafel- 
förmigen Blättchen  und  kleineren  oder  grösseren,  einzelnen  oder  zusammenhaftenden 
Stäbchen  und  Säulchen  (Hämatinkrystalle  ?).  Tritt  bei  verletztem  Magen  Wasser 
hinzu,  so  lösen  sie  sich  schnell  auf.  Ebenso  löst  sie  Essigsäurezusatz  bei  unver- 
letztem Thiere.  Bei  weiter  vorgeschrittener  Verdauung  sind  auch  diese  Hämatin- 
(?)  Krystalle  im  Magen  verschwunden  und  letzterer  enthält  nur  eine  schwache  röth- 
liche  Flüssigkeit ,  in  der  grümlige,  farblose  Massen  schwimmen."  Erst  im  nächsten 
Hefte  derselben  Zeitschrift  S.  266  kommen  die  Beobachtungen  Kolliker'' s  über 
Blutkrystalle,  und  wenn  er  sich  „bemühen"  zu  müssen  glaubt,  „sich  als  den  ersten 
Beobachter  hinzustellen",  so  ist  das  eben  ein  Irrthum ,  wozu  das  Vorgebrachte  den 
Beleg  abgiebt. 

Durch  Brücke  sind  mehre  Fälle  bekannt  geworden,  wo  die  Blutgefässe  (vom 
Wiesel,  Hund,  Maulwurf,  Gans)  im  Bereich  des  Darmkanales  von  einem  eigenthüm- 
lichen  weisslichen  Inhalte  erfüllt  waren.  Etwas  Aehnliches  habe  ich  mir  von 
einer  frisch  untersuchten  Torpedo  marmorata  aufgezeichnet,  wo  ebenfalls  die  Venen 
des  Magens  ein  gelbweisses  Contentum  hatten,  das  aber  aus  lauter  Lymphkügelchen 
zu  bestehen  schien.  Vielleicht  haben  sich  mehre  Autoren  bestimmen  lassen ,  mit 
derartigem  Inhalt  erfüllte  Blutgefässe  für  Lymphgefässe  auszugeben,  und  Bruch 
geht  sogar  so  weit,  „alle  verästelten  Chylusgefässe  für  molekular  fettführende  Blut- 
capillaren"  zu  erklären  (Zeitschr.  f.  w.  Z.  1853). 

§.  408. 

Der  Inhalt  der  Lymphgefässe  oder  die  Lymphe  zeigt  dieselbe  i-ymph^ 
Scheidung  in  Flüssigkeit  und  geformte  Elemente,  wie  das  Blut. 
Für  das  freie  Auge  ist  die  Lymphe  wasserklar  oder  mit  gelblichem 
Anflug.  Die  geformten  Elemente  oder  die  Lymphkügelchen  sind 
die  gleichen  indifferenten  Zellen,  wie  sie  vorhin  als  weisse  Blutkü- 
gelchen  aufgeführt  wurden:  rundliche,  blasse  oder  feingekörnelte  Zel- 
len ,  deren  Kern  einfach  oder  auch  eingekerbt  ist,  was  auf  beginnende 
Theilung  hindeutet.  Die  Menge  der  Lymphkügelchen  ist  sehr  varia- 
bel in  den  Lymphgefässen,  im  Allgemeinen  lässt  sich  bestimmen,  dass 
sie  jenseits  von  Lymphdrüsen  zahlreicher  sich  finden,  als  vorher,  und 
was  schon  oben  in  Anregung  gebracht  wurde,  es  verbreitet  sich  gegen- 
wärtig immer  mehr  die  Ansicht,  dass  die  Lymphkügelchen  die  direkten 
Abkömmlinge  der   zelligen  Theile  (Pulpe)  der  Lymphdrüsen  sind. 

In  den  Lymphgefässen ,  welche  aus  dem  Nahrungsrohr  führen, 
enthält  der  Liquor  lymjjliae  einen  grossen  Reichthum  von  Fettmole-  ehyi,,,, 
kulen,  der  sich  bei  mikroskopischer  Untersuchung  wie  ein  staubarti- 
ger Niederschlag  darstellt,  dessen  Körnchen  eine  lebhaft  wimmelnde 
Molekularbewegung  sehen  lassen.  Dieses  feinzertheiltc  Fett  verur- 
sacht, dass  die  Lymphe  des  Darmrohres  milchig  aussieht,  daher  auch 
Milchsaft  oder  Chylus  heisst  und  die  betreffenden  Gefässe  den 
Namen  Chylusgefässe  tragen. 

Die  eigcnUichste  physiologische  Bedeutung  der  Blut-  und  Lymphkörper- 
chen  ist  nnljekannt;  noch  am  meisten  hat  die  Auffassung  für  sich,  welche  diese 
Bläschen  mit  den  absondernden  Zellen  der  Drüsen  vergleicht  luid  sie  demzufolge 
für   „schwininiuude   Drüsenkörner"    erkUlrt. 


448  Vom    Blut  und   der   Lyniplie   der   Wirheltliiere. 


Vierzigster  Abschnitt. 

Vom  Blut  und  der  Lymphe  der  Wirbelthiere. 

§.  409. 

In  der  Blutflüssigkeit  aller  Wirbelthiere,  mit  einziger  Ausnahme 
des  Branchio Stoma  (nach  Retzius,  Joh.  Müller,  Quatr efages) 
schweben  zellige  Gebilde,  und  wieder  bei  allen  Wirbelthieren  rührt 
die  rothe  Blutfarbe  von  rothlichgelben  Blutkügelchen  her.  Nur  die 
Blutzellen  des  Leptocephalus  sind,  wie  Kölliker  meldet,  farblos,  daher 
auch  das  Blut  dieses  Fisches  so  gut,  wie  das  von  BrancMostoma 
wasserklar  sich  ausnimmt. 

§.  410. 
Kothe  uint-  Dlc   f a r b i g 6 u   Blutkügelchen    der  Säuge thi er e  'zeigen   die 

'"''"'^  ""grösste  Aehnlichkeit  mit  denen  des  Menschen,  da  sie  runde,  schei- 
benförmige, gelind  concave ,  kernlose  Bläschen  vorstellen.  Nur  die 
der  Karaeel-  und  Lamaarten  haben  eine  ovale  Gestalt.  Um  über 
die  Grösse  derselben  einige  Beispiele  zu  geben,  so  hebe  ich  aus 
Oulliver's  Mittheilungen  heraus,  dass  die  Blutkörperchen  der  Zwerg- 
maus ebenso  gross  sind,  als  die  des  Pferdes,  die  der  Maus  aber 
etwas  grösser.  Bei  den  Affen  sind  sie  kaum  merklich  kleiner  als 
beim  Menschen.  Bei  den  Fleischfressern  variirt  die  Grösse  selbst 
bei  verschiedenen  Arten.  Die  grössten  Blutkörperchen  haben  unter 
den  Säugern  das  zweizehige  Faulthier  und  der  Elephant. 

Hingegen  übersteigt  die  Grösse  der  farbigen  Blutzöllen  bei  den 
übrigen  Wirbelthierklassen  (Vögeln,  Ajnphibien,  Fischen)  durch- 
weg die  des  Menschen  und  der  Säugethiere,  und  die  fischartigen 
Lurche  {Proteus,  Hiren),  die  sich  auch  sonst  durch  die  Grösse  ihrer 
Elementartheile  auszeichnen,  weisen  die  allergrössten  J51utkügclchen 
auf.  Ferner  weichen  die  Bhitzellen  tier  Vögel,  Amphibien  und 
Fische  von  denen  des  Menschen  und  der  Säuger  (mit  Ausnahme 
der  vorhin  genaimten  kameelartigen  Thierc)  darin  ab,  dass  sie  immer 
eine  elliptische  Gestalt  haben,  nur. seltsamer  Weise  tauchen  bei  eini- 
gen niederen  Fischen  [Myxine,  Fetromyzou)  noch  einmal  rundhche 
Blutkügelchen  auf,  und  ebenso  mit  einer  Teile  versehen,  wie  die  mcnsch- 
licheji  und  die  der  Säuger.  Ein  aiidei-er  nicht  unwichtiger  Ditferenz- 
|)iiiikt  im  feineren  Verhalten  ist  der,  dass  ohne  iVusnahme  die  gefärb- 
ten Hliifbliischcn  (b'r  Vögel,  Am]ibllii(ii  und  Fische,  einen  Kern 
besitzen. 


Blut  kür: 


il'l'CIll'll     111 


449 


B  I  utkügel  ch  en  des  Mensclien,   der  Wirbelthi  ere   und  Wirbellosen. 
A  Des  Menschen  :  a  farbige,  b  farblose,  c  farbige  in  Säulen  beisammenliegend. 
B   Von  der  Taube. 
C  Von  Kaja :    a  farbige,  b  farblose. 
D  Vom  Proteus :    a  farbige ,    der  Kern    bei   mebren  in  der  Tbeilung  begriffen, 

b  farblose. 
E  Von  Wirbellosen  (Insekten  und  Mollusken).     (Starke  Vergr.) 

§.  411. 

Die  farbigen  Blutkügelchen  scheinen  sich  auch  im  ausgebilde- 
ten Thicr  durch  Th  ei  hing  zu  vermehren.  Ich  sah  wenigstens  bei 
einem  Proteus^  den  ich  frisch  in  siedendes  Wasser  geworfen  hatte, 
dass  der  Kern  vieler  gefärbter  Blutkörperchen,  welcher  von  viel 
dunklerem  Umriss  als  die  Membran  war,  entweder  bisquitförmig 
sich  eingeschnürt  hatte,  wobei  dann  wieder  aus  der  grösseren  Hälfte 
zwei  Nucleoli  hervorsahen ,  oder  der  Kern  zeigte  sich  wirklich  in 
zwei,  drei  und  mehr  runde  Bläschen,  jedes  mit  seinem  NucleolaSj 
zerfallen. 

Eine  bemerk enswerthe  Erscheinung,  die  man  im  Winter  an  den  farbi- 
gen Blutzollen  des  Frosches  und  Landsalamanders  wahrnimmt, 
besteht  in  dem  Dasein  von  farblosen  Lücken  in  der  Substanz  der 
Blutkörperchen;  man  beobachtet  bald  eine  einzige  grössere,  bald 
einen  Trupp  kleiner.  Bei  manchen  Fröschen  sehe  ich  in  fast  jedem 
hierauf  betrachteten  Blutkügelchen  diese  hellen  scharf  umschriebenen 
Lücken.  Um  die  Sache  zu  erklären,  vermuthet  Reniakj  dass  die 
reichliche  Pigmentbildung  in  der  Leber  und  Milz  während  des 
Winterschlafes .  die  Blutkügelchen  um  einen  Tlieil  ihres  Farbstoffes 
beraube. 

§.  412. 
Die  farblosen   Blutkügelchen  der  Säuger  verhalten    sich  in 
Grösse,    Gestalt,    Zusammensetzung  und  relativer  Menge,    wie    beim 
Menschen.   Die  der  Vögel,    Reptilien    und  Fische    stehen  in  ihrer 


Weisse  Blut 
Ivüt^clclion. 


Leydig,   Histologie. 


29 


450  Vom  Blut  uncl  der  Lymphe  der  Wirbelthiere. 

Grösse  den  farbigen  nach ,  da ,  wie  oben  bemerkt  wnrde ,  letztere 
einen  beträchtlicheren  Umfang  haben ,  als  die  des  Menschen  und  der 
Säuger.  Beim  Proteus ,  wo  ich  sie  in  grosser  Menge  aus  den  Kie- 
mengefässen  gewann ,  waren  es  keine  einfachen,  indifferenten  Zellen, 
wofür  sie  sich  gewöhnlich  geben,  sondern  jedes  Lymphkügelchen 
war  ein  Ballen  zusammenklebender  kleiner,  klarer  Bläschen,  das  ein- 
zelne immer  mit  dem  Nucleolus  versehen.  Die  ganze  Zelle  erinnerte  im 
Kleinen  an  ein  gefurchtes  Ei  in  den  letzten  Stadien,  und  wir  werden 
dadurch  auf  den  Gedanken  geführt,  das  Bild  auf  einen  Theilungsvor- 
gang  zu  beziehen. 

Im  Blute  der  verschiedensten  Selachi er  beobachtete  ich  ziemlich 
constant  dreierlei  Zellen,  ausser  den  gefärbten  ovalen  Blutkügelchen 
nämlich  und  den  farblosen ,  blassen,  rundlichen,  sah  man  noch  scharf 
gezeichnete  Körnchenzellen,  welche  zweimal  so  gross  als  die  farblo- 
sen waren.  Auch  im  Froschblut  unterschieden  einige  Forscher  mehre 
Abarten  der  farblosen  Zellen. 

§.  413. 

-ymphe.  Dcr  Inhalt  der  Lymphgefässe  wird  bezüglich  seiner  geformten 

Theile  in  wechselnden  Zuständen  getroffen,  bald  sind  es  Fettpünkt- 
chen, bald  füllt  eine  dichtkörnige  Masse  das  Ljmphgefäss  an, 
wie  ich  z.  B.  bei  Oohius  niger  an  den  die  Blutgefässe  des  Gekröses 
einhüllenden  Lymphgefässen  sah  ,  wo  das  letztere  für  das  freie  Auge 
weissgrau  erschien.  In  anderen  Fällen  erblickt  man  zugleich  mit  oder 
ohne  die  Fettpünktchen  deutliche  Lymphzel-len  und  manchmal 
selbst  in  grosser  Anschoppung;  ich  habe  eine  solche  lleberfilllung  z.  B. 
an  dem  Lymphgefässe  angetroffen,  welches  beim  Landsalamander  die 
grosse  von  der  Bauchvvand  zur  Leber  tretende  Vene  umschliesst.  — 
11.  Wagner  hat  neuerdings  bei  Versuchen  über  den  Kreislauf  des  Blu- 
tes und  der  Fortbewegung  des  Chylus  im  Gekröse  bei  warmblü- 
tigen Wirbelthieren  die  wichtige  Jjeobachtuiig  genuicht,  dass  in  den 
strotzenden  Chylusgefässen  ausser  dem  bekannten  aus  kleinen  Mo- 
lekeln und  hie  und  da  etwas  grösseren  Fetttröpfc-iicn  bestehenden 
weissen  Inhalt  immer  einzelne  Blutscheibchen  sich  linden.  (Nachr. 
d.  Univ.  u.  Gesellscli.  d.  W.  z.  Göttingen,  1856.) 

liohiii  iiiid  Lieber hülin  liiil)i!ii  interessante  Wahrnehmungen  über  die  farblosen 
BlutkörperclicH  oder  wenigstens  denselben  ganz  ilhnlielie,  nielit  von  ilmcn  unter- 
sclieiiUiare  niid  im  Blute  sich  findende  Gebilde  vcrüfi'entlicht.  Lieber h- ii lin  sah,  dass 
dieselben  vom  Frosch,  Kar])ren,  Ilnnd  und  Menschen  sich  bewegen,  wie  Amöben  es 
zu  tliun  pflegen.  Sie  sciiiciicn  Fortsätze  ans,  ziehen  sie  wieder  ein  und  wechseln 
damit  fortwährend  ihre  Gestalt.  Vorausgesetzt,  dass  die  Tliatsachen  richtig  sind 
und  <^ehörig  gedimtet  wurden,  dürfte  die  Substanz,  welche  die  farblosen  Blut- 
kfii^elclien  l)ibiet,  mit  der  hyalinen  Inhaltsmasse  der  Chromatophoren  Verwandt- 
schaft lial)en.  J^lcker  iuit  ähnlielic  Erscheinungen  an  den  HiutUöi  perclien  des 
liegenwurnui.s    gesellen. 


Vom  Blut  und  der  Lymplie  der  Wirbellosen.  451 


EinuDclvierzigster  Abschnitt. 
Vom  Blut  und  der  Lymphe  der  Wirbellosen. 

§.  414. 
Nur  bei  mehren  Rino-elwürmern,  denen,  was  oben  beschrieben 
wurde,  eine  gewisse  Scheidung  der  Blut-  und  Lymphräumc  zukommt, 
difFerirt  die  Farbe  des  Blutes  auffallend  von  jener  der  Lymphe;  so 
ist  das  Blut  gewisser  Hirudineen,  Lumbricinen  und  Kiemenwürmer 
roth,  gelb  oder  grün,  ihre  Lymphe  farblos.  Doch  ist  diese  Tren- 
nung der  Farbe  nicht  durchgreifend,  denn  einige  Hirudineen,  wie 
Piscicola,  Clepsine  u.  a.  haben  wieder  farbloses  Blut.  Bei  den  ande- 
ren Gruppen  der  wirbellosen  Thiere,  wo  sich  Blut  und  Lymphe  fort- 
während zu  mengen  scheinen,  ist  das  Blut  farblos  oder  höchstens 
mit  einem  leichten  Stich  in's  Blaue,  Gelbe,  Grüne  oder  Violette.; 

Das  Blut  der  Wirbellosen,  verglichen  mit  dem  der  Wirbelthiere, 
hat  das  eigene,  dass  die  Blutfarbe  allzeit  von  einem  dem  Lkßior 
sanguinis  beigegebenen  Farbstoff  abhängt  und  nicht  von  den  Blut- 
zellen,  welche  fast  durchgängig  farblos  sind.  (Nach  i?.  Wagner  zei- 
gen sich  Blutzellen  der  Cephalopoden  und  die  von  Terebella  gefärbt.) 
Ihrer  Natur  nach  sind  es  Zellen  von  variabler  Grösse  und  Gestalt, 
bald  rundlich,  oval  (in  einer  Art  Enchytraeus  sehe  ich  sehr  schöne  und 
grosse'  ovale,  glattrandige  Lymphkügelchen  in  der  Leibeshöhle),  bald 
spindelförmig  oder  selbst,  und  zwar  gar  nicht  selten  bei  Würmern, 
(Regenwurm  z.B.),  Mollusken  [Paludina,  Carinaria  z.  B.),  Insekten, 
mit  verästelten  Fortsätzen  versehen;  sie  haben  immer  einen  Kern, 
der  Inhalt  ist  bald  klar,  bald  mehr  oder  weniger  körnig.  Im  Hin- 
blick auf  ihre  Gestalt  ist  die  gewöhnliche  Behauptung,  als  seien  die 
verästelten  Blutzellen  erst  durch  äussere  Einflüsse  zu  Stande  ge- 
kommen, unwahr,  vielmehr  schon  im  kreisenden  Blute  zeigen  sie  sich 
mit  dieser  Form,  wie  ich  unzweifelhaft  an  ganz  unbehelligten  Indi- 
viduen von  Piscicola^  von  Daphnia  und  der  Larve*von  Corethra  wahr- 
nahm. Im  Zusammenhalt  mit  den  Beobachtungen  Lieberkühns  über 
die  Contractilität  der  farblosen  Blutzellen  der  Wirbelthiere  fühlt  man 
sich  versucht,  auch  die  Form  dieser  sternförmigen  Blutkügelchen  von 
gleicher  Ursache  abzuleiten. 

Die  Menge  der  Blutkügelchen ,  im  Verhältniss  zum  Plasma  san- 
guinis, ist  in  der  Regel  bei  Wirbellosen  geringer  als  bei  Wirbel- 
thieren,    doch    glebt  es  Ausnahmen:    z.  B.    in  der  Leibeshöhle  mau- 

29* 


452  Vom  Harnapparat  des  Menschen. 

eher   Tardi^raden   [Macrohiotus)    und   Lumbricinen    drängen    sich   die 
fluctuirenden  Zellen  in  dichtester  Folge. 

Aus  obiger  Mittheilung  über  die  Blutkry stalle  geht  hervor^ 
dass  auch  im  rothen  Blute  der  Nephelis  ungefärbte  Krystalle  anschiesseu, 
ebenso  wie  im  Blute  des  Menschen  und  der  Wirbelthiere. 


Zweiund vierziP-s ter  A  bschnitt . 


"ö 


Vom    Harnapparat    des    Menschen. 

§.   415. 

An  den  Nieren  unterscheidet  man  zunächst,  wie  an  allen  Drü- 
sen, die  Bindesubstanz  und  die  epithelialen  Lagen;  letztere  sind,  wie 
wir  durch  Hern  ah  wissen,  ihrer  Entstehung  nach  Fortsätze  des 
Darmepithels,  also  Bildungen  des  unteren  Keimblattes,  während  die 
bindegewebigen  (Gefäss-  und  nervenlialtigen  Theile)  Fortsetzungen 
der  Darmtäserschicht,  demnach  Bildungen  des  mittleren  Keimblat- 
tes sind. 

Die  Bindesubstanz  formt  eine  ziemlich  feste  Hülle,  welche 
die  Niere  umgiebt,  und  zweitens  bildet  sie  die  Tunica  yropria  der 
Harnkanälchen,  welche  den  grössten  Theil  des  Nierenparenchyms 
ausmachen ,  und  drittens  dient  sie  zur  Verbindung  der  Harnkanäl- 
chen  untereinander,   sowie  als  Träger  der  Gefässe  und  Nerven. 

§.  416. 

"'i'-n-  Die  Memhrana  propria  der  llarnkanäl  ch  en  erscheint  als  klare, 

ii.r  Hau,  ihro'''triikturlose  rlaut,  die  am  leeren  Kanälchen  sich  gerne  taltet  und 
i,ag,.ru„s.  d-idyieli  elu  strcifigcs  Aussehen  erhält.  In  der  lliiide  der  Niere  ist 
die  Membrana  jrro/yria  etwas  feiner  als  im  Mark,  am  blinden  Ende 
der  llarnkanälchen  (in  der  Uindensubstanz)  entsteht  durch  blasige 
Erweiterung  der  Membrana  propria  die  sog.  Kapsel  der  Malpighi'- 
schen  Gefässkörper.  Der  InneiiHäche  der  Membrana  propria  liegen 
die  Sekretions-  (oder  Epithel-)  Zellen  an,  welche  bei  ziemlicher 
Dicke  eine  polygonale  Gestalt,  einen  Kern  und  körnigen  Inhalt 
haben,  nicht  flimmern,  und  so  angeordnet  sind,  dass,  insolange  nicht 
alterirende  Einflüsse  statt  gxifunden  haben,  eine  klare  Lichtung  der 
HarnkanäUdien  übrig  bleibt.  Gegen  das  blinde  Ende  zu  wird  der 
körnige  hihalt  der  Zellen   weniger  dicht    und  die  Zellen    nehmen  an 


Harnkanälclien. 


453 


Grösse  ab,  was  sich  besonders  innerlialb  der  Kapsel  des  Glomerulus 
ausspricht. 

Fasst  man  die  Gruppiriing  der  Harnkanälcheu  in's  Auge,  so 
ergiebt  sich,  dass  sie  an  den  Nierenpapillen  beginnend,  hier  bündel- 
förniig,  gerade  gestreckt,  neben  einander  liegen;  indem  sie  sich 
darauf  häufig  theilen,  müssen  die  Bündel  eine  kegelförmige  Gestalt 
annehmen,    wobei    die   Basis   der  Kegel    nach    der  Rinde    der  Niere 

Fig.  -222. 


Schema    für    das  V  e  rha  It  en    der  Ni  ere  nkaii  älch  en    un  d  Blutgef  ä  sse 

zu    einander: 
a  a  zwei  Kanälchen,  die  sich  verästeln  und  in  beutelförmige  Anschwellungen  enden, 
b  Arterie,    c  Vas  afferens,    d    Glomerulus,    in    dem    erweiterten    Ende    des    Harn- 
kanälchens   liegend,    e  Vas  efferens,    f  die  Capillaren ,    welche    die  Harnkanälclien 

umspinnen. 


r.ymph- 
gefässe, 
Nerven. 


454  Vom  Harnapparat  des  Menschen. 

gekehrt  ist.  Die  kegelförmigen  Faszikel  der  Harnkanälchen  zusammen, 
welche  auch  Malpighi'sche  Pyramiden  heissen,  bilden  die  Haupt- 
masse der  sog.  Marksubstanz  der  Niere.  Jenseits  der  Marksubstanz 
verlaufen  die  Harnkanälehen  vielfach  gewunden ,  um  nach  zahllosen 
Scblängelungen  blind  und  unter  blasiger  Erweiterung,  wodurch  die 
bezeichneten  Kapseln  entstehen,  zu  enden. 

§.  417. 
Biutgefriflse,  Bezüglich    der    Blutgefässe,    an    denen  bekanntermaassen  die 

Niere  einen  grossen  Reichthum  enthält,  ist  von  besonderem  Interesse 
das  Verhältniss,  in  welchem  die  sog.  Malpighi'schen  Gefässkör- 
per  zu  den  Enden  der  Harnkanälchen  stehen.  Nachdem  die  umfäng- 
liche Arteria  renalis  in  die  Niere  eingetreten  ist  und  sich  in  mehre 
Aeste  getheilt  hat,  streben  diese  zwischen  den  Pyramiden  gegen  die 
liindensubstanz  vor  und  bilden  im  Umfang  derselben  bogenförmige 
Anastomosen  [fornices  arter iosi),  aus  deren  Concavität  die  Arter iolae 
rectae  gegen  die  Nierenwarzen  zurückbiegen,  während  aus  dem  con- 
vexen  Theil  derselben  in  bestimmten  Abständen  Aestchen  gegen  die 
Peripherie  aufsteigen,  die  sich  in  Elndzweige  auflösen.  Jedes  von  den 
letzteren  senkt  sich  in  das  blasige  blinde  Ende  eines  Harnkanälchens 
ein  und  indem  es  sich  vielfach  theilt  und  knäuelt ,  bildet  es  den 
Malpighi'schen  Gefässkörper  oder  Glomerulus.  Auf  Durchschnitten 
frischer  Nieren  erscheinen  die  Glomeruli  für  das  freie  Auge  als  rothe 
Pünktchen.  Nach  Vollendung  des  Glomerulus  verlässt  die  Arterie 
das  Harnkanälchen  wieder ,  um  in  das  Capillarnetz  überzugehen, 
welches  im  bindegewebigen  Stroma  zwischen  den  Harnkanälchen 
letztere  umspinnt.  Aus  diesem  Netze  sammeln  sich  die  Nierenvenen. 
Am  Glomerulus  unterscheidet  man  gewöhnlich  das  in  das  Harnkanäl- 
chen hereintretende  Gefäss  mit  dem  Namen  Vas  aferens  und  das 
herausführende  als  J^as  ejferens]  beide  bilden  zusammen  den  Stiel, 
an  welchem  in  injicirten  Präparaten  die  Glomeruli  wie  Früchte  an 
den  baumartigen  Verzweigungen  der  Arterien  hängen. 

Ueber  die  feineren  Beziehungen  der  Lymphgefässe  der  Niere 
liegen  noch  keine  Untersuchungen  vor.  Man  weiss  bloss,  dass  solche 
Gefässe  vorhanden  sind,  die  theilweise  im  Begleit  der  Blutgefässe 
verlaufen. 

Die  Nerven  stammen  aus  dem  Symj)athicus  und  begleiten  eben- 
falls die  Blutgefässe;  über  ihre  P^ndigung  ist  nichts  bekannt. 

§.  418. 
lurnwegc.  T«    dcu    Ni c r 6 uk c  1  c li c u ,     den    Nierenbecken,    den    Harn- 

leitern, Harnblase  und  Harnröhre  trennt  man  mit  dem  Skaipel 
drei  Schiclitcn.  eine  äussere  oder  Faserhaut,  eine  mittlere  oderMuskel- 
liaut  und  eine  innere  oder  Sclileimhaut.  Vom  Staiulpunkt  der  Gcweb- 
lehre  aus  unterscheidet  man  Bindegewebe,  zugleich  gefäss-  und  nerven- 
lialtig,    Muskeln   und  drittens  EpitheÜen,  welches  histologische  Material 


Harnwege.  455 

in  folgender  Weise  zusammengefügt  ist.  Dcas  Bindegewebe,  häufig 
von  elastischen  Fasern  durchsetzt ,  stellt  die  äussere  Faserhaut  des 
Nierenbeckens  samnit  Nierenkelchen,  der  Harnleiter  und  Harnblase 
her  ;  an  letzterer  grenzt  es  sich  nach  aussen  scharf  membranförmig 
ab,  um  die  bindegewebige  Grundlage  des  s.  g.  Peritonealüberzuges 
zu  formen ,  und  wird,  in  so  weit  dieser  sich  erstreckt ,  von  einem 
Plattenepithel  überzogen,  während  am  Harnleiter  und  Nierenbecken 
das  Bindegewebe  der  Faserhaut  nach  aussen  continuirlich  mit  dem 
die  Organe  verbindenden  Bindegewebe  zusammenhängt.  Da  die  Harn- 
röhre des  Mannes  nur  am  s.  g.  Isthmus  ein  selbständiger  Kanal  ist, 
sonst  aber  am  Anfang  und  Ende  mit  anderen  Theilen  eng  verwachsen 
sich  zeigt ,  so  bildet  auch  das  Bindegewebe  nur  am  Isthmus  eine 
äussere  Faserhaut,  an  allen  anderen  Partien  hingegen  wird  besagtes 
Gewebe  als  Medium  der  VerknüjDfung  mit  den  umgebenden  Gebilden 
verwendet.  Das  Bindegewebe  stellt  aber  auch  ferner  die  Grundlage 
der  inneren  oder  Schleimhaut  her,  welche  hier  sehr  gefässreich  ist, 
sich  indessen  weder  im  Nierenbecken,  noch  den  Ureteren  zu  Papillen 
erhebt,  auch  nicht  zur  Erzeugung  von  Drüsen  sich  einsackt;  ebenso 
mangeln  in  der  grössten  Ausdehnung  der  Blasenschleimhaut  Zotten 
und  Drüsen  und  lediglich  im  Blasenhals  und  Blasengrund  senkt  sich 
die  Schleimhaut  zur  Bildung  einiger  birnförmiger  Drüschen  ein.  An 
manchen  Stellen,  wie  im  Trigonum  des  Blasengrundes,  auch  in  der 
männlichen  Harnröhre  ist  das  Bindegewebe  reich  an  elastischen 
Elementen.  Sowohl  in  der  männlichen,  wie  weiblichen  Harnröhre 
ist  die  Schleindiaut  glatt,  aber  in  beiden  Geschlechtern  mit  einfach 
schlaucliartigen  oder  auch  traubig  ausgebuchteten  Drüsen  (Littre'sche 
Drüsen)  versehen. 

Die  Bindesubstanz  des  Schleimhautstratums  (auch  Corium  der 
Mucosa  genannt)  geht  in  der  Blase  und  auch  an  der  weibhchen  Harn- 
röhre nach  aussen  in  eine  mehr  areoläre  Schicht  aus,  dem  sub- 
mukösen Gewebe,  und  dies  erscheint  an  der  Urethra  des  Weibes 
von  zahlreichen  grösseren  Venenräumen  durchbrochen. 

§.  419. 
Zwischen  diesen  beiden  Bindegewebsschichten  —  der  äusseren  um- 
hüllenden und  der  die  Schleimhaut  bildenden  —  befinden  sich  die  glatten 
Muskeln,  welche  an  der  Blase  am  stärksten  entwickelt  sind,  äusser- 
lich  nach  der  Länge,  nach  innen  schief  und  quer  verlaufen  und  am 
Blasenhals  sich  zu  einem  starken  Schliessmuskel  verdicken.  Von  der 
Blase  setzt  sich  die  Muskulatur  in  longitudinaler  und  circulärer  An- 
ordnung durch  die  Ureteren  in's  Nierenbecken  bis  gegen  die  Kelche 
hin  fort ;  ebenso  lassen  sich  auch  an  der  Harnröhre  beider  Geschlechter 
unter  der  Schleimhaut,  wenn  auch  in  schwächerer  Ausbildung,  glatte 
Muskeln ,  nach  der  Länge  und  querverlaufend ,  wahrnehmen.  Mit 
dieser  glatten  Muskulatur  kommen  an  der  Harnröhre  des  Mannes  und 


Harn- 
kiiniilclien. 


456  Vf)m   Haniapparnt  der  Wirlieltliiere. 

Weibes  nach  aussen  von  den  glatten  Fasern  noch  q  uerg-es  tr  eifte 
transversale  Muskelbündel  (Muse,  urethralis)  vor.  Dass  übrigens  die 
Bindesubstanz  der  äusseren  Faserhaut  und  der  Schleimhaut  durch  zarte 
Fortsetzungen,  die  sich  zwischen  den  contractilen  Elementen  hinziehen, 
in  ununterbrochenem  Zusammenhang  steht,  braucht  wobl  kaum  be- 
sonders bemerkt  zu  werden. 

Die  Innenflächen  der  Harnwege  decken  die  Zellen  des  Epithels; 
sie  sind  in  mehren  Lagen  angehäuft,  die  unteren  Zellen  haben  eine 
rundliche,  die  oberen  eine  ziemlich  unregelmässige  Gestalt,  wobei 
jedoch  kegelartige  Formen  vorwalten,  endlich  die  zu  äusserst  gelegenen 
sind  grosse  Plattenzelleu.  Ausser  dem  blasigen  Kern,  der  auch  doppelt 
da  sein  kann,  unterscheidet  man  eigentliümliche  scharfgerandete  Körner 
im  Zelleninhalt.  In  der  Harnröhre  des  Weibes  ist  das  Epithel  in  den 
oberen  Lagen  aus  abgeplatteten,  in  den  unteren  aus  länglichen  Zellen 
zusammengesetzt;  in  der  männlichen  Harnröhre  sehen  wir  auch  die 
obersten  Zellen  von  cylindrischer  Form. 

Die  feineren  histologisclien  Verhältnisse,  in  welchen  der  Gefässglomerulus  zu 
dem  erweiterten  Ende  der  Harnkaiiiilchen  steht ,  werden  gegenwärtig  noch  von 
den  verschiedenen  Forschern  in  etwas  abweichender  Art  aufgefasst.  Manche  lassen 
die  Kapse!  von  den  Gefässen  einfach  durchholirt  werden,  was  mir  aber  nicht  rich- 
tig scheint,  ich  muss  vielmehr  der  Ansicht  Remah'' s  beitreten,  wornach  der 
Glomerulus  von  einer  zarten  Bindesubstanz  getragen  wird,  die  er  bei  seinem 
Eintritt  in  die  Kapsel  von  der  bindegewebigen  Wand  des  Harnkanälchens  mitbe- 
kommt. Allerdings  nähert  sich  diese  Auffassung  sehr  der  Lehre  von  Bidder  imd 
Reichert,  der  Glomertdiiv  sei  nicht  wirklich  in  dem  erweiterten  Ende  des  Harn- 
kanälchens,  sondern  liege  nur  in  einer  Einstühiung  derselben;  und  auch  die 
neuesten  Mittheilungen  Bemak's  über  die  Entwicklung  der  Nieren  reden  einer 
derartigen  Auslegung  das  Wort.  Jiemak  ermittelte  an  den  Nieren  von  Sängethier- 
embryonen,  dass  der  Gefässknäuel  unabhängig  vom  Harnkanälchen  zur  Ausbildung 
kommt,  worauf  erst  der  Glomertdus  vom  Harnkanälchen  „umwachsen"  wird.  „In- 
dem das  letztere  auf  einen  Gefässknäuel  trifi't,  bildet  es  eine  napfförmige  einge- 
stülpte Erweiterung,  durch  welche  der  Knäuel  bis  zur  Eintrittsstelle  seiner  Blut- 
gefässstämmchen  allmählig  umfasst  wird." 


Dreiuiidvierzigster  Abschnitt. 
Vom    Harnap  parat    der    Wirbelt  liiere. 

§.  420. 

l>ie    Nierenkanälchen    der    Säuger,     Vögel,    Re]itilien    und 

Irische  behalten  so  ziemlich  den  gleichen  Dickendurchmesser  (nur  beim 

Proteus   schienen  sie  mir  weiter  als  bei  anderen  Thieren  zu  sein)  und 

bestehen  au.s  der  homogenen  bindegewebigen  Tuvica  iJropriaMU^  ^Gm 


Harnkanälchen. 


457 


Epitliel,  welches,  wenn  keine  alterirenclen  Einflüsse  vorausgegangen 
waren,  die  Innenfläche  des  Kanälchens  immer  so  bekleidet,  dass  eine 
Lichtuno-  offen  bleibt.  Den  Inhalt  der  Zellen  trifft  man  in  sehr 
verschiedenen  Zuständen,  bald  ist  er  wasserldar  oder  nur  um  "Weniges 
körnig  getrübt,  bald  zeigt  er  gelbe  Körner  und  Krümeln ,  was  man 
besonders  häufig  bei  Amphibien  (die  Nieren  der  Ringelnatter  z.  B. 
haben  bei  manchen  Exemplaren  eine  ganz  gelbe  Farbe)  und  Fischen 
wahrnimmt,  ein  andermal  ist  er  reich  an  Fettpünktchen  und  grösseren 
Fetttröpfchen.  Bei  Vögeln  und  Fischen  füllen  mitunter  fett  artige 
Klumpen  und  krystallinische  Massen  das  Lumen  des  Harnkanäl- 
chens  an.  So  sah  ich  beim  Stör  lange,  dunkle,  wurstförmige  Massen, 
welche  die  Lichtung  der  Harnkanälchen  auf  weite  Strecken  einnahmen 
und  aus  scharfconturirten,  wie  geschichteten  Brocken  von  fettartigera 
Glanz  zusammengesetzt  waren;  bei  Knochenfischen  [Leucisci)  be- 
standen ähnliche  Fettanhäufungen  aus  einfachen,  rundlichen  Klumpen, 
ohne  so  eigenthümlich  geschichtet  zu  sein.  Wenn  bei  Vögeln  im 
Lumen  der  Harnkanälchen  die  krystallinischen  Abscheidungen  sehr 
beträchtlich  sind,  so  erscheinen  bei  Betrachtung  der  unverletzten  Niere 
die  Kanälchen   für   das    freie    Auge    wie   von    einer   gelblich   weissen 

Substanz  injicirt. 

Fig.  223. 


Aus    der  Niere    des  Störs: 

a  die  Tunica  propria  eines  Harnkanälchens,    b  die  Epithelzelleu,    c  die  eigenthüm- 

lichen ,    wurstförmigen  Massen  von   fettartigem  Glanz    und    geschichtetem  Aussehen 

im  Lumen  des  Kanälchens.     (Starke  Vergr.) 

Die  Epithelzellen  der  Nierenkanälchen  sind  bei  Säugern  und 
Vögeln  immer  cilienlos,  hingegen  beiden  zwei  unteren  Wirbelthier- 
klassen,  bei  Reptilien  und  Fischen,  geht  ein  Theil  von  ihnen  in 
Wimperhaare  aus.  Auch  die  Urnieren  der  Batrachier  und  Saurier 
wimpern,  was  mir  von  Frosch-  und  Salamanderlarven,  sowie  von  Em- 
bryen  der  Lacerta  agilis  und  Angms  fragilis  bekannt  ist.  Bei  Fischen 
sind  alle  Zellen,  mit  Ausnahme  jener,  welche  die  Kapsel  des  Glomerulus 
auskleiden,  flimmernde ;  bei  den  Reptilien  wirapert  nur  der  s.  g.  Hals 


458 


Vom  Harnapparat  der   Wirbelthiere. 


und  das  nächste  Drittheil  des  Kanälchens.  Die  Cilien  sind,  nament- 
lich bei  den  Selachiern,  von  beträchtlicher  Länge  ,  aber  es  scheint 
allgemein  nur  Ein  Flimmerhaar  auf  einer  Zelle  zu  sitzen ;  so  ist  es 
wenigstens  beim  Salamander,  den  Rochen  ;  auch  beim  Frosch,  wo  die 
Cilien  ebenfalls,  wie  man  unter  günstigen  Umständen  sieht,  sehr  lang 
sind,  glaube  ich  erkannt  zu  haben,  dass  immer  nur  Ein  Flimmerhaar 
zu  einer  Zelle  gehört.  Von  den  Schlangen  (Coluber,  Vipera)  meldet 
dasselbe  Busch. 


Fig.  224. 


\  erliinl   (liT 

llarn- 
kanälchen. 


Aus    der   Niere    von   Testiido   ;^raee;i. 

a  zwei  Harnl<anälchen,  welche  eine  Schlinge  bilden,  an   deren  Giijfel  ein  Malpighi'- 

scher   Körper  b  sieb   einlagert,  c  Himuienide   Niei'enzelUii,   d  Harnconcreniente. 

§.  421. 

Berücksichtigen  wir  die  Anordnung  der  Kanälchen,  so  sieht 
man  sie  bei  Fischen  und  Reptilien  im  Allgemeinen  mehr  oder  weniger 
gewunden  verlaufen ,  wobei  sie  zuletzt  entweder  für  sich  unter  Ent- 
wicklung einer  beutelförniigen  Anschwellung  enden  oder  sie  ver- 
einigen sich  zu  Schlingen  und  erst  der  Gi})fel  der  Schlinge  buchtet 
sich  zur  Kapsel  des  Glomerulus  aus.  Eine  ganz  besondere  Erwähnung 
verdienen  die  merkwürdigen  Nieren  der  My xinoiden,  über  deren 
Bau  wir  durch  Joh.  Müller  unterrichtet  worden  sind  mid  an  denen 
uns  gleichsam  das  Grundschenut,  der  Nierenstruktur  vorliegt.  Die 
ganze  Niere  nämlich  besteht  hier  einfach  aus  einem  langen ,  faden- 
förmigen Harnleiter,  welcher  in  Distanzen  kurze  Harnkanälchen  ab- 
giebt,  die  nach  einer  halsartigen  Verengerung  mit  einem  Blindsäckchen 
enden,  in  dessen  Grund  ein  Gefässglomerulus  hängt.  In  (h'n  Nieren 
der  übrigen  W  i  r  Ix'll  hie  re  vei'mehrt  sich  zwar  die  Zahl  der  Harn- 
kanälchen,  sie  werden  länger,  winden  sich,  aber  alle  Diticrenzen  er- 
scheinen doch  nur  als  weitere  Ausführungen  (U'ssen,  was  Im!  der  Niere 
der  Myxiiu)iden   vorgebihlet  ist.    (Vergl.  Fig.  l^l^ö.) 

In  einer  gt'wisscn  Stufenfolg(^  onhien  sich  ferner  bei  den  ver- 
scbi((K'nen  Wirbeltiiieren  die  Harnkanälchen  derartig,  dass  man  von 
einer   doppelten   Substanz    der   Nierenmasse    spricht.      Schon    bei 


Harnkauälcheii. 


459 


Fig.   225. 


Ein  Stück   Niere  von  Bdellostoma  Forsteri. 

a  Ureter,  b  Harnkanälchen,  c  kapselfi'irmiges  Ende,    d  Vas  afFerens,    e  Glomerulus, 

f  Vas  efterens,  g  Capillarnetz,  aus  welchem  die  Nierenvenen  hervorgehen. 

(Nach    Joh.  Müller.) 

Petroviyzon  Planeri  scheidet  sich  für  das  freie  Auge  die  Niere  in  einen 
äusseren  oder  hellen  Theil  und  in  einen  inneren  oder  gefärbten,  wo 
alsdann  im  hellen  Abschnitt  die  Harnkanälchen  ziemlich  regelmässig 
quer,  in  leichten  Schlängelungen  ziehen,  während  sie  in  der  gefärbten 
Partie  etwas  mehr  gewunden  sind.  Bei  den  Fischen  und  Reptilien 
sammeln  sich  im  Allgemeinen  die  Harnkanälchen  in  grössere  Gänge, 
ohne  vorher  sich  gestreckt  zu  haben,  aber  schon  bei  den  Vögeln 
gesellt  sich  je  eine  Anzahl  von  Kanälchen  unter  Geradestreckung  zu 
einem  Büschel  zusammen,  der  die  erste  Andeutung  der  Nierenpyramiden 
repräsentirt  und  in  einen  Ast  des  Harnleiters  übergeht.  Eine  wirkHche 
doppelte  Nierensubstanz  (Rinde  und  Mark)  unterscheidet  man  erst  bei 
den  Säuge thieren,  weil  hier  durchweg  die  vielfach  gcschlängelten 
Harnkanälchen  zu  einem  Büschel,  eine  s.  g.  Pyramide  vorstellend,  zu- 
sammentreten, deren  Spitze  oder  Nierenwärzchen  gegen  die  Nieren- 
kelche gerichtet  sind.  Eine  seltene  Abweichung  ist,  dass,  wie  beim 
Pferd  und  dem  Schnabelthier,  die  Harnkanälchen  in  eine  Furche  aus- 
münden. (Eine  nähere  Untersuchung  der  Niere  des  El  eph  anten  wäre 
sehr  wünschenswerth,  da  nach  Cuvier  dieses  Thier  von  allen  Säugern 
die  Ausnahme  macht,  dass  bei  ihm  die  beiden  Substanzen  der  Niere 
nicht  scharf  von  einander  abgegrenzt  sind.  Die  einzigen  Andeutungen 
wären  weissliche  Streifen,  die  in  der,  gegen  die  gewöhnliche  Regel 
äusserst  weichen  Nierensubstanz  von   der  Warze  gegen  den  Umfang 


460 


Vom  Harnapparat  der  Wirbelthiere. 


der  Niere  ausstrahlen  inid  sich  nicht  weit  von  demselben  verlieren.) 
Uebrigens  sollen  auch  beim  Kasuar  {Meckel)  und  Perlhuhn 
[E.  H.  Weber)  Warzen  und  Pyramiden  vorhanden  sein.  —  Die 
Überfläche  der  Niere  bei  Vögeln  und  Schildkröten  hat  ein  eigenthüm- 
liches  Aussehen,  was,  wie  ich  nach  Untersuchungen  von  Testudo  graeca 
annehmen  möchte,  davon  herrührt,  dass  die  Nierenläppchen  ineinander 
geschoben  sind.  Man  erblickt  da  röthliche ,  schlangenförmige  Win- 
dungen, oder  die  Blutgefässe,  welche  sich  zu  einer  graugelben,  aus 
den  Harnkanälchen  bestehenden  Umhüllungsmasse  wie  Achsenstränge 
ausnehmen.  Da  in  den  Harnkanälchen  ein  breiiger  Harn  angesammelt 
ist,  so  erscheint  die  Substanz  der  Kanälchen  gelb  gesprenkelt.  Die 
Niere  der  Knochenfische  finden  wir  häufig  durch  und  durch  schwarz 
punktirt,  was  von  extravasirten  Blutkügelchen,  die  in  Pigmentkörner 
sich  umgewandelt  haben,  bedingt  wird. 


Fig.  226. 


B 


CL 


'Jß 


'm,> 


'm. 


m 


A    Stück    der    Niere  von   Coecilia  annnlata,    schwach  vorgr. 
a  der  Harnleiter,    b  der  Sammelgang,    welcher  aus  jedem  Läppchen  der  Nieren- 

snbstanz  c  heraustfilirt. 

R    I''in    Stiick    aus    der    Niere    vom  Delphin,    zweimal  vcrgrössert. 
a   die  Uindeiisiil),stanz ,    b   die   Marksubstanz  eines  Niereiiläppehens,    c  d;c   Papille 

desselben. 


Gefässknäuel.  461 

Ausserdem  zeichnen  sich  die  Nieren  mancher  Knochenfische  noch 
durch  eine  ganz  besondere  Eigenschaft  aus,  die  mir  bis  jetzt  unver- 
ständlich geblieben  ist.  Beim  Saibling  (Salm.o  salvelinus)  enthält 
der  vorderste  Theil  der  Niere  keine  Harnkanälchen  mehi', 
sondern,  obschon  er  für  das  freie  Auge  sich  wie  die  übrige  Nieren- 
masse ausnimmt,  er  besteht  aus  einem  zarten  bindegewebigen  Fach- 
werk, Blutgefässen  und  viel  Pigment,  welches  wie  anderwärts  von 
veränderten  Blutkügelchen  herrührt ;  dazu  kommen  aber  in  überwiegen- 
der Menge  runde  farblose  Zellen,  vom  Aussehen  der  Lymphkügel- 
chen,  ihr  Kern  ist  einfach  oder  in  der  Theilung  begriffen.  Eine  Art 
von  Leuciscus,  welche  ich  hierauf  prüfte,  bot  in  der  obersten  Nieren- 
portion dasselbe  dar:  keine  Harnkanälchen,  sondern  Massen  farbloser 
Zellen  und  bräunlicher  Körner,  die  sich  wie  verödete  Blutkügelchen 
ausnehmen.  Uebrigens  lehrte  weiteres  Nachsehen,  dass  in  der  ganzen 
übrigen  Niere  die  Harnkanälchen  in  eben  solche  Substanz  gebettet 
waren.  Auch  Cottus  gobio  und  Esox  lucius  verhielten  sich  wie  die  vor- 
hergehenden Fische. 

§.  422. 

Bei  manchen  geschwänzten  Batrachiern  {Triton^  Salamandra, 
Proteus)  haben  sich  vom  vorderen  Ende  der  Niere  einzelne  Läppchen 
abgelöst,  die  richtiger  den  Namen  Nebenhoden  führen,  da  sie  durch 
die  Verknäuelungen  der  Hodenausführungsgänge  gebildet  werden;  beim 
Landsalamander  und  Proteus  vermisse  ich  auch  in  diesen  vordersten, 
abgelösten  Nierenstückchen  die  Erweiterungen  oder  Kapseln  der  Kanäl- 
chen,  sowie  die  GlomeruU,  und  ev%X  im  Anfange  der  zusammen- 
hängenden Nierenmasse  traten  diese  Bildungen  auf.  In  Ueberein- 
stimmung  mit  solchen  Unterschieden  im  Bau  haben  auch  beim  Proteus 
die  isolirten  Nierenlappen  oder  Nebenhoden  eine  weissliche  Farbe, 
während  die  Niere  selber  röthlich  erscheint. 

§.  423. 

Die  Malpighi'schen  Gefässknäuel  kommen  den  Nieren  aller 
Wirbelthiere  zu^  doch  variiren  sie  in  den  verschiedenen  Klassen  etwas 
nach  Zahl^  Grösse  und  Art  der  Verknäuelung.  Nicht  sehr  zahlreich 
dünken  sie  mir  in  der  Niere  des  Proteus  zu  sein ;  ähnlich  möchte  ich 
mich  bezüglich  der  Plagiostomen  ausdrücken,  denn  trotz  des  grossen 
Gefässreichthums,  welchen  das  Organ  im  Ganzen  hat,  zählte  ich  bei 
einer  jungen  Raja  batis  für  jede  Niere  ungefähr  20  Olomeruli.  In 
viel  bedeutenderer  Menge  trifft  man  sie  bei  anderen  Thicrgruppen. 
Was  die  Grösse  anbelangt,  so  dürften  die  der  Vögel  zu  den  kleinsten 
zählen,  grösser  sind  jene  der  Fische  und  Säuger ;  die  beträchtlichsten 
erblicken  wir  bei  den  Amphibien  und  unter  diesen  stehen  wieder  die 
des  Proteus  oben  an.  Den  absolut  grössten  Cilomerulus  besitzt  übrigens 
die  vordere  Partie  der  Niere  bei  Batrachierlarven,  die  s.g.  Müll  er- 
sehe Drüse,  wo  er  auch  bezüglich  seiner  Lage  das  Eigene  hat,  dass 


(Tlomeriili. 


462 


Vom  Harnapparat  der  Wirbelthiere. 


er  nicht  in  der  Erweiterung  eines  Kanales  steckt,  sondern  bloss  neben 
der  MüUer'schen  Drüse,  an  deren  innerer  Seite  liegt.  Bei  Fischen, 
Amphibien  und  Vögeln  scheinen  die  OlomeruU  nur  durch  Verknäue- 
lungen  eines  einzigen  Gefässes  von  Capillarstruktur  zu  ent- 
stehen, ja  bei  Nattern  und  besonders  bei  Coronella  austriaca  soll  hin 
und  wieder  nach  Hyrtl  der  Olomerulus  auf  eine  einfache  Gefäss- 
krümraung  reduzirt  sein,  wozu  ich  jedoch  bemerken  möchte,  dass  ich 
gerade  bei  der  zuletzt  genannten  Art  ganz  echte  verknäuelte  Glome- 
ruli,  etwas  kleiner  als  die  der  Frösche,  in  den  blinden  erweiterten 
Enden  der  Harnkanälchen  wahrnehme;  und  dass  auch  hier  Theilungen 
des  Gefässrohres  vorkommen,  hat  Busch  (Müll.  Arch.  1855)  gesehen. 
Andererseits  wird  bei  den  Säugern  vielleicht  allgemein  der  Malpighi'- 
sche  Körper  nicht  bloss  durch  Verschlingung ,  sondern  auch  durch 
Verästelung  des   Blutgefässes  zu  Wege  gebracht. 

Fig.  227. 


AbI''itcn(lo 


Glomeruliis    eines    Säuget  hie  res    (Rind). 

Die  fingerförmigen  Fettlappen,  welche  mit  den  Nieren  der 
ungeschwänzten  Batrachier  zusammenhängen,  zeigen  nach  der  Jahres- 
zeit eine  sehr  verschiedene  Ausbildung.  Untersucht  man  sie  im  Winter 
in  ihrem  eingeschrumpften  Zustande ,  so  findet  man  sie  aus  einem 
gefässhaltigen  Bindegewebe  zusammengesetzt,  dessen  rundliche  Zellen 
oder  Bindegewebskörperchen  sehr  zahlreich  sind  ;  es  lässt  sich  dann 
auch  feststellen,  dass  in  jedem  Lappen  ein  stärkeres  Blutgefäss  (bei 
Custignatlms  ocellatus  aus  der  Spitze  der  Niere  kommend)  sich  auf- 
wärts schlängelt.  In  anderen  Zeiten  sind  die  Zellen  des  Bindegewebes 
prall  mit  Fett  gefüllt  und  damit  die  Lappen  im  Ganzen  schön  gelb 
gefärbt.  Ein  Epithel  überzieht  die  Oberfläche.  Aehnlich  verhalten 
sich  wolil  auch  die  streifenförmigen  Fcttlappen  der  geschwänzten 
Jiatrachicr. 

§.  424. 

Die  Harnleiter,  sowie  die  ILirnlilase  dei"  niederen  Wirbel- 
thiere bestehen  aus  Bindegewebe,  das  iimen  von  Plattcnepithel  über- 
zogen ist;  sehr  gewJihnlich  sind  auch  bei  Fischen  und  Ixej^tiiien  in 
die  Wandungen  der  Harnblase  glatte  Muskeln  eingewebt,  deren 
netzförmige  Verflechtung  man  sehr  leicht  und  schön  an  der  dünn- 
wandigen   Harnblase    der   Frösche,    Kröten,    Tritonen    etc.    sich  Vor- 


Harnwege.  463 

führen  kann.  Bei  Botrümiator  igneus  schienen  mir  die  Kerne  der  Muskeln 
eine  ungewöhnliche  Länge  zu  haben.  In  die  äusseren  Bindegewebslagen 
der  Harnleiter  kann  auch  mehr  oder  weniger  Pigment  abgesetzt  sein. 
Der  Ureter  der  Batracbier ,  welcher,  wie  bekannt,  zugleich  Samen- 
leiter ist,  steht  noch  bei  den  männlichen  Thieren  mit  dem  Ausführungs- 
gang  des  Wolf'schen  Körpers  (Müller'sche  Drüse)  in  Commu- 
nikation,  der  bald  höher,  bald  tiefer,  wie  das  nach  den  Arten  ver- 
schieden ist ,  in  ihn  einmündet  und  an  seinem  vorderen  Ende  ein 
Orißcium  hat.  Er  besteht  aus  einer  bindegewebigen,  hellen,  homogenen 
Membran  und  einem  Epithel ,  das  beim  Frosch  ,  der  Feuerkröte  im 
obersten  Abschnitt  flimmert;  die  Zellen  sind  hier  cylindrisch ,  im 
sonstigen  Kanal  rund. 

Ueber  die  Harnwege  der  Vögel  sind  bisher  keine  histologischen 
Untersuchungen  angestellt  worden,  auch  bezüglich  der  Säuger  ver- 
fügen wir  nur  über  eine  geringe  Anzahl  von  Erfahrungen.  Unsere 
Haussäugethiere  zeigen  grosse  üebereinstimmung  mit  den  mensch- 
lichen Strukturverhältnissen ;  so  besitzt  das  Epithel  der  Ureteren  und 
der  Blase  dieselben  eigenthümlichen  Inhaltskörner  und  die  mehrfachen 
Kerne,  wie  solches  oben  vom  Menschen  erwähnt  wurde,  auch  sind  in 
der  Harni-öhre  die  Schleim-  oder  Littre 'sehen  Drüschen  vorhanden 
(beim  Rind  sehe  ich  sie  von  baumartig  verästelter  Form,  die  blinden 
Enden  etwas  geknäuelt).  Eigenthümlich  stellt  sich  mir  die  Harnröhre 
des  Maulwurfes  dar.  An  der  Pars  memhranacea  ist  die  quer- 
gestreifte Muskellage  des  Muscuhis  urethralis  sehr  stark ,  darunter 
liegt  eine  ebenfalls  mächtige  Schicht  glatter  Muskeln ,  welche  mit 
denen  der  Harnblase  zusammenhängen.  Schneidet  man  die  Harnröhre 
der  Länge  nach  auf,  so  sieht  man  sie ,  was  auch  schon  äusserlich 
siclitbar  ist,  gegen  die  Pars  cavernosa  zu  kugelig  erweitert  und  in 
diesem  Abschnitt  eine  sehr  entwickelte  Drüsenschicht  der  Schleimhaut. 
Die  Drüsen  sind  einfache,  rundlich  ovale  Säckchen  mit  runder  Oeifnung 
und  ausgekleidet  von  feinkörnigen  Zellen.  Die  Drüsenlage  beschränkt 
sich  auf  die  Erweiterung,  ober-  und  unterhalb  derselben  erscheint  die 
Schleimhaut  drüsenlos. 

Das  wichtigste  Ergebniss,  welches  unsere  Zeit  in  der  mikroskopischen  Anato- 
mie der  Nieren  ermittelt  hat,  besteht  in  dem  Nachweis  des  Zusammenhanges  der 
Kajjsel  des  Glomerulus  mit  dem  Harnkanälchen  und  diese  Entdeckung  hat  Boicman 
1842  gemacht.  Allerdings  hatte  schon  ein  Jahr  vorher  (1841)  Joli.  Müller  den 
oben  angezogenen  Bau  der  Niere  der  31yxinoiden  erkannt,  von  der  man  doch  be- 
haupten darf,  dass  sie  in  nuce  die  Nierenstrukt'iir  der  übrigen  Wirbelthiere  enthält. 

Da  das  Epithel  der  Nierenkanälchen  bei  den  verschiedensten  Thieren  in  einer 
und  derselben  Niere  bald  von  körnigem  Inhalt  ist,  bald  mehr  hell  sich  zeigt,  auch 
das  Kaliber  der  Kanälchen  verschieden  weit  ist ,  so  glauben  manche  Beobachter 
zweierlei  Kanäle  unterscheiden  zu  müssen.  Mandl  z.  B.  hat  solches  bezüglich 
des  Frosches  und  Patruhan  l'ür  die  menschliche  Niere  gethan. 

Bei  den  Batrachiern  stehen  die  Ausführungsgänge  des  Hodens  in  einer  eigen- 
thümlichen   Beziehung    zu    den    Nieren,     in    welcher    Hinsicht    ich    verweise    auf: 


464  Von  der  Niere  der  Wirbellosen. 

Bidder,  Unters,  üb.  die  Geschlucbts-  u.  Haruwerkzeuge  der  Amphibien,  1846, 
V.  Witfich,  Beiträge  zur  morphologischen  und  histologischen  Entwicklung  der 
Harn-  und  Geschlechtswerkzeuge  der  nackten  Amphibien,  1853,  Leydig,  anato- 
misch-histol.   Untersuch,  üb.   Fische  u.  Rept. ,   1853. 


Vierundvierzigster  Abschnitt. 

Von    der    Niere    der    Wirbellosen. 

§.  425. 

Die  Harnorgane  der  Evertebraten  scheinen  nach  ihrem  Bau 
in  zwei  Ilaupttypen  auseinander  zu  gehen.  Bei  der  einen  Gruppe  be- 
steht die  Niere  aus  distinkten  Kanälen^  bei  der  anderen  zeigt  sie 
sich  als  cavernöses  Gebilde;  man  beobachtet  die  erstere  Form  bei 
Würmern  und  Arthropoden,  die  zweite  bei  Mollusken. 

Von  den  Nieren  der  Würmer  war  bereits  oben  die  Rede,  da  es 
dieselben  Kanäle  sind,  welche  bis  jetzt  gewöhnlich  als  wasserführende 
Respirationsorgane  gelten  und  an  ihrem  unteren  Abschnitt  Sekretions- 
zellen oder  auch  selbständige  Drüsen  führen.  Bei  den  Trematoden, 
wo  die  Kanäle  unter  dem  Namen  Excretionsorgan  bekannt  sind,  kann 
sich  in  ihnen  ein  körniges  oder  auch  kiystallinisches  Sekret  abscheiden, 
das  nach  Gorup-Besanez,  Will  und  IVac/eaer  die  Reaktionen  des 
Guanin  zeigt. 

§.  426. 
Mftipighi'sche  Bei    Insekten,    Arachniden    und    Myriapoden    stellen    die 

,e  «s,e.  ^^  ^^  Malpighi'schen  Gefilsse  die  harnbereitenden  Organe  vor.  Die 
Kanäle  sind  fast  bei  allen  Insekten  und  Myi'iapoden  einfach,  seltener 
bei  gewissen  Schmetterlingen,  den  Spltinges  z.  B.  und  einigen  Käfern 
{Melolontlia  z.  B.),  gegen  das  blinde  Ende  zu  mit  kurzen  Blindsäckchen 
besetzt;  bei  den  S])innen  verästeln  sich  die  Malpighi'sclien  Gefässe 
lind  münden  in'  einen  flaschenföi'migen  Bhndsack  am  Ende  des  Darm- 
kanalcs  ein.  Auf  liiren  Bau  betrachtet,  bestehen  sie  immer  aus  der 
liDinogenen  Taiuca propria^  die  nach  aussen  wohl  allgemein  in  reichere, 
mit  Kernen  versehene,  tracheenhaltige  Bindesubstanz  übergeht;  ihrer 
inneren  Seite  liegen  die  Sekretionszellen  an.  Letztere  sind  ent- 
weder kleine  Zellen,  z.  B.  in  Julus  terre.stris,  oder  man  hat  grosse, 
sogar  sein-  grosse  Zellen  vor  sich,  z.  B.  bei  Formica.  Bomhus^  Apis, 
JSiepa  u.  a.,  wo  uiigefäbr  vier  oder  drei  Zellen  den  Umfang  des  Kanales 
einnehmen;    bei    Coccus   hesperidtmi    sind    sie   so    beträchtliche  Blasen, 


Arthropoden. 


465 


dass  sie  nur  in  einfacher  Reihe  im  Harnschhiuch  hintereinander  liefen 
und  daher,  im  Falle  man  sie  besonders  entwickelt  trifft,  dem  Maipighi'- 
schen  Gefäss  ein  knotig-es  Aussehen  geben.  Auch  bei  manchen 
Schmetterlingen  sind  die  Zellen  oft  ausserordentlich  gross. 

Fig.  228. 


A    Malpighi'sches  Gefäss    von  Julus  terrestris;    a  Tunica  propria, 

b  die  Sekretionszellen,    c  Harnkrystalle. 

ß  Malpigbi'sclies  Gefäss  von   Goccus  hesperidum:   a,  b  wie  bei  A. 

C    Malpigbi'scbes     Gefäss     von     Pliryganea    grandis:     a    Tunica 

propria,    b  Sekretionszellen  mit  verästelten  Kernen,    c  Tunica  intima. 

(Starke  Vergr.)" 

Der  Kern  der  Harnzellen  ist  meist  sehr  markirt,  blasig,  mit 
einem  oder  mehren,  selbst  bis  fünf  Kernkörperchen.  In  den  so  riesigen 
Zellen  der  Lepidopteren  kann  sich  der  Kern  verästeln,  so  bei  Colias 
Brassicae  und  Papilio  Macliaon,  wo  übrigens  die  Fortsätze  des  Kerns 
kurz  und  breit  sind ,  bei  Cossus  ligniperda  sind  die  Kerne  lang- 
gestreckt, verästelt,  die  Ausläufer  auch  wohl  netzartig  verbunden 
{^Meckel). 

Auch  der  Zelle n Inhalt  ist  ein  wechselnder,  klar  und  homogen 
oder  blasskörnig  z.  B.  bei  Julus  terrestris  \  häufiger  erscheint  der 
körnige  Inhalt  gefärbt,  schwachgelb  bei  Aeslina  grandis^  Forficula 
auricularia ,  Gryllus  campestris ,  Locusta  viridissima ,  den  meisten 
Käfern  u.  a.,  röthlich  beim  Mistkäfer,  bei  Cossus  ligniperda^  bräunlich 
bei  Coccus  hesperidum.,  sehr  häufig  weiss  bei  vielen  Insekten  und 
Arachniden.  Die  Zelle  kann  dergestalt  mit  Inhaltskörnchen  voll- 
gepfropft sein,  dass  der  Kern  dadurch  ganz  verdeckt  wird.  Durch  Auf- 
lösung der  Zellen  sammelt  sich  das  Sekret  in  Form  von  Köi'nchen  oder 
von  geschichteten  Kugeln  im  Lumen  des  Harnschlauches  an,  häuft  sich 

T^ioydig,  Histologie.  3(J 


466 


Von  der  Niere  der  Wirbellosen. 


auch  gern,  namentlich  bei  Spinnen,  als  weisser  Brei  an  und  besteht 
chemisch  aus  Harnsäure  und  harnsauren  Salzen;  bei  Arachniden  hat 
man  auch  Guanin  gefunden.  Seltener  kommen  Krystallc  in  der  Lich- 
tung des  Malpighi'schen  Gefässes  zur  Beobachtung,  ich  fand  farblose 
Oktaeder  bei  Julus  terrestris ,  doch  nicht  gerade  in  grosser  Anzahl. 
H.  Meckel  hatte  schon  früher  quadratpyramidalische  Krjstalle,  die 
zum  Theil  homogen  weiss  ,  zum  Theil  aus  zwei  weissen  und  einer 
mittleren  rothen  Schicht  bestanden  ,  aus  der  Raupe  von  Sphinx  con- 
volvuli  heschr'iehen.  Ich  treife  ferner,  und  zwar  in  reicldichster  Menge 
oktacdrische  Krystalle  im  Lumen  der  Nierenkanäle  von  der  Raupe 
des  Bombyx  ruhi.  (Da  bei  Wirbellosen  theihveise  mit  Sicherheit  zu' 
sehen  ist,  dass  die  harnsauren  Salze  in  Form  von  Krystallen  und 
Concrementen  den  Inhalt  der  Zellen  bilden,  so  dürften  doch  die  Nie- 
ren der  beschuppten  Reptilien  und  Vögel  von  Neuem  zu  prüfen  sein, 
ob  nicht  auch  da  die  Zellen  sich  in  derselben  Weise  an  der  Sekretion 
des  Harns  betheiligen.) 

Fig.  229. 


a^- 


S  t  ii  c  1<    e  i  n  c  s    H  a  r  n  g  c  f  ä  s  s  e  s    von    I  x  o  d  c  s. 
a  'I'unic.i   propria,   1)   die   Sckrctiiins/cllrn,    c   die    Harneoueremcnte.      (Starke  Vcrgr.) 

Eine  homogene  Intima^  wie  sie  an  den  Speicheldriisen  dcrLisekten 
und  der  Leber  der  Krebse  die  Sekretionszellen  überdeckt,  mangelt  in 
den  Malpighi'schen  Gefässcn  luudi  //.  Meckel.  (Doch  vergl.  hierüber 
den   „Anliaiig  zu   den   Harnorganen  der   Wirbellosen'*  §.  43L) 


Niuren  ? 


§.  427. 

Ueber  die  Harnorgane  der  Krebse  befindet  man  sich  noch  im 
Unklaren.  Gegenwärtig  sprechen  nielii-e  Forscher  das  bekannte  grüne 
Oi-gan  des  Flusskrebses,  welches  hinter  der  Basis  der  äusseren  Fühler 
im  imtei'en  Llieile  des  CJehäuses  liegt  und  aus  einem  vielfach  ineinan- 
<lei-  j;-ekn;iiie|lcii  i\aiial  mit  l\ntic<t  /n(<jiri<i .  I\("ii-nigen  lidialtszellen  und 
deuilirli   l)leil)cii(lcni  Lumen    besteht,  als  Niere   aji,   auch  will  man  Gua- 


Mollusken.  467 

nin  darin  gefunden  haben.  Dieser  Deutung  kann  ich  mich  nicht 
anschliessen ,  da  ich  in  der  grünen  Drüse  des  Flusskrebses  das 
Analogen  jener  eigenthümlichen  „Schale ndrüse"  erblicke,  welche 
dem  Argulus,  den  Phyllopoden,  den  Daphnoiden  und  Cyklopiden  zu- 
kommt. Am  längsten  bekannt  ist  dies  Organ  von  Apus ,  dann  habe 
ich  dasselbe  vom  Argulus  beschrieben ,  wo  es  einen  in  sich  zurück- 
kehrenden Drüsenschlauch  bildet,  ferner  von  Artemia  und  Branchipus, 
wo  es  einen  in  Windungen  aufgerollten  Schlauch  darstellt,  welcher 
in  dem  stark  vorspringenden  Höcker  hinter  den  Kiefern  liegt.  Neuere 
Untersuchungen  haben  mir  gezeigt,  dass  das  Organ  auch  bei  8ida, 
Daphnia,  Lynceus  und  Cyclops  vorhanden  ist  und  immer  aus  einem 
bald  einfachen,  bald  mehrfach  geknäuelten  und  in  sich  bhnd  ge- 
schlossenen Kanal  besteht,  worüber  ich  die  Einzelheiten  an  einem 
anderen  Orte  zu  veröffentlichen  gedenke.  Dass  besagte  „Schalen- 
drüse"  die  Niere  vorstelle,  lässt  sich  mit  nichts  stützen,  auch  spricht 
gegen  eine  derartige  Auffassung,  dass  man  bei  sehr  jungen  Cyclops- 
larven  (s.  meine  Abhandl.  über  Rotatorien)  an  einer  anderen  Kör- 
pergegend eine  Art  Harnabscheidung  bemerkt.  Man  beobachtet  näm- 
lich, dass  der  Darm  gegen  das  Hinterleibsende  zu  und  zwar  an 
der  unteren  Fläche  eine  Verdickung  hat,  hervorgebracht  durch 
grosse  klare  Zellen ,  deren  Inhalt  aber  bei  auffallendem  Licht 
weiss,  bei  durchgehendem  schwärzlicii  sich  zeigt.  Denn  das  Conten- 
tum  der  Zellen  bilden  Concretionen ,  wie  man  sie  aus  der  Niere 
anderer  wirbelloser  Thiere  kennt:  es  sind  Kugeln  von  schmutzig 
gelber  Farbe,  die  bei  sehr  starker  Vergrösserung  ein  geschichtetes 
Aussehen  bekommen,  von  Essigsäure  werden  sie  langsam  angegriffen, 
Kalisolution  löst  sie.  Vergleicht  man  zahlreiche  Individuen  auf  das 
weitere  Verhalten  fraglicher  Concremente,  so  wird  ersichtlich,  dass  sie 
allmählig  zerbröckeln,  nach  und  nach  zu  einer  pul  verförmigen  Masse 
zusammenfallen  und  in  entwickelteren  Larven  (solchen  mit  vier  Paar 
Beinen)  ganz  geschwunden  sind.  Diese  Beobachtung  dürfte  wohl 
darauf  hinleiten,  die  Nieren  der  Krebse  in  jenen  „bisher  nur  wenig 
beachteten  Blindschläuchen  zu  suchen,  welche  an  verschiedenen  Stellen 
zwischen  Pylorus  und  Mastdarm  in  den  Darmkanal  einmünden'^  und 
in  denen  schon  vor  Jahren  v.  Siehold  die  Harn  Werkzeuge  der  Krebse 
vermuthet  hat. 

§.  428. 
Die  Niere  der  meisten  Mollusken  zeigt  das  Gemeinsame,  dass  Niere  der 
die  Drüse  ein  sackartiges,  durch  Vorspringen  zahlreicher  Falten  und 
Blätter  cavernöses  Gebilde  vorstellt.  Das  Fachwerk  des  Organes  be- 
steht entweder  bloss  aus  heller  Bindesubstanz,  die  zahlreiche  Zellen 
und  Kerne  in  sich  einschliesst,  so  bei  Acephalen,  den  Gasteropoden, 
in  welchem  Falle  natürlich  die  Niere  sich  nicht  zusammenzuziehen 
vermag,  oder  es  flechten  sich  Muskeln  in  das  bindegewebige  Balkennetz 
ein,  was  man  bei  Ptero-  und  Heteropoden,   sowie  bei  den  Cep'ha- 

30* 


4fi8 


Von  der  Niere  der  WirbeHosen. 


lopoden  wahrnimmt.  Die  Niere  erscheint  alsdann  contractu.  Es 
däucht  mir,  als  ob  nach  der  muskulösen  oder  nicht  muskulösen  Be- 
schaffenheit des  Balkenwerkes  der  Niere  auch  die  Anordnung  der 
Vorsprünge  etwas  Abweicliendes  habe.  An  der  Niere  unserer  Helices 
wenigstens  sind  die  nach  innen  vorspringenden  bindegewebigen  Falten 
zwar  hoch,  aber  sehr  dünn  und  in  den  Hauptzügen  senkrecht  gestellt, 
hingegen  an  der  Niere  der  Cephalopoden  sah  ich,  wie  das  Trabekel- 
werk aus  ganz  unregelmässigen,  durcheinander  geflochtenen  Balken 
zusammengesetzt  war.  Die  freien  Flächen  der  cavernösen  Räume  werden 
von  den  Sekretionszellen  überkleidet,  welche  nur  bei  den  Acephalen 
{Cyclo,s,  Unio,  Änodonta  z.  B.)  flimmern  und  olme  Cilien  bei  den  übrigen 
Mollusken  sind.  In  ihrem  Inneren,  und  zwar,  w^ie  H.  Meckel  zuerst 
zeiirte,  in  besonderen  Sekretbläschen  der  Zellen  werden  die  Harn- 
concremente  sichtbar;  sie  treten  auf  unter  der  Form  kleiner  Körner 
(bei  Najaden,  Lithodomus  z.  B.),  die  sich  vergrössern  und  zu  schaligen 
Kugeln  werden  (bei  Gasteropoden) ,  auch  sieht  man  krystallinische 
Bildungen.*)    Dergleichen  Harnniederschläge  färben  die  Nieren  weiss, 

Fig.  230. 


-V-.     -X. 


i'^ 


\Si^ 


Ein    Stück    Niere    der    Ilelix  hortensis  von  innen   angesehen  und  massig 

vergrössert. 
Bei  ii  erblickt  man  die  ins  Innere  vorspringenden  Blätter,  von   denen  die  Nieren- 
zellen   abgestreift   sind,    bei    !>    decken    letztere    noch  als  Kpitbel  die  blätterigen 
Vorsprünge,  c  zwei  Niereuzellen  bei  starker  Vergr. 


*)  l'"ntgegen  der  lierkrnninlieliLMi  Aiinabme  findet  Schlo ssherger  (Annal.  der 
Clieni.  n.  Pliarm.  ^18.  iij  in  den  (^oncrenieiiten  der  Nieren  der  Mnscli(;ln  keine 
Harnsäure;  die  Mincralbcstandtlicilc  des  Concrcmentcs  sind  liauptsäclilich  phos- 
l)hors!Uire  Erden. 


Echinodermen. 


469 


^elb,  auch  grün  (bei  Paludina  vivipard).  Mag  auch  das  Organ  selb.'^t 
nicht  flimmern,  so  geschieht  dies  doch  im  Austuhrungsgang,  wenig'- 
stens  bei  den  Gasteropodeu ;  übrigens  sind  auch  im  flimmernden  Aus- 
führungsgang der  Niere  von  Muschehi  die  Cilien  auflallend  länger,  als 
in  der  Drüse  selber.  Bei  Gyclas  z.  B.  findet  man  die  Cilien  der 
Sekretionszellen  von  so  äusserster  Feinheit,  dass  sie  eigentlich  nur  an 
ihren  Wirkungen  w^ahrnehmbar  sind,  während  sie  im  Ausführungsgang 
eine  ganz  bedeutende  Länge  haben. 

(Bei  CymhuUa  und  Clio  ist  die  Niere  nach  Gegenhaur  ein  ein- 
facher 8ack  oder  Schlauch ,  ohne  spongiöses  Gewebe ,  ebenso  bei 
Phyllirrhoe ,  Polycera  u.  a. ;  bei  diesen  Thieren  bleibt  das  Organ 
gewissermaassen  auf  der  Stufe  stehen,  welche  es  bei  anderen  [Cyclas 
Cornea  z.  B.]  nur  im  Embryonalleben  hat.  Bei  Ostrea  und  Mytilus 
ist,  was  man  schon  länger  weiss  und  wie  auch  v.  Hessling  bestätigt, 
die  Niere  kein  eigener  Sack,  wie  bei  den  anderen  Lamellibranchien, 
vielmehr  sitzen  die  Zellen,  welche  die  Harnbestandtheile  einschliessen, 
den  in  das  Herz  eintretenden  Venen  und  der  Vorkammer  direkt  auf. 
Auch  die  Niere  von  Teredo  ist  nach  Frey  und  Leuckart  „ein 
schwärzlicher  Beleg  des  Vorhofes.'') 

§.  429. 

Welche  Organe  der  Echinodermen  man  für  Nieren  halten  soll, 
darüber  herrscht  bekanntlich  noch  grosses  Dunkel.  Ich  hege  die  Ver- 
muthung,  dass  bei  Echimis  die  s.  g.  Ambulakralbläschen  mit  der  Harn- 
sekretion betraut  seien  und  stütze  mich  dabei  auf  folgende  Gründe. 
Die  Ambulakralbläschen  sind  keine  simplen  Säckchen  mit  muskulöser 
W^and ,  sondern,  w^ie  ich  gezeigt  habe  [Müll.  Krch.  1854),  auch  der 
Innenraum  der  Säckchen  wird  von  Muskelbündeln  durchzogen,  die  sich 
zu  Netzen  verbinden  und  eine  Art  Trabekulargewebe  herstellen.  Es  sind 

Fig.  231. 


Ambulakralbläschen    von  Echinus  esculentus. 

a  die  Muskeln   der  Hülle ,    b  die  muskulösen  Balken  durch   den  Hohlraum   des 
Organes,  c  eigenthümliche  zellige  Gebilde,  welche  im  Innern  herumtreiben. 


470  Von  dex  Niere  der  Wirbellosen. 

daher  die  betreffenden  Organe  nach  dem  Typus  der  contractilen  Niere 
von  Molhisken  gebaut.  Damit  vereinigt  sich,  dass  die  zelligen  Elemente 
in  den  Maschenräumen  scharfconturirte  Inhaltskörperchen  besitzen,  die 
durchaus  an  Harnconcremente  anderer  Wirbellosen  erinnern,  und  end- 
lich würde  die  Thatsache,  dass  Wasser-Blut  ihr  Inneres  füllt,  nur  in 
Uebereinstimmung  stehen  mit  dem,  was  wir  bezüglich  dieses  Punktes 
über  die  Niere  der  Mollusken  wissen.  Auch  für  die  Niere  der  Mol- 
lusken liesse  sich  ja  der  Satz  rechtfertigen,  dass  sie  „lediglich  Apper- 
tinentien  des  Gefässsystemes"  seien,  unter  welchen  allgemeinen  Aus- 
druck Joh.  Müller  die  Ambulakralbläschen  gebracht  hat. 

§.  430. 

Physio-  Die  physiologische  Leistung  der  Nieren  besteht  darin ,  die  Zer- 

setzungsprodukte, in  welchen  sich  der  Stickstoff  der  organischen  Theile 
befindet,  aus  dem  Körper  zu  entfernen.  Bei  den  Wirbelthieren  gesellt 
sich  hierzu  noch  die  Ausscheidung  grosser  Wassermengen  und  mit 
dieser  letzteren  Funktion  stehen  zweifelsohne  die  Malpighi'schen  Gefäss- 
knäuel  in  Beziehung. 

Ein  Gegenstand ,  auf  den  noch  sorgfältige  Untersuchungen  ge- 
richtet werden  müssen,  ist  die  Niere  der  Mollusken  bezüglich  ihrer 
Aufnahme  oder  Abscheidung  von  Wasser.  So  viel  ist  sicher ,  dass 
innerhalb  der  Maschenräume  der  Niere  bei  den  im  Wasser  lebenden 
Gasteropoden ,  Ptero  -  und  Heteropoden ,  Cephalopoden  und  wahr- 
scheinlich auch  Acephalen  eine  Mischung  von  Blut  und  von  Wasser 
stattfindet.  Bei  Paludina  vivipara  dient  hierzu  ein  grosser  flimmern- 
der Sack ,  der  durch  eine  oder  zwei  Oeft'nungen ,  jede  von  einem 
Ringmuskel  umschlossen,  in  die  Niere  sich  öffnet,  während  das 
vordere  Ende  dieses  Behälters  durch  ein  kleines  Loch,  ebenfalls  von 
einem  Spldncter  umgeben ,  mit  der  Iviemenhöhle  communicirt.  Bei 
Ptero-  und  Heteropoden  mündet  die  Niere  unmittelbar  nach  aussen, 
ebenso  bei  den  Acephalen  in  die  Mantelhöhle,  bei  den  Cephalopoden 
geschieht  die  Verbindung  durch  die  nach  aussen  führenden  sogenannten 
Seitenzellen.  Allein,  w^orauf  bereits  oben  (s.  Respirationsorgane)  hin- 
gedeutet wurde,  es  ist  noch  nicht  mit  Bestimmtheit  festgestellt,  ob  das 
Wasser  in  der  Niere  zunächst  von  aussen  eingeströmt  ist ,  oder  ob 
nicht  vielmehr,  was  mir  richtiger  scheint  und  sich  eher  mit  den  be- 
kannteren Verhältnissen  bei  Wirbelthieren  verknüpfen  liesse,  durch 
die  Niere  das  verbrauchte  Wasser-Blut  ausströmt.  Das  Einlassen  des 
frischen  Wassers  in  die  Körper-Bluträume  muss  alsdann  durch  die 
Porenkanäle  der  Haut  erfolgen. 

Die  Nierenzcllen  der  Wirbelthiere  scheinen  nie  (?)  krystalllnischc 
oder  schaligcConcremente  einzuschliessen,  während  solches  bei  manchen 
Wirbellosen  entschieden  der  Fall  ist,  und  andererseits  spricht  die  letz- 
tere Erscheinung  auch  dafür,  dass  der  Harn  so  wenig,  wie  das  Sekret 
anderer  Drüsen  einfach  durch   Filtration    aus  dem  Blute    abgeschieden 


Anhaiio-  zu  der  „Niere  der  Wirbellosen."  471 


n 


werde ,    sondern    dass   gewisse  Bestandtheile   desselben    in    den   Harn- 
zellen erst  bereitet   werden. 

Der  normale,  frische  Urin  der  Säuger,  Batrachier  und  vieler 
Fische  entbehrt  der  geformten  Bihlungen,  höchstens  erblickt  man  in 
ihm  einzelne  Fetttropfchen ;  im  Harn  der  Vögel  und  beschuppten 
Reptilien  scheiden  sich  schon  innerhalb  der  Nierenkanäichen  harnsaure 
krystallinische  Verbindungen  in  grosser  Menge  aus,  und  es  erscheint 
daher  der  Urin  für  das  freie  Auge  als  weissliche  breiige  Substanz. 
Bei  manchen  Fischen  enthalten,  wie  oben  erwähnt,  die  Harnkanälchcn 
kuglig  geschichtete  Massen  von  fettartigem  Aussehen,  auch  mag  be- 
merkt sein,  dass  ich  in  der  Harnblase  von  Dactyloptera  voUtans  sehr 
zahlreiche,  helle,  spiessige  Krystalle,  in  Gruppen  beisammen  liegend, 
angetroffen  habe. 

Unter  den  Insekten  sollen  die  31  alpighV  sehen  Gefässe  den  Gattungen  Coccua, 
Chermes  und  den  Aphiden  fehlen.  Von  Coccus  hesjyeridum  habe  ich  sie  jedoch  nach- 
gewiesen (Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  1853).  —  Um  die  Niere  der  Mollusken  zu  stu- 
diren,  ist  das  Liegenlassen  des  Thieres  in  doppeltchroinsaurem  Kali  sehr  zu  em- 
pfehlen. Die  Sokretiouszellen  streifen  sich  dann  leicht  in  schöner  epithelartiger 
Anordnung  von  den  Falten  weg,  und  letztere  zeigen  ihren  Verlauf  und  ihre  Ver- 
bindungen deutlich.  An  solchen  Präparaten  habe  ich  auch  grössere  Klumpen 
zusammengebackener  Blutkügelchen  in  den  Hohlräumen  der  Niere  wahrgenommen. 
—  In  den  Nieren  unserer  Ilelicea  hält  sich  ein  eigenthümlicher  Parasit  auf,  oft  zu 
mehren  Hunderten .  der  in  der  Furchung  begriffenen  Eiern  aufs  Täuschendste 
ähnlich  sieht.  Die  räthselhaften  Gebilde  sind  sehr  sorgfältig  beschrieben  in  der 
Abhandlung:  über  Parasiten  in  der  Niere  von  IJelix  von  Dr.  Hermann  Kloxs, 
aus  den  Schriften  der  Senkcnberg'schen  Ges.  in  Frankfurt. 

Bei  den  Anthozoen  [Actinia  z.  B.)  werden  die  sog.  Mesenterialfilamente  für 
die  Nieren  gehalten;  schon  Bergmann  und  Leuckart  vermuthen  diess ,  etwas 
bestimmter  spricht  sich  Carus  (Syst.  d.  Morph.)  hierfür  aus.  —  Aus  der  Gruppe 
der  Akalephen  hat  Kolliker  von  Porpita  eine  Niere  beschrieben,  die  sich  als 
eine  milchweisse  Platte  darstellt  und  aus  einem  feinschwammigen  Gewebe  besteht, 
dessen  Hohlräume  vorwiegend  mit  dunklen,  krystallinischen  Körnern  angefüllt  sind, 
die  Guanin  zu  sein  scheinen.  Den  gleichen  Stoff  glaubt  V.  Carus  auch  in  den 
Zellen  der  Mesenterialfilaniente  der  Polypen  sowie  in  den  Mastdarmblindsäcken  der 
Asterien  und  im  C'wi'ier'schen  Organ  der  Holothiu-ien  erkannt  zu  haben  (a.  a.  O. 
S.  121).  —  Bei  den  Ascidien  {Phallusia  z.  B.,  woher  ich  sie  aus  eigner  An- 
schauung kenne),  beobachtet  man  in  der  drüsigen  den  Traktus  umgebenden  Masse 
geschlossene  Blasen,  welche  bedeutend  grosse  Concretionen  enthalten.  Es  liegt 
nahe,  die  Blasen  auf  ein  Harnorgan  zu  beziehen,  doch  sind  weitere  Untersuchungen 
abzuwarten. 


Anhang  zu  der  „Niere  der  Wirbellosen." 

§.  431. 

Die    voranstehenden    Paragraphen    waren    bereits    so     niederge- 
schrieben,   wie   sie  dastehen,    als   ich    noch  einmal  die  Untersuchung 


472 


Anhang  zu  der  „Niere  der  Wirbellosen." 


der  s.  g.  Malpighi'schen  Gefässe  aufnahm  und  dabei  anf  Thatsachen 
stiess ,  die  mir  die  gegenwärtig  allgemein  angenommene  Lehre,  es 
seien  gedachte  Organe  ledighch  als  Harngefässe  anzusehen ,  sehr 
zweifelhaft  machen,  vielmehr  muss  ich  aus  dem  gleich  Mitzutheilenden 
folgern,  dass  es  zweierlei  s.  g.  Malpighl'sche  Gefässe  gebe,  von  denen 
die  einen  die  Harngefässe,  die  anderen  aber  Gallen  gefässe 
repräsentiren. 

Zuerst  wurde  ich  an  der  Maulwurfsgrille  {Gryllotcdpa)  darauf 
aufmerksam ,  dass  von  den  in  starkem  Büschel  oder  Quaste  vor- 
handenen Malpighi'schen  Gefässen  die  einen  ein  gelbliches  Aussehen 
haben ,  die  anderen  ein  weissliches.  Im  mikroskopischen  Verhalten 
unterscheiden  sich  nun  beide  nicht  wenig.  Die  weisslichen,  welche 
in  der  Minderzahl  vorhanden  sind,  haben  in  ihrem  Lumen  sehr  um- 
fängliche Concretionen,  welche  von  der  Spitze  des  Kanales  nach  der 
Mündung  hin  immer  grösser  werden,  von  Form  rundlich,  oval,  auch 
bisquitförmig  sind,  auch  dem  Maulbeerförmigen  sich  nähern;  sie  geben 
den  Kanälen  das  weissliche  Ansehen  und  sind  bei  durchfallendem 
Licht  bräunlich  schwarz,  gerade  wie  die,  freilich  kleineren  Concremente 
in  der  Niere  der  Schnecken.     Nach   Zusatz  von   Kalilauge  schwindet 


Fig.  232. 


Die    zwei   Arten  M  a  I  pi  g  h  i  \scli  er  Gefässe    von    der  Maulwurfsgrille 
A  Die  weissen:    a  die  Concremente,    b  ein  solches    nach  Bihaudlung 

mit    Kalilauge. 
B    Die    gelben  Malpighi'schen    Gefässe.     (Starke  Yergr.) 


Anhang  zu  dei*  „Niere  der  Wirbellosen.' 


473 


das  dunkele  Ansehen  und  es  bleibt  von  der  Concretion  eine  blasse, 
dickwandige  Kapsel  zurück ,  die  gleichen  Umrisse  behaltend.  Die 
Kapsel,  von  oben  angesehen,  ist  punktirt  und  streifig  im  Profil,  so 
dass  man  an  Porenkanäle  denken  kann.  Die  Sekretionszellen  dieser 
Kanäle  schliessen  einen  blasskörnigen  Inhalt  ein.  Die  homogene  Tnnica 
propria  geht  nach  aussen  in  eine  zarte,  kernhaltige  Schicht  über. 

Die  gelblichen  Malpighi'schen  Gefässe,  deren  Zahl  weit  die  eben 
geschilderten  überwiegt,  haben  wohl  dieselbe  Tunica  propria^  welche 
sich  in  eine  homogene ,  scharfgerandete  innere  Schicht  und  in  eine 
äussere  zarte,  kernhaltige  scheidet,  aber  die  Sekretionszellen  schliessen 
einen  gelbkörnigen  Inhalt  ein,  welcher  in  Kalilauge  ausharrt.  Von 
den  Concrementen  ist  hier  keine  Spur.  Sehr  bequem  vermag  man 
schon  an  ganz  jungen,  \  Zoll  langen  Individuen  den  Unterschied  dieser 
zwei  Arten  Malpighi'scher  Gefässe  eikennen  ;  die  Concremente  in  den 
weisslichen  Kanälen  sind  hier  natürlich  kleiner,  als  beim  erwachsenen 
Thier. 

Kecht  bedeutend  ist  auch  beim  Maikäfer  {Meloloyitha  vulgaris)  der 
Unterschied  zweier  Arten  von  Malpighi'schen  Gefässen.  Die  einen  sind 
die  bekannten  gefiederten,  deren  Seitenkanäle  einfach  oder  gabiig 
erscheinen,  auch  wohl  von  hirschgeweihartiger  Bildung.  Diese  Malpighi'- 
schen Gefässe  sind  für  das  freie  Auge  hell  oder  leicht  gelblich; 
es  existirt  aber  eine  zweite  Art  Kanäle,  die  von  Farbe  weiss  und 
nicht  gefiedert  sind.  Das  histologische  Verhalten  ist  auch  bei  beiden 
ein  verschiedenes :  die  Sekretionszellen  der  gelben  Kanäle  besitzen 
einen  blassen  oder  gelbkörnigen  Inhalt  und  über  die  Zellen  weg  geht 

Fig.   233. 


Die   zwei    Arten   Malpighi'scher    Gefässe    vom    Maikäfer. 

A  die  gelben,     B  die  weissen.     (Starke  Vergr.) 


474  Anhang  zu  der   „Niere  der  Wirbellosen." 

wie  eine  verdickte  Membran  eine  Art  Cuticida  oder  Intima,  aber  von 
so  weicher  BescliafFenheit,  dass  sie  nicht  einmal  in  Essigsäure  haltbar 
ist,  sondern  sich  löst;  im  Lumen  des  Kanales  trifft  man  auch  einzelne 
gelbe  Körnerklümpchen ,  die  an  Lebersekret  erinnern.  —  In  den 
weissen  Malpighi'schen  Gelassen  zeigt  sich  als  Zelleninhalt  die  be- 
kannte dunkelgranuläre,  in  Kalilauge  schwindende  Masse  in  solcher 
Menge,  dass  die  Kerne  nur  durchschimmern. 

Cetonia  aurata  besitzt  ebenfalls  zweierlei  Malpighi'sche  Gefässe, 
die  einen,  ganz  weiss  für  das  freie  Auge,  haben  mikroskopisch  den 
gleichen  Bau,  wie  die  weissen  Kanäle  des  Maikäfers ;  die  anderen,  von 
hellem  Aussehen,  besitzen  in  den  Sekretionszellen  nur  einen  gelind 
gelbkörnigen  Inhalt. 

Phryganea  grandis  zeichnet  sich  ebenfalls  durch  seine  „Harn- 
kanäle" aus.  Die  einen  sind  von  viel  stärkerem  Kaliber ,  als  die 
anderen  und ,  während  jene  von  geringerem  Durchmesser  kleine 
Sekretionszellen  mit  rundem  Kern  haben,  weisen  die  grossen  Malpighi'- 
schen Gefässe  den  kleinen  gegenüber  wahrhaft  riesige  Zellen  auf  mit 
verästelten!  Kern.  Essigsäure  leistet  zur  Ansicht  gute  Dienste  Ferner 
erblicken  wir  eine  Intima  mit  deutlich  senkrechter  Streifung,  auf  die 
Anwesenheit  von  Porenkanälen  beziehbar.    (Vergl.  Fig.  228  C.) 

Ausser  mehren  anderen  Insekten,  w^elche  gelbkürnige  und  weiss- 
liche  Kanäle  hatten,  Blatta  Icqqjonica  z.  B. ,  waren  mir  noch  merk- 
würdig die  Raupe  von  Oustropacha  lanestris  und  die  Käfergattung 
Carahus  auratus.  Bei  der  genannten  Raupe  sah  man  bei  der  ersten 
Untersuchung  wieder  die  zweierlei  „Harnkanäle",  die  hellen  oder 
gelblich  angeflogenen  nämlich  und  die  intensiv  weissen.  Ueber  die 
Zellen  der  gelblichen  ging  eine  Art  senkrecht  gestrichelter  zarter 
Cuticida  oder  Intima  weg ,  wie  beim  Maikäfer  und  der  Plirijganea 
grandis,  das  dunkle  Contentuni  der  weissen  bestand  aus  Krystallen, 
allein  ich  glaube  erkannt  zu  haben,  dass  die  beiderlei  Kanäle  in 
Continuität  stehen.  Der  gelbliche  Kanal  stellt  den  hinteren  blind- 
geendigten  Abschnitt  dar,  ^velcher,  auf  dem  Darmkanal  von  hinten 
nach  vorn  laufend,  mit  -einer  Schlinge  umbiegt,  um  jetzt  als  weisser 
Kanalabschnitt  in  den  Darm  auszumünden.  An  dieser,  wie  an  anderen 
Raupen  (Saturnia  carpinl  z.  B.)  setzen  sich  von  Stelle  zu  Stelle  an 
die  Malpighi'schen  Gefässe  zarte  Stränge,  die  ich  für  Nerven  halten 
muss :  sie  heften  sich  inniier  mit  dreieckig  verbreiter.ter  Basis  an  und 
enthalten  darin  spindelflrnn'g  ausgezogene  (Ganglien-)  Zellen,  die 
schon  eine  Strecke  zuvor  beginnen. 

Bei  Carahus  auratus  gewahre  ich  nur  eine  einzige  Art 
Malpighi'scher  Gefässe,  aber,  wie  die  histologische  Untersuchung 
lehrt,  in  einem  und  demselben  Kanal  sind  deutlich  zweierlei  Sekrete 
vorhanden,  ein  aus  röthlich  braunen  und  eines  aus  schwärzlichen 
Körnern  bestehendes.  Ersteres  liegt  in  den  Zellen  ,  letzteres  um  die 
Zellen   herum. 


Anhang  zu  der  „Niere  der  Wirbellosen." 


475 


Fig.  234. 


Malpighi'sch  es  Gefäss  von  Gastropacha. 

A  der  vordere  gelbe  Abschnitt,    B  der  hintere  weisse:    a  Tunica  propria, 

b  Sekretionszellen,    c  krystallinisches  Sekret,  d  Nerv. 

§.  432. 

Meine  hier  aufgeführten  Erfahrungen  sind  zwar  noch  in  An- 
betracht der  so  reichen  Insektenwelt  überaus  sparsam,  und  nament- 
lich habe  ich  bis  jetzt  den  Einmünduiigsstellen  der  verschiedenen 
Malpighi'schen  Gefässe  in  den  Darm  nicht  speziell  nachgeforscht, 
allein  sie  dürften  doch  zu  dem  Ausspruch  berechtigen ,  dass  in  den 
s.  g.  Malpighi'schen  Gefässen  ausser  dem  Harn  noch  ein  anderes 
Sekret  und  wahrscheinlich  eine  Art  Galle  abgeschieden  werde.  Die 
gelblichen  scheinen  mir  die  Gallengefässe  vorzustellen  und  die 
weissen  die  Harnge fasse.  Wegen  der  den  ersten  Blick  störenden 
Beobachtung ,  dass  bei  manchen  Insekten  die  beiderlei  Kanäle  nur 
verschiedene  Partien  eines  und  desselben  Kanales  seien,  würde  ich  an 
gewisse  Mollusken  erinnern ,  bei  denen  ebenfalls  die  Niere  mit  der 
Leber  innig  verbunden  ist.  An  Thetys  z.  B. ,  wovon  ich  früher 
lebende  Exemplare  zergliederte,  sagen  meine  damals  gefertigten  Zeich- 
nungen ,    dass    die    braune    Leber    einen    w^eissgelblichen ,     faserigen 


476  Von  den  Geschlechtsorganen   des  Menschen. 

Ueberzug  besitze.  Morphologisch  legitimirte  sich  letzterer  als  Niere: 
er  bestand  aus  Schläuchen  mit  Ausbuchtungen ,  man  könnte  auch 
sagen :  Areolen,  und  diese  beherbergten  die  gewöhnlichen  Harnzellen 
der  Schnecken.  Die  dunkeln  geschichteten  Concremente  lagen  einzeln 
oder  haufenweis  in  Zellen  und  zwar  in  eigenen  Sekretbläschen  der- 
selben. Was  aber  noch  vorzüglich  zu  erwähnen  ist,  bei  der  Leber 
war  das  Areolengerüst  von  derselben  Form,  wie  bei  der  Niere,  und 
letztere  schien  eigentlich  nur  die  peripherische  Portion  der  Leber  zu 
sein.  Auch  in  den  Wandungen  der  Darmverästelungen  bei  Planarien^ 
welche  man  für  Analoga  der  Leber  halten  kann,  sehe  ich  Zellen  mit 
dunkelbraunem  (bei  aulfallendem  Licht  weissem)  Lihalt  von  körnig- 
bröckliger Form  und  Harnconcrementen  sehr  ähnlich ! 

Es  ist  bekannt,  dass  man  früher  alle  die  MalpighVsQ\\e,n  Gefässe  für  die 
gallenbereitenden  Organe  hielt.  Als  man  später  das  Vorkommen  von  Harnsäure  in 
ihnen  erkannte,  stempelte  man  sie  sofort  sämmtlich  zu  den  Nieren.  Doch  erhoben 
sich  allerdings  schon  früher  auch  einzelne  Stimmen,  welche  ganz  in  der  gegenwärtig 
von  mir  verfolgten  Kichtuug  sich  aussprachen.  Da  sich  nämlich  (vergl.  die  Mitthei- 
lungen  von  Bamdohr ,  31  ecket,  Leon  JJufour  u.  A.)  besagte  Kanäle  an  zwei 
verschiedenen  Orten  bei  mehren  Insekten  in  den  Darm  einsenken,  so  schien  diess 
den  früheren  Morphologen  zu  beweisen ,  dass  ^ein  Theil  ihres  Inhaltes  als  Galle 
zur  Verdauung  diene ,  dahingegen  ein  anderer  als  reiner  Auswurfsstoff  (vielleicht 
Harn)  bloss  ausgesondert  werden  mag"  {G.  Carus).  Ja,  Straus- Dürkheim  in 
seiner  Anatomie  des  Maikäfers  trennt  schon  ausser  den  gewöhnlichen  vier  Gefässen, 
die  er  als  Gallgefässe  betrachtet,  zwei  als  Uringefässe,  „welche  wahrscheinlich  ins 
Ende  des  Darmes  münden."  Diese  Unterscheidung  findet  nach  obiger  Auseinander- 
setzung eine  gewisse  Bestätigung.  Auch  de  FilijJpi  ist  aus  dem  Umstände,  dass 
bei  Bovihyx  mori  der  Magen  eine  zottige  Beschaffenheit  hat  und  die  Malpighi'schen 
Gefässe  glatte  Cylinder  darstellen ,  bei  Sphinx  neril  der  Magen  glatt  und  die 
Malpighi'schen  Gefässe  mit  Zotten  besetzt  sind,  uiul  daraus,  dass  ein  ähnlicher 
Unterschied  zwischen  den  carnivoren  Carabicinen  und  den  herbivoren  Melolonthen 
stattfindet,  zu  dem  Schluss  gekommen,  dass  die  Function  der  Leber  und  der  Nieren 
unter  Umständen  einem  einzigen  Organe  übertragen  wird.  {Schaiim's  Ber.  in 
d.  Entomol.   1850.) 


Füiifundvierzigster  Abschnitt. 

Von   den  Gesclilechtsorganen  des  Menschen. 

§.  433. 

Es  entstehen  die  keimbereitenden  Ges  ch  lechtswcrkzeuge 
aus  dem  mittleren  Keimbhatt  {Remak)\,  die  Bildung  des  ganzen 
Gcschlechtsapparates  ist  ursprünglich  bei  beiden  Geschlechtern  gleich, 


Saxnenkanälchen.  477 

erst  nach  und  nach  entwickehi  sich  die  Theile  nach  der  Diiferenz 
der  Geschlechter,  und  darauf  beruhen  die  späteren  grossen  Verschie- 
denheiten. 

Die  männlichen  Zeugungswerkzeuge  lassen  sich  eintheilen  in 
solche ,  welche  den  Samen  absondern ,  fortleiten  und  in  die  weib- 
lichen Theile  überführen  und  zweitens  in  die  accessorischen  Ge- 
schlechtsdrüsen. 

§.  434. 

Das  wesentlichste  Organ  des  männlichen  Geschlechtsajjparates  i'^hcuungeu 
machen  die  Hoden  aus  und  sie  sind,  die  äussere  Haut  abgerechnet, 
von  drei  hautartigen  Schichten  umhüllt.  Jene,  welche  zunächst  unter 
der  äusseren  Haut  liegt,  ist  die  Tunica  dartos,  bestehend  aus  Binde- 
gewebe, dem  Züge  glatter  Muskeln,  netzweise  verbunden,  und  in  so 
zahlreicher  Menge  eingeflochten  sind,  dass  das  Bindegewebe  sammt 
elastischen  Fasern  in  den  Hintergrund  tritt  und  diese  Haut  vorzugs- 
weise als  „Fleischhaut"  erscheint.  Sie  ist  es,  welche  den  Hodensack 
in  Runzeln  legt.  Darauf  folgt  die  Tunica  vaginalis  communis  (ge- 
meinschaftliche Scheidenhaut  des  Hoden) ;  sie  wird  eigentlich  nur  von 
dem  Bindegewebe  und  elastischen  Fasern  vorgestellt ,  welches  sich 
zwischen  der  Tunica  dartos  und  der  T.  vaginalis  propria  hinspannt ; 
am  Hoden  selber  ist  das  Bindegewebe  mehr  hautähnlich  verdichtet, 
nach  oben  i\x  wird  es  lockerer  und  setzt  sich  unmittelbar  in  die  Fascia 
transversalis  fort.  Auf  der  äusseren  Seite  dieser  Haut  verbreiten 
sich  quergestreifte  Muskelbündel,  welche  dem  M.  cremaster  angehören 
und  durch  welche  der  Hode  gegen  den  Bauch  heraufgezogen  wird, 
während  auf  der  inneren  Seite  im  Bereich  der  hinteren  Fläche  und 
dem  unteren  Ende  des  Nebenhoden  (nach  Kölliker)  eine  Lage  glatter 
Muskeln  diese  Haut  zur  Contraction  befähigt.  Unter  der  T.  vaginalis 
comm,unis  kommt  die  T.  vaginalis  propria,  eine  seröse  Haut,  die  den 
Hoden  unmittelbar  umgiebt.  Als  Serosa  besteht  sie  aus  einem  binde- 
gewebigen Stratum ,  dessen  freie  Flächen  ein  helles  Plattenepithel 
überkleidet.  Luschka  hat  gezeigt,  dass  die  seröse  Umhüllung  des 
Hodens,  namentlich  am  scharfen  Rande  des  Nebenhoden,  in  zotten- 
artige Verlängerungen  von  variabler  Grösse  ausgeht.  {Virchow'' s 
Arch.  Bd.  VI.  üb.  d.  Appendiculargebilde  des  Hodens.) 

§.  435. 

An    der    Bildung    der    Hodensubstanz    betheiligen    sich    wieder,  Bindegewebe 
ffleichwie    bei   anderen   Drüsen,    «^efäss-  und  nervenführendes    Binde-  '^^' "''^^*"' 

O  ■      o  parenchyms. 

gewebe  und  Sekretionszellen,  beide  in  folgender  Art.  Das  Binde- 
gewebe umgrenzt  zunächst  das  ganze  Organ  unter  der  Form  einer 
weissen,  derben  und  dicken  Haut,  der  Tunica  albuginea,  welche  sich 
nach  innen  in's  bindegewebige  Hodenparenchym  auflöst ,  wobei  sie 
zugleich  ein  stärkeres  Fächergerüst  herstellt,  von  dessen  Anwesenheit 


478 


Von  den  Geschlechtsorganen  des  Menschen. 


die    Abtheilung  der  Hodensubstanz  in  zahlreiche,   birnförmige  Läpp- 
chen abhängt. 

Fig.   235. 


Voiluiif 
der  Saiiien- 
kaiiittcliou. 


A    Stück    eines    Samenkanales:     a    Tnnica    propria ,     man    unterscheidet    die 
innere  ganz  homogene  Schicht  und  die  äussere,  streifige,    mit  Kernen  ver- 
sehene ,    b    die  Samenzellen. 
B    Zur  Versin nlichung,    wie    in  den  Samenzellen  die  Zoospermien  sich 
bilden:    a  junge  Zelle,   b  die  Kerne  haben  sich  vermehrt,  c  in  den  Kernen 
entstehen  die  Zoospermien    und    sind    noch    aufgerollt,    d  die  Zoospermien 

liegen  frei  in  der  Mutterzelle. 

Unter  diesen  bindegewebigen  Scheidewänden  zeichnet  sich  eine 
durch  besondere  Entwicklung  aus,  welche  vom  hinteren  Rand  des 
Hodens  eine  Strecke  weit  in's  Innere  dringt  und  unter  dem  Namen 
Corpus  Highmori  bekannt  ist;  nach  ihr  lauten  alle  die  anderen 
Septen  zusammen,  wess wegen  auch  die  Spitzen  sämmtlicher  Läppchen 
nach  dem  Highmor'schen  Körper  gerichtet  sein  müssen.  Innerhalb 
jedes  Läppchens  wird  das  Bindegewebe  vorzüglich  zur  Bildung  der 
Tunica  propria  der  Samenkanälchen  verwendet ;  diese  Haut  ist  äusser- 
lich,  wo  sie  mit  dem  interstitiellen  Bindegewebe  zusammenhängt,  längs- 
streifig, nach  dem  Lumen  zu  wird  sie  vollkommen  homogen.  Im  Bete 
testis,  welches  im  Highmor'schen  Körper  sich  befindet,  lässt  sich  die 
Tunica  propria  der  Samenkanälchen  so  wenig  als  selbständige  Bildung 
von  dem  derben  umgebenden  Bindegew^ebe  des  Cotyics  Highmori  weg- 
trennen, dass  vielmehr,  gleichwie  oben  von  manchen  Gefässen  hervor- 
gehoben wurde,  die  Samenkanälchen  bloss  als  netzförmige  Hohl- 
gänge in  dem  festen  Bindegewebe  sich  abmarken.  Sobald  dasZwischeii- 
bindegewebe  wieder  eine  grössere  Weichheit  annimmt,  z.  B.  in  den 
Coni  vasculosi,  so  macht  sich  sofort  von  Neuem  eine  wirkliche  Tunica 
vropria  bemerklich.  In  dem  absteigenden  Theil  des  Nebenhoden 
scheinen  bereits  glatte  Muskeln  die  Tunica  propria  in  querer  und 
in  der  Längenrichtung  zu  vmilagern. 

§.  436. 

Um  die  Anordnung  und  den  weiteren  Verlauf  der  Samenkanäl- 
chen kurz  zu  schildern,  sei  angegeben,  dass  ein  oder  mehre  Kanälchen 
durch   Windungen   und  Thcilungen    die  Läppchen   constituiren.     Vom 


Samenkanälchen. 


479 


spitzen  Ende  der  Läppchen  weg  treten  darauf  die  Kanäle  im  Corpus 

Highmori  in  eine  netzartige  Verbindung,  welche  man  das  Rete  Halleri 

nennt.     Aus   dem  oberen   Ende    desselben   führen  die    Vasa  efferentia 

ab,    eine  Anzahl  von   7  —  8  stärkeren  Kanälen,  welche  die  Älbuginea 

durchbohren  und,    indem  sie  sich  abermals   vielfach  verschlingen,   die 

s.  0-.    Coni  vasculosi  Halleri   bilden,  welche  in  ihrer  Gesammtheit  auch 

als  Kopf  des  Nebenhoden  bezeichnet  werden.     Nach  und  nach  fliessen 

die  Kanäle  der   Coni  vasculosi  zu   einem  einzigen   Gefäss   zusammen, 

das   den  Körper  und   den   Schweif  des  Nebenhoden    formt,   von   dem 

noch    gemeiniglich   vor   seinem    Uebergang    in   das    Vas    deferens    ein 

blinder  luid   etwas   aufgerollter  Seitenast  (Vas   aberrans  Halleri)  sich 

abzweigt. 

Fig.  236. 


Schema    über    die    Anordnung    und    den    Verlauf   der    Samenkanälchen. 
a  Tunica  älbuginea,    b  die  Septen ,    welche    ins  Innere    sich    begeben    und  im 
Highmor'schen  Körper    sich  vereinigen  ,    c  die  Läppchen  der  Samenkanälchen, 
d  das  Rcte  Halleri,  e  Vasa  efferentia,  f  Coni  vasculosi,  g  Vas  deferens,  h   Vas 

aberrans  Halleri 

§.  437. 
Die  Sekretionszellen,  welche  die  Samenkanälchen  anfüllen, 
zeigen  nach  dem  Alter  einen  verschiedenen  Inhalt.  Vor  der  Pubertät 
unterscheiden  sie  sich  nicht  von  anderen  indifferenten  Zellen,  mit  der 
Geschlechtsreife  vergrössern  sie  sich  zu  Blasen ,  in  deren  Innerem 
Tochterbläschen ,  jedes  mit  einem  Nucleus  auftreten.  Diese  Blasen 
produziren  die  Zoospermien  oder  die  s.  g.  Samenthierchen ;  es  sind 
dies  ausnehmend  feine  fadenförmige  Gebilde,  die  ein  verdicktes,  platt- 
birnförmiges,  Kopf  oder  Körper  genanntes,  Ende  haben ;  den  linearen, 
spitz  auslaufenden  Theil   helsst  man  den  Schwanz.     In  der  Mitte  des 


Samenzellen 

und 
Zoospermien, 


480  Von  den  Geschlechtsorganen  des  Menschen. 

Kopfes  bemerkt  man  einen  helleren  Fleck,  von  einer  seichten  Teile 
herrührend.  Die  Bildung  der  Zoosperinien  geht  in  der  Art  vor  sicli, 
dcass  die  Kerne  der  Tochterbläschen  zu  den  Köpfen  der  Zoospermien 
sich  umgestalten  und ,  indem  der  feinkörnige  Inhalt  des  Bläschens 
schwindet ,  der  Schwanzanhang  in  spiralen  Windungen  sich  absetzt. 
Es  entsteht  so  innerhalb  jedes  Tochterbläscliens  ein  Zoosperm,  das, 
wenn  entwickelt,  durch  Auflösung  der  umhüllenden  Membran  frei  in's 
Innere  der  Mutterzelle  zu  liegen  kommt,  w^o  sich  alsdann  die  ganze 
Brut  einer  Mutterzelle  zu  regelmässigen  Bündeln  ordnet,  indem  Kopf 
an  Kopf  sich  schichtet  und  die  Schwanzanhänge  alle  nach  einer  Rich- 
tung gebogen  sind.  Im  Weiterrücken,  gegen  das  Rete  Halleri  hin, 
vergeht  auch  die  Membran  der  Mutterzelle,  wodurch  die  Büschel  der 
Zoospermien  vollständig  frei  werden  und  sich  weiterhin  von  einander 
trennen. 

Eine  eigenthümliche  Erscheinung  der  reifen  Zoospermien  ist  die 
Bewegung  derselben*,  sie  besteht  in  Schwingungen  und  Drehungen 
des  Schwanzanhanges,  wodurch  eine  wahre  Lokomotion  zu  Stande 
kommt.  Da  hierbei  der  Kopf  immer  nach  vorn  gerichtet  bleibt,  so 
wird  man  lebhaft  an  willkürliche  Bewegungen  erinnert,  und  die  frühere 
Zeit  nannte  auch  die  Samenelemente  geradezu  Samenthierchen. 
Ueber  die  Dauer  der  Bewegungen  lässt  sich  kaum  etwas  Allgemeines 
bestimmen ;  man  fand  sie  mitunter  in  Leichen,  die  schon  1  —  2  Tage 
alt  waren,  wenn  auch  nur  noch  in  schwacher  Bew^egung.  Unter  den  ver- 
schiedenen Flüssigkeiten,  welche  die  Bewegungen  der  Samenelemente 
beeinflussen,  sind  besonders  die  caustischen  Alkalien  zu  nennen,  da 
sie  erregend  auf  die  Zoospermien  wirken  und  sie  wieder  zu  lebhaften 
Bewegungen  veranlassen,  selbst  nachdem  sie  scheinbar  abgestorben 
waren.  Die  erste  Beobachtung  dieser  Art  ging  von  Quatrefages 
(1850)  aus,  der  an  den  Zoospermien  der  Hermella  experimentirte; 
neuerdings  hat  Kölliker  diese  Versuche  vervielfältigt  (Ztschr.  f. 
w.  Z.  1855). 

Die  Meinungen ,  welche  man  über  die  Natur  der  Zoospermien 
(von  Hamm  und  Leeiiwenlioeck  1637  entdeckt)  aufstellen  kann, 
haben  im  Laufe  der  Zeit  vielfach  gewechselt.  Anfangs  erblickte  man 
in  ihnen  die  präexistirenden  Keime  der  Thicre,  dann  verbreitete  sich 
mehr  die  Ansicht,  dass  es  individuell  belebte  Parasiten  des  Samens 
seien,  gegenwärtig  herrscht  die  Auflassung,  wornach  die  Zoospermien 
spezifische  Elementargebilde  des  Samens  sind,  eine  Ansicht,  die  übrigens 
auch  schon  früher  hin  und  wieder  laut  wurde.  So  hat  bereits  z.  B. 
Czermak  im  Jahre  1833  erklärt,  er  betrachte  die  Samenthierchen 
alsTheile  des  Samens,  welche  denBlutkör]>erchen  im  Blute  analog  seien. 

Jni  Ipllio-cn  Alter,  wo  die  Bildung  der  Samenelemente  sparsamer 
wird  oder  ganz  aufhört ,  verfallen  die  Sekretionszellcn  der  Hoden- 
kanälchen  einer  mehr   oder  minder    um  sich  greifenden  Fettmetamor- 


V 

Hoden,  Samenleiter.  481 

phose,  d.  h.  die  früher  blassgranulären  Zellen  wandeln  ihren  Inhalt 
in  Fettkörnchen  um. 

Da  die  Bildung  der  Zoospermien  nur  in  den  Zellen  erfolgt,  welche 
die  Samenkanälchen  der  Hoden  erfüllen ,  so  müssen  jene  Zellen, 
welche  das  Lumen  der  Kanälchen  des  Bete  Hallerij  der  Vasa  efferentia^ 
des  Nebenhoden  begrenzen,  als  einfache  Epithelzellen  betrachtet  wer- 
den. Vor  Kurzem  hat  Becker  die  Beobachtung  gemacht,  dass  die 
Samenkanälchen  im  Kopfe  des  Nebenhoden  ein  Flimmercpithel  führen, 
welches  in  der  Mitte  der  Coni  vasculosi  beginnt  und  erst  im  Körper 
des  Nebenhoden  in  gewöhnliches  Cylinderepithel  übergeht  (Wiener 
med.  Wochenschr.  12.  1856). 

§.  438. 
Die   Blutgefässe   des  Hodens,   welche  verhältnissmässig  gering     oerasse 

,  l/<  ••  lllj.  ""'^  Nerven 

ZU  nennen  sind,  stammen  aus  der  A.  spermatica  interna  und  halten 
sich  in  ihrem  Verlauf  an  das  bindegewebige  Fachgerüst;  die  gröbere 
Gefässausbreitung  geschieht  demnach  in  der  T.  alhuginea  und  in  den 
von  hier  in's  Innere  abtretenden  Scheidewänden  (den  Highmor'schen 
Körper  mit  eingeschlossen);  die  feinere  Verästelung,  sowie  die  Capil- 
laren  werden  von  dem  Bindegewebe  zwischen  den  Samenkanälchen 
und  der  Tunica  propria  der  letzteren  selber  getragen. 

Die  Lymphgefässe  des  Hodens  sind  nach  Panizza  und  Arnold 
sehr  zahlreich.  Die  wenigen  Nerven,  welche  die  Hoden  versorgen, 
begleiten  die  Arterien. 

§.  439. 

Die  Samenleiter  {Vasa  deferentia)  sind  im  Wesentlichen  ge-  sam^nieuer. 
baut,  wie  die  stärkeren  Kanäle  des  Nebenhoden.  Die  Tunica  propria 
ist  nach  innen  zu  einer  Schleimhautschicht  entwickelt ,  in  der  viele 
elastische  Netze  vorkommen ;  sie  bildet  Längsfalten ,  die  sich  im 
untersten  Abschnitt  des  Samenleiters  netzförmig  verbinden,  fast  ähn- 
lich wie  in  der  Gallenblase.  Die  platten  Epithelzellen ,  welche  das 
Bindegewebsstratum  der  Schleimhaut  bedecken,  haben  häufig  einen 
braun-körnigen  Inhalt.  Nach  aussen  wird  die  Schleimhaut  von  einer 
beträchtlich  starken,  aus  glatten  Fasern  gebildeten  Muskulatur  um- 
geben, an  der  man  eine  äussere  und  innere  longitudinale  und  eine 
mittlere  circuläre  Lage  unterscheidet ;  letztere  ist  die  mächtigste. 
Man  hat  sich  auch  an  Hingerichteten  durch  galvanische  Reizung 
überzeugt,  dass  die  Vasa  deferentia  sich  ausnehmend  stark  verkürzen 
und  verengern  können.  Zu  äusserst  hat  der  Samenleiter  wieder  eine 
bindegewebige  Hülle,  die  durch  die  Muskulatur  hindurch  mit  dem 
Bindegewebsstratum  der  Mucosa  in  Continuität  steht.  Der  untere  Theil 
des  Samenleiters  ist  s^ehr  reich  an  Nerven. 

Leydig,   Histologie.  ol 


482 


Von  den  Gescbleclitsorganen  des  Menschen. 


Fig.   237. 


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Erweitertes  Ende  des  Samenleiters  von   M  u  s  t  e  1  .i  e  r  m  i  n  e  a. 
a  die  glatte  Muskulatur  (es  sind  niclit  so  viele   Kerne  gezeichnet,  als  in   Wirklich- 
keit für  die  glatten  Muskeln  vorhanden  sind),    b   die  Drüsen,  welche   in  der  Mitte 
der  Erweiterung  am  grössten  sind  und  sich  gegen  die   Fanden   hin  verkleinern. 

Von    o-leicher    Struktur   mit  den  Samenleitern    sind    die   Ductus 

o 

ejaculatorii  und  die  Vesiculae  seminales,  also  innen  und  aussen 
bindegewebig  und  dazwischen  muskulös.  Die  muskulöse  Schicht  ist 
bei  beiden  minder  stark,  als  im  Samenleiter;  ferner  erhebt  sich  die 
Schleimhaut  in  den  Samenbläschen  durchweg  in  netzförmig  verbundene 
Fältchen  ,  und  da  sich  natürlich  das  Epithel  in  die  dadurch  ent- 
standenen Grübchen  hereinzieht,  so  könnte  man  die  Räume  für  grosse 
Drüsen  erklären  ,  um  so  mehr,  als  zweifelsohne  die  helle  ,  im  Tode 
gallertige  Flüssigkeit,  welche  den  Inhalt  der  Samenbläschen  ausmacht, 
das  Sekret  der  Schleindiaut  ist.  Zoospermien  können  wohl  einzeln 
in  die  Samenbläschen  gerathen,  aber  es  dienen  die  Vesiculae  seminales 
keineswegs  uls  Reservoir  des  Samens ,  sondern  ibre  physiologische 
Leistung    bestellt    in    der   Abscheidung   des   bezeichneten  Sekretes.  — 


Ruthe.  483 

Die  allgemeine  bindegewebige  Hülle,   welche  die  Samenbläschen  um- 
giebt,    enthält  ebenfalls  zahlreiche  glatte  Muskelfasern   eingewebt. 

§.  440. 

Das  männliche  Glied,  die  Ruthe,  besteht  aus  der  bereits  R»tbc- 
früher  geschilderten  Harnröhre  und  den  drei  Schwellkörpern  {Corpora 
cavernosa).  Letztere  sind  gebildet  aus  Bindegewebe  und  glatten  Mus- 
keln. Das  Bindegewebe  erzeugt  zunächst  nach  aussen  eine  scharfe 
Abgrenzung  der  Theile  durch  Bildung  einer  weissen,  festen  Tunica 
albuginea ,  sowie  auch  die  unvollständige  Scheidew^and  der  Corpora 
cavernosa  penis  von  derselben  Natur  ist.  Nach  innen  zu  löst  sich 
das  Bindegewebe  durch  mannichfache  Abgabe  und  Wiedervereinigung 
von  Balken  und  Plättchen  in  das  Schwammgewebe  auf,  dessen  Räume 
mit  venösem  Blute  gefüllt  sind.  Das  Balkenwerk  erscheint  aber 
nicht  rein  bindegewebig,  sondern  die  Maschenzüge  bestehen  fast  zur 
Hälfte  aus  glatten  Muskeln,  die  dem  Bindegewebe  der  Balken  ein- 
geflochten sind.  Ausserdem  verlaufen  in  den  Balken  auch  die  Arterien 
und  Nerven. 

Die  Arterien  der  Schwellkörper  gehen  nicht  in  Capillarnetze  aus, 
sondern  nachdem  sie  zugleich  mit  den  Balken  sich  verzweigt  und  bis 
zum  Capillardurchmesser  sich  verjüngt  haben  ,  münden  sie  in  die 
Venenräume  des  Schwellkörpers  aus,  an  deren  Innenfläche  mehre 
Autoren  noch  ein  zartes  Epithel  unterscheiden.  Aus  diesen  Maschen- 
räumen nehmen  unmittelbar  die  Venen  ihren  Ursprung.  Eine  andere 
bemerkenswerthe  Eigenthümliclikeit  der  feinen  arteriellen  Gelasse  der 
Schwellkörper  ist  die,  dass  die  Gefässe  besonders  im  hinteren  Theil 
des  Gliedes  rankenartig  gekrümmte  und  gewundene  Ausläufer  ab- 
geben (die  Arteriae  helicinae),  welche  entweder  wirklich  blind 
enden ,  oder  von  ihrem  scheinbar  blinden  Ende  noch  ein  ganz  dünnes 
Gefäss  abschicken ,  das  sich  dann  wie  die  übrigen  feinen  Arterien 
in  die  venösen  Bluträume  öffiiet  (Joh.  Müller). 

lieber  die  äussere  Haut  des  Gliedes  sei  erwähnt,  dass  das 
Unterhautbindegewebe  reich  an  glatten  Muskeln  ist ,  die  sich  bis  zur 
Vorhaut  erstrecken.  Nach  Fick  (Physiol.  Anatomie)  enden  einzelne 
Nervenfäden  der  Eichel  in  Pacinische  Körperchen.  Doch  fühlt  man 
sich  versucht,  an  diese  Beobachtung  ein  Fragezeichen  zu  hängen, 
wenn  man  liest,  dass  die  beregten  Nervenendigungen  im  Bete  Malpighi 
lagen.  —  An  dem  inneren  Blatte  der  Vorhaut  und  auf  der  Eichel 
nähert  sich  die  äussere  Haut  in  ihren  Eigenschaften  mehr  einer 
Mzccosa,  es  wird  die  Epidermis  dünner,  Haare  und  Schweissdrüsen 
fehlen  und  nur  einzelne  Talgdrüsen  {Glandulae  Tysonianae)  sind 
vorhanden.  Das  s.  g.  Smegma  praeputii  ist  ein  Gemeng  vom  Sekret 
der  Talgdrüsen  und  den  sich  abschuppenden  und  zerfallenden  Epithel- 
plättchen.  —  Die  Fascia  pcnis  und  das  Ligamentum  Suspensorium  penis 

31* 


484  Von  den  Geschlechtsorganen  des  Menschen. 

sind  bindegewebig  und  zeichnen  sich ,    namentlich   das  Anfliängeband 
des  Gliedes,    durch  grossen  Reichthum  an  elastischen   Fasern  aus. 

Die  Erektion  kommt  zu  Stande  durch  Ueberfüllung  der 
Schwammkörper  mit  Blut.  Um  sich  die  Anstauung  des  Blutes  zu 
erklären ,  hat  man  nach  Vorrichtungen  gesucht ,  durch  welche  der 
Rückfluss  des  Blutes  gehemmt  werden  solle.  Es  lassen  sich  jedoch 
keine  derartigen  Apparate  nachweisen,  und  Manche  behaupten  daher 
mit  Kölliher ^  die  Steifung  des  Gliedes  erfolge  nach  Relaxation  der 
Muskulatur  im  ßalkengewebe ,  wodurch  die  Corpora  cavernosa  sich 
mit  Blut  füllen  und  sich  wie  ein  comprimirt  gewesener  Schwamm 
ausdehnen. 

§.  441. 
ProRtMa  2u  den   accessorischen  Geschlechtsdrüsen  zählt  man    die 

Vorsteherdrüse  (Prostata)  und  die  Cowper'schen  Drüsen. 

Die  Prostata  ist  ein  Aggregat  von  länglichen  oder  birnförmigen 
Drüsen  ,  welche  dem  traubigen  Typus  angehören.  Die  Tunica 
'propria  der  Drüsen  ist  bindegewebig,  die  Sekretionszellen  sind  von 
cylindrischer  Gestalt.  Die  Prostatasteine,  runde,  geschichtete 
Massen,  welche  nicht  selten  in  den  Drüsen  gefunden  werden,  be- 
stehen nach  Vircliow  aus  einer  in  Essigsäure  löslichen  Protein- 
substanz. Merkwürdig  erscheint  die  Prostata  dadurch,  dass  zwischen 
und  um  die  einzelnen  Drüschen  glatte  Muskeln  in  solcher  Menge 
vorkommen,  dass  die  Muskulatur  den  grösseren  Theil  oder  wenigstens 
die  Hälfte  der  Prostatamasse  ausmacht;  nicht  minder  besitzt  die  binde- 
gewebige Hülle ,  welche  die  Prostata  umschliesst ,  glatte  Muskeln. 
Die  Gefässe  verhalten  sich  wie  bei  anderen  traubenförmigen  Drüsen. 
Die  Nerven  sind  ziemlich  zahlreich. 

Die  Wand  der  Pros  tat  ata  sehe  {Uterus  masculinus  ,  wie  die 
Entwicklungsgeschichte  aufgeschlossen  hat,  das  Rudiment  der  männ- 
lichen Scheide  mit  Uterus)  besteht  aus  Bindegewebe  mit  feineu 
elastischen  Fasern  und  etwelchen  eingestreuten  glatten  Muskeln.  Die 
Epithelzellen  sind  von  cylindrischer  Form. 

co«p,M'sci,e  l^ie  Cowper'schen  Drüsen  i'cpräsentiren  morphologisch  nichts 

anderes,  als  grössere  traubenförmige  Schleimdrüsen ;  das  bindege- 
webige Gerüst  und  die  Hülle,  sowie  der  Ausführungsgang  sollen 
glatte  Muskelfasern  enthalten.  Uebrigens  liegen  die  betretenden 
Drüsen  so  in  die  quergestreiften  Muskelfasern  des  M.  Indhocavernosus 
eingebettet,  dass  die  Entleerung  des  Sekretes  wohl  hauptsächlich  durch 
die  CoPitractionen  dieses  Muskels  erfolgt.  Die  Epitiielzellen  sind 
rundlich,  im   Ausfülirungsgang  cylind lisch. 


l>riiHen. 


§•  442, 


I ''>■-">-  ]\jj„j    jj.^    njciit    ii),    Stamle ,    den    besonderen    Nutzen  anzugeben, 


welchen    die    aus    den    Samenblasen ,     der    Vorsteherdrüse    und    den 


Eierstock.  485 

CoAvper'schen  Drüsen  dem  Samen  beigemengten  Säfte  etwa  dnrcli 
ihre  spezielle  chemische  Beschaffenheit  haben  mögen,  aber  es  lässt 
sich  darüber  Folgendes  vermuthen.  Erstlich  dürften  die  acccssorischen 
Flüssigkeiten  dazu  dienen,  die  Entfernung  der  kleinen  Samenmengen 
aus  den  männlichen  Geschlechtstheilen  zu  erleichtern.  Ferner  mögen 
die  bezeichneten  Säfte  als  Verdünnungsmittel  des  Sperma  innerhalb 
der  weiblichen  Theile  von  Werth  sein  und  endlich  kann  angenommen 
werden,  dass  durch  jene  secernirten  Flüssigkeiten  auf  die  Zoospermien 
eine  Veränderung  hervorgebracht  würde ,  welche  ihrer  Wirkung  auf 
das  Ei  günstig  ist.  {Bergmann  und  Leuckart,  vergl.  Physiol. 
S.  566.)  Die  Erfahrungen  von  Barry,  Bischoff,  Leuchart^ 
Meissner  haben  gezeigt,  dass  die  Samenkörperchen  bei  der  Be- 
fruchtung wirklich  in  das  Ei  eindringen ;  da  nun  solches  wohl  nur 
geschehen  kann,  insolange  die  Zoospermien  beweglich  sind,  die  Be- 
wegungen der  letzteren  aber  ganz  ungemein  lebhaft  und  dauernd  in 
dem  mit  den  Säften  der  accessorischen  Drüsen  gemischten  Samen 
vor  sich  gehen,  so  möchte  man  vielleicht  gerade  hierin  einen  nament- 
lichen Nutzen  der  besagten  Sekrete  erblicken. 

§.  443. 

Wie   am    männlichen   Geschlechtsapparat  die  Hoden   die  wesent-  AVeibücher 
liebsten  Theile  sind,   so  nehmen  im   weiblichen  Körper  die  Eier-  "ä^parlt/ 
Stöcke  denselben   Rang   ein;   als   Hilfsorgane   treten  hinzu  Eileiter, 
Gebärmutter,  Scheide  und  die  Scham  theile.   Auch  die  Brüste 
pflegt   man    vom   physiologischen  Standpunkt  aus  den  Genitalorganen 
anzureihen. 

§.  444. 

An  den  Eierstöcken  wird  unterschieden  die  Hülle,  das  gefäss-  Eierstock. 
und  nervenhaltige  Stroma  und  die  Eikapseln.  Zur  Herstellung  aller 
dieser  Partien  betheiligt  sich  das  Bindegewebe;  es  bildet  dasselbe  in 
festerer  Form  die  Tunica  jjropria  des  Eierstockes ,  deren  äusserste 
Lagen  sammt  dem  dazu  gehörigen  Epithel  auch  als  Peritoneal- 
u  m  hüll  u  n  g  des  Eierstockes  aufgefasst  werden.  Es  bildet  ferner, 
nach  innen  in  ein  weicheres  Lager  ausgehend,  das  wegen  seiner  zahl- 
reichen Blutgefässe  grauröthhche  Stroma  des  Eierstockes,  welches 
hierauf  wieder  die  vollkommen  abgeschlossenen  Eikapseln  (Graaf- 
sche Follikel)  umgrenzt.  Diese,  obgleich  in  ununterbrochener  Cou- 
tinuität  mit  dem  Stroma  stehend,  haben  doch  so  viel  Selbständigkeit 
erlangt,  dass  sie  als  Bläschen  ausgeschält  werden  können.  An  der- 
gleichen Eikapseln  unterscheidet  man  die  äussere  gef ässhaltige 
Schicht  {Theca  folliculi,  Bär),  welche  ganz  vom  Bau  des  Stroma 
und  nur  eine  gerade  so  weit  verdichtete  Lage  desselben  ist ,  als 
nöthig,  um  eben  die  Wand  des  Follikes  zu  formen;  an  ihrer  inner- 
sten Grenze  geht  sie,  wie  das  Bindegewebe  an  so  vielen  anderen 
Orten ,    in   eine  homogene,    helle  Schicht  aus  {Membrana  pro- 


486  Von  den   Geschlechtsorganen  des  Menschen. 

prio).  Die  Innenfläche  des  Follikels  überkleidet  ein  Epithel  (Mem- 
brana grarmlosa  der  Autoren) ,  das  den  Sekretionszellen  anderer 
Drüsenblasen  entspricht.  Dieses  Epithel  hat  sich  an  jener  Seite  des 
Bläschens ,  welche  der  Eierstocksoberfläche  zunächst  liegt  und  wo 
auch  das  Eichen  eingebettet  sich  zeigt,  durch  Zellenanhäufung-  ver- 
dickt und  heisst  hier  das  Keimlager  {Gumulus  proUgeriis).  Die 
bezüglichen  Zellen  sind  rundlich-polygonal,  die  Membran  derselben 
zart  und  leicht  vergänghch,  der  Inhalt  gelb  gekörn-elt.  Den  übrig- 
bleibenden Innenraum  der  Eikapsel  füllt  eine  in's  Gelbliche  spielende 
Flüssigkeit  an  {Liquor  folliculi)  und  bei  besonderer  Zunahme  dieses, 
dem  Blutserum  ähnlichen  Fluidums  schimmern  die  oberflächlicher  ge- 
legenen Eikapseln  am  unverletzten  Eierstock  deutlich  hindurch. 

Fig.  238. 


Graaf'scher  Follikel,  gering  vergrössert. 
a  äussere  gefässhaltige  Schicht,    b  homogene  Schicht  (der  bindegewebigen  Wand), 

c  Epithel,  d  Keimlager,  e  Eichen. 

§.  445. 

i'rimitiyes  D^g  YA  sclbcr,  Ovulum,    ist  ein  so  kleines  Bläschen,  dass  es  für 

das  unbewaffnete  Auge  als  ein  weisslicher  Punkt  erscheint.  Rund 
von  Gestalt,  besteht  es  aus  einer  hellen,  homogenen  Hülle  (Dotter- 
haut, Zona  pellucida)  und  einem  granulären  Inhalt,  dem  Dotter. 
In  letzterem  markirt  sich  noch  ein  excentrisch  gelagertes  Bläschen, 
die  Vesicula  cjerminativa  oder  das  Keimbläschen,  das  noch  einen 
inneren  wandständigen  Kern,  die  Maaila  germinaüva  oder  den  Keim- 
fleck aufweist.  Dem  P]i  im  Ganzen  muss  sonach  die  Bedeutung 
einer  Zelle  zugesprochen  werden,  wobei  die  Zona  pellucida  die  Zellen- 
membran repräsentirt,  der  Dotter  den  Zelleninhalt,  das  Keimbläschen 
den  Kern  und  der  Keimfleck  das  Kcrnkörperchen.  Ist  das  Eichen 
aus  dem  Follikel  ausgetreten,  so  nimmt  es  immer  eine  Portion  jener 
Zellenanhäufuiig  mit,  in  welche  es  eingebettet  war,  und  man  be- 
zeichnet herkihnmlich  diese  dem  Ei  anhaftenden  Zellen  mit  dem 
Namen   IHscus  proligerus. 


mutter. 


Eileiter,  Gebärmutter.  487 

§.  446. 
Der  Ne  b  0  n  e  i  ers  to  ck  in  den  Alae  vespertilioinwi  ist  oin  Ueber-  Ne''oneicr- 
bleibsel  der  Wolf  sehen  Körper  und  zeigt  demnach  bloss  etliche  rudi- 
mentäre Kanäle,  bestehend  aus  Tunica  propria  und  Epithel. 

Die  Grundlage  für  die  Bildung  der  Wand  des  Eileiters  ist  Eüeuer. 
Bindegewebe,  welches  an  der  freien  äusseren,  wie  freien  inneren 
Seite  mit  einem  Epithel  bekleidet  ist.  Das  äussere  bindegewebige 
Stratum  sammt  dem  dazu  gehörigen  Epithel  wird  als  Peritonealliülle 
des  Eileiters  unterschieden,  während  die  innere  bindegewebige  Schicht 
und  die  deckenden  Zellen  das  sind,  was  man  die  Schleimhaut  nennt. 
Die  Zellen  der  letzteren,  von  cylindrischer  Form,  besitzen  Flimmer- 
haare, welche,  im  Hinblick  auf  die  ganze  Schleimhaut,  von  innen 
nach  aussen  schlagen  und  wohl  zur  Fortbewegung  der  Eichen  gegen 
den  Uterus  hin  beitragen.  Zwischen  die  Bindegewebsschichten  sind 
glatte,  längs  und  quer  verlaufende  Muskeln  eingeflochten,  welche 
die  mittlere  Haut  des  Eileiters  erzeugen. 

Die  Gebärmutter,  gewissermaassen  das  Nest  des  Embryo,  «ebür- 
stimmt,  insoweit  bindegewebige,  epitheliale  und  muskulöse  Schichten 
die  Wände  herstellen,  mit  den  Eileitern  überein.  Denn  die,  wenn 
auch  nicht  rings  um  das  Organ  vorkommende  PeritonealhüUe  ist 
Bindegewebe  mit  einem  dünnen  Platten  epithel,  die  mittlere  Haut  setzt 
sich  aus  Zügen  glatter  Muskeln  zusammen ,  doch  steht  das  äussere 
Bindegewebsstratum  zwischen  den  Muskellagen  hindurch  mit  der 
Schleimhaut  in  Verbindung.  Die  Schleimhaut  und  Muskelhaut  sind 
im  Uterus  stärker,  als  im  Eileiter ;  das  Epithel  der  Mucosa  ist  überall 
ein  einfaches,  flimmerndes  Cylinderepithel,  das  übrigens,  wie  Robin 
beschreibt,  in  der  Schwangerschaft,  nachdem  es  sich  abgelöst,  durch 
ein  Plattenepithelium  ersetzt  wird.  Im  Grund  und  Körper  des  Uterus 
ermangelt  die  Schleimhaut  der  Papillen,  senkt  sich  aber  zur  Bildung 
von  zahlreichen  Drüsen  ein,  den  Glandulae  utriculares,  welche  eine 
Schlauchform  haben,  mit  einfachem  oder  auch  gespaltenem  blindem 
Ende,  das  nicht  selten  spiralig  sich  dreht,  oder  auch  selbst  sich  zu- 
sammenknäuelt.  Wahrscheinlich  flimmert  das  Epithel  der  Drüsen 
nicht  minder,  wie  die  übrige  Innenfläche  des  Uterus.  Im  Cervix  uteri 
erhebt  sich  die  Schleimhaut  nicht  bloss  zu  den  sog.  Plicae  palmatae 
und  buchtet  sich  zwischen  ihnen  zu  Drüsenräumen  aus  (Gruben  der 
Autoren),  sondern  im  unteren  Abschnitt  bildet  die  Mucosa  auch  kleine 
Papillen,  in  welche  Gefässe  schlingenförmig  aufsteigen.  Die  sog.  Ovula 
Nabothi ,  die  sich  im  Cervix  uteri  finden  ,  scheinen  umgewandelte 
Drüsen  zu  sein,  vielleicht  zufällig  an  der  Mündungsstelle  verstopft 
und  dadurch  zu  grösseren  Bläschen  aufgetrieben ,  wofür  auch  die 
Beobachtung  Bob  ins  spricht,  welcher  in  ihnen  ein  Flimmerepithel  sah. 

Die  mittlere  Haut  des  Uterus  ist  vorzugsweise  muskulös  und 
die  Muskelfasern  ordnen  sich  im  Allgemeinen   zu  Längen-,    circulären 


488  Von  den  Geschlechtsorganen  des  Menschen. 

und  Schräglagen,  deren  spezielle  Gruppirung  zu  erörtern  der  descrip- 
tiven  Anatomie  zufällt. 

Die  Ligamenta  rotunda  uteri,  dem  Guhernacidum  Himteri  des 
männlichen  Körpers  entsprechend  ,  haben  auch  wie  das  Leitband 
quergestreifte  Muskeln,  während  sich  in  die  übrigen  Uterus- 
bänder ,  also  in  die  Ligamenta  anteriora  und  posteriora  ,  lata  und 
ovarii  mehr  oder  weniger  glatte  Muskelzüge,  welche  vom  Uterus  ab- 
stammen ,  verlieren. 

§.  447. 

scheide.  Auch  die  Wände  der  Scheide  lassen  eine  ähnliche  histologische 

Gliederung,  wie  die  vorhergegangenen  Abschnitte  erkennen.  Binde- 
substanz ist  das  Grundgewebe  und  bildet  eine  äussere  oder  Faser- 
haut, darauf,  zwischen  glatten  Muskelbündeln,  welche  nach  der 
Quere  und  Länge  die  Scheide  umstricken,  hindurchgetreten,  entwickelt 
sie  nach  innen  eine  zweite  hautartige  Lage,  die  Mncosa.  Das 
Bindcgewebsstratum  der  Schleimhaut,  sehr  reich  an  elastischen  Fasern, 
besitzt  ausser  den  für  das  freie  Auge  sichtbaren  Querfalten  und 
warzenartigen  Erhebungen  noch  mikroskopische  Papillen  mit  Gefäss- 
schlingen ,  welche  besonders  im  Scheidengewölbe  zahlreich  und  lang 
sind.  Schleimdrüsen  fehlen.  Das  Epithelium  verhält  sich  wie  das 
der  Mundhöhle,  des  Naseneinganges  etc.,  besteht  somit  aus  geschichte- 
ten Plattenzellen. 

Prostata,  j)gj>     Prostata     des     Mannes     entspricht     beim     Weibe,     wie 

Cowpei'sche     t,         t-  i  .  i  .  nr  i   • 

Drüsen.  Jti .  LeucKavt  gezeigt  hat,  eme  grössere  Menge  von  traubigen 
Schleimdrüsen,  die  von  der  Einmündungssteile  der  Harnröhre  auf  der 
Grenze  zwischen  Scheide  und  Scheidenvorhof  sich  hinziehen.  —  Die 
Cowper'schen  Drüsen  des  Mannes  finden  beim  Weibe  ihr  Ana- 
logen in  den  Barth olini' sehen  Drüsen,  deren  Ausführungsgänge 
mit  glatten  Muskeln  versehen  zu  sein  scheinen. 

soi.amtheiie.  Dlc    CoTpova    cavemosa    der   Clitoris    haben  den   gleichen  Bau, 

wie  die  Schwellkörper  des  männlichen  Gliedes.  Li  gefässlosen  Papillen 
der  Clitoris  will  K'ölliher  „rudimentäre  Tastkörperchen"  beobachtet 
haben. 

Die  Haut  der  Labia  majora  und  L.  minora  ist  ausgezeichnet 
durch  sehr  entwickelte  Papillen,  ferner  durch  zahlreiche  und  meist 
sehr  grosse  Talgdrüsen,  die  an  den  grossen  Schamlippen  zugleich  mit 
Haarbälgen  münden ,  an  den  Labia  minora  gewöhnlich  ohne  Haare 
getroffen  werden. 

§.  448. 

Miici,.irn8en.  Dlc  Milchdrüscu,  beim  Manne  bloss  andeutungsweise  vorhanden, 

gehören  zu  den  traubenförmigen  Drüsen,  nur  münden  sie  nicht,  wie 
andere  grosse  acinöse  Drüsen,  das  Pancreas  z.  B.,  mit  einem  einzigen 
Ausführungsgang   aus,    sondern    mit   mehren,    achtzehn    bis   zwanzig. 


Milchdrüsen.  489 

und  können  daher  in  dieser  Beziehung  etwa  mit  der  Thränendrüse 
verglichen  werden.  —  Die  Milchdrüsen  entstehen  nach  ihrem  zelligen 
Theil  aus  dem  oberen  Keimblatt  (Hornblatt  nach  Remak),  indem  die 
Zellen  desselben  gegen  die  Unterhaut  hin  wuchern.  Die  Wucherungen, 
anfänglich  als  solide  Auswüchse  des  Hornblattes  erscheinend,  höhlen 
sich  erst  später  kanalförmig  aus.  Der  bindegewebige  Theil  der  Drüse 
[Tunica  'proprio)  wird  von  dem  mittleren  Keimblatt  geliefert.  Be- 
trachten wir  die  Milchdrüse  histologisch,  so  erblicken  wir  dasselbe 
Schema  der  Struktur,  wie  es  bereits  oftmals  vorgeführt  wurde:  das 
Drüsengestell  ist  Bindegewebe;  in  den  Endbläschen  eine  dünne 
und  homogene  Haut,  nimmt  es  an  den  Ausführungsgängen  an  Dicke 
zu,  wird  dabei  streifig  und  Bindegewebskörperchen  zeichnen  sich  in 
ihm  ab.  Henle  und  H.  Meckel  geben  auch  an,  glatte  Muskeln  an  den 
Ausführungsgängen  beobachtet  zu  liaben.  —  Die  Blutgefässe  um- 
spinnen die  Drüsenbläschen  mit  einem  engmaschigen  Capillarnetz  und 
mit  den  Gefässen  treten  auch  einige  feine  Nerven  in  die  Drüse  ein. 

Die  Sekretionszellen  der  Milchdi-üse  sind  ausserhalb  der 
Schwangerschaft  und  Laktationszeit  gewöhnliche  helle  oder  leicht 
granuläre  Zellen ,  in  den  Drüsenblasen  von  mehr  rundlich-platter, 
gegen  die  Ausführungsgänge  zu  eher  von  cylindrischer  Gestalt.  Nach 
der  Conception  wandelt  sich  der  Zelleninhalt  in  Fettkügelchen  um, 
bis  allmähUg  die  Zellen  ganz  mit  Fetttropfen  vollgefüllt  ^ind.  Solche 
Zellen  stellen  die  Colostrumk  örperchen  vor,  d.  h.  jene  maulbeer- 
förmigen  Gebilde,  welche  in  der  unreifen  Milch  {Colostrum)  am  Ende 
der  Schwangerschaft  und  kurz  nach  der  Geburt  vorkommen.  Indem 
dann  die  Sekretionszellen  wohl  durch  Theilung  sich  vermehren  mid  fort- 
während ihren  Inhalt  in  Fettkügelchen  umsetzen,  erfolgt  die  eigentliche 
Milchsekretion.  Die  Fettkügelchen  werden  durch  Schwinden  derZellen- 
membran  frei  und  heissen  jetzt  Milchkügelchen.  Wie  die  Blutkügel- 
chen  dem  Blute  die  rothe  Farbe  geben,  so  rührt  die  weisse  Farbe 
der  Milch  von  den  zahllosen  in  ihr  schwebenden  Fettkügelchen  her. 
Letztere  scheinen  jedoch  nicht  bloss  aus  Fett  zu  bestehen,  sondern 
noch  eine  feine  Hülle  aus  Casein  zu  haben. 

Rücksichtlich  der  BrustAvarze  und  des  Warzen  ho  f  es  sei  vor- 
gebracht, dass  in  ersterer  zwischen  den  Ausführungsgängen  der  Milch- 
drüse ein  Netz  glatter  Muskelbündel  verläuft  und  nicht  minder  im 
Warzenhof  glatte  Muskeln  kreisförmig  herumziehen.  Bekanntlich  ver- 
mag man  auch  die  Brustwarze  durch  Reizung  zum  Sichaufrichten  zu 
bringen.  Die  Talgdrüsen  zeigen  im  Warzenhof  nicht  selten  eine  be- 
deutende Entwicklung,  so  dass  sie  dem  freien  Auge  als  weisse  Knöt- 
chen sich  ankündigen. 

Für  die  Mehrzahl  der  Thiere  wusste  man  seit  langer  Zeit,  dass  die  Eier 
periodisch  reifen  und  sich  vom  Eierstock  loslösen,  ohne  dass  eine  Begattung  voraus- 
gegangen. Bezüglich  des  Menschen  und  der  .Säugethiere  nahm  man  exceptionell 
an ,    dass    hier    erst    die  Eier    in  Folge    der    geschlechtlichen  Vermischung  aus  dem 


490  Von   den  Geschlechtsorganen  der  Wirbelthifere. 

Eierstock  austreten.  Gegenwärtig  steht  es  (in  Deutschland  besonders  durch  die 
Forschungen  Bischoff  s)  fest,  dass  der  Mensch  und  die  Säugethiere  keine  Aus- 
nahme machen.  Auch  bei  ihnen  reifen  d'e  Eier  und  verlassen  den  Eierstock  in 
periodisch  wiederkehrenden  Zeitabschnitten  (Brunst  der  Säuger,  Menstruation  des 
Menschen)  und  gehen  zu  Grunde ,  wenn  nicht  eine  Begattung  innerhalb  ge- 
wisser Zeiträume  erfolgt.  Der  EierstockfoUikel  wird  dadurch  zum  Bersten  ge- 
bracht ,  dass  durch  Ausscheidungen  aus  den  Blutgefässen  die  Menge  des  Liquor 
folliculi  sich  sehr  vermehrt,  die  Wandungen  des  Follikels  können  an  ihrem  hervor- 
ragendsten Punkt  nicht  mehr  widerstehen  und  platzen.  Nach  dem  Austritt  des 
Eichens  vernarbt  der  Follikel  und  verfällt  nach  und  nach  einer  gänzlichen  Ver- 
ödung und  endlichen  Resorption.  Im  Anfang  seiner  rückgängigen  Metamorphose 
unterscheidet  man  an  ihm  einen  centralen  Blutpfropf,  von  dem  Blute  herrührend, 
welches  beim  Bersten  des  Follikels  ergossen  wurde;  die  Haut  des  Follikels  hatte, 
noch  im  geschlossenen  Zustande  des  letzteren,  zahlreiche,  gefässhaltige  Granulatio- 
nen oder  Zellenwucherungen  einwärts  getrieben,  die  jetzt  um  den  Blutpfropfen  eine 
schwammige  Rindenlage  bilden,  und  weil  an  gelbem  Fett  sehr  reich ,  dem  ganzen 
Gebilde  den  Namen  gelbe  Körper  {Corpus  luteum)  gegeben  haben.  Unter  Dicken- 
zunahme der  gelben  Rindenlage  entfärbt  sich  der  Blutpfropf,  bis  späterhin  auch 
die  gelbe  Rindenschicht  schwindet,  endlich  noch  später,  freilich  vielleicht  erst  nach 
Ablauf  von  Jahren,  jede  Spur  des  gelben  Körpers  ausgewischt  ist. 

Ueber  die  feinere  Struktur  des  Corpus  luteum  hat  jüngst  Hr.  Beckmann 
Untersuchungen  angestellt  und  mir  davon  folgende  Beobachtung  zu  veröffentlichen 
erlaubt:  „Im  gelben  Körper  einiger  Wiederkäuer  (Kuh,  Ziege,  Schaf,  3. — 5.  Monat 
der  Schwangerschaft)  sind  die  bekannten  grossen,  zarten  Zellen,  die  hauptsächlich 
das  Corpus  luteum  zusammensetzen,  stets  mit  mehr  weniger  ausgebildeten  Fort- 
sätzen versehen,  die  bald  ziemlich  dick  bleiben,  bald  sich  in  mehre  feine  Aeste 
auflösen  und  eine  Verbindung  der  Zellen  untereinander  herzustellen  scheinen.  Hier- 
nach ist  es  wohl  erlaubt,  die  erwähnten  Zellen  für  Bindegewebskörper  zu  halten, 
wofür  übrigens  auch  ihre  Genese  spricht.'' 


Sechsundvierzip'ster  Abschnitt. 


'ö 


Umrisse 
fler    flamen 


Von  den  Gesclileclitsorganen  der  Wirbelthiere. 

§.  449. 

Der  Hoden   der  Wiihcltlnere    zeigt  in  seiner  Zusammensetzung 
r/.eugcn.iou  zalilreiclic  Ueberffänffc  von  lano-en  Kanälchen  in  e-estielte  und  endlich 

li  ä  1 1  nie .  o  cj  o  O 

in  stiellose  Blasen.  So  haben  wohl  die  Säugethiere  allgemein 
lange,  vielfach  gewundene  und  sich  thcilende  Samenkanälchen.  Aehn- 
lich  sind  die  der  Vögel,  der  Schildkröten,  Saurier  und 
Ophidier  (Ringelnatter  z.  B.);  doch  schien  es  mir,  als  ob  die 
schlangenförmigen  Windungen  weniger  dicht  sich  folgten,  so  dass  die 
Kanäle  öfters  einen  mehr  gestreckten  Verlauf  annahmen.  Schon  bei 
den  Bat  räch  lern    {Proteus   z.   B.)    ist  das  blinde,   nach  der  Hoden- 


Hoden. 


491 


Peripherie  gehende  Ende  der  im  Ganzen  weniger  gewundenen  Samen- 
schläuche etwas  kapselartig  erweitert  und,  indem  z.B.  an  Halamandra*) 
maciUata  die  Drüsenschläuche  sich  bedeutend  verkürzt  haben,  so  ist 
damit  der  Uebergang  vermittelt  zu  Coecilia  annulata,  wo  der  Hode 
nicht  mehr  aus  Schläuchen ,  sondern  aus  gestielten  Blasen  besteht. 
In  gleicher  Art  verhalten  sich  die  Hoden  der  Rochen,  Haie  und 
Chimären,  wo  die  Ausführungsgänge  von  mehren  Bläschen  im 
weiteren  Verlauf  zu  grösseren  Stämmchen  zusammentreten ,  so  dass 
zuletzt  nur  eine  massige  Anzahl  von  Vasa  efferentia  den  Hoden  ver- 
lässt.  Bei  den  Ganoiden,  wenigstens  beim  Stör,  trifft  man  wieder 
ziemlich  regelmässig  quergelagerte  Samenkanälchen,  im  Gegensatz  zu 


A  Ende  eines  Hoden k  anales  von   Salamandra. 
B  H  o  d  e  n  b  1  ä  s  c  h  e  n    von    C  h  i  m  a  e  r  a. 
CEnd spitze    des    Hodens    von    Cobitis. 


*)  Bei  Salamandra  maculata  verliert  sich  der  Hoden  von  rechts  nnd  links  in 
eine  graue  fadenförmige  Endspitze  und,  von  beiden  Seiten  zusammenlaufend,  treten 
sie  vorne,  über  dem  Magen  .  in  der  Mittellinie  des  Körpers  zusammen  ,  was  man 
gut  sieht,  wenn  etwas  Essigsäure  in  die  Bauchhöhle  des  Thieres  geträufelt  wird. 
Die  hierzu  gehörige  Bauchfellfalte  hat  glatte  Muskeln. 


492  Von   den  Göschlechtsorganen  der  Wirbelthiere. 

den  Knochenfischen  ,  wo  vielleicht  häufig  statt  der  Kanäle  blasige 
Räume,  welche  in  ein  mittleres  Cavum  als  in  ihren  gemeinsamen  Aus- 
führungsgang  münden,  vorhanden  sind,  was  ich  zuerst  an  Cohitis  fossilis 
sah.  Hier  grenzt  die  allgemeine  Bindesubstanz  der  Hoden  nach  innen 
kuglige  Räume  ab  von  verschiedener  Grösse,  in  welchen  die  Sekre- 
tionszellen das  Sperma  bereiten ;  auch  bei  Salmo  fario,  S.  salvelinus, 
Cottus  gobio  finden  wir,  dass  das  Gerüst  des  Hodens  ein  Fächerwerk  aus 
Bindesubstanz  ist,  welches  rundlich -polygonale  Räume  abschliesst  und 
darinnen  liegen  die  Sekretionszellen.  Bei  den  Vögeln  kommen  wohl  ähn- 
liche Bildungen  vor.  Ich  sehe  z.  B.  am  Haushahn,  Grünhänfling  {Fringilla 
chloris)  nichts  von  ^,länglichen,  geschlängelten  Blinddärmchen",  sondern- 
nur  dieselben  blasigen,  zusammenmündenden  Räume,  wie  bei  Knochen- 
fischen, während  doch  andere  Forscher  {z.^.  Berthold  vom  Staaren) 
„die  Windungen  der  Samengefässe"  abbilden. 

§.  450. 

sameu-  J^g   mögcn  uuu   Kanälchen    oder  Blasen    die  Hodenmasse    bilden, 

immer  unterscheidet  man  die  bindegewebige  Tunica  ^ropria  und  die 
Sekretionszellen  im  Inneren.  Erstere  ist  entweder  eine  dünne,  homo- 
gene Haut,  oder  sie  wird  dicker,  streifig  und  ist  dann  mit  Kernen 
versehen.  Die  Zellen  produziren  in  sich  die  Zoospermien.  über 
deren  Formverschiedenheiten  man  die  detaillirten  Angaben  in  dem 
Artikel  „Zeugung  von  R.  Leuckart^  (Wagner's- H.  W.  B.)  zu  ver- 
gleichen hat.  Hier  darüber  nur  so  viel.  Die  Zoospermien  der  Säuger 
haben  einen  sehr  dünnen  Schwanzfaden  und  einen  kurzen  Kopf,  der 
mehr  oder  minder  oval  und  abgeflacht  (beim  Kameel  lang  und  schmal) 
ist.  Von  etwas  auffallender  Form  sehen  wir  das  Kopfende  an  den 
Zoospermien  der  Mäuse  und  Ratten;  letztere  besitzen  auch  unter 
den  Säugethieren  die  längsten  Samenelemente.  Die  der  Vögel  sind 
ebenfalls  linear,  das  Kopfende  langgestreckt,  cylindrisch,  bei  Sing- 
vögeln spiralig  gedreht.  Bei  den  Amphibien  lernen  wir  mehrerlei 
Gestalten  kennen,  die  der  beschuppten  Amphibien  und  mancher 
Batrachier  (Frosch*),  Kröte)  stimmen  so  ziemlich  mit  denen  der 
Vögel  überein,  hingegen  die  Zoospermien  von  Triton,  Balamandra  und 
Bomhinator  sind  durch  einen  eigenthümlichcn  undulirendcn  Längskamm 
oder  Membran  ausgezeichnet.    In  der  Klasse  der  Fische  schlicssen  sich 


eleraente. 


*)  Die  Zoospermien  von  Jtana  te'inporaria  und  Rana  esciilenta  dilTeriren  in 
der  Form  etwas  von  einander.  Die  der  7i'.  temporaria  besitzen  einen  cylindrisclien 
Ko])f,  der  nach  beiden  Seiten  in  eine  Spitze  anslänt't.  Das  in  die  vordere  Spitze 
auslautende  Ende  ist  kürzer  als  das  hintere  lilngere,  welches  man  mit  dem  Namen 
des  Schwanzes  bezeichnet.  Der  Kopf  isi  bei  weitem  zarter  als  der  von  7i'.  escu- 
leiita.  iJei  dieser  ist  derscdlie  zwar  ebenfalls  cylindriseli,  aber  \(in  hetri'h  htlicliercm 
Querdurchmesser  und  vorn  gerad(!  abgestutzt,  wälirend  das  hintere  Ende  nicht  all- 
mJlhlig,  wie  bei  li.  temporaria,  sondern  scharf  abgesetzt  in  einen  langt  ii  und  aus- 
nehmend feinen  Schwanz  übergeht.     Vcrgl.  An/cerrnaiin   in   Zlschr.  f   w.   Z.    1856, 


Zoosperniien. 


493 


die  Samenkörperchcn  der  Selacliier  jenen  der  Vögel  an;  an  denen  der 
Teleostier  ist  der  Kopf  meist  klein,  kugelförmig  (bei  Dactyloptera 
voUtans  und  Salmo  fario  finde  ich  ihn  birnförmig  und  vorn  quer 
abgeschnitten ;  von  ähnlich  birnförmiger  Gestalt  ist  das  stark  glänzende 
Kopfende  bei  Salmo  salveli'nus ,  hier  aber  noch  deutlich  vorn  mit 
einer  Einkerbung) ;  der  Schwanzfaden  ausserordentlich  dünn  und  zart. 

Fig.  -240. 


Verschiedene    Formen    von    Zoosperniien    der  Wirbel thiere. 
A  Von  .Säugern:    a  des  Menschen,     b  der  Ratte,    c  vom  Kaninchen, 
B  Von  Vögeln. 

C  Von   Amphibien :    a  des  Frosches,    b  des  Salamanders  (daneben  eine  Samen- 
zelle mit  zusammengerolltem  Zoosperm). 
D  Von   Fischen:     a  der  Chimaera,    b  vom  Barsch,    c  von  Dactyloptera,    d  von 
Salmo  Salvelinus.     (Starke  Vergr.) 

§.  451. 

Die  Zoospermien  scheinen  häufig  ganz  homogener  Natur  zu  sein  und 
ohne  Spur  weiterer  Differenzirung;  doch  ist  von  manchen  Formen  neuer- 
dings eine  gewisse  Zusammensetzung  nachgewiesen  worden,  selbst  wenn 
wir  von  dem  Organsystem,  welches  Valentin  in  den  Zoospermien  des 
Bären  zu  erblicken  glaubte,  absehen.  Man  unterscheidet  nämlich  an 
den  Samenelementen,  z.  B.  der  Molche,  eine  allgemeine  äussere 
Umhüllungshaut ,  welche  den  Hauptfaden  des  Schwanzes  und  den 
Kopf  als  zarte,  strukturlose  und  durchsichtige  Haut  allenthalben  um- 
kleidet und  am  Rücken  des  Schwanzfadens  eine  senkrecht  stehende 
DupHkatiir  —  die  undulirende  Membi'an  —  bildet.  Unter  dieser  Um- 
hüllungshaut liegt  am  Kopf  die  Schlauchhaut,  welche,  angefüllt  von 
einer  das  Licht  stark  brechenden  FUissigkeit,  den  Kopf  darstelle.  Der 
Hauptfaden  des  Schwanzes  scheine  solid  zu  sein.     [Czermak.) 

Die  Bewegungen  der  Zoospermien  geschehen  auf  sehr  mannich- 
faltige  Art,  schlängelnd,  drehend,  hüpfend,  bohrend  etc. ;  bei  Wirbel- 
thieren    sind    keine    „starren'^    Samenelemente    bekannt.       Worin    die 


494  Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbelthiere. 


Bewegungen  der  Samenelemente  begründet  sind,  weiss  man  so  weni 
wie  von  allen  anderen  Lebensakten.  Was  man  gegenwärtig  von 
physikaliscli-chemisclien  und  andererseits  von  vitalen  Ursachen  hinüber 
und  herüber  redet ,  ist  bloss  ein  Austausch  von  Stichwörtern  ohne 
irgend  einen  scharfen  Begriff. 

§.  452. 
Hoden  der  Wcun  bci  dcu  Batracliiem,  z.  B.  den  Salamandern,    Coecüia,  der 

Hoden  schon  äusserlich  in  mehre  Abtheilungen  zerfällt,  so  ist  der 
Inhalt  der  Sekretionszellen  nicht  in  allen  Partien  der  gleiche.  Bei 
Salamandra  maculata  z.  B.  wechselt  die  Farbe  der  einzelnen  Ab- 
theilungen des  Hodens  zwischen  weiss,  grau  und  schwefelgelb.  In 
den  grauen  Lappen  enthalten  die  Zellen  eine  blasse,  feinkörnige  Masse, 
der  grosse  Nucleus  hat  mehre  Nucleoli.  Die  Portionen  von  schwefel- 
gelber Farbe  haben  in  denselben  Zellen  gelbe  Fettkügelchen  und 
nur  aus  den  weiss  aussehenden  Gegenden  des  Hodens  gewinnt  man 
Zoospermien. 

In  hohem  Grade  merkwürdig  verhält  sich  der  Hode  von  europäi- 
schen und  exotischen  Krötenarten ,  da  er  in  zwei  Substanzen  sich 
scheidet,  von  denen  die  eine  eiähnlicheGebilde  (bei  Bufo 
viridis  von  den  Eierstockseiern  gar  niclit  unterscheidbar)  produzirt, 
die  andere  Zoospermien.  Man  kann  sich  bei  der  Untersuchung  des  ge- 
dachten Organes  des  Gedankens  an  eine  rudimentäre  Zwitterbildung 
kaum  entschlagen  und  es  hat  auch  Jakobson,  der  diese  seltsame 
Bildung  zuerst  sah,  sie  für  ein  rudimentäres  Ovarium  erklärt.  Bidder, 
welcher  es  darauf  beschrieb,  hält  das  Organ  für  eine  accessorische 
Drüse;  zuletzt  haben  v.  Witt  ich  und  ich  selber  (a.  a.  O.)  Mittheilungen 
darüber  veröffentlicht. 

§.  453. 
Huue,  y\[\Q    in    anderen    drüsigen    Theilen    verdichtet    sich    das    Binde- 

rigmeute  ^ 

de»  Hod-n.  gewebe,  welches  die  Kanälchen  oder  Blasen  des  Hodens  zusammenhält, 
zu  einer  das  Organ  nach  aussen  abschliessenden  Hülle,  der  Tunica 
albuginea ,  welche  auch  Septcn,  bei  niederen  Wirbelthieren  von 
mehr  zarter,  bei  höheren,  namentlich  den  Säugern^  von  stärkerer  Art, 
in  die  Hodensubstanz  hineinschickt,  wodurch  die  Samenkanälchen  in 
Partien  sich  absondern.  Bei  den  Säugethieren  verbinden  sich  die 
Septa  zu  einem  oft  sehr  mächtigen  Corpus  Highmori,  dessen  Binde- 
gewebe dann  auch  feinere  und  dickere  elastische  Fasern  enthält  und 
auch  Nervenfcisern  sehen  lässt.  Bei  Säugern  iiiii  und  wieder,  bei 
Pterojms  z.  B.,  ist  die  Albuginea  des  Hodens  sclnvarzblau  pigmentirt, 
häutiger  bemerkt  man  solches  bei  Batrachiern  (Fröschen,  Kröten), 
doch  unterliegt  die  Pigincntirung  nach  den  Individuen  und  selbst  nach 
den  beiden  Hoden  eines  und  desselben  Thieres  grossen  Schwankungen. 
Auch  bei  Vögeln  beobachtet  man  pigmentirte  Hoden;  ich  sah  bei 
der  Bachstelze  {Motacilla  alba)  und  dem  Gimpel  {Fyvrliula)  den  einen 


Nebenhoden.  495 

Hoden  farblos,  während  Lei  dem  anderen  die  gewundenen  Samen- 
kanälchen  rings  herum  schwarz  gefärbt  waren. 

§.  454. 
Eine    dem    Säugethierhoden    wohl    allgemeine    Erscheinung     zeiien- 
zeigt   sich   darin ,   dass   das  die  Samenkanälchen  verknüpfende  Binde-  ^wuehirden 
gewebe  noch  eine  zellen artige  Masse  enthält,    welche,  wenn  nur     samen- 

•  •  1»«-  T-i  ix/»Tx-4  l<  anal  eil  en, 

in  genngcrer  Menge  vorhanden,  dem  Lauf  der  Blutgefässe  folgt,  hin- 
gegen die  Samenkanälchen  allenthalben  einbettet,  wo  sie  an  Ausdehnung 
sehr  zugenommen  hat  und  beim  Eber  in  so  extremer  Entwicklung 
auftritt,  dass  der  Durchschnitt  des  Hodens  davon  ein  chokoladefarbiffes 
Aussehen  erhält,  indem  man  schon  mit  freiem  Auge  wahrnimmt,  dass 
die  Samenkanälchen  in  eine  Substanz  von  der  bezeichneten  Farbe  ein- 
gelagert seien.  Aehnlich  ist  es  beim  Pferd.  Der  Hauptbestandtheil  die- 
ser Masse  sind  Körperchen  von  fettartigem  Habitus,  in  Essigsäure  und 
Natronlösung  unveränderlich,  farblos  oder  gelblich  gefärbt,  sie  umlagern 
helle,  t)läschenförmige  Kerne  und  man  darf  sie  wohl  solchen  Binde- 
substanzzellen an  die  Seite  setzen ,  welche ,  wie  z.  B.  Fett  -  und 
Pigmentzellen ,  mit  besonderem  Inhalte  versehen  sind.  —  Auch  der 
Hode  von  der  Eidechse  {Lacerta  agilis)  besitzt  reichlich  zwischen 
den  vielfach  gewundenen  Samenkanälchen  dieselbe  Masse:  Zellen- 
haufen mit  scharfconturirtem,  gelbbraunem  Inhalt.  In  Kalilauge  ent- 
färben sich  die  Kügelchen  und  sehen  dann  wie  Fettpünktchen  aus. 

Die  Blutgefässe  und  Nerven  halten  sich  wie  überall  in  ihrer 
Verästelung  an  das  Bindegewebe  des  Hodenparenchyms. 

§.  455. 

Im  Nebenhoden  der  Säuger,  Vögel,  beschuppten  Amphibien  Nebenhoden 
und  Selachier  ist  die  Tunica  propria  der  Samenkanälchen  bedeutend 
dicker  geworden,  so  dass  sie  ein  geschichtetes  oder  gefasertes  Aus- 
sehen angenommen  hat;  auch  treten  jetzt  glatte  Muskeln  hinzu,  welche 
nie  an  den  Samenkanälchen  im  Hoden  selbst  vorkommen,  und  die 
Muskulatur  verstärkt  sich  in  dem  Grade,  als  sich  die  Kanäle  dem 
Vas  deferens  nähern.  Bei  den  beschuppten  Reptilien  flimmern 
die  Epithelzellen  der  Nebenhodenkanäle,  was  ich  z.  B.  bei  Lacerta 
agilis  und  Emys  europaea  sah.  Und  da  Becker  (s.  oben)  auch  ein 
Flimmerepithel  beim  Menschen  im  Kopfe  des  Nebenhoden  gefunden 
hat,  so  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  nicht  minder  die  übrigen 
höheren  Wirbelthiere ,  also  die  Säuger  und  Vögel  Flimmerung 
im  Nebenhoden  besitzen  werden.  Berücksichtigung  verdient  ferner, 
dass  wie  ich  (a.  a.  O.)  beschrieben,  bei  der  Eidechse  die  einzelnen 
Kanäle  des  Nebenhoden  flas  chenförmige  Erweiterungen  zei- 
gen, wie  die  Kanäle  der  Wolf  sehen  Körper,  wesshalb  daran  erinnert 
sein  mag,  dass  die  Nebenhoden  bei  den  höheren  Wirbelthieren  eben- 
falls nur  umgewandelte  Urnieren  vorstellen  und  bei  den  Batrachiern 
ein  Theil  der  Niere  zum  Nebenhoden  wird  und  dann  der  Ureter  als 


496  Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbelthiere. 

Harn-  und  Samenleiter  zugleich  fungirt.  Hiebei  geschieht  die  Ver- 
bindung der  Vasa  eß'erentia  testis  entweder  mit  dem  vordersten  Theil 
der  Niere,  mit  der  Spitze,  und  diese  kann  sich  auch  von  der  übrigen 
Nierenmasse  in  einzelnen  oder  mehren  Läppchen  isoliren,  welche 
ganz  füglich  als  Nebenhoden  bezeichnet  werden  können ,  so  beim 
Triton,  Salamandra,  Proteus \  oder  es  findet  keine  solche  sich  auch 
äusserlich  kundgebende  Scheidung  in  Niere  und  Nebenhoden  statt, 
und  dann  ist  die  Niere  zugleich  Nebenhode.  Nähere  Erörterungen 
über  diesen  Gegenstand,  der  mehr  in  die  vergleichende  Anatomie 
und  Entwicklungsgeschichte  hineinschlägt,  siehe  in  d.  Beitr.  z.  morpli. 
und  histolog.  Entwicklung  der  Harn-  und  Geschlechtswerkz.  d.  nackt. 
Amphib.  von  v.  Wittich,  Ztsch.  f.  w.  Z.  1853,  und  Leydig,  anat.- 
hist.  Unters,  üb.  Fische  und  Rept.  1853,  sowie  die  früheren  Schriften 
von  Bidder:  vergleichend  anatomische  und  histologische  Unter- 
suchungen üb.  d.  männlichen  Geschlechts-  und  Harnwerkzeuge  von 
nackten  Amphibien  1846  und  Lerehoullet:  Recher ches  sur  Tanatomie 
des  organes  genitaux  des  animaux  vertebres  in  den  Nov.  Act.  Leop.  1851. 

Fig.  241. 


Ein  .Stück   Nebenhoden  von   Laccrta  agilis    mit  den  Erweiterungen  a  a 

der  Kanäle.     (Geringe  Vergrf) 

§.  456. 

Samenleiter.  Das  Selbständige  Vas  deferens  der  Säuger,  Vögel,  beschuppten 

lleptilicn  und  Selacliier  besitzt  immer  eine  mehr  oder  minder  ent- 
wickelte, gkatte  Muskulatur,  und  an  Säugethieren  sieht  man,  dass  die 
Samenleiter  selir  nervenreich  .sind.  Nicht  eben  allgemein  verbreitet  sind 
Drüsen  in  der  Wand  der  Ductus  deferevtes,  bei  Vögeln  wenigstens, 
Sauriern  (Angia's  fragilis)  und  Schlangen  (JJoluher  natrix)  mangeln 
Drüsen;  hingegen  trifft  man  sie  ziemlich  durchgchends  bei  Säuge- 
thieren, hier  sind  gemeiniglich  die  Samenleiter  an  ihrem  unteren 
Ende  erweitert,  so  bei  Affen,  Fledermäusen,  JSlustela  vulgaris,  Ka- 
ninchen, Biber,  Wiederkäuer,  und  überall  ist  die  Erweiterung  bedingt 


Samenleiter.  497 

durch  Drüsen,  welche  entweder  ganz  einfache  Säckchen  darstellen 
oder  auch  seitliche  Ausstülpungen  haben.  Manche  Nager,  wie  Ratten 
und  Mäuse,  entbehren  zwar  die  drüsige  Anschwellung  der  Ductus 
deferentes ,  dafür  aber  münden  in  dieselben  freie  Drüsenbüschel 
ein.  Offenbar  dient  der  drüsige  Apparat  dazu,  das  Volumen  des 
Samens  zu  vermehren,  und  ihm  wohl  auch  spezifische  Säfte  beizu- 
mischen. 

Sehr  analoge  Verhältnisse  gewahren  wir  bei  Rochen,  Haien 
und  Chimären:  es  nimmt  der  Ductus  deferens  der  Plaglostomen 
nach  hinten  an  Durchmesser  zu,  verdickt  sich  und  hat  ein  ge- 
wisses, durchscheinendes  Aussehen,  was  davon  herrührt,  dass  die 
Schleimhaut  nach  innen  mit  Querfalten  vorspringend ,  Drüsenrüume 
erzeugt,  die  eine  Flüssigkeit  absondern,  in  welcher  erst  die  Zoosper- 
mien  ihre  Lebendigkeit  und  letzte  Ausbildung  erhalten.  Wo  bei 
Chimaera  monstrosa  die  vielfach  verschlungenen  Windungen  des 
Samenleiters  aufhören  und  der  gerade  Verlauf  beginnt,  erweitert  er 
sich  schlauchförmig,  schnürt  sich  jedoch  wieder  so  ein,  dass  die  Er- 
weiterung in  ein  oberes  längeres  Stück  und  in  ein  unteres  kürzeres 
zerfällt.  Eine  nähere  Untersuchung  stellt  heraus,  dass  die  Erwei- 
terung, welche  nach  oben  weiss,  in  der  Mitte  schön  grün,  am  unteren 
Ende  weissgrau  ist,  aus  lauter  quei'gelagerten  Kammern  der  Schleim- 
haut besteht  und  gleichfalls  die  Bedeutung  von  Drüsenräumen  bean- 
spruchen können. 

Mit  dem  Ductus  deferens  hängt  bei  Rochen,  Haien  und  Chimären 
noch  eine  grosse  Drüse  zusammen,  die  wohl  einem  W^olfschen 
Körper  verglichen  werden  kann.  Sie  besteht  aus  sehr  langen,  viel- 
fach hin-  und  hergewundenen  Kanälchen,  welche  ein  grosszelliges  Cy- 
linderepithel  besitzen.  Eine  Anzahl  von  solchen  Kanälen  vereinigt 
sich  immer  zu  gemeinsamen  Gängen,  um  damit  von  Strecke  zu 
Strecke  in  den  Ductus  deferens  einzumünden. 

Der  gemeinsame  Harn-Samengaug  der  Batrachier  besteht  aus 
Bindegewebe,  dem,  besonders  nach  abwärts,  glatte  Muskeln  (sehr  deut- 
lich beim  Proteus)  eingemischt  sind.  Mitunter  ist  er,  z.  B.  bei  üala- 
mandra^  Triton,  stark  schwarz  pigmentirt,  bei  Bombinator  igneus  hat 
er  theilweise,  indem  der  Kanal  in  kurzen  Touren  sich  windet,  ein 
dickliches,  nebenhodenartiges  Aussehen  und  ist  lebhaft  weiss.  Das 
Epithel  des  Ganges  wird  allgemein  aus  cylindrischen  Zellen  zusam- 
mengesetzt, bei  Bombinator  haben  die  langen  Cjlinderzellen  in  ihrem 
nach  dem  Lumen  des  Kanales  gewendeten  Abschnitt  eine  fenikörnige 
Inhaltsmasse  und  was,  in  soweit  meine  Erfahrung  geht,  ebentalls  nur 
der  Feuerkröte  zukommt,  im  vorderen  blinden  Ende  des  Kanales 
tragen  die  Zellen   auch  Wimperhaare. 

In  den  Harn-Samengang  der  Batrachier  senkt  sich  noch,  hoher 
oder  tiefer,  wie  solches  nach  den  Arten  verschieden  ist,  der  übrig 
gebliebene    Ausführungsgang    des    Wolfschen  Körpers    ein.     Er   hat 

Lieydig,    Histologie.  32 


498  Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbelthiere. 

bei  manchen  Arten  ein  deutliches  Orificium  abdotninale  an  seinem 
vordren  Ende  und  besteht  aus  einer  bindege-webigen  Memhrana  propria 
und  einem  hellen  Epithel,  das  im  obersten  Abschnitt  bei  Rana  und 
Bomhinator  flimmert.  Beim  Landsalamander  umschliesst  diesen  Ductus, 
sowie  den  Harn-Samengang,  eine  Strecke  weit  eine  gemeinschaftliche 
bindegewebige  Hülle.  Sein  Epithel  ist  hier  aus  langen  Cvlinderzellen 
gebildet.  Bei  manchen  Batrachiern  (Landsalamander,  Menojjoma)  haben 
sich  auch  noch  Reste  des  Wolf  sehen  Körpers  (Müller'sche  Drüse),  vorne 
in  der  Bauchhöhle  erhalten,  in  Form  eines  knäuelartig  gewundenen 
Kanales,  welcher  deutlich  aus  Tunica  propria  und  klaren  Epithelzellen 
zusammengesetzt  ist. 

§.  457. 
Samen-  r^^^  ^^^^    a  c  c  c  s  s  o  r  1  s  c  h  c u    Geschlechtsdrüsen   hat  man  zu 

blasen. 

rechnen  die  sog.  Samen  blasen,  die  Prostata  und  die  Cow- 
p  e  r's  c  h  e  n  Drüsen  der  Säugethiere,  sowie  den  aufgezälilten  Drüsen 
entsprechende  Gebilde  bei  Vögeln,   Re|)ti]ien    und  Fischen. 

Die  fälschlich  sog.  Samen  blasen  sind  bei  keinem  Säugethier 
Behälter  des  Samens,  sondern  immer  drüsige  Apparate;  sie  haben 
entweder  dicht  stehende  mikroskopische  Drüsenträubchen,  die  eine 
mehr  oder  weniger  dicke  Schicht  unterhalb  der  glatten  Muskulatur 
bilden,  wie  man  dies  bei  AfFen,  Handflüglern ,  Mäusen,  beim  Stier 
u.  a.  sieht,  wo  dann  ein  mittlerer,  gemeinsamer  Hohlraum  alle  Einzel- 
ausführungsgänge aufnimmt,  oder  die  ganze  Samenblase  erscheint 
wie  beim  Eber  nach  dem  Typus  einer  traubenförmigeii  Drüse  gebaut 
mit  kleinerbsengrossen  letzten  Endbläschen.  Das  Secret  der  sog. 
Samenblasen,  welches  häufig  unter  der  Form  von  Klumpen  einer 
hellen,  eiweissartigen  Substanz  auftritt,  stimmt  durchaus  mit  dem  Se- 
cret der  Prostatadrüsen  überein. 

Prostata.  Dic  V  o  r  s  1 0  li  c r  d r  ü  s c  u  der  Säugethiere  sind  nach  zwei  Typen 

organisirt.  Bei  dem  ersten  bestehen  sie  aus  mikroskopisch  kleinen 
Blasen  oder  Schläuchen  ,  die  traubenförmig  gru])pirt  sich  zusammen- 
thun  und  durch  engerwerdende  Ausführungsgänge  unmittelbar  einzeln 
in  die  Harnröhre  münden  (bei  Affen,  Fledermäusen,  Fleisch- 
fressern, Eber,  Ziegenbock,  theilweise  auch  beim  Stier),  oder 
die  Drüsenbläschen  münden  erst,  wie  bei  den  sog.  Samenblasen,  in 
einen  grösseren,  allgemeinen  Hohlraum  der  ganzen  Drüse  aus,  welcher 
schliesslich  in  den  Anfangstheil  der  Harnröhre  mündet  (bei  Wieder- 
käuern), wieder  in  eincnn  andren  Falle  liegen  die  letzten  Drüsen- 
bläschen um  grössere  1  lolilräume,  aus  welchen  sich  erst  der  Aus- 
führungsgang fortsetzt,  die  ganze  Drüse  hat  dann  auf  dem  Durch- 
schnitt ein  mehr  schwammiges  oder  blasiges  Aussehen  (Pferd,  Del- 
phin), während  bei  der  vorhergehenden  Anordnung  die  Drüse  im 
Ganzen  ein  eher  solides  Aussehen  auf  dem  Durchschnitt  zeigt.  Der 
zweite  Typus  wird  dadurch  vorgestellt,  dass  die  Drüsenelemente  der 


Prostata. 


499 


Fig.  242. 


et- 


Ende    eines    Sclilauches    aus    der    vorderen    Prostata    des    Kaninchens. 

a    glatte    Muskeln ,    b  Cylinderepithel  ,    c    Prostatasteinchen    im    Lumen    des 

Schlauches,    d  ein  solches  durch  Druck  vom  Rande    aus    eingerissen,    e  ein 

kleinstes,  welches  erst  eine  incrustirte  Zelle  darstellt.    (Starke  Vergr.) 


1  -.«. 


Prostataläppchen  der  Vesper  tili  o  scroti  nus. 
a  die  Hülle  glatter  Muskeln  mit  ihren  cylindrischen   Kernen,   b  die  Drüsen- 
bläschen, angefüllt  mit  Zellen,    c  die  Kerne  des  Bindegewebes,  welches  die 
Drüsenbläschen  bildet.     (Starke   Vergr.) 

32* 


500  Von  den  Geschlechtsorganen   der  Wirbelthiere. 

Prostatca  lang  ausgezogene,  in  den  meisten  Fällen  geth eilte,  sehr  ent- 
wickelte Blindschräuche  sind,  nur  locker  durch  Bindegewebe  mit 
einander  zu  Büscheln  vereinigt,  von  dieser  Art  finden  wir  die  Prostata 
bei  Insektenfressern  und  Nagern.  Gewöhnlich  umgeben  solche 
Vorsteherdrüsen  in  meiirfacher  Zahl  den  Anfang  der  Harnröhre  und 
wenn  auch  äusserlich  nur  ein  einziges  Paquet  von  Blindschläuchen 
vorhanden  scheint,  so  weist  doch  die  mikroskopische  Prüfung  eine 
Verschiedenheit  des  Secretes  nach  (Kaninchen  z.  B.):  auch  bei 
Batten  und  Mäusen,  beim  Igel,  unterscheiden  sich  die  Prostata- 
paare nach  ihrem  Secret,  indem  die  einen  eine  fettähnliche,  die  anderen 
eine  eiweissartige  Substanz  abscheiden.  Auch  bei  anderen  Säugern 
sondern  die  verschiedenen  Partien  der  Prostata  ein  verschiedenes 
Secret  ab.  Zur  Austreibung  des  Secretes  aus  der  Drüse  dienen  glatte 
Muskeln,  welche  einen  constanten  Gewebstheil  der  Prostata  ausmachen. 
Entweder  bilden  die  Muskeln  nur  einen  Ueberzug  über  die  einzelnen 
Schläuche  (z.  B.  bei  Insektenfressern,  Nagern)  und  das  Binde- 
gewebe zwischen  den  Drüsenschläuchen  entbehrt  der  contractilen 
Elemente,  oder  es  erscheinen  auch  in  diesen  Balken  glatte  Muskeln, 
die  dergestalt  zunehmen  können,  dass  sie  einen  gleichgrossen  oder 
selbst  einen  grösseren  Volumtheil  als  die  eigentlichen  Drüsenelemente 
einnehmen  und  auch  an  der  Peripherie  der  Drüse  sich  so  zu  einer 
continuirlichen  Schicht  entwickeln,  dass  die  Drüse  eine  glatte,  mus- 
kulöse Aussenfläche  hat.  Ferner  können  sich  zu  den  glatten  Muskeln 
noch  quergestreifte  gesellen,  die  als  unmittelbare  Fortsetzung  vom 
M.  aretliralis  her  theilweise  (Katze,  Wiesel,  Ebei-,  Stier)  oder 
ganz  (Delphin,  Beutelthier)  über  die  Prostata  hinziehen.  — 
Endlich  ist  noch  für  den  Bau  der  Prostata  hervorzuheben,  dass  die 
Nerven  dieser  Drüse  in  Ganglien  anschwellen. 

§.  458. 

Die  Oowper'schen  Drüsen  der  Säugethiere,  eine  bald  rund- 
liche, bald  birnförmige,  oder  mehr  längliche,  auch  wohl  eine  seitlich 
comprimirte  Form  darbietend ,  bestehen  immer  aus  dem  bindegewe- 
bigen Gerüst,  welches  das  Schema  einer  ti-aubenförmigen  Drüse 
einhält  und  die  Secretionszellcn  stützt;  dazu  kommt  eine  verschieden 
starke,  muskulöse  Hülle,  aus  (piergestreiftcn  Fasern  gebildet,  beson- 
ders dick  z.  B.  beim  Kater,  den  B  eutelthi  er  en.  Die  Muskel- 
hülle, welche  die  Entleerung  des  DrüseninhaUes  besorgt,  gehört  ent- 
weder der  Drüse  ganz  selbständig  zu,  oder  sie  steht  in  Verbindung 
mit  nali  gelegenen  Muskeln,  wie  mit  dem  M.  hulbo-cavernosus ,  M. 
tschio-cavernosus,  M.  nrethralts,  in  welch'  letztren  die  Drüse  unmittel- 
bar eing(!bettet  sein  kann.  Im  Innren  der  Drüse ,  zwischen  den 
Träubciien,  trifft  man  übrigens  auch  bei  mehren  Säugcthieren  Balken 
von  glatten  Muskeln.  Der  Ausfiiliniugsgang  wird  öfter  noch  von 
Drüsenbläschen  begleitet.     Hier    mag    endlich   des   Uterus  masculinus 


Cowper'sche   Drüsen. 


501 


Fig.    244. 


-Z. 


Cowper'sche    Drüse    von    M  n  s    nm  s  c  u  1  u  s. 

a  die  aus  quergestreiften  Muskeln  bestehende  Hülle,  b  die  bloss  durch  Conturen 
der  Bündel  angedeutete  andere  Hälfte  dieser  Muskelhülle,  c  die  Drüsenblasen 
in  Läppchen  gruppirt,  angefüllt  mit  Zellen  ,  d  kleinere  Drüscnbläschengruppen, 
welche  sich  am  e  Austührungsgang  finden,  f  Arterie,  welche  zur  Drüse  geht, 
g  Remak'sche  Nervenbündel ,  h  ein  Nervenstämmchen  dunkelrandiger  Fasern, 
welche  sich  i  in  der  Muskelhülle  verbreiten,  k  Vene,  welche  aus  der  Drüse 
führt,  1  Stelle  der  Drüse,  welche  nur  Bindegewebe  hat,  gleichsam  die  Sehnen- 
ausbreitung   des  Muskels,    m  Bindegewebe,    welches    den  Ausführungsgang,    die 

Blutgefässe  und  Nerven  umhüllt. 


502  Von  den  Geschltchtsorganen  der  Wii'Vjelthiere. 

uteiuB  p-educlit  werden  nach  Untersuchungen,  die  am  Eber,  Pferd  efoh- 
'""""■  leu,  Kaninchen,  Biber  und  Delphin  angestellt  wurden.  Mit 
Ausnahme  des  Delphins  formen  bei  den  übrigen  genannten  Säuge- 
thieren  glatte  Muskeln  einen  Hauptbestandtheil  des  Organes,  und 
zwar  sind  si&  beim  Kaninchen  mehr  geflechtartig  verbunden,  beim 
Biber,  Eber,  Hengst  verlaufen  sie  einfacher  nach  der  Länge.  Die 
Schleimhaut  des  männlichen  Uterus  besitzt  auch  Drüsen  von  dem- 
selben Bildungstypus,  wie  die  Drüsen  im  Uterus  des  entsprechenden 
weiblichen  Thieres,  so  zeigt  das  Kaninchen  rundliche  8äckchen,  der 
Eber  lang  ausgezogene,  in  Knospen  und  Fortsätze  sich  weiter  buch- 
tende Schläuche. 

§.  459. 
Acces-  Ueber  drüsige  Gebilde,  die  etwa  bei  Vögeln  als  Prostata  ange- 

Gelchiechts-  sprochcu  werden  können,    liegen    noch  keine  histologischen  Mitthei- 
/'*!'!",    luneen    vor:    ich    selber   vermisse    bei    dieser  Klasse    bisher   iegliche 

der  Vogel,  o  '  ^     <^ 

Reptilien,    accessorisclic  Geschlechtsdrüse. 

F  i  s  c  li  e 

Bei  den  geschwänzten  Batrachiern  müssen  die  Becken-  und 
Afterdrüsen,  welche  in  die  Kloake  münden  und  während  der  Begat- 
tungszeit anschwellen,  für  Vorsteherdrüsen  und  Cowper'sche  Drüsen 
gelten.  Am  männlichen  Thier  von  Salamandra  und  Triton  wird  die 
ganze  Kloake  von  einer  starken  Drüsenschicht  umgeben,  welche 
deutlich  nach  der  Beschaffenheit  ihres  Secretes  von  zweierlei  Art  ist. 
Die  eine  Drüse  färbt  (bei  Salamandra  maculata^  den  vorderen  Ab- 
schnitt der  Kloake  weissgelb  und  ragt  selbst  noch  in  die  Beckenhöhle 
vor,  ja  erstreckt  sich  bei  Triton  {punctatus),  einen  grossen,  plattrund- 
lichen Körper  bildend,  weit  in  die  Bauchhöhle  vor;  es  grenzen  sich 
diese  Drüsenportionen  scharf  ab  von  der  den  hinteren  Abschnitt  der 
Kloake  umschreibenden  Drüse,  welche  eine  graue  Färbung  zeigt. 
Die  Drüsenschläuche  sind  in  den  beiden  Partien  so  gross,  dass  sie 
mit  freiem  Auge  wohl  unterschieden  werden  können.  Die  Secretions- 
zellen  der  vorderen  wcissgelbcn  Drüse  haben  einen  körnigen,  in  Al- 
kalien löslichen  Inhalt,  die  hintere  Drüse  hingegen  produzirt  eine 
mehr  helle,  fndenziehende,  klebrige  Substanz,  und  jeder  Drüsen- 
Bchlauch  wird  von  glatten  Ringmuskeln  umstrickt,  um  das  Secret  aus- 
quellen zu  machen  {Salamandra  macidata). 

Bei  Sauriern  {Lacerta  agilis  inid  Anguis  fragüis)  beobachte 
ich  ähnliche  Organe  von  zweierlei  Art.  Unter  der  Mucosa  der  Kloake 
von  Eidechsen  liegen  in  gleicher  Eichtung  mit  der  Basis  der  Fenes 
zwei  weissgelbe,  dicke  Wülste,  die  durch  Drüsenhaufen  von  sackartig- 
traubiger  Form  gebildet  %verden.  Das  Secret  ist  dunkelkörnig.  Zwei- 
tens sitzen  Drüsen  in  der  Wand  der  Samenpapillen ,  deren  Secret 
von  heller  Beschaffenheit  ist,  so  dass  demnach  eine  ähnliche  Schei- 
dung wie  bei  den  Salamandern  statt  hat. 

Von  den  Geschlechtsnebendrüsen  der  Fische,  angeblich  von 
Oohms,    Mullus   harhatus,  Colitis  fossilis  etc.,    lauten  die  bisherigen 


Ruthe.  503 

Angaben  bloss  dahin,  dass  sie  Agglomerate  von  Bläschen  seien,  die 
durch  Kanäle  mit  dem    Vas  deferens  zusammenhängen. 

§.  460. 

Den  männlichen  Säugethieren  kommt  allgemein  eine  von  der  ituthe, 
Harnröhre  durchbohrte  Ruth  e  zu.  Bei  den  Vögeln  haben  nur  die 
meisten  Struthionen,  einige  hühncrartige  Vögel  und  mehre  Schwimm- 
vögel einen  wirklichen  Penis,  endlich  unter  den  Amphibieji  sind 
die  Schildkröten  mit  einem,  Schlangen  und  Eidechsen  mit  doppeltem 
Begattungsorgan  ausgerüstet.  Der  Penis  der  Vögel  und  Amphibien 
erscheint  nie  durchbohrt,  sondern  hat  bloss  eine  kanalartige  Ver- 
tiefung, eine  Rinne,  die  zum  Abflüsse  des  Samens  dient. 

Das  formgebende  Gewebe  der  Ruthe  ist  immer  Bindesubstanz 
mit  elastischen  Fasern ,  welches,  sich  zu  einem  Areolarwerk  umbil- 
dend, in  die  Maschenräume  Blut  aufnimmt  und  so  die  Corpora  caver- 
nosa  darstellt,  die  bei  Säugern  ziemlich  allgemein  durch  bindege- 
webige Scheidewände  in  die  Schwellkörper  des  Penis  und  in  die  der 
Harnröhre  zerfallen.  In  die  Balken  der  Corpora  cavernosa  sind  glatte 
Muskeln  eingeflochten;  nach  Corti  fehlen  in  den  Trabekeln  des  Cor- 
pus cavernosiim  penis  vom  Elephanten  die  Muskeln ,  während  sie  in 
den  Trabekeln  des  Corpus  cavernosum  uretlirae  sich  finden. 

Beim  Penis  der  Vögel  liegt  entweder  bloss  um  die  Rinne  herum 
cavernöses  Gewebe,  oder  es  verbreitet  sich  auch,  wie  beim  afri- 
kanischen Strauss  im  Inneren  der  Ruthe  ein  Corpus  cavernosum. 
{Joh.  Müller:'') 


*)  Den  Penis  eines  jungen  Gänserichs  fand  ich  von  folgender  histologischer 
Zusammensetzung.  Die  eigentliche  Stütze  der  Kuthe  hildeten  zwei  innere,  feste 
Achsenstränge  von  weisser  Farhe,  welche  aus  derheni  Bindegewebe  bestanden.  Sie 
wurden  von  einer  Fortsetzung  der  Schleimhaut  der  Kloake  so  umwickelt,  dass  sich 
eine  gekrümmte  Furche  von  der  Basis  zur  Spitze  der  Euthe  hinzieht.  Zwischen 
dem  Achsenstrang  und  der  die  Kinne  bildenden  Mucosa  liegt  ein  Corjjus  caver- 
nosum, an  dem  ich  ausser  dem  Bindegewebe  und  den  Gefässen  die  glatten  .Muskeln 
unterscheide.  Die  Schleimhaut  der  Khnike,  welche  sich  schon  ausserdem  in  dichte, 
mit  Gefässschlingen  versehene  Papillen  erhebt,  erzeugt  an  der  Basis  des  Penis 
stärkere,  dem  freien  Auge  unterscheidbare,  blattartige,  quergestellte  Papillen  oder 
Leisten,  die  nach  der  Spitze  des  Penis  zu  wieder  an  Grösse  so  abnehmen,  dass  sie 
hier  nur  mit  dem  Mikroskope  nachgewiesen  werden  können.  Das  Bindegewebs- 
stratum  der  die  Papillen  bildenden  Jlucosa  ist  von  fester,  fast  knorpelartiger  Con- 
sistenz  und  zeigt  in  homogener  Grundsubstanz  sehr  dicht  liegende  Kerne.  Der 
zellige  Ueberzug  der  Mucosa  ist  ein  geschichtetes  Plattenepithel ,  das  am  ange- 
wachsenen Ende  der  Ruthe  über  den  starken  queren  Leisten  etwelches  körniges 
Pigment  hat,  so  dass  das  freie  Auge  einen  grösseren  und  einen  kleineren  schwärz- 
lichen Fleck  da  wahrnimmt.  Bis  zur  Spitze  der  Ruthe  beobachtet  man  Nervenfasern. 
Die  Papillen,  mit  welchen  die  Samenleiter  in  der  Kloake  ausmünden, 
besitzen,  wie  ich  wenigstens  an  Fringilla  chloris  bemerke,  Muskeln  imd  zahlreiche 
Gefässe,  aber  nichts  von  einem  Corpus  cavernosum.  Die  Samenleiter  bilden  auch 
hier  die  von  Bert  hold  zuerst  an  Sturnus,  Lanitts  und  Turdus,  von  P.  Wagner  an 
Fringilla  coelebs  beschriebenen  Verknäuelungen  kurz  vor  dem  Eintritt  in  die  Kloake. 


504  Von   den  Geschlechtsorganen  der  Wirhelthiere. 

Bei  Sauriern  und  Opliidiern  umgiebt  angeblich  cavernöses 
Gewebe  die  sclilauchartigen  Penes  scheidenförmig ;  die  Euthe  der 
Schildkröten  und  Krokodille  scheint  nach  ihrer  ganzen  Länge,  nament- 
lich aber  an  der  Eichel  ein  entwickeltes  Schwellgewebe  zu  besitzen. 

Das    bindegewebige  Septum    der  Corpora  cavernosa   ossifizirt  bei 
vielen  Säugethieren  (den  meisten  Affen,  Fledermäusen,  Fleischfressern, 
Nagern    und    Walen)    und     entwickelt    sich     dadurch    zum    Penis- 
knochen,    der    „vorne    häufig  mit  einer  knorpeligen  Epiphyse  ver- 
sehen ist."     Bei    Vespertilio  pipistrellus ,   wo   er  der  Kleinheit  wegen, 
leicht  in   toto  mikroskopisch    zu  untersuchen  ist,    hat   er    vorne   zwei. 
Spitzen,  und  hinten  geht  er  ebenfalls  in  zwei  dicht  beisammen  liegende 
Anschwellungen  aus,    in    letzteren    sieht    man  fetthaltige    Markräume 
ohne  Blutgefässe,  im  übrigen  Theil  sind  nur  Knochenkörperchen  zu- 
gegen.    Bei  Coluber,    so  wenigstens    finde   ich   es  bei  der  Ringel- 
natter, sind  die  Stacheln  der  im  eingestülpten  Zustande  inneren  Haut 
des  Penis  ossifizirte  Papillen,  also  gleichfalls  verkalkte  Bindesub- 
stanz.    Wahrscheinlich   ist    die   Bewaffnung    der    männlichen    Glieder 
andrer  Schlangen  von  derselben  Beschaffenheit:  Otto  bildet  nämlich 
(in  Carus    und  0.  Erläuterungstafeln  z.  vergl.  Anat.  Heft  V.,  Taf.  VI.) 
die    Penes    von    Dryinus   lineolatus    ab ,    welche   mit  fünf  grossen  und 
vielen  kleinen  Stacheln  besetzt  ist.     Da  nun  in  der  Erklärung  bemerkt 
wird,    dass    alle  die  Spitzen  „eine  feste  Hornschcide"  haben,    so   darf 
man  vermuthen  ,    dass    die    eigentliche  Substanz  des  Stachels,  wie  bei 
Coluher,  ein  Hautknochen  ist.     Nach   Otto  trägt  auch  jeder  Penis  der 
Coluler    acontia    Stacheln.    —    Bei    Python    ist    die    Schleimhaut    des 
Penis  glatt. 

Gar  merkwürdig  verhalten  sich  die  Papillen  im  Penis  der  Blind- 
schleiche {Änguis  fragilis).  Es  besteht  hier  jede  Papille  aus  einer 
bindegewebigen  Schale  und  einem  inneren ,  die  Huuptmasse  aus- 
machenden Kern ,  der  sich  für  den  ersten  Anblick  einer  grossen, 
schlauchfJrmigen  Drüse  vergleichen  lässt.  Allein  die  Kernmasse  ist 
solid  und  weist  sich  bei  näherer  Prüfung  als  ein  verhorntes 
Epidermisgebilde  aus.  Die  Papillen  sind  vorne  offen  und  ein 
keulenförmiger  Fortsatz  füllt  das  Innere  der  hohlen  Papille  aus.  Die 
Zellen  liegen  dicht  beisammen  und  stellen  eine  feste  Stütze  für  die 
Papille  her.  Nach  Einwirkung  von  Kalilauge  quellen  die,  w^inzige 
P'ettpünktchen  noch  einschliessenden  Zellen  auf  und  zeigen  jetzt  die- 
selben Eigenschaften,  wie  die  Epidermiszellen.  Ich  kenne  vorläufig 
kein  zweites  Beispiel,  duss,  um  Papillen  steif  zu  machen,  die  Epidermis 
in  diese  hinein  verhornte  Wucherungen  schickt,  da  ja  gewöhnlich 
sonst  dieses  Zweckes  wegen  die  Epidermis  eine  äussere  verhornte 
Scheide  um  die  Papille  erzeugt. 

Der  epitheliale  Uebei-zug  der  Eichel  ist  bei  Säugern  entweder 
weich,   oder  die  Zellen   sind  sehr  verhornt  und  geschichtet.     Dadurch 


Riitlie. 


505 


Zwei    Papillen    aus    dem    Penis    der    Blindschleiche. 
(Nach  Zusatz  von  Kalilauge.) 

a  die  bindegewebige  Hülle,    b  der    die  Papille    innen    ausfüllende  Zapfen    der 

Epidermis  c.     (Starke  Vergr.) 

entstehen  die  harten  Warzen  bei  der  Spitzmaus,  dem  Igel  (bei  letzte- 
rem enthalten  die  Zellen  schwärzliches  Pigment),  selbst  die  rückwärts 
gerichteten  Stacheln  bei  der  Katze,  dem  Maulwurf,  Favadoxurus  tyjms, 
die  Haare  beim  Hamster,  die  gezähnelten  Platten  etc.  entwickeln  sich 
auf  diese  Weise.  —  Auch  den  Penis  (und  Clitoris)  von  Crocodilus 
lucius  sah  Otto  überall  mit  feinen  Hornspitzen  besetzt.  —  Das  Epithel 
des,  einen  ausstülpbaren  Hohlcylinder  bildenden  Penis  von  Lacerta 
agilis  finde  ich  von  sehr  seltsamer  Form.  Die  Innenhaut  des  Penis 
nämlich  ,  deren  bindegewebige  Grundlage  zierlich  gefaltet  erscheint, 
ist  mit  Zellen  überdeckt,  von  denen  jede  an  der  freien  Seite  in  eine, 
von  der  Zelle  abgesetzte  knopfförmige  Verdickung  übergeht,  die  selbst 
wieder  eine  Anzahl  kleiner  Höckerchen  hat.  Die  Knöpfe  sind  schärfer 
conturirt  als  die  Zellen  und  halten  sich  in  Kalilauge.  (Nach  aussen 
von  der  Innenhaut  kommt  eine  quergestreifte  Muskelhülle,  das  caver- 
nöse  Gewebe  zwischen  beiden  habe  ich  mir  noch  nicht  zur  Ansicht 
bringen  können.) 

Fig.  246. 


Ein    Stück  Epithel    aus    dem  Penis  der  Eidechse.     (Starke  Vergr. 


506  Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbelthiere. 

§■  461. 
Vorhaut-  Die    V  orlia  utdrü  s  en    der    Säuger    zeigen    zwei    verschiedene 

_rusen.  -jiypgjj .  entwedcr  gehören  sie  zu  den  gewöhnhehen  traubenförmigen 
Talgdi'üsen  und  erreichen  bei  Ratten  und  Mäusen  eine  bedeutende 
Grösse.  Sie  sondern  ein  fettartiges  Sekret  ab.  Im  anderen  Falle, 
so  z.  B.  beim  Biber  und  Wiesel,  sind  die  Vorhautdrüsen  einfache, 
sackartige  Ausstülpungen  des  Praeputium  selber,  die  Innenhaut  bildet 
Fältchen  und  Zöttchen  und  ist  mit  mehren  Zellenlagen  überdeckt,  von 
denen  die  äusserste  sich  immer  als  Sekret  abstösst  und  das  Smegma 
liefert.  —  Aehnlich  verhält  es  sich  mit  den  s.  g.  Anal  sacken  von 
Coluher.  Die  äussere  Haut  des  Sackes  ist  (bei  der  liingelnatter)  fibrös, 
nach  innen  folgt  ein  grosszelliges  Plattenepithel,  welches  in  sich  Fett- 
tropfen produzirt.  Die  äussersten  Zellen  lösen  sich  fortwährend  in 
conthmo  ab  und  bilden  mit  den  Fetttropfen  eine  gelbe,  hautartige 
Lage,  die  leicht  abfällt,  wenn  man  den  Analsack  einschneidet.  Diese 
Haut  zerfällt  in  einen  gelblichen  Brei  von  penetrantem  Geruch, 
welcher  das  Innere  des  Sackes  ausfüllt. 
Afterruthen.  J)[q  ^f  1 6  r  r u  t li  6 H  b  ä u  d c  T  bestehcn  bei  den  Säugethieren  immer 

aus  glatten  Muskeln  und  auch  bei  Delpkiniis  Phocaena ,  wo  sie  eine 
intensiv  rothe  Farbe  hatten ,  boten  sie  die  bezeichnete  Zusammen- 
setzung dar.  —  Bei  einigen  Arten  der  straussartigen  Vögel  wird  ein 
rundliches  Band,  welches  den  Penis  zurückzieht,  aus  elastischem  Ge- 
webe gebildet  (Joh.  Müller). 
Haftorgane  Sclu'    walirschcinlicli    spielen    auch    die    s.    g.    Haftorgane   der 

seiachicr.  mäunlichen  Selachier  die  Rolle  einer  Ruthe.  Sie  haben  eine  aus 
mehren  Stücken  bestehende  knöcherne  oder  knorpelige  Grundlage, 
sind  von  einer  Fortsetzung  der  äusseren  Haut  überzogen  und  erinnern 
durch  ihre  gewundene,  rinnenförmige  Gestalt  an  die  äusseren  Be- 
gattungsorgane der  Krebse.  In  die  Rinne  mündet  eine  Drüse, 
welche  von  quergestreifter  Muskellage  umhüllt  ist  und  (beim  Zitter- 
rochen) etwa  fünfzig  in  eine  Längslinie  gereihte  Ausführungsötfnungen 
besitzt.  Die  Drüse  wird  aus  einfachen ,  geraden ,  schon  mit  freiem 
Auge  wohl  sichtbaren  Schläuchen  zusammengesetzt,  die  alle  so  gestellt 
sind,  dass  ihr  offenes  Fnde  sich  den  Ausführungsöffnungen  zukehrt 
ujid  das  blinde  Ende  gegen  die  Peripherie  der  Drüse  sich  wendet. 
Das  Sekret,  von  nn'lchweisser  Farbe,  besteht  aus  glänzenden  Kügel- 
chen  von  einerlei  Grösse.  Die  Drüse  dih'fte  eine  Art  Prostata  vor- 
stellen. Auch  Rohin  macht  diesen  Vergleich,  aus  dessen  Beobachtungen 
ich  heraushebe,  dass  die  Venen  in  den  betreffenden  Haftorganeu  ein 
„erektiles  Gewebe"  bilden. 

§■  462. 
\vrn,ii.i,..r  \)\q    Eierstöcke    sämmthcher    Wirbelthiere    bestehen    aus    dem 

UeschlccIiHi- 

apparai.     gcfäss-    uud    nervcnführendcn    Bindegewebsgerüst    (Stroma    des    Ova- 
Eicr»t,.ck.   1-jums),  welches  blasige,    mit  Epithel   ausgekleidete  Räume   {Fulliculi 


Eierstock. 


507 


Grnafiani),  umschliesst ,  in  denen  die  Eier  sieh  Lüden.  Bei  den 
Säugethieren,  wo  die  Eier  unverhältnissmässig  klein  sind  und  das 
bindegewebige  Stroma  in  reichlieher  Menge  vorhanden,  erscheinen  die 
Ovarien  meist  als  gleichmässig  rundliche  oder  ovale  Körper,  die  Eier 
liegen  in  den  glatten  Höhlen  der  Graafschen  Bälge  vergraben,  ohne 
dass  die  Follikel  gerade  über  die  freie  Fläche  hervortreten.  Nimmt 
die  Stärke  des  bindegewebigen  Lagers  hingegen  ab,  so  springen  die 
Eifollikel  schon  mehr  hervor,  machen  die  Oberfläche  des  Ovariums 
hügelig  und  letzteres  gewinnt  ein  annähernd  traubiges  Aussehen. 
Unter  den  Haussäugethieren  ist  das  Stroma  am  schwächsten  beim 
Schwein,  noch  mehr  traubig  erscheint  der  Eierstock  z.  B.  beim 
Igel,  am  meisten  beim  S  clinab  elthier  und  bei  Phascolomys 
{Owen).  —  Treviranus  hatte  früher  darauf  aufmerksam  gemacht, 
dass  die  Eierstöcke  des  Maulwurfes  durch  eine  Einschnürung  in 
zwei  Hälften  getheilt  seien,  in  eine  grössere,  gefässreichere  und  eine 
kleinere  blassere.  Eine  derartige  Scheidung  des  Ovariums  dürfte 
individuellen  Abweichungen  unterworfen  sein,  denn  ich  fand  sie  früher 
an  einigen  hierauf  untersuchten  Exemplaren  nicht,  sondern  der  rund- 
liche  Eierstock    war    äusserlich  und  innerhch   von  gleichmässiger  Be- 

Fig.   2-17. 


Aus    dem  Eierstock    des  Maulwurfes. 

A   Stroma,    B  Eifollikel  in  verschiedenem  Grade  der  Entwicklung,  an  den  grössten 

sieht  man  auch  die  Blutgefässe  der  Wand. 

a  Theca  folliculi,    b  Membrana  granulosa,    c  Zoua  pellucida. 

schafFenheit  und  gelblicher  Farbe.  Bei  der  mikroskopischen  Unter- 
suchung bestand  er  fast  ausschliesslich  aus  dicht  gehäuften  Fettkörn- 
chen und  nur  mit  Mühe  Hessen  sich  foHikelähnliche  Blasen  da  und 
dort  wegsehen.   Es  schien  der  Eierstock  (Monat  Juni)  eine  vollständig 


508  Von  den  (_ie!^chlechtsol•ganeIl  der  Wirbelthiere. 

rückwärts  gehende  Metamorphose  eingeleitet  zu  haben.  Jüngst  nun 
hatte  ich  Gelegenheit,  abermals  einen  Maulwurf  hierauf  zu  zergliedern, 
wo  der  Befund  ein  anderer  ist.  Der  Eierstock  zerfällt  deutlich  in 
einen  oranggelben  grösseren  Abschnitt  und  in  einen  grauen,  kleineren. 
In  letzterem  sind  die  schönsten  Follikel  mit  den  Eichen  nach  ihren 
verschiedenen  Entwicklungsstadien  zu  erkennen ;  im  oranggelben  Theil 
fehlen  durchaus  wirkliche  Eier,  man  sieht  nur  die  ersten  Keime  der  Fol- 
likel, die  ganz  überdeckt  und  eingehüllt  sind  von  Fettkörnchen.  Eine 
Erklärung  des  Faktums  weiss  ich  nicht  zu  geben,  doch  liesse  sich 
denken,  dass  die  Eier  in  bestimmter  Reihenfolge  reiften  und  aus- 
treten ,  worauf  dann  der  Theil  des  Ovariums  der  Fettmetamorphose 
oder  der  Bildung  der  gelben  Körper  verfällt. 

Da  bei  den  übrigen  Wirbellhierklassen,  den  Vögeln,  Amphibien 
und  Fischen  die  reifen  Eier  an  Grösse  gar  sehr  die  der  Säuger 
übertreffen ,  so  hat  er ,  abgesehen  von  seinen  sonstigen  Umrissen, 
immer  einen  traubenförmigen  Habitus ,  und  die  Follikel  haben  sich 
derartig  vom  gemeinsamen  Bindegewebsstroma  des  Eierstockes  abge- 
hoben ,  dass  sie  nur  durch  einen  Stiel  mit  ihm  zusammenhängen. 
Am  Eierstock  der  Knochenfische  kommt  auch  in  Betracht,  dass  seine 
Hülle  eine  sehr  entwickelte  glatte  Muskulatur  besitzt ;  ich  fand  es  so 
bei  Esox  lucius,  Perca  ßuviatilis,  Salmo  salcelinus,  bei  letzteren  sciiien 
mir  auch  das  Stroma  des  Eierstockes  diese  Elemente  zu  haben.  (Die 
Existenz  jener  Oeffnungen,  welche  früher  Bathhe  vom  Eierstock  der 
Batrachier  beschrieb,  möchte  ich  sehr  bezweifeln;  die  reifen  Eier  schei- 
nen durch  Platzen  ihres  bindegewebigen  Ueberzuges  frei  zu  werden.) 

Die  eigenthche  Wand  des  Eifollikels  wird  demnach  immer 
von  einer  zu  innerst  mehr  oder  weniger  homogenen  Grenzschicht  des 
die  Conturen  der  Follikel  umschreibenden  bindegewebigen  Stroma's 
vorgestellt.  Eine  für  Wirbelthiere  isolirt  dastehende  Erscheinung  ist, 
dass  bei  Trygon  pastinaca  die  gefässhaltige  Follikelwand  in  den  Dotter 
hinein  zaldrciche,  tiefe  Falten  schickt.  Die  hochgelben  Eier  erhalten 
dadurch  auf  ihrer  Oberfläche  ein  eigeiitliümliches,  hirnartig  gewundenes 

Aussehen. 

Fig.   248. 


El.i(!  rstück  s  eier  von  Trygon   pastinaca  in  niUürlicher  Grösse, 
a   von   der   Ohcrdäclic   angcsclicn ,    b   im   Durclisclinitr. 

Bei    allen    Wirbeltln'cren    finden  sich    Zellen,    welche    die    Innen- 
fläche   des    Follikels    überziehen    und    die    s.   g.  Membrana  granulosa 


Eier.  509 

zusammensetzen ,  und  sich  wolil  un  der  Abscheidung  von  Eiweiss- 
schichten  und  deren  Fortbildung-  zu  Schalenhäuten  wesentlich  be- 
theiligen.  Im  Eifollikel  der  Säuger  füllt  mitunter  eine  bedeutende 
Menge  einer  eiweissartigen  Flüssigkeit  den  frei  bleibenden  Raum  des 
Follikels  aus.  Am  Eierstock  eines  in  doppeltchromsaurem  Kali  auf 
bewahrten  Maulwurfes  sehe  ich,  dass  die  Zellen  der  Membrana  (jranu- 
losa,  ähnlich  wie  bei  verschiedenen  Epithelformationen,  nicht  bloss 
rundlich  und  cylindrisch  sind,  sondern  auch  in  mehre  kurze  Fort- 
sätze ausgehen  (vergl.  oben  Fg.  7),  sowie  ich  ferner  an  den  reifen 
Eierstockseiern  desselben  Thieres  glaube  beobachtet  zu  haben,  dass 
die  spindelförmigen  Zellen  des  Discus,  welche  Bischoff  in  seinen 
bekannten  Monographien  abbildet  und  welche  dem  Ei  ein  strahliges  Aus- 
sehen geben,  durch  Sprossenbildung  aus  den  ursprünglich  runden 
Zellen  hervorgehen,  denn  ich  habe  im  isolirten  Zustande  Objekte  vor 
mir  gehabt,  wo  gegen  12  keulenförmige  Ausläufer  mit  dem  Kern  im 
verbreiterten  Ende,  einer  centralen  Kugel  aufsassen. 

Fig.   249. 


Ans    dem    Discus    proligerus    des    Kies    vom    Maulwurf. 
Man   sieht  die    Vermehrung  der  Zellen   durch   Sprossenbildung.     (Starke  Vergr.) 

§.  463. 

Nimmt  man  auf  die  Zusammensetzung  des  reifen  Eierstockseies 
der  Wii'belthiere  Rücksicht,  so  unterscheidet  man  durchweg,  von  aussen 
nach  innen  gehend,  die  Eihülle,  den  Dotter,  das  Keimbläschen 
und  den  Keim  fleck. 

Am  Dotter  lässt  sich  immer  eine  Vereinigung  von  eiweissartigen  nottnr. 
und  fettartigen  Substanzen  nachweisen.  Bei  Säugethleren  erscheint 
selbst  am  reifen  Ei  das  Fett  nur  unter  der  Form  kleiner  Kügel- 
clien,  bei  den  übrigen  Wirbeltliieren  treten  grössere  Fettkugeln  auf, 
besonders  umfangreiche  bei  manchen  Knochenfischen ;  oder  auch 
wohl  bei  Batrachiern ,  Plagiostomen  (nicht  bei  Trygon  pastinaca) 
tafelförmige,  geschichtete  Gebilde,  die  man  frühei-  ihres 
Aussehens  wegen  für  Fett  hielt,  nach  Virchoio  aber  wesentlich  aus 
einer  eiweissartigen  Masse  bestehen.  Sie  erinnern,  wie  Joli.  Müller 
bemerkt,  an  die  Stärkmehlkörner  der  Pflanzen  und  deren  Ablagerungs- 
form. Selbst  das  Eiweiss,  welches  im  Säugcthierei  lediglich  als  gleich- 
förmiges Bindemittel  der  Fettkörnchen  erscheint,  k;uin  sich  zu  be- 
sonderen Eiweisskugeln  diflerenziren,  z.  B.  bei  den  Selachiern.  Dem 
Dotter  mancher  Batrachier  {Streu,  Bana,  Bufo,  Bomhinator ,  Pelo- 
hates  u.  a. ,   nicht  bei  Alytes  und  Breviceps)  und  Fischen  [Bolypterus, 


510  Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbelthiere. 

Acipenser  u.  a.)  ist  auch  noch  dunkelkörniges  Pigment  beigemischt. 
Die  Dotterkügelchen  bei  Hißa  haben  nach  Billroth  eine  schön 
smaragdgrüne  Färbung.  Einen  sehr  merkwürdigen  tubulären  Bau 
des  Dotters  hat  jüngst  Pieichert  vom  Hecht  beschrieben  (Müllers 
Arch.  1856).  „Die  Nahrungsdotterkugel  besteht  aus  einer,  im  frischen 
Zustande  sehr  durchsichtigen ,  homogenen ,  eiweissartigen  Grund- 
substanz von  zälier  Beschaffenheit,  die  von  zahlreichen,  im  Allge- 
meinen parabolisch  geformten  und  mit  einer  vv^ässerigen  Eiweisslösung 
gefüllten  Kanälchen  oder  Röhrchen  durchsetzt  wird.  Die  Schenkel 
der  Kanälchen  endigen  mit  offener  Mündung  frei  an  der  Oberfläche 
der  Kugel,  vorn  oder  hinten,  rechts  oder  links,  an  der  Rücken-  oder 
Bauchfläche  derselben.  Die  Oeffnungen  erscheinen  daselbst  in  Form 
von  kreisförmig  begrenzten  lichten  Flecken,  die  sich  auf  den  ersten 
Anblick  wie  pelluzide  Bläschen  ausnehmen.  Die  zusammengehörigen 
Schenkel  eines  parabolischen  Kanälchens  verlaufen  nicht  in  einer, 
sondern  in  zwei,  am  Scheitel  unter  einem  spitzen  Winkel  zusammen- 
treffenden Ebenen.  Sämmtliche  Scheitel  der  Röhrchen  liegen  ungefähr 
im  Centrum  der  Kugel,  welches  seine  grösste  Ausdehnung  in  der 
Längsaxe,  die  kleinste  in  der  Horizontalaxe  besitzt;  oftmals  greifen 
hier  die  Scheitel  gegenüber  liegender  Kanälchen  theilweise  ineinander. 
Jedes  Kanälchen  beginnt  an  der  Oberfläche  der  Kugel  gemeinhin  mit 
den  kurzen  verdünnten  Endstücken  ,  nimmt  dann  plötzlich  an  Weite 
zu,  um  nach  dem  Scheitel  hin  sich  allniählig  wieder  zu  verdünnen. 
Am  hinteren  Pol  des  Eies  findet  sich  stets  ein  kleiner  Abschnitt  der 
Dotterkugel  vor,  in  welchem  die  Röhrchen  durch  ihre  Feinheit  aus- 
gezeichnet sind."  Beichert  bringt  auch  die  Rotationen  des  be- 
fruchteten Hechteies,  welche  man  bisher  von  der  freilich  von  Niemand 
gesehenen  Anwesenheit  von  Flimmercilien  ableitete,  mit  dieser  tubu- 
lären Struktur  des  Dotters  in  Beziehung  und  zeigt,  dass  es  eigentlich 
Oscillationen  seien,  w^elche  durch  Verrückung  des  Schwerpunktes  der 
leicht   beweglichen    Dotterkugel    entstehen.     (Von  anderer  Natur  und 

Beschaffenheit   sind   natürlich    die    seit   Lansem   bekannten  Rotationen 

o 

der  mit  Cilien  versehenen  Embryonen.) 

Im  unreifen  Ei  des  Frosches  existirt  ein  von  der  Dottersubstanz 
und  dem  Keimbläschen  unterschiedener  körniger  Körper,  von  dem 
im  vollendeten  Ei  keine  Spur  mehr  aufzufinden  ist. 

Keim-  ])ag    Keimbläschen    lico-t    im    fertigen    Ei    aller    Wirbelthiere 

excentrisch  und  der  bei  Säugern  und  A  ögeln  gewöhnlich  einfache, 
bei  Amphibien  und  Fischen  mehrfache,  ja  mitunter,  z.B.  bei Batrachicrn, 
in  grosser  Zahl  vorhandene  Keimfleck  sitzt  immer  der  Innenfläche 
des  Keimbläschens  an ,  und  ich  habe  bei  der  Ratte  wahrgcnonnnen, 
dass,  nachdem  das  Keimbläschen  geplatzt  und  zusammengefaltet  war, 
der  Keimfleck  durch  einen  Stiel  der  Wand  des  Keimbläschens  an- 
hing.     Der   Keimfleck    bietet   entweder,    besonders   bei    Fischen   und 


blKsclieu 


Eier.  511 

nackten  Amphibien ,  ein  wasserklares ,  mitunter  feinkörniges  Aus- 
sehen dar,  oder  er  bricht  das  Licht  wie  ein  Fetttropfen  (bei  manchen 
Säugern  z.  B.). 

§.  464. 

Die    Hülle    der   Eier   zeigt    in   ihrer   Beschaffenheit    eine  grosse    r..i.nii« 
Mannichfciltigkeit   und    wird   wegen   ihrer   Bedeutung    für    die   Wege, 
auf  denen  die  Samenkörperchen  bei  der  Befruchtung  in's  Ei  gelangen, 
gerade  im  gegenwärtigen  Augenblick  von  verschiedenen  Beobachtern 
mit  Aufmerksamkeit  der  Untersuchung  unterworfen. 

Die  Bildung  des  primitiven  Eierstockseies  der  Wirbelthiere  scheint 
allgemein  (falls  die  Mittheilungen  H.  Meckel's  über  die  Bildung  des 
Hühnereies  sich  nicht  bestätigen  sollten)  so  zu  erfolgen ,  dass  eine 
Eierstockszelle  durch  Wachsen  und  Umwandlung  ihres  Inhaltes 
in  Dotter  sich  zum  Ei  fortentwickelt.  Die  ursprüngliche  Zellen- 
membran wird  dann  zur  Dotterhaut,  die  bei  Vögeln,  Amphibien  und 
Fischen  eine  homogene,  dünne  oder  dickere,  den  Dotter  unmittelbar 
umschliessende  Membran  vorstellen  kann.  Es  bleibt  indessen  bei  den 
wenigsten  Wirbelthieren  bei  dieser  einfachen  Eihülle,  sondern  schon 
im  Eierstocksfollikel  legen  sich  noch  andere,  öfters  sehr  complizirte 
Hüllen  oder  Schalen  herum^  über  deren  Genese  man  zwar  noch 
keine  sicheren  Aufschlüsse  gewonnen  hat,  die  aber  durch  Abscheidung 
ursprünglich  weicher  eiweissartiger  Lagen,  wahrscheinlich  von  Seiten 
der  den  Eifollikel  auskleidenden  Zellen  der  Membrana  gramdosa  nach 
Art  der  geschichteten  Cuticularbildungen  gehefert  zu  werden  scheinen. 
An  diesen  Eihüllen,  man  könnte  sie  sekundäre  nennen,  hat  man  in 
jüngster  Zeit  zwei  sehr  bemerkenswerthe  Strukturverhältnisse  kennen 
gelernt,  die  Porenkanäle  nämlich  und  den  Mikropylap parat, 
worüber  Folgendes : 

Am  Ei  der  Säugethiere  ist  durch  Umlagerung  von  Eiweiss- 
schichten  um  die  ursprüngliche  Zellenmembran  und  inniges  Ver- 
schmelzen mit  derselben  eine  dicke,  elastische  und  feste  Hülle  ent- 
standen, die  s.  g.  Zona  pellucida.  Nach  der  Entdeckung  von  Bemak 
wird  sie  von  dichtstehenden,  gradlinigen  Streifen,  welche  sämmtlich 
im  Sinne  von  Radien  der  Kugel  ohne  Unterbrechung  von  der  Ober- 
fläche zur  Innenfläche  verlaufen,  durchsetzt  und  sie  werden  auf  die 
Anwesenheit  von  Porenkanälen  bezogen.  Ich  vermag  diese  Angaben 
nach  Untersuchung  des  Eies  vom  Maulwurf  zu  bestätigen.  Allerdings 
sind  die  Linien  sa  fein ,  dass  sie  aufgesucht  sein  wollen ;  am  besten 
sah  ich  sie  an  Eiern,  die  aus  dem  Follikel  herausgefallen,  eine  durch 
Wasserzusatz  aufgequollene  Zona  pellucida  hatten.  Die  Streifen 
stehen  dann  mehr  auseinander  und  wenn  der  Dotter  zum  Theil  aus- 
geflossen,  vollführen  sie  einige  Schlängelungen.  Uebrigens  machen 
sie  auf  mich  von  der  Fläche  und  im  Profil  denselben  Eindruck,  wie 
andere  sehr  feine  Porenkanäle  in  der  Haut  der  Arthropoden  u.  a.  a.  O. 
Von    einem    einfachen  grösseren   Kanal    oder  Mikropyle  beim  Säuge- 


512 


Vüu  den  Gcschleclitsorganeu  der   Wirbelthiere. 


thierei  konnte  ich  bisher  so  wenig  wie  Leuckart  etwas  zur  Ansicht 
bekommen,  während  Meissner  (Ztschr.  f.  w.  Zool.  1854)  einmal 
beim  Kaninchenei  in  der  Zona  eine  Lücke  oder  Mikropyle  (?)  be- 
obachtete. 

Fig.  250. 


E  i  e  r  s  1 0  c  k  s  e  i    vom    M  a  u  1  w  u  r  f. 
a  die  Dotterhant   mit  den  Porenkanälen,    (b  von  den  Zellen  des  Discos  proligerus), 

(Starke  Vergr.) 

§.  465. 

Bei  den  ßatrachiern  scheint  sich  im  Eifollikel  mir  eine  feste 
homogene  Dotterhaut  auszubilden;  im  Eileiter  legt  sich  eine  dicke 
Gallertschicht  herum,  an  welcher  jüngst  Beichert  (a.  a.  O.)  entdeckt 
hat,  dass  sie  bei  Rana  temporaria  im  von  Wasser  aufgequollenen 
Zustande  von  unmessbar  feinen  Pünktchen  übersäet  ist,  und  der  ge- 
nannte Forscher  vermuthet ,  dass  sie  die  optischen  Ausdrücke  von 
Ausmündungsstellen  von  Röhrchen  darstellen,  obschon  sich  die  Röhr- 
chen selbst  beim  Durchzug  durch  die  Hülle  nicht  nachweisen  lassen. 
Sehr  wahrscheinlicher  Weise  ist  ausserdem  noch  eine  grössere 
Mikropylöffnung,  welche  die  Dotterhaut  durchbohrt,  vorhanden. 
Leuckart  nämlich  hatte  sclion  früher  angegeben,  dass,  obschon  er 
beim  Frosch  vielfach  die  Samenfäden  im  Innern  des  Dotterraumes 
angetroffen ,  au(;h  oftmals  bei  ihrem  wunderbar  schnellen  Einbohren 
durch  die  äusseren  Hüllen  überi'asclit,  er  doch  niemals  gesehen  habe, 
dass  dieselben  durch  die  äusserst  feste  Dotterhaut  hindurchdrangen. 
Sobald  vielmehr  die  Samenfäden  an  letzterer  ankamen,  bogen  sie  sich 
um,  wie  ein  Nagel,  der  nw^  ein  undurchdringliches  Hinderniss  stösst. 
Ganz  in  Uebereinstimmung  damit  meldet  auch  Reichert,  dass  er 
durch  die  Dotterhaut  hindurch  nie  ein  Samenkörpcrchen  dringen  sah; 
sie  hielten  still  an  der  Grenze  der  Dotterhaut.  Für  die  Anwesenheit 
einer  besonderen  Mikropyle  redet  auch  noch,  wie  Lexickart  angiebt, 
dass  die  Zahl  der  wirklich  in's  Innere  des  Dotterraumes  eingedrunge- 
nen Zoospermicn  im  Vergleich  zu  der  Menge,  die  das  Eiweiss  durch- 
setzen, mir  äusserst  gering  ist,  sowie  endlich  die  Beobachtung  von 
Neioport ,  dass  das  Froschei  an  verschiedenen  Stellen  seiner  Ober- 
fläche in  verschiedener  Weise  für  die  Befruchtung  empfänglich  ist. 


Eier.  513 

§.  466. 
Die  Knochenfische  machen  sich  zum  Thcil  durch  sehr  zier- 
liche Bildungen  ihrer  im  E^ifollikel  erzeugten  Eikapseln  bemerklich. 
Bei  den  Arten  von  Salmo  {S.  fario^  8.  salvelinus),  BarJnis ,  Gohitis 
fossüls  sehe  ich  in  der  einfachen  Ei  kapsei  sehr  feine  und  dicht 
stellende  Porenkanäle,  welche  der  Schalenhaut  eine  eigenthfunliche 
Punktirung  verleihen.  Andere  Fische  haben  ausser  der  punktirten 
noch  eine  zweite  Ei  hülle,  so  beim  Barsch,  Kaulbarsch,  Hecht, 
vielen  Gy prinoiden  ;  es  ist  die  Schicht,  w^elche  man  gewöhnhch  die  Ei- 

Fip-.  251. 


o  o  o    o  c 

O     O  o    r> 

Ein    Stück    Eischale    von    Cobitis    fossil is    mit    den    Porenkanälen. 

(Starke   Vergr.) 

weisshülle  nennt.  Von  Perca  fluviatiUs^  wo  sie  am  auffallendsten  ist, 
beschreibt  sie  Joh.  Müller  als  eine  die  punktirte  Haut  an  Dicke  weit 
übertreffende  Lage,  deren  radiäre,  mit  spiraligen  Windungen  laufen- 
den Kanälchen  an  der  Innenfläche  mit  einer  trichtei'förmigen  Erweite- 
rung enden.  Wie  sich  diese  Aveiten  Porenkanäle  der  äusseren  Eihülle 
zu  den  feinen  der  inneren  punktirten  oder  „chagrinirten'^  Haut  ver- 
halten, ob  sie  in  continuirlichem  Zusammenhang  stehen,  ist  noch  un- 
bekannt. Beim  Hecht  ist  diese  zweite  Eihülle  eine  vollkommen 
durchsichtige,  homogene;  glashelle  Schicht,  die  Porenkanälchen  sind 
einfache  Röhrchen  und  durchsetzen  in  senkrechter  Richtung  die  Eiweiss- 
schicht  {Leuckart).  Die  reifen  Eier  mancher  Cyprinoiden  haben 
eine  sammtartige  Oberfläche;  indem  auf  der  Eihaut  cylindrische  kleine 
Stäbchen  dicht  gedrängt  in  radiärer  Stellung  sich  vorfinden.  Auf 
sie  hat  Joh.  Müller  ebenfalls  zuerst  hingewiesen.  Beichert^  sah 
diese  Bildung  am  ausgezeichnetsten  bei  Leuciscus  erxjtlirophthalmus  und 
Chondrostoma  nai<us\  auch  beim  Schlei  trete  eine  solche  Struktur  an 
einzelnen  Stellen  hervor.  Aus  eigener  Beobachtung  kann  ich  den 
Qühius  fluviatüis  nennen,  an  dem  die  Stäbchenlage  sehr  entwickelt 
ist.  Die  Stäbchen  ordnen  sich  hier ,  indem  sie  sich  mit  den  freien 
Spitzen  zusammenneigen ,  in  lauter  einzelne,  einer  gefelderten  Zeich- 
nung entsprechende  Gruppen  ab,  lösen  sich  leicht  von  der  Eischale 
weg,  brechen  das  Licht  stark  und,  in  Kalilauge  erblassend,  zeigen  sie 
das  eine  Ende  schärfer  gerandet.  Reichert  betrachtet  diese  Stäbchen- 
lage für  gleichbedeutend  mit  der  zweiten  Eihülle  oder  Eiweissschicht 
des  Barsches,  Hechtes  etc.,  da  er  sich  an  den  noch  unreifen  Eiern 
der    Plötze   überzeugte,    dass    die   Stäbchen   mit    ihrer   Basis   in    eine 

Leydig,   Histologie.  33 


514 


Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbelthiere. 


liomoc^ene,  glashelle  Schicht  eintauchten  und  nur  mit  den  abgerundeten 
Enden  frei  hervorragten.  Die  Eischale  vieler  Fische  hat  an  der  freien 
Oberfläche  ein  fazettirtes  oder  gefeldertes  Ansehen,  was  auch  an 
der  Eischale  vieler  Wirbellosen ,  Insekten  namentlich ,  wiederkehrt, 
und  es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass,  gleichwie  solche  EihüUen  im 
Ganzen  Abscheidungen  der  Membrana  granulosa  sind, 
die  ftizettirte  Zeichnung  von  dem  Sichabdrücken  der  Memhrana  granu- 
losa in  die  noch  weiche,  gallertige  Eiluille  herrührt.  Beim  Barsch  liegt 
in  der  Mitte  einer  jeden  Fazette  der  offene  Trichter  des  hier  beginnenden 
Porenkanales. 

Die  Fische  sind  ferner  die  einzigen  Wirbelthiere,  an  denen  man 
vorderhand  und  mit  Sicherheit  einen  trichterförmigen,  die  Ei- 
hüUen durchdringenden  Kanal  oder  eine  Mikropyle  kennt. 
Die  erste  Oeffnung  dieser  Art  hat  Doyere  von  Syngnathus  opliidium 
beschrieben  (l'Inst.  1850)  und  obwohl  er  bereits  die  Oeffnung  Mikropyle 
heisst  und  ihre  wahrscheinliche  Beziehung  zum  Befruchtungsakte  hervor- 
hob, wurde  die  Beobachtung  doch  übersehen  und  bei  uns  jüngst  erst 
durch  Leuchart  in  ihr  Recht  eingesetzt.  Unabhängig  davon  hat 
Bruch  an  Forelleneiern  die  Mikropyle  entdeckt,  was  Leuchart  be- 
stätigte, und  noch  von  zwei  anderen  Fischen,  dem  Wels  und  Hecht, 
eine  solche  Oeffnung  erkannte.  Reichert  vermochte  an  allen  Cypri- 
noiden  {Cyprinus,  Leuciscus,  Chondrostoma,  Tinea),  beim  Wels  und 
beim  Kaulbarsch  die  Mikropyle  leicht  wiederzufinden.  Nach  ihm  ist 
der  Kanal  der  Mikropyle  nicht  mit  zwei  trichterförmigen  Oeffnungen 
versehen,  sondern  besitzt  die  Form  eines  einfachen  Trichters,  dessen 
dünnster  Theil,   der  Hals,   gegen    das  Innere   des  Eies   sich  wendet. 

Fig.  252. 


^iKfyvywvnij/üjivyinAnJwiAA^ 


(C 


Mikropyle    von  Leuciscus    ery thr ophthalnius. 

Die   Eiliaut   ist  zu  einer  derartigen  Falte    geschlagen  ,    dass    die  Inncnflilclic 

derselben  nach  aussen  liegt. 

a  Kiiigangsrauni  der  Mikropyle  ,  1)  liodcu  der  trichterförmigen  Höhle,  c  Hals 
der  Mikropyhi,  d  samintartige ,  c  ])uiiktirtc  l'jiLüllc,  g  Kiwcissscliieht  in  der 
Umgehung    der  Mikropyle    an    der  Iiiuenlläche    der   Eiluille.     Nach  Rrichert. 

(Massige  Vcrgr.) 


Eileiter.  515 

Ausser  den  im  Eifollikel  ontstanflonen  Hüllen  des  Eies  giebt  es  noch 
bekanntlich  Hüllen  und  festere  Schalen  bei  Vögeln,  Reptihen,  Selachiern. 
welche  von  den  Eileitern  produzirt  werden.  Dass  auch  die  Eileiter- 
hüllen Systeme  von  Poren  besitzen  können ,  beweist  die  oben  er- 
wähnte Beobachtung  li eichert' s  über  die  gallertartige  Eihülle  vom 
Frosch.  Ueber  die  Kalkschale  der  Vögel,  welche  durch  Erstarrung 
einer  weissen,  milchigen,  kalkreichen  Flüssigkeit  sich  bildet,  hat 
?'.  Witt  ich  berichtet,  dass  sie  von  einer  nicht  geringen  Menge  ziem- 
lich grosser  Hohlräume  durchzogen  sei  mit  Oetfnungen  an  der  Ober- 
fläche. —  Die  Eischale  von  Lacerta  agilis  besteht  aus  Fasernetzen, 
die  in  nichts  von  elastischen  Fasernetzen  verschieden  scheinen.  — 

Eine  ganz  merkwürdige  Schicht  von  Fasern  findet  sich,  -wie,  IIa  ekel  entdeckt 
hat  (Müll.  Arch.  1854)  unterhalb  der  Dotterhaut,  zwischen  ihr  und  dem  Dotter  an 
den  Eiern  der  ßcomberesoces  :  sie  sind  einfach,  solid,  glashell,  das  eine  Ende  all- 
inählig  in  eine  Spitze  ausgehend ,  das  andere  in  einen  Kolben  anschwellend.  Man 
hat  bis  jetzt  keine  Ahnung,   was  sie  bedeuten  oder  was  aus  ihnen  wird. 

§•  467. 

Zum  Bau  des  Eileiters  werden  bei  allen  Wirbelthieren  Binde-  ''■''''""■ 
Substanz  und  Epithelien  verwendet,  häufig  auch  Muskeln.  Die  Tuben 
der  Säug  etil  iere  haben  aussen  eine  aus  Bindegewebe  und  Platten- 
epithel bestehende  Serosa,  darauf  kommen  glatte  Muskellagen,  dann 
zu  innerst  die  bindegewebige  Mucosa  sammt  einem  Flimmerepithel. 
Ob  die  Schleimhaut  immer  zu  Drüsen  sich  einsackt,  lässt  sich  noch 
nicht  sagen ;  beim  Maulwurf  z.  B.  sieht  man  seichte  Drüsenfollikel, 
von  denen  immer  eine  Anzahl  durch  eine  allgemeine  Hülle  gruppen- 
weise vereinigt  wird. 

Aehnlich  ist  die  Zusammensetzung  des  Eileiters  der  Vögel;  zahl- 
reiche einfache  Drüsenfollikel  sind  nach  Mechel  beim  Huhn  vorhanden, 
während  ich  in  der  sehr  gefalteten  Schleimhaut  bei  Ardea  cinerea  die 
Drüsen  vermisse ;  ebenso  muss  ich  für  den  Eileiter  des  Kanarienvogels 
eigentliche  Drüsen  in  Abrede  stellen ,  wohl  aber  sind  während  der 
Legezeit  alle  Zellen  des  Epithels  prall  mit  Eiweisskügelchen  ange- 
füllt. —  Die  Tuben  flimmern  nach    Valentin. 

Bei  den  Amphibien  findet  sich  als  gemeinsamer  Charakter  der 
Eileiter  bloss,  dass  sie  innen  wimpern,  hingegen  ist  die  Anwesenheit 
von  Muskeln  nicht  beständig,  sie  mangeln,  wie  ich  sehe,  z.  B.  beim 
Frosch,  beim  Proteus  und  Axolotl;  auch  die  Drüsen,  welche  beim 
Landsalamander,  Triton,  den  Fröschen  und  Kröten  beobachtet  werden 
und  kurz  vor  dem  Eierlegen  durch  starke  Entwicklung  den  Eileiter 
förmlich  dickwandig  machen,  fehlen  z.  B.  dem  Proteus.  —  Die  Eileiter 
des  Frosches  bekommen,  nachdem  die  Eier  dieselben  passirt  und  mit 
p]iweisshülle  versorgt  sind,  ein  zusammengeschrumpftes,  gelbweisses 
Aussehen,  welche  Farbe  dadurch  bedingt  ist,  dass  die  in  den  Zellen 
der  Eileiterdrüsen  noch  restirenden  Eiweisskügelchen  sich  in  Fett- 
körnchen metamorphosiren. 

33* 


rioT  U-*. 


416  Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbelthiere. 

Unter  den  Fischen  haben  die  Selachier  einen  deutlich  musku- 
lösen Eileiter  (bei  Chimaera  sind  die  Kerne  der  Muskellagen  blass  und 
schmal),  dessen  längsgefaltete  Schleimhaut  bis  zur  üebergangsstelle 
in  den  Uterus  ein  Flimmerepithel  trägt.  Zwischen  Muskel-  und  Schleim- 
haut ist  die  verschieden  stark  entwickelte  Eileiterdrüse  eingeschoben : 
sehr  gross  finden  wir  sie  bei  Scyllium.,  unbedeutend  dagegen  bei  Trygon^ 
wo  sie  unmittelbar  über  dem  Uterus  sitzt.  Das  Flimmerepithel  über- 
zieht auch  noch  den  die  Drüse  deckenden  Theil  der  Schleimhaut ;  die 
Drüse  selber  besteht  aus  gerade  verlaufenden  Röhrchen,  deren  Inhalt 
Fettmolekule  sind :  das  blinde  Ende  der  Röhrchen  erscheint  gegen  die 
Schleimhautfläche  gerichtet  und  das  Sekret  quillt  aus  einem  Längs- 
schlitz hervor,  der  unter  der  vorderen,  brückenförmigen  Verbindung 
der  beiden  Drüsenhälften  beginnt.  ;    - 

Bei  jenen  Teleo stiem,  deren  Eierstock  in  dem  blinden  und 
sackartig  erweiterten  Ende  des  Eileiters  liegt ,  dehnt  sich  auch  das 
Flimmerepithel  der  Innenfläche  über  die  ganze  sackartige  Erweiterung 
aus  (z.  B.  bei  Esox  luctus,  Cohltis  fossilis^  wo  es  übrigens  leicht  vergeht). 

Der  Bauchfelltrichter ,  welcher  bei  den  Ganoiden  als  Eileiter 
fungirt  und  beim  Stör  ohne  Muskeln  und  drüsenlos  ist,  wimpert  gleich- 
falls an  der  Innenfläche  und  die  Flimmerung  setzt  sich  nach  der  Bauch- 
höhle fort,  indem  sie  sich,  wenn  auch  nicht  continuirlich ,  doch  in 
gCAvissen  Zügen  weit  durch  letztere  verbreitet.  Auch  bei  Polypterus 
wimpert  der  Eileiter,  die  Zellen  des  Epithels  sind  klein,  wie  beim 
Stör,  die  Härchen  ziemlich  lang  und  dick ;  denselben  Wimperbesatz 
tragen  auch  die  Epithelzellen  des  Bauchfelles  in  der  Umgebung  der 
Eileitermündung.  Bei  Branchiostovta  und  den  Cyklostomen  ,  wo  der 
Bauchfelltrichter  auf  den  Porus  genitalis  reduzirt  ist,  sowie  unter  den 
Teleostiern  bei  den  Familien  der  Sahnones,  Oalaxiae  und  Muraenoidei, 
deren  Eier  ebenfalls  in  die  Bauchhöhle  fallen,  um  durch  den  hinter 
dem  After  gelegenen  Porus  ausgeführt  zu  werden,  flimmert  wahrschein- 
lich die  Bauchhöhle  bis  in  den  Porus  hinein. 

§.  468. 

Die  unteren  Enden  der  Eileiter  können  zu  einem  erweiterten 
Abschnitt  oder  Uterus  umgebildet  sein,  in  welchem  die  Eier  eine 
kürzere  oder  längere  Zeit  verweilen,  auch  wohl  zum  Embryo  sich  fort- 
entwickeln ,  wodurch  das  Thier  zu  einem  lebendig  gebärenden  wird. 
Der  feinere  Bau  des  Uterus  ist  in  der  Wirbelthierreihe  nicht  überall 
der  gleiche;  zwar  machen  glatte  Muskeln  allgemein  einen  Ilauptthcil 
seiner  bald  dicken,  bald  dünneren  Wandungen  aus,  aber  die  Bihhmg 
der  Schleimhaut  variirt ;  sie  entwickelt  bei  vielen  Säugern  Drüsen; 
diese  sind  lang,  kanalartig  beim  Pferd,  beim  Schwein,  den  Fleisch- 
fressern, am  längsten  bei  den  Wiederkäuern  (im  Uterus  des  Rehes 
mangeln  sie,  wie  B ischoff  versichert,  nur  an  den  Stellen  der 
Carunkcln);    eine  starke   Ausbildung  dieser  Drüsen  meldet  liarkow 


Uterus.  517 

von  den  Phoken  (sie  finden  sich  auch  beim  Delphin)  ,  und  ausser- 
ordentlich entwickelt  sah  sie  Myddelton  bei  Ojjossuni.  Beim  Maul- 
wurf, wo  ich  sie  früher  vermisste,  erkenne  ich  sie  jetzt  von  Schlauch- 
form und  Lieherhühn''sc\\e\\  Drüsen  sehr  ähnlich.  Bei  der  Ratte 
findet  man  anstatt  der  Drüsen  eine  ausgesprochene  Fältchenbildung- 
der  Miicosa,  doch  könnte  man  allerdings  von  einem  höheren  Stand- 
punkt aus  die  Räume  zwischen  den  Fältchen  für  kolossale  Drüsen  er- 
klären, da  man  sich  eben  in  demselben  Falle  befindet,  wie  mit  den 
Darmdrüsen  der  Batrachier  und  Ganoiden;  es  ist  rein  subjektiv,  ob 
man  von  wabenförmig  verbundenen  Falten  der  Schleimhaut  oder  von 
sehr  geräumigen ,  kurzen  Drüsensäcken  sprechen  will.  Reichert 
nennt  sie  vom  Kaninchen  Drüsen.  Nach  demselben  Forscher  ist  der 
Zugang  zu  den  Drüsen  bei  den  Wiederkäuern  trichterförmig  erweitert. 
In  der  Schwangerschaft  werden  die  Oeflnungen  überall  ausserordent- 
lich vergrössert  und  dem  unbewaffneten  Auge  mehr  oder  weniger  deut- 
lich bemerkbar.  —  Bei  manchen  Säugethieren  verbreitet  sich  Pigment 
in  dem  serösen  üeberzug,  bei  Cercopithecus  aethio'ps  erscheint  nicht 
nur  die  Serosa  des  Uterus,  sondern  auch  die  Ligamenta  uteri  und  das 
Ovariwn  schwarz  pigmentirt. 

Was  die  Vögel  betrifft,  so  beschreibt  H.  Meckel  aus  dem 
Uterushorn  des  Huhnes  einfache,  keilförmige  Follikel,  welche  Eiweiss 
absondern,  während  sich  in  der  Portio  vaginalis  uteri  andere  Drüsen 
finden,  welche  verzweigt  sind  und  deren  Epithel  Kalkstaub  enthält, 
der  sich  mit  der  Eischale  verbindet.  (Uebrigens  lässt  Meckel  die 
Eischale  aus  einer  sich  lösenden  Schleimhautschicht  des  Uterus  ent- 
stehen, in  der  er  Fasergewebe,  die  Mündungen  der  Uterindrüsen,  sogar 
Spuren  grösserer  Blutgefässe  erkannte.) 

Im  Uterus  der  Ringelnatter  sind  die  Drüsen  kurze  Säcke. 
Der  Uterus  des  Landsalamanders,  ferner  der  taschenartig  erweiterte 
Endabschnitt  des  Eileiters  (Uterus)  von  Pelohates  ist  nach  meinen  Er- 
fahrungen drüsenlos ,  ebenso  der  von  Selachiern.  Die  Schleimhaut 
erscheint  hier  entweder  glatt  und  hat  bloss  Längsfalten  mit  Zickzack- 
biegungen {Scyllium  z.  B.) ,  oder  sie  trägt  sehr  entwickelte  Zotten 
(Acantkias  vulgaris^  S^nnax  niger,  Scymyius  Uchia,  Trygon  pastmaca). 
Sie  stehen  mitunter  (Acanthias  vulgaris,  Scymmis  Uchia)  in  sehr  regel- 
mässigen Längsreihen,  hören  gegen  das  Ende  des  Uterus  auf  und 
gehen  in  blätterartige  Längsfalten  über;  bei  Trygon  pastinaca  stehen 
sie  so  dicht  nebeneinander,  dass  von  der  übrigen  Schleimhautoberfläche 
nichts  mehr  durchblickt.  Die  Zotten  haben  einen  ausnehmenden 
Gefässreichthum :  man  unterscheidet  in  ihnen  meist  zwei  stärkere  Ge- 
fässe,  die  an  dem  Ende  der  Zotte  schlingenförmig  ineinander  über- 
gehen und  zwischen  denselben  ein  engmaschiges  Gefässnetz.  Diese  Ge- 
fässe  zeichnen  sich  im  trächtigen  Uterus  durch  eine  verhältnissmässig 
sehr  dicke  Kingmuskelschicht  aus.    Auch  die  Schleimhaut  des  trächtigen 


518 


Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbelthiere. 


Uterus  von  Salamandra  ist  mit  dichten  Querfalten  verseilen,  in  welche 
zahlreiche  Blutgefässe  aufsteigen. 

Fig.  253. 


Uterus  von  Trygon,    aufgeschnitten,  um  die  Zotten  a  zu  zeigen. 


Ob 


f/Äii3 


'v3 


^^ 


f 


Ein  Stück   ü  t  er  u  sschl  ei  mhaut  von  Spinax  (etwas  über  natürl.  Grösse). 

a  die  sehr  entwickelten  Zotten. 


Das  Epithel  der  Uterusschleimhaut  zeigt  sich  bei  Säugern  als 
ein  flimmerndes  (?)  Cylinderepithel,  das  beim  Schwein  bis  in's  blinde 
Ende  der  Drüsen  hinein  wimpert.  Doch  wurden  bisher  noch  wenige 
Säugethiere  auf  die  Epithelformen  des  Uterus  näher  untersucht  und 
mehre  Autoren  {Kill an  z.  B.)  sprechen  von  dichten  Lagen  eines 
Pflastercpithels.  Der  Fruchthälter  des  Kaninchens  hat  nach  Reichert 
dem  Pflastercpithel  sich  annähernde  Zellen,  die  in  der  Fortio  tuhavia 
dem  cylindrischen  Flimmerepithel  Platz  machen  und  in  der  Portio 
vaginalis  sich  den  Zellenschüppchen  der  Scheide  anschliesscn.  — 
Beim  Salamander  besteht  das  Uterusepithel  aus  rundlichen  flimmerloscn 
Zellen,  ebenso  bei  der  Ringelnatter  und  der  viviparen  üoronella  laevis, 
wo  sich  unmittelbar  vor  der  Kloake  tlurch  Vereinigung  der  Ovidukte 
ein  unpaarer  drüsenloser  Uterus  ausbildet,  und  auch  im  Uterus  der 
Selachier  haben  die  bald  platten ,  bald  cylindrischen  Zellen  nirgends 
Cilicn.  Der  sog.  Uterus  oder  der  erweiterte  drüsenlose  Endabschnitt 
des  Eileiters  der  schwanzlosen  Batrachier  wimpert. 


Scheide,  Kloake.  519 


Das  Gekröse  des  Elleiters  und  Fruclithälters  erscheint  lüuifig-  "«»" 
mit  Muskeln  ausgestattet ^  indem  man  sowohl  bei  Säugethicren  (nn'r 
bekannt  von  Wiederkäuern,  dem  Maulwurf),  als  auch  Vögeln  (Reiher 
z.  B. ,  wo  ich  die  Muskelkernc  schmal  und  blass  finde),  und  Amphi- 
bien (Landsalamander,  Blindschleiche)  dichte  Züge  und  Netze  glatter 
Muskeln  im  Mesometrium  gewahrt.  Auch  im  Gekröse  des  Eierstockes 
von  Salmo  fario  ist  eine  reiche  glatte  Muskulatur  unverkennbar,  deren 
Kerne  lang  und  schmal  sind. 

Die  Schleimhaut  der  Scheide  ist  bei  Säugethicren  (ob  immer?)  sci.eide. 
ohne  Drüsen.  Manche  Autoren  nennen  die  Scheide  der  Wiederkäuer 
drüsenreich,  ich  finde  im  Gegentheil,  dass  die  Mucosa  iKiginae  der 
Kuh  ohne  alle  Drüsen  ist.  Auch  beim  Maulwurf,  wo  sich  die  Schleim- 
haut in  dicht  stehende  Papillen  erhebt,  vermisse  ich  die  Drüsen.  — 
Die  Clitoris  verhält  sich  histologisch  gleich  der  Ruthe,  besitzt  auch 
bei  Säugern  nicht  selten  einen  dem  Penisknochen  analogen  „Knorpel" 
oder  Knochen,  in  welcher  Beziehung  ich  den  bekannten  Säugethicren 
auch  den  Maulwurf  anreihen  kann,  in  dessen  nervenreicher  CHtoris 
man  leicht  durch  Aufhellung  mit  Kalilauge  ein  längliches  Knochen- 
stück erkennt;  beim  Schwein  fand  Ny lancier  in  ihr  Pacini'sche 
Körperchen. 

Die  Kloake  oder  die  gemeinschaftliche  Höhle,  welche  die  Mün-  Kioake. 
düngen  des  Darmes,  der  Harn-,  Samen-  und  Eileiter  aufnimmt,  wimpert 
beim  Wassersalamander  [Triton),  sowie  bei  den  Larven  Aex  Salmnandra 
maculata.  Bei  letzterem  Batrachier  verliert  sich  die  Flimmerung  im 
ausgebildeten  Thier,  und  auch  in  der  Kloake  des  Frosches  fehlt  sie. 
—  Beim  Salamander  zeigt  sich  die  Schleimhaut  der  Kloake  sehr 
nervenreich.  In  die  Rückenseite  der  Kloake  münden  bei  der  weib- 
lichen Eidechse  dieselben  dem  blossen  Auge  weissgrauen  Drüsen, 
welche  oben  vom  Männchen  als  accessorische  Geschlechtsdrüsen  ge- 
deutet wurden. 

Bei  Chimaera  monstrosa  hängt  mit  dem  weiblichen  Genitalsystcm 
noch  ein  eigenthümliches  von  mir  beschriebenes  Organ  (Müll.  Arch. 
1851)  zusammen,  das  beim  Oeffnen  eines  weiblichen  Thieres  sofort 
in  die  Augen  fällt,  da  es  gleich  dem  Eileiter  und  Uterus  eine  weisse 
Farbe  hat  und  schon  dadurch  ankündigt,  dass  es  nicht  dem  Ver- 
dauungssystem, welches  durchweg  schwärzlich  erscheint,  zuzurechnen 
ist.  Das  Organ  liegt  zwischen  dem  Mastdarm  und  dem  Uterus  und 
stellt  einen  1  Zoll  langen,  dickwandigen  Blindsack  dar,  der  in  das 
vorderste  Ende  der  Kloake  ausmündet  und  dessen  äussere  Wand  aus 
Bindegewebe,  elastischen  Fasern  und  glatten  Muskeln  besteht.  Nach 
innen  folgt  eine  nicht  besonders  dicke  Drüsenschicht  und  der  Hohl- 
raum des  Sackes  war  von  einem  gallertigen  Pfropf  ausgefüllt,  llyrtl 
hat  neuerdings  (Sitzungsber.  der  k.  Akad.  in  Wien,  1853)  den  Sack 
für  ein  Rece]jtaculum  seminis  erklärt,  was  so  lange  Vermuthung  blei- 
ben wird,  bis  man  Zoospermien  darin  sieht. 


520  Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbelthiere.  • 

§.  253. 
Miiciuiriue...  Die  Mi  1  c  lidrüs  en  der  Säuger  sind,  wie  ältere  Ang'aben  lehren, 

nach  zwei  Typen  gebaut;  bei  den  Affen,  Fledermäusen,  Nagern  (bei 
der  Ratte  sehe  ich  sie  auch  beim  Männchen  sehr  entwickelt  und 
von  gelblicher  Farbe),  Beutelthieren ,  Hufthieren  stellen  sie  traubige 
Drüsen  dar,  deren  Ausführungsgänge  sich  entweder  in  eine  gemein- 
schaftliche, sinusartige  Höhle  vereinigen  mit  einfacher  Mündung  an 
der  Zitze,  oder  es  finden  sich  mehre  Gänge,  die  für  sich  die  Warze 
durchbohren.  Den  anderen  Typus  repräsentiren  die  Cetaceen,  Mono- 
tremen ;  hier  ist  jede  Milchdrüse  ein  Agglomerat  sehr  ansehnlicher, 
langer,  weiter,  innen  zelliger  Blindschläuche,  welche  gegen  eine  (bei 
den  Monotremen  glatte)  Warzenstellc  zusammenstrahlen.  —  Von  der 
Haut  des  Beutels  der  Marsupialien  wird  gewöhnlich  kurz  gemeldet, 
dass  „zahlreiche  Follikel"  mit  ihrem  Sekret  die  Innenfläche  des  Sackes 
schlüpfrig  erhalten.  Hierzu  sei  bemerkt,  dass  ich  am  ganzen  Beutel 
von  Didelpliis  die  Haut  mit  den  gewöhnlichen  Drüsen  versehen  finde, 
die  spärlich  stehenden  Härchen  werden  von  mehren  Talgdrüsen  um- 
geben und  ausserdem  sind  Schweissdrüsen  vorhanden,  die  einen  läng- 
lichen Knäuel  bilden,  ungefähr  so,  wie  sie  oben  von  den  behaarten 
Hautstellen  des  Hundes  beschrieben  wurden. 

Ueber  den  feineren  Bau  der  männlichen  Geschlechtsorgane  der  Säuge- 
thiere  vergleiche  man  meinen  Aufsatz  in  der  Zcitschr.  f.  w.  Z.  Bd.  II.,  aus  dem 
ich  noch  Folgendes  heraushebe  : 

Affen.  Samenblasen  bei  Cercopithecus  faunus,  (Jynocephalus  hamaclryas,  My- 
cetes  ursinus  mit  glatten  Muskeln  unter  dem  Bindegewebe  der  einzelnen  Samen- 
schläuche,  darauf  die  Drüsenschicht  aus  traubenförmig  grnppirten  Bläschen  be- 
stehend. Ductus  deferens  bei  Cynocephalus  gegen  die  Ausmündung  zu  spindel- 
förmig (wahrscheinlich  durch  Drüsen)  verdickt.  Frostata  bei  Mycetes  einfach,  un- 
gelappt, bei  Cynocephahis  in  zwei  Partien  zerfallen ,  die  wohl  nach  der  Analogie 
mit  anderen  Säugethieren  ,  auch  im  Drüsenepithel  und  somit  in  der  Beschaffenheit 
des  Sekretes  ditferiren.  Die  Drüsenbläschen  traubenförmig  geordnet;  Hauptbestand- 
thcil  der  Prostata  glatte  Muskeln,  in  feineren  und  stärkeren  Balken  das  Organ 
durchziehend  und  an  der  Peripherie  eine  gleichmässigc  Schicht  erzeugend,  wovon 
die  äusseren  Fasern  der  Länge,  die  inneren  der  Quere  nach  verlaufen.  fJowper'- 
sche  Drüsen  des  Cynoce2>lialus  zu  äusserst  von  einer  Hülle  aus  Bindegewebe  um- 
geben, in  der  feine  elastische  Fasern  und  Nervcnfibrillen  sichtbar  gemacht  werden 
ki'inncn.  Darunter  die  Muskclschicht  aus  quer  gestreiften  Bündeln  zusammenge- 
setzt; sie  ncluncn  von  keinem  nah  gelegenen  Muskel  ihren  Urs])rung,  sondern  bil- 
den eine  isolirte  selbständige  muskulöse  Hülle  um  die  Drüse,  sich  von  da  auf  den 
Ausführungsgang  fortsetzend.  Bei  Mycetes  sind  die  Co  ?y^)  er 'sehen  Drüsen  un- 
mittelbar in  die  Substanz  des  Musculus  urethralis  eingelagert. 

Handflügler.  Sanienblascn  bei  Fteropns  rulijari.s  mit  glatten  ^luskeln  unter 
der  äusseren  Bindegewebshülle,  die  Schleimhaut  bildet  durch  Vorsprünge  ein  Gitter- 
werk oder  Drüsenräume.  Prostata  bei  Fledermäusen  weist  keine  so  starke  Mus- 
kulatur auf,  als  bei  Affen,  Fleischfressern  u..a. ,  wesshalb  auch  die  Drüsenbläschen- 
gruppcn  an  der  Oberfläciie  hervorspringen  und  letztere  höckerig  machen.  An  den 
verschiedenen  Partien  der  Prostata^  bei  Vesperiigo,  Ves2)erlilio,  Pliyllostoma  und 
Pieropus,    ist    der  Inhalt    der  Drüsoubläschen    in  mikroskopischer    und    chemischer 


Geschlechtsorgane  der  Sänger.  521 

Beziehung  von  differenter  Natnr.  Die  Sekretionszellen  der  einen  Ahtheilnng  sind 
von  hellem,  eiweissartigen  Aussehen  und  werden  durch  Essigsäure  noch  heller,  die 
Zellen  der  anderen  hahen  ein  feingranuläres  Contentum  und  trüben  sich  nach 
Essigsäure.  Die  Cowp  er' sehen  Drüsen  der  Roussettc  sowie  der  anderen  genannten 
Fledermäuse  haben  eine  selbständige,  aus  quergestreiften  Bündeln  bestehende 
Muskelhülle.  Die  letzten  Drüsenbläschen  sind  rundlich,  traubig  gruppirt ,  zu 
Läppchen  verbunden  und  knapp  aneinander  gedrängt,  da  im  Ganzen  wenig  Binde- 
gewebe zwischen  den  Läppchen  sich  findet;  auch  der  fadenartig  zulaufende  Thcil 
der  Drüse,  den  man,  äusserlich  genommen,  als  Ausführungsgang  der  Drüse  an- 
spricht, enthält  im  Innern  noch  während  seines  g  nzen  Verlaufes  Gruppen  von 
Drüsen bläschen.  Essigsäure  schlägt  in  den  Epithelzellen  und  in  dem  fadenziehen- 
den Sekret  eine  feinkörnige  Masse  nieder.  Die  Alhuginea  des  Hodens  ist  bei 
Pteropus  pigmentirt,  die  Pigmentzellen  sind  verästelt,  doch  gewöhnlich  nur  nach 
zwei  Seiten  hin,  so  dass  durch  Aneinanderstossen  der  Zellenausläufer  zierliche 
Pigmentbogen,  und  zwar  in  mehren  sich  kreuzenden  Schichten  um  den  Hoden 
herumlaufen;  bei  Vesperugo  und  Veq^ertilio  serotinus  kommen  ebenfalls  Piguien- 
tirungen  vor.  Die  Capillargefässe,  welche  zwischen  den  Samenkanälchen  hinlaufen, 
sind  stellenweise  mit  Häufchen  zellenähnlicher  Gebilde  besetzt,  sie  erscheinen  als 
zart  conturirte  rundliche  Körper,  hin  und  wieder  stielförmig  ausgezogen  und  sind 
mit  einer  feinkörnigen  gelben  Masse  angefüllt ,  welche  mehre  helle  Bläschen  um- 
schliesst.  —  Den  Ductus  deferens  sieht  man  bei  Vespertilio  serotinus  gegen  sein 
Ende  zu  erweitert,  was  von  Drüsen  herrührt,  welche  das  Lumen  ringsum  um- 
geben. 

Insektenfresser.  Die  Hülle,  welche  beim  Igel  die  Drüscnpaquet's  (sowohl 
das  obere  wie  untere  Paar)  der  Prostata  locker  umgiebt,  besteht  der  Hauptmasse 
nach  aus  Bindegewebe,  in  welchem  aber  starke  und  feine  Stränge  glatter  Muskeln 
(Gefässe  und  zahlreiche  Nerven)  verlaufen,  die  besonders  zahlreich  gegen  die  Stelle 
zu  werden,  wo  die  Hülle  die  Ausführungsgänge  der  Drüsen  umgiebt,  so  dass  sie 
unmittelbar  vor  dem  Mitscuhcs  urethralis  eine  ziemlich  starke  ringförmige  Schicht 
um  den  Anfangstheil  der  Harnröhre  bilden.  Das  Sekret  des 'unteren  Drüsenpaarcs 
sind  Körper  von  blassem,  eiweissähnlichem  Aussehen  ,  die  sich  in  der  Mitte  der 
Schläuche  zu  grossen  Haufen  zusammenballen.  Das  untere  Paar  scheidet  ein  in 
Essigsäure  sich  trübendes  Fluidum  ab.  Die  wirklichen,  nicht  die  ehemals  dafür 
genommenen  C'ojojjer'schen  Drüsen  des  Igels  sind  in  die  Substanz  des  3Iuscuhis 
urethralis  eingebettet.  —  In  der  Prostata  des  Maulwurfes  sieht  man  während 
der  Brunstzeit  eine  durchsichtige,  eiweissartige  Flüssigkeit,  in  welcher  schon  dem 
freien  Auge  bemerkliche  Klumpen  einer  geleeartigen  Substanz  vorkommen.  Sind 
dergleichen  Klumpen  in  grösserer  Menge  innerhalb  der  Drüsenschläuche  angehäuft, 
so  geben  sie  letzteren  ein  eigenthümliches,  durchsichtiges  Aussehen.  Die  einzelnen 
Drüsenschläuche  sind  mit  schönen  glatten  Muskeln  versehen,  zeigen  unter  Wasser 
geöffnet  auf  der  Innenfläche  zahlreiche  stark  vorspringende  Querfalten.  An  der 
Einmündungssteile  der  Prostataschläuche  in  die  Harnröhre  existiren  mikroskopisch 
kleine  Ganglien.  Die  Co7üp er' sehen  Drüsen  haben  eine  selbständige  Muskelhülle 
aus  quergestreiften  Bündeln,  die  sich  um  die  ganze  Drüse  herum  bis  auf  den  mitt- 
leren Theil  der  hinteren  Fläche  zieht,  der  ihr  als  Schwerpunkt  dient.  Das  Drüsen- 
gewebe bilden  rundliche  Bläschen,  traubig  geordnet,  der  Inhalt  ist  gelb  weiss,  der 
Ausführungsgang  ohne  Muskeln ,  seine  Innenhaut  gefaltet;  zur  Muskelhülle  geht 
ein  Nervenstämmchen  mit  breiten  Primitivfasern  und  ausserdem  mit  den  Blutge- 
fässen noch  drei  bis  vier  ^eMia/c' sehe  Bündel.  Zwischen  den  Samenkanälchen  des 
Hodens  die  eigenthümliche  Zellenmasse  mit  den  scharfconturirten  gelblichen  In- 
haltskügelchen.  Der  Ductus  deferens  ohne  Erweiterung  und  ohne  Drüsen.  Der 
Penis  enthält  einen  zarten  Knochen. 


522  "Von  den  Geschlechtsorganen    der  Wirbelthiere. 

Fleischfresser.     Prostata  des  Hundes  sehr  muskulös,  schon   die  sie  locker 
umgebende  Hülle  mit  starken  Längsbiindeln  glatter  Muskeln.     Die  direkte  Begren- 
zung des  Organes  bildet  eine  Muskellage,  an  welcher  eine  äussere,  längsverlaufcnde 
und  eine  innere,    circuläre    Schicht    mit    der    Pinzette    abgezogen    werden    können. 
Oeffnet  man  die  Prostata    durch    einen  Längenschnitt  vom    Schnepfenhügel  her,    so 
sieht    man    strahlenförmig    gelbweisse  Stränge    durch  die  Drüsenmasse    ziehen,  von 
welchen  Strängen  aus  sich  weitere  feinere  Balken  ablösen,  und  die  mikroskopische 
Untersuchung  lehrt,  dass  diese  Verästelung  fortgeht  bis  zur  Formirung  eines  Maschen- 
gewebes ,    innerhalb    welchem    die    grösseren    und    kleineren    Gruppen    der  Drüsen- 
bläschen stecken.     Die  Balken    sind    gebildet    aus  Bindegewebe,    feinen    elastischen 
Fasern  und  glatten   Muskeln,    doch    besteht    in  der  Vertheilung    genannter  Gewebe 
der  Unterschied ,    dass    die    glatten  Muskeln    in    den  Balken    gegen    die    Peripherie 
der  Drüse  zunehmen  ,    wälirend    nach   der  Harnröhre  hin  das  Bindegewebe  und  die 
elastischen  Netze  weit  über  die  glatten  Muskeln  vorwiegen;  daher  ist  auch  letztere 
Partie  von  weisslicher ,    erstere    von    röthlicher   Farbe.     Die  Drüsen    selbst   in    den 
Maschenräumen    untergebracht    münden    mit    40 — 50  Ausführungsgängen   zur  Seite 
des  Schnepfenhügels.     Mehrmals    traf   ich   Prostatasteinchen ,    die    aber    von  denen 
des    Menschen    und    des    Kaninchens    abweichen.      Es    sind    bei    auffallendem    Licht 
weisse,  bei  durchfallendem  gelbliche,  durch  Essigsäure  unveränderliche  Körperchen, 
von  verschiedener,   doch  meist  sehr  geringer  Grösse,  die  einzeln  oder  zu  Klümpchen 
zusammengebacken    in    den    Drüsenschläuchen    vorgefunden    werden.      Nervenfasern 
begegnet  man  sehr  häufig  im  Gewebe  der  Prostata  und  zwar  sind  es  meist  BemaF- 
sche  Bündel  mit  einzelnen    feinen    dunkelrandigen  Fasern.   —    Bei  der  Katze  sind 
die  glatten  Muskeln,    welche  die  Drüsenträubclien    umstricken,    nicht    so    zahlreich 
als  beim   Hund,  wesshalb  ein   Durchschimmern   der  weissgelben  Drüsenmasse  durch 
den   Muskelüberzug  möglich  ist;    es  findet  sich  viel  Bindegewebe  mit  feinen  elasti- 
schen Fasern  in  dem  die  Drüsenträubclien   umgebenden  Fasernetze.     Der  Musctdus 
urethralis  schickt  quergestreifte  Bündel  über  die  ganze  äussere  Fläche  der  Prostata 
weg.     Das  ganze  Organ  sehr  nervenreich.   —    Mustela  erminea  hat  nur  eine  dünne 
Prostataschicht,  die  sich  aber,  wie  die  mikroskopische  Untersuchung  lehrt,  um  den 
ganzen  Anfangstheil  der  Harnröhre    herumzieht.     Auch    die    glatte   Muskulatur    nir- 
gends   sehr    bedeutend;    über    den    grössten  Theil  der  Drüse    ziehen   quergestreifte 
Bündel,    vom    M.  urethralis    kommend,    weg.    —    Die    Co  «ü^j  er 'sehen    Drüsen    der 
Katze  (beim  Hund  und  Wiesel  fehlen  sie)    mit    starker  Hülle  quergestreifter  Mus- 
keln,   die    in  keinem  Zusammenhang  mit  nah  gelegenen  Muskeln  stehen,    sondern 
der  Drüse  allein    angehören.     Zwischen    den  Bündeln    der  Muskelhülle  Haufen  von 
Fettzcllen,  welche  sich  auf  dem  Durchschnitt  der  Drüse  als  weisse  Flecke  bemerk- 
lich   machen;    der  Ausführungsgang    ohne    Muskeln,    innen    mit    einzelnen    Drüsen- 
träubclien   besetzt.     Die   Co  2(7;  er 'sehen    Drüsen    der    JMangusta    haben    einen    stark 
entwickelten  quergestreiften  Muskel,    der  von  der  Faserscheide    der  Corpora  carer- 
nosa,  an  der  Seite  des  Penis  entspringend,  die  Drüse  umhüllt  und  mit  der  Muskel- 
schicht des  Analsackes  sich  verbindet.     Unter  diesem  Muskel    die  eigentliche  Drü- 
sensubstanz, welche,  nach  der  Länge  durchschnitten,  grössere  und  kleinere  ineinander- 
mündende  Fächer  darbietet;  diese  sind  die  Räume  für  die  Ansammlung  des  Sekretes, 
die    eigentlichen    Drüsenbläschen    liegen    nach    aussen    von    den    Fächern.    —    Der 
Highvior'sche    Körper    im    Hoden    des    Katers    ist    in    reichlichster    Menge  von 
Fettkörnchen    bedeckt,    welche,    zu    rundlichen    oder    wurstförniigen    Klumpen    zu- 
sammenliegend, mit  ihren  Enden  nicht  selten  aneinander  stus.-cn  und  so  manchfache, 
meist    bogenförmig    verlaufende  Figuren    bilden.     Dieselben    Fettkörnerklumpen    in 
grösster    Anzahl    auch    zwischen    und    auf    den    Samenkanälclien.      Im    Nebenhoden 
nimmt  die   Membrana  i^rojjria  der  Samenkanälclien  an  Dicke  zu  und  es  treten  nun 
auch  glatte  Muskeln  auf;    bei   Hund  und  Kat/.c  sind   die  Samenleiter  sehr  reich  an 


Geschlechtsorgane  der  Säuger.  523 

feinen  dunkelrandigen  und  ^emaÄ;'schen  Nervenfasern,  übrigens  ohne  Erweiterung 
gegen  die  Ausmündung  üu  und  ohne  Drüsen,  hingegen  sind  die  iJnclns  deferentes 
des  Wiesel  gegen  ihr  Endo  zu  durch  Drüsen  sjjindelförmig  verdickt.  -  Der  Ho- 
densack des  Hundes,  obwohl  er  nicht  gerunzelt  ist,  hat  doch  eine  Tunica  dartos 
mit  einem  schönen  Geflecht  glatter  Muskeln.  Beim  Wiesel  enthält  die  Tunica  dartos 
im  Grunde  des  Sackes  ein  schwarzkörniges  Pigment. 

Beutelthiere.  Die  Prostata  des  virgiuischcn  Beutelthieres  liegt  in  ihrer 
ganzen  Ausdehnung  unter  dem  Musculus  urethralis ,  dessen  Fasern  übrigens  nicht 
quergestreift,  sondern  glatt  sind.  Auf  dem  Durclischnitt  zeigt  das  Organ  der  Farbe 
nach  zwei  Schichten ,  eine  gelbröthliche ,  welche  nach  aussen  sich  befindet ,  und 
eine  weissliche  gegen  das  Lumen  der  Harnröhre  zu.  Den  Hauptbestandtheil  bei- 
der Schichten  bilden  lange,  dicht  beisammenstehende  Schläuche.  Die  in  vier 
Paaren  vorhandenen  C'o?^;^  er'schen  Drüsen  sind,  auf  ihre  Struktur  untersucht, 
nicht  alle  einander  gleich.  Gemeinsam  ist  allen  ein  selbständiger  quergestreifter 
Ueberzug,  wenn  auch  verschieden  dick  in  den  verschiedenen  Paaren.  Im  vorderen 
rundlichen  Paar  kommt  unter  der  Muskelhülle  eine  starke,  durch  ihre  weisse  Farbe 
abstechende  Tunica  j^ropria^  von  ihr  gehen  nach  innen  viele  Balken  und  Blätter 
ab ,  durch  deren  Zusammenstossen  ein  Netzwerk  gebildet  wird ,  dessen  Maschen 
aber  nicht  gerade  eine  bestimmte  Richtung  einhalten.  Im  vordersten  Drüsenpaar 
sind  die  Balken  und  Blätter  von  demselben  starken  Aussehen,  wie  die  Tunica 
projjria  selber,  im  zweiten  Paar  grauröthlich,  von  mehr  zarter  Beschaffenheit,  auch 
scheinen  glatte  Muskeln  in  das  Bindegewebe  eingeflochten.  Das  hinterste  Paar 
weicht  darin  ab,  dass  die  von  den  Fortsätzen  der  Tunica  proiyria  nach  innen  er- 
zeugten und  untereinander  zusammenhängenden  Hohlräume  Rohren  darstellen, 
welche  vom  Fundus  der  ganzen  Drüse  nach  dem  Ausführungsgang  streben,  zuvor 
aber  in  eine  gemeinsame  gegen  das  verschmälerte  Ende  der  Drüse  liegende  Höhle 
sich  sammeln.  Der  Hoden  ist  pigmentirt  und  zwar  in  einer  auf  der  Tunica 
vaginalis  nach  aussen  liegenden  ßindegewebsschicht. 

Nager.  Die  Prostata  von  Mus  decumanus,  M.  musculus  und  M.  sylvaticus 
besteht  aus  Büscheln  verzweigter  Blinddärme,  welche  dvuch  Bindegewebe  mit 
einander  verbunden  sind  und  wovon  jeder  einzelne  Schlauch  glatte  Muskeln  be- 
sitzt, welche,  meist  ringförmig  verlaufend,  gegen  die  Ausführungsgänge  mehrer 
vereinigter  Drüsenschläuclie  hin  an  Masse  zunehmen.  Die  Höhle  des  einzelnen 
Schlauches  ist  nicht  einfach,  sondern  die  Membrana  propria  macht  nach  innen 
faltige  Vorsprünge,  Maschen  bildend,  die  wohl,  bei  gänzlicher  Anslüllung  der 
Schläuche,  diesen  von  aussen  ein  beerenförmiges  Aussehen  verleihen.  Die  Se- 
kretionszellen der  Prostataschläuche ,  welche  an  die  innere  Seite  der  Samenhlase 
locker  geheftet  sind,  trift't  man  entweder  hell  und  klar  oder  sie  enthalten  fettartig 
glänzende  Körnchen  und  als  Produkt  der  Sekretion  des  gnnzen  iSclilauches  liegt 
im  Lumen  desselben  ein  grosser,  meist  in  die  Länge  gezogener  licller  Körper  von 
fettartigem  Habitus.  Die  frei  liegenden  Prostatabüschel  scheiden  ins  Innere  rund- 
liche oder  eckige,  verschieden  grosse  Klumpen  ab,  die  Eiweissmassen  zu  sein  schei- 
nen. Jederseits  an  der  Ausmündung  der  Prostata  in  die  Harnröhre  findet  sich  ein 
Ganglion.—  Auch  die  Prostata  des  Kaninchens,  welche  an  der  hinteren  Wand 
des  Uterus  masculinus  in  die  Höhe  steigt,  besteht  aus  zwei  nach  ihrem  Inhalt 
sehr  verschiedenartigen  Blindschläuchen.  Die  einen  sind  mit  einem  Cylinderepithcl 
gleichmässig  ausgekleidet  und  im  Lumen  des  Drüsenschlauches  trifl't  man  bei  aus- 
gewachsenen Männchen  ausser  einer  feinkörnigen  Masse  eine  Anzahl  von  Prostata- 
steinchen,  verschieden  gross ,  bei  auffallendem  Licht  weiss ,  bei  durchgehendem 
gelbbraun,  immer  mit  einem  mittleren  körnigen  Centrum.  Durch  Druck  brechen 
sie  vom  Rande  aus  ein,    Essigsäure,    stärker  noch  Kalilösung,  macht  sie  erblassen, 


524 


Von   den  Geschlechtsorganen  der  Wirbelthicre. 


Fig.  218. 


«6 


a  . 


:t 


O/ 


Samenhlase    von    Mus  mnscnlus. 
a  die  Drüsen,    welche  den   Ilauptbestandtlmil    ausmachen    und    in  1),    den    mittlc^ren 
Hohlraum  münden,    c    die    glatte    Muskulatur    mit    ihren  Kernen,    d    Bindegewebe, 
welclies    über    die    ganze    Samenblasc  wegzieht    und    besonders    zwischen    den    Ein- 

kerbungeti  sich   aussjiannt. 

die  Schichten  lösen  sich  ab  und  bei  längerer  Einwirkung  des  Kali  scheinen  sie 
gelöst  zu  werden.  In  den  Schläuchen  zweiter  Art  ist,  abgesehen  von  den  Ejfithel- 
zellcn,  eine  weissliclic  Masse  zugegen  ,  aus  lauter  blassen  Körperchen  bestehend, 
dazwischen  einzelne  bei  auffallendem  Licht  weisse,  bei  durchfallend«m  schwärzliche 
Kugeln,  aus  scharfconturirtcn  Kinj)crchcn  mit  Hülfe  einer  weichen  Grundmasse 
zusammengul)allt.  Die  Scliläuclic  beider  Drüsenarten  sind  mit  glatten  Muskeln 
versehen,  welche  auch  in  starken  Balken  die  Zwisclicnräunie  ■/.wischen  den  einzelnen 
Schläuchen  ausfüllen ,  oder  riclitiger  gesagt ,  die  Schläuche  der  Prostata  stecken 
unmittelbar  in  der  Muskulatur  des  Uterus  masculinus.  Zwischen  den  IMuskeln 
laufen  viele  Nerven  hin,  auch  traf  ich  hier  einmal  ein  mikroskoiiischcs  Ganglion. 
—   Die  Co ivjier' sehen    Drüsen    der    Ratten    iiud    Mäuse    bestelim  aus  rund- 


Geschlechtsorgane  der  Säuger.  525 

liehen  Blasen,  trauhenförmig  aneinander  gedrängt,  die  ganze  Drüse  ist  aus  unge- 
fähr 12  solcher  Läppchen  zusammengesetzt;  auch  im  langen  Ausführungsgang 
finden  sich  stellenweise  noch  Gruppen  solcher  Drüsenbläschen;  die  Epithelzellen 
rundlich,  das  Sekret  zähe,  fadenziehend.  Die  Blutgefässe  verlaufen  in  ziemlich 
regelmässigen  Maschen  zwischen  den  Bläschen.  Die  ganze  Drüse  steckt  in  einer 
Hülle  aus  quergestreiften  Muskeln.  Aelinlich  ist  das  Verhalten  beim  Kaninchen. 
Beim  Biber  sind  die  Muskeln  der  Drüse  verhältnissmässig  zur  Grösse  derselben 
unbedeutend,  lassen  auch  die  untere  Seite  der  Drüse  frei.  Die  Samenblasen  der 
Ratten  und  Mäuse  verhalten  sich  ganz  wie  eine  Drüse.  Der  innere  Holilgang 
nimmt  nämlich  von  allen  Seiten  die  traubigen  Drüsen  auf,  welche  einen  Haupt- 
bestandtheil  der  Samenblasenwandung  bilden.  Nach  aussen  eine  glatte  Muskulatur 
als  continuirliche  Schicht.  —  Der  Inhalt  der  Drüsenschläuche,  welche  bei  Ratten 
und  Mäusen  ins  untere  Ende  des  Samenleiters  münden,  besteht  im  frischen  Zu- 
stande aus  grossen  goldgelben,  runden  oder  in  die  Länge  gezogenen,  dem  Habitus 
nach  fettartigen  Körpern ,  welche  im  Inneren  noch  mehre  helle  farblose  Tropfen 
einschlössen.  Nach  längerer  Einwirknng  von  Kalilösung  verschwindet  die  gelbe 
Farbe,  das  Sekret  wird  vollkommen  hell ,  auch  die  eingeschlossenen  Tropfen  wer- 
den blasser,  brechen  das  Licht  weniger  scharf,  zugleich  erscheinen  auf  der  Ober- 
fläche des  Präparates  spiessige  Krystalle.  Während  des  Aufenthaltes  im  Drüsen- 
schlauühe  wandelt  sich  das  Sekret  dahin  um,  dass  es  seine  goldgelbe  Farbe  ver- 
liert und  in  eine  feste,  bei  auffallendem  Licht  weisse  Masse  sich  umändert,  welche 
aus  fest  aneinander  gebackenen  Körnchen  besteht ,  wobei  immer  noch  die  einge- 
schlossenen hellen  Körper  ei-kannt  werden  können.  —  Der  Theil  der  äusseren 
Haut,  welche  bei  Ratten  und  Mäusen  als  Hodensack  fungirt,  hat  eine  aus  Balken 
glatter  Muskeln  bestehende  Tunica  dartos ,  nach  innen  von  ihr  sieht  man  eine 
schwärzliche  Pigmentlage. 

Paehydermen.  Die  Prostata  des  Schweines  besteht  aus  einer  gelb- 
weissen  traubigen  Drüsenschicht,  welche  die  ganze  Pars  memhranucea  urefhrae 
ringsum  umgiebt  und  zwischen  dem  Musculus  urethralis  und  der  Schleimhaut  der 
Harnröhre  liegt.  Nur  am  Anfangstheil  der  Harnröhre  nimmt  die  Dicke  der  Drüsen- 
schicht so  zu,  dass  sie  den  Musculus  urethralis  durchbricht  und  als  gelbweisser 
solider  Körper,  jederseits  vierlappig  zu  Tage  tritt.  Macht  man  einen  Schnitt  durch 
letzteren  Theil,  so  findet  man  zwischen  den  Drüsenlappen  glatte  Muskelbalken  von 
bedeutender  Stärke.  Die  übrige  Partie  unter  dem  Musculus  urethralis  weicht  im 
Baue  nicht  ab  von  dem  frei  liegenden  Theil,  nur  hat  sie  nicht  die  so  starken 
Muskelzüge,  welche  auch  bei  der  Lage  unter  dem  Muse,  urethralis  kaum  nöthig 
sind.  —  In  den  Co  tf  per 'sehen  Drüsen  des  Ebers  ist  das  Bindegewebsgerüst  des 
Organes  durch  seine  feste,  knorpelartige  Beschaffenheit  ausgezeichnet,  da  es  voll- 
kommen in  physikalischen  und  histologischen  Eigenschaften  der  Cornea  der  Säuge- 
thiere  gleicht.  Das  zähe,  kleisterartige  Sekret  besteht  mikroskpiscli  fast  nur  aus 
stäbchenförmigen  zarten  Körpern  und  feiner  Punktmasse,  in  welche  auch  Essig- 
säure nach  längerer  Einwirkung  alle  Stäbchen  umwandelt. 

Solipeden.  Die  Prostuta  des  Pferdes  ist  mit  sehr  zahlreichen  Ganglien 
versehen,  sie  sind  von  Hirsekorngrösse  und  liegen  zumeist  an  der  Seitenfläche  der 
Hörner  des  Organes  oder  auch  mitten  in  der  Drüsenmassc.  Sie  stehen  durch 
Nervengeflechte  in  Verbindung  mit  anderen  Ganglien,  welche  die  erstgenannten 
zum  Theil  an  Grösse  übertreffen  und  in  der  Bauchfellplatte  liegen,  welche  sich 
zwischen  Ductus  defcrens  und  Prostatahorn  hinspannt.  Audi  auf  dem  31uscvlus 
urethralis  sah    ich  ein  Ganglion. 


526 


Von  den   Geschlechtsorganen  der  Wirhelthiere. 


Ueber  die  in  so  mancher  Hinsicht  eigenthümliche  Entwicklung  und  Umbil- 
dung der  Genei-ationsoi'gane,  sowie  zur  Erklärung  der  beigegebenen  Figuren  erlaube 
ich  mir  anhangsweise  Folgendes  beizufügen  : 

1)  Bei  den  Batiacli  iern  wird  ein  Theil  der  Niere  zum  Neben- 
hoden. Hat  sich  nämlich  die  Geschlechtsdrüse  zum  Hoden  difterenzirt,  so  treten 
seine  Ausführungsgängc  mit  der  Nierensubstanz  in  Verbindung,  die  Vasa  efferentia 
testis  gehen  eontinuirlich  über  in  die  Harnkanälchen  der  Niere  und  der  Aus- 
fühningsgang  der  Niere  wird  so  auch  der  des  Hodens.  Der  Ureter  ist  Harn-  und 
Samengang  zugleich.  Die  Verbindung  der  Vasa  efferentia  testis  geschieht  entweder 
mit  dein  vordersten  Tlieil  der  Niere,  mit  der  Spitze,  und  diese  kann  sich  damit 
auch  von  der  übrigen  Nierenmasse  in  einzelnen  oder  mehren  Läppchen  isoliren, 
welclie  dann  ganz  füglich  als  Nebenhoden  bezeichnet  werden  können,  so  beim 
Triton ,  Salamandra ,  Proteus ;  oder  es  findet  keine  solche  sich  auch  äusserlich 
kundgebende  Sclieidung  in  Niere  und  Nebenhode  statt  und  dann  lässt  sich  sagen  : 
Die  Niere  ist  zugleich   Nebenhode. 

Fig.    256. 


A   Froschquappe,    B  Larve  vom  Salamander:    an  beiden  sind  die  Anlagen 

der  Harn  -  Geschlechtswerkzeuge  eingezeichnet. 

a  der  Wolf  sehe  Körper  (Müller'sche  Drüse),  b  Niere,  c  Geschlechtsdrüse. 

(Natürliche  Grösse.) 


2)  Der  Wolf  sehe  Köri)cr  {Müller'  sehe  Drüse,  welcher  nur  eine 
gCKonderto  Fortion  der  Niere  vorstellt)  ist  bei  den  erwachsenen 
Batrachicrn  entwtider  vollständig  geschwunden  oder  noch  in  Resten 
vorhanden.  Beim  Landsalamander,  bei  Mcnopoma  finden  sich  vorne  in  der 
Banchiiölile  dergleichen   Ucbcrblcibsel  geknäuelter  Kanäle.     (Fig.  257,  c.) 

3)  Der  A  us  f  üh  r  u  n  gsgan  g  des  JFoZ/'schen  Körpers  bleibt  bei 
den  mann  11  eil  cn  Batr  ach  iern,  wenn  auch  mehr  oder  weniger  verkümmert, 
zeitlebens  in  Form  eines  besonderen  Ductus  bestehen.  (Fig.  257,  258,  d.) 
Fr  mündet  liöher  oder  tiefer,  wie  solches  nach  den  Arten  verscliieden  ist,  in 
den  Hani-Sanicnleiter  ein,  bleibt  immer  ein  Kanal,  ist  bei  manchen  Arten  mit 
deutlich  erkennbarem  Orificium  an  seinem  vordersten  Ende  versehen  und  besitzt 
hier   nnd    da  Fliinmerbewegung   in   dem   obersten    Tlu'il. 


Geschlechtsorgane  der  Batrachier. 


527 


4)  Bei  den  weiblichen  B.-itrachiern  wird  der  Aiisfii  hrungsgang  des 
TFoZ/'schen  Körpers  zum  Eileiter.  So  lange  die  Gesclilcchtsdrüse  noch 
nicht  besonders  entwickelt  ist,  hat  der  Ductus  nocli  das  gleiche  Aussehen  in  bei- 
den Geschlechtern ;  er  örtiiet  sich  vorne  so  gut  beim  Männchen  wie  beim  Weibchen 
in  die  Rauchhöhle.  Beiui  Weibchen  erweitert  sich  diese  Octl'nnng  und  wird 
Orificium  des  Eileiters,  der  Ductus  tritt  immer  weiter  von  der  Wirbelsäule  weg 
nach  aussen,  wird  dicker,  schlängelt  sich,  kurz  stellt  den  Eileiter  dar,  welcher 
aber  am  unteren  Ende  wieder  mit  dem  Harnleiter  zu  einem  in  die  Kloake  führen- 
den Kanal  zusammentritt.  Die  vordere  Oettnung  des  Ductus  beim  Männchen  liegt 
genau  an  derselben  Stelle,  wo  das  Orificium  des  Eileiters  sich  beim  Weibchen  be- 
findet, und  wenn  daher,  wie  beim  Proteus,  letzteres  nicht  so  weit  nach  vorne  ge- 
rückt ist,  wie  bei  anderen  Batrachiern ,  so  hält  auch  die  Oeft'nung  des  besagten 
Ductus  beim  Männchen  diese  Ortslage  ein.  »Stellt  man  daher  die  Ixidcu  Geselilcch- 
ter  der  Batrachier  bezüglich  ihrer  Harn-  und  (Jcschlechtsorgaiie  nelieMcinandcr,  so 
übersieht  man  einfach  folgende  Symmetrie  : 

Fig.  257. 


cC 


A  "^ 

IT  a  r  n  -    und    Geschlecht  s  w  e  r  k  - 
zeuge  vom  Landsalamander. 

A  Vom  Männchen:  a  Hode,  b  Niere, 
c  vcu'dere  oder  abgelöste  Partie  der- 
selben, d  Ausfülirungsgang  des  Wolf - 
sehen  Körpers,  dessen  Rest  bei  e  noch 
zugegen  ist,   f  der  Harn-Samenleiter. 

B  Vom  Weibchen:  a  Eierstock,  b  Niere, 
d  Eileiter  (früherer  Ausführungsgang 
des Wolfschen  Körpers),  f  Harngänge, 
die  sich  mit  dem  Eileiter  vereinigen. 


Harn-    und    Geschlechts  Werk- 
zeuge vom   Proteus. 

A  Vom  Männchen:  a  Hode,  b  Niere, 
c  vorderes  abgelöstes  Stück  derselben 
oder  Nebenhode,  d  der  friiliere  Aus- 
fülirungsgang  desWoll'schen  lvör]>ers. 

B  Vom  Weibchen:  a  Eierstock,  b  Niere, 
d  Eileiter  (früherer  Alisführungsgang 
des  Wolfschen   Körpers. 

(Natürliche  Grösse.) 


In  der  Larve  (P ig.  256)  ist  eine  einzige  Drüse  vorhanden,  die  in  zwei  Abthei- 
lungen zerfällt ,  von  denen  die'  eine  kleinere  vorne  am  Beginn  der  Bauchhöhle  liegt 
(iroZ/'scher  Körper,  JM^^er'sche  Drüse  der  Autoren).  Der  Ausfülinmgsgang 
ist  beiden  gemeinsam  und  ich  betrachte  beide  zusammen  als  die  Urniercn.  Am 
inneren  Rande  der  hinteren  Ahtheilung  entsteht  die  Geschlechtsdrüse.     Wird  diese 


528 


Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbellosen. 


Fig.  258. 


B 


Harn-  und  G  esclilechtswerk  zeuge    von  Bufo    maculi  ventr  is. 
A    Vom    Männchen:     a    Ilode,    b  Niere,    d    früherer    Ausführungsgang    des 

Wolfschen  Köri^ers. 
B    Vom   Weibchen  :     a  Eierstock,  b  Niere,   d  Eileiter  (früherer  Ausführungs- 
gang des  Wolfschen  Körpers).      Natürliche  Grösse. 

zum  Hoden ,  so  treten  die  Ausführuugsgänge  desselben  in  diesen  Abschnitt  der 
Urniere,  die  aber  auch  die  bleibende  Niere  ist,  und  da  also  später  Samen  durch 
die  Niere  geht,  um  in  den  Ausführungsgang  zu  gelangen,  so  ist  die  Niere  auch 
Nebenhoden  und  üir  Ausführungsgang  wird  Harn-  und  Samenleiter;  jener  weit  nach 
vorne  liegende  Abschnitt  der  Urniere  (iro^/'scher  Körper,  il/w^ifer'sche  Drüse)  schwin- 
det ganz  oder  bleibt  in  Resten  zeitlebens,  und  der  Ausführungsgang,  welcher  zwischen 
diesem  Abschnitt  der  Urniere  und  dem  hinteren  längeren,  die  Vasa  efferentia  testis 
aufnehmenden  Theil  liegt,  erhält  sich  durch's  ganze  Leben  als  Anhängsel  des  Harn- 
Samenleiters.  Gestaltet  sich  aber  die  Geschlechtsdrüse  zum  Eierstock,  so  kommt 
es  natürlich  nicht  zur  Bildung  der  Vasa  efferentia  testis;  der  Ausführungsgang  des 
hinteren  Abschnittes  der  Urniere  stellt  bloss  den  Harnleiter  vor;  die  vorne  in  der 
Bauclihöhle  liegende  Partie  der  Urniere  schwindet,  der  dazu  gehörige  Gang  aber 
wird  der  Eileiter. 


Ho.lon  iler 
(;..ilen- 
terate». 


Siel)ennii(lvierzigster  Abscluiitt. 

Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbelh^sen. 

§.  469. 
Die  Samen  bereitenden  Organe  oder  Hoden  der  Wirbellosen 
bieten,  wenn  man  sie  bloss  nach  ihren  Umi-isscn  betrachtet,  eine  sehr 
grosse  Mannichfaltigkeit  dar,  ersclieincn  hingegen  ziemlich  einförmig, 
sobald  man  die  dabei  betheiligten  Gewebe  ins  Auge  fasst.  Die  wesent- 
lichen Gewebe  des  Hodens  sind  Bindesubstanz  und  die  Sekretions- 
zellen ,   ja   bei  manchen  Coelenteraten  scheinen  nur  letztere  das  Con- 


Hoden.  529 

stituens  des  Hodens  zu  sein,  indem  wenigstens  Lei  unsei-en  Hydren 
die  Zellen  der  äusseren  Haut  durch  lokale  Vermehrung  und  Umbil- 
dung ihres  Inhaltes  zu  Samenzellen  werden  können;  Rouget  giebt  in- 
dessen an,  dass  die  auf  der  äusseren  Haut  liegenden  Hodenbläschen  noch 
von  einer  strukturlosen  Haut  eingeschlossen  wären.  Bei  den  Sipho- 
nophoren,  sowie  bei  den  Brauch  iaten  unter  den  Ringel würmern 
scheint  es  ebenfalls ,  als  könnten  die  Zellen  der  Leibeshöhle  an  be- 
stimmter Stelle  durch  Wucherung  und  Metamorphose  des  Inhaltes  zu 
Samenzellen  werden,  allein  es  concurriren  denn  doch  bindegewebige, 
zarthäutige  Umhüllungen  und  Stützen  am  Geschlechtsapparat ,  wie 
sonstwo;  erst  später  durch  Platzen  des  Ueberzuges  fallen  Eier  und 
Samen,  sich  vom  Mutterstocke  ablösend,  in  die  Leibesböhle,  um  sich 
da  frei  weiter  zu  entwickeln. 

§.  470. 

Hat  das  bindegewebige  Gestell  des  Hodens  eine  besondere  Aus- ^"°'J^"^^"^ 
bildung  erreicht,  so  lässt  sich  bei  genauem  Zusehen  immer  eine  Schei-  >«<)"■"''«"> 
düng  desselben  in  eine  homogene,  scharf  conturirte  innere 
Lage  (die  eigentlich  e  Tunica  proprio)  und  in  eine  äussere,  mehr 
lockere  und  weichere,  mit  Kernen  versehene  Schicht 
erkennen.  In  letzterer  verlaufen,  wenn  Blutgefässe  oder  Tracheen 
vorhanden  sind,  diese  Gebilde,  und  es  steht  somit  bei  den  Arthro- 
poden diese  Bindegewebsschicht  mit  dem  Fettkörper  in  continuirlichem 
Zusammenhang;  auch  im  Falle  die  Hoden  pigraentirt  sich  zeigen,  ge- 
hört das  Pigment  nur,  wie  ich  mich  z.  B.  an  Piscicola,  Pentatoma  u.  a. 
vergewisserte,  dieser  Haut  an.  (Hat  man  den  Hoden  der  zuletzt  genann- 
ten Baumwanze  sorgfältig  herauspräparirt ,  so  fällt  nach  Einwirkung 
von  Kalilauge  ein  ausserordentlicher  Reichthum  von  Tracheen  auf, 
zugleich  mit  einer  ganz  eigenen  Vertheilung  derselben,  da  sowohl 
dichte,  feine  Netze  gebildet  werden,  als  auch  parallel  verlaufende 
weite  Röhren  zugegen  sind.  Das  Pigment  begleitet  hier  wie  bei  an- 
deren Insekten,  Gercopis  z.  B. ,  zunächst  die  Tracheen.) 

Die  der  Tunica propria  des  Hodens  nach  innen  anliegenden  Zellen 
wimpern  nur  bei  wenigen  Thieren,  bei  den  eigentlichen  Hirudineen 
(Hirudo,  Haemopis)  z.B.,  wo  die  zarten  Cilien  sehr  lebhaft  schwingen. 
Ein  andermal  wimpern  die  Epithelzellen  des  Hodenausführungsganges : 
bei  Räderthieren,  Acephalen,  nach  Thaer  auch  bei  Polystomum  appen- 
diculatum.  Um  die  Membrana  propria  der  Samenleiter  schlagen 
sich  bei  den  Hirudineen  und  den  meisten  hierauf  geprüften  Arthropoden, 
Muskeln.  —  Eine  die  Sekretibnszellen  des  Hoden  nach  innen  über- 
deckende Intima  scheint  selbst  den  Krebsen,  Spinnen  und  Insekten 
zu  fehlen. 

Es  wurde  oben  erwähnt,  dass  der  Hoden  mancher  Wirbelthiere 
in  mehre  Abtheilungen  zerfällt,  wobei  alsdann  der  Inhalt  der  Sekretions- 
zellen nicht  in  allen  Partien  der  gleiche  ist,  indem  nur  gewisse  Portio- 

Leydig,    Histologie.  04: 


530 


Von  den   Geschlechtsorganen    dnr  Wirbellosen. 


nen  Zoospermien  liefern.  Auch  bei  Wirbellosen  kommt  Aehnliches 
vor.  Bctrcachtet  man  z.  B.  die  von  Leon  Bufour  gegebene  Dar- 
stellung des  zierlichen  Hodens  von  Silpha  ohscura  (copirt  in  den  Icon. 
phys.  B.  Wagner' s),  so  stechen  grössere,  längliche  Beutel  nicht 
wenig  von  den  kleinen,  die  Hauptmasse  des  Hodens  bildenden  Quäst- 
chen  ab,  und  mikroskopisch  sehe  ich,  dass  nur  in  den  letzteren  inner- 
halb grosser  Blasen  mit  Tochterzellen  Samenelemente  entstehen,  wäh- 
rend die  grossen  Beutel  keine  Zoospermien  erzeugen ,  sondern  immer 
nur  prall  mit  hellen,  eiweissartigen  Kugeln  angefüllt  sind. 


Ans    dem    Hoden    von    Silpha    obscnra. 
/V    l'\)llikcl,  in  welchem  sicli  Zoospermien   entwickeln,    R  Follikel,   in   welcliem 

eiweissähnliclic   Kng(!ln  entstehen. 

a  Tiinica  propria  mit  der  Scheidnng  in  die  innere  scharfgerandete  Schicht 

und   in  die  äussere  zartere  Lage. 


A  oces- 

florische 

<«03cliIcclitM- 

drilse.n. 


§.  471. 

Acce  SSO  risch  e  Geschlechtsdrüsen,  einer  Prostata  ver- 
gleichbar, finden  sich  nicht  selten;  sie  bestehen  bei  Hirudineen  {Pis- 
cicola^  Nephelis,  Hirudo  z.  ß.)  und  Rotatoricn  {Notommata  z.  B.)  aus 
einzelligen,  zu  einem  Ganzen  grnp])irten  Drüsen;  auch  von  man- 
chen Mollusken  sind  dei'glcichen  IVostatadrüsen  beschrieben,  von 
Actaeon  ».  B.  durch  Oe<jenJtaur,  und  ich  mfiehte  nach  dessen  Schil- 
derung (Zeitschr.  f.  w.  Zool.  18ö4  S.  44Ö)  vei-muthen,  dass  die  Se- 
kretionszellen in  zarten  Beutelcben  liegen,  deren  Stiel  erst  in  den 
gemeinschaftlichen  Ausführungsgcäng  mündet,  demnach  so  wie  oben 
von  den  Speicheldrüsen  gewisser  Gasteropoden  gemeldet  Aviirde.  Bei 
anderen  Mollusken  li;it  die  Prostata  den  Bau  der  gewöhnliclien  Drü- 
sen, <1.  Ii.   die  Follikel  besitzen  eine  bindegewebige  Wand,  nach  innen 


Prostata,  Penis.  531 

davon  die  SekrctionszcUen  und  zu  äusserst  in  manchen  Fällen  Muskeln 
{Prostata  der  Heikes) ;  bei  Heh'x  Jiortensis  ist  der  Bau  der  verästelten 
Schläuche  der  soo-.  Prostata  derartig,  dass  zu  äusserst  eine  aus  dem  be- 
kannten gTOsszelligen  Bindegewebe  bestehende  Umhüllungsschicht  liegt, 
dann  folgt  ein  schönes  circulärcs  Muskelgeflecht,  welches  sich  aber 
nicht  über  den  ganzen  Drüsenschlauch  erstreckt,  sondern  den  grösseren 
blinden  Endtheil  des  Schlauches  frei  lässt.  Am  frischen  Objekte  lässt 
sich  schon  mit  freiem  Auge  die  Grenze  leicht  bestimmen,  wo  die 
Muskulatur  aufhört,  da  der  Schlauch  sich  einschnürt  soweit  die  Mus- 
keln reichen  und  von  da  ab  weit  bleibt.  Der  muskulöse  Theil  er- 
scheint auch  stärker  pigmentirt,  als  das  nicht  contractile  Ende.  Zu 
innerst  liegen  die  Epithelzellen  von  langer  cylindrischer  Form.  Den 
accessorischen  Geschlechtsdrüsen  reihen  sich  die  von  Oegenhaur  be- 
schriebenen Penisdrüsen  der  Littorina  an,  welche  aus  einem  Central- 
und  rosettenartig  gruppirten  Nebenfullikeln  bestehen. 

Fig.  260. 


Ein    Stück   Pi-ostata   von  Nephelis,    aus   einzelligen  Drüsen   bestehend; 
bei  a  die  Ausmündungsstelle  derselben.     (Starke  Vergr.) 

In  dem  histologischen  Verhalten  der  männlichen  accessorischen 
Geschlechtsdrüsen  finden  sich  bei  Insekten  noch  allerlei  eigenthümliche 
Bildungen,  die  eine  nähere  Untersuchung  erheischen.  Bei  Pentatoma 
z.  B.  bemerke  ich  in  den  eigentlichen,  zum  Theil  gabiigen  Drüsen- 
kanälen nichts  von  einer  die  Zellen  überdeckenden  Intima,  aber  im  Aus- 
führungsgang fällt  nicht  bloss  eine  quergestrichelte  Intima  auf,  welche 
Zeichnung  näher  besehen  netzförmig  sich  verbindende  Ringe  darbietet, 
sondei-n  innerhalb  dieser  Intima  unterscheidet  man  einen  zweiten  schär- 
fer conturirten  und  chitinisirten  Kanal. 

Wo  penis artige  Organe  vorhanden  sind,  bilden  Bindegewebe,  J*"*'»«- 
Muskeln  und  Zellen  das  Baumaterial.  Die  Muskeln  erscheinen  meist 
unter  der  Form  dichter  Netze,  an  welchen  man  bei  Insekten,  wie 
V.  Hessling  zuerst  an  Schmetterlingen  nachwies,  zahlreiche  Muskei- 
theilungen wahrnimmt.  Die  Zellen  der  Aussenfläche  wimpern  mit- 
unter, nach  Gegenhaur  z.  B.  bei  Hyalaea]  bei  Paludina  vivipara 
trägt  die  innerste  Zellenlage  des  ganzen  Ruthenkörpers  sehr  zarte 
Cilien.  Bei  den  Helices  geht  über  die  Zellen  eine  deutliche  Cuticular- 
schicht  weg.  In  anderen  Fällen  beobachtet  man  verdicklere  Cuticular- 
bildungen ;  schon  bei  den  Turbellarien  z.  B.  sind  die  freien  Flächen  mit 

34* 


532  Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbellosen. 

einer  härtlichen,  in  Hacken  endigenden  Membran  iiberzog-en,  welche  dem 
Chitin  verwandt  zu  sein  scheint,  und  bei  den  Arthropoden  finden  sich 
chitinisirte  Ueberzüge,  die  in  nichts  von  dem  Panzer  der  äusseren 
Haut  abweichen  und  zu  sehr  complizirten  Skelettheilcn  sich  umbilden 
können  (worüber  man  die  Arbeiten  von  Dufour,  Stein  u,  A.  ver- 
gleichen möge).  —  Die  Ausstülpung  der  Ruthen  scheint  durch  eine 
Art  Erection  oder  Zuströmen  von  Blut  in  die  Interstitien  des  Organes 
zu  erfolgen. 

§•  472. 

Züoapermicn.  Dic  Zoospcrmicn  oder  Samenelemente  der  Wirbellosen  lassen 

sich  bezüglich  ihrer  Form  etwa  in  folgende  Haupttypen  vertheilen, 
obschon  wegen  Zwischenformen  keine  strenge  Durchführung  möglich 
ist.  Sie  sind  entweder  fadenförmige  Grebilde  oder  nähern  sich 
mehr  der  kugligen  Gestalt.  Rein  linear  ohne  Verdickung  sind  sie 
bei  manchen  Würmern  :  Trematoden,  Cestoden,  Echinorhynchen,  Pla- 
narien, einzelnen  Arthropoden,  Argulus,  Doridicola,  Scorpionen,  Tar- 
digraden,  Chilopoden,  bei  einzelnen  ßryozoen;  häufiger  erscheint  das 
eine  Ende  verdickt  und  zwar  cylindrisch  bei  Hirudineen,  den  meisten 
Gasteropoden,  Cephalopoden,  Insekten.  Ein  ovales  oder  birnförmiges 
Kopfende  besitzen  die  Samenfäden  bei  manchen  Gasteropoden ,  Ace- 
phalen,  Ringelwürmern,  Nemertinen ,  Bryozoen,  Radiaten.  Eine  selt- 
nere Form  ist  die  von  CreseiSj  wo  die  häarförmigen  Zoospermien  an 
beiden  Enden  fein  zugespitzt  sind  und  im  vorderen  F^ünftheile  ihrer 
Länge  eine  Anschwellung  he^WzQw  {Ge genhau r)-^  eine  ähnliche  Form 
sah  ich  bei  einer  Glepsiiw^  bei  Cymhulia  und  Tiedemavnia  ist  das  eine 
Ende  dick  und  spiralig  gedreht,  das  andere  Ende  in  einen  feinen 
Faden  auslaufend ,  der  vor  seiner  Spitze  in  ein  kleines  Bläschen  an- 
schwillt; ähnlich  sind  die  Zoospermien  von  Entoconcha  mirahilis  nach 
der  Darstellung  von  Joh.  Malier.  Ein  stark  verdicktes  cylindrisches 
Kopfende  mit  zartem,  kurzen  Schwanzfaden  zeigen  die  Zoospermien 
der  echten  Spinnen. 

Kugelähnliche  Zoospermien  kennt  man  von  den  Myriapoden, 
mehren  Krustenthieren  {Branchipus,  Artemia,  Caligus)  und  den  Nema- 
toden. Die  der  Gordiaceen  (vergl.  Meissner)  sind  sehr  feine  nadel- 
oder  haarförmige  Stäbchen.  Aehnlich  sind  die  der  Daphnoiden  und 
Cyclopiden.  —  Die  zellenförmigen  Samenelemente  der  Dekapoden 
sind,  wie  zuerst  Henle  und  Kölliker  zeigten,  mit  zarten  faden- 
förmigen Ausläufern  besetzt,  sogenannte  S  trab  lenz  eilen.  Doch 
kommen  auch  andere  Zoospermien  vor:  i\  Siehold  sah  sie  bei 
Crangon  und  Palaemon  von  Gestalt  j)lattgedriickter  Bläschen ,  aus 
deren  Mitte  eine  kurze  Spitze  hervorragt.  Ich  sah  ebenfalls  die  des 
Pagunis  (im  September)  von  ähidicher  Form :  es  waren  konische  Kör- 
perchen, scharf  conturirt  und  an  der  Basis  mit  einer  Art  Teile  ver- 
schon,  welche  wie  ein  Fleck  sich  ausnahm. 


Zoospermien.  '  533 

Die  Samenelemente  der  genannten  Phylloporlen  stellten  sich  als  bläschen- 
förmige Körperchen  mit  einem  hellen  Fleck  dar,  der  mir  nicht  kernartig,  sondern 
mehr  wie  eine  Vertiefung  vorkam.  Die  Zoospermien  der  Daphnien  scheinen  nach 
den  einzelnen  Arten  kleine  Abänderungen  zu  zeigen;  v.  Siebold  nämlich  sah  sie 
bei  Dap/i7iia  recürostri-i  von  länglicher,  halbmondförmig  gekrümmter  Gestalt,  wäh- 
rend ich  in  v((rigem  Herbste  an  den  Männchen  zweier  Spezies  bemerkte,  dass  sie 
bei  der  einen  Art  (D.  jmlex)  kurze,  aber  gerade  cylindrische  Gebilde  waren,  an 
dem  einen  Ende  mit  einem  dunkleren  Fleck,  hingegen  bei  der  anderen  Art  {D.  nima) 
erschienen  sie  bei  gleicher  Grösse  als  birnförmig  ausgezogene  Körperchen.  Ausser- 
halb des  Thieres  blähten  sie  sich  bald  zu  zellcnähnlichen  Formen  auf.  Von  Thieren, 
der  D.  pulex,  welche  einen  Tag  lang  in  sehr  verdünnter  doppelt  chromsaurer  Kali- 
lösung gelegen  waren ,  unterschied  man  an  den  Zoospermien  ein  cylindrisches, 
dunkles  «täbchen  und  einen  hellen,  häutigen  Saum,  welcher  meist  in  einer  Krüm- 
mung über  das  Stäbchen  hinzog.  Von  ähnlicher  Form  finde  ich  auch  die  Zoo- 
spermien des  Cyclops  quadricorni^ ;  sie  bestehen  aus  einem  glänzenden,  länglichen 
Körperchen,  das  eine  noch  dunklere  Verdickung  hat,  die  Enden  gehen  in  eine 
membranartige  Fortsetzung  aus,  das  ganze  Zoosperm  hat  die  Gestalt  eines  läng- 
lichen PUlttchens,  dessen  einer  Rand  verdickt  ist.  Das  Plättchen  erscheint  einmal 
um  sich  gedreht. 

Eine  eigenthümliche  Form  von  Samenelementen  procluzirt  Ixodes: 
lange,  helle  Cjlinder,  die  an  dem  einen  Ende  kolbig  angeschwol- 
len sind. 

Zoospermien  mit  undulirender  Membran  wurden  aus  der 
Reihe  der  Wirbellosen  bis  jetzt  nur  bei  Rotatorien  und  den  Cypriden 
gefunden.  Die  letztgenannte  Thiergruppe  zeichnet  sich  auch  durch 
die  absolut  grössten  Zoospermien  aus:  sie  erreichen  bei  Cyjyris  ovum 
die  3  —  4fache  Länge  des  Thieres.  Von  riesiger  Länge  (über  1'") 
sind  sie  auch  bei  den  Chilopoden ;  diesen  zunächst  stehen  die  Samen- 
elemente mancher  Lisekten  und  Gasteropoden ,  welche  ebenfalls  nicht 
selten  bis  zu  V"  Länge  messen. 

Bei  einigen  Wirbellosen  enthält  der  Samen  Zoospermien  von 
zweierlei  Art,  eine  Erscheinung,  die  als  sehr  auffällig  bezeichnet 
werden  muss.  Längere  Zeit  hindurch  war  nur  Paludina  vivipara  in 
dieser  Beziehung  bekannt,  wo  sich  mit  den  gewöhnlichen  haarförmigen 
Elementen ,  deinen  verdicktes  Kopfende  spiralige  Windungen  zeigt, 
noch  längere  wurmförmige  Zoospermien,  an  einem  Endtheil  in  mehre 
zarte  Fäden  auslaufend,  finden.  Gegenwärtig  kennt  man  noch  zwei 
andere  Thiere,  welche  dasselbe  Phänomen  sehen  lassen:  das  Männchen 
von  Notommata  Si'eboldu  hat  ausser  den  länglichen,  meist  sichelföi'mig 
gekrümmten  Zoospermien,  welche  an  dem  einen  liand  in  eine  undu- 
lirende  JMembran  ausgehen,  noch  zweitens  scharf  conturirte  Stäbchen 
mit  einer  mittleren  leichten  Anschwellung.  Dann  haben  wir  durch 
W.  Zenker  erfahren,  dass  der  Samen  des  Asellus  aquaticus  aus  sehr 
langen  haarffirmigen  und  kürzeren,  dickeren  keulenförmigen  Zoosper- 
mien zusammengesetzt  sei.  Vielleicht  müssen  auch  dem  Oniscus  mu- 
rarius  zweierlei  Zoospermien  zugeschrieben  werden,  denn  ausser  den 
bekannten,  so  sehr  langen,  fadenförmigen  findet  sich  noch  eine  zweite 


534 


Von   den   Geschlechtsorganen   der  Wirbellosen. 


Art  kugelförmiger^  welche  genauer  beti^achtet  die  Gestalt  haben ,  wie 
sie  Leucl-art  von  denen  des  Julus  terrestris  (Art.  Semen  in  d.  Cycl.) 


Fig.   261, 


A 

Von 

B 

Von 

C 

Von 

D 

Von 

E 

Von 

F   Von 

G  Von 
H  Von 
.1    ^'on 


Einige    Formen    von    Zoospermien. 
Arguhis   foliacois  :    a,   b   EntwicI^liingszellen,   c  freies  Zoosperm. 
Cercopis    spiunaria ,     wie    sie    nm    einen   Achsenstrang    heiiiiu  'zii  feder- 

fönnigen    Massen   verbunden   sind. 
Bnllaea  aperta. 

Clepsine  (Spec.  ?):    a  Bündel,    b  einzelne  Samenelemcnto. 
Notomniata  Sieboldii :  a  Entwickhingszellen,  b  dieselben   im  Auswachsen 

begriffen,  c  Auftreten  des  uiidulirenden  .Saumes,   d  reil'e,   flimmernde 

und  stäljchcuförmige  Zoospermien. 
Araehniden  :      a   von    ICpeira,    b   von   Dysdcra,    c  von   Clubioua,    d   von 

Phalangium. 
Ixodes  testudinis  :    a  Entwicklungszellen ,    b  ausgebildete  Zoospermien. 
Cypris  acuminata  (nach    W.  Zenker). 
Tabulina  vivipara,    die   beidt'rlei    I"'ormcn. 


u;i-  iSamcii- 
enieiite. 


Zoospermien.  535 

darstellt.  Diese  zweite  Art  keimt  in  den  drei  blinden,  oft  noch  in 
eine  oder  mehre  Blasen  endigenden  Anhängen  der  Hodenspitze,,  wäh- 
rend die  fadenförmigen  aus  den  grossen  Zellen  des  eigentlichen  Hoden- 
körpers hervorgehen. 

§.  473. 

Wenn  wir  uns  um  die  genetische  Beziehung  bekümmern,  in  welcher  >:i'isiei,nn 
das  ausgebildete  Zoosperm  derWirbelthiere  und  Wirbellosen  zur  elemen-  ei' 
taren  Zelle  steht,  so  zeigt  sich,  dass  sich  den  hierüber  angestellten  Unter- 
suchungen bis  jetzt  kein  allgemeines  Schema  hat  abgewinnen  lassen;  es 
scheinen  im  Gegentheil  mehre  Typen  durchzugreifen.  Bei  manchen  For- 
men nämlich  bildet  sich  das  ganze  Zellenbläschen  durch  bestimmte 
Veränderungen,  Auswachsen  u.  dergl.  in  das  Zoosperm  oder  Samen- 
körperchen  um  ;  letzteres  entspricht  mithin  einer  metamorphosirten 
kernhaltigen  Zelle,  so  bei  Nematoden,  Paladina  vivipara,  CymhuUa, 
Tiedemannia,  unter  den  Turbellaricn  bei  Mtcrostomum*),  {Reichert, 
Leydig,  Gege7tJ>aur)\  es  bleibt  auch  wohl  eine  Trennung  in  Membran 
und  Inhalt  zurück,  wie  ich  z.  B.  von  denen  des  Ixodes  beschrieben,  ja 
selbst  der  Nucleus  erhält  sich,  Beispiel:  Notommata.  Häufiger  schei- 
nen die  Samenelemente  nur  umgewandelte  Kerne  vorzustellen,  was 
wohl  bei  den  meisten  Thiergruppen  der  Fall  ist;  Kölliher  möchte 
diesen  Typus  auf  die  ganze  Thierreihe  ausgedehnt  wissen.  Endlich 
drittens  weisen  manche  Beobachtungen  darauf  hin ,  dass  die  Samen- 
elemente innej'halb  der  Zellen  in  Bläschen  entstehen,  welche  den 
„Sekretbläschen''  verglichen  werden  können;  unter  diesen  Ge- 
sichtspunkt möchte  ich  wenigstens  die  Angaben  Leuckart^s  bringen. 
Er  betrachtet  die  Samenkörperchen  als  Neubildungen  aus  dem 
Inhalte   von  Samenzellen. 

Die  Samenelemente  vieler  Krustenthiere  (der  Myriapoden,  Deka- 
poden, Amphipoden  etc.)  zeigen  keine  Bewegung,  sind  starr.  Da 
man  indessen  wahrgenommen  hat,  dass  gar  manche  Zoospermien  zwar 
innerhalb  des  männlichen  Thiercs  zu  keiner  selbstthätigen  Bewegung 
kommen,  wohl  aber  sobald  sie  in  den  weiblichen  Körper  übergeführt 
wurden  (z.  B.  bei  Ixodes,  den  Cypriden) ,  so  darf  vermuthet  werden, 
dass  auch  von  den  andern  „starren"  Formen  noch  eine  ähnliche  Weiter- 
bildung bekannt  wird. 

Die  neueren  Erfahrungen  über  die  Rolle,  welche  die  Zoospermien 
bei  der  Befruchtung  spielen,    haben,   was  schon  oben  erwähnt  wurde, 


*)  An  Microsiomum  lineare  weiiigsten.s  kann  ich  die  Mittheilungen  Schnitze's 
über  die  Si)ermtitozoiden  und  ihre  Eutwicklungsfornien  (Arcli.  f.  Naturgcsch.  1849. 
S.  283)  bestätigen.  Nur  sali  ich  bis  jetzt  noch  nicht  den  eigenthünilichen  bröck- 
lichen  Inhalt,  welchen  er  zeichnet,  die  Zoospermien  waren  vielmehr  ganz  homogen 
und  von  den  Umrissen,  wie  sie  Schnitze  a.  a.  O.  Fig.  4  c  zeichnet.  Alle  unter- 
suchten  Individuen  verniclirtcn  sich   auch   durch  Theilung. 


phi'i  eil. 


536  Von  den  fleschlechtsorganen  der  Wirbellosen. 

Erwiesen,  dass  die  Samenl<örpcrchen  bei  der  Befruchtung  in  das  Innere 
dies  Eies  eindringen  und  allmählich  im  Dotter,  in  Elementarkörner 
zerfiiUend,  verschwinden.  Man  sah  diesen  Vorgang  an  den  Eiern  des 
Frosches,  am  Kaninchenei,  bei  Insekten,  Würmern  u.  s.  w.  {New- 
port,  Bischoff j  Leuckart ,  Meiss7ier,  Nelson  u.  A.). 
spermau..  Pas  zülie,  strukturlose  Sekret  aus  den  männlichen  accessorischen 

Geschlechtsdrüsen  tritt  bei  vielen  Wirbellosen  mit  den  Samenelementen 
in    eine    innigere  Beziehung,    als    solches    bei    den  Wirbelthieren   der 
Fall   ist.     Es    wird    iiämlich    eine  Portion  von  Zoospermien   von    dem 
erhärtenden  Sekret    meist  wie    von    einem  Schlauch    umhüllt    und    da- 
durch  sog.  S  permatop  1)  ore  n'  gebildet.      Eine    die  Erzeugung  der 
Spermatophoren  vorbereitende  Bildung   sind  wohl  die  von  Leuckart 
mit  dem  Namen  „Samenstäbchen"    belegten  Massen  von  Samen- 
körperchen,  welche  unter  Vermittlung  eines  gemeinsamen  Bindemittels 
zu  strangartigen  Gebilden  verbunden    sind;    sie  finden   sich   z.  B.  bei 
Hirudlncen,    Insekten,    wo    sie   namentlich    bei    den    Schmetterlingen 
lange,  wurmförmige  Körper  darstellen.     Die  „Samcnstäbehen"    bilden 
sich   gleich    in    den    aus    den  HodenfoUikehi   führenden    Gängen.     An 
der  Schaumcicade  (Cercopis  sjjumaria)  habe  ich  beobachtet,    dass  die 
fadenförmigen  Zoospermien    sich    zu   federartigen  Gebilden  gruppiren, 
als   deren   x\chse    ein  besonderer   heller,  homogener  Cyllnder    funglrt. 
Aehnliche    fcderförmige  Gruppen    von    Spcrmatozoiden    hat    von    den 
Locustinen    früher    schon    v.    Siebolcl,    von    Tettigonkt    Dujardin 
beschrieben.     Sie    sind   offenbar   für   modifizlrte  „Samenstäbchen"  an- 
zusehen.   Von  Interesse  ist,  dass  nach  den  Mittheilungen  von  W.  Zen- 
ker  die   kolossalen    Samenfäden  von   Cupris  immer  je    einer   für  sich 
von  dem  Sekret  der  „Schleimdrüse"  hautartig  umhüllt  werden  und  erst 
im   weiblichen   Körper  diese  Hülle    abstreifen,    wie  ja    auch    liier   die 
anderen    Spermatophoren   bersten    und   die    Zoospermien   frei   werden 
lassen.     Bis  jetzt   sind  Spermatophoren    bekannt  von  den  Cephalo- 
poden,  hier  iieissen  sie  nach  ihrem  ersten  Beschreiber  Neerdham- 
sche  Körper,  wurden  früher  häufig  für  besondere  Thiere  gehalten  und 
bei    ihnen   bringen  die  Sekretstoff'e    ausser   der  allgemeinen  Hülle  des 
Schlauches  eine   zusammengesetztere  Bildung,    einen   projektllen,    aus 
einem    elastischen   Spiralbande    bestehenden   Apparat  zu  Wege    (hier- 
von Abbildungen  und  Beschreibung  besonders  genau  bei  Milne  Ed- 
wards,   Ann.  d.  sc.  nat.  Tom.  XVIII);    bei  den  Insekten  wurden 
ausser  den  Genannten    durch    Stein  von  befruchteten  Käferweibchen 
Spermatophoren  angezeigt.     Sie  gelangen  bei  dem  Begattungsakte  in 
die  Bursa  cojmlatr ix ;  neuerdings  hat  Lesp^s  (Compt.  rend.  10.  1855) 
Spermatophoren  der  Grillen  beschrieben,  welche  von  dem  Männchen 
an  die  (Jeschlcchtsöffnung  des  Weibchens  angeklebt  werden   und  erst 
nach  längerer  Zeit  die  Samenelementc  austreiben,  die  dann  innerhalb 
der  weiblichen  Genitalien  beweglich  werden.     Unter  den  K  rüsten - 
thieren  kommen  Ix'i  (>inigen  Cyklopiden  (C'^c/oyM'me)   ebenfalls  solche 


Spermatophoren.  537 

Bildungen  vor,  welche  den  Weibchen  bei  der  Begattung-  angehängt 
werden.  Sie  wurden  schon  von  den  älteren  Naturforschern,  welche  die 
Entomostraca  studirten,  abgebildet,  aber  erst  v.  Siehold  hat  die  wahre 
Bedeutung  derselben  ins  Licht  gesetzt.  Bei  dem  gemeinen  Flusskrebs 
wird  zuweilen  der  ganze  Inhalt  des  Samenleiters  in  einen  einzigen 
sehr  langen  Schlauch  eingeschlossen ;  gewöhnlich  aber  trennt  sich  der 
Inhalt  des  Samenleiters  in  einzelne,  hintereinander  gelegene,  kleinere 
Partien,  von  denen  dann  eine  jede  einzelne  von  einem  Samenschlauch 
umhüllt  wird  {Leuckart).  Aus  der  Klasse  der  Anneliden  habe 
ich  Spermatophoren  von  Piscicola  beschrieben,  Fr.  Müller  und  Max 
Schnitze  haben  sie  bei  Clepsine  complanata  beobachtet,  unter  den 
Strudelwürmern  hat  sie  der  letztgenannte  Autor  bei  Planaria 
torva  gesehen. 

Die  Art  und  Weise ,  wie  der  Samen  bei  der  Begattung  in  die  weiblichen 
Theile  gelangt ,  ist  bei  mehren  Wirbellosen  eine  höchst  eigenthiiniliche.  Die 
Uebertragung  geschieht  nämlich  bei  Libellen,  den  Spinnen,  dem  Argulus  und 
manchen  Cephalopoden  nicht  durch  einen  Penis,  der  zunächst  der  Mündung  der 
Samenleiter  angebracht  wäre,  sondern  jene  die  Rolle  einer  Ruthe  spielenden  Organe 
liegen  ganz  entfernt  von  der  Samenleiteröffnung.  Bei  den  männlichen  Libellu- 
liden  steckt  der  Ruthenapparat  an  der  Basis  des  Abdomens  in  einer  Grube  ver- 
borgen, während  die  Samenleiter  am  Hinterleibsende  münden.  Die  Männchen 
müssen  sich  daher  zur  Begattung  dadurch  voi'bereiten,  dass  sie  durch  Umbeugen 
ihres  Hinterleibes  gegen  die  Basis  des  Abdomens  den  Ruthenapparat  mit  Samen 
füllen.  Bei  der  Begattung  beugt  dann  das  Weibchen  seine  Gesclilechtsöfi'nung 
gegen  diese  Theile  hin.  Die  männlichen  Spinnen  gebrauchen  ihre  Palpen  als 
Ruthen,  worüber  man  die  Wittheilungen  von  Menge  vergleichen  möge.  Das 
Männchen  des  Argulus  foliaceus  besitzt  am  vorderen  Rand  des  letzten  Fuss- 
paares  vor  der  Theilung  desselben  in  die  Ruderglieder  einen  Höcker,  der  in  einen 
bräunlich  gefärbten,  gekörnelten,  nach  unten  und  einwärts  gekrümmten  Hacken 
endet.  Diesem  Höcker  sammt  Hacken  entspricht  am  hinteren  Rande  des  vorletzten 
Fusspaares  eine  eigenthümliche ,  vorspringende  Kapsel  ,  die  von  rundlich  drei- 
eckiger Gestalt  ist  und  deren  Innenfläche  eine  gebuchtete  Be.?chatfenheit  hat.  Auch 
ihre  nach  oben  gelegene  Oeftnung  hat  geschweifte  Ränder.  Vor  der  Begattung 
füllt  das  Männchen  nun  durch  Umbeugen  des  vorletzten  Fusspaares  an  die  Aus- 
mündungsstelle der  Ductus  deferentes  die  bezeichnete  Kapsel  mit  Samen  und  bringt 
sie  dem  Weibchen  an  die  Papille  der  Samentasche.  In  ähnlicher  Art,  wie  bei 
Argulus  ein  Fusspaar  die  Function  einer  Ruthe  vollführt,  so  geschieht  das  auch 
bei  einigen  Cephalopoden.  Die  Männchen  haben  dann  einen  eigenthümlich  ge- 
bauten Arm,  der  vom  Hoden  den  Samen  aufnimmt  und  denselben  in  die  weiblichen 
Generationsorgane  schaffet.  Diese  Begattungsweise  der  Cephalopoden  war  bereits 
Aristoteles  bekannt,  später  in  Vergessenheit  gerathen ,  und  da  der  Arm  bei  der 
Begattung  vom  Männchen  sich  ablöst  und  häufig  auf  dem  Weibchen  ein  fast 
individuelles  Leben  führend  gefunden  wird,  so  hielt  man  einen  solchen  Arm 
für  einen  Parasiten  und  schuf  dafür  den  Namen  Hectocotylus.  Es  hatte  zwar 
Dujärdin  die  Vermuthung  ausgesprochen,  dass  die  Hectocotylen  behufs  der  Be- 
fruchtung losgestossene  Theüe  der  Cephalopoden  wären ,  doch  wurde  erst  durch 
neuere  Beobachtungen,  die  von  de  Filippi  und  Verany  ausgingen,  jene  Angabe 
des  Aristoteles  wieder  in  ihre  Rechte  eingesetzt,  indem  man  die  Hectocotylen 
als  die  Arme  der  Tintenfische  erkannte. 


Geachleclits 
apparat. 


538  Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbellosen. 

§.  474. 

Weiblicher  Dic    w  e  i  b  1 1  c  li  6 11    G  c  11  e  r  a  t  i  o  n  s  \v  c  r  k  z  e  u  g  e    anlangend ,    so 

repräsentirt  bei  den  Protozoen  der  sog.  Nadeus ,  welcher  selbst  wie- 
der eine  Scheidung  in  helle  Membran  und  körniges  Contentum  auf- 
zeigt [Vorticella,  Loxodes  z.  B.),  eine  Art  Keirastock,  da  von  ihm 
aus,  wahrscheinlich  durch  Theilung  die  Vermehrung  sich  macht. 
Vielleicht  hat  der  „Kern"  der  Infusorien  bei  manchen  Individuen  eine 
andere,  aber  ebenfalls  mit  der  Fortpflanzung  verwandte  Bedeutung. 
Joh.  Müller  nämlich  hat  an  Paramaecmm  aurelia^  Lach-mann  und 
Clarapede  bei  Chilodon  cucidlulus  beobachtet,  dass  der  Inhalt  des 
„  Kerns '^  aus  einem  Bausch  von  Locken  gekräuselter  Fäden  gebildet 
wurde;  Lieherhühn  sah  die  Anhäufung  gekräuselter  Fäden  bei 
einem  der  Koljjoda  ren  nahe  stehenden  Infusorium  nicht  im  Kern 
selbst,  sondern  in  dem  sog.  Kernkörperchen  (Monatsber.  d.  Akad.  d. 
Wiss.  zu  Berlin,  10.  Juli  1856).  Obschon  Joh.  Müller  hierzu  be- 
merkt, es  sei  unnöthig  und  vorzeitig,  für  jetzt  weitere  Schlussfolgen 
aus  diesen  Beobachtungen  zu  ziehen ,  so  konnte  ich  mir's  dennoch 
nicht  versagen,  diese  wichtigen  Thatsachen  hier  aufzunehmen,  da 
allzunahe  liegt,  dass  sie  mit  der  Auffassung  Ehr enherg^ s,  welcher 
das  fragliche  Organ  „Samendrüse"  nennt,  möglicherweise  sich  ver- 
einigen lassen. 

Nach  früheren  Untersuchungen  an  F[ydren  schien  es  mir,  als  ob  die 
Eier  in  der  zelligen  äusseren  Haut  entstehen,  jedoch  melden  Eougei 
und  Ecker^  dass  fragliche  Organe  unter  der  äusseren  Körperhülle  ihren 
Ursprung  nehmen,  so  dass  also  schon  hier,  sowie  bei  allen  anderen 
Wirbellosen  eine  Mitbetheiligung  von  bindegewebigen,  stützenden  Häu- 
ten angenommen  werden  darf.  Das  Bindegewebe  unter  der  Form 
von  Röhren  und  Säcken  das  Gestell  bildend,  an  dem  die  Eier  keimen, 
zeigt  gerne  eine  DifFerenzirung  in  eine  innere,  rein  homogene,  scharf 
conturirte  Lage,  Tunica  propria,  und  eine  äussere,  lockere  und  zartere 
Schicht,  welche  mit  der  interstitiellen  Bindesubstanz  des  Körpers  in 
Verbindung  tritt.  Sie  ist  es  auch,  in  der  die  etwa  vorhandenen  indi- 
vidualisirten  Blutgetässe,  bei  den  Cephalopoden  z.  B. ,  verlaufen, 
ebenso  die  Tracheen  der  Arthropoden;  auch  Avcnn  dic  Ovarien 
Muskeln  besitzen,  wie  die  Eiröhren  der  Insekten,  so  sind  die  con- 
tractilen  Elemente  in  diese  Haut  eingelegt.  Die  Muskeln  an  dem 
Eierstock  der  Insekten  sind  quergestreift  und  veiästelt.  Das  Ovarium 
der  Holothurien  besitzt  ebenfalls  eine  Muskclhaut.  Auch  im  Falle 
der  Eileiter  sich  um  den  Eierstock  herum  zu  einer  besonderen  Kapsel 
ausdehnt,  wie  bei  Cephalopoden,  dem  Argulus  z.  J). ,  ist  diese 
Hülle  mit  Muskeln  versehen.  Die  Zellen  an  dw  Innenfliiche  der 
Tunica  propria  liefern  die  Eier. 

lieber  die  zarten  Fäden,  welche  die  beiden  Ovarien  der  Insekten  an  den 
Thorax  befestigen,  vergl.  Lcydhj   in    iNIüll.  Arcii.    1855  S.    l.'i'.'. 


Ovarien, 


'Scheide,   Uterus.  539 

Am  Eileiter  der  verschiedensten  Wirbellosen  sind  Muskel-  Eneuer. 
schichten  eine  gewöhnliche  Zugabe;  die  Epithelzellen,  welche  die 
Ovidukte  auskleiden,  flimmern  bei  vielen  Mollusken.  Wie  nun  über- 
haupt die  Eileiter  eine  ganz  ähnliche  histologische  Differenzirung 
zeigen,  wie  die  Wandungen  des  Darmes,  so  kehrt  bei  den  Arthro- 
pode n  auch  wieder,  dass  ausser  dem  Bindegewebe,  den  Muskeln, 
den  Zellen  noch  eine  homogene  Intima  auftritt,  die  mit  der  Cuticula 
der  äusseren  Haut  in  Continuität  steht ,  auch  ganz  dieselben  Modi- 
ficationen  darbieten  kann ,  wie  die  Intima  des  Nahrungsrohres  oder  die 
Cuticula  der  äusseren  Bedeckung,  sie  ist  demnach  hier  dünner,  dort 
dicker,  bald  weicher,  bald  verhornter,  einfach  glatt  oder  mit  zelliger  Zeich- 
nung, und  anderen  Skulpturen  versehen,  sie  hat  z.  B,  bei  vielen  Käfern 
(vergl.  ßt 61718  Monographie)  ähnliche  stachelige  und  schuppenförmige 
Auswüchse  wie  die  äussere  Haut.  Merkwürdig  sind  ferner  die  unter 
der  Intima  befindlichen  Zellen,  bei  Geotrupes  stercorarius  z.  B.  sehr 
gross  und  kugelförmig  von  Gestalt  werden  sie  zu  einzelligen  Drüsen, 
indem  auf  ihrer  äusseren  Wand  sich  das  spiralförmig  zusammengerollte 
Ende  eines  feinen  chitinisirten  Ausfülirungsganges  verbreitet,  der  an 
der  Intima  sich  öfl:net. 

§.  475. 

An  der  Scheide  (der  Käfer)  sind  dieselben  Schichten  vorhanden,  scheide. 
wie  am  Eileiter ;  die  Muskellage  zeigt  hier  die  mächtigste  Entwicklung, 
besonders  an  der  eigentlichen  Scheide,  w^eniger  an  der  Begattungs- 
tasche; die  Zellen  treten  im  Allgemeinen  zurück,  sind  jedoch  in  der 
Begattungstasche  von  Meloe,  Notoxus,  Hylohius  z.  B.  sehr  entwickelt; 
die  Intima  hat  grössere  Dicke  und  Festigkeit,  ist  mehr  „verhornt", 
kann  der  äusseren  Chitinhaut  an  Farbe  und  Consistenz  ganz  gleich 
werden.  Näheres  über  die  Form  der  Auswüchse  der  Intima  bei 
Stein  a.  a.  O. ,  wo  eine  Menge  interessanter  Einzelheiten  niedergelegt 
sind.  Auch  die  Elemente  der  Zellenlage  können  zu  einzelligen  Drü- 
sen werden,  wovon  der  genannte  Autor  ein  hübsches  Beispiel  am 
Carahis  hortensis  und  C.  granidatus  nachweist. 

Weitet  sich  bei  Wirbellosen  der  Eileiter  zu  einem  als  Uterus  iterus. 
geltenden  Abschnitt  aus,  so  bleibt  doch  an  ihm  im  Wesentlichen  die 
Struktur  des  Eileiters,  bei  Paludina  vivipara  z.  B.,  wo  der  Uterus 
die  Gestalt  eines  weiten,  häutigen  und  verhältnissraässig  sehr  dünn- 
wandigen Sackes  hat,  ist  er  äusserlich  überzogen  von  dem  gemein- 
schaftlichen Eingeweidesack  oder  dem  Bauchfell,  ferner  unterscheidet 
man  eine  Muskelhaut  und  Schleimhaut.  An  der  Innenfläche  des  Uterus 
bemerkt  man  eine  Falte ,  welche  von  der  inneren  Ecke  der  Bursa 
seminis  aus,  am  Spindelrande  hervorzieht,  bis  sie  in  eine  der  zahl- 
reichen Längsfalten  übergeht,  welche  die  Innenfläche  des  in  die 
Kiemenhöhle  mündenden  Uteruszapfens  auszeichnen.  Gegen  diese 
Längsf^dte  hin  ziehen  zahlreiche  Querfalten,  welche  sich  nur  bis  an 
den   Rand   der   unter    dem  Uterus    liegenden  Eiweissdrüse   erstrecken 


540  Von  den   Geschlechtsorganen  der  Wirbellosen. 

und  dann  sich  verlieren.  In  der  Längsfalte  des  Uterus  erblickt  man 
bei  mikroskopischer  Untersuchung  einen  hellen  Raum,  um  den  sich 
feine  Muskelröhren  geflechtartig  herumziehen,  und  im  Raum  selber 
zahlreiche  Blutkörperchen.  Es  liegt  sonach  in  der  Längsfalte  des 
Uterus  ein  Gefäss  und  wirklich  füllt  sich  auch  bei  Leirainjectionen 
dieser  Raum  als  Arterie,  von  welcher  die  ziemlich  starken,  auf  der 
oberen  Wand  des  Uterus  verlaufenden  und  •  sich  dort  verästelnden 
Arterlen  ausgehen. 

Die  rundlichen  Epithelzellen ,  glashell  oder  mit  gelbkörnigem  In- 
halt erfüllt ,  wimpern ;  Drüsen  mangeln.  Heli.r  hingegen  hat ,  wie 
H.  Meckel  angiebt,  kleine  Drüsenfolhkcl  mit  körnerhaltigem  Epithel. 
Der  Uterus  der  Hyaleen  besteht  nach  Gegenhaur  aus  homogener 
Grundmerabran ,  einem  Beleg  von  circulär  verlaufenden  Muskelfasern 
und  einer  inneren  Auskleidung  kleiner,  wimpernder  Cylinderzellen ; 
auf  der  Oberfläche  ist  er  pigmentirt  und  unter  seiner  faltigen  Innen- 
fläche besitzt  er  ein  stark  entwickeltes ,  unter  dem  Epithel  lagerndes 
Zellstratum  mit  granulirter  Substanz  (ist  das  Aequivalent  der  Eiweiss- 
drüse   der   Gasteropoden   G.). 

Bei  Cyclas  entwickeln  sich  die  Embryonen  in  eigenen,  in  die  Kiemen  hinein- 
ragenden Taschen.  Diese  Bruttaschen  wimpern  weder  aussen  noch  innen  und 
haben  an  ihrer  Innenfläche  eine  sehr  merkwürdige  Zellenlage,  welche  wahr- 
scheinlich die  Absonderung  der  hellen  P'lüssigkeit  besorgt,  in  der  die  Früchte 
schwimmen.  Die  Zellen  sind  von  verschiedener  Grösse,  die  kleinen  haben  den 
gewöhnlichen  Charakter  elementarer  Zellen,  die  grösseren,  iiis  Innere  der  Brut- 
tasche knospenartig  vorspringend,  zeigen  eine  äussere  Eiweisszone ,  die  sehr  wenig 
dem  Wassereinfluss  widersteht  und  bald  bedeutend  aufquillt,  dann  einen  körnigen 
Inhalt ,  in  welchem  eine  ungewöhnlich  starke  \  ermehrung  der  Kerne  statt  hat 
(man  zählt  20  und  mehr) ,  ohne  dass  die  Inhaltskörperchen  sich  um  die  neuen 
Kerne  geballt  hätten. 

§.  476. 
z.v,tter,irü!>e.  Blldcn  slcli  ^Samcu    und  Ei  in  einem    und  demselben  Individuum, 

ist  sonach  das  Thier  Zwitter,  so  kann  Hoden  und  Eierstock  von 
einander  gesondert  sein  (z.  B.  bei  den  hermaphroditen  Muscheln, 
Cyclas,  Pecten,  Cardium,  Ostrea),  oder  beide  vereinigen  sich  zu  einer 
Drüse,  sog.  Zwitterdrüse,  z.  B.  bei  Synapta,  vielen  Gasteropoden 
und  Pteropoden.  Bei  Synapta  gehen  In  den  Geultalschlauch  die  Ho- 
den als  gekrauste  Längsstreifen,  4  —  5  an  der  Zahl,  herab.  Zwischen 
den  Falten  der  jedesmaligen  Krause,  nicht  aber  im  Raum,  der  zwi- 
schen den  vier  Längskrausen  bleibt,  liegen  die  Eier,  aber  beide  Pro- 
dukte sind  durch  homogene  Häute  auseinander  gehalten  ;  auch  In  der 
Zwitterdrüse  der  Gasteropoden  werden  die  Bildungsstätten  der  Zoo- 
spcrmien  von  den  Keimstellen  der  Eier  durch  helle,  dünne  Membra- 
nen geschieden.  Die  Drüse  hat  traubige  llmrisse  und  l)el  den  He- 
lices  ziemlich  lange  Drüsenschläuche  ;  in  jedem  einzelnen  End- 
schlauch entstehen  zu  äusserst  die  Eier  und  Im  inneren  Baum  die 
Samenelemente,  jeder  Äcinus  ist  somit  aus  einer  (Jvarial-  und  Hoden- 


Zwitterdrüse. 


541 


Fig.  262. 


Ein    Stück    Innenfläche    vom  Gc  ni  talsohlauch    der    Synapta  digitat; 
a  die  Hoden,    b  die  Eier,  c  Zoospermien,   isolirt.     (Starke  Vergr.) 

Fig.   263. 
a. 


..a 


;    b 


Ein   T^üppchen    der    Zwitterdrüse    von    T  hyllirr  Ime  Im  ce  ]i  1' a  i  n  ni. 

aa  Eibildende  Abtlieilung    derselhon ,    bb  sanienljcreitcnder  Abschnitt    mit  ISpcrm:'.- 

tozoidenbüscheln,    c  Lninen   des  Zwitterdrüseiiläppcliens  nahe  an   der   Vereinigungs- 

stelle  sämmtlicher  Läppchen  der  Drüse,  d  einlache  Membran.  (Nach  G egenhaiir) 


542  Von  den  Geschlechtsorganen   der  Wirbellosen. 

abthellung  zusammengesetzt,  oder  wie  man  das  Verhältniss  gewöhnlich 
bezeichnet:  der  samenproducirende  Follikel  erscheint  in  den  Eiersack 
eingeschachtelt.  Einen  anderen  Typus  repräsentirt  unter  den  Gastero- 
poden,  wie  wir  durch  Qegenhaitr  wissen,  Äctaeon,  wo  die  Eier  und 
Samenelemente  bereitenden  Follikel  von  einander  getrennt  sind  und 
selbständige  Drüsen  bilden,  aber  so  nebeneinander  verlaufen,  dass 
sie  ein  einziges,  vielfach  verästeltes  Organ  vorstellen.  Wenn  die  von 
Kölliker  gegründete  Gasteropodengattung  Rhodope  wirklich  ein 
Mollusk  ist,  so  reiht  sie  sich  Actaeon  darin  an,  da  auch  bei  ihr  die 
Production  männlicher  und  weiblicher  Zeugungsstoffe  auf  verschiedene 
Acini  sich  vertheilt  findet,  (üebrigens  scheint  .Rhodope  kein  Mollusk, 
sondern  eine  Turbellarie  zu  sein.) 

Auch  der  aus  der  Zwitterdrüse  herausführende  Gang  sollte  nach 
der  Darstellung  H.  MeckeVs^  welcher  die  histologischen  Verhältnisse 
der  Zwitterdrüse  der  Gasteropoden  zuerst  erkannte,  eine  ähnliche 
Einschachtelung  zeigen ,  was  sich  indessen  nicht  bestätigen  lässt. 
Leucko.rt,  welcher  selbst  an  der  Zwitterdrüse  der  Gasteropoden 
die  M ecke V schall  Doppelfollikel  in  Abrede  stellt,  und  Gegen- 
haur  sahen,  dass  bei  Pteropoden  der  Ausführungsgang  der  Zwitter- 
drüse für  die  beiderlei  Geschlechtsprodukte  gemeinschaftlich  sei;  er 
bestehe  aus  homogener  Grundmembran ,  einem  Beleg  von  circulär 
verlaufenden  Muskelfasern  und  innerer  Auskleidung  wimpernder  Cy- 
linderzellen.  Dasselbe  gilt  für  den  Gang  aus  der  Zwitterdrüse 
bei  unseren  Helices ;  er  ist  für  Samen  und  Eier  gemeinsam  und 
H.  Meckel  hat  wahrscheinlich  den  äusseren  zumeist  aus  grossen 
Zellen  gebildeten  bindegewebigen  Ueberzug  für  einen  eigenen  Ductus 
genommen,  in  welchem  ein  flimmernder  und  innen  faltiger  Eiergang 
eingeschlossen  wäre.  Die  reifen  Eier  können  wahrscheinlich  auch 
hier  wie  bei  den  Pteropoden  nur  durch  ein  Platzen  der  Membran 
frei  werden,  welche  sie  innerbalb  der  Zw^itterdrüse  von  dem  Hoden- 
raum abgrenzt. 

Die  ebenfalls  mit  zwitterhaftem  Geschlechtsapparat  ausgestatteten 
Trematoden,  Cestoden  und  viele  Turbellarien  haben  das  Eigene,  dass 
anstatt  eines  einfachen  Eierstockes  ein  die  Eikeime  liefernder  Keim- 
stock und  ein  die  Dotterkügelchen  produzirender  Dotterstock  vorhan- 
den sich  zeigt. 

§.  477. 
ACCC8.  U]-,^  ^\[Q  Y\qy  mit  Eiweissumhüllungen    oder    mit  festeren  Schalen 

GeHciiiecht..  ZU  vcrsehcn,  sowie  um  die  gelegten  Eier  sowohl  unter  sich  als  auch 
an  fremde  Körper  anzid\itten,  dienen  acccssorische  Geschlechts- 
drüsen. Es  sind  bei  Lumbricinen  und  Hirudineon  einzelh'ge  Formen, 
bei  anderen  (Eiweissdrüse  der  Gasteropoden,  die  drüsigen  auf  dem 
Uterus  liegenden  Massen  bei  Lymnaeus,  Planorhis  etc.,  die  Eileiter- 
drüsen der  Cephalopoden ,  die  Schleim-  und  Kittorganc  der  Insekten) 
zusammengesetzte  Drüsen  von  mannichfachcn   äusseren  Umrissen.    Bei 


Samentasche.  543 

Mollusken  können  die  Sekretionszellen  wimpern,  bei  Paludina  vivipara 
z.  B.  Während  der  Gesclilcchtsthätigkeit  hat  bei  den  Helicincn  die  Ei- 
weissdrüse  ein  weisslich  gallertiges  Aussehen ,  da  sie  um  diese  Zeit  aus- 
schliesslich Eiweisskügelchen  produzirt;  im  November  aber  finde  ich 
sie  (bei  Helix  liortensis)  von  intensiv  gelber  Farbe,  und  die  Ursache 
hiervon  ist  eine  klar  zu  verfolgende  Fettmetamorphosc,  der  die  Ei- 
weisskügelchen unterliegen.  Uebrigens  ist  jetzt  der  folliculäre  Bau 
sehr  deutlich.  Von  den  Eiweissdrüsen  im  Eileiter  des  Frosches  wurde 
oben  dieselbe  Veränderung  gemeldet. 

Die  Wand  des  Pfeilsackes  der  Helicinen  besteht  aus  einer 
sehr  dicken  Muskellage,  dann  kommt  bei  Helix  hortensis  eine  schwärz- 
lich pigmentirte  Bindegewebsschicht  und  zu  innerst  das  aus  langen, 
schmalen  Cylinderzellen  zusammengesetzte  Epithel;  die  Zellen  haben 
nach  der  freien  Seite  hin  einen  gelbkörnigen  Inhalt  und  eine  Cuticular- 
schicht.  Der  sog.  Liebespfeil,  welcher  in  Form  eines  spiessartigen 
Gebildes  im  Lumen  des  Pfeiisackes  ruht,*)  gehört  seiner  Struktur  nach 
zu  den  Zellenabscheidungen,  was  sich  sehr  leicht  und  schön  verfolgen 
lässt.  Vom  Grunde  des  Pfeilsackes  nämlich  erhebt  sich  eine  Papille, 
welcher  der  Liebespfeil  mit  seiner  Basis  aufsitzt  und  umfasst.  Hat 
man  nun  letzteren  abgehoben ,  so  erblickt  man  um  das  Epithel  der 
Papille  herum  abgeschiedene  Lagen  einer  weichen  homogenen  Sub- 
staiiz  und  aus  eben  solchen  Lagen  besteht  der  Liebespfeil  nach  Aus- 
zug des  Kalkes  durch  Säuren.  Die  Bildung  des  Liebespfeiles  geschieht 
demnach  so,  dass  von  den  Epithelzellen  des  Pfeilsackes  Lagen  einer 
homogenen  Substanz  abgeschieden  werden ,  die  sich  mit  Kalk  in- 
crustiren.  An  dem  seiner  Kalksalze  beraubten  Liebespfeil  bemerkt 
man  auch  in  einzelnen  Fällen  da  und  dort  Zellenrudimente  in  den 
homogenen  Schichten,  die  in  mehr  zufälliger  Weise  hineingerathen 
sein  mögen,  ähnlich  wie  diess  oben  von  den  Kiefern  der  Helicinen, 
dann  vom  sog.  Hornbelag  im  Kaumagen  der  Vögel  u.  s.  w.  berichtet 
wurde.  Die  zierliche ,  cannellirte  Gestalt  dieses  Objektes  bei  ver- 
schiedenen Helices  bedingt  sich  durch  die  Form,  welche  das  Lumen 
des  Pfeilsackes  hat;  der  Liebespfeil  ist  nur  ein  Abguss  der  Lichtung 
dieses  Sackes. 

Häufig  steht  bei  Wirbellosen  noch  eine  Samentasche  {Recepta-  samen- 
culum  seminis)  mit  den  weiblichen  Leitungsapparaten  in  A  erbindung.'^'''') 
Bei  Turbellarien ,  Trematoden,  manchen  Krustenthieren 
scheint  sie  nur  aus  einer  homogenen  Haut  gebildet  zu  sein  (?),  bei 
anderen  Gruppen  hat  sie  einen  complizirteren  Bau,  bei  Gaste ro- 
poden  z.  B.  bindegewebige  Grundlagen  und  eine  wimpcrnde  zellige 


tasülie. 


*)    Ueber    die    verschiedene    Form    desselben    bei    den    Helices   vergl.   Adolf 
Schmidt  in  der  Zeitschr.   l'ür  Malakozool.   185-,    1853. 

**)    Bei    Wirbelthieren     kennt     man    mit    Sicherheit    noch    niclits    von    einem 
Receptaculum  seminis;    vergl.  was  darüber  oben  S.  519    bemerkt  wurde. 


544 


Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbellosen. 


Auskleidung.  Merkwürdig  ist  das  Becejjtacvlum  seminis  der  Insekten. 
Bei  Eristalis  tenax  z.  B.  folgt  auf  die  tracheenhaltige  Tunica  propria 
eine  dunkle  Zellenschicht,  die  Zellen  setzen  sich  in  den  Ausführungs- 
gang fort  und  werden  da  farblos  und  annähernd  cylindrisch.  Das  Lumen 
der  Samentasche  erscheint  von  einer  schwarz  gefärbten  Chitinhaut 
ausgekleidet,  so  dass  gewissermaassen  eine  zweite  Kapsel  zu  Wege 
kommt ,  deren  Fortsetzung  auch  im  Ausführungsgang  ein  inneres 
Chitinrohr  erzeugt.  Bei  vielen  Käfern  zeigt  sich  ebenfalls  die  Intima 
völlig  „verhornt",  von  F'arbe  rostroth  bis  schwarzblau,  auch  selbst  mit 
polygonaler  Zeichnung  (z.  B.  Gassida  equestris),  die  von  Stein  wohl 
irrthümlich  auf  eine  Zusammensetzung  aus  Zellen  bezogen  wird;  bei 
andern  hat  sie  gleich  vielen  Chitinhäuten  Stachelzähnchen  [Hister 
sinuatus  z.  B.).  Die  Form  der  Zellen  unter  der  Intima  wechselt, 
sie  sind  lang,  cylindrisch  bei  manchen  Käfern,  Carahus  cjranulatus 
z.  B. ,  mitunter  kommen  selbst  bei  einigen  Käfern  quergestreifte 
Muskelschichten  auf  dem  Receptaculum  seminis  vor  (s.  Einzelheiten 
in  der  Monogr.  von  Stein). 


Fig.   264. 


Samentasche    von    Eristalis    tenax. 
a    Tunica   propria,     b    Zellenschicht,    c    Intima. 

Auch  die  Anhangsdrüse,  Olandula  appendicularis  der  Insekten 
hat  eine  gleiche  Schichtung,  indem  sie  aus  Tunica  propria,  Zellen 
und  Intima  zusammengesetzt  wird.  Nennenswerthe  Modificationen 
sind  dann  wieder,  dass  um  die  Tunica  propria  herum  eine  Muskel- 
schicht sich  legen  kann,  ferner  dass  die  Zellen  zu  hübschen  einzelligen 
Drüsen  sich  umzugestalten  vermögen,  wovon  (nach  Stein)  Pterostichus 
ohlowjopunctatus  als  Beispiel  dient.  Eine  interessante  Zwischenstufe 
zwischen  einfacher  Intima  und  einer  von  den  Ausfühi'ungsgängen 
der    Drüsen     (luichsctzten     gewahre     ich     an     der    Anhangsdrüse     der 


Eier.  545 

Gastropacha  pini.  Hier  zeigt  sich  die  homogene  Intima  von  ver- 
hältnissmässig  weiten  Porenkanälen  durchlöchert;  stiidirt  man  darauf 
besonders  mit  Hülfe  von  ßeagcntien  die  Intima  im  Profil,  so  ergieht 
sich,  dass  von  jedem  Löchelchen  aus  die  Innenhaut  nach  den  Zellen  hin 
in  ein  kurzes  Röhrchen  sich  verlängert  und  ich  vermuthe,  dass  zu 
je  einer  Zelle  ein  solcher  Ausführungsgang  gehört. 

Fig.  265. 


Ein    Stück    vom    Ausfühnnigsgang    der    Glandula    ap  p  en  dicul  a  ri  s 

der    Gastropacha   pini. 
a  Tunica  propria,    b  Zellenlage,    c  die  Intima.     (Starke  Vergr.) 

§.   478. 

Es  darf  noch  als  auf  etwas  Allgemeines  zurückgewiesen  werden, 
dass  sich,  was  auch  bei  Wirbelthieren  vorkommt,  mit  dem  Genitalapparat 
gerne  verschiedene  Pigmente  verbinden.  Die  Samentasche  zahl- 
reicher Insekten  und  mancher  Krebse  {Ärgulus  z.  B.)  sehen  wir  stark 
gefärbt;  der  Hode  vieler  Insekten  ist  gelblich  ( Tijjula  oleracea  z.  B.),  oder 
scharlachroth  {Pe7itatoma  z.B.,  hier  das  körnige  Pigment  in  Kalilauge  zu 
einer  gelben  Flüssigkeit  einschmelzend),  oder  braun  {(Jercopis  z.  B.), 
grün  u.  s.  w.  pigmentirt.  Auch  die  anderen  Gruppen  stellen  Beispiele  : 
die  sonst  kaum  pigmentirte  Helix  nemoralis  hat  schwärzlich  ange- 
laufene Genitalien,  Arion,  Liniax  zeigen  eine  schwärzliche  Zwitter- 
drüsC;  bei  Heteropoden  und  Pteropoden  kommen  mit  Pigmentzellen 
versehene  Begattungsorgane  vor;  in  manchen  Fällen  ist  auch  die 
Zwitterdrüse,  Ductus  deferens  und  Receptacidum  seminis,  auf  gleiche 
Weise  ausgezeichet. 

§.  479. 

Man  hat  früher  öfters  den  Satz  ausgesprochen,  dass  die  Zoospermien  ei. 
der  Thierwelt  eine  grosse  Mannichfaltigkeit  der  Form  an  den  Tag 
legen  und  darin  ganz  verschieden  wären  von  den  primitiven  Eiern, 
welche  allerorts  im  Baue  sehr  übereinstimmen  sollten.  Angesichts 
der  fortgeschrittenen  Detailkenntniss  ist  diese  Lehre  unhaltbar  ge- 
worden. Es  bestehen  zwar  auch  die  Eier  der  Wirbellosen  im  reifen 
Zustande  fast  immer  aus  Hülle,  Dotter,  Keimbläschen  und  Keimfleck, 
aber  diese  aufgezählten  Eitheile  variiren  doch  nicht  wenig  in  ihren 
besonderen  Eigenschaften. 

Ivoydig,   JIi:5tologiG.  30 


546  Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbellosen. 

Hiiiic  Die  Hülle  oder  Dotterhaut  scheint  mitunter  felilen  zu  können, 

z.  B.  an  den  Schneckeneiern,  welche  sicii  in  Holothurien  entwickeln 
(Joh.  Müller),  an  den  Eiern  der  Quallen  Lizzia,  Oceania  {Oegenbaur, 
Leuchart).  Wenn  eine  Eihülle  zugeg'en  ist  —  und  diess  ist  allerdings 
die  Regel  —  sehen  wir  sie  entweder  unter  der  Form  einer  einfachen, 
hellen  und  durchsichtigen  Membran,  so  bei  Gasteropoden ,  manchen 
Acephalen,  Ringelwürmern,  vielen  Krustenthieren ;  oder  sie  zeigt  sich 
unter  der  Gestalt  einer  bisweilen  ziemlich  dicken  Eiweissschicht,  die 
bald  an  ihrer  inneren  (bei  manchen  Acephalen :  Venus  z.B.,  Echino- 
dermen:  Holothurien,  Seeigel),  bald  an  ihrer  äusseren  Grenzfläche 
(bei  den  Najaden,  Unio,  Anodonta  z.  B.)  zu  einer  besonderen  Mem- 
bran erhärtet.  Ein  andermal  finden  wir  die  Dotterhaut  als  eine  derbe, 
selbst  undurclisichtige  Hülle:  bei  Trematoden ,  Turbellarien,  Nema- 
toden ;  lerner  kann  um  eine  den  Dotter  zunächst  umschliessende  dünne 
Haut  sich  noch  eine  zweite  und  sogar  dritte  feste  Membran  legen, 
das  sog.  Chorion:  bei  Insekten,  Spinnen,  manchen  Krebsen  (^Ir^/M^ws),. 
Wintereier  der  Entomostraca,  der  Rotatorien,  der  Biyozoen,  Polypen, 

Cestoden. 

Fig.  266. 


Ei   von    Cyclas   Cornea, 
a  Eiweiss  nra  die  Dotterkugel,   bei  b  zu  einer  eigenen  Membran  erhärtend. 

Nimmt  man  auf  die  weiteren  Verhältnisse  der  Dotterhüllen  Rück- 
siclit,  so  erscheinen  sie  entweder  von  ganz  gleichmässiger  Beschaffen- 
lieit  oder  man  bemerkt  an  ihnen  mancherlei  Zeichnungen,  Skulpturen 
und  selbst  Oeffnungen.  Die  Eiweisshülle  ist  bei  den  Holothurien  und 
bei  Ophiothrix  fragills  radiär  streifig  und  besitzt  ausserdem  noch  an 
einer  Stelle  einen  senkrechten  Kanal  (nacli  Joh.  Müller,  Leuclcart, 
Leydig),  welcher,  die  Eihülle  durchbohrend,  bis  auf  den  Dotter 
reiclit.  Es  ist  diess  eine  sog.  Mikropyle.  Eine  ähnliche  bleibende 
Oeffnung  kennt  man  noch  bei  Hternaspis  tltalasseiitoides  unter  den 
Würmern  {M.  Müller),  ferner  von  den  Eiern  der  Lamellibi'anchiaten,*) 
wo  sie  ziemlich  allgemein  verbreitet  zu  sein  scheint,  von  Loligo  durch 
Doyere;  von  Krebsen  ist  sie  bis  jetzt  bei  Gnmmarus  bekannt.  Die 
Mikropyle  ist  hier  übrigens    nur   in    der  Dotterhaut    und  das  Chorion 


*)  Zur  Historie  der  Mikropyle  bei  Najaden  möchte  ich  bemerken,  dass  bereits  vor 
Leuckart  (Artikel  „Zeugung"-  mit  ausfülirliclicr  Beschreibung  der  verschiedenen 
Eifbrmen)  und  Keher  schon  (J.  Carus  in  den  Krläuterungstafeln  zur  vergl.  Anat. 
im  ,liihr(;  1840  (Heft  V)  vom  Ei  der  Unio  littoralis  auf  Taf.  11  Kig.  II  die  Mikro- 
pyle iiacli  ihren  äusseren  Conturen  zeichnet  und  richtig  nls  ^Stiel"  deutet,  „durch 
welchen   der   (Julyx  im  Ovnrio   iinsass." 


Eier. 


547 


geht  darüber  hinweg  {Meissner).  Die  Eier  der  Insekten  (man 
vergl.  hierüber  besonders  die  sehr  ausgedehnte  Arbeit  Leuclx-art' s 
in  Müll.  Arch.  1855  und  die  Meissner'  s  in  der  Zeitschr.  f.  w.  Zoo). 
1854,  einiges  auch  in  meinem  Artikel  über  den  Bau  der  Artlu'opoden, 
Müll.  Arch.  1855)  haben  einen  einfachen  oder  mehrfaclien  Mikropyl- 
apparat.  Ueberhaupt  zeigt  das  Insektenei,  welches  schon  so  mannicht'akig 
in  seiner  Form  ist,  auch  sehr  variable  Bildungen  an  seiner  Schalenhaut; 
häufig  finden  sich  hier  Gruben  und  w^irkliche  Porenkanäle,  dann  wieder 
Höcker,  Leisten,  get'elderte  Zeichnungen  und  wabige  Bildungen.  Die 
zelligen  Zeichnungen  rühren  keineswegs  von  einer  Zusammensetzung 
aus   wirklichen    Zellen    her,    sondern    sind    die   Abdrücke    der    die 


V\<r.  267. 


B 


A    Ei    von  Holotliuria  tiibulosa,    B    Ei   von  Venus  decussata, 
in  beiden  bei  a  die  Mikropyle. 

Schalenhaut  abscheidenden  Epithelzellen  der  Eierstocks- 
kammern. Die  Gruben  können  Luft  enthalten,  was  ich  auch  an 
Spinneneiern  beobachtet  habe.*)  Zwischen  Porenkanälen  und  der 
Mikropylbildung  scheinen  Uebergangsformen  zu  existiren;  sie  mögen 
ineinander  übergehen,  physiologisch  aber  unterscheiden  sie  sich  viel- 
leicht, wie  Leu  Chart  annimmt,  so,  dass  die  einen  zur  Vermittlung 
des  Wechselverkehrs  mit  der  äusseren  Atmosphäre   dienen,   während 


*)  Von  der  Eischale  mancher  Spinnen  beschreibt  v.  Wittich  (Müll.  Arch.  1849) 
selir  seltsame  Bildungen.  Das  sammtartige  ,  dem  Pflanzenreif  ähnliche  Aus- 
sehen rühre  von  einer  Masse  dicht  nebeneinander  liegender,  Fetttröpfchen  nicht 
unähnlicher  Kügelchen  her.  Würde  nicht  der  genannte  Forscher  eine  so  ausführ- 
liche Schilderung  dieser  Gebilde  gegeben  und  ihr  Verhalten  gegen  chemische  Ke- 
agentien  im  Einzelnen  gezeigt  haben,  so  dass  der  Verdacht  einer  Täuschung  nicht 
aufkommen  darf,  ich  hätte  ebenfalls  an  Luftblasen  gedacht.  Dass  diese  schon 
mehrmals  sehr  verkannt  worden  sind ,  dazu  will  ich  noch  das  nachträgliche 
Beis]>iel  liefern,  dass  Burmeister  (Zeitschr.  für  Zool.,  Zootoni.  u.  Paiäont.  Nr  5) 
die  Luftkugeln,  welche  die  oben  (S.  220)  beschriebenen  Gruben  an  den  Antennen 
der  Insekten  au.sfüllen,  für  „glasartige  Warzen  von  pilzförmiger  Gestalt"  angesehen 
hat.  Der  Luftgehalt  der  Grube  markirt  sich  wohl  desshalb  in  Form  einer  pilz- 
artigen Kugel,  weil  die  Chitinhaut  nicht  trocken,  sondern  mit  Feuchtigkeit  durch- 
drängt ist. 

35* 


548 


Von  den  Geschlechtsorganen  der  Wirbellosen. 


die    anderen    diizu    da   sind,    die   Samenfäden   in   das  Innere    des  Eies 

durchzulassen. 

Fig.  268. 


Ein    Stück    Eischale    von    Sphinx    tiliae,     um    die    feineu    und    die 
gröberen  Porenkanäle  anschaulich  zu  machen.    (Starke  Vergr.) 

Fig.   279. 


a    Ein    Stück    Eischale    von    Locusta   viriilissima    mit  an   beiden    Enden 

trichterförmig  erweiterten  Porenkanälen   (Mikropylen?). 

b    Ein    einzelner    Poren  k  anal,     isolirt    dargestellt. 

Von  der  Fläche  gesehen  nehmen  sich  feine  Porenkanäle  wie 
Punkte  aus,  doch  darf  keineswegs  jede  Punktirung  der  Eihaut  auf 
Kanäle  bezogen  werden,  denn  dasselbe  Bild  erzeugen  auch  Höckerchen, 
mit  denen  die  Eischale  besetzt  sein  kann ,  so  rührt  z.  B.  an  den  Eiern 
von  JuluSj  Polyxenus^  ferner  an  den  Wintereiern  der  Kotatorien  das 
chagrinirtc  Aussehen  von  dieser  Ursache  her.  Die  Eier  von  Ascai-is 
mijstax  haben  an  ihrer  Schale  eine  gedrängte  Menge  flacher  und 
schüsseiförmiger  Gruben  (Reichert) ,  die  Eier  von  Taenia  serrata, 
coenunis  haben  eine  radiäre  Zeichnung  des  Chorions,  welche  man 
früher  von  dicht  stehenden  Porenkanälen  abhängen  liess,  von  denen 
jetzt  aber  Leuchart ^  der  damals  selbst  diese  Meinung  theilte,  mel- 
det, dass  eine  grosse  Menge  von  senkrecht  stehenden  starren  Stäb- 
chen oder  Haaren  auf  der  Aussenfläche  der  Schale  die  Ursache  der 
Streifung  sei. 

Bei  Hipunculus  ist  die  den  Dotter  unmittelbar  überziehende  Haut 
fazettirt  (Krolin)  ^  bei  den  Cephalopoden  springt  die  Dotterhaut  mit 
ziemlich  tiefen  Falten  in  die  Dottermasse  vor  und  erzeugt  dadurch 
eine  netzförmige  Oberfläche  der  Eier  (Köllil-er)\  die  Eischale  von 
Ihidra  viridis  ist  getäfelt,  bei  anderen  Polypen  (Hydra  fusca)  und 
Bryozoen  {Cristatella  z.  B.)  trägt  sie  ankerförmige  Fortsätze;  mit 
ganz  besonders  variabel  gestalteten  Auswüchsen  erscheint  die  Ei- 
hülle  bei  vielen  Insekten  ausgerüstet ,  auch  die  mannichfach  ge- 
formten Eier  der  Cestoden  sind  öfters  mit  langen  Schwänzen  ver- 
schen, bei  den  Nematoden,  Mcrmis  z.  B. ,  mit  chalazenähnlichen 
Bildungen. 


Eier.  549 

Die  Härtung  der  Eischalen  geschieht  zumeist  durch  Chitini- 
sirung,  bei  manchen  Landgasteropodcn  durch  Absetzung  von  Kalk- 
salzen. Bei  Clausilia  bilden  sich  rhomboedrische  Krystalle  an,  die 
dicht  bei  einander  liegen;  ähnlich  bei  verschiedenen  Helicinen,  wo 
sie  zu  einer  continuirlichen  Schicht  verbunden  sind,  worauf  vielleicht 
Turpin  1832  zuerst  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  hat.  Bekannt  ist, 
dass  die  ungev^öhnlich  grossen  Eier  des  Bulimus  haemastomus  eine 
harte  Kalkschale  besitzen.  Dasselbe  wird  auch  von  den  zwei  Zoll 
langen  Eiern  einer  westindischen  Landschneckc  berichtet  (vergl. 
Troschels  Jahrb.  1850).  —  Die  Eier  der  Alcyonellen  sollen,  wie 
Meyen  (Isis  1830)  angiebt ,  eine  „Kicselbckleidung"  haben  (?). 
Eine  Neigung  zur  Kalkablagerung  in  die  Eischale  findet  man  auch, 
was  ich  Bchlossherger' s  „Chemie  der  Gewebe"  entnehme,  bei 
manchen  Insekten  (Nachtschmetterlingen,  Heuschrecken)  ausgesprochen. 

Der  Dotter  variirt  in  seiner  morphologischen  Zusammensetzung  Oüuer. 
nicht  minder.  Er  besteht  zwar  überall  aus  einer  farblosen,  mehr  oder 
weniger  dicklichen  Substanz  und  darin  suspendirten  Kügelchen,  aber 
beide  zeigen  in  den  einzelnen  Gruppen  erhebliche  Verschiedenheiten. 
Der  Dotter  der  Si p hon op hören  ist  sehr  hyalin,  indem  er  nur 
wenige  trübere  Moleküle  und  Körnchen  einschliesst.  Diese  hyaline 
Substanz  erscheint  bei  stärkeren  Vergrösserungen ,  als  ob  sie  aus 
lauter  dicht  gedrängten  Körnern  zusammengesetzt  sei ,  ein  Verhält- 
niss ,  das  sich  auch  an  anderen  Eiern,  z.  B.  bei  denen  von  Bagitta, 
und  zwar  hier  noch  um  Vieles  deutlicher  erkennen  lässt  (Gegen- 
baur).  Bei  anderen  Wirbellosen  sind  es  namentlich  die  von  der 
Dotterflüssigkeit  zusammengehaltenen  Körner  und  Kugeln,  auf  deren 
Verschiedenheiten  aufmerksam  zu  machen  ist.  Abgesehen  von  ihrer 
Farbe,  welche  weiss,  gelb,  roth,  braun,  grün,  violett  in  wechselndem 
Intensionsgrad  sein  kann,  haben  diese  Dotterelemente  entweder  das 
Aussehen  feiner  Körner,  z.  B.  bei  den  meisten  Mollusken,  Annu- 
1  a  t  e  n ,  Helminthen,  welche  sich  zuweilen  auch  zu  grösseren  Fett- 
kugeln fortbilden,  oder  es  sind  der  Hauptmasse  nach  grosse  solide  Fett- 
körper und  Fetttropfen  :  bei  Insekten,  Krebsen,  Spinnen,  Tre- 
matod en,  manchen  Turbellarien.  Eigen  ist,  dass  bei  vielen 
Arten  der  Etitomostraca  in  jedem  Ei  constant  ein  alle  anderen  Fett- 
kugeln an  Umfang  überragender  Fetttropfen  im  Centrum  des  Dotters 
liegt.  Ferner  beobachtet  man  im  Dotter  der  höheren  Krebse  zugleich 
mit  den  dunkelrandigen  Fetttropfen  noch  Kugeln  von  eiweissartigem 
Habitus.  —  Es  kann  Bedenken  erregen,  ob  wirklich  der  ganze  Dotter 
in  toto  immer  als  Inhalt  einer  einzigen  Zelle,  der  Eizelle,  aufzufassen 
ist  und  ob  er  nicht  vielmehr  in  gewissen  Fällen  als  ein  Derivat  einer 
Anzahl  von  Zellen  aufzufassen  sei,  wozu  noch  kommt,  dass  bei 
manchen  Hirudineen  (Piscicola)  nach  innen  von  der  Dotterhaut  eine 
Zellenschicht  liegt,  welche  die  Dotterkugel  becherförmig  umgiebt, 
ja  an  den  Eiern  von  Pontobdella  —  so  sah  ich  es  wenigstens  früher  — 


550 


Von  den  (Geschlechtsorganen    der  Wirbellosen. 


bikleii  Zellen  den  einzigen  Inhalt  des  Eies.  Bei  vielen  Insekten  tj'itt 
der  Dotter  nachweislicli  als  Zellenlnlialt  auf,  worüber  besonders  die 
Untersuchungen  Stein' s  (vergl.  Anat.  u.  Phys.  d.  Insekten)  nähere 
Auskunft  geben.  Vergl.  auch  Leydig,  über  (Joccus  hesp.  in  der 
Zeitschr.  f.  wiss,  Zool.  Ebenso  spricht  der  Hergang,  wie  er  bei  der 
Bildung  des  Eies  der  Trematoden,  Ccstoden  und  Turbellarien  erfolgt, 
gegen  die  einfache  Natur  dieser  Eier.  Dasselbe  muss  bezüglich  der 
Daplmolden  behauptet  werden.  An  Daphnia  pulex ,  wo  ich  zuletzt 
die  Eibildung  näher  studirte,  wuchern  die  Eikcime,  d.  h.  das  Keim- 
bläschen sammt  hyaliner  Undiüllungsmasse  von  der  l^asis  des  schlauch- 
föi'migen  Eierstockes  herauf.  Hat  dann  dies  Gebilde  eine  gewisse 
Grösse  erreicht,  so  diflterenziren  sich  in  der  das  Keimbläschen  um- 
schliessenden  hyalinen  Substanz  die  feinen  Dotterkörnchen ;  hingegen 
die  grossen,  grün  gefärbten  Oeltropfen  entstehen  entfernt  und  unab- 
hängiii'  von  den  Eikeimen  im  oberen  Theil  des  Eierstockes,  welcher 
an  liberwinternden  Individuen  in  den  Monaten  November  und  Decem- 
bcr,  wu  keine  Spur  solcher  Dotterkugeln  zugegen  ist,  eine  gross- 
fächerige Beschaffenheit  hat. 

Fig.   270. 


E  i  e.  r  s  t  ( I  e  k  s  e  i     von     I '  i  s  f.  i  c  o  1  a. 
Man    siclii    die   den    Dottei'   beclierlünnig   umgebenden   Zellen.      (Starke   Vei'gr.) 

Im  Ei  einiger  echten  Spinnen  findet  sich  ausser  dem  Keim- 
blä.schen  und  dem  Dotter  noch  ein  räthselhaftes  Gebilde  —  mir  be- 
kannt aus  Teijeneria^  Lycosa,  Salficus,  T/tomisus,  fehlt  bei  Epeira, 
(Jluhiona    u.   a.   —    über   das   früher   v.    Wttttch,    v.    Siebold    und 

Fig.  271. 


d. 


a   Dotter, 


]<',  i  e  r  s  t  o  e  k  s  e  i    v  o  n    T  e  g  e  n  e  r  i  a    d  o  in  c  .s  t  i  e  a. 
Kiiinblüselien,   c    Körj)er   von    unliekannto-  Bedeutung, 
(Starke  Vergr.) 


Eiweisslage. 


Eier.  551 

V.  Car7is  nähere  Beschreibungen  gegeben  liaben.  Es  ist  ein  rnnrloi* 
Körper,  bald  scharf  gerandet  mit  lichtcrem  Hof  und  centralem  kör- 
nigen Fleck,  bald  blass,  wie  verwaschen  und  mit  nebligem  Hof, 
doch  auch  dann  mit  mittlerer  kernartiger  Zeichnung,  ein  andermal 
ist  er  concentrisch  geschichtet.  Essigsäure  macht  ihn  blässer.  Die 
Bedeutung  fraglichen  Körpers  ist  noch  vollständig  unbekannt,  da 
weder  der  Bau  noch  die  Bildung  einen  sicheren  Anhaltspunkt  bietet. 
Burineister  giebt  an,  einen  ganz  ähnlichen  Kern  auch  im  Ei  von 
Branclii'pus  paludosus  gefunden  zu  haben  ;  bei  anderen  Arten  von 
BrancMpus   schien    er    ihm   zu   fehlen. 

Das  Keimbläschen  muss  wohl  als  der  Theil  des  Eies  bezeich-      '^'''■" 

_  ,  liliisolien. 

net  werden,  welcher  abgesehen  von  Grössenverhältmssen  die  meiste 
Uebercinstimmung  zeigt.  Nicht  immer  ist  es  ein  eigentliches  Bläs- 
chen, sondern  mitunter  ein  solides,  weiches  Korn,  so  z.B.  he\  Ento- 
conclia  mirahilis  {Joh.  Müll  er),  Synapta  digitata  {Leydig),  bei  den 
Blasenbandwürmern  {Leuchart).  —  Von  sehr  variabler  Natur  ist  der 
Keimfleck.  Mir  scheint  zunächst  fraghch ,  ob  er  ein  constanter  Keimii,.,.u 
Körper  sei ,  wenigstens  ist  er  bis  jetzt  in  den  Eiern  von  Berp^da  und 
AmpMcora  Sahella  vermisst  worden.  Er  repräsentirt  sich  bald  als 
ein  grosser  solider  Körper  (sehr  umfänglich  ist  er  z.  B.  in  manchen 
Rotatorien)  oder  er  hat  eine  oder  mehre  Cavitäten  im  Inneren, 
oder  endlich  er  wird  mehrfach,  wobei  wieder  der  Unterschied  sich 
geltend  machen  kann,  dass  die  einzelnen  ihn  zusammensetzenden  Kör- 
ner auf  einem  Haufen  beisammenliegen  (z.  B.  Notommata  Hieholdn) 
oder  im  Keimbläschen  zerstreut  sind.  Seine  chenn'sche  Beschaffen- 
heit scheint  auch  nicht  überall  ganz  dieselbe  zu  sein,  wenigstens  ist 
er  bald  mehr  von  blassem,  eiweissartigem  Aussehen,  bald  mehr  wie 
ein  Fetttropfen   berandet  und  beschattet. 

Reo-el  ist,  dass  im  Dotter  ein  einziges  Keimbläschen  eingebettet 

O  '  •77» 

ist  und  das  Ei  sich  zu  Einem  Embryo  umwandelt,  bei  Vorfex  haltieus 
schliesst  die  Eischale  zwei  Keimbläschen  ein  und  der  Dotter  ent- 
wickelt sich  zu  zwei  Embryonen  {M.  Schulfze).  Nocli  mehr  Eier 
werden  bei  den  Planarien  von  einer  gemeinsamen  Dotterhaut  und 
äusseren  Eischale  umgeben.  Es  entwickeln  sich  hier  aus  einem  Ei 
mehre  Embryonen.