LEHRBUCH
DER
HISTOLOGIE
DES
MENSCHEN UND DER THIERE
VON
DR. FRANZ LEYDIG,
PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT ZU WÜRZBURG.
MIT ZAHLREICHEN HOLZSCHNITTEN.
FRANKFURT a.M.
VERLAG VON MEIDINGER SOHN & COMP.
1857.
SolmellprcsHcntlnicIt von C. W. Leske. — lldlzHtu-lie vnn W. Pfuor.
In Dnnustadt.
VORWORT.
VTegenwärtige Blätter könnten vielleiclit auch den
mehrsagenden Titel führen: „vergleichende Geweblehre" 5
in Erwägung jedoch, dass ein zu grosser Abstand herrscht
zwischen Dem , was ich anstrebte und dem Geleisteten
schien es mir etwas Anmassliches zu haben, dem Buche
diese Aufschrift vorzusetzen. Falls man überhaupt mir
nahe legen wollte , noch sei es bei dem niedrigen Stande
unserer Kenntnisse nicht an der Zeit, ein wirklich ver-
gleichend-histologisches Gebäude aufzuführen, so würde
ich nicht widersprechen ; betrachte ich doch das hier Ge-
botene nur als einen schwachen Versuch, aus den durch
fremde und eigene Forschungen über die Thierwelt erwor-
benen histologischen Einzelheiten eine übersichtliche Dar-
stellung zu gewinnen und, wenn thunlich, über die Einzel-
heiten hinweg zu allgemeineren Sätzen zu gelangen.
IV Vorwort.
Es kann zwar meine Schrift eine grosse Mangelhaftig-
keit aller (^rten und Enden nicht verbergen, auch dürfte
die Ungleichmässigkeit, welche ich mir in der Behandlung
der Materien erlaubt, wodurch manches Kapitel ein oft
nahezu notizenhaftes Gepräge hat, zu tadeln sein, aber
trotz solcher und noch anderer Ausstellungen, welche zu
machen sind, möchte ich mir dennoch mit der Hoffnung
schmeicheln, dass das Unternehmen Nutzen stiften kann.
Ich habe mir n'ändich angelegen sein lassen, die bis jetzt
ermittelten Daten der menschlichen Histologie so gedrängt
als möglich vorzulegen und in Zusammenhang zu setzen,
und was ich über die Geweblehre der Thiere aufnehme,
dürfte doch zum Mindesten dazu dienen, den Gesichtskreis
unserer histologischen Ideen zu erweitern, vielleicht auch
Andere zu ferneren Untersuchungen anzuregen.
Die Neigung zu histologischen Forschungen ist ja bei
der jüngeren Generation der Naturforscher und Aerzte in
erfreulicher Zunahme begriffen und die feindliche Stellung,
welche mitunter vorzügliche Physiologen und die Pi-nktiker
der Histologie gegenüber einnehmen, gilt wohl weniger
diesen Studien an sich, als der Meinung von überschweng-
lichen Leistungen unserer Wissenschaft, wie wenn wir jetzt
durch das Mikroskop etwas von dem alten über den Lebens-
erscheinungen schwebenden Hunkel verscheucht hätten!
Wir befinden uns aber, wie mir däucht, leidei- in gleichem
Falle mit Einem, der „das Leben" etwa einer AViese, eines
Waldes eine Zeit lang von einem fernen Standpunkt aus
studii't hat und nun glaubt, es würde sich ihm ein besseres
Verständniss von dem A\'achsen, von dem Grünwerden und
Vorwort. V
sich Entfärbet! aufthun dadurch, dass er näher tritt, um die
einzehien, die grünende Fläche zusammensetzenden Pflanzen-
arten ins Auge fassen zu können. Allerdings wird er
jetzt mancherlei interessante neue Beobachtungen machen,
allein in der Hauptsache bleibt das Eäthsel von vorhin ;
er steht noch immer vor denselben Fragen, nur mit dem
Unterschied, dass er die Veränderungen gegenwärtig an
jedem Pflanzenindividuum ebenso gewahrt, wie zuvor an
der grossen grünenden Fläche. Aus demselben Grunde
ist es für den Zweck des strengen Physiologen , auch für
den Arzt ganz gleichgültig und bringt ihn, sobald es sich
um letzte Erklärungen handelt, um keinen Schritt weiter,
. mag er nun die Lebenserscheinungen in die mikroskopischen
Zellen und Zellengebilde legen oder mag er sich bloss an
die Leistungen der grösseren organischen Massen halten.
Es ist eben zuzugestehen, dass die histologischen Studien
nur den bekannten Satz vom Enthaltensein des Makrokosmus
im Mikrokosmus bestätigen, besser zu sagen: die mit dem
Mikroskop gesehenen Formen sind immer nur eine Wieder-
holung , ein Abglanz dessen, was schon das freie Auge an
den Dingen gewahrt; in den mikroskopischen Formen spie-
geln sich fortwährend die makroskopischen. Lässt man
diese Wahrheit ausser Acht, so dürfte man leicht dem
Göthe'schen Ausspruch: „Mikroskope und Fernrohren ver-
wirren eigentlich den reinen Menschensinn", verfallen und
die histologischen Ergebnisse allzusehr überschätzen.
Lnmerhin muss die Histologie als ein der mensch-
lichen Thätigkeit würdiger Gegenstand gelten, sie präcisirt
unsere morphologischen Vorstellungen; schärft, was eben-
VI Vorwort.
falls nicht gar zu gering anzuschlagen ist, die Sinne für die
Auffassung der Formen überhaupt, und wenn es vv^irklich
w^ahr sein sollte, dass mit dem Vorrücken unserer Kennt-
nisse über die Eigenschaften der Materie hin und wieder
ein Blick in die Geheimnisse der Lebensprozesse gestattet
würde, so hätte die Geweblehre nicht den kleinsten An-
theil an solchen Enthüllungen!
Und so übergebe ich denn eine Arbeit, „die eigentlich
nie fertig wird, die man aber für fertig erklären muss,
weim man nach Zeit und Umständen das Möglichste gethan
hat", den Liebhabern ähnlicher Studien mit dem Wunsche,
dass sie beitragen möge, der Histologie immer mehr Freunde
zu gewinnen.
Würzburg, Ende October 1856.
Inhaltsverzeichniss.
Erster Theil.
Seite
Einleitung 3
Erster Abschnitt.
Von der Zelle und ihrer Fortbildung zu den Geweben 8
Zweiter Abschnitt.
Von den Geweben der Bindesubstanz 22
1) Gallertgewebe 23
2) Das gewöhnliche Bindegewebe '25
3) Das Knorpelgewebe 32
4) Das Knochengewebe 34
Dritter Abschnitt.
Gewebe der selbständig gebliebenen Zellen 38
Vierter Abschnitt.
Vom Muskelgewebe 42
Fünfter Abschnitt.
Vom Nervengewebe 49
Zweiter Theil.
Erster Abschnitt.
Von der äusseren Haut des Menschen 65
Lederhaut 65
Oberhaut 69
Haare 70
Nägel 73
Zweiter Abschnitt.
Von der äusseren Haut der Wii'belthiere 78
Lederhaut 78
Hautdrüsen 84
Hautpigmente 89
Hautknochen 89
^^äm^^g tf Oberhaut 95
^j^Twf \ Haare und Federn 98
VIII Inhalt.
Dritter Abschnitt.
Seite
Von der äusseren Haut der Wirbellosen 101
Mollusken 101
Arthropoden 111
Würmer 118
Strahlthiere 121
Protozoen 124
Vierter Abschnitt.
Vom Muskelsystem _ des Menschen 129
Perimysium 130
Verbindung zwischen Sehne und Muskel 131
Fünfter Abschnitt,
Vom Muskelsystem der Thiere ^ . . 133
Sechster Abschnitt.
Vom Skelet des Menschen 142
Knochensubstanz 143
Knochenmark 144
Verbindung der Knochen 144
Entwicklung 146
Siebenter Abschnitt.
Vom Skelet der Wirbelthiere 148
Der Fische 148
Der Reptilien 159
Der Säuger und Vögel 159
Achter Abschnitt.
Vom Skelet der Wirbellosen 164
Neunter Abschnitt.
Vom Nervensystem des Menschen 165
Nervencentren 165
Peripherisches Nervensystem 170
Zehnter Abschnitt.
Vom Nervensystem der Wirbelthiere 174
Nervencentren 174
Peripherisches Nervensystem 179
Elfter Abschnitt.
Vom Nervensystem der Wirbellosen 181 "
Zwölfter Abschnitt.
Von den Nebennieren 188
Dreizehnter Abschnitt.
Von den Ta.stwerkzeugen des Menschen 192
Vierzehnter Abschnitt.
Von den Tastwerkzeugen der Wirbelthiere 1>^4
Tastkörperchen '94
Pacini'sche Körperchen ^ • • ^^
Sogenannter Schleiniai)pnrat der Fische j -W f^P^
Inhalt. IX
Fünfzehnter Abschnitt.
Seite
Von den Tastwerkzeugen der Wirbellosen 210
Sechzehnter Abschnitt.
Vom Geruchsorgan des Menschen 214
Siebzehnter Abschnitt.
Vom Geruchsorgan der Thiere 215
Riechnerven i 215
Riechschleimhaut 216
Jacobson'sche Organe -218
Geruchsorgan der Wirbellosen 219
Achtzehnter Abschnitt.
Vom Sehorgan des Menschen 220
Sclerotica und Cornea 220
Chorioidea 222
Iris 223
Retina 224
Linse 226
Glaskörper 227
Accessorische Augentheile 227
Neunzehnter Abschnitt.
Vom Auge der Wirbelthiere 229
Sclerotica 229
Cornea 230
Chorioidea . 232
Iris 236
Retina 238
Linse 239
Accessorische Augentheile 243
Zwanzigster Abschnitt.
Von den Augen der Wirbellosen 249
Netzhaut 250
Chorioidea 254
Linse 256
Glaskörper 257
Sclerotica, Cornea 258
Einunclzwanzigster Abschnitt.
Vorn Gehörorgan des Menschen 262
Aeusseres, mittleres Ohr 262
Inneres Ohr 263
Zweiundzwanzigster Abschnitt.
Vom Gehörorgan der Wirbelthiere 266
Aeusseres, mittleres Ohr 266
Inneres Ohr 267
Dreiundzwanzigster Abschnitt.
Vom Ohr der Wirbellosen 277
Weichthiere 278
Arthropoden 280
X Inhalt.
Vierundzwanzigster Abschnitt.
Seite
Vom Nahrungskanal des Menschen 284
Mund- und Rachenhöhle 284
Zähne 288
Magen und Darm 292
Fünfundzwanzig'ster Abschnitt.
Vom Nahrungskanal der Wirbelthiere 298
Mundhöhle und Zunge 298
Zähne 302
Magen, Darm ; 304
Sechsundzwanzigster Abschnitt.
Vom Nahrungskanal der Wirbellosen 329
Darmepithel 330
Cuticula 332
Darmdrüsen 336
Muskelhaut, seröse Hülle 340
Fettkörper 341
Siebenundzw^anzigster Abschnitt.
Von den Speicheldrüsen der Thiere 347
Achtundzwanzigster Abschnitt.
Von der Bauchspeicheldrüse des Menschen 351
Neunundzwanzigster Abschnitt.
Von der Bauchspeicheldrüse der Thiere 352
Dreissigster Abschnitt.
Von der Leber des Menschen 354
Einunddreissigster Abschnitt.
Von der Leber der Wirbelthiere 358
Zweiunddreissigster Abschnitt.
Von der Leber der Wirbellosen 361
Dreiunddreissigster Abschnitt.
Von den Respirationsorganen des Menschen 367
Lungen 367
Schilddrüse 370
Vierunddreissigster Abschnitt.
\on den Respirationsorganen der Wirbelthiere 371
Lungen 371
Schilddrüse 376
Schwimmblase 378
Kiemen 381
Fünfuiuhh'cissigster Abschnitt.
Von (Ion Respirationsorganen der Wirbellosen 383
Lungen 384
Kiemen 384
Tracheen 386
Wassergef'ässsysteiti 391
Inhalt. Xr
Sechsiinddreissigster Absclinitt.
Seite
Vom Gefässsystem des Menschen 398
Herz 398
Blutgefässe 399
Lymphgefässe 403
Lymphdi'üsen 404
Milz • 405
Thymus 407
Siebenunddreissigster Abschnitt.
Vom Gefässsystem der Wirbelthiere 410
Herz 410
Blutgefässe 413
Lymphgefässe 419
Lymphherzen 421
Lymphdrüsen 421
Milz 424
Thymus 429
Aclitunddreissigster Abschnitt.
Vom Gefässsystem der Wirbellosen 432
Herz 432
Blutgefässe 436
Lymphgefässe 442
Neununddreissigster Abschnitt.
Vom Blut und der Lymphe des Menschen 445
Vierzigster Abschnitt.
Vom Blut und der Lymphe der Wirbelthiere 448
Einund vierzigster Abschnitt.
Vom Blut und der Lymphe der Wirbellosen 451
Zweiundvierzigster Abschnitt.
Vom Harnapparat des Menschen 452
Niere 452
Harnwege 454
Dreiundvierzigster Abschnitt.
Vom Harnapparat der Wirbelthiere 456
Niere 456
Harnwege 462
Vierundvierzigster Abschnitt.
Von der Niere der Wirbellosen 464
Arthropoden 464
Mollusken 467
Echinodermen 469
Anhang zu der „Niere der Wirbellosen" 471
XIl Inhalt.
Fünfundvierziffster Abschnitt.
° Seite
Von den Geschlechtsorganen des Menschen "f^ö
Hoden 477
Samenleiter "^^^
Samenbläschen ^^'^
Ruthe -483
Prostata 484
Cowper'sche Drüsen 484
Eierstock 485
Eileiter, Gebärmutter 487
Scheide, Prostata, Bartholini'sche Drüsen 488
Schamtheile 488
Milchdrüsen 488
Sechsundvierzigster Abschnitt.
Von den Geschlechtsorganen der Wirbelthiere 490
Hoden . . . . • 490
Samenblasen, Prostata 498
Cowper'sche Drüsen 500
Ruthe 50.3
, Eierstock 506
Eileiter 515
Uterus 516
Milchdrüsen 520
Siebenundvierzigster Abschnitt.
Von den Geschlechtsorganen der Wirbellosen 528
Hoden 528
Accessorische Geschlechtsdrüsen 530
Zoospermien 532
Spermatophoren 536
Eierstock, Eileiter 538
Scheide, Uterus 539
Zwitterdrüse 540
Accessorische Geschlechtsdrüsen 542
Samentasche 543
Eier 545
Erster oder allgemeiner Tlieil.
Lieydig, liistologie.
Einleitung.
§• 1.
Di
'ie Histologie oder Geweblehre befasst sich mit den für un- p^grifr.
sere sinnliche Wahrnehmung letzten Formelementen des thierischen Orga-
nismus, ihr fallt sonach die Aufgabe anheim, die einfcicheren Bildungen,
aus denen der thierische Leib besteht, bezüglich der Entwicklung,
Gestalt, Verbindung und wo möglich auch ihrer Lebenserscheinungen
zu beschreiben. Daraus folgt, dass sie zumeist bloss eine ins Feinere
gehende Anatomie und Zootomie vorstellt, und man belegt sie dess-
wegen häufig mit dem Namen mikroskopische Anatomie; es ist
auch geradezu unmöglich, scharfe, natürliche Grenzen für das Gebiet der
Histologie zu ziehen, indem sie nach dieser und jener Seite, in die
descriptive Anatomie wie in die Embryologie mannichfach sich ver-
liert. Theoretisch freilich lässt sich für Histologie und Anatomie eine
strenge Demarkationslinie stecken: die erstere habe bloss die Elemen-
tartheile zu betrachten, der Gegenstand der Untersuchung für die
letztere seien die Formverhältnisse der Organe, allein da es eben und
namentlich in der niedern Thierwelt viele Organe giebt, die, obschon
aus mancherlei Elementen zusammengesetzt, doch wegen ihrer Klein-
heit nur auf mikroskopischem Wege erkannt werden können, so darf
die Histologie auch die Beschreibung solcher zusammengesetzten Werk-
zeuge in ihren Bereich aufnehmen, und in den folgenden Zeilen wird
dieseFreiheit nicht selten in Anwendung gezogen werden.
§• 2.
Um auch ein Wort über den Entwicklungsgang, den unsere oeschicüt.
Doktrin genommen hat, zu sagen, so bemerkt man, dass schon die alten
Naturforscher und Aerzte, welche ein einlässlicheres Studium aus dem
Bau des thierischen Körpers machten, histologische Vorstellungen sich
erwarben. Wie hätte auch einem sorgfältigen Beobachter entgehen
1*
llches.
4 Einleitung.
können, class bei aller Mannichfaltigkeit der Organe denn doch gewisse
einfache Grundbestandtheile der Form in den verschiedenen Partien
des Körpers immer wiederkehren. Sie unterschieden auch wohl gleich-
artige und ungleichartige Theile, manche versuchten selbst eine syste-
matische Gruppirung der Gewebe. (Wer sich für die älteren Be-
arbeiter der Histologie, Fallopia, Vesal u. a. interessirt, findet die
nöthigen Nachweise in dem gelehrten Werke Heusinger's , System der
Histologie, 1822.)
§. 3.
Mit der Erfindung der Mikroskope und der dadurch erhöhten
Schärfe des Gesichtssinnes waren die Hilfsmittel der Untersuchungen
vermehrt worden, ja man könnte auch erst von da an (Mitte des
17. Jahrhunderts) den Beginn der Geweblehre datiren, wenigstens legt
man gerne dem Marcellus Malpighi den Ehrennamen des Stifters
der mikroskopischen Anatomie bei ; auch auf den EinHuss , welchen
die gleichzeitig oder etwas später thätigen Männer wie Sicammerdam,
Leeuwenhoech auf die Entwicklung der Geweblehre ausübten, wird
immerfort in der Geschichte dieser Wissenschaft hingewiesen werden
müssen. Selbst zahlreiche dilettirende Naturforscher des vorigen Jahr-
hunderts (y. Gleichen, Ledermüller u. a.), welche nicht gerade ernsten
Problemen nachgingen, vielmehr in ihren mikroskopischen (Observationen
ein vortreffliches Amüsement fanden und sich gar sehr freuten , zu
sehen, wie auch im Kleinsten die Naturprodukte „schön gearbeitet
seien, haben viel Neues und Interessantes zu Tage gefördert.
Nachdem dergleichen Anfänge vorausgegangen waren, wurde das
leitende Princip der Geweblehre zuerst \on Btchat (geb. 1771, gest. 1802)
ausgesprochen und zur allgemeinen Anerkennung gebracht. Bichat
war sich klar bewusst, was die Histologie anzustreben hat, sein Plan
ging dahin, die Gewebe, Avelche durch ihr Zusammentreten Organe
bilden, einzeln und nach allen ihren Eigenschaften kennen zu lernen.
Obwohl das von ihm aufgestellte histok)gische System sich nicht hat
halten können, da viele von seinen vermeintlichen einfachen Geweben
complicirter Natur sind, so hat sich Bichat doch ein ehrendes
Andenken erhalten , weil er zuerst Methode in die Wissenschaft
brachte und eine richtige Behandlung des Stoffes lehrte. Sein Grund-
gedaid<e, (.Ich Organismus in eine Anzahl von einfachen Geweben mit
bestimmten Eigenschaften aufzulösen, durch deren Spiel die Thätig-
keitsäusserungen des thierischcn Körpers sich entfalten, schwebt noch
jetzt den Naturforschern zwar als Ziel vor, dot'h wird sich jeder Kun-
dige zu dem Geständniss be(|uenien jnüsseu, dass dieser Kndpuidvt nie
wird ganz erreichbar sein.
Die Sclu'iftstcller zunächst in dei'Zeit mx^XxB ichat brucliten mancher-
lei Aendoj-uugen an den Gewebseintheilungen auf, von denen man
füglich Umgang nehmen chirf; mir scheint kein wesentlicher Fort-
schi-itt in der Erkcnntniss des Materiales damit verbunden zu sein;
Einleitung. 5
man begnügte sich eigentlich damit, die histologischen Kunstausdrücke
in andere Bezeichnungen xungeprägt zu haben. Späterhin aber, wenn
wir zurückrechnen, seit ungefähr 80 Jahren, als das verbesserte Mikro-
skop von Neuem und zwar in consequenter Art gehandhabt wurde,
und eine allgemeine Vorliebe für dergleichen Studien erwacht war,
kam eine Menge von werth vollen Spezialbeobachtungen über den fei-
neren Bau der Organe in Umlauf.
Allmählig findet man bei diesem und jenem exakten Forscher,
ich nenne z. B. Purhinje^ Valentin j mit grösserer oder geringerer
Sicherheit darauf hingedeutet, dass die zusammengesetzteren Bildungen
des thierischen Organismus aus gleichartigen Bläschen beständen oder
wenigstens daraus sich herleiten, doch kam dieser hin und wieder
geäusserte Gedanke wie es scheint bei den Genannten nicht zur Reife,
er erhielt erst seine Realität durch Schwann, der im Jahre 1839 mit
der Schrift: „Mikroskopische Unters, üb. d. Uebereinst. in d. Strukt.
u. d. Wachsth. d. Thiere u. Pflanzen" hervortrat, in welcher er den
Nachweis lieferte, dass kernhaltige Bläschen, sog. Zellen, die Grund-
lage aller thierischen wie pflanzlichen Bildung seien. Hervorgehoben
muss übrigens werden, dass die so vielfach gescholtene Naturphilosophie
auch nach ihrer Art die Dinge zu betrachten schon lange vorher den
gleichen Gedanken construirt hatte. Oken lässt sich in dem Progranun
über das Universum 1808 folgendermaassen vernehmen: „-^^r erste
Uebergang des Unorganischen in das Organische ist die Verwandlung
in ein Bläschen , das ich in meiner Zeugungstheorie Infusorium ge-
nannt habe. Thiere und Pflanzen sind durchaus nichts anders, als ein
vielfach verzweigtes oder wiederholtes Bläschen, was ich auch zu sei-
ner Zeit anatomisch beweisen werde.'' — Was Oken mit richtigem
Vorausgefühl bestimmt hatte ; wurde durch Schwann zur Thatsache
erhoben.
§. 4.
Man lässt und mit vollem Rechte mit dem Schwann'sohQTi Buche
eine Neugestaltung der Histologie anheben ; dieses Werk hat einen
nicht geringen Enthusiasmus für dergleichen Forschungen hervorge-
rufen und ihr eine Schaar von Liebhabern zugeführt, die emsig be-
müht sind, die Entwicklung und Eigenschaften der Gewebe beim Men-
schen und den Thieren aufzuhellen, und die sich zugleich angelegen
sein lassen, über die sich immer mehr anhäufenden Einzelerfahrungen
Herr zu werden, wenn es auch seltner gelingt, das Detail auf Sätze
zurückzuführen , welche von vielen Einzelbeobachtungen als der ein-
fachste Ausdruck gelten können. Es lässt sich daher kaum die Mei-
nung aufdemonstriren , als wären wir, wenn es sich um allgemeine
Regeln handelt , trotz aller im Detail vorgeschrittenen Erfahrung um ein
Erkleckliches weiter über (\q\\ 8c hioann^ ^c\\en Satz hinausgekommen;
unsere letzte histologische Weisheit bleibt immer noch die Erkennt-
niss, dass der thierische wie pflanzliche Leib aus Zellen von bestimmten
Q Einleitung.
Eigenschaften sich aufbaut und dass alle späteren Bildungen Differen-
zirungen dieser Bläschen oder Zellen sind. Jedoch muss immerhin
dankbar anerkannt werden, dass innerhalb dieses Grundschemas mehre
Forscher unsere Kenntnisse und Vorstellungen über die Lehre von
der Zelle überhaupt, über Beziehung der Gewebe zu einander, sowie
über den Antheil, den gewisse Zellenlagen im Embryo zu den späteren
Geweben kundgeben, in bedeutender Weise bereichert und geläutert
haben. Nach meinem Gefühle möchte ich hier vorzugsweise Reichert,
Bemale und Virchow als die Männer bezeichnen, welche sich um die
Verallgemeinerung rein histologischer Ansichten, sowie um die Ent-
wicklung leitender Ideen auf dem Gebiete der Geweblehre das meiste
Verdienst erwarben. Von Reichert rührt jene Eintheilung der Ge-
webe her, die gegenwärtig immer mehr Anhänger zählt, jene Gruppirung
nämhch, welche das Bindegewebe, den Knorpel und Knochen als zu-
sammengehörig unter der Bezeichnung Bindesubstanz begreift, gewisser-
maassen im Gegensatze zu den muskulösen, nervösen und zelligen
Geweben. Virchoio hat mit der Genauigkeit und Schärfe, die ihm
eigen ist, die Bindesubstanzfrage in eine neue Phase gebracht; die
sehr fruchtdar für unsere histologischen Gesammtanschauungen zu
werden verspricht. — i?e?/i«/c 's Untersuchungen über die Entwicklung
der Wirbelthiere haben sorgfältigere Aufschlüsse gegeben, welchen
Antheil die drei Keimblätter in der Anlage des embryonalen Leibes
an den Geweben und Organen haben, und namentlich bezeichnen die
Mittheilungen RcTfiak^ s über die Entwicklung der Drüsen einen wahren
Wendepunkt in der Auffassung dieser Gebilde, das Bild der Drüsen
hat dadurch wesentlich an Abrundung gewonnen.
An der histologischen Cultur einzelner Organe und Systeme des
Menschen und der Thiere haben sich viele Forscher betheiligt, welche
wir zum Theil auch sonst als die Vertreter und Pfleger der thierischen
Morphologie kennen; oben an steht:.
Joh. Müller (vergl. das grosse Drüsenwerk [1830], und übrigen all-
bekannten Arbeiten, trug auch zuerst die >ScAw«ww'schen Ent-
deckungen auf den Bau und die Formen der krankhaften Ge-
schwülste über, ist also Begründer der pathologischen Histologie);
R. Wagner (gab 1834 in seiner vergl. Anatomie eine kurze Geweb-
iehre, förderte unsere Kenntnisse über die Blutkörperchen, Ei
und Zoospermen, in neuester Zeit namentlich die Anatomie
des Nervensystemes, seine Icones physiologicae waren für die
Verbreitung histologischer und physiologischer Kenntnisse
äusserst wirksam) ;
Valentin (üb. d. Verlauf u. Enden der Nerven, 1836, Artikel „Ge-
webe" iniH. W. B., vergleichend histologische Angaben über
Wirbelthiere und die \\ ii-bollose);
Bruns (von ihm ein sehr gutes und knapp geschriebenes Lehrbuch
der allgemeinen Anatomie des Menschen, 1841);
Einleitung. 7
Henle (allgemeine Anatomie des menschliclien Körpers, 1841, mit
naturgetreuen Abbildungen in Stahlstich, zeichnet sieh durch
die leichte, lebendige Darstellung aus) ;
Todd und Bowman (the physiological anatumy and physiolugy ot'
man, 1845, verschiedene Artikel in der Cyclopaed. of anat.
and phys. mit sehr instruktiven Figuren);
KöHiker (Geweblehre des Menschen, 185U — 1854, „mit möglichst
vollständiger Darstellung des feineren Baues der Organe und
Systeme des Menschen", zahlreiche, zum Theil sehr schöne
Holzschnitte) ;
Gerlach (Handbuch der Geweblehre, 1848, 2. Auli. 1853. empfiehlt
sich durch eine bequeme, fassliche Stilisirung) ;
Ecker (edirt Wagner s Icoues physiologicae in neuer selbständiger
Ausgabe , die meisten Tafeln sehr geschmackvoll in der An-
ordnung und Ausführung der Figuren, Text bündig und doch
alles Wesentliche enthaltend) ;
Bergmann umlLeuckart (vergleichende Physiologie, 1852, einBuch,
in dem man eine Fülle der treffendsten Bemerkungen findet).
Ausser den Genannten haben die Arbeiten von v. Siebold, ver-
gleichende Anat. d. Wirbellos., 1848, dann des zu früh verstorbenen
H. Meckels, von Leuckart, Schnitze, Gegenbaur, Meissner {nicht
bloss exakte Beobachter, sondern auch sehr geschickte Zeichner), Hux-
ley , V. Hessling u. A. auf die Ausbildung der comparativen Geweb-
lehre sehr fördernd eingewirkt und viel Neues an's Licht gebracht.
Die ältere Litteratur ist zusammengetragen in E. H. Weber, Hand-
buch der Anatomie, und Bendz, Haandhog ij almindelige Anatomie,
die neuere in den Jahresberichten des Archiv's f. Anat. u. Phys.,
Archiv f. Naturgeschichte, Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Canstatt'sche
Jahresberichte.
Von der Zelle.
Erster Abschnitt.
Von der Zelle und ihrer Fortbildung zu den Geweben.
§•5.
Zerg-lieclert man nach methodischem Verfahren den thierischen
Organismus bis an die Grenzen unserer sinnhchen Wahrnehmung,
so machen wir zuletzt vor kleinen und kleinsten Theilchen Halt, denen
wir den Namen Formbestandtheile des Organismus beilegen. Wenn
wir von Formelementen der organischen Materie reden, so bedarf es
wohl kaum der Zwischenbemerkung, dass dieser Ausdruck, strenger
genommen, nicht passt, Niemand wird sich einbilden, wirkliche orga-
nische Moleküle direkt beobachtet zu haben, obschon allerdings die
Ersten, welche sich des Mikroskops bedienten, Leewenhoeck z. B.,
darauf ausgegangen zu sein scheinen, die „Atome" des Sichtbaren
aufzufinden; wir sprechen von Formelementen der Materie nur in
Bezug auf unsere jetzigen optischen Hilfsmittel. Die Ueberlegung
fordert, dass dem, was wir Formelemente heissen, noch Reihen von
Bildungen vorausgehen, von welchen aber unsere Mikroskope uns
vorläufig nichts vor Augen rücken.
§. 6._
Noch müssen wir, ehe ein Schritt vorwärts zu machen ist, uns
über die Formelemente nach einer andern Seite hin weiter verständigen.
Der Ausdruck: letzte Formbestandtheile, Formelemente kann in
zweifachem Sinne angewandt werden. Die festere organische Sub-
stanz oder dl(; geformte Materie geht „durch Verdichtung" aus dem
Flüssigen oder der formlosen Materie hervor, und da dies zunächst
durch Kügelchen oder Körnerbildung, auch in Krystallform geschieht,
so sprechen Manche diese Körner, Kügelchen und Krystalle, welche
bei ihrer Kleinheit und im Flüssigen suspendirt eine wimmelnde Be-
wegung, die sog. Broicnhchü Molekularbewegung zeigen, als die
ersten Formelemente an. Ich ziehe es vor, um manche Unbequem-
lichkeiten in der Darstellung zu vermeiden, die Bezeichnung Form-
elenuiitc nur im Hinblick auf einen zusammengesetzten Organismus
zu gebrauchen, also fiir die iclzlcn o rganischen Einheiten, durch
d(M( 1) Znsammenfiigung und Umgestaltung ein complicirter Thierkörper
entsteht, mit andern Worten die sog. Zellen als die Forraelemente
zu bctrailitcn.
genese.
Zellengenese. 9
, ^ ■ §• 7.
Was ist eine Zelle? Dere-leichen kurz zu charakterisiren hält ""f'"^'^"
~ Zelle.
nicht minder schwer, als die Merkmale des „Thieres", der „Pflanze" test-
zustellen; wir müssen uns behelfen, etwa zu sagen : Zellen sind die klein-
sten organischen Körper, welche eine wirksame Mitte besitzen, die alle
Theile auf sich selber und ihr Bedürfniss beziehet. Andere erklären
die Zellen für Bläschen, welche wachsen und sich vermehren können^
doch lässt sich dieser Definition entgegenhalten, dass nicht alle Zellen
blasiger Natur sind, nicht immer ist eine vom Inhalte ablösbare
Membran zu unterscheiden.
Zum morphologischen Begriff einer Zelle gehört eine mehr oder
minder weiche Substanz^ ursprünglich der Kugelgestalt sich nähernd,
die einen centralen Körper einschliesst, welcher Kern (Nucleus) heisst.
Die Zellsubstauz erhärtet häufig zu einer mehr oder weniger selbst-
ständigen Grenzschicht oder Membran und alsdann gliedert sich die
Zelle nach den Bezeichnungen der Schule in Membran, Inhalt
und Kern.
§. 8.
Von grosser Bedeutung ist die Frage nach der Entstehung derzeuen
Zelle ; denn wie man schon im gewöhnlichen Leben einen gewissen
Maassstab für die Beurtheilung eines Dinges an die Hand erhalten zu
haben glaubt, wenn man die Herkunft desselben kennt, so ist man auch
in den Naturwissenschaften seit Langem bestrebt, die Art und Weise
der Entstehung des sichtbaren Organischen in Erfahrung zu brin-
gen. Es hat aber die Frage nach der Genese der Zellen ganz ähn-
liche Stadien der Beantwortung durchlaufen, wie das Forschen nach
dem Ursprung der Thiere überhaupt. In früherer Zeit hielt man
wie bekannt für ganz natürlich, dass verschiedene niedere Thier-
formen unmittelbar aus dem Schlamme und anderen modrigen Stof-
fen (die Wissenschaft wählte dafür den Ausdruck „primitiver, thie-
rischer Urstoff"), ohne Eltern, durch sog. Urzeugung (generatto aequi-
voca) hervorgehen können. Genauere Nachforschungen und bessere
Hilfsmittel der Untersuchung deckten später auf, dass eine mutter-
lose Zeugung bei niedrigen Thieren so wenig existire, als bezüglich
der h Öhren Geschöpfe je eine derartige Meinung aufgekommen war.
Gerade so verhält es sich mit der Entstehung der Zelle. Woher
und wie die erste Zelle ihren Ursprung nahm, kann so wenig durch
die Naturforschung ausgemittelt werden, als woher der erste Mensch
stammt; gleich wie wir aber sehen, dass in der aktuellen Schöpfung
die Menschen nur durch Fortpflanzung da sind, so kommt auch jede
Zelle immer nur von einer anderen, eine Urzeugung (generafio aequi-
voca) der Zellen lässt sich nicht nachweisen, die Beobachtung kennt
nur eine Vermehrung der Zellen von sich aus und es dürfte
dem Satz onims cellula e cellula dieselbe Gültigkeit zugesprochen wer-
den, als dem omne vivum e vivo.
10 Von der Zelle.
Man hatte früher nach dem Vorgang von Baspail und Schumann die Zellen
gerne mit Krystallen verglichen und diese eine Weile sehr beliebte Parallelisirung
begünstigte ganz besonders die Annahme von einer freien oder mutterlosen Ent-
stehung der Zellen, man dachte sich, dass die Zellen, wie die Krystalle, in Flüssig-
keiten sich absetzen. Die Substanz , aus der die Zellen gewissermaassen heraus-
krystallisiren sollten, nannte man Cytoblastem und unterschied dann eine extra-
celluläre Entstehung der Zellen , die frei im Cytoblastem erfolge , und eine intra-
celluläre oder auch endogene genannt , die von bereits fertigen Zellen ausginge.
Erst nach und nach wurde man inne, dass die Vorstellung von einer freien oder
mutterlosen Zellengenese, abgesehen davon, dass sie nie direkt wahrgenommen wor-
den war, bedeutende theoretische Schwierigkeiten hatte, und in Kurzem dürfte wohl
die Annahme von der extracellulären Entstehung der Zellen zu den antiquirten
Meinungen gestellt werden. (Vergl. die gute kritische Darstellung über die Zellen-
theorie in BemaJc's Werk: Untersuchungen üb. d. Entwicklung der Wirbelthiere
S. 164, Virchovj, Beitr. z. speciell. Path. u. Therapie.) Um noch einmal auf den
Vergleich der Zellen mit Krystallen zurückzukommen, so erblickt man gegenwärtig
weit grössere Unterschiede als Uebereinstimmendes zwischen den beiden Bildungen.
Von besonderer Wichtigkeit in dieser Sache war die Entdeckung i?eic /* er ^'a- (1849),
dass auch eiweissartige Substanzen die Krystallform annehmen können.
§. 9.
Die Eizelle. j).^^ -^yii' (.[^q tVeic Zellenbilcliiiig in Abrede stellen, so miiss unser
Ausgangspunkt die Keimzelle oder das Ei sein, welches selbst wie-
der eine Zeit lang einen Theil des mütterlichen Bodens ausmachte.
Das Ei zeigt sich uns als rundliches Bläschen, mit einem protein-
und fettreichen Inhalt und enthält ein zweites Bläschen mit innerem
Kern eingeschachtelt. Man unterscheidet demnach an ihm die Wand
oder die Zellenmembran, den Inhalt oder Dotter, das einge-
schlossene Bläschen repräsentirt den Zell enkern (iVi^c/ews) und der
Kern im letzteren lieisst Kern körperchen oder Nucleolus.
Fig. 1.
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''"7
Eizelle.
a Membran, b Inhalt, c Kern, d Kernkörpcrchcn. (Starke Vergr.)
; §• 10.
/eiienvrr- j)vY Elzcllc inhäHrt das Vermögen sicli zu vermehren, d. h. eine
-inrch Brut neuer Zellen hervorzubringen. Diess geschieht durch deji soge-
nannten Furchungsprocess, der als der äussere Ausdruck der Zellen-
produktion des Eies zu betrachten ist. Er beginnt (.hiniit. dass der
Kern der Eizelle (das Keimbläschen) sich theilt, worauf um die so ent-
Thcilung.
Zellenvermehrung.
11
standenen zwei Kerne der Dotter sich zu zwei Kugelhnufen (Furch urigs-
kugehi) gruppirt. Indem der Kern der Furchungskugehi dieselbe
Fig. 3.
Fig. 2.
Fig. 4.
Fig. 5.
/m?'
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"i-s;:
'■''is%ü;;'*Si3^""'
Mehre Furchungsstadien, die Vermehrung der Zellen durch Theilung versinn-
lichend. (Starke Yergr.)
Theihmg wiederholt und die Umhüllung das Beispiel des Kerns nach-
ahmt, entstehen neue Furchungskugehi und durch solch fortgesetzte
Theilung des Keimbläschens und steter Umhüllung der Abkömmlinge
des Keimbläschens mit Dotterkörnern wird die ursprüngliche Eizelle
in eine Generation zahlreicher neuer Zellen zerlegt, für welche man den
Namen Furchungskugehi eingeführt hat, weil erst nach und nach der
helle Rand derselben zu einer membranösen Hülle erhärtet und die
Furchungskugel so zur Furchungszelle wird. Dass die Grenze der
Furchungskugel nach aussen zur Membran erstarrt oder erhärtet,
erfolgt nach demselben Princip , als überhaupt die Grenzen der
organischen Substanz gewissermassen entfernter von dem centralen
Lebensheerde, und daher in höherem Grade von der Aussenwelt beein-
flusst, hart wird, man könnte sagen, abstirbt.
Es liegt nicht in meinem Plane, die Modifikationen, welche der
Furchungsprozess in den Thierreihen erfährt, aus einander zu setzen,
nur mag erwähnt sein, dass er entweder ein sog. totaler ist, wobei
der gcsammte Inhalt der Eizelle zu Embryonalzellen umgewandelt
wird, so bei Säugethieren, Batrachiern, den meisten AVirbellosen, oder
er ist ein partialer, d. h. nur ein bestimmter Tlieil des Dotters kann
sich zu Embryonalzellen gestalten, dies ist der Fall bei den Vögeln,
12
Von der Zelle.
Zellen-
Tcrinchniny
durch
Knospen-
bildung.
Reptilien, den meisten Fischen (nicht bei Petromyzon, wo nach Echer
und Schnitze eine totale Furchung- Statt hat), bei vielen Wirbellosen,
den Cephalopoden, Crustaceen, Arachniden, Insekten. Man fühlt sich
daher im Hinblick auf die partiale Furchung- genöthigt, \mi Reichert
den Inhalt des Eies zu scheiden in einen solchen, der unmittelbar
zum Embryo wird, Bil dun gs dotier, während die übrige Inhaltsportion
Nahrungsd Otter heisst. Remak nennt die Geschöpfe mit totaler
Furchung holoblastische Thiere, mit partialer meroblastische.
Es schien bis vor Kurzem durch die ganze Thierwelt Eegel zu sein, dass der
Kern der Eizelle, das sog. Keimbläschen, vor der Furchung schwinde. Joli. Müller
hat zuerst an Entoconcha mirahilis (üb. d. Erzeugung v. Schneeigen in Holothurien)
die Betheiligung des Keimbläschens an der Bildung der Kerne der Furchungs-
kugeln wahrgenommen; ähnliche bestätigende Beobachtungen hat Geg enbaur beim
Furchungsprozess der Oceania arviata (zur Lehre v. Generationswechsel u. d. Fort-
pflanzung d. Medus. u. Polyp), sowie ich selber an den Eiern von Notommata Sie-
boldii (üb. d. Bau u. d. systemat. Stellung d. Räderthiere) gemacht. B e vi ak^s Wahr-
nehmungen am Froschei sind diesen Angaben nicht gerade entgegen , wenn auch
seine Auffassung anders lautet, worüber das citirte Werk nachzusehen ist.
§. 11.
Das Ei steht, wie aus dem Vorhergegangenen erhellt, zu den
Furchungszellen im Verhältniss der Mutterzelle zu den Tochterzel-
len und indem nun letztere fort und fort durch T hei hing sich ver-
mehren, in bestimmter Weise sich zusammenordnen, alsdann durch
Fig. 6.
Vermehrung der Zellen durch S p r o s s c n b i 1 d u n g.
A Eiertrauben von Gordius (nacli M eissner).
B Eibildung von Venus decussata. (Starke Vergr.)
fernere Umwandlung ihrer Gestalt luid ihres Inhaltes zu den Ge-
weben sich metamorphosiren , bauen sie die Organe und den Ge-
sammtorganismus auf. Eine IModiHkation der Zellenvermehrung durch
Theilung, hat man neuerdings (durch Meissner) in der Knospenbil-
dung- oder Gemmification der Zellen erkannt, die abermals vom
Kern ausgeht. In der sich zur Bruterzeugung- anschickenden Zelle
entsteht durch Thciknig des Kerns eine Anzahl neuer Kerne, sich
an die Zeihvjind anlegend, und diese allmählig, je(l(M- für sieb hervor-
drUngcnd. So entstehen knopfförnn'ge Ei-höhungen , die sich zu rund-
lichen Abtheilungen der Mutterzellen ausbilden und als Tochterzellen
durch eine Einschnürung sich von ihr absetzen. Die Verbindung mit
Porenkauale der Zelle. 13
der Mutterzelle wird nach und nach stielförmig ausgezogen, bis zu-
letzt der Sprössling von dem mütterlichen Boden sich ablöst.
Man hatte bisher noch eine endoyene Zellenhildimg aufgestellt, welche darauf
beruhen sollte , dass der Zelleninhalt ohne Theilnahme der Zellenmembran sich
theilt, es demnach scheine , als ob die neuen Zellen oder richtiger Inhaltsportionen
der Zelle von einer gemeinschaftlichen Membran umhüllt wären. Eemak verwirft
diese sog. endogene Zellenbildung als einen Irrthum. Nach ihm weisen dergleichen
von gemein.schaftlicher Membran umhüllten Zellen ein Leichen2)hänomen auf, inso-
fern die Membran , welche schon entsprechend den Inhaltsportionen abgeschnürt
war, sich wieder erhoben und den Inhalt in Portionen abgeschnürt zurückge-
lassen hat.
§. 12.
Die aus der Furchung hervorgegangenen Zellen haben die wesent-
lichen Eigenschaften d.er Eizelle; sie stellen abermals Bläschen dar,
bestehend aus einer zarten Membran, einem aus Eiweiss und Fett ge-
bildeten Inhalt und einem meist blasigen Kern mit einem oder mehre-
ren Kernkörperchen, von jetzt ab tritt eine Difierenzirung der einzel-
nen Zellen, sowie ihrer sie zusammensetzenden Theile ein. Doch sei
vorher noch Einiges über die feinere Beschaffenheit der Zelle, sowie
über ihre Lebenserscheinungen angedeutet. Die Zellenmembran wird
gemeinhin homogen genannt, doch müssen in ihr a priori wegen der statt-
findenden endosmotischen Strömungen feine Porenkanäie angenom- 1^°"^"''^"^,"^''^*
men werden. Die Anwesenheit der letzteren als ein allgemeines Vorkomm- t^^r zeiie.
niss ist mir um so wahrscheinlicher, da an grossen Eizellen die Poren-
kanäle in neuester Zeit erkannt worden sind, und doch, in dieser An-
gelegenheit wenigstens, die Grösse weder bei unorganisirten noch organi-
schen Körpern einen wesentlichen Unterschied begründet. Der kleinste
Bergkrystall z, B., welcher mit freiem Auge nicht mehr gesehen wer-
den kann, ist in seiner Wesenheit nicht verschieden von einem mehrere
Fuss grossen, eben so wenig die winzig kleine den hundertsten bis
zweihundertsten Theil einer Linie messende Zelle, und eine dem freien
Auge wohl sichtbare Eizelle !
Obendrein habe ich zu bemerken, dass es mir scheint, als ob man
selbst schon mit den besseren unserer jetzigen Mikroskope an gar
manchen Zellen die Poren der Membran gewahren könne. Die Epi-
dermiszellen z. B. von Emys europaea und anderen Reptilien boten
mir eine so dichte, feine und dabei eigenthümliche Punktirung, dass
man den Gedanken an sichtbare Porenkanäle wohl in sich aufkommen
lassen kann. Späteren Erörterungen vorgreifend, sei gleich erwähnt,
dass, WC) n die Zellen ihre Wand einseitig oder rings herum durch
Auscheidungen bestimmter Substanzen verdickt haben, die Porenkanäle
in dergleichen verdickten Partien kenntlicher werden. So hat z. B. Funke
in den Cylinderepithelien des Darmes der Wirbel thiere (Kaninchen) an
dem hellen Grenzsaum, welcher dem Darmlumen zugekehrt ist, Porenka-
näle entdeckt. Aehnliches sehe ich in dem Darm mancher Raupen
(s. unten); noch auffälliger werden die Porenkanäle, wie schon gesagt.
14
Kern-
kilrperchen.
iiiiHseningen
der Zellf.
Zellen mit ganz oder th eilweise verdickter Wand und Porenkanälen.
A Eierstocksei vom Maulwurf: a die Dotterhaut mit den Porenkanälen (b von
den Zellen des Discus proligerus).
B Epithelzellen aus dem Darm mit einseitig verdickter Wand und Porenkanälen in
derselben. (Starke Vergr.)
an den Eizellen mit verdickter Wand, so bei vielen Fischen, in der
Zona pellucida des Säugetliiereies , des Holotliurieneies, vieler Insek-
teneier etc.
Die gleiche Erscheinung der Porenkanäle dürfte mit der Zeit auch
an der Wand des Kerns nachweisbar werden. Ich sehe wenigstens
an den Kei'nen der riesigen gelbkörnigen Zellen, welche zwischen die
gewöhnlichen Lappen des Fettkörpers bei Phryganea grandis u. a. ein-
gebettet sind, eine eigene Strichelung und Punktirung, die ich auf die
x\nwesenheit von Porenkanälen auslegen möchte.
Das Kernkörperchen {Nucleolus) ist kein constanter Theil der
Zellen. In mehreren Fällen, wie z. B. an den Kernen der Linsenfasern des
Frosches, am Ei der Ratte, Ganglienkugeln der Blutegel, Ei von Synapta
habe ich mich überzeugt, dass dieses Gebilde nur eine verdickte Partie
der W^and, ein Vorsprung derselben nach innen ist, es scheint nach
Verflüssigung des übrigen Kerninhaltes sich abzuzeichnen, macht sich
häufig auch erst bcmcrklicli in späteren Lebensperioden der Zelle.
§. 13.
Will man von den L e b e n s e r s c h e i n u n g e n der noch indifferenten
Zellen reden , so ist man gezwungen , nach denselben Ausdrücken
zu greifen, welclie schon die früheren Autoren {vf\Q, Brown, Reil u. a.)
zu Hülfe rufen, wenn sie die höchsten oder letzten Phänomene der or-
ganischen Materie bezeichnen wollten. Dem zufolge müssen auch wir die
Erregbarkeit iincitabilitos) als die gewissermaassen primitive Lebens-
eigenschaft der thierischen Zelle ansprechen. Sie ist, in der Sprache
der Genannten zu reden, „Grund aller vitalen Aktion." Von ihr lassen
sich abzweigen: 1) Sensibilität und Irritabilität, Empfindung und Be-
wegung, oder die sog. animalen Lebenserscheinungen, und 2) die
Erscheinungen des Stoffwechsels, des Wachsthumes und derVermelu-uug,
welche man gemeinhin die vegetativen Thätigkeiten nennt. Da die
Einzellige Thiere. 15
Zellen eine gewisse Gliederung ihres Baues haben , so liegt es nahe, die
angedeuteten Thätigkeitsäusserungen innerhalb des Zellenorganismus lo-
calisirt zu wissen. Doch ist Niemand im Stande, hierüber etwas
Sicheres auszusagen, nur scheint vielleicht so viel aus den Beobach-
tungen hervorzugehen, dass der Inhalt der Zellen von höherer Dig-
nität ist als die Membran, und dass besonders nur der Zelleninhalt das
Substrat für die irritablen und sensiblen Prozesse bieten könnte. Be-
züglich des Kernes weiset Manches darauf hin, dass derselbe mit der
Fortpflanzung der Zellen, mag sie durch Theilung oder Knospenbil-
dung erfolgen, in Beziehung stehe.
Am Dotter verschiedener Thiere hat man merkwürdige Bewegungen an der
hellen Substanz, welche die Dotterkörner und Kugeln zusammenhält, wahrge-
nommen; die Bewegungen erinnerten an die Contractionen der Amöben. Duj ardin
beschrieb sie von den Eiern einer Limax , Ecker vom Froschei , Reviah sah sie
auch an den Dotterkugeln des Hühnereies, ich selber kenne sie vom Ei des
Pristiitrus, wo sie mir allerdings den Eindruck eines vitalen Vorganges machten,
auch Ecker fasst die Sache so auf, Remak hingegen lässt die Bewegungen von ein-
dringendem Wasser abhängen. Gelingt es, festzustellen, dass diese Contractionen
kein physikalisches, von molekularen Strömungen bedingtes Phänomen sind, sondern
eine Lebenserscheinung, so hätte man ein siunenfälliges Beispiel von der Irritabili-
tät des Inhaltes der primären Zellen.
§. 14.
Erwähnenswerth ist , dass die kleinen homologen Theile oder Zel- Einzeilige
len, welche den Thierkörper bilden, innerhalb gewisser Abtheilungen
des Thierreiches beslmmte Gross endifferenzen einhalten. Man weiss,
dass unter den Wirbelthieren bei den Vögeln und Säugern im Allge-
meinen die Zellen und deren Derivate kleiner sind, als bei Fischen
und nackten Reptilien, und unter letzteren überragen wieder die zel-
ligen Theile des Landsalamanders und des Proteus die aller übrigen
Wirbelthiere ; doch ist zuzugestehen , dass eine strenge Durchführung
dieses Satzes nicht wohl möglich ist, denn die Ganglienkugeln des
Proteus z. B. scheinen mir kaum grösser als die des Frosches zu sein.
In den Gruppen der Wirbellosen dürfte es bei den Arthropoden an
vielen Stollen (Darm der Insekten , Serikterien , Harngefässe etc.)
grössere Zellen geben,' als bei Mollusken, Würmern etc., obschon auch
hier bestimmte Organe (man denke z. B. an die grossen Ganglienku-
geln im Gehirn und die langen Cylinderzellen im Darm der Gastero-
poden) sehr umfangreiche Elementargebilde haben. Immerhin mag
man an dergleichen Grössenverhältnisse der Elementartheile sich dess-
halb erii uern, als bei den sog. Protozoen oder Infusorien die den
Zellen homologen Theilchen meist so ausserordentlich klein zu bleiben
scheinen, dass man herkömmlich, und, wie mir dünkt, irrthümlich de-
ren Körpersubstanz als eine gleichartige, homogene Masse ansieht. Bei
dieser Betrachtung möchte ich geflissentlich etwas verweilen. Gleich
nach dem Bekanntwerden der Schwann^achen Entdeckungen sprach
sich Meyen (Müll. Arch. 1839) dahin aus: die Infusionsthierchen,
Tliiere.
16 "Von der Zelle.
welche, weil die kleinsten als die niedrigsten Tliierformen angesehen
werden, seien einzellige Geschöpfe im Gegensatz zu den übrigen Thie-
ren , die allein Zellencomplexe oder iVggregate niehrer zu einem Gan-
zen zusammenwirkender Zellen repräsentirten, v. Siehold, Kölliker
u. A. haben sich zu derselben Meinung erklärt. Es kann zugegeben
w^erden, dass bei manchen der kleinsten Formen, Monaden z. ß., selbst
noch von grösseren, z. B, von Polytoma, Difßugia, Enchelys (vergl.
die genauen Abbildungen, welche Ä. Schneider in Müllers Arch. 1854
darüber veröfFenthcht hat) eine derartige Behauptung auf einer gewis-
sen Basis ruht, was aber die complicirteren Formen anlangt, so müsste
man im Bestreben, an ihnen einzellige Thiere zu erblicken, nach dem
richtigen Vergleich vom Oskar Schmidt, den Begriff der Zelle in ähn-
licher Weise erweitern, und ich möchte hinzusetzen, verschieben, wie
diess die natürphilosophische Schule mit dem Wirbel gethan hat. Der-
gleichen Meinungen wurzeln auch nur in unzulänglichen Beobachtungen.
Mag Ehrenherg im Einzelnen mehrfEich geirrt haben, sein Grund-
gedanke , dass den Infusionsthieren ein diffcrenzirter Organismus zu-
komme, wird durcb neuere Untersuchungen immer mehr bestätigt.
Bei den grösseren Arten lässt sich unter gehöriger Vergrösserung
auch von histologischer Differenzirung reden. Prüfe ich z. B. um-
tänglichere Thiere von der Gattung Vorticella, Epistylis u. a. , bei
78Umaliger Vergrösserung [Kellner, Syst. 3. 0. IL), so ist unterhalb
einer deutlichen, häufig quergestrichelten Cuticula, welche Zeichnung
nicht etwa von Falten herrührt, sondern im ausgestreckten Zustande
des Thieres gesehen wird, die Leibessubstanz keineswegs eine gleich-
artig-gallertige Masse, sondern verhält sich, w^enn schon im verkleiner-
ten Maassstab, wie die Substanz unterhalb der Cuticula der Rotatorien,
der Entomostraken oder zarter Lisektenlarven. Man unterscheidet
nämlich sehr wohl rundliche Körner, in Essigsäure schärfer werdend, die
ganz vom Habitus der Nuclei in einer gewissen Ilcgelmässigkeit in
eine helle, weiche Substanz gelagert sind. Bei den llotatorien, Lisek-
tenlarven etc., ist das Bild häufig gerade so, nur dass die Nuclei
grösser sind, und eben desshalb deutlicher wird, wie zu jedem Kern
ein gewisser Bezirk der jetzt gleichmässigen * Substanz ursprünglich
als Zellenterritorium gehört haben mag. Die Mittheilungen ferner,
welche Max Schnitze von der Beschaffenheit der llhyzopoden giebt,
sind gar nicht darnach angethan, um nicht einmal für diese Thiere eine
rein homogene Substanz als Körperconstituens anzunehmen : es finden
sich in der feinkörnigen Grundmasse viele, auch wieder Bläschen ein-
schliessende Kerne. Und ferner, es kommen, woniui 0. Schmidt, der
sich immer gegen die „Einzelligkeit" gestennnt hat, aufmerksam machte,
in der Haut eim'ger Infusorien [Faramaecium , Bursaria, P. aurelia,
P. caudatum, Bursaria leucas) die nämlichen stabfönnigen Körper vor,
welche man bei höheren Gruppen als Inhalt der Ilautzellen kennt.
Lachmann u. Clarap^dehnhQu ähnliche, nui- weit dickere Körperchen,
Einzellifte Tliiere. 17
■o
^welche den Nessclorg'tanen der Campanularicn tüuschcnd ähnlich
sehen", in einem wahrscheinlich zu den Acinetinen zn rechnenden
Thier gefunden , je zwei bis neun dieser Körperchen waren von
einer eignen rundlichen Blase (Zelle?) umschlossen. Allmann will
auch aus den spindelförmigen Stäbchen der genannten Infusorien
Nesselfäden hervortreten gesehen haben. Dass in Opalina ranarum
nach Anwendung von Reagentien zahlreiche Kerne sichtbar wer-
den, davon wollen wir Umgang nehmen, da die Stellung dieses Ge-
schöpfes unter den Infusorien etwas zweifelhaft geworden (von be-
sonders schönzelligcm Bau erscheint mir die helle Handzone an der
Opalina aus dem Mastdarm des Bomhinator igneus), doch sei noch
an einiges Andere erinnert. Der sog. Kern der Infusorien ist, wie
schon mehrere Forscher sahen , und ich am spiraligen Kern der
Vorticellinen ebenfalls w^ahrnehme, nicht ein durchaus homogener
Körper, sondern wenn er aus dem verletzten lebenden Thier heraus-
getreten, bemerkt man an ihm deutlich eine helle, ziemlich weit ab-
stehende Schale und einen granulären Kern. Ferner weicht , was
mir ein triftiger Grund scheint, die „contractile Substanz '^ im Stiel
der Vorticellinen auch gar nicht von den Muskeln ganz niederer Wir-
bellosen ab. Man wähle zur Beobachtung grosse Arten, gute Ver-
grösserung und man ward finden, dass dieser Muskel dieselben Son-
derungen kund giebt, wie die Muskeln vieler Rotatorien, Turbella-
rien etc. , mit anderen Worten, der Muskel zeigt, wo er einige Dicke
hat, eine zarte Hülle, das sog. Sarcolemma, und innen die contractile
Substanz , letztere (im expandirten Zustande !) mit derselben eigenen
Querzeichnung , als ob sie aus quer ineinander geschobenen Keilen
(den primitiven Fleischtheilchen) bestehe ; gegen das Thier zu , wo
der Muskel an Dicke abnimmt, wird er, entsprechend der Verringerung
seines Dickendurchmessers , mehr homogen. Auch in der Licht-
brechung, in der Art wie er sich bröckelt, giebt sich der Stiel-
muskel der Vorticellinen ganz wie die gleichgebildeten Muskeln an-
derer Evertebraten.
Schon nach diesen fragmentaren Ergebnissen der Untersuchung
möchte ich daran halten , dass auch bei den Infusorien kleinste or-
ganische Einheiten oder Aequivalente der Zellen zur Bildung des
Thieres zusammenwirken , aber bei der äusersten Kleinheit dieser
Theile versagen uns vorläufig die gegenwärtigen optischen Instru-
mente die Mittel, ihren weiteren Eigenschaften nachzugehen.
Die Melirzalil der Forscher , welche sich neuerdings mit dem Studium der
Infusionsthiere befassen, z. B. Stein (d. Infusionstliiere auf ihre Entwicklungsgesch.
untersucht), Colin (Zeitschr. f. w. Zool.), Perty, Clarapede (üb. Actinophrys Eich-
hornii, Müll. Arch. 1854), Lachmann (de lufusoriorum , imprimis vorticellinorum
structura, 1855, übersetzt und mit wichtigen Zusätzen in Müll. Arch. 1856), wollen
nicht viel von der Einzelligkeit der Infusorien wissen oder bekämpfen sie gerade-
zu; doch hat sich neuerdings wieder Auerbach zu (?nnsten „der Einzelligkeit der
Amöben" bekannt (Zeitschr. f. w. Z. 1855). — Bei Lachmann erfährt man auch,
Leydig, Histologie. 2
18
Von den Zellen.
Metaiiior-
pliosen der
Zelle.
dass Übrigens Job. Müller in s. Vorträgen über vergl. Anatomie scbon seit Jahren
geo-en die vermeintliche Analogie eines Infusoriums mit einer Zelle sich ausge-
sprochen hat. Noch am ehesten könnten die Gregarinen, die mir freilich nur
unentwickelte Thierformen zu sein scheinen, für die Stütze der in Frage stehenden
Ansicht angerufen werden. Doch verwirft Stein mit verschiedenen Gründen auch
diese Meinung.
Nach diesem Exkursus, der, indem er Manches anticipirte, auf
den Gang unserer Betrachtungen etwas störend eingewirkt haben
mag, lenken wir wieder zu der Zelle und ihren Metamorphosen ein.
§.15.
Es legt jede Zelle ein eigentliümliches, man könnte sagen, indi-
viduelles Leben an den Tag, in Folge dessen die ursprünglich (nach
der Furchung) von gleichartigem Charakter gewesenen Zellen, ge-
wisse Veränderungen ihrer Gestalt und ihres Inhaltes durchmachen.
Sie erfahren Metamorphosen, die selbst mit dem Aufgeben der selbst-
ständigen Form der Zelle endigen können. Um nun einzelne dieser Ver-
änderungen aufzuführen, so kann sich die kuglige Zelle abplatten,
Fig. 8.
■"^•<^ir^ -^4^
A- «•
Zur Zellenmetamorphose.
A Zelle aus den Serikterien der Raupe von Saturnia car])iiii mit vielfach ver-
ästeltem Kern a.
B Zelle aus dem Tapetum von einem Hai (Spinax) mit krystallinischem Inhalt a.
C Fettzelle von einem Weissfisch.
D Fettzelle vom Fischegel (Piscicola) : a der Fetttropfen.
kegelförmig werden, nach den verschiedensten Richtungen auswachsen,
auch der Kern kann aus seiner rundh'chon Form in das Ovale und
Stabförmige übergehen, in seltenen Fällen sich verästeln, (bei In-
sekten in den Sekrctionszellcn der Spcicheldi'üsen odci- Spinngefässe, in
den Malpighischen Gefäissen gewisser Schmetterlinge ; ist bis jetzt das
Zellenmetamorpbose.
19
einzige Beispiel , dass der Kern in eine complicirte Form übergeht,
während die Zellenmembran in einfacher Gestalt verbleibt); der Kern
kann sich ferner vermehren, ohne dass die Zelle sich theilt, sondern
eben dadurch zu einer vielkernigen Zelle wird (Muskelzellen, gewisse
Zellen im Knochenmark). Im Nucleolus treten zuweilen kleine Hohl-
räume auf (Keimflecke vieler Wirbellosen). Seltner wird das Kern-
körperchen länglich ; ich habe dergleichen beschrieben aus den Epi-
dermiszellen der Cohitis harbatula-^ ÄemaA; bildet welche ab von den
grossen Randzellen des Hornblattes in dem sich entwickelten Hühn-
chen a. a. O., Taf. I. Fig. 14. ; endhch haben diese Formen auch die
Nucleolim den Kernen der Linsenfasern beim Frosch. Der Zellen-
inhalt wandelt sich manchfaltig um in Nervensubstanz, in contractile
Fig. 8 a.
Zur Z e 1 1 e n m e t a m 0 r p h 0 s e.
A Muskclzelle aus der Stammmuskulatur eines Haiembryo (Spinax acanthiaß).
B Zelle aus der Linse desselben Thieres.
C Stark verästelte Pigmentzelle aus dem Eierstock von Piscicola. (Starke Vergr.)
2*
20 Von den Zellen.
Materie, in Farbstoffe : Hämatin, Sepia, körniges Pigment, Chloro2)hyll
(bei Hydra ^ unter den Turbellarien bei Vortex viridis, Convoluta
Schultzii, Bonellia^ unter den Infusorien bei Euglena^ Loxodes, Sten-
tor)j in Fette, Concretionen verschiedener Art, auch die phosphores-
cirende Materie der Leuchtkäfer ist, wie ich an Lampyris sehe, deuthcher
Zelleninhalt.
Nimmt man auf die körperlichen Theile des Zelleninhaltes Rück-
sicht, so kann er einfach körnig sein, oder es sind krystallinische Bil-
dungen (z. ß. die FHtterchen des Metallglanzes bei niederen Wirbel-
thieren); häufig umschliesst der Inhalt auch grössere Bläschen, so'
die Eiweissbläschen im Dotter der Vögel; Selachier, auch die Fett-
bläschen, Chlorophyllkügelchen sind hieher zu ziehen.
Eine merkwürdige Erscheinung bei der Umwandlung des Zellenin-
haltes ist, dass häufig die Bildung gewisser Sekrete in eigenen, innerhalb
der Zelle hegenden Bläschen , den „ S e k r e t b 1 ä s ch e n " erfolgt. So die
Harnsäure bei Mollusken , Bilin bei Mollusken und Krebsen , wie
zuerst durch H. Meckel bekannt geworden ist, ich finde denselben
Vorgang in den Schleimzellen der Epidermis vieler Fische, in den
Speicheldrüsen von Limax und a. a. O.
Eine sehr eingreifende Metamorphose ist ferner , dass die Zellen
Substanzen von mancherlei chemischer Qualität, cellulosehaltige,
leim-, chondrin-, chitinhaltige nach aussen absetzen. Die Abschei-
dung erfolgt in dem einen Falle in so geringer Menge, dass ledig-
lich die früher überaus zarte Zellenmembran jetzt etwas verdickt
wird und sich gegen Reagentien resistenter zeigt , oder es ist an
andern Orten die abgeschiedene Substanz in so geringer Menge
zwischen den Zellen vorhanden , dass sie für die gewöhnliche Beo-
bachtung kaum nachweisbar ist und nur gleichsam zum Verkleben
der Zellen unter einander dient, andrerseits aber wird zwischen die
Zellen ein StcjfF in so reichem Maasse ausgeschieden , dass die zel-
ligcn Theile weiter, ja selbst sehr weit auseinander zu liegen kommen.
Eine solche Zwischenmatcrie wird gewöhnlich als Intercellular-
substanz bezeichnet und durch die Mächtigkeit ihrer Masse wird
sie für die Construction des Organismus von AVichtigkeit.
Endlich bei jenen Metamorphosen , welche die Individualität der
Zelle gefährden, auch wohl ganz vernichten, verwachsen die Zellen
zu fusi-igen und netzförmigen Zügen, oder schmelzen zur Darstellung
von Hold räumen zusammen, was bei der Bildung der Blut- und Lymph-
gefässc, der Tracheen, der Höhlen und Bäume im Knorpel, Kno-
chen etc. geschieht, vielleicht verwachsen auch abgeplattete Zellen mit
ihren Rändern , um dünne Häute zu erzeugen (das Epithel im Herzen ? j
§• 16.
ooweb«. Das Ziel der Zcllemnetamorphosen ist die PJrzeugung der Ge-
weihe, \v<iri(iitcr man die grösseren Massen begreift, zu welchen sich be-
stimmter I'unctionen halber die Zellen und Zellengebilde vereinigt haben.
Gewebe. 21
Ehe ich daran gehe , die Gewebe zu griippireii , glaube ich die
Bemerkung vorausschicken zu dürfen, dass alles Systematisiren mit
etwas Willkührlichkeit behaftet ist. Jeder wird nach seiner Art zu
denken und nach seinen individuellen Forderungen diesen oder jenen
Gesichtspunkt wählen und darnach die Dinge zusammenstellen. Die
Aufmerksamkeit des Einen lenkt sich mehr auf die Differenzpunkte,
der Andere fasst lieber die Achnlichkeiten ins Auge und so trennt der
Eine da und macht viele Abtheilungen , wo der Andere nur wenige
Gruppen gelten lässt. Was nun speziell die Classifizirung der Gewebe
betrifft, so däuclit mir, dass eine solche kaum mit Consequenz sich auf
die Form der Theile stützen lässt; man ist z. B. nicht im Stande, die
letzten fein gewordenen Netze der Nervenfasern ;etwa in der Hornhaut
der Wirbelthiere von den anastomosirendcn Hornhautkörpern, isolirt ge-
dacht, wegzukennen, und nur ihr Zusammenhang mit den unverkenn-
baren Nerven giebt den Entscheid; ebenso wxnig vermöchte man
nach der Form allein gewisse verlängerte Epitlielzellen von glatten
Muskelfasern auseinander zu halten u. dgl.. Ich nehme desshalb
die physiologischen Beziehungen der Elementartheile zur Richtschnur,
indem ich mir nach folgendem Schema die Gewebe zurechtlege.
.§._ 17.
Es bestellt einem guten Theile nach der menschliche und tliie-
rische Leib aus einem Gewebe, welches, den ganzen Körper und
seine Organe stützend, das Gerippe für den Körper im Grossen, wie
für die einzelnen Organe abgiebt. Diese Substanz erzeugt das Skelet
der Wirb eltliiere, sowie bei Wirbellosen die ein Skelet vertretenden
Massen ; sie bildet die Grundlage aller Pläute, das Gestell der Drüsen
und, durch den ganzen Körper im Continuitätsverhältniss stehend, ver-
leiht sie ihm Halt und Zusammenhang. Diese erste Gruppe umfasst
dieGewebe der Bindesubstanz. Man kann ihr vom physiologischen
Gesichtspunkte aus einen gewissermaassen indifferenten Charakter bei-
legen , da sie nur zur Stütze für andere mehr spezifische Gewebe dient,
ja letztere öfters in die weicheren Formen der Bindesubstanz , wenn
ich mich so ausdrücken darf, eingeleimt sind.
Eine zweite Gruppe von Geweben scheint sich hauptsächlich an
den Hergängen der Absorption und Sekretion zu bethcihgen. Wir
können uns deren Zellen wie kleine chemische Werkstätten vorstellen,
die Stoffe aufnehmen, umwandeln und abgeben. Hieher gehören die
Epithelialgebilde und die Drüsenzellen: Gewebe der selbständig
gebliebenen Zellen.
Die dritte Gruppe der Gewebe giebt die Unterlage für die Em-
pfindung, wie für die Seefischen Thätigkeiten : das Nervengewebe.
Endlich viertens wird durch das Muskelgewebe die Bewegung
vermittelt.
Die Bindesubstanz ist das stützende Gewebe, das Grundgerüst des
Körpers, zwischen dessen grösseren und kleineren Lücken, sowie auf
22 Von den Geweben.
dessen Flächen sowohl die selbständig- gebliebenen Zellen ihr Leben
führen, als auch jene Elementartheile, welche höhere animalische Ener-
gien offenbaren, die Muskel- und Nervensubstanz nändich, ihre Thätig-
keit üben können.
§. 18.
Wir entnehmen aus der Entwicklungsgeschichte, dass die durch
den Furchungsprozess gewordenen Zellen sich nach einem durch-
gängigen Plane bei den Wirbelthieren in hautartige Lagen ordnen,
in die sogenannten Keimblätter, in ein oberes, mittleres und unteres,
wovon jedem ein ganz bestimmter Antheil an der Bildung der Ge-
webe zukommt. Es hat sich nämlich ergeben, dass das mittlere Blatt
die Gewebe der gefässhaltigen Bindesubstanz, das Nerven- und Mus-
kelgewebe liefert, während das obere und untere Blatt rein zellige
(oder epitheliale) Bildungen, die gefäss- und nervenlos sind, aus sich her-
vorgehen lassen. Dem Versuche, dieser Auffassung zu einer gewissen
theoretisch sehr ansprechenden Allgemeinheit zu verhelfen, kommt aber
die Erfahrung Remaks in die Quere, dass das Medullarrohr aus der
centralen Verdickung des oberen Keimblattes hervorgehe, uhne dass
eine epitheliale Sonderung an der ursprünglichen Medullarplatte oder
dem späteren Medullarrohr zu entdecken wäre.
Unsere nächste Aufgabe besteht darin, die oben aufgestellten vier
Gewebsgruppen nach ihren allgemeinen Eigenschaften näher zu be-
leuchten.
Zweiter Abschnitt.
Von den Geweben der Bindesubstanz.
§. 19.
Wer eine Anzahl von Thierformen, sei es auch nur oberflächlich,
ins Auge fasst, wird von vorneherein die Ansicht aussprechen, dass
die Bindesubstanz nach ihren physikalischen und wohl auch chemi-
schen Eigenschaften sehr abändern müsse, da ja doch im Körper
einer weichen gallertigen Qualle z. B. das gestaltgebende und stützende
Gewebe nicht wenig verschieden sein nmss von dem Gewebe, welches
z.B. bei einer Schildkröte oder bei einem Krebs den starren Panzer bildet!
Auch dringt sich uns dieser Gedaidcen nicht bloss auf bei der Durch-
musterung ganzer Thierreihen, sondern ebenso lebhaft, wenn wir in
die Organisation eines einzelnen höheren, z. B. Wirbelthieres blicken.
Nehmen wir der Veranschaulichung halber zwei Extreme! Ein Kno-
chen und der Glaskörper im Auge werden beide zu den Geweben
Gallertgewebe.
23
der Bindesubstcanz gestellt, die Funktion beider ist aucli, abgesehen
von Nebenbeziehungen , das Stützen , der eine als Tragbalken eines
Körpergliedes dienend, der andere als Mittel, die Form des Augapfels
durch Ausspannen der Augenhäute zu wahren. Und welch grosser
Unterschied ist dabei zwischen dem festen, harten Knochen und dem
wässrigen, leicht zerfliessenden Glaskörper!
Das Vorbemerkte kann genügen, um die Ueberzeugung zu schöpfen,
dass die Gewebe der Bindesubstanz in ihren jihysikalischen Eigen-
schaften alle Grade der Cohäsion repräsentiren müssen, und dass sie
eine förmliche Stufenleiter vom Halbllüssigen bis zum ganz Festen
und Starren zu durchlaufen haben.
§. 20.
Den morphologischen Charakter oder die wesentlichen Merk-
male des in E-ede stehenden Gewebes kann man so ausdrücken : in der
Mehrzahl ihrer Formen besteht die Bindesubstanz aus Zellen und ho-
mogener Zwischenmaterie. wobei das Mengenverhältniss, in dem das
eine Constituens zum andern tritt, in der Art wechselt, dass entweder beide
in gleichem Maasse sich an der Zusammensetzung betheiligen oder dass
sich ein Uebergewächt auf die eine oder die andere Seite neigt, bald
denmach die Zellen vorherrschen und die Zwischensubstanz zurückge-
drängt wird, ja sogar auf ein Minimum reducirt sein kann, oder lun-
gekehrt, die Zwischensubstanz waltet vor oder ist so massenhaft ge-
worden, dass die Zellen nur noch in Resten zugegen sind, auch wohl
gänzlich verdrängt werden können.
Mancherlei Wechsel oftenbart sich auch in der Form und dem
Inhalt der Zellen sowie in der ßeschafienheit des IntercellularstofFes.
Die Zellen können rund sein und von da durch zahlreiche Ueber-
gänge zu strahligen Gebilden werden , die selbst wieder netzartig
unter einander in Verbindung treten, ein andermal wachsen sie zu
langen, feinen, verästelten Kanälen aus (Zahnkanälchen z. B.) Der Zel-
leninhalt erscheint bald von mehr indiö'erenter Natur, oder er zeigt sich
als Fett, Pigment, Kalk, Luft^ zum Theil, wie mir dünkt, selbst als con-
tractile Materie. Der Intercellularstoff ändert sich ab von halbtlüssiger
Substanz zu Gallerte, Schleim, Leim, Cellulose, er kann chitinisiren,
er kann verkalken.
Je nachdem Zellen und Zwischensubstanz in angedeuteter W^eise
gewisse Eigenschaften einhalten, sondert man die Bindesubstanz in
folgende Arten.
§. 21.
1. Das Gallertgewebe.
Solches ist in den Embryonen der Wirbelthiere (subcutanes Ge-
webe, Whartoniscbe Sülze etc.) stark verbreitet, doch auch im fertigen
Körper kommt es vor. Ich zähle hieher nicht bloss den Glaskörper
aller Wirbelthiere, sondern auch z. B. die weiche Substanz , welche
Allgemeine
K(^nnzeiolien
der IJinde-
substanz.
Gallert-
gewebe.
24
Von den Geweben.
bei Vög'cln den Sinus rlionihoidaUs des Rückenmarkes ausfüllt; in be-
deutenderer Anhäufung treffen wir das Gallertgewebe bei vielen Fi-
schen unter der äusseren Haut an und in den wirklichen und pseudo-
electrischen Organen, sowie in der Umgebung der sogenannten
Schleimkanäle.
Manche Autoren {Virchoio) nennen diese Form der Bindesubstanz
Schleimgewebe.
Die Zellen bilden gewöhnlich hier durch strahliges Auswachsen
und Anastomosiren ein Fachwerk, in dessen Maschen ein sulziger
Stoff liegt, der beim Kochen nicht Leim giebt , sondern Eiweis und
Fig. 9.
-a
G-allertiges Bindegewebe,
a das Zellengerüst, b die sulzige Masse dazwischen. (Starke Vergr.)
einen dem Sehleimstoff ähnlichen Körper enthält. Der Kern der
Zellen markirt sich häufig noch in den Knotenpunkten des Gerüstes,
in andern Fällen, wie z. B. im ausgebildeten Glaskörper, sind nicht
einmal mehr Zellenrudimente nachzuweisen, da die homogene Zwi-
schenmaterie allein übrig geblieben ist.
Bei vielen Wirbellosen spielt besagtes Gewebe eine grössere
Rolle, namentlich bei den Quallen und Mollusken (zahlreichen Ga-
steropoden, Heteropoden , Cephalopoden, Tunikaten) auch bei Krebsen
an gewissen Körperstellen wird es gefunden. Die Zcllcnnetze sind
anfangs dichter und, wie Gegenhaur an jungen Rippenquallen sah, es
erscheinen die Zellenausläufcr als deutliche Röhrchen: später mit dem
Wachsthum des Thieres und der Zunahme der hyalinen Zwischensub-
stanz werden sie zu solid aussehenden Fasern. Die Intercellularmassc
giebt nach Schnitze weder Leim noch enthält sie Schleim. Sehr
isolirt steht bis jezt die Thatsache, dass sie bei den Tunikaten cellu-
losehaltig ist {Schacht, Müll. Arch. 1851).
§ 22.
Von Interesse und wie mir dünkt auch wichtig fiu- die Entstehung
der elastischen Fasern sind die Mittheilungen, welche Virchoio (Arch.
I". path. Anat. 1855 S. 558) und Schnitze (Müll. Arch. 1856) über
Fasern In der Gallertsubstanz der ^ledusen gegeben haben. Sie
stehen mit den Ausläufern der Zellen nirgends in Veibindung, sondern
Bindegewebe. 25
■ ö
bilden ein ganz selbständiges Fasersystem, sie sind verschieden breit,
homogen, glashell, verlaufen gestreckt in allen Richtungen, theilen sich
häufig und verbinden sich untereinander unter alle möglichen Winkeln,
oft verschmelzen mehrere Fasern zu breiteren Platten. Sie verleihen
der Gallertmasse Festigkeit und Elasticität.
Icli kann nicht umbin, hier anzumerken, dass vielleicbt in den lokalen Be-
ziehungen des Gallertstoffes zu den Zellen nicht bei allen Wirbellosen Alles mit
dem oben aufgestellten Schema stimmt. Frühere Ai^fzeichnungen von mir über das
gallertige Bindegewebe von Thetys, von der Haut der Cephalopodeu , auch vom
Fettkörper einiger Insekten (z. B. von Larven der Äeshna, wo mir die Gallerte so-
gar in eigenen Bläschen der Zellen enthalten zu sein bedünkte) lassen vermuthen,
als ob die Gallerte hier Zelleninhalt und laicht Intercellularsubstanz wäre, das Ge-
webe nimmt sich aus, wie wenn es von verschieden grossen, mit hyaliner weicher
Masse gefüllten Blasen zusammengesetzt wäre. Doch sind erneute Untersuchungen
abzuwarten, um zu sehen, was daran Wahres ist.
§ 23.
2. Das gewöhnliche Bindegewebe.
Es wird, obschon nicht recht passend, das fibrilläre Bindegewebe ^!°''!',?.''™''f^
' L ■ o dei- Wirbel-
genannt, früher hiess es zumeist Zellgewebe und tritt uns im Körper ti>'eie.
der Wirbelthiere bald in festerer Gestalt entgegen, z. B. in den Sehnen,
Bändern, als Grundlage von mancherlei Häuten, oder wir sehen es
von mehr weicher, lockerer Art und dann fungirt es als interstitielles
Bindegewebe.
§ 24.
Die Grund- oder Intercellularsubstanz finden wir beim gewöhn-
lichen Bindegewebe als eine festere oder auch nachgiebige Materie,
die leimhaltig ist und sehr allgemein eine Schichtung aus zarten
Lamellen aufweist, wodurch sie eine streifige Zeichnung erhält, die
früher gemeinhin auf eine Zusammensetzung aus Fäserchen bezogen
wurde, woher auch die Benennung „fibrilläres Bindegewebe" stammt.
Fig. 10.
J M
iMÜMMII'li!
Festes Bindegewebe,
a die Bindegewebskörper, b die streifige Grundsubstanz. (Starke Vergr.)
Die zelligen Elemente, Bindesubstanzzellen (Bindegewebskörper-
chen Virchow) bleiben entweder mehr rundlich oder sie sind strahlig aus-
•26
Von den Geweben.
Fettgewebe.
Pigmcnt-
zellen.
gewachsen; vei-zweigt und hängen untereinander zusammen. Durch
die Art und Weise, wie die verzweigten Bindegewebskörper die ho-
mogene, geschichtete Grundsubstanz durchsetzen, grenzen sie letztere
zu cjlindrischen , bänderartigen Strängen, den sog. Biudegewebs-
bündeln ab.
§ 25.
Der Inhalt der Bindegewebskörper kann sehr variiren , die Zelle,
rundlich geblieben, füllt sich mit Fett und man wendet jezt für diese
Form der Bindesubstanz den Ausdruck Fettgewebe an, ein andermal
führen die Zellen des Bindegewebes körniges Pigment und werden-
dann in den histologischen Schriften unter dem Namen „verzweigte
oder sternförmige Pigmentzellen " aufgeführt. Oben, als von den
Zellen der Bindesubstanz ganz im Generellen die Rede war, habe ich unter
Fig. 11.
Bindegewebe, dessen Körperchen zu „Fettzellen'' und „l'igment-
z eilen" geworden sind,
a die fetthaltigen Bindegewebskörper, b die pigmenterfüllteu, c die Inter-
cellularmasse.
dem möglichen Inhalte der Zellen auch die contractile Substanz auf-
geführt, wobei ich eben die verästelten Pigmentfiguren in der Le-
derhaut der Amphibien im Sinne hatte, denn es scheint mir, dass es
jener, die Pigmentkörnchen zusammenhaltende hyaline Inhalte der
Zellen wäre, welcher die Contractionserscheinungen bewirkt. — Be-
züglich der Art, wie die Zellen mit Fett gefüllt sind, fällt mir auf,
dass bei manchen Fischen (Stör z. B.) und Vögeln (z. B. bei der
Taube unter der Zunge) die Fettzellen ein maulbeerförmiges Aus-
sehen haben, indem nur einzelne dichtgedrängte Fettklümpchen in
der Zelle liegen , die so selbständiger Natur sind , dass selbst ein
starker Druck nicht vermag, sie aus dieser Form zu verdrängen und
etwa zum Zusammenfliessen zu bringen. — Die Farbe des Fettes
wechselt, ausser weissem Fett sieht man gelbes, rothes, blaues, nament-
lich bei Wirbellosen. — Die Fettzellen beim Menschen und den
Sängern zeigen nach dem Tode, beim Erkalten häufig Fett- (Mar-
garin) Krystalle, sternförmig gruppirt, oder auch wohl die Zelle
grosscntheils erfüllend. Die unten erwähnte Beobachtung am Fett-
körper des Coccus spricht dafür, dass auch bei Wirbellosen Aehn-
lichcs vorkomme.
Elastisches Gewebe.
27
§. 26.
Ganz besonders mnss hervorg-ekclirt werden, duss die verzweig-
ten Zellen der Bindesubstanz sich unmittelbar zu den Capil-
laren der Blut- und Lymphgefässe fortzubilden vermög-eU;
und es kann im concreten Fall (wozu die Folge Beispiele geben wird)
lediglich von der individuellen Betrachtungsweise abhängen, ob man
die verzweigten und anastomosirenden Holilgange in der Biudesub-
stanz Capillargel'ässe oder netzförmig zusammenhängende Bindege-
webskörper nennen will.
§. 27.
Ein allgemeiner wichtiger Charakter des gewöhnlichen Bindege-
webes, der recht gewürdigt zum Ausgleichen einiger Streitfragen
dienen könnte, äussert sich darin, dass die Intereellularmasse eine
eigenthümliche Härtung und Verdichtung erfährt entweder bloss an
den Grenzschichten oder auch wohl in Streifen mitten durch das
Ganze. Auf solche Art umgewandelte Grundsubstanz des Bindege-
webes trägt den Namen elastisches Gewebe, da es sich durch grosse
Elastizität auszeichnet. Bezieht sich die Härtung bloss auf die Grenz-
lagen, so entstehen dadurch die sog. MemJiranae propriae, die Glas-
häute der Autoren, die Basement meruhrdm; (.■ugliselier Histologen.
Durch diesen Vorgang der Härtung und Verdichtung gewinnt das
Corium der äusseren Haut, der serösen und Schleimhäute einen
hellen Grenzsaum oder Rinde, und in den Drüseneiustülpungen wird
die Schicht zu den Memhranae projjriae. Verdichtet sich hinge-
gen die Grundsubstanz in netzförmigen Zügen, so entstehen, wie
ich mit Henle und Reichert behaupten muss, die elastischen Fasern
und Platten. Aber auch von den sog. Spiralfasern lässt sich nach-
weisen, dass sie (obschon Kunstprodukte) aus den elastisch verdick-
ten Grenzsäumen der sog. Bindegewebsbündel hervorgehen. — In
gedachter Art metamorphosirte Grundsubstanz des Bindegewebes ist
sehr resistent, bricht das Licht stark und beim Kochen verwandelt
sie sich nicht in Leim, wie der übrige Intercellularstoff. Von dem
Fig. 12.
Elastisches
Oewebe.
Bindegewebe, dessen G r u n d s it b s t a n z sich zum T li e i 1 in elastische
Fasern verdichtet hat.
a die Bindegewebsköviier, b die Grundsubstanz, c die elastischen Fasern. (Starke Vergr.)
Bindegewebe
der Wirbel-
losen.
28 ^'^on den Geweben.
Grade der Härtung; welchem die Grnndsiibstanz unterliegt, hängt
wahrscheinlich auch ab, ob die Conturen des elastischen Gewebes
dunkler oder heller sind. Die Tunicae propriae der Drüsen z. B. sind
nicht so stark schattirt, als z. ß. die elastischen Fasern der Säuger,
wobei ich anfügen will, dass bei niedren Wirbelthieren (den Fischen
und Reptilien) das elastische Gewebe mir immer blasser zu sein
scheint als bei den bohren. Die oben beim Schleimgewebe erwähn-
ten Fasern der Intercellularsubstanz , welche in der Gallertscheibe
der Medusen nach Virchoiv und Schnitze sich finden und nicht
mit den Zellen zusammenhängen, halte ich nach Genese, Form und
Funktion für analog dem elastischen Gewebe der Wirbelthiere. Mit
dem elastischen Gewebe verwandt nehme ich auch die Fasern der
Zonula Zinnii, des Ligamentum ciliare bei Fischen, die Fasern, welche
in den Pacinischen Körpern der Vögel den Nervenkolben umspinnen.
§. 28.
Das Bindegewebe der Wirbellosen verhält sich, obschon seltner,
in seinen morphologischen Merkmalen wie das der Wirbelthiere. An
gewissen Körpergegenden der Hirudineen, bei Cephalopoden, bei
Echinodermen (Bänder des Kaugerüstes, Gekröse des Darmes. von
Ecliinus) hat die Intercellularsubstanz die gleiche lockige oder wellige
Streifung, meist nur etwas steifer gehalten, und Aetzkali bringt Binde-
Fig. 13.
AM
Bindegewebe von Echinns esculentns.
A im frischen Znstande, B dasselbe nach Behandlung mit Essigsäure:
a die homogene Grundsubstanz, b die Bindcgcwcbskörper. (Starke Vcrgr.)
gewcbskörper zum Vorschein. Häufiger allerdings bilden bei Wir-
bellosen rundliche, entwickelte Zellen des Ilauptconstituens des Binde-
gewebes und die homogene Zwischensubstanz tritt in den Hinter-
grund (z.B. in der Lederhaut der Pteropoden, vieler Gasteropoden,
Arthropoden.) Die Zellen des Bindegewebes können sich mit Fett
oder fettähnlichen Stoffen füllen, was z. B. in grosser Ausdehnung
am sog. Fettkörper der Insekten, in der sog. Leber der Hiru-
dineen geschieht, in andren Fällen erzeugt sich Kalk in diesen Zellen
(bei Paludina vivipara z. B.), sehr häufig Pigment, auch die leuchtende
Materie bei Lampyris liegt in den Zellen des Fettkörpers.
Chitiugewebe. 29
§. 29.
Auch das Bindegewebe der Evertebraten kann sich in eigen- chuinisntes
thümlicher Weise erhärten, was man kurzweg mit dem Ausdruck
bezeichnen mag, es clnünisirt (von /^rwV Panzer, weil man zuerst
an den Hautbedeckungen der Käfer und Krebse auf diese Här-
tungsprodukte aufmerksam wurde). Die Aelinlichkeit im histologi-
schen Verhalten zwischen dem „Chitingewebe" der Arthropoden und
dem Bindegewebe der Wirbelthiere springt so recht in die Augen,
wenn man vergleich ungsweise einen senkrechten und mit Kalilauge
behandelten Hautschnitt etwa eines Frosches und einen in Kali
gelegenen senkrechten Schnitt der Flügeldecke eines grösseren Kä-
fers neben einander betrachtet: hier wie dort hat man sehr regel-
mässig geschichtete homogene Massen, die durchsetzt sind von Hohl-
räumen, und die Lückeu der in Kalilauge macerirten Chitinhaut zei-
gen mitunter in der Art ihrer Begrenzung eine lebhafte Ueberein-
stimmung mit den Bindegewebskörpern der Wirbelthiere. Durch
ihre zarten verästelten Ausläufer wird die homogene Grundsubstanz
ebenso in cylindrische Massen abgesetzt, wie im Bindegewebe der
Wirbelthiere die sog. Bindegewebsbündel auf gleiche Weise entste-
hen. In andren Fällen haben die Lücken der Chitinhaut ganz das
Aussehen von Zahnröhrcheu, die, wie angegeben auch nichts anders
als in bestimmter Richtung ausgewachsene Bindegewebskörper vor-
stellen. Früher wusste mau nur von dem Chitin der Arthropoden,
gegenwärtig aber hat man es durch alle Klassen der Wirbellosen
bis zu den Infusorien herab wenigstens in Andeutungen gefunden.
Die Chitinfrage erwartet noch von Seite der Chemiker mancherlei
Autklärungen, denn das Verhalten zu Aetzkali und den concentrir-
ten Miueralsäuren ist bei den Chitinsubstanzen der verschiedenen
Wirbellosen ein wechselndes; sie legen zwar im Allgemeinen eine
grosse AYiderstandsfähigkcit gegen Kalilauge an den Tag, aber
es giebt doch mancherlei, ich möchte sagen, jüngere Zustände, wobei
sie selbst in kalter Kalilauge nicht unversehrt bleiben. Bei der ge-
genwärtig noch herrschenden Unsicherheit über die chemische Na-
tur des Chitin's mag daran erinnert sein, dass G. Schmidt (z. vergl.
Phys. wirb. Thiere 184.5) beweist, die Chitinsubstanz werde haupt-
sächlich auf Kosten verzehrten Pflanzengewebes gewonnen, sowie
dass Fremy das Chitin mit der Cellulose auf eine Linie gestellt hat.
Uebrigens kann nicht bloss Bindegewebe chitinisiren, sondern auch
Muskeln, wovon ich Beispiele anführen werde, und sehr häufig andre
Zellenausscheidungen. Mich führen meine histologischen Untersuchun-
gen zu der Annahme, dass das chitinisirte Bindegewebe der Wir-
bellosen, insbesondere der Arthropoden mit dem elastischen Gewebe
der Wirbelthiere parallelisirt werden muss, es scheint mir wenig-
stens die Verwandtschaft zwischen beiden eine unverkennbare. Ich
empfehle in dieser Hinsicht z. B. die aus „elastischem Gewebe" be- •
30 Von den Geweben.
stehenden kleinen Sehnen vom Haiitmuskehietz der Vöa-el mit dem
Aussehen der chitiuisirten Sehnen der i\.rthropoden zu vergleichen
und man wird die vollständige Uebereinstimmung beider in .dem mor-
phologischen und chemischen Verhalten nicht in Abrede stellen kön-
nen. Ein andres Beispiel von „chitinisirter" Bindesubstanz bei Wir-
belthieren sind' die „Horufäden", welche die Flossen in der Haut
der Selachier und andrer Fische steif erhalten !
Seit längerer Zeit sjiinnt sich ein unerquicklicher Streit durch die histologischen
Schriften darüber fort, ob die Streifung in der Grundsubstanz des gewöhnlichen
Bindegewebes von präformirten Fibrillen oder nur von feinen Faltenzügen oder
Schichten herrühre. Die letztere Ansicht, welche durch Bei eher t eingeführt wurde,
kommt gegenwärtig immer mehr und mit Recht in Aufnahme. Der Einwurf, dass
an Querschnitten getrockneter Sehnen die sichtbaren Pünktchen gar nicht weiter
zu bezweifelnde Beweise für die jn-äformirten Fibrillen abgeben, ist von keinem
Belang. Reichert hat schon daran erinnert, dass wenn die Lamellen so fein und
die Fältchen so klein sind, dass sie sich bei der Flächenansicht und der stärksten
Vergrösserung nur als dunkle Streifen markiren , so dürfe man nicht verlangen,
dass die Fältchen der Lamellen auf Querschnitten als Kurven hervortreten; sie
können sich eben nur als punktförmige Schatten zu. erkennen geben.
Die oben angeführte Darstellung bezüglich der Bindegewebskörper erscheint
vielleicht Manchem etwas zu dogmatisch gehalten und obschon ich sie vertreten zu
können glaube, so sei doch nicht verhehlt , dass andere Forscher die Sache anders
ansehen. Henle erklärt die „Bindegewebskörper'' für eine „sehr gemischte Gesell-
schaft", in welcher sowohl verzweigte Spalten im Bindegewebe, als auch Zellen,
in solchen Lücken eingeschlossen, unterlaufen. Ihm schliesst sich Bruch an. Wenn
ich nun auch gerne zugebe, dass die der Zellen ermangelnden verzweigten Räume
(„Spältchen") vielleicht eben so häufig sind, als jene, welche Zellen einschliessen,
so scheint mir das dem obigen Schema keinen Eintrag zu thun, denn mir däucht
eben, dass um die Zellen des Bindegewebes die Tntercellularsubstanz sich in ähn-
licher Art verdichtet, wie die gleiche Materie um die Knorpelzellen herum die
„Knorpelkapseln" bildet. Schwindet im Verlaufe die ursprüngliche Zelle, so wird
das „Bindegewebskörperchen" allerdings bloss von den verdichteten Conturen der
Intercellularsubstanz umrissen, aber man kann doch kaum desswegen letztere für
wesentlich verschieden halten von jenen, die ursprüngliche Zelle noch aufweisenden !
Dass die Fetizellen nicht für eine besondere Bildung gelten dürfen , sondern
lediglich auf die Bedeutung von fetthaltigen Bindegewebskörpern zurflckzuführen
sind, wird klar durcli die Betraclitung solcher Stellen, wo Knorpelzellen in Zellen
des Bindegewebes übergehen und sich allmählig mit Fett füllen. Sehr günstig der
aufgestellten Ansicht sind auch die Mittheilungen und Abbildungen, welche KöUiker
in s. gross, mikrosk. Anat. S. 19 u. 20 über die Veränderung, welche die Fett-
zellen bei Ilautwassersucht erfahren, gibt, ohne dass freilich dieser Autor sie in dem
gemeinten Sinne deutet. Aber es ist unverkennbar, dass die fettarmen oder fett-
losen spindelförmigen oder sternartig ausgezogenen Zellen (cf. a. a. O. Fig. 9) echte
Bindegewebskörper sind, die nach dem Schwund des Fettes ihre ursprüngliche Ge-
stalt wieder angenommen haben.
Aiicli die Auffassung der „verziveigten Pigmentzellen^^ als pigmcntlialtige strah-
lige Bindegewebskörper ist leicht zu rechtfertigen, z. B. durch die Betrachtung des
gefärbten Ilornhautrandes vom Einde oder der Lederhaut der Fische und Reptilien.
Was die sog. S^nralfasern betrifft, Avelche der gang und gäben Beschreibung
nach unter der Form feiner, elastischer Fasern die Bindegewebsbündel umspinnen
sollen, so müssen dieselben künftighin für Kunstprodukte erklärt werden. Sie
Die Spii'alfaseni.
31
existiren durchaus nicht als eigentliche Fasern, sondern sie sind Theile der elastisch-
verdichteten Rindenschicht der sog. Bindegewebshüiidel. Lässt man nämlich letztere
durch Essigsäure aufquellen , so reisst die hautartige Rindenschicht stellenweise ein,
zieht sich zusammen und stellt jetzt die reifähnlichen (spiraligen) Fasern um die
Fiff. 14.
Veranschaulicht die Entstehung der sog. Spiralfasern.
A frisches Bindegewebe: a die Bindegewebskörper, b die Grundsubstanz, welche
durch erstere in Bündel abgesetzt wird.
B ein mit Essigsäure behandelter Bündel, die Grenzhaut des Bündels ist einge-
gerissen und hat sich auf einzelne Reife zurückgezogen. (Starke Vergr.)
Bindegewebsbündel vor. Eine ganz entsprechende Beobachtung hat schon vor meh-
ren Jahren Luschha am Bindegewebe des Omentum majus gemacht und auch Rei-
chert hatte bereits damals die Spiralfasern den Täuschungen überwiesen. Nimmt
man (mit Henle) die Bindegewebskörper für spaltförmige Lücken zwischen den
Bindegewebsbündeln (in denen zwar nach dem Zugestäudniss desselben Autors noch
Zellen eingeschlossen sein können), so müssen die Membranen, welche zu „Spiral-
fasern" zerreissen, lediglich als die elastisch-verdichteten Grenzschichten der homo-
genen Bindegewebsbündel gelten, sieht man hingegen die Bindegewebskörper als
sternförmige und mit den Ausläufern anastomosirende Zellen im Bindegewebe an,
welche die Intercellularmasse zu cylindrischen , bänderartigen Strängen absondern,
so kann man der elastischen Haut, welche zu „Spiralfasern" zu zerklüften vermag, die
Bedeutung einer festgewordenen Zellenmembran beilegen. Mit der von mir oben
ausgesprochenen Vermuthung, dass ähnlich wie am Knorpel die Zwischensubstanz
um die zelligen Theile herum zu den „Knorpelkapseln" verdichtet, so auch hier
am Bindegewebe derselbe Hergang zu statuiren wäre, Hessen sich wohl die bei-
derlei Ansichten mit einander verschmelzen.
An manchen Orten des menschlichen und thierischen Körpers haben sich die
Bindegewebskörper so vergrössert, dass sie die Grundsubstanz dazwischen an Aus-
dehnung überwiegen, was ganz besonders der Fall ist an der Ärachnoidea des Ge-
hirns und Rückenmarkes, auch im Bindegewebe des Kniegelenkes u. a. O., und im
Zusammenhang damit werden auch gerade solche Stellen gewöhnlich empfohlen,
wenn es darum zu thun ist, die „Spiralfasern" mit Sicherheit zu deniQnstriren.
Auf das eben Bemerkte werden unten noch einige spezielle Anwendungen, nament-
lich vom Gesichtspunkte der capillaren Lymphräume aus gemacht werden, wess-
halb es nothwendig sein dürfte , hier nochmals hervorzuheben , dass ich die
grossen Räume z. B. in der Ärachnoidea nach Genese und Bedeutung ganz gleich
setze mit den Bindegewebskörpern oder kleinen spaltförmigen Räumen des Binde-
gewebes.
32
Von den Geweben.
Zur weiteren Begründung der soeben bezüglicli der Spiralfasern aufgestell-
ten Meinung dient auch, dass man die Muskelprimitivbündel von ganz gleichen
scheinbaren Spiralfasern umsponnen sehen kann. Es fiel mir dies lebhaft auf in
der quergestreiften Mviskulatur des Schlundes von Torpedo marmorata, die Primi-
tivbündel sind schmal und das Sarcolemma, sich in engen Touren einschnürend,
erzeugt dasselbe Bild der Spiralfaser wie am Bindegewebe. Aehnliches gewahrt
man auch au den Remalc'schen Nerven und dem Nervus olfactorius der Wir-
belthiere.
Mitunter beobachtet man auch eine e i g e n t h ü m 1 i c li e Q u e r s t r e i f u n g der Binde-
gewebsbündel nach Anwendung von Essigsäure, so dass sie an Muskeln erinnern. Und
diese Erscheinung rührt, wie ich mich an der Haut des Polypterus überzeugte, von
den Bindegewbcskörpern her, indem die queren Ausläufer sehr dicht sich folgen;
Statt weiterer Erörterung verweise ich auf die beistehende Figur.
Fig. 15.
Knorpol-
gcwebe.
Aus der Lederhaut von Polypterus bichir.
a Bindegewebskörper. b die Grundsubstanz, welche durch die zahlreichen
Ausläufer der erstercn eine Querstreifung erhält. (Starke Vergr.)
Man hatte bisher das ,^Ohitingetvehe''^ der Arthropoden beim Horngewebe oder
den Epithelialgebilden untergebracht, indem man sicli bei der geringen Kenntniss
des Balles besonders daran hielt , dass das Chitingewebe häufig die äusserste Be-
grenzung des Thierkörpers ausmache. Ich musste nach meinen hierüber angestellten
Untersuchungen es der Bindesubstanz einreihen, vergl. Müll. Arch. 1855 (z. feineren
Bau der Arthrop.). Auch in der Schrift von Dr. Morawitz (Quaedam ad anat.
Blattae germ. 2)ß'>~iinentia 1853), scheint bereits auf die histologische Verwandt-
schaft der beiden bezeichneten Substanzen hingewiesen zu sein (cf. lieicherfs Jahres-
bericht 1854.)
lieber das Chitin in chemischer Beziehung vergl. Schlossher ger: Zur näheren
Kenntniss der Muschelschalen, des Byssus und der Chitinfrage in den Ann. der
Chem. und Pharm. XCVIIl. Bd. 1. Ilft.
§. 30.
3.
Das Knorpelg-c\vcbe. -
Dies Gewebe ist nicht blos sehr biegsam und elastisch, sondern ■
Cä besitzt auch einen höheren Grad der Festigkeit und Steifigkeit als "
das vorhergegangene Gewebe. Für das freie Auge nn'lchweiss, bläu- »
lieh oder gelblich , besteht es mikroskopisch entweder fast nur aus I
Zellen (der Zellenknorpel der Autoren), oder, was häufiger der Fall 1
ist, aus Zellen und Grundsubstanz, wobei wieder die ersteren oder
die letztere überwieü'cn kann.
Knorpelgewebe.
83
§. 31.
In ganz ähnlicher Weise, wie man vom gewöhnlichen Bindege-
webe als eine Abart desselben das elastische Gewebe trennen kann,
scheidet man auch das Knorpelgewebe in den hyalinen oder echten,
und in den gelben oder Faserknorpel. Und abermals wie beim Binde-
»■ewebe licet die Differenz zwischen beiden nicht in den Zellen,
Fig. 16.
A
s
o-'a
im
m'i'-
Hy alink 110 rpel.
A Knorpel, an dem die Grundsubstanz vorherrscht,
B Knorpel mit Vorwalten der zelligen Elemente.
Ein Theil der Zellen hat in beiden Stücken Fetttropfen zum Inhalt. (Starke Vergr.)
sondern in der Beschaffenheit der Intercellularmaterie. Letztere beim
echten Knorpel gleichförmig , homogen und gekocht sicli in Chon-
drin verwandelnd , hat sich beim gelben Knorpel in derselben
Weise zu netzförmigen Zügen verdichtet, wodurch die Intercellular-
substanz des Bindegewebes zu elastischen Netzen umgewandelt wurde.
Die Fasern im Knorpel verlaufen seltner einander einigermassen pa-
rallel, meist sind sie wie verfilzt, haben auch wohl ein rauhes oder
wie aus Körnchen zusammengesetztes Ansehen. Die Grundsubstanz
des Faserknorpels zeigt grosse Resistenz gegen Kalilauge, giebt kein
Chondrin etc., mit einem Worte verhält sich wie elastisches Gewebe.
Die KnorpelzelJen variiren sehr in ihrer Gestalt, sie sind bald
rundlich , länglich , spindelförmig etc. , mitunter sehr lang gestreckt,
auch verästelt und (bei Fischen) deutlich durch ihre Ausläufen zu ei-
nem Canalnetz anastomosirend. Mag auch im Inneren der Knorpel-
Fig. 17.
J
B
A Zellenknorpel aus der Chorda dorsalis von Polypterus.
B Faser- oder Netzknorpel, die Intercellularsubstanz hat sich zu elastischen
Fasernetzen verdichtet. (Starke Vergr.)
Leydig, Histologie. 3
34 Von den Geweben.
(heile die Form der Zellen noch so verschieden sem, sobald sie gegen
den freien Rand des Knorpels, also zur Peripherie, zu liegen kom-
men , platten sie sich ab und gehen mit ihrem Längendurchmesser
dem Rande parallel. Auch der Inhalt ist dem Wechsel unterworfen,
bald eine helle Substanz, ist er ein andermal körnig-krümlig, nicht
selten auch besteht er ganz oder theilweise aus Fett, was so weit
gehen kann, dass stark fetthaltiger Knorpel dem aus Bindegewebe ge-
wordenen Fettgewebe aufs Haar ähnlich sieht. Betrachtet man z. B.
die Kchlkopfknorpel der Nager (Ratte), so glaubt man nicht Knorpel
vor sich zu haben., sondern echtes Fettgewebe; erst genaueres Zu-
sehen belehrt, dass ein Knorpel vorliege, dessen Zellen fast durch
keine Zwischensubstanz geschieden und prall mit Fett erfüllt sind. —
Pigmentkörner werden seltner von Knorpelzellen eingeschlossen, doch
kenne ich auch davon ein Beispiel: in der hyahnknorpeligen Sclero-
tica von Menopoma alleghanensis , sieht man klar und deutlich, dass
die meisten Zellen in verschiedener Menge braune Pigmentkörner
zum Inhalt besitzen. — Um die zelligen Theile herum verdichtet
sich auch im Ilyalinknorpel gerne die Grundsubstanz und wird dann als
Knorpelkapsel von den eingeschlossenen Knorpelzellen unterschieden.
§. 32.
Bei den Wirbellosen dürfte echtes Knorpelgewebe seltener vorkom-
men, wenigstens ist es meines Wissens bisher nur an den Cephalopo-
den und am Rcspirationsskelet der Kiemenwürmer beobachtet worden,
x/ obschon im gewöhnlichen Sprachgebrauch gar Manches Krorpel ge-
nannt wird, wenn die Consistenz des Gebildes daran erinnert. Uebri-
gens möchte ich kaum mit Jemand darüber rechten, wenn er etwa
den Mantel der Tunikaten lieber dem Knorpelgewebe, anstatt, w^ie es
oben geschehen, dem gallertigen Bindegewebe einreihen wollte. Auch
bei Wirbelthieren kommen Formen vor, die man nach dem Anblick
mit freiem Auge für Knorpel anspricht, während die mikroskopische
Untersuchung eher einer Einreihung in das feste Bindegewebe das
Wort reden dürfte, dahin i^ehörcn z. B. die Knorpelscheiben im un-
teren Lid de.i Vögel und Saurier, der Knorpelrahmen in der Schnecke
der Vögel, zum Thoil die Wand des sog. Seitenkanalsystemes bei
Selachicrn etc., es sind das Knorpel, in denen verästelte, den Binde-
gewebskörpern durchaus ähnliche Zellen liegen, und die von der
Grundsubstanz auch nicht in dem Grade abgeschieden sind, als die
Zellen im echten Knorpel.
§. 33.
4. Das Knochengewebe.
Knocbon Dicsc Spccics der JJindesubstanz wird dadurch i>ekennzeichnet,
uass die Interccllularmatcric sich mit anorganischen Verbindungen,
msbesondere mit |)hos])h()rsaureni und koldensnnrciii Kalk gemengt,
und d;i(liircli den hr.clisfcii Gi-.-id (h'i- Fcstiiikcit erreicht hat.
Knochengewebe.
35
Die lutcrcellular Substanz, in seltenen Fällen hei einigen Fi-
schen {Belone, Lepidosiren) von grüner Farbe, hat die gleiche geschich-
tete Natur, wie das gewöhnliche Bindegewebe, und die Lamellen sind in
Folge des härteren und damit schärfere Conturen gebenden Ossifika-
tionsprozesses noch klarer und markirter als bei jenem. Die zelligen
Elemente behalten ihr Lumen und tragen den Namen Knochen-
körperchen, ihre Grösse ist verschieden und ihr Kern bald bleibend,
Fig. 18.
B
A Verknöcherung des Hyalin knorpels vom Zitterrochen: <a Hyalin-
knorpel mit seinen Zellen , b abgelagerte Kalksalze , durch welche die
Knorpelzellen in c Knochenkörperchen umgewandelt werden.
B Verknöcherter Zellenknorpel aus dem Basaltheil eines Hantstachels
von Raja clavata. (Starke Vergr.)
bald geschwunden. Unrichtigerw^eise wurden die Knochenkörperchen
längere Zeit für Kalkbehälter angesehen, doch vertrat schon 1835
Treviramis die gegenwärtig allgemein geltende Meinung, dass sie mit
Flüssigkeit gefüllt wären. Lidessen will es mir vorkommen , als ob
auch mitunter in lufthohlen Knochen der Vögel bezirkweise die
Knochenkörperchen schon während des Lebens Luft enthielten, ich
Fig. 19.
Ä B
AVerknöchertesBindegewebe: a strahlige Knochenkörper, b die Grundsubstanz.
B Incrust ation von Zellenknorpel (aus der Luftröhre der Eingelnatter): a die
Zellen, b die Kalkablagerungen. (Starke Vergr.)
glaube wenigstens am Brustbein des Reihers so etwas wahrgenommen
zu haben. — Die Knochenkörper haben meist eine verästelte Ge-
stalt, wie die Zellen des gewöhnlichen Bindegewebes, seltner er-
mangeln sie der Ausläufer (so durchweg bei den Selachiern). Im
Zahnbeine, welches dem echten Knochengewebe zugerechnet werden
muss, erscheinen die Zellen zu langen, verästelten Kanälchen, (den
sog. Zahnkanälchen) ausgewachsen.
3*
36
Von den Geweben.
§. 34.
Man spricht von Inrcustation und wahrer Verknöclierung".
Bei ersterer verbleiben die sich absetzenden Kalktheile selbständiger und
stellen grössere Kalkkugeln oder Kalkkrümeln vor, bei letzterer erhal-
ten sie sich in dieser Form nicht, sondern verschmelzen mit der Grund-
substanz morphologisch zu einer Masse. Doch ist hervorzuheben, dass
bei Wirbelthieren gewölmlich die Incrustation ein Vorläuferstadium
der echten (3ssifikation bildet und seltner permanent bleibt. — Bei
der Ablagerung der Kalksalze in die Grundsubstanz wandeln sich die
zelligen Theilc in die Knochenkörper um, und es erhält sich entweder
die Form der Zelle, wie es bei der Verknöcherung des gewöhnlichen
Bindegewebes statt hat, wo eben der verästelte Bindegewebskörper
in den verästelten Knochenkörper übergeht, oder auch bei den Se-
lachiern, wo die runde Zelle des Hyalinknorpels bei der Verkalkung-
gerade so bleibt, und ein rundliches oder ovales, strahlenloses Knochen-
körperchen wird ; oder man beobachtet bei der Ossifikation des Hya-
linknoi-pels — und diese Erscheinung ist sehr verbreitet, — dass die
rundlichen, strahlenlos gewesenen Knorpelzellen während der Verkal-
kung sternförmig auswachsen und so ebenfalls zu verästelten Knochen-
körpern werden.
Fig. -20.
Ossificationsstelle eines Kiemen knorpels von Polypterus bicliir. : a Hya-
liiikiiorpcl mit seinen Zellen, b abgelagerte Kalksalze in und um die
Knorpelzellen. (Starke Vergr.)
Dass der Modus der Ossifikation auch ein anderer sein könne, der
von dem eben aufgestellten Schema abweicht, lehren meine Beobach-
tungen bezüglich des üeberganges des Hyalinknorpels in spoiigiöses ■
Knochengewebe bei Polypterus (Zeitschr. f. w. Z. 1854. S. 51). Hier .1
imprägniren die Kalksalze zuerst molekular, dann in Schichten die \
Knorpclzellen und wandeln ganze Gruppen derselben zu maulbeerar-
tigen Kalkmasseu um , welche sich nach dem Ausziehen der erdigen
Substanzen als Hohlräume zeigen, die, mit einander verschmolzen, ein
grosses Lückensystem erzeugen, zwischen dem sich vcrhältnissmässig
nui- dünne Ncfzc des übrig gebliebenen Knorpelgewebes hinziehen.
Knochengewebe. 37
' §. 35.
Alle Species der Bindesubstaiiz können bei Wirbelthieren ossifi-
ciren , und zwar verknöchern die bindegewebigen und knorpeligen
Skeletanlagen der Säuger zumeist von innen heraus, während bei
Vögeln, Amphibien und Fischen fast häufiger die Yerknöcherung den
Weg von aussen nach innen nimmt.
Nicht bloss das innere Skelet kann verkalken, sondern auch
Theile der äusseren Haut und der Schleimhäute, sowie interstitielle
Bindesubstanz.
§. 36.
Ob bei wirbellosen Thieren knochenharte Theile vorkommen,
deren Struktur selbst im Feineren mit dem Knochengewebe der Wirbel-
thiere übereintrifFt, scheint zweifelhaft (vergl. unten die Notiz über die
Haut von Sijhaerom.a). Wenn gleich Henle seinen Ausspruch, dass der
Bau der Seeigelschalen mit dem der Knochen höherer Thiere überein-
stimme, kaum mehr zu vertheidigen Lust haben wird, so sind es doch
gerade die Skeletthcile der Echinodermen, und noch mehr der ver-
kalkte Panzer von Arthropoden welche noch am ehesten dem Knochen-
gewebe der Wirbelthiere sich vergleichen lassen, denn beide stellen
mit Kalk imprägnirtes Bindegewebe vor, welch letzteres aus ho-
mogenen Lamellen besteht, und in den feinen, den Panzer der Ar-
thropoden durchsetzenden Kanälen, darf man die Analoga der Kno-
chenkörpcrchen erblicken. Eine entferntere Verwandtschaft mit dem
Knochengewebe bieten die Schalen der Weichthiere dar, insofern sie
meist lediglich aus homogenen und mit Kalk imprägnirten Lamellen
bestehen, sie gehören eher in die Kategorie der verkalkten Sekrete
oder Zellenausscheidungen , wovon man auch ein hieher zählendes
Beispiel bei Wirbelthieren kennt, den Zahnschmelz nämlich, der nach
seiner Struktur sich unmittelbar an die Muschelschalen anschliesst.
§. 37.
Eine der Bindesubstanz ausschliesslich inne wohnende Eigenschaft
ist, dass sie überall als Trägerin der Blut- und Lymphgefässe auf-
tritt, ja die feinsten Gefässe oder Capillaren können, wie mitgetheilt, nur
für entwickelte Bindegewebskörper angesehen werden. Nirgends cxi-
stiren daher Capillargefässe, als im Bereiche der Bindesubstanz, womit
aber nicht gesagt ist, dass alle Arten dieses Gewebes und allerorts
gleichmässig von Gefässen durchzogen werden. Vielmehr zeigt sich
z. B. der Knorpel der höheren Wirbelthiere ziemlich selten gefäss-
haltig (Knorpelrahmen in der Schnecke der Vögel und Reptilien, dicke
Knorpelwand am Larynx hronchialis der Ente, Kehlkopfknorpel vom
Ochsen z. B.). während das Gegentheil hievon bei Fischen , (Sela-
chiern , Stör u. a.) sich bemerkbar macht. Wo, wie bei vielen Wir-
bellosen die Blutbahnen weniger individualisirt sind und ein Blutlauf
in sog. Lakunen Statt findet, da geschieht solches dennoch innerhalb
von Räumen, die von Bindesubstanz begrenzt werden.
38 ^'^on den Gtweben.
Auf Grund der innigen Verwandtschaft hin, in welcher die Ge-
webe der Bindesubstanz zu einander stehen, vermögen sie sowohl alle
continuirlich in einander sich fortzusetzen, sowie sie auch stellvertre-
tend für einander fungiren können. Um nur ein Beispiel anzuziehen,
so erscheint die Sclerotica des Auges, welche bei dem Säugcthier aus
gewöhnhchem Bindegewebe besteht, beim Vogel grossentheils knorpe-
lig und selbst stellenweise verknöchert.
Die zwei wichtigsten Arbeiten über das Bindegewebe sind: Beichert , verglei-
chende Beobachtungen über das Bindegewebe und die verwandten Gebilde, Dor-
pat 1845. Virchow, die Identität von Knochen-, Knorpel- und Bindegewebskörper-
chen, sowie über Schleimgewebe in Würzb. Verh. 1851. II. S. 150 u. 314. Auch
sei mir erlaubt, anzuführen, dass ich bereits in m. Arbeit über Paludina vivijyara
in der Zeitschr. f. w. Z. 1849. Bd. II. das Bindegewebe folgendermaassen beschrieb:
„Die Bindesubstanz ist ihrer Hauptmasse nach gebildet aus hellen grossen Zellen
mit relativ kleinem, wandständigem Kern. Zwischen diesen Zellen kann sich eine
homogene Substanz in verschieden grosser Ausdehnung bilden , wahrscheinlich als
einfaches Abscheidungsprodukt dieser Zellen" (S. 190 a. a. O.) Auch habe ich in
diesem Aufsatz zuerst den Ausdruck „Bindesubstanzzellen" angewendet, sowie ich
auch vor Virchow in m. Aufsatz über die Haut der Süsswasserfische (Zeitschr. f.
w. Z. 1850) der „Lücken" im Bindegewebe gelegentlich gedacht habe: „durch die
Einschnürungen von Seiten der Spiralfasern entstehen Lücken zwischen den Bindege-
websbündeln, welche von hellem scharfconturirtem Aussehen sind und je nachdem
man sie im Längen- oder Querschnitt sieht eine veränderte Gestalt zeigen.'* Später
deutete ich sie nach den Anschauungen Virchoio'' s.
Dritter Abschnitt,
Gewebe der selbständig gebliebenen Zellen.
§. 38.
In den vorausgegangenen Geweben war die Intercellularsubstanz
man könnte sagen das liuuptconstituens des Gewebes: in den jetzt
aufzuzäblendon behalten die ZcIKmi die Oberliand. Meist ist der In-
tercellulai-stoff" so auf ein Minimum beschränkt, als eben hinreicht, die
Zellen unter einander zu verkleben.
Es zählt hieher
1) Blut und Lymplie, hei welchen die Intercellularsubstanz flüssig
bleibt und den liqaor sar^yuinis repräsentirt, die Blut- und Lymph-
kiigclchen sind die isolirt gebliebenen Zellen.
2) Die Epithelien, biei- sind die Zellen zu liautartigen Lagen an
einander gereiht und decken freie KörperHächen. Bleiben die verei-
nigten Zellen weiche, kendialtige ])lä.selien , so lieisst die aus ihnen
I
Epithelien.
39
g-ebikletc Haut Epithel i um, haben sie hingegen theilweise die blasige
Natur aufgegeben, sind sie härtlich geworden, oder nach gewöhnlichem
Fig. -21.
Epithelformen.
A Geschichtetes Plattenepithel, B Cylinderepithel, C Cyliderepithel , dessen
Zellen nach unten so comprimirt sind , dass sie bei gewisser Stellung in einen
Faden auszulaufen scheinen (aus den unteren Epidermisschichten von Triton).
Ausdruck, verhornt, so nennt man dergleichen Zellenlagen Epidermis.
Je nachdem die Zellen in ein- oder mehrfacher Schicht das Epithel
zusammensetzen, oder ihre Gestalt vom Rundlichen ins Polygonale
oder Kegelförmige abändern, oder in Flimmerhaare und undulircnde
Membranen ausgewachsen sind, spricht man von einem einfachen Epi-
thel, einem geschichteten Epithel, Platten-, Cylinder-, Flimmer-
epithel. Doch darf man nicht ausser Acht lassen, dass z. B. das geschich-
Fig. 22.
WI/iiiÄ.
"rm
B
Flimmerepithel.
A Cylindrische Zellen mit massig langen , B mit Längeren Flimmerhaaren,
C rundliche Flinimerzellen (von Räderthieren und vom Fischegel), D Flinimer-
zelle mit einer einzigen starken Cilie (aus dem Ohr von Petromyzon).
(Starke Vergr.)
tete Plattenepithel in seinen verschiedenen Lagen sehr difterente Zellen-
formen hat, man beobachtet so in den untersten Schichten der Epidermis
der Fische, des Epithels der Conjimctiva oculi der Säuger u. a. 0. cylin-
drische Zellen von bedeutender Länge, in dem Flimmcrepithel der Nase
von allen Wirbelthieren scheinen die untersten Zellen sogar eine verästelte
Form zu haben u. dergl. mehr. Die zackigen Formen, welche Kölliher
als etwas Eigenthümhches vom Epithel des Blasenhalses abbildet, kom-
men überall in den untern Lagen der geschichteten Plattcnepithelien bei
Wirbelthieren vor, wie man gut nach Aufbewahrimg in dopjielt chroni-
saurem Kali sieht. An den Flimmmerzellen sind die Cilien von
Ep^'cCe
40 "Von den Geweben.
wechselnder Länge, unter den Wirbeltliieren, nach meiner Erfahrung,
mit am allerfeinsten an den äuseren Kiemen der Batrachierlarven und
des Proteus, am dicksten und borstenähnhch im Gehörorgan von Pe-
tromyzon^ wo sie, wie Ecker nachwies, aus einem Bündel von Härchen
bestehen; von ähnlicher zussammengesetzter Art giebt es auch, wie
ich sehe, Cilien am Kopfende der Rotatorien. Die Stellen der Ci-
lien werden ferner durch „undulirende Membranen" vertreten; ja am
freien Rande von häutigen, undulirenden Säumen können noch Wimper-
haare eingefügt sein, wovon Busch (Müll. Arth. 1855) ein Beispiel an
dem Infusorium Tricliodina nachgewiesen hat.
Es giebt endlich Epithelien, deren Zellen dadurch, dass sie stachelar-
tig auswachsen, an Flimmerzellen erinnern, ohne jedoch Bewegungser-
scheinungen kund zu geben. Hieher gehören z. B. die Epithelzellen
in den sog. Schleimkanälen des Notidanus , in der Schnecke der Vö-
gel, der Säuger (s. unten).
§. 39.
Der Inhalt der Epithelzellen ändert sich ab von einer morphologisch
indifferenten körnigen Substanz zu Fett (z. B. in den kahlen, lebhaft
gefärbten Hautstellen der Vögel), oder in Pigment, oder er umschliesst
auch wohl Bildungen von ganz specifischer Art, (z. B. die Nesselor-
gane der Polypen und Quallen). Interesse verdient, dass in bestimm-
ten Epithellagen einzelne Zellen einen besonderen Inhalt entwickeln und
dann hiedurch, sowie durch vergrösserte Gestalt von den Nachbarzellen
beträchtlich abweichen. Dahin gehören die von mir „Schleimzellen"
genannten Bläschen, welche in der Epidermis mancher Fische und Am-
phibien zwischen die gewohnten Zellen eingereiht sind; ferner markiren
sich auf der Schleimhaut des Tractus und der Respirationsorgane aller
Wirbelthiere, sowie auf der äusseren Haut von Wirbellosen, im Falle
sie, wie bei Schnecken, Muscheln, der Schleimhaut ähnelt, zwischen
den Cylinderzellen in Abständen etwas keulenförmig angeschwollene
Zellen mit dunkclkörnigem Inhalt. Sie entsprechen wahrscheinlich
nach ihrer Function den Schleimzellen der Plattenepithelien und bersten
von Zeit zu Zeit, um ihren Inhalt zu entleeren.
§. 40.
3) Die Drüsen Zellen, welche die verschiedenen Drüsenräume
auskleiden, auch wohl anfüllen und mit den Epithelien der betreffen-
den Häute continuirlich zusammenhängen. Auch sie können die ver-
schiedenen Zellenformen wieder haben, also von rundlicher cylindri-
schcr Gestalt sein, selten aber flimmern sie. Ich kenne wenigstens
bis jetzt wimpernde Drüsenzellen nur in den Zungendrüsen des
Triton igiieus , in den Uterindrüsen des Schweines, in den Nieren-
kanälchen der Fische und Reptilien, und in der Leber von Cyclas.
§. 4L
cntirninr- Sowohl dic frcicu Epithelien, wie jene der Drüsenräume (Sckretions-
zellcn), vermögen homogene, hautartige Lagen abzuscheiden, denen
)>il(liingf«n.
Cuticularbildungen.
41
man den Namen Cuticula beigelegt hat. Man sieht nämlich bei Wir-
belthieren und Wirbellosen häufig am freien Rande der Flimmer- und
Cylinderzellen eine verdickte helle Schicht, welche durch die regel-
mässige Aneinanderlagerung der Zellen eine homogene Haut nachahmt,
und es gelingt an einzelnen Orten durch Zusatz von Reagentien zu
zeigen , dass die Haut nur scheinbar selbsständig sei , indem beim
Auseinanderweichen der Zellen jede den 'ihr zukommenden Theil der
Cuticularschicht an sich reisst. Die verdickten hellen Enden der Zel-
len können aber wirklich mit einander verwachsen, so dass nach Ein-
wirkung von Reagentien ein selbständiges , hautartiges Gebilde isolirt
werden kann, auf dem selbst, wenn es ein Flimmerepithel war, die
Cilien aufsitzen bleiben. Gar nicht selten erlangt ferner bei Wirbel-
losen die Cuticula der äusseren Haut oder des Darmkanales, (wo sie
gewöhnlich Tunica intima heisst,) der Drüsen, der Tracheen eine be-
deutende Härte, indem sie chitinisirt. Auch scheint es eine weit ver-
breitete Erscheinung zu sein , dass solche homogene Cuticularbil-
dungen von Kanälen durchbrochen werden, durch w^elche die darunter
gelegenen Zellen mit der Aussenwelt, dem Darm- oder Drüsenlumen
communiciren. Man kennt die Porenkanäle in der Haut bei Arthro-
poden, in der Cuticidu des Darmes der Wirbelthiere ; in manchen
Drüsen der Insekten sind, entsprechend den grossen Sekretionszellen,
die Löcher in der Cuticula umfänglicher, z. B. in der Explodirdrüsö
des Brachinus, in der unteren Speicheldrüse der Biene. Zu den Cuti-
cularbildungen der Wirbelthiere stelle ich auch die sog. Hornlage im
Muskelmagen der Vögel, die das in Lagen erhärtete Sekret der darun-
ter befindlichen Sekretionszellen ist. Dieser Deutung geschieht meiner
Fig. 23.
Durchschnitt der Schleimhaut vom Muskelmagen der Taube.
a Epithelzellen, b abgeschiedenes Sekret, zu einer dicken Lage, der sog. Horn-
schicht des Magens erhärtend. (Starke Vergr.)
Meinung nach kein Abbruch, dass sich einzelne Zellen zwischen den
Schichten eingeschlossen finden, was mir mehr zufällig und von unter-
42 Von den Geweben.
geordnetem Belang zu sein scheint, denn die Hauptmasse der „Horn-
schicht" sind eben die Lagen einer homogenen und hartgewordenen
Zellenausscheidung. Auch in den dicken Cuticularbildungen der Wirbel-
losen, z. B. im Kiefer von Helix nach längerer Kalibehandlung lassen
sich vereinzelte Zellen, namentlich gegen die Wurzel zu erblicken.
§. 42.
4) Das Horngevs^ebe, in welchem die Zellen den höchsten Grad
der Härte und Abplattung erreicht haben. Hieher zählen Nägel, Kral-
len, Klauen, Hufe, Haare, Federn und zahlreiche andere compacte Horn-
gebilde der Wirbelthiere, wie Hörnerscheiden, Kieferscheiden etc.
5) Die Linse der Wirbelthiere, w^elche, wie die Entwicklungsge-
schichte gelehrt hat, ein Stück umgewandelte Epidermis ist, wobei jede
Zelle zu einer röhrigen Faser sich auszog. .
Vierter Abschnitt.
Öarcodc.
Vom Muskelgewebe.
§. 43.
Das physiologische Merkmal dieses Gewebes ist eine ausgesprochene
Contractilität oder das Vermögen, auf Reize sich zusauunenzuziehen.
Die contractile Substanz ist umgebildeter Zelleninhalt, obschou
allerdings nur in seltenen Fällen, z. B. am Leib der Süsswasserpolypen
{Hydra) die Zelle zeitlebens ihren ursprünglichen Charakter beibehält.
Einige Jahre lang unterschied man von den Muskeln oder der „ge-
formten, contractilen Substanz", die Sarcode oder die „ungeformte,
contractile Substanz" , letztere sei structurlos und habe nichts mit
Zellen zu thun. Bezüglich unsrer Süsswasserpolypen, Rotatorien und
zarten Arthropodcnlarven , denen man eine die Muskeln ersetzende
Sarcode zuschrieb, ist diese Lehre, wie ich nachgewiesen zu haben glaube,
gewiss unhaltbar, und sie soll jetzt auf die Organisationsverhältnisse der
Infusorien gestützt werden ; allein hier scheint mir die Unzulänglichkeit
unsrer optischen Hilfsmittel allein Schuld, dass wii- vorderhand nicht
im Stande sind, das Herkoramen der Sarcode aus Einheiten, welche den
Zellen äquivalent sind, zu demonstriren.
§.44.
Mu«krifa»cr. Dic cmbryonalc Muskclzelle wächst gewöhnlich einfach in die Länge
aus, wobei der sich erhaltende Kern ebenfalls die Längsform anninnnt,
in andern, schon seltneren Fällen verästelt sich die Muskel/eile und die
Ausläufer von mehreren Zellen treten anastomotisch in Zusanunenhang.
Muskelgewebe.
43
Wie nachher näher erörtert werden soll, so verlieren häufig die Mus-
kelzellen die Selbständigkeit, indem sie durch Verschmelzung und fiis-
cikehveise bestimmte Abgrenzung von einander ihre Zellennatur ganz
einbüssen. — Die contractile Substanz zeigt sich in der rohrartig ausge-
wachsenen Muskelzelle entweder von gleichartigem, homogenem Aussehen
oder sie bekundet eine Sonderung in kleine Stückchen von bestimmter
Form und Gruppirung, welche man die primitiven Fleischtheilchen (sar-
cous Clements, Bowman) nennen kann. Man hat sich seit langem dahin
geeinigt, nach der ebengedachten, verschiedenen Beschaffenheit der con-
tractilen Substanz zwei Reihen von muskulösen Fasern aufzustellen, wo-
von die mit homogenem Aussehen die glatten oder einfachen , jene mit
dem in kleine Partikelchen differenzirten Inhalt die quergestreiften
Fig. 24.
Einfache und verästelte Muskelzellen.
A sog. glatte Faser mit gleichmässigem Inhalt, B eine solche, die eine Differen-
zirung von Mark- und Rindensubstanz zeigt, C eine andere, deren Inhalt eine
quergestreifte Masse geworden ist, D lang ausgewachsene und platte Faser,
E verästelte Muskelzelle von einem Weichtliier (Carinaria), F verästelte quer-
gestreifte Muskeln von einem Arthropoden (Branchipus). (Starke Vergr.)
heissen. Neuere Erfahrungen haben indessen dargethan, dass die Natur
auch auf diesem Gebiete keine strenge Scheidung liebt; es hat sich
vielmehr gezeigt , dass die beiderlei Muskelarten durch manchfache
Mittelstufen aus der einfachen, glatten Faser in die echt quergestreifte
verbunden werden und dass eigentlich nur für die Endpunkte der
44 Von den Geweben.
Reihe die Bezeichnung „glatte und quergestreifte Faser** eine Berechti-
gung hat.
Ausser den Gründen, welche vom Inhalte der Muskelfasern ab-
geleitet, die Grenze zwischen glatten und quergestreiften Muskeln ver-
wischen, kommt auch noch, dass wie Rem ah angiebt, die glatten
Fasern, denen man bisher allgemein nur einen einzigen Kern zuschrieb,
zwei und drei centrale Kerne besitzen können.
Die Muskelzelle vermag zu einer sehr langen Faser oder was dasselbe
ist, Muskelcylinder auszuwachsen; ich glaube z. B, an Schnecken gesehen
zu haben, dass im Fuss die Längscylinder, ohne sich zu theilen, nach der
ganzen Länge des Fusses sich erstrecken. Bei den Gordiaceen geht
jedes „Primitivbündel" ohne Unterbrechung und ohne Anastomose von
einem Körj^erende zum andern. [Meissner.)
§.45.
Die „vita propria'-'^ der Muskelfaser äussert sich verschieden, je nach-
dem der Inhalt derselben gleichartig ist oder eine Weitergliederung in
die „primitiven Fleischtheilchen'" erfahren hat: der glatte oder einfache
Muskel zieht sich langsam , allmählig zusammen und seine Zusanunen-
ziehung überdauert den Reiz , der quergestreifte Muskel hingegen ant-
wortet auf die Erregung mit rascher Contraction, die nachlässt, sobald
der Reiz vorüber ist. Rücksichtlich der homogenen, contractilen Substanz
der Muskelzelle oder Rühre (glatte Muskelfaser) kann vom morpholo-
gischen Standpunkt aus nichts näheres beigebracht werden; viele Mühe
hat man auch darauf verwandt, um hinsichtlich der „primitiven Fleisch-
theilchen", welche durch eine bestimmte, regelmässige Anordnung die
Querzeichnung hervorrufen, eine bestimmtere Vorstellung zu gewinnen.
Die noch am besten begründete Auflassung lautet dahin , dass die primi-
tiven Fleischtheilchen bald mehr nach der Länge, bald mehr in die Quere
mit einander verbunden sind und demnach beim Zerfallen eines Muskel-
stückchens in linearen (Fibrillen) oder in scheibenförmigenFigurcn
(Discs) bcisammenklebend gesehen werden. Mich haben wiederholte
Untersuchungen auf die Seite jener Forscher (-Bow;maW;Ä e«iaÄ;,i?rwcÄ;e
U.A.) gedrängt, welche behaupten, die sog. Fibrillen seien Kunstprodukte
und nicht als die eigentlichen Elemente der Muskelsubstanz zu betrach-
ten, doch darf nicht vergessen werden, dass an manchen Orten „Fibrillen"
sehr leicht darzustellen sind, wie z. B. an den Thoraxmuskeln der Insek-
ten, an den Muskeln der Mermis beschreibt sie auch Meissner. — Dieser
Erklärung sei es mir erlaubt, folgende gewagtere Ansicht anzuschlicssen.
§. 46.
AchniHhkcu Bekanntermaassen übertrcfien im Ganzen e-enommen die sarcous
MuHkci »n<i Clements der Arthropoden an Umfang die dci- \\ irbelthiere und auch bei-
organen. läufig bcnierkt, sind sie bei andern \\ irbellosen, wo sie vorkommen, bei
Sacjitta z. B. , grösser als bei den lu'ihei-en Thieren. Behandelt man
nun frische Muskeln aus dem lebenden Thier (ich gebrauchte hiezu
Forßcula) mit leicht angesäuertem A\'asser und studirt die Objecte
Muskelgewebe. . 4:5
mit sehr starker Vergrösserung (TSOmaliger, Kellner Syst. 2, Oe. II.) so
erinnert bei sehcarfem Zusehen das BikI lebhaft an das Aussehen des elek-
trischen Org-ans der Fische. Gleichwie dort eine gallertartige Substanz
innerhalb eines regelmässig vertheilten Fachwerkes liegt, wodurch eine
Zusammensetzung aus prismatischen Säulen sich darbietet, so grenzen
sich auch die primitiven Fleischtheilchen in langgezogen viereckiger
Form von einander ab. Je eine Anzahl von derartig aneinandergestellten
Fleischtheilchen tritt von neuem zu einem gewissen Ganzen zusammen,
wodurch grössere Abtheilungen von deutlich hexagonalem Umriss ent-
stehen. Ich möchte darnach vermuthen, dass die Muskelsubstanz im
Kleinen ein ähnliches Schema des Baues einhält, welches wir vom elek-
trischen Organ der Fische (der Zitterrochen z. B.) kennen und möchte
Fig. 25.
Stück eines sog. Muskelprimitivbündels von Forficula, um die Aehnliclikeit in
der Anordnung des Inhaltes mit dem elektrischen Organ der Fische zu zeigen.
(Starke Vergr.)
den Gedanken aufkommen lassen, dass die Muskeln und die elektri-
schen Organe verwandte Bildungen seien. Stellen wir uns beide
vom morphologischen Gesichtspunkt aus einander gegenüber, so findet
die Substanz eines prinn'tiven Fleischtheilchens sein Aequivalent in jenen
Gallertportionen, welche von den kleinsten Abtheilungen der Säulen um-
schlossen werden und der ganzen Säule entsprechen die ebenfalls
sechsseitig begrenzten Aggregate der sarcous elements.
_§. 47.
Uebrigens hat sich die Meinung von einer verwandtschaftlichen
Beziehung zwischen Muskelsubstanz und elektrischem Organ schon
mehrmals in früherer Zeit aufgethan. Aeltere Anatomen nennen z. ß.
die elektrischen Organe Musculi falcati] G. Carus (in s. Zootomie)
hebt ausdrücklich hervor, wie es ihm höchst bedeutungsvoll scheine,
dass sich zwischen dem elektrischen Organ der Fische und dem ge-
wöhnlichen Muskelfleisch eine auffallende Uebereinstimmung nicht ver-
kennen lasse. Da in der Wirbelmuskulatur des Petromyzon sich
zwischen die aponeurotischen Scheidewände zahlreiche dicht an einan-
der liegende Septen einschieben, so wird die Muskelsubstanz in ge-
wissermassen kleine Kästchen abgeschlossen und die Aehnlichkeit
dieser Einrichtung mit der Bildung des elektrischen Organs bei Tor-
MuskeN
bUndel.
46 Von den Geweben.
vedo ist schon mehrmals aufgefallen. Auch Bergmann und Leuchart
haben in ihrer „vergleichenden Physiologie" die elektrischen Organe
wenigstens anhangsweise mit den Bewegungswerkzeugen in Verbin-
dung gebracht, was sie damit stützen, dass diese merkwürdigen Apparate
wie die Muskeln von den Centralth eilen des Nervensystems aus un-
mittelbar in Thätigkeit gesetzt werden können und dass auch im
Muskel in den Augenblicken des Ueberganges aus Ruhe in Thätigkeit
und umgekehrt Umwandlungen des elektrischen Prozesses geschehen,
welche eine Wirkung auf die nächste Umgebung des Muskels aus-
üben. Dazu kommt jetzt, wie ich angedeutet habe, die Aehnlichkeit
im Baue und vielleicht darf man hoffen, dass diese Hinweisung künftig-
hin für unsere physiologischen Kenntnisse wird ausgenutzt werden kön-
nen. — Noch eine andere Betrachtung gesellt sich hinzu. Wenn
Muskeln und elektrische Organe verwandte Eigenschaften darbieten
und man sich daran erinnert, dass die Wimperhärchen durch ihre
Wiedererregbarkeit in Kalilauge (Virchoio) der Muskelsubstanz sich
annähern, so ruft man sich auch die Mittheilungen Schnetzlers (Bib-
liotheque de Geneve, xlvril 1849) in's Gedächtniss, wornach die Wimper-
bewegung von elektrischen Strömungen abhängen mögen, da nach
seinen Versuchen Haare an den Conductor einer Elektrisirmaschine
befestigt, in feuchter Luft oder bei Benetzung sich krümmen und
abwechselnd strecken, in analoger Weise, wie die arbeitenden Wim-
perhärchen. Und so scheint mir eben, als ob alle unsere fragmcn-
taren Erfalirungen über Muskel und Ciliarthätigkeit auf etwas Gemein-
sames hinzeigen, darauf nämlich, dass sie im Anschluss an die ge-
dachten Organe der Fische mit elektrischen Vorgängen näher ver-
knüpft sind.
§. 48. _
Ueber die Weise, nach welcher die ursprünglichen Muskelzellen
in späterer Zeit die grösseren Muskelstreifen zusammensetzen, herrscht
noch mancher Zwist und ich beschränke mich darauf, meine über
diese Frage gewonnenen Einzclbeobachtungen kurz in Folgendem zu
ordnen.
Eine Anzahl von ausgewachsenen Muskclzellen (Faserzellen der
Autoren) vereinigt sich in so weit zu einem Ganzen und wird durch
Bindesubstanz zusammengehalten, dass man wenigstens erst auf künst-
lichem Wege, etwa durch Einwirkung von Iieagentien, namentlich
durch Salpeter- und Salzsäure von 20^/0 die Muskelzellen wieder zu
isoliren vermag. Diess gilt für die einfachen oder glatten Muskeln,
sowie für die Uebergangsformen von den glatten zu den quergestreiften
Muskeln. Ein anderer Modus ist der, dass eine Gruppe von Muskel-
zcllen jede seitlich nn't ihren Rändern, so zu einem Längsstreifen zu-
sammenschmilzt, dass die einzelnen Muskclzellen in der Bildung dos
neuen (Janzcn entweder ganz aufgehen oder nur noch in schwächeren
od(u- schärferen Spnr(^n ihre Sidbständigkeit durchblicken lassen. Mau
Muskelgewebe.
47
nennt einen auf derartige Weise entstandenen feinen Mukel streifen
ein Primitivbündel, wobei man dann ferner für die den Primitivbündel
herstellenden, ihrer Selbständigkeit beraubten Muskelzellen die Be-
zeichnung Primitivcylinder wählen darf Früher glaubte ich mit An-
dern beobachtet zu haben, dass der Primitivbüudel seine Längendi-
Fig. 26.
Muskelfasern zu neuen Einheiten oder Bündeln verbunden.
A aus dem Bulbus arteriosus des Salamanders; die quergestreiften Muskel-
zellen haben, obschon sie dicht aneinander gereiht sind, eine gewisse
Selbständigkeit beibehalten.
B u. C. sog. Muskelprimitivbiindel mit Verschmelzung der primitiven Cylinder:
a das Lückensystem innerhalb der contractu en Substanz, b das Sarco-
lemma. (Starke Vergr.)
mension durch Ansatz neuer Zellenreihen vergrössere , gegenwärtig
aber ist mir die Annahme wahrscheinlicher geworden, dass nur durch
Auswachsen der ursprünglichen, die Primitivbündel zusammensetzenden
Muskelzellen, dieser in der Länge zunehme. — Die Abschliessung
einer kleineren oder grösseren Gruppe von Primitivcylindern (die ur-
sprünglichen umgewandelten Muskelzellen) zu der neuen histologischen
Einheit, oder dem sog. Primitivbündel erfolgt durch homogene Binde-
substanz (Sarcolemma).
§. 44.
Es gehört zu den Eigenschaften der Primitivbündel, dass sie,
wie ich gefunden, von einem feinen Lücke nsystem durchbrochen sind,
welches durch seinen Verlauf, selbst in jenen Bündeln, an welchen
die Zusammensetzung aus Primitivcylindern sehr verwischt ist , die
ursprünglichen Abtheilungen noch errathen lässt.
Es gibt auch verästelte Muskelprimitivbündel, die entweder
untereinander anastomosiren, oder deren Aeste fein auslaufend, sich
unmittelbar in's Bindegewebe verlieren.
48 Von den Geweben.
Chemisch betrachtet erscheint die contractile Substanz stickstofF-
haltio- und dem Faserstoff verwandt. Man führt sie unter dem Namen
Muskelfibrin oder Syntonin auf.
Als man auf die Querstreifung der Muskelfasern aufmerksam geworden war,
versuchten die Beobachter vielerlei, mitunter sehr wunderliche Erklärungen, die
man jetzt füglich, ohne ungerecht zu sein, zur Seite stellen kann. Zuletzt blieben
viele Forscher dabei stehen, dass „variköse Fibrillen" das Ansehen der Querstreifen
bedingen. Ich halte, wie oben angegeben, jene Ansicht für naturgemässer, welche
in den „primitiven Fleischtheilchen", ohne auf ihre Aneinanderklebung nach der
Länge und Quere ein besonderes Gewicht zu legen, die Elemente erblickt, und
vielleicht könnte, was ich über die Aehnlichkeit der quergestreiften Muskelsubstanz,
mit den elektrischen Organen äusserte, dazu dienen, unsre Vorstellungen über das
Muskelgewebe etwas abzurunden. Im elektrischen Organ wäre eben in kolossaler
Weise ausgeführt, was am Muskel in höchst minutiöser Art sich wiederspiegelt. —
Dass in den sog. glatten Muskeln manche Mittelglieder von der rein homogenen
contractilen Substanz zur quergestreift differeuzirten vorkommen, davon werden im
speziellen Theil mehre Beispiele anzuführen sein. — Das feine verzweigte Lücken-
system mit Kernrudimenten in den Knotenpunkten wurde bisher verkannt, indem
man {Boiüman, K'ölliher) auf Muskelquerschnitten die Querschnitte der Lücken für
die „Muskelfibrillen" gehalten hat, die eigentliche contractile Substanz wurde für
eine die vermeintlichen Fibrillen verkittende Zwischenmaterie erklärt (vergl. m.
Aufs, in Müll. Archiv 1856). Die in Distanzen auftretenden „Längsstreifen des
Primitivbündels" sind ebenfalls die Lücken zwischen den das Bündel zusammen-
setzenden Muskelcylindern, auch sieht man sie an naturgetreuen, nicht schematischen
Abbildungen quergestreifter Bündel in diesem Sinne gezeichnet, (man vergl. z. B.
die Darstellungen, welche v. Er lach in Müllers Archiv 1847 über die organischen
Elementartheile bei polarisirtem Licht gab), und endlich sind die fraglichen „Längs-
streifen" auch von Anderen als Reflex von Spaltungen zwischen Längstheilen (Fi-
brillen) des Muskelbündels angesehen worden.
Die Verzweigung der Muskelprimivbündel scheint Leeuwenhoeh zuerst am Her-
zen wahrgenommen zu haben. Nach ihm hat unter den mir bekannten Schriftstel-
lern Ramdohr (1811) die nächste Abbildung von solchen Muskeln gegeben. Später
wurden ähnliche Mittheilungen von Seite R. Wagner''s, Leuchart, Stein nicht beson-
ders gewürdigt, bis man erst in neuerer Zeit einen gewissen Wertli darauf legte, indem
man sich überzeugte, dass im Herzen der Wirbelthiere und vieler Wirbellosen,
dann namentlich in den Eingeweiden zahlreicher Arthropoden ramifizirtc Muskel-
primitivbündel eine KoUe spielen.
Der Ausdruck Sarcolemma kann eine doppelte Anwendung finden, entweder
für das bindegewebige Rohr, welches die zum sog. Primitivbündel vereinigten Pri-
mitivcylinder nmschliesst, oder auch für die Membran der einfach oder ästig aus-
gewachsenen Muskelzcllcn , welche, obschon ihr Inhalt querstreifig ist, doch eine
gewisse Selbständigkeit bewahrt liaben.
Die glatten Muskelfasern, welche man durch Salpetersäure isolirt hat, sind
etwas schmäler geworden und besitzen zahlreiche Einknickungen oder Drehungen.
Nervengewebe. 49
kugeln.
Fünfter Abschnitt.
Vom Nervengewebe.
§. 50.
Das Nervengewebe vermittelt die Empfindung, Bewegung, die
Seelenthätigkeiten. Auch die Nervensubstanz ist umgewandelter Zellen-
inhalt, und zwar behalten zum Theil die Zellen ihren Charakter bei
und heissen Ganglienkugeln oder sie wachsen in Fasern aus und bilden
damit die Nervenfibrillen.
§. 51.
Die Ganglienkugeln werden nach ihrer Form abgetheilt in sog. «anguen-
apolare oder rundliche, in unipolare oder solche die nach einer Seite
hin sich faserartig verlängern, in bipolare oder mit zwei Fortsätzen
versehene und endlich in multipolare oder Ganglienzellen mit vielen
und selbst wieder verästelten Ausläufern. Da bei der gewöhnlichen
Präparationsmethode die Fortsätze der Ganglienkugel leicht abreissen,
so wird von mehren Forschern (B. Wagner) die Existenz von wirk-
lich apolaren Ganglienzellen in Abrede gestellt und die so scheinenden
für verstümmelte Objecte erklärt. In sehr vielen Fällen hat es mit
dieser Verwerfung der apolaren Ganglienkugel gewiss seine Richtigkeit,
ob sie aber ausnahmlos (wie es mir fast dünkt) angenommen werden
darf, müssen noch fernere Untersuchungen bestimmen.
Die multipolaren Ganglienkugeln, bei Wirbelthieren leicht nach-
weisbar, scheinen bei Wirbellosen seltener zu sein, doch sind sie
auch hier mit Sicherheit beobachtet worden von Meissner an Mermis
und den Nervencentren des Oordius, sowie in neuester Zeit von Wedl
am Nervensystem der Nematoden.
§.52.
Fassen wir die Natur der Ganglienkugeln näher in's Auge, so Nähere Be-
zeigt sich, dass sie sämmtlich und bei allen Thieren einen gewissen
blassen, meist farblosen, zarten Habitus haben und leicht zerstörbar
sind. Sie schliessen sich entweder nach aussen durch eine zarte
Membran ab oder es mangelt ihnen, wie namentlich in den Nerven-
centren eine membranöse Umhüllung. Ihre Grundmasse oder der
„Zelleninhalt" ist eine homogene zahlreiche Körnchen zusammenhal-
tende Substanz, die Körnchen meist farblos, häufig auch gelblich
oder bräunlich gefärbt. Bei Wirbellosen können die Anhäufungen der
Ganglienkugeln selbst für das freie Auge eine ausgesprochene gelbe
Leydig, Histologie. ^
schaff enheit.
50 Von den Geweben.
oder rothe Farbe haben, was wir z. B. am Gehirn von Lymnaeus, Planoi^his,
Paludina sehen, doch ist diese Pigmentirung diffuser Art, sie rührt her
Fig. 27.
Multipolare Ganglienzelle. (Starke Vergr )
von einer rothen Flüssigkeit, welche das ganze Ganglion durchtränkt
und nachdem das Neurilem eingerissen ist, in Tropfen herausquillt.
Aus dem Bereiche der Wirbelthiere ist mir nur die gelbe Färbung
der Macula lutea Betinae bekannt, die, gleichfalls von diffuser Art,
hierher gehört. — Der Kern der Ganglienkugel, immer deutlich aus
dem körnigen Inhalte herausscheinend, ist rund und besitzt ein oder
mehrere Kernkörperchen. Die Grösse der Ganglienkugeln ist ver-
schieden , die bedeutenderen lassen sich mit freiem Auge als weisse
Punkte unterscheiden.
§. 53.
Nach neueren Mittheilungen scheint es, .als ob im Inhalt der
Ganglienzellen noch weitere Differenzirungen zur Darstellung ge-
bracht werden können. Remak beschreibt nämlich von der körnigen Sub-
stanz der Ganglienkörper derBaja hatis (nach 24stündiger Aufbewahrung
in Chromsäure) ein faseriges Gefüge in zwei Schichten. Die innere
Schichte von Fäserchen umlagert den Kern, die äussere geht nach
beiden Polen in den Canal des „Achsenschlauches" über. Ebenso
hat jüngst Btilling der pariser Academie Untersuchungen über eine
feinere Zusammensetzung der Ganglienzellen, als bisher angenommen
war, vorlegen lassen: die Hülle, welche allen Ganglienkugeln zukomme,
hänge vermittelst „Elementarnervenröhrchen" nach aussen mit benach-
barten Ganglienkugeln , zusammen , nach innen mit dem Parenchym,
welches aus einem dichten Netz derselben Röhrchen bestehe. Der Kern
der Ganglienkugeln von gleicher Struktur, zeige viele doppelte Con-
turen, unterbrochen durch Röhrchen, welche einerseits in das Paren-
chym, andererseits zum Nucleolus sich begeben. Der Nucleolus
bestehe aus drei concentrischen Schichten von verschiedener Farbe,
die centrale sei roth, die mittlere bläulich, die äussere oranggelb, von
jeder Schicht aus lassen sich Verlängerungen bis zum Rande des
Kernes verfolgen. Compt. rend. 1855 N. 20 u. 21.
Nervengewebe.
51
§. 54.
Die Nervenfasern der Wirbeltliiere zerfallen vom Gesichtspunkt
der Struktur aus in die dunkelrandigen und in die blassen Fibrillen.
Die dunkelrandigen, auch markhaltigen genannt, sind von wech-
selnder Dicke, so dass man feinere und stärkere unterscheidet, und beste-
hen 1) aus einer homogenen Hülle, hie und da mit Kernrudimenten
versehen; doch scheint diese Hülle oder Scheide keineswegs con-
stant zu sein, sondern kann auch, namentlich an den feineren Fa-
sern fehlen, 2) aus der Nervensubstanz; da nun letztere auf künst-
lichem Wege durch Einwirkung von Reagentien (Chromsäure, Su-
blimat etc.), sowie bei beginnender Zersetzung sich in eine centrale
Faser und eine körnig-krümliche peripherische Schicht leicht son-
dert, so wird herkömmlicher Weise die dunkelrandige Nervenfaser
als zusammengesetzt betrachtet aus der Markscheide und dem Ach-
sencylinder. Die Markscheide ist eine fettreiche Substanz, welche
Fig. 28.
Nervenfasern.
Ä dunkelrandige, a breite Fasern, b feine, varikös gewordene;
B Blassrandige {Bern ak'' sehe Fasern).
C Mittelstufe zwischen den beiden vorhergehenden. (Starke Vergr.)
der Nervenfaser die dunkeln Ränder bei durchgehendem Licht und
den Silberglanz bei auffallendem verleiht. Sobald der Nerv erkal-
tet ist, gerinnt sie zu der erwähnten körnig-krümlichen Schicht, häuft
sich auch wohl an den feinen Nervenröhren stellenweise an, macht
sie dadurch in Abständen knotig und wandelt sie zu den sog. varikö-
sen Nervenfasern um. Der Achsencylinder erscheint von blassem
Aussehen, häufig mit unregelmässig gezakten Rändern, homogen,
granulär auch fein streifig, drehrund oder platt, Habitus und Verhal-
ten gegen Reagentien deuten auf einen eiweisshaltigen Körper. Nach
Bemak wäre der Achsencylinder ein Schlauch, was mir noch nicht
zu sehen geglückt ist. Sttllzng, in Uebereinstimmung mit seiner
oben erwähnten Schilderung des Baues der Ganglienzelle, behaup-
4* -v
Dunkel-
randige
Nerven-
fasern-
52 Von den Geweben.
tet in der jüng-sten Zeit, dass man die Struktur der Nerven über-
haupt verkannt habe, was bisher als Scheide und Mark der Nerven-
fibrille bezeichnet wurde , bestehe aus einem Geflecht ausserordent-
lich zarter ßöhrchen, welche in allen Richtungen, longitudinal, trans-
versal und sehr schräg verlaufend sich theilen und anastomosiren, so
dass sie ein wahres Netzwerk bilden, in diesen feinen Röhrchen
sei das ölige Nervenmark enthalten. Der Achsencylinder sei aus
wenigstens drei concentrisch in einander geschachtelten Lagen zu-
sammengesetzt, von jeder dieser Lagen entspringe eine Anzahl fei-
ner Röhrchen, die sich nach aussen wenden, um in das Netzwerk
der peripherischen Partie einzugehen. Mit diesen Angaben Stilling's,
welche sich auf sehr starke Vergrösserungen stützen, mögen wahr-
sclieinlich die Figuren der geronnenen und hart gewordenen Nerven-
substanz näher geschildert sein , aber ich vermag nicht denselben
im Augenblick eine rechte Bedeutung beizulegen, um so weniger,
als ich jener gegnerischen Auffassung zugethan bin, nach welcher
der lebende Nerv von gleichförmiger Mischung ist und die Schei-
dung in iVchsencylinder und Markhülle für eine Zersetzung post
mortem halte. *)
§. 55.
Blasse Die blasscu Nervenfibrillen (marklose, Bern ak' seh eYasern) er-
Ncr VC 11"
fasern, mangclu des Fettreichthums der vorhergegangenen Fasern, sind daher
auch nicht nach der verschiedenen Beleuchtung dunkelrandig oder
weiss, sondern blass conturirt und grau. Sie finden sich namentlich
in grösserer Menge im Sympathicus und könnten nicht mit Unrecht
auch den Namen sympathische Nervenfasern tragen. Sie bestehen aus
der homogenen kernhaltigen Hülle und einer fein granulären In-
haltsmasse, welche dem Lihalt der dunkelrandigen Fasern nach Ab-
zug des Fettes gleich zu setzen ist.
*) Ea sind unterdessen die ausluhrlichen Mittheilungen über diesen Gegen-
stand erschienen : über den Bau der Nervenprimitivt'aser und der Nervenzelle von
Dr. Stilling. Frankfurt 1856. Kaum dürfte Jemand nach dem gegenwärtigen Stand-
punkt der Mikroskopie im Stande sein, über die Darstellungen des genannten For-
schers ein sicheres Urtlieil zu fällen. Stilling hat nämlich mit Vergrösserungen
gearbeitet (7(jO — 900 linear) , welche man bisher allgemein aus Furcht vor optischen
Täuschungen nicht anzuwenden wagte. Sollten aber neuere Instrumente so ver-
bessert sein, dass dergleichen Vergrösserungen mit Erfolg in Anwendung gezogen
werden könnten, so rauss mau a priori erwarten, dass Bildungen, die Avir jetzt noch
homogen oder strukturlos nennen, bestimmte Strukturverhältnisse offenbaren werden.
Auch üljer den andern Punkt, der eingeworfen werden könnte, dass nämlich die so
exakt gezeichneten Figuren Ä^tV/i»?^'« Kunstprodukte versinnlichten, lässt sieh schwer
streiten, denn dieser Vorwurf würde in gleichem Grade alle die neueren Untersu-
chungen (über lieiina z. B.) treffen, welche mit Hülfe der Chromsäure angestellt
wiir(h',n. Stillhifj selbst übrigens erwartet eine Bestätigung seiner Darstellung nicht
„von der nächsten Zeit", sondern wünsclit nur, dass man seine Methode der Unter-
suclmng sorgfältig wiederliulen solle.
Nervengewebe. 53
§. 56.
Gleichwie die echt quergestreifte Muskelfaser und die echt glatte Mutentufen
Muskelfaser durch mannigfache Mittelstufen verbunden sind, so Beiden,
giebt es auch zwischen der dunkelrandigen Nervenfaser und der blassen
Bindeglieder. Ich habe (Unters, üb. Fische u. Rept.) darauf aufmerksam
gemacht, dass z. B. im Grenzstrange des erwachsenen Landsalamanders
Nervenfibrillen vorkommen, welche den blassen Fasern dadurch nahe
stehen, dass sie in ihrer Scheide zahlreiche, lange Kerne besitzen, sich
aber den dunkelrandigen insofern nähern, als die Umrisse der Fasern an
Schärfe die der blassen Fibrillen übertreffen, ohne die dunklen der cere-
brospinalen zu erreichen, da eben die Markscheide oder das Fett in
geringerer Menge zugegen ist, als bei den echt dunkelrandigen. —
Für den leichten Uebergang der beiderlei Faserarten in einander
spricht auch die bekannte Thatsache, dass die dunkelrandigen Ner-
ven beim Embryo eine Zeit lang genuin blassrandig, ohne Fett-
scheide sind und diese erst nachträglich auftritt, sowie dass an gar
manchen Orten die dunkelrandigen Fibrillen bei ihrer Endverbrei-
tung zu blassen, des Fettes entbehrenden, Fasern werden, so z. B.
die Elemente des Nervus olfactorius , die Enden der Hornhautner-
ven; endlich giebt es Wirbelthiere, welche nur blasse oder mark-
lose Nerven besitzen , z. B. die Cjklostomen. Mitunter ist die Mark-
scheide so zart, z. B. an den Ausläufern der Nervenfasern im elek-
trischen Organ von Torpedo, dass man erst bei sehr starken Ver-
grösserungen wahrnimmt, wie die anscheinend marklose Faser dennoch
Spuren der Markscheide besitzt.
§•57.
Die Nervenfasern und die Ganglienzellen liegen nicht einfach Verbindung
neben einander, sondern stehen unter sich in Verbindung und zwar '^^/euen^mir
gehen die Fortsätze der Ganglien kugeln unmittelbar als Inhalt der ^^"^'
Nervenröhren fort. Eine unipolare Ganglienkugel dient so einer
einzigen Nervenfaser zum Ursprung, die sich allerdings bald thei-
len kann, wesshalb auch mehre Fasern in Einer unipolaren Zelle
wurzeln können, b(;i den bipolaren verlängert sich die Nervenzelle
nach zwei meist entgegengesetzten Seiten zu Nervenfasern, bei den
strahligen Ganglienkugeln werden die Ausläufer ebenfalls zum Theil
zu Nervenfasern , zum Theil setzen sich die Ganglienkugeln dadurch
selber in Vereinigung. Der weiche granuläre Inhalt der Ganglienku-
geln stimmt in seinen Eigenschaften mit dem Inhalt der marklosen
Nervenfasern und mithin auch, nach Abzug des Fettes, mit dem
Inhalte der dunkelrandigen Fibrillen überein und setzt sich daher
von Ganglienzelle zu Nervenfaser continuirlich fort und hält man
sich an die durch Chromsäure bewirkte Differenzirung der dunkel-
randigen Faser in Markscheide und Achsencylinder , so muss man
sagen, die granuläre Substanz der Ganglienkugel verlängert sich
als Achsencylinder in die Nervenfasern (nach Axnianti soll der
erven-
fasern.
54
Von den Geweben.
Fig. 29.
A Zwei multiijolare Ganglienzellen ans der Substantia ferrnginea unter dem Locus
coeruleus vom Menschen. Bei a eine Commissur, welche beide Zellen ver-
bindet. (Nach Jl. Wagner.)
B Ganglienkugel aus dem kleinen Gehirn vom Hammerhai, a einer der blassen
Fortsätze^, er wird dicker und umhüllt sich b mit einer Fettscheide.
C Nervenfibrillc aus dem Ganglion Trigemini von Scymnus licliia nach Chrom-
säurebehandlung : a der Achsencylinder , der unmittelbar in die körnige
Substanz der Ganglienkugel übergeht. Er wird bei b allein von der ho-
mogenen, jetzt gefalteten Nervenscheide umgeben , während das Mark aus-
gcl'allen ist , c die Kerne der Nervenscheide. (Starke Vergr.)
Achsciicyliiulcr unmittelbar in den Kern des Ganglicnkörpers iiber-
gelien) und wenn wie an den bipolaren Ganglienzellen die Nerven-
faser auf ihrem Wege vom Centrum zur Peripherie dureli eine ge-
Nervengewebe.
55
wisserraaassen eingeschobene Ganglienkugel unterbrochen wird, lässt
sich die den Kern der Ganglienzelle umgebende Substanz auch als
ein angeschwollener Ach sencylinder auffassen. An den bipolaren
Ganglienzellen geht ferner die homogene Hülle der Nervenfaser
ebenso continuirlich in die der Ganglienkugel fort, und worauf ich schon
früher hingewiesen (Rochen und Haie S. 14, z. Anat. und Hist. d.
Chim. monstr. Müll. Arch. 1851.) auch die Markscheide der Nerven-
faser breitet sich über die Ganglienkugel aus und giebt ihr die auf
die Hülle folgende, scharfe Contur. Auffallend stark finde ich diese
Markscheide an den Ganglienkugeln des Nervus acusticus der Kno-
chenfische {^Acerina cernua z. B.) und der Reptilien {Lacerta agi-
lis z. B.) , wo desshalb die Ganglienkugel auf ganz gleiche Weise
wie die entsprechende Nervenfaser dunkel gerandet ist und man beim
ersten Anblick einfach bauchige Erweiterungen der Nervenfibrillen
zu sehen meint. Für die Ganglienzellen, welche an zwei Enden
mit dunkelrandigen Nervenfasern in Verbindung stehen, ist daher
die Ansicht Bidder's sehr der Natur entsprechend, dass die Gang-
lienkugeln als hüllenlose Massen in Erweiterungen von Nervenröh-
ren eingebettet seien. Eigenthüralich ist die Erscheinung, dass die
deutlich nach innen gelagerten Kerne der homogenen Nervenfaser-
hülle, sobald sich letztere zur Aufnahme des Ganglienkörpers ausge-
weitet hat, so zahlreich werden, dass man, wären sie noch von
einer Zellenraembran umgeben, die aber durchaus fehlt, an ein
Epithel denken könnte.
§. 58.
Früher glaubte man den Satz aufstellen zu können , dass die
Nervenprimitivfasern während ihres Verlaufes zur Peripherie sich
Fig. 30.
Verlauf und
Endigung
der Faoeru.
End ver theiluiig von drei Nervenfibrillen ans dem Gallertkern des sog. elektrischen
Organs aus dem Schwänze von Raja. (Starke Vergr.)
56 Von den Geweben.
nie theilen. Spätere Untersuchungen haben das gerade Gegentheil
hiervon dargethan und man weiss jetzt, dass Theilungen zu den ge-
wöhnlichen Eigenschaften der Nervenfibrillen gehören, ja es scheint,
als ob sämmtliciie Nervenfibrillen von manchem Muskel oder gewis-
ser Organe durch Verzweigung Einer einzigen centralen Stammfaser
entstehen. So ist durch Reichert bekannt geworden, dass in einem
Hautmuskel des Frosches 8-10 Fibrillen des Nervenstammes in
nahezu 400 terminale Fasern ausliefen und dass ferner die bezeich-
neten 8 — 10 Fasern des Nervenstammes bei der Insertion in den
Muskel durch weitere Vereinigung nach dem Kückenmark hin auf
eine Zahl von 5 — 6 Fasern sich verringerten. Ein anderes Bei-
spiel von noch erhöhter Vermehrung der Nervenfasern durch Thei-
lung kennen wir aus den von mehren Seiten bestätigten Mittheilun-
gen Bilharzs über das elektrische Organ yon Mala'pterurus electricus.
wo sich ergeben hat, dass alle Nervenzweige und Fasern durch
Verästelung aus einer einzigen im Stamm enthaltenen Primitivfaser
hervorgegangen sind.
Eine Frage, die vielfältige Beantwortungen erfahren hat und
jetzt noch nichts weniger als befriedigend gelöst wurde, ist die nach
der Endigung der Nervenfibrillen. Früher hiess es: alle Nerven-
fasern enden schlingenförmig, jetzt nach einigen Zwischenreden
beeilt man sich, die Ansicht von den Endschlingen als einen Irrthum
zu verbannen und statuirt 1) eine freie Nervenendigung, wobei ent-
weder die Fasern sich fein zuspitzen, so in den Muskeln, oder sich
kolbenförmig verdicken, wie das z. B. in den Pactw Aschen Körper-
clien geschieht; 2) eine Endigung in terminale Ganglienzellen, z. B.
im Nervus vestihuli des Gehörorganes, im Geruchsorgan; 3) eine
Endigung in eigenthümliche, stabförmige Gebilde, so im Auge, in
der Schnecke des Gehörorganes. Ich werde weiter unten, wenn die
einzelnen Organsysteme an die Reihe kommen, manches au diesem
Schema zu berichtigen finden. Hier sei nur, um einstweilen eine
freiere Uebersicht zu gewinnen, vorgebracht, dass wie es nach
neueren Erfahrungen scheint, eine Endigung der Nervenfasern sowohl
jenseits ihres bindegewebigen Bodens statt haben kann, als auch
innerhalb desselben. Scheiden wir die kolbige Verdickung des Ner-
venendes in den Pacinischen Körpern und die in den feinsten Ver-
hähnissen noch nicht festgestellte Nervenendigung in den Tastkör-
perchen aus, so dünkt mir, dass die Endigung der Nervenfibrillen
nach dem Typus der verzweigten Bindegewebskörper erfolgt, d. h.
eine netzförmige ist. Wo die Lokalität der Untersuchung einiger-
maassen günstig sich erweist, hat man diese Endigung beobachtet
{Axniann in der Haut des Frosches, Hiss in der Cornea), an den
meisten Stellen aber hält es ausnehmend schwer, den feingeworde-
nen Fibrillen weiter nachzugehen, so dass man gewöhnlich sie mit
fernen Strichen enden zu sehen meint. Die Ansicht von einer netz-
Nervengewebe. 67
förmigen Endigung der Nervenfasern scheint mir auch gestützt zu
werden, wenn man sein Augenmerk auf die Entwickking der Ner-
venfibrillen richtet. Ich sehe nämlich mit Reichert und Bidder dass
die fraglichen Fasern in einer bindegewebigen Grundlage sich bil-
den und zwar so, dass in den sich verlängernden Bindegewebskör-
pern (die „feinen, röhrenförmigen Höhlungen") die Nervensubstanz
sich ansammelt. Auch im Schwänze der Batrachierlarven , ein be-
kanntlich sehr günstiges Objekt für dergleichen Forschungen, nimmt
man klar und deutlich wahr, wie die Nervensubstanz sich in die
verzweigten Zellen (Bindegewebskörper) absetzt und zwar von den
Stämmen gegen die Peripherie vorschreitend, so dass zuletzt das Bild
die grösste Neigung zur Verähnlichung mit dem Endnetze der Horn-
hautnerven zeigt. Auch sei angefügt, dass z. B. die dunkelrandigen
Mesenterialnerven einer etliche Tage alten Katze, in situ naturali ein
auffallend gezackt-randiges Aussehen mir darboten und dadurch an
ihren Ursprung gemahnten.
Fig. 31.
Die anscheinende Nervenendigung in den Nervenknöpfen der sog. Schleim-
kanäle vom Kaulbarsch : a die Bogen der dunkelrandigen Fasern, b die Epithel-
zellen und zwischen ihnen die fraglichen Bildungen. (Starke Vergr.)
Was die Endigung der Nervenfibrillen jenseits bindegewebiger
Straten, in den Epithelien nämlich, betrifft, wie man dergleichen in
neuester Zeit im Geruchsorgan gesehen zu haben glaubt, so wage
ich vorläufig nicht, eine bestimmte Meinung zu äussern, doch ge-
traue ich mir anzugeben, dass, wenn die Nerven wirklich in das
Epithel hereintreten, sie gewiss nicht in die Epithelzellen sich fort-
setzen, sondern in eigene das Licht stark brechende Streifen, die
man am Nasenepithel zwischen den Zellen sieht; noch mehr werde
ich darin bestärkt durch die Ansichten, welche man an den von
mir aufgefundenen Nervenknöpfen in den sog. Schleimkanälen der
Knochenfische erhält, wozu man die beistehende Figur 31 vergleichen
möge. Hier gehen nämlich zwischen den sehr langen, den Nerven-
knopf deckenden Cylinderzellen eigenthümliche fasrige Züge in die
Höhe, ganz vom Habitus blass gewordener Nervensubstanz und enden
in grubenförmigen Vertiefungen des Epithels mit einer zelligen An-
schwellung.
58 Von den Geweben.
§. 59.
Die beschriebenen Elemente des Nervengewebes^ die Ganglien-
kugeln und Nervenfasern lagern sich in grösseren Massen zusammen
und erzeugen damit Gehirn, üückenmark, die Ganglienknoten
und die Nervenstränge. Die Vereinigung der spezifisch nervösen Ge-
bilde zu grösseren Abtheilungen erfolgt durch Bindegewebe, hier Neu-
rilem genannt. Die weisse Substanz der Nervencentreu besteht aus
Anhäufungen von Nervenfibrillen , in der grauen Substanz walten die
Ganglienkugeln vor, ebenso in den Nervenknoten und die periphe-
rischen Nerven scheiden sich, wie die Primitivfasern in weisse sil-
berglänzende Stränge oder cerebrospinale Nerven, und in grau-
röthliche etwas durchscheinende oder sympathische Nerven. Die
ersteren bestehen aus dunkelrandigen Fasern., die letzteren haupt-
sächlich oder ganz aus blassen oder i?ewia/i;'schen Fibrillen.
§. 60.
Es ist ein allgemeineres Vorkommniss, dass wenn zahlreiche
Nervenfasern concentrirt auf kleinem Umfang enden, zugleich damit
ein reiches Geflecht von Capillargefässen die Stelle versorgt.
Beispielsweise sei angeführt das dichte Gcfässnetz an den Septen der
Ampullen und in der Schnecke des Gehörorganes, ebenso an den Ner-
venknöpfen in den sog. Schleimkanälen der Fische ; die Plexus cho-
roidei der Nervencentreu dürfen vielleicht unter denselben Gesichts-
punkt gebracht werden.
§• 61.
Nerven- Mit Ausuahmc dcr paar Bemerkungen über Ganglienkugeln bezieht
osln. sich das bisjezt über das Nervengewebe Gesagte ausschliesslich auf die
Wirbelthiere , wir haben daher der Wirbellosen noch besonders zu
gedenken.
Die Nervensubstanz erscheint morphologisch auch hier als Zellen-
inhalt und als streifige, den Fibrillen der Vertebraten entsprechende
Materie. Die Ganglienkugeln wechseln sehr in ihrer Grösse, so^vohl
nach dcnThiergruppcn wie auch häufig in einem und demselben Thier; die
Muscheln, Insekten, Spinnen haben im Allgemeinen kleine und zarte
Ganglienzellen, doch lassen sich auch Ausnahmen aufiühren ; das Ganglion
frontale der Horniss z. B,^ aus w^elchem die Schlundnerven hervorgehen,
ist aus sehr grossen Ganglienkugeln zusammengesetzt. Umfängliche
Ganglienkugeln beobachtet man auch beiniFlusskrebs, dciiBlutegeln,
wo einzelne, so wie auch bei Schnecken eine solche Ausdehnung er-
reichen, (las man t^ie mit freiem Auge bequem sehen kann. — Von Ge-
stalt .sind sie rundlich, länglich, seltner sternförmig, haben einen oder
mehrere Jverne sammt Nucleolus. Der Inhalt zeigt sich gewöhnlich fein
molekular, seltner {Piscicola, Sangnisuga, Haemopis, Ztsch. f. w. Z. 1849.
S. i;')()) von bestimmten Ganglicnkugeln in eigenthümh'ch grobbröcke-
liger Form.
gewebe
Wirbell
Nervengewebe. 59
§. 62.
Was die fibrilläre Nervensnbstanz unLelangt, so springt vor Allem
in die Augen, dass bei keinem Wirbellosen dunkelrandige, d. i. mit
„Markscheide" versehene Primitivfaser]i angetroffen Averden , vielmehr
entsprechen vom morphologischen Standpunkt aus die faserigen nervösen
Elemente der Wirbellosen nur den blassrandigen oder sympathischen
Fig. 32.
Nervenstämmchen von einem Insekt,
a die fibrilläre Nervensubstanz, b die homogene Scheide. (Starke Vergr.)
Nervenfasern der Wirbelthiere und diese Gleichstellung erstreckt sich
auch auf die geringe Selbständigkeit, welche häufig an der Fibrillenmasse
der Wirbellosen bemerkbar ist: in einer bindegewebigen Hülle nämlich,
die zahlreiche Kerne besitzt, liegt eine blasse, feinkörnige Substanz.
Gerade so ist das Bild vom Olfactorius (des Frosches, Proteus z. B.),
welcher Nerv bei allen Wirbelthieren ebenfalls nur aus grauen Elementen
besteht. Mitunter zeigt die fibrilläre Substanz der Nervenstämme eine
schärf ere Differenzirung in Fibrillen von zwar blassen, aber bestimm-
ten Umrissen, was mir z. B. an mehreren Spinnenarten gegenüber den
Insekten aufgefallen ist. Eine Erscheinung, derman noch weitere Aufmerk-
samkeit zuwenden darf, ist, dass bei Arthropoden neben und mit dem
gewöhnlichen fibrillären Contentum der Nervenstämme davon sehr ab-
stechende faserig-röhrige Gebilde vorkommen, die vom Flusskrebs schon
Ehrenber(j und Hannover gekannt und namentlich von ÄewaÄ; genauer
beschrieben worden sind. Reichert hat diese „kolossalen Nervenfasern",
welche noch ein centrales Faserbündel besitzen, das in Stäbchen zerfallen
kann, beanstandet und einen Irrthum vermuthet, allein ich sehe diese Bil-
dung wiederholt und nicht minder bei Käfern, z. B. an den vom Gehirn
abgehenden Nerven von Lampyris spendidula^ (das lebende Thier unter
Zuckerwasser geöffnet) ; sie sind hier nicht so breit, als bei Astacus, auch
vermisse ich noch die centrale Masse , indem sie gleichmässig hell aus-
sehen. Hätten die Nerven Blutcapillaren und wären die Bohren ver-
zweigt, so könnte man sie für solche halten, einstweilen aber wäre ich
geneigt, in ihnen die Aequivalente der dunkelrandigen Nervenfasern zu
60
Von den Geweben.
Nervenfasern aus dem Bauchstrange des Flusskrebses.
a ganz breite Röhren mit innerem Faserbündel, b mitteldicke, c die feinen,
letztere von mehr granulärer Beschaffenheit. (Starke Vergr.)
erblicken, um so mehr, als ich beim Krebs allmählige Uebergänge von
den granulären Fibrillen in diese hellen und in den Extremen so;breiten
Röhren wahrnehme.
§•
63.
Das Verhältniss, in welchem die Fibrillen der Wirbellosen zu den
Ganglienkugeln stehen , ist analog dem, was hierüber von den Wirbel-
thieren vorgetragen wurde. Die Körnchen^, jener Masse nämlich, welche
die hellen Ganghenkerne umschliesst (Inhalt der Ganglienkugel), ordnen
sich nach einer oder mehreren Seiten hin linear nnd gehen so zu einem
feinstreifigen Strang vereint von der Ganglienzelle weg. War die
letztere mit einer deutlichen Membran versehen , so begleitet diese das
abgehende Bündel als Nervenscheide und isolirt dadurch die'annerhalb
des Nervenstammes gelegenen Fibrillcnbündel ; im Falle sie nicht vor-
handen ist, zeigt der Nervenstamm nur eine gleichmässige feine Längsstrei-
fung innerhalb seines Ncurilems. Es steht sohin die feinstreifige Nerven-
substanz der wirbellosen Thiere zum Ganglicjikiigelinhalt in derselben
Beziehung, wie die Substanz der Achsencylinder bei Wirbelthiercn zum
Contentum der Ganglienkugel: beide Gebilde sind unmittelbare Fort-
setzungen der Körnermasse, welche die Kerne der Ganglienkugeln
umhüllt.
§.64.
Zugleich mit den Ganglienkugeln kommt in den Nervencentren vieler
Wirbellosen noch eine Punktmasse und zAvar oft in reichlicher Menge
vor, so bei Arthropoden (bei den Spinnen scheint mir die Punktmasse
die Mitte der Ganglien einzunehmen, und um sie herum higern sich die
Nervenzellen); bei manchen Wüiinern, Mollusken {Unio, Anodonta,
Paludina z. B.) enthält die (»hisse farblose Punktsubstanz, in der die
Gangüenkugcln eingebettet sind, noch glänzende, gelbJiel) gefärbte
Körpcrchen, bei Cyclas cornea von schmutzig brauner, bei Aylysia von
Regeneration der Gewebe. 61
schwärzlich rother Farbe. Die Punktsubstanz kann auch nur in gerin-
geren Spuren zugegen, selbst ganz geschwunden sein und die Ganglien-
kugeln sich unmittelbar berühren. Uebrigens hängen dergleichen Diffe-
renzen auch damit zusammen, ob die Ganglienkugel durch eine schärfere
Hülle abgegrenzt wird oder nicht, denn häufig sind die Formen der Art,
dass klare Kerne mit NucleoUs von Partien der Punktsubstanz bloss
hofartig umgeben werden und vielleicht lässt sich gar kein wesentlicher
Unterschied zwischen solcher extracellulärer Punktsubstanz und der in
der Ganglienkugel eingesclilossenen aufrichten, da bei manchen Thieren
(Akalephen, Nemertinen) xia,Q\x Leuckart keine Ganglienkugeln an-
wesend wären , sondern eben die gleichmässige Punktsubstanz das ver-
zweigte nervöse Röhrensystem anfülle. (Auch in den Nervencentren, den
Nebennieren und sympathischen Ganglien der Wirbelt hier e existirt
eine solche Punktsubstanz und man könnte in ihr vielleicht einen mehr
indifferenten Ätoff erblicken, mit der Bestimmung, den leicht verletz-
Kchen Ganglienkugeln eine weiche Unterlage zu geben.)
Ein Beispiel von Ganglien, wo die Zellen dicht aneinander gedrängt
sind , ohne Punktmasse dazwischen, bietet nach der Darstellung von
Meissner die Gattung Mermis dar.
Das eigentliche peripherische Ende der Nervenfasern zu erforschen,
wird wegen der blassen zarten Beschaffenheit der in Betracht kommen-
den Bildungen natürlich noch schwieriger als bei Wirbelthieren, doch
hat sich soviel erkennen lassen, dass nicht selten terminale Ganglienzellen
an der Endverbreitung der Nerven sich finden, so wie dass mitunter das
Nervenende noch eine Ausrüstung mit eigenthümlichen Körperchen er-
halten kann (s. unten).
Die Ganglienkugeln wurden zuerst beobachtet von Ehrenberg (1833), Valentin
hat das Verdienst, sie als wesentlichen Bestandtheil des Nervensystems nachgewiesen
zu haben (1836) , den tieferen Zusammenhang der Ganglienkugeln mit Nerven-
fasern haben später ^e^mÄo/^s, Hannover, Will, Kölliker, B. Wagner, Bidder
u. A. erforscht.
§. 65.
Wenn man die aufgeführten Gewebe bezüglich ihrer Regen erations- Regene
fähigkeit nach Substanzverlusten mit einander vergleicht, so ergiebt sich,
dass die selbständig gebliebenen Zellen, also Blut, Lymphe, Epithelien,
Horngewebe, Krystallinse sich leicht wieder erzeugen , ebenso die Ge-
webe der Bindesubstanz, besonders das gewöhnliche Bindegewebe und
Knochensubstanz, in Knorpelwunden hingegen geschieht die Vereini-
gung durch Bindegewebe, wohl aber tritt Knorpelgewebe gern acci-
dentell auf. Muskelgewebe scheint seltener einer Neubildung fähig zu
sein, während sich die Nervensubstanz leicht regenerirt. Von den beiden
zuletzt genannten Geweben ist auch ein accidentelles Vorkommen beo-
bachtet worden.
Ii„ Ueber die Regeneration des Nervengewebes haben neuerdings besonders Bruch,
Kültner, Lent, Schiff uuä TFa^^e»- Untersuchungen angestellt. — Die Rippenknor-
pelbrüche lieilen, wie auch Klopsch beobachtet hat, ausschliesslich durch Binde-
ration der
(reNvebe.
62 Von den Organen.
gewebe, und zwar, wie es scheint, durch Wucherung des an der Bruchstelle vor-
findlichen Bindegewebes. Dasselbe kann später verknöchern und einen Ring
bilden, der die Bruchfragmente umgiebt.
An einer Vo Zoll langen, äusserlich und auch awf dem Durchschnitt schwärz-
lich pigmentirten neugebildeten Schwanzspitze einer Eidechse war die Muskulatur
aus verhältnissmässig kurzen Schläuchen gebildet, welche eine Rinden- und Achsen-
substanz zeigten und in letzterer dicht aneinander gereihte querovale Kerne. Mitten
durch die regenerirte Schwanzspitze zog ein weisslicher Streifen, einer Chorda
dorsalis vergleichbar, bestand aber nicht aus den grossen Zellen der Chorden-
substanz der Fische und Batrachier, sondern aus kleineu spindelförmigen, eng
aneinander liegenden Zellen.
§. 96.
Durch die Vereinigung etlicher oder aller Gewebe zu einem grösseren
G-anzen oder einer neuen morphologischen Einheit zum Zwecke einer
complicirten physiologischen Leistung kommt ein Organ zu Stande, und
insofern wieder die Organe zu grösseren Gruppen von bestimmter Funk-
tion sich zusammenthun , spricht man von organischen Systemen.
Man kann deren folgende aufzählen :
1) das System der äussern Haut;
2) das Knochensystem;
3) das Muskelsystem;
4) das Nervensystem und die Sinnesorgane;
5) das System der Verdauungswerkzeuge;
6) das System der Athmungsorgane;
7) das Circulationssystem;
8) das System der Harn- und Geschlechtswerkzeuge.
Unsere Aufgabe verlangt jetzt, über diese Systemgruppen beim
Menschen und durch die Reihen der Thierwelt Rundschau zu halten,
wobei freilich vorderhand das vorüberziifüln-ende Material grosse Lücken
zeigt, welche auszufüllen noch die Thätigkeit Vieler in Anspruch
nimmt.
Zweiter oder spezieller Tlieil.
Erster Abschnitt.
Von der äusseren Haut des Menschen.
§• 67.
Die äussere Haut bildet die allgemeine Hülle des Körpers und
bestellt aus zwei von einander sehr verschiedenen Lagen, von denen
die eine — die Oberhaut — dem gefäss- und nervenlosen HorngewebCj
die andere — Lederhaut — der gefäss- und nervenhaltigen Binde-
substanz angehört. Dazu kommen als besondere Hornentwickelungen
die Haare und Nägel und als Einsackungen, an denen sich sowohl
die Oberhaut als auch die Lederhaut betheihgen, die Haarbälge sammt
Talgdrüsen, endlich die Schweissdrüsen.
§. 68.
Die Lederhaut, Corium, ist eine feste, derbe Membran, deren Lederhaut.
Dicke nach den verschiedenen Körpergegenden wechselt. Sie erscheint
am dünnsten am äusseren Gehörgang, an den Augenlidern, ist im
Allgemeinen stärker an der hintern Körperfläche , als an der vorderen
und hat den grössten Durchmesser an der Ferse.
Li chemischer Beziehung offenbart die Lederhaut die Eigenschaften
des Bindegewebes, sie fault ziemlich spät, schrumpft in kochendem
Wasser anfangs zusammen, löset sich aber bald in demselben zu
Leim auf Wird sie aufgeweicht und hernach mit gerbsäurehaltigen
Pflanzenstoffen zusammengebracht, so fault sie gar nicht mehr, sie ist
gegerbt.
Blicken wir auf den feineren Bau der Lederhaut, so besteht sie
aus einem an elastischen Fasern reichen Bindegewebe, dessen in ver-
schiedenen Richtungen sich kreuzenden , bündeiförmigen Abtheilungen
entweder sehr dicht aneinandergefügt sind oder in mehr lockerer
Weise sich verweben, so dass grössere und kleinere Lücken dazwischen
bleiben und man unterscheidet desshalb an der Lederhaut eine obere,
dichtere Schicht, die sog. Pars papillaris und eine untere netzförmig
Lejdig, Histologie. ^
66
Von der äusseren Haut des Menschen.
Haut
Durchschnitt der Haut an einer Fingerbeere.
a Hornschicht der Epidermis, b Schleiinschicht, c Lederhaut, d Papillen,
e Schweissdrüsen , f Fettträubchen, g Nerven, in zwei Papillen in Tast-
körperchen ausgehend, h Blutgefässe. (Geringe Vergr.)
durchbrochene Lage, die Pars reticularis, wobei nicht zu vergessen,
dass eine derartige Trennung eine rein künsthche ist und lediglich
der bequemeren Beschreibung halber geschieht.
Papillen der DJg Obcrfläche dcr Pars papillaris erscheint nicht eben, sondern
erhebt sich überall in zarte Erhöhungen, die an einigen Körperge-
genden (Kopfschwarte z. B.) nur als niedrige Leistchen auftreten,
meist aber in Form von kleinen Hügelchen oder Wärzchen in eine
oder mehrere Spitzen auslaufend, sich darbieten. Diese Hautwärzchen
oder Papillen stehen einerseits ohne alle auffindbare Ordnung hier
zerstreut (z. B. an den Extremitäten) dort dichter gedrängt (z. B. am
männlichen Glied, Brustwarze), andererseits zeigen sie in der Hand-
und Fus.sfläche eine sehr regelmässige Gruppirung, indem sie da auf
hervorspringenden Leistchen der Lederhaut wirbeiförmig oder spiralig
verlaufende Hiigeh-eihcn bilden.
Am letzteren Ort sind auch die Papillen am entwickeltsten und man
kann sie, sowie vielleicht noch an einigen anderen Körperstellen (Lippen,
Zungenspitze) nach ihrem Verhalten zu den Gefässen und Nerven in
Getässwärzchen und in Nervenwärzchen scheiden. Die ersteren
haben nur eineGefässschlingc mit eng aneinander liegenden, oft theilweise
spiralig umeinander gedrehten Schenkeln, ohne intermediäres Gefäss-
netz, die zweiten die Nerven- oder Gefühlswärzchon, enthalten in ihrem
Innern einen meist eiförmigen, tannenzapfenartlgen Kein das von
Meissner und R. Wagner vor mehi'cren Jahren aufgefundenen Tast-
Basement
membrane.
Lederhaut. 67
körperchon und ein Nervenstämmchen, mit dem Tastkörperchen in
näherer Beziehung stehend. (Wovon unten ein Mehreres.)
§• 69.
Gleichwie schon für das freie Auge die Lederhaut nach der freien
Fläche zu compacter, gewissermassen homogener wird, so wiederholt
sich das auch im mikroskopischen Aussehen. Die Bindesubstanz geht in
eine homogene Grenzschicht aus^ die sich als heller Saum darstellt
und von manchen Autoren als eigene Haut (Basement membrane) unter-
schieden wird. An den Papillen macht die bezeichnete Grenzschicht
durch Faltung den Papillenrand fein gezähnelt.
Die Pars reticularis der Lederhaut verliert sich in der Tiefe in
das Unterhautbindegewebe, durch welches die Verbindung mit den
unter der Haut gelegenen Theilen in mehr lockerer oder strafferer
Art bewerkstelligt wird. In den Maschenräumen des Unterhautbinde-
gewebes findet sich eine grössere oder geringere Menge von Fett-
zellen angesammelt, daher auch der Name Panniculus adiposus.
§. 70.
Die Lederhaut besitzt auch glatten Muskeln, so im Unterhautbin- Muskeh,
degewebe des Hodensackes als Tunica dartos, ebenda am Glied und
am vorderen Theil vom Mittelfleisch, meist in netzförmigen, schon
für das freie Auge wahrnehmbaren Zügen verlaufend, ferner im War-
zenhof, wo sie circulär, und in der Brustwarze, wo sich Längen- und
Ringmuskeln geflechtartig verbinden, endlich sind alle behaarten Haut-
stellen mit kleinen Bündeln glatter Muskeln (arrectores pili) ver-
sehen, welche von den obersten Theilen der Lederhaut herkommen,
schräg gegen die Haarbälge verlaufen, um sich an dieselben, unter-
halb der Talgdrüsen anzusetzen.
Die zahlreichen zur Haut gehenden Blutgefässe lösen sich in «efäase.
theils weitmaschigere, theils engere Capillarverzweigungen auf und
Fig. 35.
Gefässpapille, starke Vergrösserung. a die Blutgefässschlinge.
bilden zuletzt im Papillarkörper ein äusserst dichtes Netz sehr feiner
Gefässe, aus denen die oben erwähnten Schlingen in die Gefässpapillen
aufsteigen.
Die Anfänge der Lymphgefässe, welche in den äusseren Theilen
der Haut ein dichtes Netz formen, sind wohl nichts anderes, als die
untereinander zusammenhängenden feineren Hohlgänge der Binde-
5*
68 Von der äusseren Haut des Mensehen.
Substanz, die sog. Bindegewebskörperchen. (Vergl. unten Lymphge-
fässsystera.)
Nerven. Die Hciut ist veich an Nerven. Diese kriechen erst bogenförmig
im Unterhautbindegewebe fort, theilen sich hier und senden ihre Endäste
senkrecht in die Höhe zu den Papillen. In jenen Hautgegenden, die
sich durch ein sehr entwickeltes Tastgefühl auszeichnen, bergen die
mit Nerven versorgten Papillen ein Tastkörperchen in sich. Ueber
den letzten Bau der Corpuscula tactus herrschen noch verschiedene An-
Fig. 36.
Nervenpapille, starke Vergrösserung. a Nerven, b Tastkörperchen.
j sichten. Die Einen, {Meissner, R, Wagner, Gerlach^ deren Ansicht
ich zustimme) halten sie für wesentlich nervös, obschon sie das mikro-
skopische Bild verschiedentlich auslegen. Nach Wagner und Meissner
dringen die Ncrvenfibrillcn der Papillen in die Tastkörperchen ein und
breiten sich büschelförmig oder handförmig in ihnen aus, um da zu
enden; Gerlach deutet die Conturen des Tastkörperchens auf einen
Nervenglomerulus ; mir scheint das Centrum des Tastkörperchens
Nervensubstanz zu sein, um w^elche herum sich eine bindegewebige
Schale, Neurilem, legt. (Müller's Arch. 1856.) Doch muss ich be-
kennen, dass mir mitunter die Auffassung Ger lach! s als die richtigere
vorkam, namentlich an solchen Tastkörperchen, die von möglichst
frischen Präparaten entnommen, einige Stunden lang der Einwirkung
von Natronlauge ausgesetzt waren. Da ist die Zeichnung so, als ob
die scharfen Querlinien des Tastkörperchens verschlungene Hohlräume
begrenzten, in denen die helle, durch das Natron aufgequollene Ner-
r. vensubstanz enthalten wäre. Andere erblicken in den Tastkörpcrclicn
nur Organe von bindegewebiger Natur, eine festere Axe der Papillen,
an denen die Nervenröhren äusserlich iiei'aufgehcn und auch ausser-
halb der Tastkörperchen enden. Wo die Papillen ohne Tastkörperchen
sind und doch Nerven in sie eingehen , verlaufen die Fibrillen der
letzteren bis zum Gipfel der Papillen und scheinen fein zugespitzt mit
freiem Ende aufzuhören.
§.71.
überimut. Ucber dlc freie Fläche der Lederhaut weg, zieht eine dünne
Membran, die Epidermis, die, weil zum gefäss- und nerveidosen Horn-
gcwebc gehörig, bei Verwundung weder schmerzt noch blutet. Da
Oberhaut.
69
sie in alle Vertiefungen der Lederliaut sich einsenkt und wieder über
alle Hervorragungen weggeht, so wiederholt sie in ihren Conturen
die der Aussenseite der Lederhaut, giebt daher auch in der Volar-
und Plantarfläche der Hand und des Fusses jene zierlichen Linien
wieder, die von den darunter liegenden Leistchen der Lederhaut be-
wirkt werden.
Die Farbe der Oberhaut ist bei der weissen Menschenrage im
Allgemeinen durchscheinend oder leicht gelblich, bei den farbigen
Stämmen braun bis schwarz.
Die Stärke der Epidermis ändert sich ab nach den verschiedenen
Körpergegenden; sie ist dünn im Gesicht, dicker am Rücken und
am mächtigsten in der Hohlhandfläche und Fusssohle.
Vom chemischen Gesichtspunkt aus betrachtet, zeigt die Ober-
haut die Eigenschaften des Hornstoffes. Sie ist unlöslich in Wasser
wird von kaustischen Alkalien und concentrirten Säuren erweicht und
später vollständig gelöst.
§.72.
Mikroskopisch besteht die Epidermis aus lauter selbständig ge-
bliebenen Zellen, sie sind in dichter Folge auf und nebeneinander
gereiht und bilden dadurch Lamellen, die zusammen wieder zwei
schon dem freien Auge unterscheidbare Hauptlagen formen, eine
untere die sog. Schleimschicht [Bete Malpighii) und eine obere die
Hornschicht.
Fig. 37.
Epidermis im Durchschnitt, starke Vergrösserung.
a Hornschicht, h Schleimschicht, c Spiralgang einer Schweissdrüse, d die
Käume für die Papille der Lederhaut.
Die Schleimschicht stösst unmittelbar an die Lederhaut an, ist
weicher, feuchter, ihre Zellen sind kernhaltige Bläschen, welche in
Schleim-
Bchich.t.
Haare.
70 Von der äusseren Haut des Menschen.
der untersten Lage eine längliche Gestalt haben , dann weiter nach
aussen rundlich werden und endlich, indem sie der Hornschicht nahe
kommen, sich horizontal abplatten und polygonal begrenzen. Wo
die Haut bräunlich gefärbt erscheint, wie an den Genitalien, Umge-
bung des Afters, Brustwarze (oder pathologisch bei Sommersprossen,
Muttermälern etc.) sind die Zellen der Schleimschicht in höherem oder
geringerem Grade mit Pigmentkügelchen erfüllt. Auch die dunkle
Hautfarbe des Negers hängt von dem Pigmentinhalte der Zellen der
Schleimschicht ab.
Hornschicht. DIc Homschicht ist trockner und härtlicher, ihre Zellen sind auf's
äusserste abgeplattet und stellen dünne, unregelmässig gestaltete, oft
wie gerunzelte oder gefaltete Schüppchen dar, jedoch nach Anwen-
dung von Essigsäure oder kaustischen Alkalien quellen sie zu hübschen
Bläschen auf, an denen auch noch da und dort der Rest eines Kernes
sich erkennen lässt. — Beim Neger hat auch die Hornschicht einen
gelblichen oder bräunlichen Anflug.
§.>3.
Die Haare sind fadenförmige Horngebilde, welche mit Ausnahme
weniger Stellen (wie z. B, der Hohlhand, der Fusssohle) auf der
ganzen Oberfläche der Haut und zwar meist in schiefer Richtung
wurzeln. (Pathologisch ist ihr Vorkommen auf Schleimhäuten, bei
einigen Säugern jedoch, den Hasen z. B. stehen normal Haare an der
inneren Seite der Backen. Abnorm sind Haare noch beim Menschen
an verschiedenen Stellen, in Cysten z. B. beobachtet worden.) Ihre
Dicke, ihre Länge ist nach den Körpergegenden und individuell
manchen Verschiedenheiten unterworfen. Seltener zeigen sie sich als
vollkommen runde Cylinder, gewöhnlich sind sie mehr oder minder
plattgedrückt und für den ersteren Fall treten sie als schlichte, im
zweiten als krause Haare auf.
Die Haare sind fest, jedoch dehnbar, in hohem Grade hygros-
kopisclTund widerstehen sehr lange der Fäulniss. — Der chemischen
Analyse zufolge , bestehen sie hauptsächlich aus Hornstoff" und einem
farbigen Fett.
Man unterscheidet an jedem Haare den noch in der Haut befind-
lichen, etwas weicheren und hellerern Theil oder die Wurzel, und den
frei auslaufenden, härteren und dunkleren Theil, den Schaft.
Der Schaft der meisten Haare besteht aus drei verschiedenen
Lagen, aus dem Oberhäutchen, der Rindensubstanz und Marksubstanz,
deren nähere Eigenschaften folgende sind.
Das Oberhäutchen ist aus platten, kernlosen Epidermiszellen zu-
sammengesetzt, welche dachziegclförmig übereinander gelagert, einen
dünnen Uebcrzug über die Rindensubstanz bilden, der nach unten
dicker ist und nach oben dünner wird. Sie haften der Rindensubstanz
sehr innig an, lösen sich jedoch nach Behandlung nn't Schwefelsäure
von ihr ab.
Ober-
hii vitclien.
Haare.
71
Haarwurzel mit dem Balg, starke Vergrösserung.
a Oberhäutchen, b ßindensubstanz, c Marksubstanz, d äussere Wurzelscheide,
e innere Wurzelsclieide, f Haarbalg, g dessen homogene Grenzschicht, h die
durchschimmernde Papille mit ihren Gefässen. (Hier ist im Schnitt der Um-
riss der Papille übersehen worden.)
Die Rindensubstanz, welche die Hauptmasse des Haares vorstellt;
hat ein längsstreifig-es, faseriges Aussehen. Erst mit Hülfe von Säuren
und Alkalien v^^ird gefunden, dass die Elementartheile der Rindensub-
stanz lange, abgeplattete , stark verhornte und dessw^egen sehr starre
Zellen sind, welche durch ihre lammellenartige Verbindung die schein-
baren Fasern erzeugen. Die Zellen enthalten häufig Pigmentkörnchen
und Luft, wodurch die Rinde dunkel punktirt oder gefleckt sich
ausnimmt.
Die Mark Substanz, welche in den Wollhaaren und gefärbten
Kopfhaaren gewöhnlich mangelt, besteht aus rundlichen oder viel-
eckigen Zellen, die in mehreren Reihen zusammenhängend, einen Strang
zu Wege bringen, der in der Mitte des Haares liegt. Die Zellen
Rinden-
riubstonz.
Mark-
Bubätanz.
72 Von der äusseren Haut des Menschen.
sind mit feinzertheilter Luft angefüllt, in Form von kleinen glänzen-
den Kügelchen; man hatte die LuftkUgelchen längere Zeit für Fett
und Pigment gehalten. — Unerledigt ist bisher die Frage, ob, wie
manche Autoren {ßteinlin, Reichert, Heissner) angeben, noch inner-
halb der Zellen der Marksubstanz ein vertrockneter Rest der Haar-
papille, ähnlich der „Federseele" als zarter Strang übrig geblieben
ist, oder ob das Mark ausschliesslich aus den bezeichneten Zellen
besteht.
Die Haarwurzel geht am unteren Ende in eine keulenförmige
Anschwellung aus, Haarknopf oder Haarzwiebel genannt; sie umfasst
mit ihrer trichterartig ausgehöhlten Basis eine Papille der Lederhaut
und sitzt damit letzterer auf.
\ §. 74.
Haarwurzel. Li dcr Tcxtur Stimmt die Haarwurzel im Wesentlichen mit dem
Plaarschaft überein, nur gleichwie ihr ganzes Aussehen etwas weicheres
hat, so zeigen auch die constituirenden zelligen Elemente einen gewis-
sen jüngeren Charakter. Die kernlosen Hornplättchen des Ober-
häutchens gehen über in weiche , kernhaltige Zellen , die starren
Plättchen der E-inde gestalten sich als deutliche, längliche Zellen mit
klarem Kern ; die Markzellen verlieren ihre Luft und stellen mit
flüssigem Inhalt gefüllte Zellen dar, bis endlich, indem alle genannten
Zellen sich mehr und mehr dem Rundlichen nähern, der Haarknopf
selbst einzig und allein aus lauter runden Kernzellen besteht, die sich
von den Elementen der Schleimschicht der Oberhaut in nichts unter-
scheiden.
Haarbalg. Dlc HaaTwurzcl steckt in dem Haarbalg und ist von ihm um-
schlossen. Es erscheint der Haarfollikel als echte Einstülpung der
äusseren Haut, als ein Säckchen, das unten am blinden Ende etwas
erweitert ist, und oben mit enger OefFnung das in ihm befindliche
Haar umgiebt. Da die Haarbälge Einsackungen der äusseren Haut
sind, so müssen sie auch eine bindegewebige und eine hornige Lage
aufweisen. Die zum Bindegewebe gehörige ist die Fortsetzung der
Lederhaut, sie ist die äussere und hat Gefässe und einzelne Nerven-
fasern; die Bindesubstanz nimmt nach innen ein derberes Gefüge an
und geht nach dem Beispiel des Coriums in eine homogene Grenz-
schicht aus, die von Manchen als besondere glashelle Membran auf-
geführt wird.
In dem Boden des Haarbalges erhebt sich die Bindesubstanz zur
Bildung der Haarpapillc, einer hügelförmigen (oder'mit i/ew/e'und
Meissner genauer bezeichnet: zwiebclförmigen) Ilcrvorragung, die ganz
die Eigenschaften einer gewöhnlichen Coriumspapille trägt und wahr-
scheinlich auch wie diese mit Blutcapillaren ausgestattet ist.
Die Epidermis der Lederhaut senkt sich als Wurzelscheide in' die
Mündung des Haarbalges ein, und schmiegt sich der Haarwurzel
ringsum an. Der Zusammensetzung der Epidermis J entsprechend
Nägel. 73
unterscheidet man eine äussere Wurzelscheide als Fortsetzung der
Schleimschicht und eine innere Wurzelscheidc, das Aequivalent der
Hornschicht. Mehre Forscher trennen noch von der inneren Seite
der inneren Wurzelscheide eine oder mehre Zellenlagen ab, und fassen
sie als eignes „Oberhäutchen der inneren Wurzelscheide'' auf. —
Im Grunde des Haarbalges gehen die Zellen der Wurzelscheiden in
die Elemente des Haarknopfes über.
§. 75.
Die Nägel stellen stark verhornte Partien der Epidermis vor und NHgei.
scheiden sich daher gleich dieser in eine weiche Schleimschicht und
in eine harte, spröde Hornschicht, welche beide noch schärfer als an
der Oberhaut von einander abstechen.
Die Elemente der Schleimschi cht sind kernhaltige Zellen und
haben in der Tiefe unter dem Nagelkörper eine längliche, spindelförmige
Gestalt; an der Nagelwurzel sind die Zellen klein, flacher, durch kör-
nigen Inhalt trübgelblich. In der Hornschicht erscheinen die Zellen
sehr abgeplattet, schichtenweise über einander geordnet, und haften
so fest zusammen, dass sie erst nach Behandlung mit kaustischen Alka-
lien isolirt werden können, wobei sich auch zeigt, dass die Zellen
ihren Kern noch behalten haben.
Derjenige Theil der Lederhaut, auf welchem der Nagel aufliegt, Nagelbett.
heisst das Nagelbett. Die Lederhaut bildet am hinteren und an den
Fig. 39.
Längsschnitt durch Nagel und Nagelbett.
a Lederhaut, b Schleimschicht der Epidermis, c Hornschicht, d Nagel.
seitlichen Rändern des Nagelbettes einen Falz, worin die Wurzel und
die Seitenränder des Nagels stecken.
Das Nagelbett erhebt sich in Leistchen, die von hinten, wie von
einem Pol aus nach vorne ziehen , daher in der Mittellinie mehr ge-
rade und nach aussen zu etwas bogenförmig verlaufen. In der Gegend
der Fingerspitze gehen sie alle gerade und parallel neben einander.
Auf den Leistchen finden sich Papillen , in welchen man wohl Blut-
gefässschhngen , aber bis jetzt noch keine Nerven beobachtet hat.
Der innere Theil der Leisten wird von Bündeln elastischer Fasern
eingenommen und der Rand geht, wie an der übrigen Lederhaut , in
einen homogenen Grenzsaum aus.
74
Von der äusseren Haut des Menschen.
Schweiss-
driisen.
§. 76.
Die Schweissdriisen sind mit Ausnahme weniger Stellen (concave
Fläche der Ohrmuschel, Eichel des Glieds) über die ganze Haut, an
dem einen Ort zahlreicher, an dem anderen spärlicher verbreitet, und
haben ihre mächtigste Entwicklung im behaarten Theil der Achsel-
grube. Nach Sappey kommen auch an der vorderen und Seitenwand
des Thorax vereinzelt ebensolche grosse Schweissdriisen wie in der
Achselhöhle vor.
An jeder Drüse unterscheidet man den Drüsenkanal und den
Aus führungs gang. Der erste liegt in der Lederhaut und wird gebil-
det dadurch, dass das Corium sich kanalartig eintieft, wobei das
blinde Ende des Kanales durch Windungen und Verschlingungen einen
Knäuel, der von einem zierlichen Gapillarnetz umgeben wird, formt.
Da, wie bereits mehrfach ]erwähnt, die Bindesubstanz der Lederhaut
am freien Rand sich zu einer homogenen Grenzschicht gestaltet, so
Fig. 40.
Schweissdrüse (starke VergrösserungJ.
An der Windung a erscheint das Gefässnetz eingezciclmet, bei b die Muskel-
lage, die Windung c zeigt die epitheliale Auskleidung.
muss diese auch das Lumen des Kanales begrenzen und wird her-
kömmlich Tnnica propria der Drüse genannt. Nach aussen von ihr
undagern bei den grossen SchweissdrUsen glatte Muskeln den Drü-
senschlaiu'b. Einwärts von der Tnnica propria liegen die epithel-
artig geordneten Sekretionszellen, die liäufig Fett und Pigmentkü-
gelchen enthalten und eine iinmittelburc Foi-tsctzung der Schlcim-
zellenschicht der Oberhaut sind.
Der Ausführungsgang hat, so lange er der Lederhaut angehört,
die gleiche Zusammensetzung aus Biudesubstanz und Zellen, wie
-Hautdrüsen.
75
Ohien-
sehmalz-
drüsen.
der Drüsenknäuel, aber innerhalb der Epidermis und zwar hier spi-
ralig aufsteigend, erscheint er nur wie ein in Windungen ausgegra-
bener Hohlgang {Interstitium) zwisclien den Epidcrmiszellen und
mündet an der freien Fläche der Oberhaut, von den Epidermiszel-
leu kreisförmig umstellt, als Schweisspore, Nicht selten sieht man
in dem Schweisskanal während seines Durchtrittes durch die Epi-
dermis ein festeres Sekret in Form eines körnigen Stranges.
§. 77.
Für eine Varietät der Schweissdrüsen müssen die Ohrenschmalz-
drüsen gehalten werden, welche im knorpeligen Abschnitt des äusse-
ren Gehörganges sich finden.
Auch sie bestehen aus dem Drüsenknäuel und dem Ausführungs-
gang. Ersterer zeigt, von aussen nach innen gerechnet, glatte
Muskeln, darauf die Tunica propria und zu innerst die Sekretions-
zellen, welche Fetttröpfchen und bräunliche Körnchen nebst Flüs-
sigkeit abscheiden.
§. 78.
Die Talgdrüsen kommen fast überall (nicht in der Hohlhand und Taigd
Fusssohle) in der Haut vor, und zwar sind sie da, wo Haare stehen,
immer mit diesen vereinigt, fehlen aber auch nicht an einigen haar-
losen Stellen, wie z. B. an der Eichel des Gliedes. (Nebenbei sei
die Bemerkung eingeschoben, dass v. Bärensprung auch in haarhal-
tigen Cysten Talgdrüsen beobachtet hat.)
Fig. 41.
Stück einer Talgdrüse: a Bindegewebe mit Kernen, die sog. Tunica propria
bildend, b Zellen, welche das Fett absondern. (Starke Vergr.)
In ihrer einfachsten Form sind es kurze ovale oder birnförrnige
Säckchen, häufig aber erreichen sie durch Vergrösserung ihrer
Fläche eine traubige Bildung. Von ganz besonderer Grösse trifft
man die Talgdrüsen z. B. in der Genitalgegend, am After, an der
Nase, an den Augenlidern , wo sie den Namen Meibomsche Drüsen
führen. Abnorm vergrössert werden sie zu den sog. Comedonen,
zum Hirsekorn , Milium , auch wohl bei übermächtiger Zunahme zu
mancherlei Balggeschwülsten.
76 Von der äusseren Haut des Menschen.
Auch die Talgdrüsen weisen sich als Einstülpiing-en der Haut
oder als Divertikel der Haarbälge aus. Von der Bindesubstanz der
Lederhaut oder dem bindegewebigen Theil des Haarfollikels rührt dem-
nach die zarte äussere Hülle {Tumca propria) der Drüse her, wäh-
rend ihre 8ekretions- oder Epithelzellen unmittelbar mit der Schleim-
zellenschicht der Epidermis, oder wenn die Drüse in einen Haar-
balg mündet, mit der äusseren Wurzelscheide zusammenhängen.
Die Zellen sondern den Hauttalg ab , indem sie sich in immer hö-
herem Grade mit Fetttröpfchen füllen, bis zuletzt oft nur ein einzi-
ger Fetttropfen den Inhalt der Zelle ausmacht.
§. 79.
Entwicklung Wlc Reiuak zuerst ermittelt hat, geht die Oberhaut aus dem
oberen Keimblatt, dem Hornblatt, hervor. Im Anschlüsse daran sind
weitere Produktionen des Hornblattes die Nägel, welche vom drit-
ten Monat an sich zu markiren beginnen, ferner die Haare, welche
um dieselbe Zeit sichtbar werden und endlich die zelligen Ausklei-
dungen (die Epithel- oder Sekretionszellen) der Schweissdrüsen, Oh-
renschmalzdrüsen und Talgdrüsen, welch' letztere, wie Remah an
Schweinsembryonen gezeigt hat, aus den Haarkeimen hervorwach-
sen, was beim Menschen ungefähr im vierten oder fünften Monate
geschieht.
Die Anlage der Lederhaut ist in dem mittleren Keiinblatt ge-
geben, anfänglich besteht auch sie aus Zellen, die einander unmittel-
bar begrenzen und sich durch Theilung vermehren. Während aber
im Hornblatt die Zellen selbständig bleiben , wandeln sie sich hier
in Bindesubstanz, Fettzellen, Blutgefässe, Nervenfasern und Mus-
keln um. Später wuchert die Lederhaut in die Gefäss- und Ner-
venpapillen, sowie in die Haarpapillen aus.
§. 80.
Physio- j)jg Epidermis, an sich empfindungslos, dient der darunter lie-
logisches. ^ ' 1 o '
genden sehr sensiblen Lederhaut als schützende Decke und bewahrt
sie vor dem unmittelbaren Eindringen fremdartiger, schädlicher Flüs-
sigkeiten, da sie für Fluida, wenn nicht zugleich eine chemische
Alterirung sich damit verknüpft, als schwer durchgängig bekannt
ist. Die Epidermis regenerirt sich sehr leicht und ergänzt daher
durch Nachwachsen von unten rasch die während des Lebens fort-
während herbeigeführte Abschuppung der oberflächlichen Schich-
ten. Das Wachsen der Horngebilde, der Epidermis, der Haare
erfolgt durch Zcllcnvermehrung an der Basis, der Nagxd dehnt sich
nach vorne aus durch den beständigen Ansatz neuer Zellen am Wur-
zelrande und er verdickt sich durch Apposition neuer Hornzellen an
seiner unteren Fläche. — Beim Haarwechsel entstehen zufolge älte-
rer und neuerer Beobachtungen die neuen Haare in den Bälgen der
Physiologisches. 77
alten. — Die Lederliaut erhält durch ihren Nervenreichthum einen
hohen Grad von Sensibilität, ja wird zu einem wahren Tastwerk-
zeug und es unterliegt keinem Zweifel, dass die Feinheit des Tast-
gefühles, welche gewissen Theilen, wie den Fingerspitzen, zukommt,
durch die Corpuscula tactus mitbedingt wird, mag man sie nun als
hauptsächlich nervös und in diesem Falle für spezifische Tastwerk-
zeuge halten oder ihre Bedeutung so weit heruntersetzen, dass sie
nur als häi'tere Unterlagen der Nerven durch Gegendruck die Em-
pfindlichkeit beim Tasten erhöhen, wie Manche äussern.
Durch die eingestreuten muskulösen Elemente wird die Lederhaut
contractu, der Hodensack kräuselt sich dadurch, die Brustwarze erhebt
sich und die sog. Gänsehaut wird durch die Zusammenziehung der
zahlreichen Muskelbündel der Haarbälge hervorgerufen.
Die Schweissdrüsen scheiden nicht bloss eine helle, klare Flüs-
sigkeit, den Schweiss ab, sondern die Sekretionszellen bereiten auch
ein körnerreiches Produkt, das viel Protein und Fett enthält, noch
mehr scheint letzteres bei den Ohrenschmalzdrüsen der Fall zu sein.
Das sogenannte Ohrenschmalz übrigens muss als ein Gemeng vom Se-
kret der Ohrenschmalzdrüsen und von Hauttalg betrachtet werden.
Das Sekret der Talgdrüsen besteht aus geformten Theilen, aus Zellen,
die mit Fett erfüllt sind. Durch Schwinden der Zellenmembran wird
das Fett frei, und indem es sich über die Epidermis und Haare verbrei-
tet, giebt es ihnen das glänzende Aussehen und die Geschmeidigkeit.
Obschon bereits Leeuivenhoeck {ll-li) die Zusammensetzung der Epidermis
aus „Schüppchen gekannt" hatte, wurde doch lange Zeit die Oberhaut als eine Sub-
stanz angesehen, die schlechthin homogen sei, ein erstarrtes Absonderungsprodukt.
Erst dui-cli Purkinj e, der zur Wiederbelebung der Histologie überhaupt viel beige-
tragen hat, kam man zu einer bessern Einsicht , indem er den Bau der Epidermis,
ihr Gefüge aus Zellen mit Sicherheit beschrieb (1835). Die naturgetreueste Ab-
bildung von Epidermiszellen aus den obersten Lagen ist die bei Henle Taf. I. Fig. 6.
— Die Haare hat man zwar von jeher für Auswüchse der Oberhaut angesehen,
aber ihre Struktur ist doch erst nach mancherlei Controversen aufgeklärt worden.
Den Bau des Oberhäutchens, sowie die Zellen der Marksubstanz hat H. 3Jeyer zu-
erst richtig erkannt (1840), die Hornzellen der Rindensubstanz Kohlrausch, dann
wurden sie durch v. Hessling beschrieben. Dass die Hornplättchen der Rinden-
substanz übereinandergeschichtete Lamellen bilden, wie etwa am Nagel, wurde be-
sonders von Reichert und Reis sn er hervorgehoben. Die Kenntniss von Lufträumen
im Haar ist alt, schon Withof wusste von ihnen, doch hat man erst von da an
diese Erscheinung näher gewürdigt, als Griffith an den Haaren des Zobels und
Dachses nachwies, dass die für Pigment gehaltenen glänzenden Kügelchen Luft
seien. Es wird unten zur Sprache kommen, dass auch die Haare und Schuppen der
Insekten und Spinnen, sowie die Porenkanäle der Haut dieser Thiere Luft enthalten
können. — Aeltere Beobachter hatten festgestellt, dass die Epidermis in die Haar-
bälge sich „hineinschlage"' und scheidenartig die Haare umfasse, Henle hat darauf
die zwei Schichten der Wurzelscheiden unterschieden und deren zellige Textur
gezeigt. ~ Die erste richtige Beschreibung vom feinen Bau des ausgebildeten Na-
gels gab Bruns, nachdem Schwann früher die Lamellen des Nagels, deren Zusam-
mensetzung aus Epidermisplättchen, sowie die Zellen der Schleimschicht beim Neu-
78 Von der äusseren Haut der Wirbelthiere.
geborenen nachgewiesen hatte. Uebrigens war schon lange zuvor die Auffassung
verbreitet, der Nagel sei nur ein verdickter Theil der Oberhaut. Auf dem Nagel-
bett beobachtet man hie und da rundliche Körper , die mit Tastkörperchen eine
gewisse Aehnlichkeit haben können, aber nur aus übereinander geschichteten Epi-
dermiszellen bestehen, von einer bindegewebigen Kapsel umschlossen [Reichert,
B. Wagner). Man sieht sie besonders auf dem Nagelbett der grossen Zehe. —
Dass die Haut durch Elektrizität zur Contraktion zu veranlassen sei , theilte vor
längerer Zeit Froriep in seinem Werk über die rheum. Schwiele mit. Der mi-
kroskopische Nachweis der Hautmuskeln geschah durch K'ülliher 1847. — Die
Schweissdrüsen kennt man seit 1834 durch Brechet und Boussel de Vauzeme.
Die Ohrenschmalzdrüsen hat Ä. Wagner zuerst bildlich dargestellt 1839. — In
den Haarbälgen und Talgdrüsen schmarotzt der von O. Simon entdeckte Acarus
foUiculorum, er scheint sehr constant vorhanden zu sein, da ich ihn noch in keiner
Leiche (und ich suche ihn für die Vorlesungen immer frisch auf) vermisst habe,
namentlich an den Talgdrüsen der Nase. Mein Verfahren dabei ist so, dass ich feine
Hautschnitte mache, wie zur Untersuchung der Talgdrüsen ; diese werden mit Kali-
lauge behandelt und dann das Secret der Drüsen mit dem Skalpel herausgestrichen,
worauf ich bei Durchmusterung desselben der Acarl leicht ansichtig werde.
Die schwieligen Verdickungen der Epidermis, welche unter dem Namen Hüh-
neraugen bekannt sind, haben bekanntlich eine mittlere als Kern des Clavus
unterschiedene Masse. Die intensiv weisse Farbe des Kernes rührt von Luft
her, welche zwischen den Epiderniiszellen in sehr feiner Vertheilung angesam-
melt ist. Wasser, zugesetzte Kalilauge vertreibt sie und damit schwindet auch die
weisse Farbe.
Zweiter Abschnitt.
Von der äusseren Haut der Wirbelthiere.
§. 80.
Im Baue der Haut dieser ganzen Thicrgruppe herrscht nicht
minder , wie in ihrer sonstigen architektonischen Anlage, eine in den
Grundzügen durchgreifende Uebereinstimmung mit der Haut des Men-
schen. Es ist daher der äusseren Bedeckung der Säugethicrc , Vö-
gel, Reptilien und Fische gemeinsam^ dass sie sich in eine aus Bin-
degewebe bestehende, gefäss- und nervenführende Lederhaut und in
eine gefäss- und ncrvenlose zellige Oberhaut scheidet.
§. 81.
Leaerhaut. Dic rcUitivc Diclvc der Lederhaut wechselt nacli den Klassen und
Arten, doch erscheint sie immer gegen dic freie Fläche zu kompak-
ter, während sie nach unten hin mehr netzförmig durchbrochen ist.
Im Allgemeinen sehen wir sie wohl bei den Vr>geln am dünnsten,
dicker ist die der Säuger, auch bei Fischen trifft man auf Thiere mit
sehr starker Lederhaut, so hat z. B. Orthagoriscus mola ein aus-
nclimcnd dickes Corium^ d;is an einigen Stellen (h's Kopfes an gros-
Lederhant. 79
seren Exemplaren über vier Zoll Durchmesser hat. Die Bindesub-
stanz der Lederhaut geht bei allen Tliieren, wo darauf geachtet
wurde, in eine homogene Grenzschicht, einen hellen Saum vorstellend,
aus. Bei den Fischen und Reptilien verlaufen die Bündel des Binde-
gewebes hauptsächlich in zwei Richtungen, waagrecht und senkrecht;
in der Haut der Vögel und Säuger durchkreuzen sie sich mannich-
faltiger, so dass es auf den ersten Bhck vorkommt, als ob bei letzte-
ren die Verflechtung der Bündel eine sehr unregelmässige, bei erste-
ren hingegen eine wohlgeordnete wäre. Dieser Unterschied ist nur
scheinbar, denn überall ist der Verlauf der Bündel ein geregelter,
bei Fischen und Reptilien allerdings mehr eine einfache , bei den
höheren Wirbelthieren eine komplizirte Verflechtung. Da die Haut
des Proteus pigmentlos ist, so lässt sich hier, wenn man dieselbe von
der oberen Fläche (nach Wegschaffung der Epidermis) besieht, gewah-
ren , dass die bündeiförmigen Abtheilungen der Bindesubstanz in ähn-
licher regelmässiger Ordnung ringförmig um die Hautdrüsen ziehen,
wie auf dem Querschnitt der Knochen die Lamellen um die Mark-
kanäle kreisen. Die anderen zwischen den zu den Drüsen gehören-
den Ringen verlaufenden Bündel wiederholen die Conturen der Haut
im Ganzen. Bei Myxine scheint mir die Lederhaut etwas Eigenthüm-
liches zu haben, sie geht nämlich in eine homogene, dünne, leicht
abstreifbare Membran aus , die an der freien Fläche mit zahlreichen,
hellglänzenden Höckerchen sich versehen zeigt. — Die elastischen
Fasern der Lederhaut vereinigen sich bald in den oberen Lagen des
Coriums, z. B. bei manchen Säugern, Schaf, Rind u. a., bald in
den unteren bei den Selachicrn, bei Vögeln (Auerhahn z. B.), Batra-
chiern, (Frosch) zu continuirlichen Netzen. Auch in der Flughaut
der Säuger soll sich elastisches Gewebe besonders angehäuft finden.
Andererseits erblicke ich in der gekochten Lederhaut des Maulwurfes,
im frischen Zustande bekanntlich so sehr derb, ausser den Bindege-
webskörpern nichts von elastischen Elementen. Die Bindegewebskör-
per besassen in der Haut der Tatzen alle noch ein kernartiges Ge-
bilde. — In der Tiefe geht die Lederhaut bei manchen Fischen in
Schleimgewebe aus, welches beim Hecht und Flussbarsch in geringe-
rer, beim Karpfen, Schlei, Weissfischen, Aalruppe in bedeutender
Menge zugegen ist. Zwischen das Schleimgewebe hin ziehen die Bün-
del gewöhnlichen Bindegewebes unter der Form eines dem freien
Auge weisslich erscheinenden Netzes. Auch die dicke Haut des Or-
thayoriscus enthält innerhalb der Bindegewebszüge eine gallertartige
Substanis.
§. 82.
Die Lederhaut kann sich auf ihrer freien Fläche zu Papillen Papiuen der
verlängern, bezüglich deren Anwesenheit bei Säugern und Vögeln
sich eine gewisse Gesetzmässigkeit dahin offenbart, dass die behaar-
ten und befiederten Hautpartien ohne freie Pa])illen sind, da sie gewis-
Lederhaut.
80 Von der äusseren Haut der Wirbelthiere.
sermaassen alle zu Haar und Federpapillen verbraucht wurden; die
haarlosen oder kahlen Stellen hingegen bilden hügel- und wallartigö
Erhebungen , daher findet man , und zwar sehr entwickelte Papillen,
an den Sohlenballen vom Hund, Katze, Dachs (wo, wie ich sehe, noch
kleine, sekundäre Papillen die grossen besetzen), Kameel {Wedl fand
die Papillen hier lang und spitz), ferner am Rüssel des Schweins,
Schnauze der Wiederkäuer *) , Vorhaut des Pferdes u. a. a. 0. An den
Lippen und Sohlcnballen von Hiipudaeus arvalis vermisse ich die
Papillen. Ganz enorm lange fadenförmige Papillen senken sich allent-
halben an der kahlen Haut der Cetaceen in die Oberhaut ein (bei
Balaena longimana sehe ich sie fast von ^/a Zoll Länge) , ähnlich
dürften sie sich auch, worauf schon ältere Beobachtungen (von Bapp,
Brechet) hinweisen, beim Nilpferd, Rhinoceros etc. verhalten.
Bei den Vögeln trifft man dem Obigen zufolge stattliche Papillen
in der Haut, welche die Schnabelknochen überzieht, mir bekannt von
Enten, Gänsen, ebenso erheben sich die kahlen Partien um die Au-
gen z. B. am Auerhahn in Wälle und Papillen ; in der Planta pedis
sitzen den grossen Papillen noch kleine Nebenpapillen auf, endlich
sind die felderartigen grösseren und kleineren Abtheilungen am Vo-
gelbein als platte Erhebungen anzusehen , deren Conturen sich in den
deckenden Epidermistafeln abzeichnen.
Das Corium der Amphibien, obschon ohne Haare und Federn,
scheint im Allgemeinen der mikroskopisch feinen Papillen zu erman-
geln, ich weiss bis jetzt wenigstens nur von solchen an der Dau-
mendrüse der Frosch- und Krötenmännchen. Jedoch erhebt sie
sich z. B. bei der Pipa dorsigera in dichtstehende, dem freien
Auge unterscL eidbare zitzenförmige Wärzchen, welche an andern
Körpers teilen, z.B. an den Fussenden, zu nur bei starker Vergrösserung
sichtbaren Papillen herabsinken, sowie die grösseren Höcker und
Falten des Coriums bei Sauriern {Lacerta, Chamaeleon u. a.) wohl
ebenfalls in der Categorie der PapilUirbiklungen unterzubringen sind.
Auch bei vielen Fischen erscheint die Haut papillenlos, während an-
dere Gattungen dergleichen Gebihk' und zwar von sein- ausgezeich-
neter Art besitzen. So haben die meisten unserer Süsswasserfische
am ganzen Kopf, mit Ausnahme ih-r Ilautstellen, wehdie als einge-
*) An der den Schnabel der Kchidna überziehenden Haut nehme ich ebenfalls
sehr entwickelte Papillen der Lederhaut von konischer Form wahr. Seltsamer
Weise ragte jede Papille mit ihrer bindegewebigen Spitze eine Strecke weit über
die braune pigmentirte l':i)idi'rnii.s hervor, was doch wohl nur in Folge der Abrei-
bung der obersten Ej)idermislagen bewirkt sein mochte. Uebrigens zeigte sich die
Epidermis woiilerhalten und von scharfem Rande. Aehnlich wird sich auch die
Sclinal)elhaut von ürmthorkynchns verhalten, da „sie mit Nerven reichlich versorgt
ist"- und die Tliicre, wie die Enten mit dem Schnabel im Schlamme wühlend, ihre
Nahrung .suchen. \)\r Scliiialndh.iiit der Enten geht in sehr entwickelte Papillen
aus (s. nnteli).
Lederhaut. 81
klappte Hautfalten vei'steckt liegen, sowie auch über den übrigen
Körper hin Papillen von cylindrischer , auch wohl kelchförmiger, sel-
tener spitz zulaufender Form. Das freie Ende ist quer abgeschnitten
mit seichter Aushöhlung, der Rand läuft auch (z. B. an den Lippen-
papillen von Leuciscus Dohula) in einen Kranz ziemlich langer, spitz
endigender Fortsätze aus. Bei Selachiern finden wir z. B. an Scyni-
nus lichia in der Nähe der Ober- und Unterlippe einfache oder mehr-
spitzige Papillen, sie sind jedoch nicht von der spezifischen Natur ^
wie jene der Teleostier, da man in ihnen bloss Gefässschhngen er-
blickt, bei den Süsswasserfischen aber zugleich mit den Gefässen Ner-
ven, die mit eigenthümlichen becherförmigen Körpern, auf dem Ende
der Papillen ruhend, in Beziehung zu stehen scheinen (wovon noch
ein Mehres). Einige Fische können statt der Papillen Hautleistchen
zeigen, so bei Chimaera monstrosa, oben und seitlich an der Schnauze,
wo sie netzförmig sich durchkreuzen, auch die Haut des blinden Fi-
sches der Mammuthhöhle erhebt sich (nach Tellkampf) kämm- oder
franzenartig in zahlreiche kleine Längs- und Querfalten.
§. 67.
Die Nerven der Lederhaut verbreiten sich geflechtartig und enden Nerven.
wohl nie, wie man früher annahm, schlingenförmig, sondern die Nerven-
fasern theilen sich, werden blass und hören fein zugespitzt auf (?) ; so
wenigstens schien es mir nach früheren Untersuchungen bei Amphibien
(Proteus z. B.) und bei Säugethieren zu sein. Axmann meldet, dass
beim Frosch eine netzförmige Verbindung der feinsten Nervenftisern
statt habe. Bei Säugethieren kommt es, wie wir dwcch. Meissner er-
fahren nur in den Händen der Affen zur Bildung von Tastkörperchen, in
der Haut der Vögel enden viele Nervenfasern cylindrisch verdickt als
sog. Pacinische Körperchen (vergl. Tastwerkzeuge), die man besonders
in den Schnabelpapillen und um die Federbälge herum wahrnimmt. In
den Papillen der Daumendrüse des Froschmännchens habe ich gleich-
falls den Tastkörperchen analoge Bildungen aufgefunden.
Zwei Papillen aus der Daumendrüse des Froschraännchens.
a Nerv, b Tastkörperchen. (Starke Vergr.)
Die Blutgefässe der Lederhaut lösen sich wohl überall in engere Gefäs.e
und weitere Maschennetze auf, und wo Papillen zugegen sind, schicken sie
in diese einfache oder verzweigte Gefassschlingen. Hyrtl hat im Kamme
d e r V ö ge 1 Arteriae helicmae beschrieben, die von Valenti?i für Schlingen
erklärt werden, deren Schenkel sich decken. Im Hahnenkamm existiren
Leydig, Histologie. Q
4*
Muskeln
82 Von der äusseren Haut der Wirbeltlüere.
sicher keine Arteriae helicinae, wenn gleich das Verhalten der Gefässe
etwas eigenthümlich ist. Der Kanim, so wie die Kehlläppchen bestehen
aus einer Hautdiiplikatur, deren Blätter am Kamm dicker als an den
Läppchen sind. Das Bindegewebe derselben ist fest und derb und geht
am freien Rande in dichtstehende , nicht eben hohe Papillen aus.
Zwischen den beiden Hautblättern liegt lockeres Bindegewebe mit den
Gefässstämmchen und Nerven. Es fällt mir nun auf, dass, während die
Blutgefässe innerhalb des lockeren Bindegewebes deutliche Gefässwan-
dungen besitzen , sie in dem derben Bindegewebe der Hautduplikatur
selber eher den Charakter von Lakunen zu haben scheinen ; zweitens
erhebt sich in jede Papille eine Capillarschlinge von ungewöhnlicher
Weite, und die hochrothe Farbe des Kamms rührt nur von der Anfül-
lung derselben her, es ist kein besonderes Pigment vorhanden. • — An
lebenden Rochen, w^elche ein sehr dichtes Gefässnetz der Haut zeigen,
erblickt man, besonders wo grosse Stacheln aus der Haut hervorstehen,
rings um die Basis derselben eine ausgezeichnete Caj)illarverzweigung.
Hat die Haut, wie bei Salamandra maculata u. a. Reptilien, hellfarbige
Flecken, so werden nach Hy rtl an diesen Stellen die Gefässe plötzhch
kleiner und ihre Maschen grösser. — Die Haut der Vögel ist im Allge-
meinen weniger gefässreich, als die der Reptilien. Hingegen hat Barkow
entdeckt, dass au den zur Brütezeit von Federn entblössten und eines
Pannicidus adiijosus entbehrenden Bruststellen die reichsten Getässnetze
sich entwickeln.
§. 78.
Wie weit muskulöseElemente in der Lederhaut der Wirbelthiere
verbreitet sind, ist noch nicht genau gekannt. Die Haut der Fische und
Amphibien scheint nie welche zu besitzen. Man vermuthet zwar gegen-
wärtig, um ein Verständniss der auffallenden Farbenveränderungen der
Reptilien (vieler Saurier, Chartiaeleon besonders, mancher Schlangen,
Herijetodryas ^ und der Frösche, vergl. unten „Haut der Mollusken")
zu ermöglichen , dass contractile Fasern zu diesem Phänomen mit-
wirken; doch glaube ich nach wiederholter Prüfung luir in der Wand
der starken Hautdrüsen, welche beim Frosch an den Seifen und an den
Lippen sich finden, glatte Muskehi erkannt zu haben, nicht aber in dem
übrigen Corium. Anders verhält es sich mit den Vögeln, hier hegt in
den tieferen Hautschichten ein sehr entwickeltes Muskelnetz, bestehend
aus Fasern, die man gemeinhin als glatte anspricht, die aber mit Spuren
von Querstreifung versehen, zu den Zwischenstufen von glatten zu quer-
gestreiften Fasern gehören. Sie sind zu verschieden breiten Bündeln
vereint und zwischen die Muskehi werden Sehnen aus elastischem Ge-
webe eingeschoben und mit eben solchen Sehnen setzen sie sich an die
Fedcrbälge und an das elastische Stratum des Coriums an. Auch in der
Fleischtrottel, welche beim Puter {Meleagris gaUopavo) an der Schnabel-
wurzel und an der Kcldc herabhängt, finde icli ein dichtes Geflecht von
glatten Muskeln ; er verkürzt auch beim Fressen das fingerförmigen An-
Hautmuskelu.
83
Fiff. 43
^
A Haut eines Vogels, massige Vergrösserung: a Feder, abgeschnitten, b Epi-
dermis, c Lederhant, d Muskelnetz, e Pacinische Körper, f Blutgefässe.
B Ein Stückchen Hautmuskel bei starker Vergrösserung: a Muskelsubstanz,
b Sehnen.
hängsei, dass es nicht mehr so lang- ist, als der Schnabel. Die Nerven
sind gleichfalls stark und zahlreich.
In der Lederhaut der Säuger scheinen die glatten Muskeln zurück-
zutreten , ich kenne sie wenigstens nur als Fleischhaut des Hodensackes
und als Muskellage jener Hautdrüsen , welche als umgewandelte
Schweissdrüsen aufzufassen sind. Vergeblich habe ich am Rücken,
Bauch und Schenkel mehrerer Nager, so wie beim Hund und Rind nach
gatten Muskeln gesucht; ebenso erging es v. Hessling bei der Spitzmaus
und der Gemse. Nur noch in der Lederhaut des buschigen Schwanzes vom
Eichhörnchen glaube ich contractile Elemente nachweisen zu können.
Das Sträuben der Haare mag sonst abhängen von den starken querge-
streiften Muskeln, welche zunächst unter der Haut liegen und deren
Sarcolemma unmittelbar mit der Bindesubstanz der Lederhaut zusammen-
fliesst, sich auch wohl direkt an die Bälge der dickeren Haare (z. B.
Tasthaare) ansetzt. Am behaarten Theile der Schnauze vom Schwein,
Hund sehe ich die quergestreiften Primitivbündel des Hautmuskels sich
baumartig verästeln und mit ihren Endausläufern bis nahe an die Grenz-
schicht der Lederhaut reichen. Auch Huxley bildet verzweigte Muskel-
bündel aus der Lippe der Ratte ab. — Die sog. Fleischtrotteln an der
Kehle der Ziegen haben nichts muskulöses, es sind, wie ich nach Unter-
suchung derselben von einem jungen Thier einflecliten kann, Aussackun-
gen der Haut, die aber insofern der Aufmerksamkeit würdig sind, als
sich in ihrem Innern ein festerer Achsenstrang vorfindet, der, die Form
der Trotteln im Kleinen wiederholend , eine keulenförmige Gestalt hat.
Er weisst sich mikroskopisch als ein echter Netzknorpel aus , dessen
Zellen sehr blass sind mid leicht am Schnittrande herausfallen, während
die netzfaserige Substanz den Charakter des elastischen Gewebes dar-
6*
84
Von der äusseren Hant der Wirbeltliiere.
llaudh'Usen
iler
Koutilien.
bietet. Ausserdem bemerkt man in den Trotteln noch einige Nerven-
stämmchen, Blutgefässe und Fettträubchen.
§. 85.
Sehen wir uns nach dem Vorkommen der Hautdrüsen um, so ver-
missen wir sie bei Fischen vollständig, und was man gemeinhin Haut-
schleim nennt und fälschlich von eigenen Drüsen abgesondert sein lässt,
ist die d*irch den beständigen Wasseraufenthalt weichbleibende Epi-
dermis selber. Auch bei den Vögeln existiren keine >S'chweiss- und Talg-
drüsen und nur statt der letzteren dient zum Einsalben der Federn die
Bürzeldrüse, deren Sekretionszellen sich allerdings (Sperling z.B.) wie
die der gewöhnlichen Talgdrusen verhalten. Sie schliessen Fettmole-
küle, auch wohl grössere Fetttropfen ein. — In der Classe der beschupp-
ten Reptilien sind Hautdrüsen nur auf bestimmte Gegenden beschränkt
(Schenkeldrüsen der Saurier, welche bei Lacerta agilis sehr zierliche,
Flg. 44.
5/
Durchschnitt der Haut des Aales.
a Epidermis, b Lederhaut, c becherförmige Organe auf den Papillen, d Schuppe,
e Fettlage unter der Lederhaut. (Massige Vergr.)
schiirf abgesetzte Drüsengruppen vorstellen, Moschusdrüsen der Kroko-
(Ule und gewisser Schildkröten u. s. w.) Hingegen bei den Batrachiern
gewahren wir sie sehr allgemein über die ganze Hautfläche verbreitet.
Ihren Umrissen nach bieten sie nie einen traubigen Typus dar, sondern
haben stets die Gestalt eines Sackes, der entweder einfach ist oder zahl-
reiche Scheidewände nach innen entsendet, wodurch die Drüse fächerig
wird, wie Peters von den Moschusdrüsen derSchihlkröten und Krokodile
beschreibt. Bei der Batrachiern werden die Hautdriison an gewissen Kör-
perstellcn grösser, und da auch deren Sekret sich morphologisch etwas
anders zeigt, so kann man füghcli von zweierlei Hautdrüsen der nackten
Amphibien sprechen, von kleinen über die ganze Hauttiäche weggehen-
den und von grösseren, zu welchen die seit Langem bekannten Drüsen-
wiiUtc der KrJtten imd Sahunander hinter den Ohren, sog. Parotiden, (am
grös.slen Ix'i liiifo (ujiki,)^ (huni die Seitendrüsen der Salamander gehören;
Hautdrüsen.
85
Eckhard tlieilt mit, dass auch an den hmtern Extremitäten der
Kröten über den Muse, peron. lateral. Drüsen vorkommen von derselben
Entwicklung, wie hinter dem Ohr, Auch bei den Fröschen {Rana ocel-
lata , B. iemporaria) beginnt etwas hinter der Ohrgegend ein dicklicher
Streifen, der sich weit nach hinten erstreckt und aus besonders grossen
Drüsen besteht. Die Daumendrüse der Männchen der schwanzlosen
Batrachier {Rana, Bomhinator z. B.) zählt nicht minder hieher. Auch
rings um die KloakenöfFnung sind bei den Fröschen die Hautdrüsen be-
sonders entwickelt. Endlich bei Coecilia anmdata. hat die Haut am
hintern Körperende durch die hier so sehr ausgebildeten Drüsen sich
ganz beträchtlich verdickt, zugleich lässt sich dabei deutlich bemerken,
dass mit den grossen Drüsen in den oberen Schichten der Lederhaut
noch die kleinen, gewöhnlichen Drüsensäckchen zugegen sind, was
auch für die berührte Differenz der beiden Drüsenarten sprechen
dürfte. Nicht minder sieht man an der sog. Barotis des Salamanders
zwischen den Ausmündungen der grossen Drüsenbälge die gewöhn-
lichen kleinen Hautdrüsen.
Fig. 45.
d
Durchschnitt durch die Haut des Frosches, stark vergrössert.
a Epidermis, b Lederhaut, c die kleinen Drüsen, d die grossen mit Muskellage.
§. 86.
Alle aufgezählten Hautdrüsen haben eine bindegewebige Tu nica
propria, die in den grösseren Drüsensäcken stärker als in den klei-
neren ist, nach aussen wird sie an den Moschusdrüsen der Schild-
kröten und Krokodile von einer quergestreiften Muskellage umgeben
(Beters), an den Hantdrüsen der Batrachier glaube ich nur an den
Seitendrüsen des braunen Grasfrosches eine Schicht glatter Längs-
muskeln erblickt zu haben, an den grossen Drüsen der Salamander
so wie der Coecilia konnte ich nichts von Muskeln wahrnehmen. Die
Sekretionszellen, welche der inneren Fläche der Tunica propria an-
liegen, haben in den kleinen Hautdrüsen eine mehr rundliche, in den
grossen eine längliche Gestalt und was der Beachtung werth sein
dürfte, sie sind bei Coecilia anmdata von einer solchen Grösse, dass
86
Von der äusseren Haut der Wirbelthiere.
vielleicht nur die Schleimzellen in der Epidermis sehr glatter Fische
(Schleie z. ß.) mit ihnen vergleichbar wären. Jedenfalls reihen sie
sich unter die grössten Sekretionszellen der Wirbelthiere. Der Inhalt
der Zellen in den kleinen Drüsen ist ein feinkörniger ; der aus den
Zellen der grossen Drüsensäcken besteht aus hellen Eiweisskü-
gelchen, welche in den Zellen der CoecUia erst in einiger Entfernung
von dem Kern ihren Umfang vergrössern.
Fig. 46,
Ilnutdrlifien
ilfr Siiiigcr.
Ein Stück einer grossen Hautdrüse von Coecilia annulata.
a Tunica propria., b Sekretionszellen. (Starke Vergr.)
§. 87.
Die wabenartigen Räume auf dem Rücken der Pipa dorsigera, in
welcher die Entwicklung der Jungen statt hat, müssen ebenfalls für
kolossal entwickelte Hautdrüsen angesehen werden. Ich untersuchte
ein Weibchen, dessen Eier noch im Eierstock waren und ein anderes
mit schon weit vorgeschrittenen Embryonen innerhalb der Alveolen des
Rückens. Bei ersterem sah man in der Rückenhaut dieselben kugel-
förmigen Drüsen mit engem Ausführungsgang durch die Epidermis,
wie an der übrigen Haut des Körpers. Die Drüsen stehen im Ver-
hältniss zu anderen Batrachiern gar nicht dicht, sind vielmehr ziem-
lich weit auseinander gerückt. Zwischen den Drüsen erhebt sich die
Plaut in Papillen von verschiedener Grösse. Bei dem zweiten Thier
waren am Rücken die bezeichneten Drüsen nicht mehr vorhanden,
sondern statt ihrer die grossen Alveolen, die Embryonen enthaltend.
Das Innere dieser Waben war von einem zarten Plattenepithel aus-
gekleidet, das Bindcgewebsstratum, als besondere Haut darstellbar,
pigmentirt, und in ihm verliefen auch Bündel glatter Muskeln, die
sonst in der Lederhaut durchaus mangeln.
> §.88.
Die Drüsenformen, welche der Haut der Säugethiere zukommen,
sind Talg- und Schweissrüsen in grösserer oder geringerer oder auch
Hautdrüsen.
87
eigentliiiniliclier Ausbildung; Talgdrüsen fehlen nie an behaarten
Hautflächen, und sind stellenweise mehr entwickelt, beim Maulwurf
z. B. am Mundwinkel, so dass sie schon das freie Auge leicht erkennt;
wohl aber können die Schweissdrtisen vermisst werden, wie ich es wenig-
stens beim Maulwurf, Ratten und Mäusen finde; andere Gattungen
besitzen die Schweissdrüsen über die ganze Haut weg, so das Pferd,
Rind, Schaaf, Schwein, der Hund, jedoch in etwas wechselnder
Entwickelung. Die einfachste Form erblickt man beim Kalb, hier
ist die Schweissdrüse ein gerader, nicht gewundener Schlauch, dessen
verengter Ausführuugsgang immer unterhalb der Talgdrüsen in den
Haarbalg mündet. Fast zu jedem Haarfollikel gehört eine solche
Schweissdrüse. Etwas beträchtlicher sind die Schweissdrüsen an den
Fig. 47. Fig. 48.
-rC
Durchschnitt der Haut des
Hundes :
a Haar, b Talgdrüsen, c Schweiss-
drüsen, d Epidermis, e Corium.
Durchschnitt der Haut des
Kalbes :
a Haar, b Talgdrüsen, c Schweiss-
drüsen, d Epidermis, e Corium.
(Geringe Vergr.)
behaarten Partien des Hundes, indem sich seitlich an jedem Haarbalg
herab ein gewundener Drüsenschlauch erstreckt, der über das blinde Ende
des Follikels ziemlich weit hinausragt und durch seine Schlängelungen
einen länglichen schmalen Knäuel bildet. Endlich ganz vom Aussehen der
menschlichen Schweissdrüssen sind sie beim Schwein, Schaaf, Pterd,
ebenso in den Sohlenballen vom Hund, Katze, Dachs, Ratte, Maus
u. a. nur vermisse ich sie auch hier beim Maulwurf. Die kahlen
Cetaceen haben wieder mit den Fischen gemein (ich stütze mich hier-
bei auf die Untersuchung von Hautstücken der Balaena longimana und
B. austraUs) , dass ihnen jegliche Hautdrüsen abgehen. Doch darf
man in jenen Cetaceen, welche immer oder nur im Fötalzustand
Barthaare an der Oberlippe besitzen, der Analogie nach die Anwesen-
heit von Talgdrüsen vermuthen.*)
*) Ich habe unterdessen Gelegenheit gehabt, einen wohlerhaltenen Embryo von
Manatus zia besehen, welcher nicht bloss Barthaarc besitzt, sondern auch über den
ganzen Körper weg eine freilich äusserst spärliche Behaarung zeigt, indem die
Haare weit auseinander stehen. In einer frühern Epoche des embryonalen Lebens
88 Von der äusseren Haut der Wirbelthiere.
§. 89. _
In ähnlicher Weise, wie beim Menschen die Schweissdrüsen eine
specifische Umbildung zu den Ohrenschmalzdrüsen erfahren können, oder
die Talgdrüsen zu den Meibom'schen Drüsen heranwachsen, so geschieht
solches in ausgedehntem Maassstab bei Säugethieren und die vielen
Drüsen derHaut, welche stark riechende Sekrete bereiten und
unter mancherlei Benennungen beschrieben werden, stellen histologisch
gemustert, lediglich entwickelte Schweiss- oder Talgdrüsen vor. Es
sind z. B. die Seitendrüsen der Spitzmäuse massige Schweissdrüsen,
während die Drüsen an den unter dem Namen Brunftfeige bekannten
Hautwülsten der Gemse sich als starke Talgdrüsen zu erkennen ge-
geben haben {v.Hessling). Die dicke, auf dem Durchschnitt kaffee-
braune Drüsenlage, welche die Schwanzwarbelsäule des Hirsches rings
umgiebt, kann auch nur auf entwickelte Schweissdrüsen bezogen werden.
Die anscheinend traubig-gelappten Drüsenblasen sind von zahlreichen
Blutgefässen umsponnen und ihre Sekretionszellen prall von einer fein
granulären Substanz. Die Haare des Schwanzes haben ihre eigenen
zierlichen Talgdrüsen {Leydig). Nicht minder sind Talgdrüsen : die
grossen Vorhautdrüsen der Ratten, Mäuse, die Meibom'schen Drüsen,
die Gesichtsdrüsen der Fledermäuse, (wahrscheinlich auch der eigen-
thümliche Sack in der Nähe des Ellenbogens bei der Beutelfledermaus
aus Surinam, s. Krause im Arch. f. Naturg. 1846 und die Drüse an
der Flughaut von Emballonura canina s. Reinhardt^ Froriep's Tgbl.
Nr. 188, 1850), die Drüsen in der Saugtasche des Dachses, wahr-
scheinlich auch die Violdrüse des Fuchses und Wolfes auf dem
Schwanzrücken, vielleicht auch die Hinterhauptsdrüse der Kameele,
die Kopfdrüse des Elephanten, unter der nach Beobachtung von Otto
(Carus und 0., Erläuterungstafeln zur vergleichenden Anatomie) ein
Wundernetz liegt. An manchen Orten der Haut bilden sich die
Schweiss- und Talgdrüsen zusammen zu grösseren Massen um, was
in jenen beuteiförmigen Einstülpungen der Haut geschieht, die unter
dem Namen Analsäcke bekannt sind. Hier erreichen die beiden
Drüsenarten einen beträchtlichen Umfang und das Sekret beider mengt
sich im Analsack. Auch an den sog. Inguinaldrüsen des Hasen nnd
Kaninchen kann man die beiderlei Drüsenspecies leicht von einander
wegkennen. Einen ähnlichen Bau vermuthe ich auch von den Perineal-
drüsen ( Viverra) und den Huf- und Klauendrüsen der Wiederkäuer, des
mag übrigens der Haarbesatz weit dichter gewesen sein, denn bei mikroskopischer
Untersuchung erblickt man eine Menge von Gruben, die nur die Stellen anzukün-
digen scheinen, wo die Haare bereits ausgefallen sind. Die Haare haben den Cha-
rakter von Wollhaaren , sind dünn , ohne Marksubstanz , die Barthaare zum Theil
mit zerstreuten braunen Pigmcntklümpchen im Innern. Zu jedem Haar gehören
einige Talgdrüsen von geringer Grösse und einfach bcutelförmiger Gestalt.
Schweissdrüsen fehlen an den untersuchten Gegenden. An der Schnauze verlieren
sich die Bündel quergestreifter Muskeln zwischen die Haarbälge.
pigmento.
Hautknochen. 89
Rhinoceros, von dem Drüsensack auf dem Rücken der Pekariarten,
Leistendrüsen der Gazellen u. dergl. (Wie verhalten sich wohl näher
die von Oioen am Rhinoceros indicus beschriebenen „schlauchförmigen
Drüsen^' hinter der Sohle?) — Die sog-. Giftdrüse des männlichen
Schnabelthieres ist ebenfalls den Hautdrüsen äquivalent zu achten.
§. 90.
Die dunklen Färbungen der Haut hängen beim Menschen von """»
dem Pigmentgehalt der Oberhautzellen ab und auch bei Thieren können,
wovon nachher, die Epidermisschlchten pigmentirt sein, andere Thiere
weichen aber darin vom Menschen ab, dass auch die verzweigten
Bindesubstanzräume in den oberen Lagen der Lederhaut mit Pig-
ment erfüllt sind, so bei vielen Säugern und Vögeln, ja bei gar manchen
Reptilien und Fischen zeigt sich die Hauptmasse des Pigments in der
Lederhaut abgelagert, bei Goluber natrix, Lacerta agüis z. B. ist das
schwarze, grüne, gelbbraune Pigment fast nur dort untergebracht.
Die durch Pigment ausgezeichneten verästelten Bindegewebskörperchen
bilden häufig bei Fischen {^Leudscus dohula) ungeheuer weit verzweigte
Sterne, wie sie einem sonst bei höheren Thieren nie mehr zu Gesicht
kommen.
Nimmt man Rücksicht auf die Elemente des körnigen Pigments,
so unterscheidet man dreierlei: 1) Die Körnchen des braunen bis
schwarzen Pigmentes. Davon verschieden sind 2) die Körnchen eines
namentlich bei Reptilien und Fischen vorkommenden weissen oder
weissgelben Pigmentes und endlich 3) die Elemente des Metall-
glanzes bei Fischen und Amphibien. Es sind eigenthümliche krystal-
linische Bildungen, die von Molekulargrösse an bis zu grossen längsge-
strichelten schön irisirenden Plättchen oder Flitterchen sich ausbilden.
(Sie bestehen aus einer organischen, stickstoffhaltigen Substanz mit
anorganischen Salzen, v. Wittich.)
Erwähnenswerth dürfte noch sein, dass die Mitglieder der Höhlen-
fauna eine meist unpigmentirte Haut haben, ich erinnere an den in
den unterirdischen Räumen des Karstgebirgs lebenden 01m und an
den blinden Fisch der Mammuthhöhle in Amerika.
§. 9L
0 ssifikationen der Lederhaut kommen bei vielen Wirbelthieren
in grösserer oder geringerer Ausdehnung vor. Aus der Gruppe der Vögel
wüsste ich kein Beispiel namhaft zumachen, von den Säugethieren
ein einziges, die Gürtelthiere {Dasypus, Chlamydophorns), von deren
Corium ein guter Theil zu Knochenplättchen umgewandelt ist, bei
Dasypus hat die der Epidermis zugewandte Fläche den Charakter der
Suhstantia dura, sie ist glatt, von wenigen kleinen Löchern durch-
bohrt, die Knochenkörperchen rundlich, mit kurzen, wenig verästelten
Canälen. Nach innen zu tritt mehr dei Charakter der Suhstantia
spongiosa hervor, die Markräume gewinnen das Uebergewicht über die
HaiU-
knoehen.
90 Von der äusseren Haut der Wirbelthiere.
Knochenbälkchen. {H. Meijer). Die Knoclienschilder sind gefässhaltig
{Älessandrini). Zum Hautskelet kann man auch das knöcherne Ge-
weih des Rothwildprets zählen, in gewisser Beziehung vielleicht auch
die Zapfen auf der Stirn der Giraffe, obschon sie noch von binde-
gewebiger Lederhaut überzogen sind, was strenger genommen, einigen
Grund abgiebt, sie den Hautknochen nicht beizurechnen. Früher
äusserte man, dass die Geweihe vom Knochen ,, durch Beimischung von
Hornmasse sich unterscheiden", was mir doch gar keine Begründung
zu haben scheint, denn der ursprünglich vorhandene epidermoidale
Ueberzug schält sich später als sog. Bast zugleich mit der nicht
ossificirenden und übrig gebliebenen Lederhaut ab und die Geweihe
bestehen, wie Schliffe zeigen, aus sehr gefässreicher Knochensubstanz.
Häufiger erscheinen die Hautossificationen bei Amphibien und
noch mehr in der Classe der Fische. Bei den Batrachiern Ceratophrys
dorsala, Bufo maculiventris, Notodelphys ovifera, Brachycephalus u. a. ist
die Lederhaut des Schädels grössentheils verknöchert und mit den Schä-
delknochen zu eins verschmolzen, (was auch schon von O. Garus,
Erläuterungstaf. z. vergl. A. angedeutet wurde), Ceratoph-ys besitzt
ferner in der Lederhaut des Rückens eine grosse, kreuzförmige Knochen-
platte, deren Knochenkörperchen, da sie lang und schmal sind, an
Zahnkanälchen erinnern. Ebenso besitzt Brachycephalus ephippium
ein ausgedehntes knöchernes Rückenschild. Auch bei Sauriern giebt
es Hautossificationen, so finde ich bei Änguis fragilis über die ganze
Haut weg zierliche, sich schuppenartig deckende Knochenschilder.
Jedes Schildchen ist an seiner Basis von etlichen Canälen durchbohrt,
die auf der Oberfläche divergirend verlaufen und zu Furchen werden.
Auf dem Schädel ist die Lederhaut ebenfalls ossifizirt und mit den
Kopfknochen verschmolzen, ferner haben die Skincoiden, Pseudopus,
kleine, die Crocodilc und Schildkröten bekanntlich mächtige Knochen-
schilder der Haut, (die der Schildkröten sehe ich von zahlreichen Mark-
kanälen durchzogen), andre Saurier sind ohne Hautknochen: Lacerta
ayüis, Chamaeleo africanus, üromastix spinipes, Ayama aurita, Äm-
phishaena boten mir wenigstens in den untersuchten Hautstellen keine
dar. Von Schlangen habe ich Coluher natrix geprüft, aber mit gleich
negativem Erfolge.
§. 92.
Bei den Fischen hat man von den dünnen Schuppen und Haut-
körnern an bis zu den Schildern und zusammenhängenden Panzern
eine stetig fortlaufende Reihe von Ossificationen der Lederhaut, ja
bei manciien Arten (z. B. Polypterus, noch mehr Ostracion u. a.)
zeigt sich der grösste Theil des Coriums zu einem äusseren Skelet
verknöchert. Mit Rücksicht auf den feineren Bau und bezüglich des
Verhältnisses in welchem die Schuppen zur Lederhaut stehen, sei
Folgendes hervorgehoben. Die Schuppen unserer meisten Süss-
wasserfische ci'scheinen als theilweise Ossificationen von platten Haut-
Schuppen. 91
fortsätzen, die man herkömmlich Schuppentaschen nennt, und um sich
von der Richtigkeit dieser Auffassung leicht zu belehren, möchte ich
besonders den Spiegelkarpfen empfehlen, an dessen Haut man die
verschiedenen Bilder beisammen hat. Dieser Fisch, bekanntermaassen
eine Abart des Cyprinus carpio, zeichnet sich dadurch aus, dass er,
mit Ausnahme von drei Reihen grosser Schuppen, sonst nackt ist.
Auf der kahlen Haut kommen durchweg kleine Höckerchen von
mannichfacher Gestalt und wechselnder Grösse vor, welche nichts
anderes sind, als verkümmerte Schuppentaschen, denn in den grösseren
lässt sich auch noch mikroskopisch eine kleine Schuppe entdecken.
Da nun an den Ausläufern der Haut nur das Innere derselben zur
Schuppe ossifizirt, so bleibt ober- und unterhalb derselben eine zu-
sammenhängende bindegewebige , gefäss- und nervenhaltige Lage übrig
und bildet die „Schuppentasche", die auch bei manchen Fischen
{Tinea, Lahrus) in einen spitz zulaufenden, freien Fortsatz sich aus-
serdem verlängert. Es geht daher bei vielen Teleostiern über die
Oberfläche der Schuppe noch ein bindegewebiges Stratum weg, wird
aber auch dieses in die Verknöcherung hineingezogen, wie z. B. bei
Polypterus , so folgt auf die Schuppensubstanz nach aussen die Epi-
dermis und weil diese an gar manchen Körperstellen durch die Um-
stände abgerieben wird, so liegt dann die Schuppe frei zu Tage.
Ebenso verhält es sich mit den Schuppen und Hautstacheln der
Rochen und Haie, dies sind, wie sich sehr klar übersehen lässt,
ossificirte Papillen der Haut, und an jüngeren Haien haben alle
Schuppen einen vollständigen Epidermisüberzug, an denen älterer
Thiere hingegen erscheint der freie Rand häufig unbedeckt von einer
Epidermis, sie ist verloren gegangen und erhält sich nur an einzelnen
geschützten Lokalitäten (so sah ich z. B. an Oaleus canis die Schuppen
der Nickhaut deutlich unter der Epidermis liegen.)
§. 93.
Die kalkhaltige Grundsubstanz der Schuppen ist homogen oder
geschichtet streifig; an unsern Süsswasserfischen kann sie nach Be-
handlung mit Essigsäure in Fasern von blassem , starren Aussehen,
die in grösseren Fetzen sich gern vom Rande her einrollen^ gespalten
werden. An den Schuppen des Polypterus zeigt die körnig-streifige
Grundsubstanz eine concentrische Schichtung um die Havers'schen
Hohlräume, sowie ausserdem namentlich an der Basis senkrechte und
wagrechte Lamellen, wie die daran stossende, nicht ossificirte Lederhaut.
Viele, besonders die sehr dünnen Schuppen sind ohne den Knochen-
körperchen vergleichbare Hohlräume, andere zeigen nur sehr
rudimentäre , zu kleinen punktförmigen Räumen herabgesunkene
Knochenkörperchen; schon entwickeltere haben z. B. die pfriemen-
förmigen, stachelähnlichen Schuppen des Cottus gobio, sie sind in der ver-
breiterten Basis mehr rundlich, am Rande einigemal ausgezackt, gegen
den Stachel hin ziehen sie sich in die Länge und werden nicht selten
92
Von der äusseren Haut der Wirbelthiere.
A Senkrechter Sclniitt einer in Säure macerirten Schuppe von Polypterus ;
a Grundsubstauz mit Knochenkörperchen , b Havers'sche Kanäle.
B Von derselben Schuppe der unterste Theil, welcher continuirlich mit der
Lederhaut zuasmmenhängt :
a Schuppe mit dem Knochenkörperchen a* und dem Havers'schen Kanal a^,
b die Lederhaut mit dem Bindegewebskörperchen b '. (Starke Vergr.)
linienf(irmig. Auch die den Schuppen der Seitenlinie aufgesetzten
Rinnen und Halbkanälc besitzen in dem einen Fall (Weissfische,
Barsche) nur Knochenkörperchen von verkümmerter Gestalt, bei anderen
Arten aber treten hier genuine, weithin verästelte, mit einem Kern
versehene Knochenkörperchen auf {(Jyprinus carpto, Tinea chrysitts,
Barhus fluviatilis), die Ausläufer verbinden sich deutlich mit einander
zu einem Netz. Schöne Knochenkörperchen kennt man ferner schon
länger aus den dicken Schuppen des Polypterus , Lepidostevs, Svdis,
Tliynnus vulgaris u. a. ; ebenso besitzen die Hautschilder der Störe
ausgebildete, mit ästigen Strahlen versehene Knochenkörperchen. Die
Schuppen des Polyptevvs sind ausser den Knochenkörperchen noch von
einem System Havcrs'schcr Kanäle durchzogen, welche Fcttzellen,
Pigment und Blutgefässe enthalten können. Die Stacheln und Schuppen
Schuppen. 93
der Selachier sind gleich den Zähnen ossificirte Hautpapillen und die
Knochensubstanz zeigt diesem Verhalten entsprechend die Modifikation
des Zahngewebes : sie besitzen eine Centralhöhle (gewissermaassen
einen vergrösserten Havers'schen Kanal), und von diesen weg strahlen
feine Kanäle aus (die Analoga der Knochenkörperchen) und verästeln
sich unter Abnahme ihres Lumens aufs feinste. Die Pulpe, welche
sich aus den grösseren Stacheln herausheben lässt, besteht aus Binde-
gewebe und Gallerte ; in ihr verzweigt sich ein dichtes Capillarnetz,
aber unmöglich war es mir, selbst mit Hülfe von Natronlösung, eine
Nervenfibrille zu erblicken. — Jene die Säge des Pristis anüqtwrum
täfelnden Hautkörner haben eine sternförmige Centralhöhle, aus der
die Zahnröhrchen ausstrahlen. Die freie Fläche der Schuppen des
Polypterus , die Schilder von Ostracion u. a. , die Schuppen und
Stacheln der Selachier haben eine glatte, härtere, schmelzähnliche
Beschaffenheit, aber die Aehnlichkeit mit dem Zahnschmelz der Säuge-
thiere ist nur eine äussere ; mikroskopisch nämlich besteht die Lage
keineswegs aus, den Schmelzprismen vergleichbaren, Elementen, son-
Fig. 50.
Kleiner Hautstachel eines Rochen,
a Höhle mit den davon ausstrahlenden Kanälchen.
dern sie ist nichts anderes, als die nur von äusserst feinen Hohlräumen
durchbrochene und desshalb mehr homogene, oberste Lage der Schup-
pen und Stacheln. — Die Aussenseite der Hautossifikationen der
Fische bietet auch häufig mancherlei Skulpturen dar: Längsfurchen
bei vielen Teleostiern, feine, sich durchkreuzende Furchen, so dass
die schmelzartige Schicht in tafelförmige Platten sich absetzt , bei
Polypterus ; die Tafeln zeigen sich auch wieder durch kleine Tuberkeln
höckerig. Die Schuppen der Haie erheben sich bei einzelnen Arten
[Zygaena z. B.) in Längsleisten, und die freie Fläche hat noch eine
zellige Zeichnung, über welche die Frage erlaubt ist, ob sie nicht den
Oherhautzellen ihren Ursprung (durch Abdruck) verdankt.
§. 94.
Für unsre Vorstellung über die Weise der Entstehung der Schup-
pen thut sich ein Licht auf, wenn wir wissen, dass an der unteren
Seite der Schuppen vieler Teleostier (ich kenne dies z. B. von Solea,
94
Von dei- äusseren Haut der Wirbelthiere.
Acerina, Perca, Esox), eigen tliümliche geschichtete Kalkkugeln,
Concretionen oder Schuppenkörperchen der Autoren, liegen. Ihr Umfang
ist äusserst wechselnd, von Moleculargrösse bis zu stattlichen, rhom-
Fig. 51.
Untere Fläche der Schuppe eines V erschmolzene Kalk-
Teleostiers: kugeln aus dem Haut-
a die Schuppenkörperchen. Stachel einer Raja.
(Starke Vergr.)
bischen Gebilden. Man sieht sie entweder von distinkter Form neben
und unter einander liegen , oder durch unmittelbares Sichvergrössern
die Rauhigkeiten und Zähne am hintern Rand der Schuppe (von Perca
ßuviatilis und Äcerina cernua z. B.) bilden; oder endlich sie sind mit
ihren Rändern zu einer gemeinsamen Masse — zu einer Schuppen-
lage — verschmolzen. Dergleichen Kalkkugeln schliessen sich durch-
aus jenen Concretionen an, wie sie- bei der Ossifikation des Hyalin-
knorpels, sowie an der Chorda dorsalis des Polypterus vorhanden sind
oder wie sie als Zahnbeinkugeln das Bildungsmaterial für die Zahnsubstanz
liefern. Analoge Gebilde beobachtet man auch in den Hautstacheln der
Rochen : kuglige Kalkkörper insolirt oder zu grösseren Klumpen ver-
wachsen, welche, indem sie sich an die Innenseite der Pulpahöhle an-
legen, mit einander verschmelzen, und so die Dicke der Stachelsubstanz
vermehren.
§. 95.
Die Maschenräume der Bindesubstanz, durch welche sich die
Lederhaut an die darunter gelegenen Theile anheftet, haben ein ver-
schiedenes Contentum: 1) Fett bei Säugern, vielen Vögeln und Fischen;
es kann sich lokal auch anliäufen, wovon ein sehr bemerkenswerthes
Beispiel der Fetthöcker der Kamcelc ist; in ihm bildet das Fett linien-
dicke Blätter, durch zarte Scheidewände getrennt und insgesammt von
einer fibrJiscn Kapsel umhüllt {Wedl). Bei Fröschen imd Kröten
sind dergleichen Fcttablagcrungen, wie man sie in grfJsseren lOumpen
in der Weichen- und Achsclgegend findet, irrthümlich (z. B. von
Rösel an Bufo calai/iifa.) für Drüsen genommen worden. 2) GaJlerte
bei manchen Fischen (Hecht, Flussbarsch, Karpfen, Schleie, Weissfische,
Aalruppc); 3) eine helle Flüssigkeit (Lymphe) bei Fröschen,
Kröten, vielleicht auch bei Torjjedo, wo die Haut, durch laxes Bindege-
webe angeheftet, sehr verschiebbai- ist; endlich 4) in einigen Fällen
Oberhaut. 95
selbst L uft Es -wird angegeben von der Fledermausgattung Nycteris,
wo von den ßackentaschen aus die Luft zwischen Haut und Körper
tritt; bei einigen Vögeln, Chaiina, Calao, und (von Bergmann näher
untersucht) bei Sula, durchdringt Luft an einem grossen Theil des
Körpers das Unterhautbindegewebe. Die Haut des Hirtenvogels soll
auch bei der Berührung überall knistern; die Luft gelangt aus den
Lungen durch die Luftlöcher hieher.
§. 96. ^
An der Epidermis aller Wirbelthiere , selbst an der w^eichen Epidcmu
und schleimartig anzufühlenden der Fische, macht sich, wenn auch
unvollkommener eine Scheidung in eine untere Schicht, Stratum mu-
cosum, und eine obere, Stratum corneum, bemerkbar ; auch ist es wohl
ziemlich durchgreifend, dass die untersten Zellen der Schleimschicht
cylindrisch sind und senkrecht auf der Lederhaut stehen, ich sehe
wenigstens bei Molchen und Fischen noch eine derartige Anordnung.
Bei Säugethieren und Vögeln ist die Oberhaut an allen behaar-
ten und befiederten Stellen dünn, erlangt aber oft eine beträchtliche Dicke
an den haarlosen Gegenden, so an den Sohlenballen der Nager, Fleisch-
fresser, Kameele, Gesäss mancher Affen; sie bildet auch hornige Platten
und Scliuppen, Manisj Schwanz von Biber, Ratte, Oymnura, Didelphys,
Myrmecophaga, Mygale u. a. ; wahrscheinlich ist auch der Hornstachel
in der Schwanzquaste des Löwen hieher zu zählen. Sehr verdickt
sehen wir die Oberhaut auch bei den kahlen Cetaceen und haarlosen
Pachidermen, (beim Rhinoceros nach Bauhenton sechsseitige, obwohl
ziemhch unregelmässige Hornplatten bildend); verdickte Partien der
Oberhaut sind ferner die Hörnerscheiden, das Hörn des Rhinoceros,
die Hufe , Klauen und Krallen , die sog. Castanien des Pferdes , bei
Vögeln die Zehen und Schnabelscheiden, die Scheiden der Fusssporen
bei den Hähnen, der FKigelsporn von Palamedea\mA Farra, der Hehn
des Gasuar, ferner die Schwielen und Tafeln an den Beinen und
den federlosen Gegenden am Hals und Kopf; ganz aus Epidermis-
zellen besteht wohl auch das lange biegsame Hörn auf dem Scheitel
von Palamedea cornuta, das Hörn hinter dem Auge von Tragopan
satyrus. Bei Ophidiern, Sauriern und Cheloniern trifft man
ebenfalls verdickte Epidermislagen an, von den Schildkröten sind sie
unter dem Namen Schildpatt bekannt; von der Haut der Schlangen
gehört z. B. die tutenförmige Schwanzkappe bei Äcanthophis ^ sowie
die Klapper der Klapperschlange hieher. {G. Carus in d. Erläu-
terungst. spricht von der Anhäufung einer wallrathähnlichen , weiss-
lichen Masse um den letzten Schwanzwirbel, unterhalb des Anfangs
der Klapper, was ich an einem trocknen Objekt nicht wieder finden
kann; hier folgt unmittelbar unter der ersten Tute der Klapper die
Knochensubstanz des Schwanzwirbels.) Eine stärkere Verhornung
zeigt auch die Epidermis unsrer schwanzlosen Batrachier [JRana, Bom-
binator z. B.) über den Papillen der Daumendrüse des Männchens.
96 Von der äusseren Haut der Wirbelthiere.
Die Zellen sind da auch stark dunkel gefärbt. Die Nägel der Saurier, der
Schildkröten, des Xenopus, die Hervorragung am Kopf der Hornviper
(Cerastes), die Hornplatte an der Fusswurzel von Cultripes etc., könnten
ebenfalls noch angereiht werden. Alle aufgeführten Epidermis- (oder
Hörn-) Gebilde bestehen aus selbständig gebliebenen Zellen,
zu deren Darstellung Kalilauge ein vortreffliches Mittel ist; der Kern
der Zellen scheint öfters geschwunden zu sein, im Schildpatt z. B.,
wie Donders mittheilt. Man hat dergleichen Hornmassen früher
neben dem lamellösen auch einen fasrigen Bau, „eine haarartige Struk-
tur" zugemessen, wobei zu erinnern ist, dass solche „Hornfäden", z. B.
der Hufe, bei genauerer Ermittelung als Aggregate von Hornzellen,
sich ausweisen. Die Hufe enthalten ein System von Hohlgängen,
welche am oberen Ende die bindegewebigen Zotten der sog. Fleisch-
krone (oder Papillen der Lederhaut) aufnehmen, weiter nach unten
aber hohl sind.
§. 97.
Schleim- YAii mehrfaches Interesse dürften die von mir Schleimzellen
Zellen.
genannten Gebilde beanspruchen, die bei gewissen constant im Wasser
lebenden Wirbelthieren zwischen den gewöhnlichen rundlichen oder
abgeplatteten Oberhautzellen gefunden werden. Ich kenne sie von
vielen Teleostiern, Ganoiden, vermisse sie in der Epidermis der
Plagiostomen und Chimären, unter den Batrachiern wurden sie be-
obachtet beim Proteus und den Larven des Landsalamanders. Die
kleinsten übertreffen (bei Knochenfischen) die ordinären Oberhaut-
zellen nur um weniges, die grössten aber, wie sie an ungewöhnlich
schlüpfrigen Fischen (Aal, Schleie, Aalruppe) auffallen, sind bedeutende
mit einem zähen, körnigen oder auch ganz hellen Fluidum gefüllte
Blasen. Das Sekret scheint sich durch ein allmähliges Platzen der Zelle
zu entleeren , wenigsftens glaube ich (bei Leuciscus Dohida) gesehen
zu haben, dass die oberflächlichst gelegenen Zellen ein oder mehre
Löcher bekommen, die durch Vergrösserung oder Zusammenfliessen
die Zelle in ein schüssclförmiges Körperchen verwandeln. Einen
weiteren Aufschluss über die Natur dieser Gebilde giebt die Beobach-
tung, dass bei Polypterus die Schlcimzellen aus der rundlichen in die
birnförmigc Gestalt übergehen, das zugespitzte Ende nach der freien
Seite der Epidermis gerichtet, und da es auch hier mitunter den An-
Fig. 52.
a EiiideriiiiszcUcii , h Sclileiiiizellen. (Starke Vergr.)
zellon .
Oberhaut. 97
schein hat, als ob die Zellen an dieser Spitze geplatzt wären und sich
dadurch in einen flaschenförmigen Körper verwandelt hätten, so wer-
den sie dadurch gewissen einzelligen Drüsen der Wirbellosen
[Ptscicola, Clepsme u. a.) sehr ähnlich. — Beim Proteus sah ich, dass
das körnig-grümliche Sekret der Schleimzelle in einem besonderen
Sekretbläschen bereitet wurde. *)
§. 99.
Die gewöhnlichen Epidermiszellen zeigen sich ziemlich allgemein pisment-
farblos; seltener, wie z.B. an Cohitis fossiUs erscheinen sie diffus
gelblich gefärbt. Sie können aber in verschiedenem Grade mit körnigem
Pigmente gefüllt sein ; sind es nur die unteren Lagen, die Schleim-
schicht, so vermag man, vorzüglich gut an gekochter Haut (ich that
es z. B. bei Torpedo) die Pigmentlage leicht im Zusammenhange
von der Lederhaut abzutrennen, was wohl auch Veranlassung war,
dass Manche die Pigmentlage als besondere Schicht von der Epider-
mis unterschieden. Ein andermal sind sämmtliche Zellenstraten der
Oberhaut (bei Balaena oder bei Vespertilio pipistrellus , an der
Schnauze, Ohr u. s. w.) , pigmenthaltig und man hat dann alle
Mittelstufen vom leicht Bräunlichen bis zur tiefsten Schwärze zur An-
sicht. Die mannichfachen bunten Färbungen an unbefiederten
Stellen bei Vögeln liegen ebenfalls in den Epidermiszellen, wir sehen
z. B. dunkelkörniges Pigment in den Zellen des Rabenschnabels,
gelbes und rothes, aus Fettraolekülen bestehend, in den Schnäbeln,
Füssen oder um die Augen bei Enten, Gänsen, Tauben, Auerhahn.
Doch zeigt sich auch hier eine gewisse Neigung des Pigmentes, sich in
dem Stratum mucosum der Oberhaut abzuscheiden; häufig, wie z. B.
an der Wachshaut, an den Lidern des Thurmfalken [Falco tinnunculus),
Schnabel der Gans, sind die obersten Lagen farblos und nur in den
tieferen Schichten ist das gelbkörnige , fettartige Pigment unterge-
bracht. Die hochrothe Färbung des Kammes und der Kehiläppchen
des Haushahnes rührt übrigens nicht, wie bereits erwähnt, von einem
besonderen Pigmente her, da Epidermis und Corium farblos sind,
sondern von dem Blutgehalt der hier ungewöhnlich weiten Capillaren
in den Hautpapillen.
Etwas seltsam und unseren herkömmlichen Beschreibungen von
der ausschliesslichen Zusammensetzung der Schleimschicht aus läng-
hchen und rundlichen Zellen Schwierigkeiten bereitend, sind die ver-
zweigten Pigmentfiguren, welche im Stratum mwcoswm von Fischen
und Reptilien {Mana, Menopoma, Lacerta agilis z. B.) zugegen sind.,
(Aehnlich auch bei Wirbellosen, z. B. in der Oberhaut von Piscicola.)
Das Eigenthümliche der ästigen Pigmentfiguren verringert sich aber,
wenn man weiss , dass in den untersten Lagen der geschichteten
*) Habe jetzt auch beim Proteus zugleich mit den runden die flaschenförmigen
Schleimzellen wie bei Polypterus wahrgenommen.
Leydig, Histologie. 7
Foderii.
98 Von der äusseren Haut der Wirbelthiere.
epitlielialen Bildungen allgemeiner verästelte Zellen (nach Chromsäure-
behandlung deutlich) zu beobachten sind. Gesehen habe ich auch, dass
bei der Blindschleiche [Anguis fragilis) zwischen den kleinen, eng bei-
sammenliegenden Zellen der Schleimschicht und der streifigen Horn-
schicht noch platte, grosse Zellen, dicht mit Fettkörnchen gefüllt, sich
bemerkbar machen.
§. 100.
Hfiare Mni Bcsonderc epidermatische Entfaltungen sind die Haare und Federn
der beiden oberen Wirbelthierklassen. Die Haare der Säuger sind im
Wesentlichen wie die des Menschen beschaffen und unterscheiden sich
zum Theil nur durch ihre Stärke (Spürhaare, Mähnen etc.) oder durch
ihre Form, insofern z. B. die Haare der Mäuse, Fledermäuse, Marder
ästig oder knotig, die Spürhaare der Robben, Fledermäuse,. Gold-
maulwurf nach Eble platt und spiralförmig gedreht sind. Eine genaue
Grenze zwischen Haaren, Borsten und Stacheln, wie sie der gewöhn-
liche Sprachgebrauch unterscheidet, ist nicht zu ziehen, indem beim
Igel, der Echidna, alle drei Formen haarartiger Gebilde anzutreffen
sind und man sich sehr leicht vom allmähligen Uebergang dieser
Formen überzeugen kann [Reic h ert, Re is sne r).
I)as Oberhäutchen zeigt nur Abweichungen bezüglich der grösse-
ren oder geringeren Abstände, in denen die oberen freien Ränder. der
einzelnen Plättchen aufeinander folgen. Beim Igel bilden die Epidermis-
plättchen in der mittleren Gegend des Schaftes regelmässig Ver-
tiefungen mit erhabenen Rändern. — Die Rindeusubstanz, sehr dünn
bei den Nagern, fast nur spurweise am Schaft der weissen Haare vom
Hirsch, hat bei den fai-bigen Haaren Pigmentkörnchen in den Zellen,
besitzt mitunter auch ausgezeichnete Lufträume (in den Tasthaaren
von Trichechus Bosmarus , Phoca vitidina etc.). Auch die Zellen der
Mark Substanz, welche oft sehr zierliche Figuren bilden, enthalten nicht
selten Luft (Hirsch, Igel, Fuchs, Iltis, Hausmaus u. a.), in anderen
Fällen , z. B. bei Mus decumanus , Talpa europaea , sind sie mit
körnigem Pigment angefüllt. In den Tasthaaren der Katze sah Oegen-
I)aur die Markzcllen ganze Strecken weit mit einer rothgefärbten
Flüssigkeit erfüllt (vielleicht Folge der verlängerten und noch vegetiren-
den Haaipulpe?). Dan Haaren mancher Thiere, z. B. dem Schwein,
mangelt die Marksubstanz, sie bestehen bloss aus Rinde. — Merk-
würdig ist das Haar des Gold maul wurfes {Chrysochloris) wegen seines
Mctallglanzes, da metallische Farben sonst in dieser Thicrklasse nicht
vorkommen.
Haarbalg und Wurzelscheiden zeigen grosse Uebereinstimmung
mit denen des Menschen, nur erblickt num leichter in den Ilaai-pajullen
der Säuger ein Gefässnetz und die Papille verlängert sich uft weit
fast l)is zur Spitze der Haare, Borsten und Stacheln, verkümmert später
und hh'ibt als „Seele" zurück, z. B. Ilystrix cristata, Erinaceus euro-
■pae,us, Echidna^ Pfeid u. a. Das imiere Bindegcwebsstratum des Haar-
Federn. 99
balges ist (bei Tasthaaren) bis zur liomogenen Grenzmembran mit
einem ausgezeichneten Gefäss- und Nervennetz ausgestattet [Oegen-
haur). — An der gekochten Haut des Maulwurfes sah ich das untere
helle beutclförmige Ende des Haarbalges vom oberen Theil ziemlich
stark abgeschnürt.
Die Federn der Vögel kommen im Wesentlichen des Baues mit
den Haaren überein. Man unterscheidet eine Rindensubstanz, aus
dicken, platten Hornzellen zusammengesetzt^ und eine Marksubstanz,
die polyedrische Zellen hat. Der Kiel besteht nur aus Rindensubstanz.
An der Fahne gehören die Nebenstrahlen zur Rindensubstanz, die
primären Strahlen bestehen an ihrem verdickten äusseren Rande, wo
die Nebenstrahlen abgehen , aus Rindensubstanz , der übrige Theil
ist Marksubstanz. Der Schaft enthält an der Spitze nur Rinde, im
übrigen Theil liegt zunächst seiner Höhle Marksubstanz, die noch
von Rindensubstanz umgeben ist. Die Höhle der Spule enthält die
vertrocknete Paj)ille, die „Federseele." [Reichert, Schrenk). — Die
Federn zeichnen sich, was hier eingeflochten sein mag, vor andern
horngewebigen Bildungen durch Reichthum an Kieselsäure aus. *)
§. 101.
Die verschiedenen Verdickungen und Ausbildungen der Epidermis- Physio-
gebilde, sowie die Ossificationen der Lederhaut dienen zu raannich- °^'"' "''
faltigen speziellen Lebenszwecken, bald als Schutzhüllen, als Waffen,
zum Wühlen, Klettern, als Werkzeuge zum Flug etc. ; es würde zu
weit führen, darauf nur einigermaassen einzugehen, und ich verweise
zu diesem Behufe auf B er g mann und Leuckart's vergleichende
Physiologie, wo man sich hierüber weiter aufklären kann.
Die stärkere Entwickelung der Hautmuskeln bei Vögeln und noch
mehr das Vorhandensein echt quergestreifter Lagen bei Säugern macht
die Haut in hohem Grade contractu ; der Hund, die Katze und viele
andere sträuben im Affekt die Haare am Rücken, am Schwanz, die
Vögel heben und senken ihre Federn nach ihren verschiedenen Ge-
müthszuständen.
Auch die Erscheinungen des Farbenwechsels bei Reptilien (Chamä-
leon, Frosch u. a.) beruhen auf Contractionsverhältnissen der Haut, aber
nach dem histologischen Befund , bei dem Mangel von muskulösen
Elementen, kann man das Phänomen nicht anders erklären, als durch
die Annahme, dass die helle Grundsubstanz, in der die Pigmentkügel-
chen eingebettet liegen, selber contractu ist. (Mehr davon siehe: Haut
der Mollusken.)
*) Die eigenthümlichen scharlachrothen Blättcheu am Ende ""der 5 — 9 hinteren
Schwungfedern des Seidenschwanzes {Ampelis garrulus) dürften auch näher unter-
suclit werden. Nach älteren Mittheilungen wären sie keine Fortsetzungen der Fe-
dern, sondern nur ^Anhängsel aus einer hröckeligen Materie, wie Lack etc."
7*
100 Von der äusseren Haut der Wirbeltliiere.
Ueber die Rolle, welche die verschiedenen Hautdrüsen speziell in
der Lebensökonomie der Thiere spielen , haben wir meist nur mehr
oder weniger begründete Vermuthungen. Die starken Gerüche, welche
von den massig gewordenen Schweiss- und Talgdrüsen ausgehen,
scheinen zum Theil mit dem geschlechthchen Leben in Beziehung zu
stehen, sie mögen vielleicht das gegenseitige sich Auffinden erleich-
tern. — Den Mangel der Schweissdrüsen bei Vögeln haben Berg-
mann und Leuchart unter Anderem mit dem concentrirten Harn
dieser Thiere in Zusammenhang zu bringen gesucht. Uebrigens fehlen,
wie oben gemeldet , auch bei gewissen Säugern die Schweissdrüsen
grösstentheils oder gänzlich. — Das eigenthümlich, bei Pelohates z. B.
nach Knoblauch riechende Sekret der Hautdrüsen vieler Batrachier ist
ein scharfes Gift, das auf unsere Nasen heftig reizend wirkt, auch
manchen Wirbelthieren den Tod bringen kann. {Oratiolet und Gloez
beobachteten, wie schon früher Rusconi, dass der Milchsaft der
Salamander kleinere Vogel unter epileptischen Convulsionen tödtet ;
auch Oemminger hat den tödtlichen Vergiftungsfall eines Sperbers
durch eine Kröte mitgetheilt. Illustr. med. Ztg. I. 1852.)
Auf die Differenz, welche die Lederhaut der Fische und Amphibien in der
Anordnung und Lagerung der Bindegewebsbündel gegenüber dem Corium der
Säuger und Vögel darbietet, hat zuerst liathke (Müll. Arch. 1847) die Aufmerk-
samkeit gelenkt; nähere histologische Angaben über die Fischhaut (Epidermis, Co-
rium, Schuppentaschen, Papillen, Nerven, Schuppen) in m. Aufs, über die Haut
einiger Süsswasserfische (Zeitschr. f. w. Zool. 1851), sowie üb. die Haut u. Schup-
pen des Polypterus (Havers'sche Kanäle, Schmelz der Schuppen etc.) in den histo-
logischen Bemerkungen üb. Polypt. bichir, ebendaselbst 1854. Hinsichtlich der
Haut der Selachier (besonders der „Zahnbeinkugeln in den Hautstacheln") siehe
m. Rochen und Haie 1852.
Manche Autoren wollen in der Haut der Batrachier glatte Muskeln wahrge-
nommen haben. Harless z. B. sagt, dass in der Haut des Frosches ,.höchst regel-
mässig angeordnete glatte Muskeln unter den Pigmentzellen hinstreichen'-S ich sehe
davon auch gar nichts und vermuthe, dass Earless die horizontal geschichteten
Bindegewebslagen, die in Distanzen von den senkrecht aufsteigenden durchbrochen
werden, irrthümlich für Muskeln genommen hat. Ebenso verhält sich die Leder-
haut der Salamandra maculata, die ich noch jüngst wiederholt vor Augen gehabt
habe ; es fehlen auch in ihr die Muskeln ganz bestimmt.
Den histologischen Unterschied der beiderlei Hautdrüsen von Bana temporaria
hat zuerst 7/e?i sc Ae (Zeitschr. f. w. Z. 1854) erkannt, er fand die glatten Muskeln
an den grossen Drüsen und vermisste sie an den kleinen. Auch die Daumendrüse
des Männchens, welche er als eine in der Mitte stehende Form ansieht, beschreibt
er genauer. — liathke (Müll. Arch. 1852) schildert in der oberflächlichen Schicht
des Coriums von C'oecilia annulata eine Menge kugelrunder oder biconvexer Körper
mit einem dunklen runden Fleck in der Mitte. Es sind das, wie ich aus Autopsie
weiss, nichts anders als die kleinen Drüsen. Coecilia zeigt eben sehr deutlich auch
die zweierlei Drüsen der Haut.
Ich habe nach früheren Untersuchungen bei Vögeln (Hülmeni, Tauben, Eulen)
nichts von Schweissdrüsen beobachtet, hingegen erklärt i/eiss« er, dass sich an
den Sohleiifläclien der Klauen des llausliulins und des Puters solche Drüsen finden;
doch hin icli selbst nach neueren Präparationen niclit so glüeklicli, dieser Drüsen
Von der äusseren Haiit der Wirbellosen. 101
beim Puter ansichtig zu werden. — Um die Schweissdrüsen bei Säugern leichter
kennen zu lernen, ist es sehr fördernd, an gekochten Hautstückchen Schnitte zw
machen. Darnach muss ich die von Gurtl in seiner bekannten, sehr schätzbaren
Abhandlung (Müll. Archiv 1835) .mitgetheilten Angaben über Ausmündung der
Schweissdrüsen des Rindes, sowie über Ausmündung und Form der Schweissdrüsen
des Hundes an der behaarten Haut für unrichtig erklären.
Ausführliche histologische Angaben über die Analdrüsen der Säuger in m.
Aufs., Zeitschr. f. wiss. Zool. 1850 S. 109. — Ueber die Hautknochen der Batra-
chier siehe m. Unters, über Fische und Rept. 1853.
Die Schuppen der Fische wurden früher als Epidermisbildungen angesehen
{Heusinger, Äg assiz), bis man sich überzeugte, dass es Hautknochen seien,
vergl. besonders Peters in Müll. Arch. 1841, Wähler (Grundriss der organischen
Chemie 1844) zeigte, dass die Substanz der Fischschuppen sich ähnlich wie Chondrin
verhalte und zugleich 50 % Knochenerde besitze. — Auf die Aehnlichkeit, welche
die Schuppen der Haie und die Hautstacheln der Rochen mit den Zähnen an den
Tag legen, ist von verschiedenen Seiten (durch H. Meyer, Leydig u. a.) auf-
merksam gemacht worden.
Bezüglich der noch obschwebenden Frage , in wie weit sich die Haarpapillen
in die Haare hinein erstrecken , soll erwähnt sein , dass selbst für die Stachelge-
bilde Joh. Müller längere Zeit der Einzige war, der aus seinen Untersuchungen
der Stacheln von Eystrix cristata es für wahrscheinlich hielt , dass die Matrix des
Stachels in denselben sich verlängere, bis Reichert, Br'öcher und Beissner
die Richtigkeit dieser Anschauung bekräftigten.
Dritter Abschnitt.
Von der äusseren Haut der Wirbellosen.
§. 102.
Die Hautbedeckiing der zahlreichen und mannichfaltig ge-
stalteten Wirbellosen variirt in ihrem Bau dergestalt, dass es unmöglich
ist, von ihr nach dem Schema, wie es eben bezüglich der Wirbelthiere
befolgt wurde, zu handeln ; ich vermag nicht über die Ungleichheiten
so Herr zu werden, dass alle Thiergruppen sofort unter einen Gesichts-
punkt zu stellen wären, wesshalb, entgegen der vorausgegangenen
Methode, von den einzelnen Klassen gesondert die Rede sein soll.
§. 103.
Mollusken.
Unter allen Wirbellosen hält noch die Haut vieler Weichthiere Lede,ha„
am ehesten nähere Vergleiche mit jener der Wirbelthiere aus, vor-
züglich desshalb, w^eil die Scheidung in eine bindegewebige Lederhaut
und eine zellige Epidermis ziemlich durchgreift. Die Bindesubstanz
des Coriums zeigt, näher beleuchtet, jene verschiedenen Abänderungen,
deren wir sie fähig kennen. Bei Gasteropoden, Pteropoden, mehr
aus rundlichen Zellen mit w^enig Intercellularsubstanz gebildet, erscheint
102 ^ 011 der äusseren Haut der Wirbellosen.
sie bei Heteropoclen [Carinaria^ Pterotrachea) unter der Form des
gallertigen Bindegewebes , indem verästelte Zellen ein Netzwerk er-
zeugen, dessen Maschenräume eine glaslielle Gallerte füllt. Die zelligen
Elemente können bei dieser Art des Bindegewebes auch fast ganz
schwinden, wie bei manchen Tunikaten, deren Lederhaut sich zwar
morphologisch an das gallertige Bindegewebe anschliesst, aber insofern
die Intcrcellularsubstanz cellulosehaltig ist (Schacht) , bis jetzt eine
merkwürdig isolirte Stellung im histologischen Systeme einnimmt.
Endlich in der Haut der Cephalopoden hat das Bindegewebe nahezu
den Charakter wie das der Wirbelthiere, doch erscheint die gelockte
Zeichnung etw^as steifer gehalten. Nach Einwirkung von Reagentien
treten spindelförmige und verästelte Streifen auf, die an Bindegew^ebs-
körperchen und feine elastische Fasern erinnern, jedoch blässer sind,
als die entsprechenden Gebilde im Bindegewebe der Säuger. Da-
neben zeigt sich auch gallertige Bindesubstanz, ja wird bei manchen
Arten fast überwiegend. Im Mantel der Najaden [Änodonta
cygnea z. B.) ist an den von Muskeln freien Gegenden ein gross-
maschiges Gallertgewebe vorherrschend ; nach dem stark muskulösen
Rande zu verkleinern sich die Maschen.
§. 104.
M..Rkein In die Lederhaut können sich Muskeln innig verflechten (Bival-
ven, Gaster op öden, Cephalopoden), ja können fast den über-
wiegenden Bestandtheil der Lederhaut abgeben, und es erklärt sich
daraus, warum z. B. Schnecken und Muscheln sich so stark
contrahiren und ihre Leibesform so mannichfaltig verändern können.
Hingegen bei Heteropoden und Tunikaten ist die Muskulatur
nicht in die dicke Lederhaut eingewebt, sondern bildet unter ihr ein
besonderes Stratum und damit erscheint auch die Beweglichkeit der
Haut und die Veränderung der Körperform eingeschränkt. Mit Rück-
sicht auf die Beschaftenheit der Muskeln sei angeführt , duss die
Fig. 53.
Haut von Cyclas Cornea: auf dem senkrechten Schnitt das Epithel mit
kürzeren und längeren a Cilien, b die Wasserkanäle, welche das Epithel durch-
setzen, c Muskeln, d Bluträume zwischen ihnen. (Starke Vergr.)
Elemente plattgedrückte Cylinder sind und oft eine ungemeine Länge
erreichen. (Kh konnte an todten Individuen von Poludiiia vivipara
Mollusken.
103
aus der Sohle sie in solcher Länge isoliren, dass es mir wahrschein-
lich wurde, die einzelnen Cylinder seien so lang, als die Sohle selber.)
Sie entsprechen einer einzigen ausgewachsenen Zelle, sind entweder
rein homogen, oder ihre Mitte ist dunkler, die Ränder lichter, indem
sie in körnige Achse und helle Rinde sich geschieden haben. Auch
begegnet man zahlreichen verästelten Cylindern. Bei den Salpen,
wo sie eine reifartige Anordnung haben, sind sie von quergestreifter
Natur und ihr Ende ist zugespitzt.
Die Hautnerven der Weichthiere können nur bei pigmentlosen,
durchsichtigen Thieren, z. B. bei den Heteropoden, verfolgt werden,
wo sich gezeigt hat, dass sie den allgemeinen Charakter der Nerven
wirbelloser Thiere haben, sie sind hell und blass, theilen sich gleich
nach ihrem Eintritte in die glasartig durchsichtige Gallertmasse der
Haut, schwellen dann stellenweise spindelförmig an und haben hier eine
Ganglienkugel eingeschlossen, oder es liegt letztere auch in dem ver-
Fig. 54.
Nerven-
Endstück eines Hautnerven von Carinaria. (Starke Vergr.)
a Verästelung des Nerven, b die eingelagerten Ganglienkugeln.
Blutgefässe.
104 Von der äusseren Haut der Wirbellosen.
dickten Theilungswinkel des Nerven. Die Ganglienkiigel erscheint
im ncatürlichen Zustande wie ein helles, in die feinkörnige Masse der
angeschwollenen Nervenpartie eingebettetes Bläschen , kaum dass in
manchen ein Kernkörperchen sich bemerklich macht. Viel deutlicher
zeigt sich die Zusammensetzung der Ganglienkugel nach etwas Essig-
säurezusatz, indem die Conturen markirter werden, auch ein Nucleolus
jetzt nirgends mehr vermisst wird.
Blutgefässe vom Bau der Capillaren der Wirbelthiere hat man
bisher bloss in der Haut der Cephalopoden wahrgenommen.
§. 105.
Gar manche Mollusken haben Kalkablagerungen in ihrer
Lederhaut, so z. B. Paludina in der Form kugeliger, Helix, Limax
in der Gestalt körniger Concretionen , Polycera, Doris weisen ästige,
CUo ovale oder hneare Kalkgebilde auf. Im Mantel von ßalpa maxima
sollen nach einigen Autoren sich krystallinische Kalkablagerungen
finden , da indessen nur Weingeistexemplare untersucht wurden und
an frischen Salpen Andere dergleichen vermissten, so mochten sich
diese Krystalle wohl erst hintendrein abgesetzt haben.
Der Kalk ist bei Paludina in den Bindesubstanzzellcn enthalten
und scheint wohl noch öfters als Zellen Inhalt aufzutreten, wie auch
aus den Wahrnehmungen Gegenbaur' s über die Entwickelung von
Limax agrestis hervorgeht. Hier lagern sich im Embryo die Kalk-
körnchen in Zellen ab , welche durch die ganze Haut verbreitet sind
und das Aussehen der „Bindezellen" haben. Später „komm6n sie
frei hl die Cutis zu liegen", wahrscheinlich desshalb, weil die Zellen
jetzt ihre Selbständigkeit verloren haben.
Es können ferner mancherlei Pigmente zugegen sein, und auch
sie präsentiren sich meist als Zelleninhalt. Die Pigmente selber sind
wieder verschiedener Natur; der verbreitetste Farbstoft' ist jener
körnige, welcher die verschiedenen Abstufungen zwischen bräunlicher
und tiefschwarzer Färbung verursacht; von ihm verschieden ist ein
anderes körniges Pigment , dessen scharf conturirte Kügclchen bei
auffallendem Licht gelb oder weiss erscheinen, bei durchfallendem
dunkel. (Die Körnchen dieses Pigmentes wurden weder von Essig-
säure, noch von Salz- und Schwefelsäure bei Paludina vivipara an-
gegriffen.) Wieder von anderer Art sind die Elemente der gefärbten
Hautstcllen mit metallischem Schimmer; es sind meist plattenförmige
Kcirpcrchen verschiedener Grösse , die an die Pigmcntflittern des
Mctallglanzes der Fische und Reptilien erinnern. Ausserdem giebt
es noch Pigmente, welche wie gefärbte und starr gewordene homogene
Massen sich ausnehmen und den Uebergang zu den diffusen Pig-
menten vermitteln.
§. 106.
chromito- YAn besonderes Interesse knüpft sich an jene mit Pigment er-
füllten Zellen der Lederhaut, welche während des Lebens abwech-
Pigmeute.
(►Iioron.
Mollusken. 105
selnde Contraktionen zeigen, die sog. Chromatophoren; sie haben
seit Langem die Haut der Cephalopoden berühmt gemacht, denn
von ihnen rührt das bekannte wechselvolle Farbenspiel dieser Thiere
her. Durch Gegenhaur wissen wir, dass auch einige Pteropoden
mit Chromatophoren ausgestattet sind*) und was jetzt einschaltungs weise
mit erörtert werden soll, man hat auch schon öfter, um den sprüch-
wörtlich gewordenen Farbenwechsel des Chamäleon zu erklären, con-
traktile Farbenzellen als die Ursache der Erscheinung vermuthet. In
neuester Zeit ist man auch auf einen ähnlichen, wenn gleich minder
lebhaften Farbenwechsel der Frösche {Hyla, Rana) zuerst durch Ax-
mann aufmerksam geworden und man behilft sich mit derselben Er-
klärung. Dieser Anschauung kann ich mich jedoch nicht fügen, da
die histologischen Verhältnisse bei den Weichthieren und den Reptilien
nicht die gleichen sind. Die Chromatophoren der Mollusken stel-
len Blasen dar, in deren hyalinem Inhalt Pigmentkörner aufgehäuft
sind. Ringsum die Pigmentblasen befestigt sich ehi Kranz von Mus-
kelstreifen. Die Bewegungen der Chromatophoren hat man bis jetzt
so ausgelegt, dass das Uebergehen aus der rundlichen Gestalt in die
gezackte, strahlige Form von den um die Farbenzellen radiär ange-
ordneten Muskeln bewirkt wird, während durch die Elastizität der
Zellenmembran bei erfolgtem Nachlass der Contraktion die ursprüng-
liche runde Gestalt zurückkehrt. Sonach stünden sich kontraktile
Fasern (der Muskelkranz) und elastische Membran antagonistisch gegen-
über. Für die Chromatophoren der Reptilien lässt uns eine solche
Erklärung im Stich, denn es mangeln in der Haut des Frosches, wie
bereits früher erwähnt, die Muskeln, durch welche bei Cephalopoden
und Pteropoden die Farbenzellen ausgezogen werden. Die in Betracht
kommenden dunkelen Pigmentfiguren des Frosches haben, morpholo-
gisch aufgefasst, die Bedeutung von pigmenterfüllten Bindegewebs-
körperchen. Da nun keine Muskeln nachzuweisen sind, welche auf
die Veränderung der Gestalt der Pigmentkörper einwirken können, so
fragt sich, welchem Theil der Bindegewebskörperchen wir die Bewe-
gungsfälligkeit werden zuschreiben müssen? Schwerlich der Membran
derselben, denn abgesehen davon, dass an kontraktilen Zellen nicht die
Membran, sondern der Inhalt die aktiv contraktile Substanz ist, kön-
nen wir der Membran der Bindegewebskörper nur bedingungsweise
eine Selbständigkeit zuerkennen, denn sie ist eben bloss die festere
Grenzschicht des die Bindesubstanz durchziehenden (und in der Histo-
logie mit dem Namen Bindegewebskörperchen belegten) Lückensyste-
mes. Wir werden daher im Hinblick auf die feineren histologischen
Verhältnisse der Chromatophoren der Amphibien zu der Annahme
genöthigt, dass die Formveränderung derselben, das Verschwinden
*) Vielleicht auch manche Schnecken , Cypraea ligris wenigstens ist nach
Broderi]) im Stande, die Farbe zu wechseln.
IOC Von der äusseren Haut der Wirbellosen.
der Ausläufer an den verzweigten „Pigmentzellen" und ihr Kuglig
werden das Resultat einer Contraktion des hyalinen Inhal-
tes der Bindegewebskörperchen ist. Man kann sich vorstellen, dass
er gleich der Substanz, welche am Körper der Amöben und Rhizopo-
den jenes wunderbare und wechselvolle Spiel von Bewegungserschei-
nungen bildet, in Fäden ausfliessen und wieder zu einem Klümpchen
zusammenfliessen kann. Die Pigmentkörner, in diese contraktile Sub-
stanz eingebettet, folgen natürlich den Bewegungen, ja machen das
ganze Phänomen überhaupt erst sinnenfällig. Es scheint selbst, als
ob auch bei den Chromatophoren der Mollusken der Zelleninhalt con-
traktile Substanz sei, w^enigstens wird ausdrücklich mitgetheilt, dass
das Zurückgehen zur kugeligen oder eiförmigen Gestalt in der
hyalinen Inhaltsmasse begründet sei, wobei allerdings die Elastizität
der Zellenmembran mitwirken möge.
§. 107.
Oberhaut. Elue aus isolirbaren Zellen bestehende Epidermis darf für alle
Weichthiere angenommen werden. Nur über die Tunikaten lauten
die Angaben verschieden, die Innenseite des Mantels soll bei Ascidien
ein Plattenepithel haben, Phallusia scheint ein ähnliches auch auf der
äusseren Fläche zu besitzen (^Schacht), während an den Appendicula-
rien niemals ein Epithel wieder an der äusseren, noch inneren Fläche
gesehen wui-dc (Gegenbau7-). (Wäre es w^ohl nicht besser, den Man-
tel der Tunicaten den schaligen Umhüllungen zu parallelisiren ?) —
Die Zellen der Epidermis sind platt , cylindrisch oder Mittelformen zwi-
schen beiden, haben nicht selten pigmentirten körnigen Inhalt, sind auch
mittels diffusem Pigment gefärbt (Zellen des Sipho von Cyclas cornea),
sie können ferner wimpern, und zwar tragen Flimmer haare die Epi-
dermiszellen der ganzen äusseren Hautfläche bei Bivalven und Wasser-
gasteropoden , doch scheinen schon hier einzelne Stellen eine Ausnahme
davon zu machen , ich glaube wenigstens die augentragenden Fortsätze
an der Basis der Fühler an der sonst vollständig bewimperten Paludina
vivip. cilienlos gesehen zu haben. Die Landgasteropoden {HeliXj
Limax, Bulimus, Garocolld) zeigen die Hautflimmerung auf die Soh-
lenfläche beschränkt, bei Limax dehnt sie sich noch auf die Seiten-
wände derselben aus {v. Siehold), Auch die Pteropoden und Hete-
ropoden besitzen nur eine theilweise Hautflimmerung: Hyalea
auf den flottirenden Anhängen, Cym5?</ia am Flossenrand , Firola awi
der hinteren Fläche desNucleus, {Oegenbaur , Leuckart), Atlanta
Lesseurii am Saugnapf {Huxley), während hier Atlanta Peronii und
Keraudrenii nicht flimmern, wohl aber die Haut der äusseren Geni-
talien dieser Thiere, noch fand einer der letztgenannten Forscher
eigenthümliche Wimperorgane an der BaucJiflächc von Pterotrachea.
Die Haut der Cephalopoden ist am ausgebildeten Thicr wimper-
los. — An der Epidermis (Tentakeln, Rand des Fusses) von Lymnaeus
staynalis fällt mir auf, dass zwischen deii sich hcwegcnden Flimmer-
Mollusken. 107
härchen in Abständen unbewegliche Borsten stehen , sie sind hell,
dicker als die Cihen und ungefähr eben so lang wie letztere ! Wenn die
einzelnen längeren Haare, welche nach Lachmann zwischen den
Cilien bei Stentor polymorphus und mehren Turbellarien stehen, eben-
falls starr sind, so möchten sie in dieselbe Kategorie gehören.
§. 108.
Die von mir gemachte Wahrnehmung, dass bei Cyclas cornea Fe'"«
die Epithellage des Fusses von feinen Kanälen durchsetzt ist, durch
welche die Bluträume zwischen der Fussmuskulatur mit der Aussen-
welt in Verbindung stehen, dürfte wahrscheinlich mit der Zeit als
ein allgemeines Phänomen sich herausstellen.
§. 109.
Hautdrüsen in Form einfacher, rundlich-birnförmiger oder läng- Hautdrüsen.
lieber Säckchen, aus bindegewebiger Membrana propria und Sekre-
tionszellen bestehend, scheinen ziemlich verbreitet zu sein. ^e\ Helix
[pomatia) erstrecken sie sich über die ganze Haut und markiren sich
dem freien Auge als gelb weisse Punkte , da ihre Zellen Kalkkörnchen
enthalten. Am Mantelsaume stehen solche Drüsen in gehäufter Menge,
sind auch hier umfänglicher und mit sackigen Erweiterungen versehen-
Limax (ruftis) hat gleichfalls überall Drüsen in der Haut ; ebenso sind
sie am Mantelsaume grösser und zahlreicher; Paludina vivipara lässt
nur an der Unterseite des Fusses Drüsen erkennen. Neben den grös-
seren bezeichneten Hautdrüsen scheint (bei Limax z, B.) noch eine
zweite Art mit kleineren schmalen Drüsensäckchen vorhanden zu sein,
die ein farbiges Sekret liefern. Ganz kleine Individuen von Ancylus
lacustris, welche man unverletzt auf den Rücken gelegt hat, lassen
ringsum am Mantelsaume sehr deutliche retortenförmige Drüsen er-
kennen. Zu den Hautdrüsen kann auch gezählt werden eine in der
Mittellinie des Fusses verschiedener Landgasteropoden liegende, an-
scheinend traubige Drüsenmasse , deren Ausführungsgang ein gerader
unter der Mundöfinung ausmündender Kanal ist. Er wimpert nach
V. Siebold. Unter den Cephalopoden kennt man seit längerer Zeit
Hautdrüsen an den Segelarmen der Ärgonauta (zur Bildung der Schale),
unter den Pteropoden und Heteropoden bei Clio, Pnewnodermon,
Carinaria (am Saugnapf). Zuletzt müssen noch zu den Hautdrüsen
gerechnet werden die Byssusdrüsen von Lithodomus und der
Embryonen von Cyclas. Die flaschenförmigen Taschen an der Spitze
der blattartigen Rückenanhänge von Eolidia und Tergipes scheinen
ebenfalls Hautdrüsen zu sein, deren Sekretionszellen Nesselorgane pro-
duciren. Auch der Tintenbeutel der Cephalopoden, obschon in der
Leibeshöhle gelegen und mit einem langen Ausführungsgang neben
dem After mündend, kann vielleicht hieher gestellt werden. Die Se-
kretionszellen seiner cavernösen Wand sind mit demselben Pigment
gefüllt, w-elche als Tinte den Beutel vollmacht.
Gehänse.
108 Von der äusseren Haut der Wirbellosen.
§. 110.
Schalen und DiB Hallt vlelcr MoUuskeii sclieidet Schalen und Gehäuse ab,
welche nach ihren physikalischen Eigenschaften im gewöhnlichen
Sprachgebrauch bald als „hornig" {Hylea,Cleodora, Atlanta ^ Orbicula,
Rückenplatte von LoUgo), bald als „korpelig" {Cyrnhulia^ Echinospira
Krohn) auch wohl als „gallertig" {Tiedemannia) , am häufigsten als
„knochenhart" (Muscheln, Schnecken, Os sepiae) bezeichnet werden.
Anlangend die Struktur, so haben, abgerechnet von Arion , wo die
Schale zu einem blossen Haufen anorganischer krystalhnischer Mas-
sen herabsinkt, die gedachten Gebilde trotz mannichfacher kleiner
Unterschiede das Gemeinsame, dass sie aus homogener organischer
Grundsubstanz, die schichtenweise abgesetzt ist und chitinisirt er-
scheint, bestehen, mit ihr können sich Kalksalze in geringerer oder
grösserer Menge verbinden. Die Gehäuse der Schnecken (Gasteropoden)
bieten eine Zusammensetzung aus lauter blätterig sich deckenden, mit Kalk
imprägnirten Lamellen dar, wobei der Kalk gewisse , wenn auch wie
verwaschene krystalhnische Zeichnungen ausführt (an den durchschei-
nenden Schalen von Bullaea , Lymnaeus u. a. leicht zu sehen.)
Wahrscheinlich sind von dieser Art auch die Gehäuse von Argonauta
Argo und den Nautilinen. Ebenso haben die Schalen mancher Mu-
scheln durchweg diese einfach blätterig kalkige BeschaiFenheit (Ano-
mia, Pecti7ieen, Cardiaceen), bei vielen andern Muscheln gesellt sich
indessen noch eine Kalkschicht hinzu {Änodonta, Unio, Pinna, Malleus,
Perna etc.) oder wechselt auch wohl mit ersterer ab {Ostrea, Chama
u. a.), die etwas complizirter auftritt und lebhaft an den Zahnschmelz
der Säugethiere erinnert. Sie setzt sich aus kolossalen „Schmelz-
prismen" zusammen, die, pallisadenartig an einander gereiht, bei vol-
lem Kalkgehalt auch noch dieselbe Querstreifung erkennen lassen,
wie die Schmelzfasern des Zahnes. Werden die Kalksalze ausgezo-
gen, so hat man ein System von engverbundenen, senkrecht stehen-
den Säckchen vor sich, deren homogene Wand wieder eine deutliche,
auf Schichtung weisende Querstreifung zeigt. Ebenso wechseln im
Os Sepiae blätterige Schichten mit solchen senkrecht stehenden Kalk-
säulen ab. — Seltener kommt es vor , dass die Schalen der Mollusken
von Kanälen durchzogen werden, so nach Garpenter (schöne Abbil-
dungen in (I. Cyclop. of anat. and phys. Art. Shell) bei Terehratula
(ob bei allen Arten? an Terehratula psittacea scheinen sie mir zu feh-
len), Lingula, Cyclas , wo sie unverästelt, bei Anomia epliippium und
Lima rudis, wo sie netzförmig sind. Auch an den aus den Kiemen
genommenen Jungen von Änodonta cygnea gewahre ich sein- deutliche
Porenkanäle der Schale. Ich habe mich an Cyclas und Änodonta
vergewissert, dass in diesen Schalenkanäk'n keine Kalkerde enthalten
ist, sondern dass sie hohle Räume, wahrschciidich mit Flüssigkeit ge-
füllt, vorstellen. — Der „Sepienknochen" ist porös und soll in seinen
Räumen Luft enthalten, was, wie mir scheint, doch erst festzustellen
Mollusken.
109
wäre, denn der von Swammerdam angeführte Grund ist kaum stich-
haltig-. Man meint, weil der eben aus dem Thier herausgenommene
„Knochen" so leicht sei, dass er auf dem Wasser schwimme, müsse
er auch schon in dem Thiere lufthaltig gewesen sein. Möglich , aber
eben so leicht konnte auch die Luft das Os Sepiae anfüllen, sowie
es mit atmosphärischer Luft in Berührung kam.
Fig. 55.
Senkrechter Schnitt durch Schale und Mantel von Anodonta.
a Cuticula , b Säulenschicht, c Blätterschicht der Schale, d äussei'es Epithel des
Mantels (zwischen den gewöhnlichen Zellen von Stelle zu Stelle grössere helle
Blasen), e Bindesubstanzschicht des Mantels, f inneres Epithel. (Starke Vergr.)
§. 111.
Eine Frage, die histologischerseits besonders betont werden muss^
ist die: in welcher Beziehung steht die Schale zur Haut, ist sie ein
verkalkter Theil derselben und enthält demnach auch verkalkte
zellige Elemente oder muss sie lediglich als ein Absonderungs-
produkt derselben aufgefasst werden? — Schon die gewöhnliche
Beschreibung machtauf den Gegensatz aufmerksam, der zwischen der
Schale eines Arthropoden oder Echinodermen und der eines Mollus-
ken herrscht; man sagt: bei dem Weichthier hängt die Schale mehr
nur dem Thiere an, bei den andern hingegen sehen wir die Haut
selbst erstarrt. Damit steht sowohl die mikroskopische Untersuchung
der fertigen Schale als auch die Art und Weise ihres ersten Er-
scheinens im Embryo im Einklang. Bei Paludina, Cyclas zeigte sie
sich mir in ihrem beginnenden Sichtbarwerden als homogene kalk-
haltige Kapuze des Mantelrückens, im Embryo von Clausilia erkennt
man die erste Anlage der Schale in Form gruppenweise zerstreuter
scharf conturirter kleiner Plättchen kohlensaurer mit organischer Sub-
stanz vereinigten Kalkes ( Gegenhaur), Auch an jüngeren Indi-
viduen von Solen siliqua sehe ich am noch weichen Schalenrand, dass
der Kalk in Kugeln sich absetzt, die sich vergrössern und zusammen-
Cuticula.
110 Von der äusseren Haut der Wirbellosen.
fliessend an die bereits fertige verkalkte Partie sich anschliessen. Wäh-
rend sich demnach nirgends eine Zusammensetzung oder ein Auf-
bau aus kalkhaltigen Zellen nachweisen lässt und o bschon die Kalk-
säule bei Muscheln und Cephalopoden so wenig als die Sclnuelzfasern
des Zahns für unmittelbar verkalkte „Epithelzellen" gelten können,
so müssen doch die zunächst an sie grenzenden Zellen der Mantel-
haut sowohl im Embryo als in späterer Zeit für die kleinen Apparate
gelten, welche die Schale secerniren : es kann die von ihnen gelieferte
homogene Schalensubstanz weich bleiben, was seltner geschieht (Tiede-
mannia z. B.), häufiger wird sie härter durch den Chitinisirungsprozess
und imprägnirt sich noch, ebenfalls von den Zellen her mit Kalk und
Pigment. Dergleichen schalensecernirende Epithelzellen können auch,
um an bestimmten Stellen gehäuft zu stehn, die Bildung von Hautdrüsen
hervorrufen, wie es z. B. vom Mantelrand vieler Gasteropoden, von den
Segelarmen der Argonauta Argo bekannt ist.
§. 112.
Homogene Voii Bedeutunff däucht mir ferner , dass vielen Muscheln und
Schnecken noch eine die Epidermiszellen überdeckende Cuticula
zukommt, die wir in verschiedenen Zuständen einer geringeren oder grös-
seren Selbständigkeit finden können. Häufig weist sie sich, obschon einen
hellen dicken Saum am freien Rande der Zellen vorstellend , bei Zusatz
von Reagentien nur als das En^unble der homogenen, verdickten Zellen-
enden aus, an andern Stellen aber (z. B. am Sipho und Mantelsaum der
Muscheln) lässt sie sich als wirkliche, glasshelle Membran, die Flimmer-
härchen tragend, in grosser Ausdehnung abheben. Und was weiter zu
berücksichtigen ist : es erstreckt sich bei den Muscheln eine stärkere,
chitinisirte Fortsetzung der Cuticula über die freie Fläche der Schale
weg, so dass letztere, genau genommen, zAvischen den Epidermiszellen
und der Cuticula liegt ; ähnlich dürfte es auch bei vielen Schnecken-
häusern sein, denn ich vermag z. B. an den kalkhaltigen Haaren von
Helix hirsuta und H. ohvoluta (hier haben die Haare noch kleinere
Auswüchse) durch Essigsäurebehandlung eine zarte, homogene Lamelle,
d. Ji. eine Cuticula zu isoliren. Man könnte somit auch die Ansicht ver-
theidigen, dass die Schale selbst jener Mollusken, bei denen sie gemein-
hin eine äussere genannt wird, eigentlich doch in der Haut liege.
Bei einem Pliimeigen zu dieser Aufiassung der Dinge ist gewiss auch
die Beobachtung Gegenhaurs von Belang, dass die Bildung der Schale
bei Ciausilia innerhalb der als Mantel zu deutenden äusseren Partie der
Rückenplatte vor sich geht und erst durch Zurückweichen eines Zellen-
überzuges nach aussen kommt. Man kami somit in allen diesen Struk-
liir- und Eutwickluiigsverhältnissen einen Uebcrgang zu den unterhalb
(kr Lederhaut befindlichen Schalen (Cymhulia, ßullaea, Limax, Sepia
u. a.) erblicken.
Zu den Culiculaihildiingcii iiiuss auch der bei \iel('n Gehäus-
schnecken auf dem Rücken des Schwanzes aufsitzende Deckel oder
Operculmn gezählt weiilen; er ist entweder bloss aus chitinisirten Lagen
Artliropodcn. 1 1 1
zusammengesetzt {Paludina z. ß.) oder die Lagen sind mit Kalk im-
prägnirt {Turbo z. B.). — Vielleicht reihen sich auch (was noch zu
untersuchen ist) die Krallen von Onychoiheutlns, die „hornigen''
Ringe an den Saugnäpfen von Loligo, Sepia in die Gruppe der verdick-
ten und chitinisirten Cuticularprodukte ein.
§. 113.
A r t h r o p öden.
An der Haut der Insekten, Spinnen und Krebse fällt die Hautpauzer.
Scheidung in eine bindegewebige Lederhaut und zellige Epidermis weg
und statt dessen hat man bei allen eine chitinisirte äussere Lage,
die den eigentlichen Hautpanzer bildet (Epidermis der Autoren) und
darunter eine weiche, nicht chitinisirte Haut (Corium der
Schriftsteller), die mit dem interstitiellen weichen Bindegewebe des Kör-
pers zusammenhängt, während nicht minder die harte Schale sich con-
tinuirlich in innere chitinisirte bindegewebige Theile, Sehnen z. B.,
fortsetzt. Es hat die Chitinhaut bei zarteren Thieren (Rotatorien und
andere niedere Krebsformen, Dipterenlarven etc.) das Aussehen und
die Beschaffenheit einer homogenen Cuticula , bei Stärkerwerden des
Hautpanzers erscheint die Chitinhaut aus regelmässig übereinander
geschichteten Lamellen zusammengesetzt. Ein fernerer allgemeiner
Charakter des chitinisirten Hautskelets giebt sich darin kund, dass es
bei einiger Dicke immer mit Porenkanälen versehen ist, die sehr
allgemein von zweierlei Art sind, feine und stärkere, sie durchsetzen
senkrecht die Chitinlamellen, behalten entweder den gleichen Durch-
messer oder sind an ihrer äusseren Mündung ampullenartig erweitert
(z. B. bei PorcelUo, Oniscus, Locusta, Forßcula u. a.), seltner an beiden
Enden {Ixodes testudinis z. B.), die feinen Porenkanäle verästeln sich mit-
unter deutlich (z.B. an Julus, Phalangium u. a.). Durch die Porenkanäle
werden die Schichten der homogenen Grundsubstanz, ähnlich wie das
Bindegewebe der Wirbelthiere, durch die Bindegewebskörperchen in
cylindrische Abtheilungen gesondert, welche den „Bindegewebsbün-
deln" entsprechen. Der Inhalt der Porenkanäle ist nicht überall der
gleiche , in die grösseren erheben sich zarte papillenartige Fortsätze
der unter der Chitinhaut gelegenen weichen Schicht, häufig scheinen
sie nur von einem hellen Fluidum gefüllt, seltner sind sie lufthaltig
(z. B. bei Ixodes testudinis, in so weit die Haut weiss-grau gefärbt
Fig. 5G.
Hautschnitt von Locusta viridissima. (Starke Yergr.)
a Chitinhaut mit den Fox'enkanälen. b weiche, nicht chitinisirte Lage, c Haare.
112 Von der äusseren Haut der Wirbellosen.
ist, bei Hydrometra paludum hat der Silberglanz der Unterseite in
dem Luftgehalt der Porenkanäle seinen Grund.)
§. 114
Die freie Fläche des Hautpanzers zieren mancherlei Zeich-
nungen und Sculpturen, sehr gewöhnlich (bei vielen Krebsen, Cepha-
lothorax und Extremitäten der Spinnen , zahlreichen Insekten) gewahrt
man polygonale Felder, die lebhaft an Zellen erinnern, sie können
sich auch emporwölben, allseitig oder einseitig, so dass sie zu Höckern
und Schuppen werden und was in Anbetracht der Frage, ob denn
wirklich , wie Manche wollen , dergleichen zellige Zeichnungen als
der Ausdruck eines genuinen zelligen Epidermisüberzuges angesehen
werden dürfen, von Belange ist: es erleiden die felderartigen Linien
gar manche Abänderungen , die sich nicht mehr ins Zellenschema
schicken ; sie erzeugen z. B. bei Dytiscus striatus Netze, deren Räume
ungleich gross und ungleich gestaltet sind, mit einzelnen für sich
endenden Ausläufern. Beim Maikäfer hat die Oberfläche der Flügel-
decken anstatt einer zelligen Zeichnung zierhche sternförmige Fi-
guren, an der Unterfläche eigenthümliche Höckerchen etc. Am Ab-
domen der Arachniden machen sich anstatt zelliger Felder sehr regel-
mässige wellenförmige Linien bemerklich, welche die Basis der Haar-
auswüchse umkreisen , was auch auf der Cuticula der Larve des
Ameisenlöwen [Myrrneleon formicarius) wenn auch in roherer Ausfüh-
rung wiederkehrt. Da ich nun niemals, mochte auch die Zeichnung
noch so sehr einem Pflasterepithel ähnlich sehen, wirkliche Zellen ge-
winnen konnte , so betrachte ich den ganzen Panzer als chitinisirte
Bindesubstanz und glaube in den Porenkanälen die Aequivalente der
Bindegewebskörperchen zu erblicken.
Nicht minder sind die mancherlei schuppen- und haarartigen
Auswüchse des Panzers (sehr eigenthümliche Formen bei Polyxenus
z. B.) homogener Natur und keineswegs aus Zellen gebildet; sie
sind häuflg einfach oder gekammert hohl und sitzen allzeit oberhalb
der Oefl^'nung grösserer Porenkanäle, so dass das Lumen beider in
einander übergeht. Nicht selten sind die Haare und Schuppen bei
Spinnen {Salticus, Cluhiona claustraria, Arten von Epeira, Theridium)^
die Schuppen mancher Schmetterlinge {Lijparis, Pontia u. a.) lufthaltig
und dann glänzend weiss. Beim Maikäfer, wo die feinen Haare der
Flügeldecken, der Bauchschienen etc. etwas schüppchenartig verbreitert
und ebenfalls lufthaltig sind, ist die Luft in ihnen in ähnlicher klein-
blasiger Art eingeschlossen , wie iu manchen Tracheenformen der
Spinnen. Die auttallcnde kreidewcisse Farbe der Flecken zur Seite
des Abdomens rührt von dem Luftgchalt der hier dicht stehenden
Schüppchen her. Die vielen weissen Flecken des Melolontha fullo,
den ich nicht selbst untersuchen konnte (er ist hier überaus selten),
siiul sicher ebenso lufthaltig. Wenn die Haare einen bedeutenden
Dickendurchmesser haben , wie z. B. die Haare der llaupe von
Arthropoden. 113
Sahirnia , so kann man an ihnen gleich der ganzen äusseren Be-
deckung die beiden Hautschichten unterscheiden, die liomogene Cuti-
cula und darunter eine pigmentirte Zellenschicht , eine Fortsetzung
der weichen Hautlage, von der gleich nachher die Rede ist.
Die Flügel und Flügeldecken der Insekten zeigen, wie man
besonders gut an Puppen sich belehren kann , den Bau von Haut-
duplicaturen. Zu äusserst liegt die Chitinhaut, dann kommt die
weiche (bei Puppen aus klaren Zellen zusammengesetzte) Lage. Zu
innerst verlaufen Tracheen und bleiben grössere Hohlräume zwischen
derDuplicatur übrig, so haben sie die Function von Bluträumen, was man
an den weicheren Flügeldecken verschiedener lebender Käfer, z. B. von
Melolontha, am leichtesten von Lampyris überzeugend sehen kann. Beim
Maikäfer werden die Tracheen der Flügeldecken noch von Fettkörper-
streifen begleitet. In den weichen Flügeldecken von Cantkoris mela-
nura gewahre ich auch noch blasse, mit den Tracheen verlaufende
Stämmchen, die mir Nerven zu sein scheinen.
Der Chitinpanzer nimmt bei vielen Krustenthieren, und zwar, in
so weit meine Erfahrungen reichen, bei Dekapoden , dann bei Por-
celUo, Oniscus , Armadillo , Sphaeroma, Julus (nicht bei Gammarus,
Polyxenus , Scolopendra, Ärgulus , Phyllopoden, Lernaeen, CaUgus,
Entomostraca), sowie nach den Mittheilungen Zenkers bei den Ostra-
koden phosphorsauren und kohlensauren Kalk ayf und erstarrt da-
durch noch mehr. Beachtenswerth dürfte sein, dass die Kalkablagerung,
wie ich mich überzeugte, nur in der homogenen Grundsubstanz Statt hat
und die Kanäle davon frei bleiben. — Die Schalen der Cirripeden
stimmen in der Struktur und chemischen Zusammensetzung mit denen
der Bivalven überein (C Schmidt). Ein Schalenstück von Lepas
anatifa , das ich mit Essigsäure behandelte , bestand aus einer ver-
kalkten Cutictda und der darunter liegenden eigentlichen Schalen-
substanz. Letztere war nach Auszug der Kalksalze eine homogene,
feingranuläre Schicht, in der regelmässig Linien nach der Länge ver-
liefen , die von Stelle zu Stelle durch quer ziehende unterbrochen
wurden, so dass man allerdings an wagrecht liegende „Kalksäckchen"
erinnert wurde. *
§.115.
Die weiche, nicht chitinisirte Haut unterhalb des Panzers ^weid
muss gleichfalls der Bindesubstanz zugezählt werden. Genauer auf
ihre Textur besehen, zeigt sie dieselben Variationen, in welche das
Bindegewebe überhaupt bei Wirbellosen abändern kann. Bei der
einen Art wird sie fast nur aus mehr oder weniger deutlichen Zellen
zusammengesetzt (so häufig bei niederen Krustenthieren, z. B. an den
Greiforganen von Branchipus, bei Salttcus, Locusta u. a.), bei anderen
Arten oder an anderen Körperstellen verwischen sich die Zellenlinien
und man hat nur klare Kerne innerhalb einer feinkörnigen Z wischen -
masse; ist jedoch zugleich Pigment vorhanden, so wird das Bild einer
Leydig, Histologie. g
Hautschicht.
114 Von der änsseren Haut der Wirbellosen.
zelligeii Zusammensetzung, dadui'ch wieder angeälmlicht , dass die
Pigmentkörner , sich um die Kerne gruppirend , zellige Bezirke ab-
marken. Bei den höheren Krebsen [Astacus z. B.) hat gedachte Haut
entweder die Beschaffenheit von gewöhnlichem , nur etwas steifem
Bindegewebe, in welchem nach Kalilauge Bindegewebskörperchen in
Form von länglichen, schmalen Lücken zum Vorschein kommen, oder
es hat die Natur von gallertiger Bindesubstanz. Dann sieht man ein
verschieden grosses Maschengewebe, dessen Gerüst in den Knoten-
punkten schöne, grosse Kerne besitzt und in den Hohlräumen eine
helle Gallerte einschliesst. — In dieser Haut finden sich bei einigen
Krustcnthieren (Porcellio. Gammarus) noch eigenthümliche, mir nicht
klar gewordene Gebilde, rundliche oder birnförmige, das Licht stark
brechende Körper, innen granulär, aussen homogen streifig (Kalk-
concretionen?)
Fig. 57.
'igniente.
Die weiche Haut unter dem Panzer vom Flusskrebs.
a blaues Pigment aus Krystallen bestehend. (Starke Vergr.)
§. 116.
H»»t- Die mancherlei Pigmente der Haut können diffuser oder körniger
Natur sein und bald in der Chitinhaut, bald in der weichen Schicht
oder in beiden zugleich untergebracht sein. In der grünen Raupe von
Sphwx ocellata z. B. liegt die grüne Farbe unter der Chitinhaut,
letztere ist ganz farblos ; anders bei der Raupe von Papilio Machaon,
wo die intensiv rothen und schwarzen Flecken der Cvticula selber
innewohnen und nur die gelbe Farbe der unter der Chitinschicht
liegenden Haut angehört. An der Raupe von Saturnia carpini liegen
die grünen, braungelbcn und schwarzen Farbkörncr alle unter der
Cvtictda. Wenn auch überhaupt der P.tnzer bei Spinnen , Insekten
luid Krebsen häufig durch die verschiedenen Schattirungen des Braunen,
Schwarzen, Grünen etc. gefärbt ist, so dürfte doch die Hauptmasse
des Pigmentes an die weichere Ilautlage gebunden sein. Von den
rothen, blauen und goldglänzenden Pigmentirungen des Flusskrebses,
welche meist in verzweigten ÄLassen auftreten, verdient besonders die
blaue in Anbetracht ihrer Elementartheile einer eigenen Erwähnung,
da sie ausser feinen Punkten nus blauen Krystallen besteht. Sie ver-
gehen schnell in Kalilösnng, während die Körnchen ck's rothen Pig-
mentes darin ausharren. (Wie ich aus Carus Jahresb. f. Zootomie
ersehe, hat bereits vor mir Focillon auf die „prismatischen Krystalle"
dieses blauen Pigmentes aufmerksam gemacht.)
Arthropoden.
115
Contractile Elemente oder Muskeln, welclie eigens zur Be-
wegung der Haut bestimmt wären, mangeln den Arthropoden, obschon
alle Stammmuskeln sich an die Innenfläche des Hautskelets ansetzen.
Ueber die Eigenthümlichkeiten; welche die Hautnerven darbieten, siehe
-Tastwerkzeuge. "
§. 117.
Die Hautdrüsen, welche mehreren Arthropoden zukommen,
repräsentiren sowohl einzellige Formen (bei Ärgidus, Caligus, Doridi-
cola, vielleicht auch bei einigen Katern), indem eine einzige Zelle und
ein von ihr abgehender Ausführungsgang die ganze Drüse bildet, oder
es sind mehrzellige Formen, wohin die Glmidulae odoriferae gehören;
bei Pentatovia z. B. zeigt die Drüse eine zarte homogene T. propria,
dann mit bräunhchen Körnern erfüllte Sekretionszellen, endlich nach
innen eine sich stark runzelnde homogene Intima'^ ferner reihen sich hier
an die Drüsen, mit denen die Haut der haarig bedeckten Raupen ausge-
stattet ist, sie bestehen aus einer homogenen T. lyropria und einigen Sekre-
tionszellen, die sich durch ihre verästelten Kerne auszeichnen; das Sekret
Hautdrüsen.
Fig. 58.
Zwei Hautdrüsen von Argulus foliaceus. (Starke Vergr.)
wird constant in die über ihnen stehenden hohlen Haare entleert. Da nun
an den stärkeren Haaren, z. B. der Raupe von Saüirnia carpini feine
Porenkanäle bis in den centralen Raum des Haares dringen und be-
kanntlich beim Anfassen eines solchen Thieres leicht äusserlich an den
Fig. 59.
Hautdrüsen der Raupe von Bombyx rubi. (Starke Vergr.)
a Hanre, b Chitinbaut mit den Porenkanälen, c weiclie Hautlage, d Driisensäckchen.
8*
116
Von der äusseren Haut der Wirbellosen.
Haaren sich ein Sekrettröpfclien ansammelt, so darf man annehmen,
dass das FJuidum durch die Porenkanäle meinen Weg nahm. Die
Foraminu repugnatoria an den Seiten der Körperringel der Myriapoden
führen, wie Savi und Burmeister zuerst richtig sahen, in birn-
förmige Hautdrüsen , welche sich mir an einer Julusart folgender-
maassen darstellten. Das Drüsensäckchen hat eine zarte Tunica
'pro'pria und nach innen von ihr die hellen (bei Jidus terrestris und
sahulostcs bräunlichen) Sekretionszellen , welch letztere von einer
homogenen Intnna überdeckt werden , die stärker ist als die Tunica
propria , sich sehr gern in Falten legt und dadurch auch im Aus-
führungsgang eine Art Querstrichelung hervorruft. Das Sekret ist
zunächst der Intima eine hellgelbliche Flüssigkeit, mit einzelnen fett-
ähnlichen Tropfen, zu iimerst häuft sich das Sekret als eine intensiv
gelbe, stark contui'irte zähflüssige Masse an, die in Essigsäure unver-
ändert bleibt, nach Zusatz von Kalilauge aber dunkelgrün wird.
Fig. 60.
At-i
a
b
Hautdrüse von Julus.
A Aeussere verkalkte Haut mit den Porenkanälen und der Drüsenmündung.
B Das Drüsensäckchen: a Tunica i>ropria (ist auf dem Holzschnitt nicht genug
hervorgeliohen), b Sekretionszellen, c Intima, d Sekret. (Starke Vergr.)
Eine besondere Lage sehr entwickelter mehrzelliger Hautdrüsen
bemerkt man auch beim Flusskrebs. Ich finde nämlich, dass an der
Schale des Cephalotborax, namentlich wo sie die Kiemenhöhlen über-
wölbt, die weiche Hautlage luich innen ein eigenthümliches dickliches
Aussehen hat, was von Drüsengruppen herrührt, die, wenn sie etwas
vereinzelter zu liegen kommen, schon für das freie Auge als weissliche,
gelappte Massen von der hellen gallertigen Hautlage sich abheben.
Auf den feineren J3au untersucht (wobei wegen ihrer Weichheit das
Deckglas zu vermeiden ist), zeigen sie einen annähernd tiaubigen Um-
riss, die Sekretionszellen von (Jylinderform sind dicht erfüllt von fein
granulärer Substanz und das Lumen der Drüse schien mir von einer
zarten Litiraa ausgekleidet zu sein. Die Drüsen münden nach innen,
gegen die Kiemenhöhle zu und am gekochten Krebs lebhaft weiss
werdend, stellen sie das vor, was man gemeinhin „Krebsbutter'' nennt.
Arthropoden. 117
Für Hautdrüsen müssen auch jene fülilfadenartigen Organe an-
gesprochen werden, die verschiedene Raupen , wie Fapilio asterisa,
P. machaon u. a. hervorstrecken können, wobei ein stark riechender
Stoff mit entleert wird. Im ausgestülpten Zustande unterscheidet man
zu äusserst eine äussere homogene Haut, die Fortsetzung der Cuücula
der allgemeinen Bedeckung, darunter kommen grosse Zellen mit gelb-
körnigem Inhalt und über ihnen ist die homogene Haut zu einem
stumpfen Stachel ausgezogen. (Wenn dieser durchbohrt sein sollte,
worüber jedoch meine an Pap. machaon gemachten Notizen nichts aus-
sagen, so müssten die Zellen einzelligen Drüsen gleichgesetzt werden.)
Bei Papi'lto asteri'as, wovon Karsten sehr naturgetreue Abbildungen
gab, sind die Zellen in der Gegend, wo der Fühlfaden sich gabelt,
von etwas anderer Beschaffenheit, und Karsten spricht diese Partie
allein als „drüsigen Körper" an, während er die anderen als Farbstoff
enthaltende Zellen bezeichnet. Mir scheinen die beiderlei Zellen für
Sekretzellen gelten zu müssen, deren Absonderungsprodukt zusammen
den spezifischen Geruch verbreitet. Im eingestülpten Zustande ent-
spricht die im ausgestreckten Organ äussere homogene Haut einer
starken Intima, welche die Sekretionszellen überdeckt, und letztere
selber sind vergrösserte und umgewandelte Abschnitte der unter der
Chitinhaut (Pergamenthaut, Karsten) befindlichen zelligen Lage. Der
eben genannte Autor lässt sowohl das Einstülpen, als auch das Hervor-
strecken des Schlauches durch Muskehi geschehen ; wie aber die von
ihm gezeichneten Muskeln den Schlauch zum Ausstülpen bringen
sollen, kann man sich kaum vorstellen, und es ist mir wahrscheinhch,
dass durch Eintreiben von Blutflüssigkeit aus der Körperhöhle das
Ausstülpen erfolgt. Die an der Spitze angebrachten Muskeln besorgen
bloss das Zurückziehen des Apparates. Die Anheftung der Muskeln
an die Haut geschieht, wie auch sonst häufig, durch chitinisirte
Bindesubstanz, die continuirlich in die Cuticula sich fortsetzt.*)
§. 118.
Im Anschluss an die Hautdrüsen darf hier noch jener Drüsen-
formen gedacht werden, welche sonst unter der Aufschrift ,,beson-
dere Absonderungs organe" als Gift- und Spinndrüsen, After-
drüsen etc. zusammengefasst werden. Sie sind hier zu den Hautdrüsen
gerechnet ungefähr in dem Sinne , wie man die Milchdrüsen der
Säuger Hautdrüsen nennen kann. Die Giftdrüsen der Spinnen
zeigen eine homogene Tunica pi'opria, am Ausführungsgang dicker
als am Follikel, um sie herum geht in Spiraltouren eine dicke Lage
*) Hiebei mag auf die Käfergattung Malachius aufmerksam gemacht sein, die
bekanntlich, wenn sie gereizt wird, aus den Seiten des Halses und des ersten Hin-
terleibsringes zackige Bläschen aus- und einziehen kann. Man darf vermuthen,
dass der Bau dieser Gebilde ähnlich ist, wie an den fühlerartigen Organen der
genannten Raupen.
1X3 Von der äusseren Haut der Wirbellosen.
quergestreifter Muskeln {Epeira, Chibiona, Mygale, Ärgyroneta) , die
sich aber nicht auf den Ausführungsgang- erstreckt. In die Muskel-
schicht, welche nach aussen eine zarte bindegewebige Hülle hat, verliert
sich ein deutliches Nervenstämmchen. Der Giftapparat der Skorpione
hat ebenfalls die Muskelschicht. Nach innen kommen die Sckretions-
zellen, sie sind cylindrisch und ziej-nHch lang, ihren Inhalt bilden
eiweissartige, schwach glänzende Kugeln, lieber die Zellen weg
geht nach H. Meckel eine feine Intima. An den Spinn drüsen der
Araneen unterscheidet man immer eine Tunica propria, dann die
Zellen und zu innerst eine deutliche Int'mia, die in den Ausführungs-
gängen eine ganz beträchtliche Dicke erlangen kann. Die Gift-
drüsen der Insekten haben einen interessanten Bau, dessen Kennt-
niss ^^^r H. Meckel verdanken. Bei Vespa Crabro bildet eine Tunica
propria von grosser Feinheit das Drüsengerüst, sie trägt eine dicke
Lage von Zellen, aus denen feine Röhrchen (Ausführungsgänge der
Zellen) nach der Tunica intima des ganzen Follikels laufen. Aehnlich
ist der Bau bei der Biene, nur scheinen hier aus einer Zelle immer
mehrere der feineren Ausführungsgänge hervorzukommen. Die Drüse
der rothen Ameise zeigt das gew^öhnliche Schema der Struktur, es
fehlen die für die einzelnen Drüsen bestimmten Gänge. Meckel und
Karsten haben auch die After drüsen mehrerer Käfer untersucht,
bei Dytiscus marcjinalis wiederholt sich die mehrfach beschriebene
Zusammensetzung, man hat zu äusserst eine homogene Tuvica propria^
zu innerst eine homogene Tunica inti7na und der Raum zwischen bei-
den ist von den Sekretionszellen ausgefüllt. An den Explodirdrüsen
des Braehinus erscheint nach der Darstellung von Karsteoi die In-
tima durchlöchert, so dass für jede Sckrctionszelle eine besondere
Oeftnuug zugegen ist. Zu den homogenen Häuten und Zellen gesellen
sich in dem behälterartig erweiterten Abschnitt des gemeinsamen Aus-
führungsganges quergestreifte Muskeln.
§. 119.
W ü r m e r.
Die Haut der Würmer ist nicht von einerlei Art, was kaum
Wunder luihmen darf, da dieser Abtheilung die verschiedensten Ge-
schö])fe zugerechnet werden, ohne dass ein wirklich einheitlicher
Charakter sie zusammeidiielte.
stu.dei- Bei den Turbellarien bildet die Rinde der mit Muskeln tlurch-
flochtenen gemeinsamen l^indesubstanz des Körpers das Analogon der
Lederhaut. Diellautmuskeln sind entweder rein homogen, üderman sieht
eine Scheidung in helle, homogen bh^ibende Rinden- und feinkörnige
Axensubstanz, weiterhin erkennt man Cylinder, die eine Art quer-
gestreifter Zeichnung darbieten , indem sie aus in einander geschobenen
keilförnn'gen Stücken bestehen. Auf die Lederhaut folgt ein durchweg
Hiiunierndes Epithel, (bei der Aidiangsgruppe der Turbellarien, den
Ichthydinen ein auf die Bauchfläche beschränktes), in dessen Zellen
Würmer. 119
Gebilde speclfisclicr Art, die unter dem Namen Stäbchen undNes-
selorgcane bekannten Körper eingeschlossen sind. Man hielt sie
früher für eine Eigenthümliclikeit der planariciiartigcn Strudelwürmer,
weiss jetzt aber, dass sie auch an der Innenfläche des Rüssels von
Nemertinen (71/. Müller) vorkommen. {Leuchart beobachtete sie eben-
falls in der Körperhaut einer Nemertes.) Die Stäbchen nehmen in Kali-
lauge scharfe Conturen und eine gelbe Farbe an und sind entweder
ihrer Form nach einfache gerade oder auch halbmondförmig gekrümmte
Gebilde, oder längsovale Körper ohne Haaranhang; zeigen sie sich
noch mit einem im Innern ruhenden und hervorstülpbaren Haaran-
hang ausgerüstet, so tragen sie den Namen Nesselorgane (am Rüssel
von MecTcelia, im Körper von Microstomum lineare, wo übrigens, wie
ich sehe, ähnlich wie bei den Hydren zweierlei Nesselorgane vorkommen,
die grossen „krugförmigen" nämlich und die kleineren von einfach
ovaler Gestalt, beide ziemlich vereinzelt und die letzteren meist paar-
weise zusammenliegend, beiden „krugförmigcn" erscheint der hervor-
geschnellte Faden mit Widerhaken.) Eine Uebergangsbildung von
Stäbchen zu Nesselorganen repräscntiren die Stäbchen der (Jonvoluta
Schdtzü, da in jedem eine feine starre Nadel eingebettet liegt, welche
durch Druck herausgetrieben werden kann {Schlitze). Nach demselben
Autor enthält die Haut bei Stdonia elegans statt der Stäbchen ansehn-
liche Körper, drehrund, knorrig und etwas gebogen aus kohlensaurem
Kalk. (Sollten diese wirklich in den Zellen der Epidermis und nicht
vielmehr in der Lederhautschicht liegen und den Kalkkörpern der
Cestoden, Mollusken und Strahlthiere entsprechen?)
§. 120.
Die Cestoden und Trematoden besitzen eine deutliche ho- cestode«.
mogene Cuticula als äusserste Grenze, (an einem Bothriocephalus des Trematoden
Salmo salveliiius schien sie mir von Porenkanälen durchsetzt zu sein)
darunter eine Zellenschicht, mitunter pigmentirt. Beide zusammen ent-
sprechen einer Epidermis, die Cuticula verdickt sich zu mancherlei
Stacheln, sowie zu grösseren „hornigen^^ Hacken und Gerüsten (Hacken-
kranz der Cestoden, die Bewaffnungen des Oyrodactylus, des Diplo-
zoon u. a.). Zählt man mit M. Schultze das sonderbare Myzostomum
zu den Trematoden, so ist es das einzige Thier dieser Gruppe, welches
Hautwimperung trägt. Die oftmals mit geschichteten Kalkkugeln ver-
sehene Lederhaut grenzt sich nicht scharf vom übrigen Leibesparen-
chym ab und ist mit Muskeln durchflochten. Mitunter scheinen auch
Hautdrüsen nachweisbar zu sein, ich glaube wenigstens in der Saug
Scheibe von Äspidogaster conchicola einzellige Hautdrüsen, welche aus
rundhchem Bläschen und ziemlich langem , schmalem Ausführungs-
gang bestanden, w\ahrgenommen zu haben.
§• 12L
Auch die Annulaten weisen eine Cuticida auf, einfach glatt Emgei-
z. ß. bei Nephelis, Haemojns, Sangutsuga , zierlich der Länge und '^"'"*''-
120 Von der äusseren Haut der Wirbellosen.
Quere nach gestreift bei Piscicola , Lumlricus , in Höcker sich er-
hebend bei Clepsme u. s. f.
Cuticularentwickkmgen sind die mancherlei Haare und Borsten,
die entweder rein homogen sich darstellen, oder bei einiger Dicke eine
gewisse Scheidung in Rinden- und Axensubstanz nebst einer feinen
longitudinalen Streifung {Eunice, Aplirodite) erkennen lassen. Die
schuppenartigen Hautanhängsel von Aplirodite sind nicht blosse Cuti-
cularverdickungen, sondern Duplicaturen der Haut. Unter der Cuticula
folgt die zellige, häufig pigmentirte Epidermis, deren Zellen mitunter
(z. B. Fiscicola) von zweierlei Art sind , kleine und viel grössere,
welch letztere an die Schleimzcllen der Fisch-Oberhaut erinnern ; in
seltenen Fällen enthalten die Zellen Nesselstäbchen {Chaetopterus nach
M. Müller). Auffallend ist, dass man zwischen den rundHch-
eckigen Epidermiszellen bei Piscicola stark verästelte Pigmentzellen
gewahrt. Die sehr muskulöse Lederhaut ist bei Piscicola, Clepsine
durch schöne Fettzellen ausgezeichnet.
Hautflimmerung erscheint bei den iVnnulaten spärlich; man
kennt Beispiele von theilweisem Flimmerbesatz an Podyoplithalmus,
Nereis , Spio , Serpula. Bei Bonellia , welche mit den Sipunculiden
eine Uebergangsfamilje von den Echinodermen zu den Würmern
bildet, wimpert die Haut an den Armen des Rüssels (Hchmarda)
und an den Bryozoen , wenn man sie mit Leuchart u. A. zu den
Würmern stellt , wimpern die Fangarme (der mantelähnliche Haut-
sack , in welchem der Darmkanal aufgehängt ist , besteht aus einer
homogenen Cuticula und der Zellenlage darunter) ; auf der Haut einer
neuen von Busch beschriebenen Sayitta liegt hinter dem Kopf auf
dem Rücken eine wimpernde Platte.
Einzellige Hautdrüsen sind bei vielen Annulaten {Piscicola^
Clepsine, Nephelis u. a.) vorhanden. (Es mag hier eingeschaltet sein,
dass, gleichwie sich im Fussnapf von Branchellion noch sekundäre,
kleine Saugnäpfchen finden, man auch am Kopfende von Branchiohdella
astaci ungefähr sechs ähnliche, nur bei starker Vergrösserung sicht-
bare Saugnäpfchen beobachtet.)
§. 122.
«'""'- Sehr eigcnthümlich verhält sich die Haut der Nematoden,
Acantho cephalen und Gordiaceen, indem sie sich vom übrigen
Leibesparenchym streng abgeschieden hat. Die Lederliaut ist eine
dicke Hülle, die, ähnlicli den ., Glashäuten*' höherer Thiere , aus
homogenen Lamellen einer hellen Bindesubstanz besteht. Darüber
kommt eine „Faserhaut'' mit gekreuzter Richtung der Fasern und zu
äusserst eine „Epidermis", die aus verschmelzenden Zellen entstanden,
später strukturlos sich zeigt {Meissner). Wenn ich mir die An-
gaben des genannten Forschers so auslegen dürfte, dass ich annehme,
die Epidermiszellen lieferten eine Cuticula, mit deren Weiterausbildung
die Zellen selbst untergehen können , und wäre es ferner möglich,
wuruier.
Strahlthiere.
121
die „Faserliaut" und das „Corium'^ zusammen für das Analogen der
Lederhaut zu nehmen, so würde sich die Haut dieser Würmer nicht
allzusehr von dem, was mir sonst als Grundschema erscheint, entfernen.
§. 123.
Strahlthiere.
An der Haut der Echinodermen unterscheiden wir deutlich
eine derbe Lederhaut, eine zellige Epidermis und mitunter noch eine
abtrennbare Outicula. Die L e d er h aut ist bindegewebig und zeigt bei
Holothuria tuhidosa sehr feine, gelbliche Fasern, welche, in Bündeln
geordnet, nach den verschiedensten Richtungen sich durchflechten;
beim Seeigel verhält sich ein feiner Schnitt aus der getrockneten (um
die Mundötfnung gelegenen) Haut im Wesentlichen ganz wie ein Schnitt
aus einer ähnlich präparirten fibrösen Haut eines Wirbelthieres, z. B.
aus der Sclerotica des Rindes. Man erblickt dieselben bündeiförmigen
Züge des Bindegewebes, die sich durchkreuzen, so dass man sie im
Längen- und Querschnitt zur Ansicht hat. Auf dem Querschnitt der-
selben bemerkt man überdiess dieselbe feine Punktirung, wie bei Wir-
belthieren, und ist der Schnitt sehr dünn ausgefallen, so krempen sich
Fio". 61.
'^^i^^^^^^^^^^r^
^Ä6^
/>
- —d
Senkrechter Haiitschnitt von Echinns.
a Cuticula, b Zellen der Epidermis, d bindegewebige Lederhaut, nnverkalkte
Partie, e verknöcherte Stelle, f inneres Epithel. (Starke Vergr.)
nach Essigsäurebehandlung die Ränder ebenso um, wie an der Haut,
der Sehnen etc. der Wlrbelthiere unter den gleichen LTmständen.
Zählen wir die Sipunculoiden von den Echinodermen ab, so ist es eine
allgemeine Eigenschaft derselben, dass in ihre Lederhaut Kalk abge-
lagert ist: in geringer Menge bei den Synaptinen, wo der Kalk untci-
anderem sich in der Form zierlicher, durchlöcherter Platten mit ange-
fügtem Anker abscheidet, bei Chirodota als Rädchen, welche haufenweise
in den regelmässig angeordneten Hautpapillen liegen (Joh. Müller).
Bei den Holothurlen haben die Kalkstücke manchfaltige Formen, häutig
sind es gegitterte Scheiben. Bedeutendere Kalkmengen lagern in
Form von Balken und Netzen in der Lederhaut der Asterien u. a.,
bis endlich in den Echiniden durch Zunahme der Kalknetze die Leder-
Kühino-
Jermen.
122 Von der äusseren Haut der Wirbellosen.
haut zu einer vollständigen, knoclienliarten Schale sich umwandelt.
Es erinnert die Verkalkung des Bindegewebes bei Echinus an die
Incrustationen des Bindegewebes, wie man sie an der Pia mater und
den Plexus cJioroidei des Menschen wahrnimmt. Die Kalknetze des
Seeigels zeigen einen deutlichen muschligen Bruch (Schichtung), bei
Behandlung mit Säure bleibt aus den ganz verkalkten Schalenpartien
nur ein äusserst dürftiges Fasernetz übrig, so dass es scheint, als ob
Fig. 62.
a
Einige Kalkkörper aus der Lederhaut,
a von Synapta digitata, b von Holotliuria tubulosa. (Starke Vergr.)
durch die Kalkablagerung die organische Grundsubstanz verdrängt
worden wäre. — Ueber die Lederhaut weg geht eine z eil ige Epi-
dermis, die an den Stacheln der Echinen, ferner an der Saumlinie
der Spatangoidcn wimpert, auch die Pedicellarien des Echinus escu-
lentus sah ich zum Thcil flimmern. Anlangend die Cuticula, so
gewahrt man sie deutlich bei t^ynapta diyitata', auch an den nicht
verkalkten Hautpartien des bezeichneten Echinus werden die Epider-
miszellen zwar von einer homogenen Grenzschicht umsäumt, aber es
gelang mir nicht, sie als Haut zu isoliren.
§. 124.
Acaiepi.cn. Das Körperparcnchym der Quallen besteht aus gallertigem hya-
linem Bindegewebe, welches durch Schwinden der zelligen Elemente
theilweise eine sehr homogene Natur anzunehmen im Stande ist; die
Rinde dieses Gewebes mag als Lederhaut angesehen werden. Die
E|)i dermiszellen sind zart, platt, polygonal, können, wie ander-
wärts, Pigment einschliesen und wimpern häutig. Die Nesselorgane,
welche gleich denen der Turbellarien und Hydren als Zellcninhalt
aul'treten, sind sehr ausgebildet, zu wahren „Nesselbatterien" entwickelt.
Das Nesselbläschen ist entweder rund, oval oder cylindrisch lang ; der
Ursprung des ausgestreckten Fadens erscheint häufig mit Wider-
häckchen besetzt. Oegenhaur hat noch gefunden, dass der Faden
der Nesselzellen bei den Diphyiden, Äpolemia uvaria (auch bei Acti-
nien, Corynacüs) von einem andern Faden in engen Spiraltouren um-
wunden wird. Von Beroe und Cydippe sind auch eigenthümlich
gestaltete Haare beschrieben worden. Ob noch eine feine Cuticula
zugegen, ist unbekannt, doch möchte die Schale von Velella, welche
ein System luftführeudcr Kanäle hat und nach Leuckart aus Chitin
besteht, den verdickten Cuticulargebildcn verglichen werden können.
Stiahlthiere.
123
§. 125.
Ueber die Haut der Polypen lässt sich melden, dass sie bei Poiypen.
Hydra zwei Schichten zeigt, eine untere homogene Membran,
die zunächst das contraktile Gewebe des Körpers nach aussen ab-
schliesst, und an der Fussscheibc am dicksten ist; sie könnte einer
Fig. 63.
i
Ein Stück Arm von Hydra, um die Gruppirung der Nesselorgane anschau-
lich zu machen.
a die kleinen cylindrischen, b die grossen birnförmigen Nesselorgane. (Starke Vergr.)
Lederhaut entsprechen , die obere ist eine zellige Epidermis^
und die Nesselorgane, welche von zweierlei Art sind, kleine cylin-
drische und grössere birnförmige , werden wieder als Zelleninhalt
erkannt. Vielleicht ist auch eine zarte Cuticula zugegen. In den
Anthozoen (z. B. Actinia , Veretülum) ist die der Lederhaut ent-
sprechende Schicht dicker als bei den Hydren und streifig; die Epi-
dermiszellen wimpern. [Hollard lässt bei Actinia die Haut aus vier
Lagen bestehen, allein mir deucht, dass sein „Epithel'', dann ^die Pig-
mentlage aus kleineren Zellen", endlich „die Lage der Nesselkapseln*
zusammen der Epidermis entsprechen). — Die sog. Polypenstöcke
beruhen entweder auf der Verdickung einer homogenen Cuticula
durch schichtenweise Ablagerung, wobei die Schichten chitinisiren
und einen „hornigen" Polypenstock bilden. Die Cuticula kann sich
aber auch mit erdigen Theilen verbinden und erhält dadurch eine ver-
kalkte Beschaffenheit. Milne Edwards und Jul. Haime, welche
die Cuticula Epidermis nennen, heissen diese Skeletbildung slerenchyme
epidermique. Es kann aber auch zweitens die Lederhaut der Polypen
verkalken durch Einlagerung von Kalk- oder Kieselnadeln. Bleiben
die Nadeln isolirt, so entsteht ein unvollkommenes Skelet von einer
meist lederartigen BeschalFenheit (Älcijonium , Lohidaria), häufen sich
die Nadeln zu zusammenhängenden Massen, so nimmt es au Festig-
keit und Dichtigkeit immer mehr zu. (Die Steinkoralleu). Die Kalk-
124
Von der äusseren Haut der Wirbellosen.
Fig. ß4.
Stäbchen und I^ esse lorgane. ,
a, b Zellen mit Nesselorgan von Hydra, c Zelle mit Stäbchen von Planaria,
d, e ausgestülpte Nesselorgane von Hydra, f Nesselorgan von Praya maxima.
g dasselbe von Rhizophysa, h Stück eines Nesselfadens (unter starker Vei'-
grösserung) mit einer Spiralfaser umwunden (f, g, h nach Geg enbaur),
i Nesselorgan von Meckelia (nach 31. Müller).
körper sind entweder spindelförmig mit Höckern, oder sie sind ver-
ästelt, oder lang vnid faserartig {Äntipatlies , wo sie nach Haime
fast ausschliesslich aus Kieselsäure bestehen). Ein durch Ossifikation
der Lederhaut entstandenes Polypenskelct nennen Milne Edicards
und Haime slh-enchyme derviique.
§. 126.
Protozoen.
Abgesehen von den kleinsten Infusorien, sowie von jenen
wundcihai-en Tliierformen , den Amöben und PolvthaJamien, deren
Leibcssultstanz für unsre optischen Hilfsmittel keine rechte Differenzi-
rung mehr aufweisen will und während des Lebens in innner wecdiselnde
Lortsätze ausfliesst, vermögen wir an den übrigen eine Haut zu demo-
Protozoen. 125
striren. Man unterscheidet caa vielen Infusorien eine homogene Cuti-
cula, durch Reagentien abhebhar. Ich finde sie z. B. an Vorticella- und
Epistylis- Arten fein quergestrichelt, bei Paramaecium aurelia ist sie
durch Kreuzung der Striche gefeldert (Colin). Dergleichen Zeich-
nungen der Cuticula sind so wenig wie die der Annulaten und Arthro-
poden blosse Falten, sondern liegen in der Beschaftenheit der Cuticula
selber. Die weiche Lage unterhalb der Cuticula erscheint, wie
bereits oben erwähnt wurde, bei grossen Arten (z. B. von VorticelUnen)
keineswegs rein homogen ^ sondern sie besitzt (bei gehöriger Ver-
grösserung, Kellner 780maliger) kleine nucleusartige Körperchen
so regelmässig eingebettet, dass man lebhaft an die weiche, nicht chi-
tinisirte Hautschicht zarter Arthropoden, (Rotiferen, Insektenlarven u. a.)
gemahnt wird. In dieser Lage müssen auch die von 0. Schmidt an
Paramaecium, sowie von Lachmann bei Ophryoglena beschriebenen
stabförmigen Körperchen ruhen.
Die Schale der Rhizopoden scheint mir abermals, wie jene der
"Weichthiere unter den Begrifi" der Cuticulargebilde gestellt werden
zu müssen. Bei wenigen ist sie unverkalkt [Gromia, Lagynis\ bei
vielen verdickt, chitinisirt und verkalkt. (In der Schale von Operculma
arah'ca sieht Carter „Kalkspicula"). Die Oberfläche der Schale kann
getäfelte und andere Zeichnungen haben ; oft verzweigen sich in den
Schalen Kanäle {Williamson, Schnitze).
§. 127.
Stellen wir Vergleichungen an zwischen der Haut der Wirbel- '^"«®™^*'"'''
thiere und jener der Wirbellosen, so ergeben sich folgende Eigen- merkungea.
thümliclikeiten für die letzteren.
Die Grenze des Wirbelthierkörpers nach aussen wird immer un-
mittelbar durch die Zellen der Epidermis umrissen , und nur bei
Froschlarven kommt (nach Remak) der optische Ausdruck einer Cuticula
zu Stande, indem die Zellen der Oberhaut eine Verdickung und Ver-
schmelzung ihrer nach aussen gewendeten Membranen zeigen. Anders
bei den Wirbellosen. Hier ist es umgekehrt fast Regel, dass im Falle
auch eine zellige Oberhaut zugegen ist , doch noch eine homogene
Cuticula darüber liegt, bald in mehr weicherer, man kann sagen un-
fertigerer Form, bald selbständiger, so dass wir sie in Gestalt einer
wirklichen Haut abzulösen vermögen.
Ferner flimmert bei Wirbelthieren die Epidermis nur bei Ba-
trachiern im embryonalen Zustande; ausgebildete Wirbeltliiere haben
nie Hautflimmerung. Bei den Wirbellosen hingegen ist die Erschei-
nung sehr verbreitet, dass die Haut in ganzer, oder fast ganzer Aus-
dehnung wimpert oder wenigstens stellenweise mit Flimmerhärchen
besetzt ist.
Ebenso haben bei gewissen Gruppen der Wirbellosen die Epider-
miszellen zum Theil einen sehr eigenartig geformten Inhalt; es sind
das die Nesselorgane und die stabförmigen Körper. Vielleicht darf
126 Von der äusseren Haut der Wirbellosen.
man die Sekretbläsclien in den Schleimzellen, wie sie in der Ober-
haut vieler Fische sich finden, mit den Nesselorganen in eine Reihe
bringen, da wenigstens beide Gebilde im Inneren von Oberhautzellen
liegen.
Die der Lederhaut entsprechende bindegewebige Schicht ist ent-
weder von der Leibessubstanz gar nicht abgegrenzt, sondern bildet
eigentlich nur die Rinde derselben, oder sie formt einen mehr oder
Aveniger selbständigen Sack oder Schlauch , das Thier eng ura-
schliessend, mit oder ohne eingewebte Muskeln, wornach sich natür-
lich bei Weichbleiben der Haut die Fähigkeit, die Form des Körpers
zu verändern, erweitert oder beschränkt.
Die Härtung der Haut geschieht durch Chitinisirung und durch
Ablagerung von erdigen Theilen. Verkalkt die Lederhaut selbst, so
bleibt die Schale natürlich in inniger Beziehung zum Körper (Echino-
dermen, Krebse u. a.); die Schale ist aber weit weniger innig mit der
Körpersubstanz zusammenhängend , wenn sie , wie solches z. B. bei
den Mollusken eintritt, lediglich eine Abscheidung, ein festgewordenes
Sekret der Haut vorstellt.
§• 128.
physio- Es wurden oben die Gestaltveränderungeu der Chromatophoren
der Reptilien von der Oontractionstähigkeit der hyalinen, die Rigment-
kfirnchen zusammenhaltenden Substanz abgeleitet. Die Bewegung der
Pigmentmoleküle ist daher eine passive, welche durch die Thätigkeit
der hyalinen Substanz unterhalten wird. Gerade so mag es sich mit
den bekannten Strömungen von Körnern im Lei besparenchym mancher
Infusorien verhalten , wie man dergleichen bei Vorticeüa , Loxodes
hursaria, Stentor Mülleri , Opercularia articulata , hier im Stiel des
Wirbelorganes nach Stein, beobachtet*). Auch Bergmann und
Leuchart haben diese Erscheinung von Contractionen des Körper-
parenchyms abhängig gemacht. Für die Erklärung, dass die helle
Materie , in welcher die Kiirnchen eingebettet sind , contractil ist,
spricht sehr die Art der „Strömung", wne sie im Stiel des Wirbel-
organs von Opercularia vor sich geht. Die Körnchen wandern eben
passiv hin und zurück, je nachdem die Substanz im Stiel durch ihre
Bewegungen den Deckel hebt oder zuzieht. (Die Natur der Chromato-
phoren , wie sie sich bei Reptilien offenbart, lässt auch die Frage
aufkommen , ob denn nicht der hyaline Inhalt der „Bindegew^ebs-
körperchcn" noch an manchen anderen Körpergegenden contractil
sei? soll er bloss bei zugemischtem Pigment diese Eigenschaft haben?
Es existircn mancherlei Beobachtungen über Spuren schwacher Con-
*) Man .schreibt Focke (Isis 1836) die erste Kenntniss hievon zu, aber schon
früher sah O. Carus (Zoot. 1834 Bd. II. S. 424 Anmerk.) „bei einer Leucophrys
den gcsamintcn Inhalt des Thicrchcns in einer langsamen peripherischen Bewegung
(fast wie das Strömen in der Ohara) sich nmhertreiben.''
Physiologisches. 1"27
tractilität bindegewebiger Theile, in denen keine muskulösen Elemente
nachgewiesen sind, sollte nicht mit der Zeit das, was uns gegenwärtig
an der Haut der Amphibien als etwas ganz Apartes erscheint, den
Charakter eines allgemein verbreiteten Phänomens annehmen? Doch
diese Vermuthungen nur nebenbei 1)
Das Hautskelet der Arthropoden ist bekanntlich im Leben trotz
seiner Festigkeit mehr oder minder elastisch, biegsam, nach dem Tode
wird es steif und ungelenkig. Bergmann und Leuckart haben daraus
auf ein Durchdrungensein von Flüssigkeit geschlossen und durch die
obigen Mittheilungen von dem allgemeineren Vorkommen der Poren-
kanäle im Hautpanzer der Insekten, Spinnen und Krebse ist gezeigt,
wo wohl hauptsächlich die Flüssigkeit enthalten ist. Ausserdem mag
auch namentlich durch die Porenkanäle hindurch die Wechselwirkung
zwischen der Haut und dem umgebenden Medium im Gange gehalten
werden. Wenn die Porenkanäle anstatt mit Flüssigkeit mit Luft ge-
füllt sind, so hängt das mit besonderen Bedürfnissen zusammen, von
denen wir zum Theil den Grund einsehen; es ist z. B. doch augen-
scheinlich, dass die eigenthümliche Weise, wie die Hijdrometra auf der
Oberfläche des Wassers herumgleitet, durch ihre an der Bauchseite
lufthaltige Haut, die eben dadurch nicht nass gemacht werden kann,
unterstützt wird; wenn, wie bei Schmetterlingen und Käfern, die
Haare und Schüppchen lufthaltig sind, so mag das den Flug mit er-
leichtern u. dgl.
Die Umwandlung der Haut zu Skeleten, zu Schalen, die mancherlei
Abscheidungen der Haut stehen überhaupt in Beziehung zur Bewegung
und zum Schutzbedürfniss der Thiere ; in letzterer Hinsicht soll darauf
aufmerksam gemacht sein, dass die Haare jener Raupen, welche mit
der menschlichen Haut in Berührung gebracht , heftiges Jucken , ja
selbst Entzündung verursachen, die Träger eines spezifischen Giftes
sind, da die Hautdrüsen ihr Sekret unmittelbar in das Lumen des
Haares entleeren. Die Weichthiere können durch das Sekret ihrer
Hautdrüsen sich mit einer schützenden Hülle umgeben, Pneuviodermon
sich in eine Wolke hüllen, die dem Verfolger die Aussicht benimmt;
eine Waffe bildet auch das Sekret der Afterdrüsen der Käfer u. s. w.
In dieselbe Kategorie gehören die stabförmigen Körper und Nessel-
organe gewisser Würmer, Polypen und Quallen, die auf der mensch-
lichen Haut nur ein nesselndes Gefühl erregen, niedere Thiere aber
betäuben und vergiften.
Zahlreiche Arten wirbelloser Thiere (Infusorien, Rotiferen, Würmer,
Insektenlarven u. s. w.) bauen sich noch um ihre Haut herum ein
Gehäuse, mit dem sie in keinem organischen Zusammenhang stehen ;
die Grundlage ist eine gallertige Substanz, die entweder durchweg
weich bleibt (z. B. bei Stentor , Chaetospira mucicola , Notommata
cenfrura) oder an der Peripherie hautartig erhärtet (Sfephanoceros,
Tubicolaria, Arcellineu, Ophrydinen, Tintimms, Chaetospira Mülleri
128 Von der äusseren Haut der Wirbellosen.
Lachn.). Die Consistenz des Gehäuses wii'd vermehrt durch Ab-
scheidung von Kalk {Serpula z. B.) , häufiger durch Aufnahme von
Fremdkörpern, wobei es von Interesse ist, wie jede Art sich nur an
ein bestimmtes Baumaterial hält; so gebraucht z. B. Melicerta zu
ihrem Futteral Sporen einzelliger Pflanzen, einige Arten der Gattung
Dißiigia Sandkörnchen , die einen Phryganeenlarven Sandkörnchen,
die anderen kleine Muschel- und Schneckenschalen , andere Pflanzen-
reste etc.
Ueber die Haut der Mollusken im Allgemeinen vergl. m. Aufs, über Falu-
dina invip. in Zeitschr. f. w. Zool. Bd. II, Ge g enbaur , Beitr. z. Entwickl. der
Landpulmonaten, Zeitsclir. f. wiss. Zool. 1852 und Untersuch, über Heterop. und
Pterop. 1855, Leuckart, zoolog. Untersuchungen. Näheres hinsichtlich der Byssus-
drüsen von Lithodomus in m. kleineren Mittheilungen z. thier. Geweblehre, Müll.
Arch. 1854, von Oyclas Müll. Arch. 1855 , in letzterem Aufs, auch Näheres über
die Schale der Cyclas und der Najaden. Die zclligen Zeichnungen an der Innen-
fläche der Schalencuticula sind nur die Abdrücke, welche die Enden der „Schmelz-
prismen'' hervorrufen, auch an Terehratula psittaceus sehe ich , wie die obern En-
den der Schmelzsäulen eine schöne epithelartige Zeichnung liefern , ähnlich , nur
in grossartigerem Maassstab, wie die Schmelzfasern des tSäugethierzahnes. — Es fehlt
zwar nicht an Angaben, dass die Molluskenschale aus verkalkenden Zellen hervor-
gehe, ja Desor sagt, es sei gewiss, dass die Embryonalschalen \o\\ Eolis und Doris
aus wirklichen Zellen zusammengesetzt sind, welche unter dem Mikroskop gleich
Glasbläschen (so nehmen sich aber auch die Kalkkugeln aus!) erscheinen, allein es
können dergleichen Angaben gegenüber andren und mehr gesicherten Beobachtungen
auf Geltung kaum Anspruch machen. In dem von mir citirten Aufs, über Cyclas
sind auch die Porenkanäle der Haut beschrieben. Die Haut mancher Mollusken
erhebt sich in zierliche Leisten und Höcker, wie man z. B. schön an grossen
kriechenden Exemplaren von Limax sieht.
Haut der Arthropoden: H. Meckel in Müll. Arch. 1846, Karsten eben-
daselbst 1848, Leydig ebendaselbst 1855, W. Zenker im Arch. f. Naturgesch.
1854, der letztgenannte Autor lässt ebenfalls die Chitinhaut der Muschelkrebse aus
Zellen bestehen und auch Eeichert scheint (Jahresb. f. 1842) an den Käferschalen
wirkliche Zellen anzunehmen. — Hautdrüsen von Ärgulus, in m. Aufs, in Zeitschr.
f. wiss. Zool. KS5(), anlangend die einzelligen Hautdrüsen der Käfer, so macht
Stein (vergleichende Anatomie u. Physiol. der Insekten) darauf aufmerksam, dass
unter der strukturlosen, durchscheinenden , auf der äussern Seite mit Ilornzähnen
besetzten Haut grosse, kugelförmige Zellen liegen und dass diese mit der einge-
rollten Spitze feiner Kanälchen in Verbindung stehen, die an der „Obei'haut" ein-
zeln münden. Die Drüsen scheinen ihm eine fettige Flüssigkeit abzu.^ndern , um
die Haut geschmeidig zu erhalten. Hautdrüsen fand Karsten bei Saturnia und
vermisstc sie bei Vanessa, Acraea, Argynnis , ich beobachtete (a. a. O.) dergleichen
bei Bomhyx rubi, sie mangelten an Dornraupcn echter Tagfalter, an Papilio ma-
chaon, Sphinx ocellata. Nachträglich kann angeführt werden , dass auch bei der
Raupe von Cossus lignqierda unterhalb der vereinzelt stehenden Haare die gleichen
Drüsen sich finden ; in der Haut ganz kahler Kaupen scheinen sie immer zu felilen-
Auch bei Käferlarven (z. B, dem Engerling) sitzen unter den Haaren Hautdrüsen,
aber wie mir scheint, ohne dass die Zellen den auffallenden verästelten Kern haben.
Will liat die Hautdrüsen der Prozessionsraupe beschrieben, sie seien „aus langen
blinden , am Ende etwas angesehwollenen Kanälen zusammengesetzt.'' Er sah
auch, dass der Drüsenausführungsgang sich „in einen im Innern des Haares lie-
Muskelsystem des Menschen. 129
gendeu Kanal fortsetzt." (Münchner Gel. Anz. 1849). Unter den Krebsen
bietet Sphaeroma cinerea Eigenthümlichkeiten im Baue der Haut dar, welche ich
noch nicht mit den andern Beobachtungen in Verbindung zu setzen weiss. Die
verkalkte Haut ist sehr dünn, hell und bricht wie Glas, zu äusserst hat sie eine
homogene, geschichtete Cuticula mit den gewöhnlichen , senkrecht stehenden Ka-
nälen, unter ihr erscheint eine ossifizirte, epithelartige Zellenlage , wobei die ver-
kalkten Zellen, resp. die übrig gebliebenen Lumina derselben den Knochenkör-
perchen der Wirbelthiere aufs Haar ähnlich sehen. Zugleich mit den „Knochen-
körperchen'' trifl^ man in Abständen und oft durch grosse Strecken von einander
getrennt seltsame, nach der Fläche verästelte Hohlräume mit zahlreichen, blindge-
endigt en Ausläufern.
Haut der Anneliden: m. Aufs, über Piscicola, Zeitschr. für wiss. Z. Bd. 1.,
über Hautflimmerung der Anneliden: m Bemerkungen in Müll. Arch. 1854 S. 313.
Haut der Nematoden {3Iermis, Gordius) : die Arbeiten Meissner''s in
Zeitschr. f. w. Z. 1854 und 1855 mit überaus schönen Abbildungen. — Meissner
hat auch von der Taenia des Arion gemeldet, dass die Saugnäpfe einen eigenthüm-
lich feinhaarigen, wie pelzigen Ueberzug besitzen. Ganz ähnliche Haftplatten kenne
ich von verschiedenen Caligusarten , wo vorn am Kopfschild, an der untern Seite
rechts und links, eine rundliche Excavation sich findet, die mit äussei-st dichtstehen-
den feinen Härchen besetzt ist, mir streifen sie sich nicht so leicht ab, als wie bei
Taenia, wo sie nach Meissner nur locker befestigt sind. — Einen Durchschnitt
der Haut, sowie genauere Beschreibung derselben von Polystomum appendiculatum
hat Thaer in Müll. Arch. 1850 gegeben.
Histologisches Detail über die Nesselorgane der Siphonophoren, nament-
lich in der Arbeit Geg enbaur's in Zeitschr. f. w. Z. 1854. — Die eigenthüralich
gestalteten Haare der Beroe und Cydippe hat Wagener Müll. Arch. 1847 be-
schrieben. — Bemerkungen über den Bau der Hydren Müll. Arch. 1854, Analyse
des Polypenstockes in den Recherches sur les Polypiers Annal. d. sc. natur.
T. IX— XIV.
Von den bald regelmässigen, bald polymorphen Kalkkörpern in der Haut der
Holothurien haben Frey (über die Bedeckungen wirbelloser Thiere) Koren (Fro-
riep's n. Notiz. Bd. 35 von Thyone fusus) einzelne Formen beschrieben , viele sind
in den Abhandlungen v. /. Müller über d. Echinodermen abgebildet.
Vierter Abschnitt.
Vom Muskelsystem des Menschen.
§. 129.
Die Starammuskulatur, welche aus einer Sonderung des
mittleren Keimblattes hervorgeht, umfasst die aktiven Bewegungswerk-
zeuge, das Fleisch, jene weichen röthlichen Organ e, welche unter der
Haut hegend hauptsächlich über das Knochengerüst hingespannt sind.
Man unterscheidet an jedem Muskel die eigentlich contraktilen
Elemente — die quergestreifte Substanz — und zweitens das Binde-
gewebe, welches zur Verknüpfung und Befestigung der spezifischen
Muskeltheile in Form von Hüllen und mancherlei Hilfsorganen dient.
Leyditf, Histologie. t)
130
Vom Muskelsyatem des Menschen.
Der fleischige Tlieil eines Muskels oder sein Bauch besteht daher
aus Aggregationen der oben (siehe Muskelgewebe) beschriebenen
Muskelprimitivcylinder. Das Sarcolemma erscheint als jene erste
bindegewebige Hülle , welche die kleinste Anzahl von primitiven
Cyh'ndern zusammenhält, und der herkömmlichen Bezeichnungsweise
nach erklärt man das Sarcolemma sammt Inhalt für einen Primitiv-
bündel. Indem dann mehrere solcher Bündel von einer stärkeren
Bindegewebsscheide umschlossen werden, entstehen sekundäre Faszikel
und durch Wiederholen dieses Vorganges in grösserem Maassstabe
tertiäre und so fort Bündel, bis zuletzt der Muskel im Ganzen zu Stande
kommt, dessen Oberfläche noch von einer festen Bindegewebsimlle be-
kleidet ist.
Fig. 65.
t linv-iiiln.
Muskel und Sehne, geringe Vergrösserung.
A Querschnitt des Muskels, a Perimysium, b sog. Primitivbündel.
B Querschnitt der Seime, c das lockere Bindegewebe, d die feste
Bindesubstanz mit dem durschschnittenen Lückensystem.
Man hat für das Bindegewebe des Muskels verschiedene Benen-
nungen eingeführt; man bezeichnet die zuletzt erwähnte stärkere
Bindegewebsschicht, welche der Oberfläche des ganzen Muskels an-
gehört und meist zahlreiche elastische Fasern eingewebt enthält, als
Vagina niuscularis oder auch als Peri77i//sium externum] die Fortsätze
oder Septa, welche von der Vagma tnuscularts ins Innere des Muskels
abgeschickt werden zur Abgrenzung und Umschliessung der kleineren
Faszikel, tragen den Namen Perimysium internum und die letzten
schlauchartigen Abtlieilungen des J^indegewebes im Inneren des Mus-
kela werden von dem Sarcolemma vorgestellt.
Gefässe, Nerven.
131
Das Bindegewebe des Muskels kann auch mehr oder minder zahl-
reiche Fe ttbl äs chen enthalten und ist der ausschliessliche Träger
der Blutgefässe und Nerven des Muskels.
Die in den Muskel eingetretenen Gefässe verzweigen sich erst
baumförmig , dann lösen sie sich in ein feines Capillarnetz auf, das
aus länglichen und etwas unregelmässigen Maschen besteht und die
Priniitivbündel umflicht. Nie aber dringt ein Capillargefäss über das
Sarcoleniraa hinaus und zwischen die contraktilen Theilchen ein,
sondern es bleibt genau im Bereich der bindegewebigen Hüllen.
Die Nerven der Muskeln bilden zwischen den Bündeln durch
Verflechtung ihrer Fasern s. g. Plexus^ zuletzt enden die Primitiv-
fasern nach vorausgegangener, oft sehr häufiger Theilung fein zu-
gespitzt, indem sie sich, wie es scheint, an dem Sarcolemma verlieren.
§. 130. _
Fragt man darnach, in welcher Weise die Verbindung zwischen
Muskelsubstanz und Sehne vermittelt wird, so wird man schon durch
theoretische Gründe, aus der Betrachtung nämlich, dass die contraktilen
Fleischtheilchen in mikroskopischen, chemischen und Lebenseigenschaf-
ten total difl:eriren von dem einhüllenden Bindegewebe, zu der Ansicht
hingeführt, dass ein direkter Uebergang von dem Inhalte eines Sarco-
lemmaschlauches in die aus Bindesubstanz bestehende Sehne unwahr-
scheinlich sei. Die Untersuchung belehrt auch, dass nur das Sarco-
lemma und Perimysium in Coutinuität mit der Sehne steht, dass aber
Fig. 66.
Gerässe
iinti Nftrveu.
Die Sehnen
und ihre
Verbindung
mit der
Murikel-
suhstanz.
Längsschnitt durch Sehne und Muskelsubstanz, an ihrer Ver-
bindungsstelle. (Starke Vergr.)
A Muskelprimitivhündel, a die Grenzlinien der die quergestreifte Masse zu-
sammensetzenden Primitivcylinder, b das Sarcolemma.
B Sehne, c die Bindegewebskörperchen , d die streifige Grundmasse, welche
continuirlich in das Sarcolemma sieh fortsetzt.
132 Vom Muskelsystem des Menseben.
die contraktilen Flcischtheilchen ii^i blinden Ende des Sarcolemma-
sclilauches für sich aufhören.
Die Sehnen selber, bald mehr von cylindrischer, strangartiger
[Tendines), bald von mehr platter, hautförmiger Gestalt {Apo7ieuroses),
bestehen aus fester Bindesubstanz ^ die durch ein von der äusseren
mehr lockeren Hülle eindringendes Bindegewebe in grössere und
kleinere bündclartige Abtheilungen zerfällt. In diesen Scheidewänden
verlaufen die ohnehin sehr sparsamen Blutgefässe der Sehnen und mit
ihnen sehr selten einmal ein begleitender Nerv. Die feste Binde-
substanz der Sehnen wird nur durchbrochen von einem feinen Kanal-
oder Lückennetz , den s. g. Bindegewebskörperchen, welche in regel-
mässigen Abständen ihre Hauptrichtung mit dem Längsdurchmesser
der Sehne gemein haben und sich durch zahlreiche Ausläufer unter-
einander verbinden. Wo die Sehnen sich an Knoclien ansetzen,
können statt der strahligen Bindegewebskörperchen reihenweise ge-
lagerte rundliche Zellen auftreten.
Bezüglich der anderen Hilfsorgan e der Muskeln mag erwähnt
werden, dass die Fascien, wenn sie weiss und glänzend sind, wie die
Sehnen sich im Bau verhalten : haben sie ein mehr gelbliches Aussehen,
so besitzen sie zahlreiche elastische Fasern. Von den Schleimscheiden
und Schlcimbeuteln, die gemeinhin als synoviale Säcke gelten, ist es
noch nicht, wenigstens nicht für die ersteren, ausgemacht, ob sie nach
innen inmier von einer eigenen Haut begrenzt werden und ein be-
sonderes Epithel haben; sie scheinen mitunter blosse Rämne im Binde-
gewebe zu sein, gefüllt mit etw^as zäher, klebriger Flüssigkeit.
§. 13L
Phj-sio- Die physiologischen Untersuchungen der neueren Zeit, Avelche
darauf ausgehen, der Natur des Muskels näher zukommen, betreffen
vorzüglich die elektrischen Strömungen in den Muskeln. Es ist durch
du Bo !s Rey mond nachgewiesen worden, dass jeder Muskelfaszikel,
ja jedes Stück eines Primitivbündels einen elektrischen Strom zwi-
schen verschiedenen Punkten, namentlich des Querschnittes und der
Seitenfläche zeigt und dass diese Strömung im Augenblicke der Zu-
sammenziehung des Fleisches jedesmal eine Unterbrechung erleidet.
Die alte Frage nach der Abhängigkeit der Muskelzusanmienzie-
hiiiig von den Nervenfasern oder ob die Muskeln auch ohne vorher-
gegangene Erregung der Nervenfasern zur Verkürzung gebraclit wer-
den können , wird noch immer herüber und hinüber besprochen, doch
glaubt in neuester Zeit Eckhard (Beiträge z. Anatom, u. Physiol.)
zu dem Ergebniss gelangt zusein, dass die Z^r/^/ßr'sche Irritabilitäts-
lehre eine „abgethancne Sache" sei. — Auch für das Zustandekom-
men der TodtenstaiTC ist noch keine Erklärung gefunden worden,
die allgemein befriedigt hätte. Wie sich E, Weöer, Brücke. Brou-n
SSquard u. a. die Erscheinung deuten, lehrt jedes Compendium
der Physiologie.
logiKCheB.
Vom Muskelsystem der Thiere. 133
Das Verhältniss , in welchem an einem Muskel im Ganzen die Bindesubstanz
und die contraktile Materie zu einander stehen, hat bereits 1728 Prochaska einfach
und richtig dargelegt. Die Muskeln seien durch häutige Scheidewände, Fortsetzungen
der Zellhautscheide in Fasciculi und Lacerti, diese aber auf dieselbe Weise in klei-
nere Bündel und so fort bis zum letzten Bündel getheilt , die ebenfalls noch jeder
eine Zellhautscheide haben, dasselbe was wir jetzt Sarcolemma hcissen.
In dem Bindegewebe mancher Muskeln werden hie und da Ossifikationen an-
getroffen; bekannt sind als solche der sog. Exercirknochen, eine Verknocherung im
Bindegewebe des Deltamuskels, und der schon mehrmals beobachtete sog. Reiter-
knochen in der Sehne des Adductor magnus.
An den Schleimbeuteln" lässt H etile das Epithel fehlen, Reichert hat
an den Bursae mucosae bei Hunden , Katzen und Kälbern ein Epithel gefunden,
das dem der Gefässstämme ähnlich ist.
Fünfter Abschnitt.
Vom Muskelsystem der Thiere.
§. 132.
Nachdem oben über die Eigenschaften des Muskelgewebes im
Allgemeinen gehandelt wurde, so sei jetzt weiter ausgeführt, wie in
den einzelnen Thiergruppen dieses Gewebe Modifikationen erfährt. Jene
kleinsten Thierformen (viele Infusorien), deren Bau wir mit unseren
Mikroskopen nicht weiter oder nur höchst mangelhaft verfolgen
können und welche desswegen eben nur den Eindruck von homogen -
gallertartigen, belebten Körpern machen, lassen selbstverständlich vor
der Hand keine vom übrigen Körperparenchym abgegrenzte kontrak-
tile Substanz wahrnehmen. An manchen grösseren Infusorien
vermag man hingegen von Muskeln zu reden. Es wurde oben bereits,
als die „Einzelligkeit" der Infusorien angefochten wurde, auf den
Streifen kontraktiler Substanz im Stiel der Vorticeüinen hingewiesen,
Fig. 67.
Stiel einer Vorticelle.
a Cuticula, b der Muskel mit seiner zarten Hülle. (Starke Vergr.)
der sich so gut als Muskel legitimirt, wie die contraktilen Easern der
Turbellarien , der Rotatorien u. a. Wo er einige Dicke hat, besitzt
er eine zarte Hülle und die contraktile Substanz zeigt eine Sonderung
von keilförmig in einander geschobenen „Primitivtheilchen", er wird
134
Vom Muskelsystem der Thiere,
rein homogen, wo er dünn ausläuft.^ Diese Art Muskel ist sehr ver-
breitet bei wirbellosen Thieren, sie findet sich bei Turbellarien,
Rotatorien, Helminthen u. a.
Eine Weiterbildmig der vorhergehenden Muskelfasern besteht
darin, dass der Muskelcylinder, der auch mehr oder minder abge-
plattet sein kann (sehr platt z. B. in Lumbricinen, Eunice u. a.) brei-
ter und schärfer, gewissermaassen fester wird, sonst aber die wesent-
lichen Eigenschaften beibehält, d, h. aus Hülle, homogenem oder in
Partikeln differenzirten Inhalt zusammengesetzt ist (Mollusken, Echi-
nodermen, Polypen).
Fig. 68.
Muskelfasern von Würmern, Mollusken, Strahlthieren.
A von Nais (zwischen Dnrm und Haut), B aus Planaria, a rein homogen,
b mit Rinden- und Achsensuhstanz, c mit einer Art quergestreifter Zeichnung,
d vollständig fein geköruelt, C von Eunice, D von Sepiola, Holothuria und
Echinus. (Starke Vergr )
Eine höhere Stufe der Sonderung haben die Muskeln d;inn er-
reicht, wenn der Cyhnder, abgesehen von seiner zarten Hülle, eine
Scheidung in Rinde und Marksubstanz aufzeigt, wobei abermals die
()9.
Ä
B
Muskeln von A rth i()i)odcn.
A sog Priinilivhändcl von einem Insekt laus dem Kopfe der rothen Ameise),
B Primitivbündcl von einer Spinne, C Primitivljündel von Avgulus foliaceus.
(Starke Vergr.)
einfache, quergestreifte Muskeln. 135
Modifikation eintreten kann, tlass die Rinde hell, homogen, die Ach-
sensubstanz körnig- ist, oder die erstere allein oder Rinde und Achse
zugleich in primitive Fleischtheilclien zerfallen sind (Muskeln von Hi-
rudineen, Mollusken). Das Aussehen des Cylinders nähert sich
dadurch immer mehr der „quergestreiften'' Form, welche ihre Vollen-
dung in den Muskeln der Salpen, Arthropoden und Wirbel-
thiere erlangt, wo die contraktile Substanz in ihrer Gesammtheit zu
sehr regelmässig gestellten „Fleischtheilchen" sich imigesetzt hat.
"^ §• 133.
Man darf übrigens nicht aus den Augen verlieren, dass die ge-
kennzeichneten Muskelcylinder kaum bestimmten Thiergruppen aus-
schliesslich zukommen , sondern die verschiedenen Abänderungen kön-
nen in einem und demselben Thier angebracht sein. Man trifft bei
Echinodermen [Holothuria, Synapta, Echinus, Asterias u. a.) sowohl
rein homogene Muskelcylinder, von zarter Hülle umgeben, oder sie
sind in keilartige Stücke gesondert, die dicht in einander geschoben
das Bild einem echt quergestreiften sehr ähnlich [machen können. Bei
Mollusken giebt es rein homogene Cyhnder (oder auch Bänder), fer-
ner solche mit Sonderung in Rinde und Marksubstanz ; letztere erscheint
körnig und die Körnchen mitunter so regelmässig gelagert, dass man
lebhaft an Querstreifung erinnert wird und in gewissen Organen (Schlund-
kopf mancher Gasteropoden, Kiemenherzen der Cephalopoden z.B.) sind
genuin quergestreifte Muskeln daraus geworden. Aehnliche Abstufun-
gen begegnen uns auch bei den Anneliden. Unter den Rotatorien
haben einige Arten {EucJilanis triquetra, Pterodina patina, Scaridium
longicaudum, Polyartlira, Notommata Sieholdii u. a.) quergestreifte Mus-
keln , obschon die einfacheren Cylinder die häufigeren sind. Bezüglich
der Helminthen wird angegeben, dass ihre Muskeln nie querge-
streift wären, und allerdings erreichen sie wohl nur in sehr seltenen
Fällen die höchste Differenzirung , denn meist sind sie homogene Cy-
linder oder Bänder, die bei einiger Breite eine Scheidung in helle
Rinde und leicht getrübtes Mark zeigen. Doch kenne ich ein Bei-
spiel von echt quergestreifter Muskulatur auch aus dieser Abtheilung.
Es ist der glockenförmige Uterus von Ecliinorliynchus ^ dessen Wand
(bei E. nodulosus) mit dicker quergestreifter Muskulatur versehen sich
zeigt, w^orin auch die längst bekannten so lebhaften peristaltischen
Bewegungen dieses Organes ihre Erklärung finden. Die Krebse,
Spinnen und Insekten stimmen darin überein, dass ihre Muskeln
allerorts quer gestreift sind, w^obei zu beachten ist, dass die Muskeln
hier gewöhnlich in ihrem Innern einen gewissen embryonalen Cha-
rakter beibehalten. Die Primitivbündel besitzen einen centralen hellen
Kanal, in welchem Kerne eine dichte Säule bilden; bei Spinnen
beobachtet man neben den gewöhnlichen Primitivbündeln mit einer
einzigen Kernreihe in der Achse solche, die fünf, sechs und mehre
dergleichen aus Kernen gebildete Centralstränge aufweisen und, wie
136
Vom Muskelsystem der Thiere.
die Betrachtung des Querschnittes lehrt, aus der Verschmelzung meh-
rer Bündel hervorgegangen sind. Da die Muskelcylinder metamor-
phosirte Zellen vorstellen, so können überhaupt von den ursprünglichen
Zellenkernen mehr oder weniger deutliche Reste, selbst Kerne in ganz
unverändertem Zustande an den Muskeln zurückbleiben.
Eine eigene Stellung nimmt die Muskulatur der Hydren ein,
indem die Muskelzellen in der Blasenform verharren, ein klarer
wandständiger Kern immer vorhanden ist und die contraktile Sub-
stanz einen wasserklaren Zelleninhalt bildet.
Fig. 70.
VereiniRung
der M iiHkel-
oylinder zu
grösseren
Massen,
Fuss einer Hydra, der Fokus ist auf das kontraktile Gewehe eingestellt,
a die Haut mit einzelnen Nessclorganen , b die Hautzellen der Fussscheibe,
c die Oeflnung in der Fussscheibe, d die kontraktilen Zellen. (Starke Vergr.)
§. 134.
Die Muskelcylinder verlaufen entweder einzeln für sich oder sie
erscheinen, wo eine stärkere Kraftäusserung erforderlich ist, einer
an den andern gereiht ohne Aufgebung ihrer Selbstständigkeit, und
für diese Fälle muss die zarte Hülle des Cylinders von der ursprüng-
lichen Muskelzelle abgeleitet werden. Eine Muskelfaser entspricht
einer einzigen verlängerten Zelle. Wo es darauf ankommt, die Mus-
kelziige mehr für eine bestimmte Richtung zu isoliren, werden die
primitiven Cylinder unter Beihülfe von Bindesubstanz partieenweise
zusammengehalten und von einander abgeschieden , bei den einfa-
chen (nicht echt quergestreiften) Cylindern behalten diese dabei ihre
Selbstständigkeit, die quergestreiften Cylinder der Arthropoden und
Wlrbelthiere indessen verschmelzen dabei gewöhnlich zu einer neuen
Farbe der Muskeln. 137
histologischen Einheit, dem sog. Primitivbünde], und die bindegewe-
bige Scheide, welche eine solche Gruppe von Muskelcylindern zu-
sammenschliesst, trägt den Namen Sarcolcmma. Bestimmte Muskel-
gruppen haben bei allen Wirbelthieren dünnere Primitivbündel, als
sie sonst am Körper vorkommen, dahin gehören besonders die Au-
genmuskeln, deren Primitivbündel bei Säugern, Vögeln, Reptilien
und Fischen schmäler sind als die Muskeln des Stammes. Wenn, wie
bei Arthropoden und Wirbelthieren die Cylinder vollständig sich in
die „Fleischtheilchen" umgesetzt haben, ist auch meist jedes Zeichen
einer Aggregirung von primitiven Cylindern abhanden gekommen
und nur auf dem Querschnitt getrockneter und wieder erweichter
sog. Primitivbündel deuten die oben (s. Muskelgewebe) besproche-
nen kanalartigen Lücken, die' nach der Länge des Bündels die quer-
gestreifte Substanz durchziehen, auf die Zusammensetzung, mit ande-
ren Worten, sekundäre Natur des sog. Primitivbündels zurück. Doch
kennen wir auch quergestreifte Muskeln, wo die primitiven Cylinder
innerhalb des Sarcolemma ihre Selbständigkeit aufrecht erhalten
haben ; Beispiele hiezu bietet die Muskulatur unter der Seitenlinie
vieler Fische, die schon auf dem Querschnitte des Fisclies durch
ihre dunklere Farbe von den übrigen Muskeln absticht und von ande-
ren Zootomen für Drüsen angesehen wurde; ferner die Muskeln am
Spritzloch der Plagiostomen, die Augenmuskeln der Hausmaus, des
Frosches (hier zugleich mit gewöhnlichen hellen Bündeln vorkommend).
Es zeigen dabei häufig noch die Cylinder selbst ihre Scheidung in
Rinde und Mark, bei Hexanchus g^iseus füllen Fettkörnchenreihen die
Achse des Cylinders aus.
Fig. 71.
Muskeln.
Primitivbündel von der Seitenlinie des Barsches. (Starke Vergr.)
§. 135.
Die Farbe der Muskelsubstanz ist nicht überall die gleiche, im Farbe der
Allgemeinen ist die Muskulatur bei Wirbellosen hell, farblos, doch giebt
es Ausnahmen, so sind z. B. die Brustmuskeln von stark fliegenden
Insekten gelbbraun, die Muskelsubstanz des Magens von* Aphrodite,
Lumhricus ist gelbroth, die Muskeln der Kauorgane mancher Gastero-
den ist röthlich {Paludina vivip.) oder hochroth {Buccinum undatum).
Die Muskulatur der höheren Wirbelthiere (Säuger, Vögel) ist wohl
durchweg roth, die der niederen Wirbelthiere (Amphibien, Fische)
häufig blass, farblos; roth sehen wir z. B. das Fleisch von Trygon
138 " Vom Miiskelsystem der Thiere.
pastinaca, Thynmis, Cobitis fossilis n. a.^ auch die Muskelschicht unter
der Seitenhnie hat sehr gewöhnlich eine braunrothe Färbung, sie
ist bedingt durch eine eigenthümliche molekulare Trübung und Ab-
lagerung von Fettpünktchen in die quergestreifte Substanz; sonst
sind die Muskeln roth durch einen diffusen Farbstoff, der leicht durch
Wasser ausgezogen wird. Die Muskeln können auch eine ausge-
sprochene weisse Farbe haben ^ und dies rührt dann von Fettkörn-
chenreihen her, welche zwischen der contraktilen Substanz sich be-
finden. Am stärksten sah ich diesen Fettgehalt an Hexanchus griseus,
wo auch die Muskulatur des Stammes eine lebhafte weisse Farbe darbot.
An Embryonen von Haien haben theilweise die Muskeln dieselbe
Farbe, da ein gleicher Fettreichthum das Innere der Bündel erfüllt.
§. 136.
Harcoiemma. Das liellc homogcne Sarcolemma geht continuirlich fort in
die unter dem Namen Perimysium bekannten Bindegewebsscheiden,
welche, im Zusammenhange mit der häutigen ümhülluug des gan-
zen Muskels, letzteren in die verschieden grossen Faszikel sondern.
Dieses Bindegewebe finden wir bei manchen Wirbelthieren, z. B.
in Bonihinator igneus, Bufo variahilis, Ansatzende der Augenmuskeln
von Chimaera monstrosa von durchweg schwärzlichem Aussehen^
wobei das Pigment sich zunächst an die im Perimysium verzweigten
Blutgefässe hält. Auch metallisch glänzendes Pigment kann den
Muskelscheiden anhaften ; wie man z. B. an den Bauchmuskeln des
Bomhinator sieht. — Dunkel pigmcntirte Muskeln stossen hin und
wieder auch bei Wirbellosen auf, ich erinnere z. B. an die schwärz-
lichen Betraktoren der. Tentakeln hei Helix pomatia u. a. Schnecken.
— Bei Krebsen, Spinnen und Insekten ist die Bindesubstanz, welche
die contraktilen Elemente partienweise umhüllt , in der Regel zarter
als bei den Wirbelthieren, ja in den Thoraxmuskeln vieler Insekten
so weich und feinkörnig, jedoch mit den gewöhnlichen Kernen ver-
sehen, dass sie, weil nicht hautartig consolidirt, die quergestreiften
Cylinder sehr leicht in feinere Säulen auseinander fallen lässt. Wenn
Tracheen den Körper durchziehen, umspinnen sie in ganz ähnlicher
Art, wie die Blutcapillaren der W^irbelthiere, die kleineren und klein-
sten Abtheilungcn des Muskels, ohne indessen ebensowenig wie die
Blutgefässe zwischen die primitiven Fleischtheilchen einzudringen.
Gerade an den Thoraxmuskehi der Insekten, wo ausserdem die Schei-
dung der Muskeln in „Primitivbündel" schwer siclitbar zu machen
wäre, markiren sich durch die Weise der Tracheenverzweigung die
den „Primitivbündeln" entsprechenden Portionen der Muskelsubstauz.
An lebenden oder frischen Muskeln der Arthropoden ist das
Sarcolemma oft kaum erkennbar ; am todten Muskel aber steht es
liüuiig weit ab und zeigt an seiner Innenseite zahlreiche Kerne und
Molekularsubstanz. Die Küo'elchen der letzteren sind bei den Tho-
raxmuskeln hell, grösser und sehr zahlreich, so dass die quer-
Sehnen und Sarcolemma.
139
gestreiften Cylinder (Fibrillen der Autoren) ganz in sie eingebettet
sind. Auch die Muskeln unter der Seitenlinie der Fische haben die
Eigenthümlichkeit, dass zunächst der inneren Fläche des Sarcolemma
viel Molekularmasse liegt, und ferner, dass die zahlreichen hier be-
findlichen Kerne alle quergelagert sich zeigen. Verhältnissmässig
leichter als bei Wirbelthieren ist, wie uns zuerst Reichert belehrt
hat, der continuirliche Uebergang des Sarcolemma in die Sehnen bei
Arthropoden wahrzunehmen. Die Sehnen sind hier nicht selten gleich
der äusseren Haut chitinisirt, und da man letztere irrthümlich zu dem
Horngewebe gezählt hat, so konnte sich die sonderbare Angabe ein-
schleichen, dass den Sehnen der Wirbelthiere vollständig entsprechende
Gebilde bei den Gliederfüsslern nicht existiren. Man hat indessen
häufig Gelegenheit, an den verschiedensten Arthropoden die Sache
genau so zu sehen, wie Reichert geschildert hat: die Sehnen (chiti-
nisirte Bindesubstanz), entfalten sich gegen die Muskeln hin zu
cylindrisch gestalteten Schläuchen, welche, indem sie die querge-
streifte Masse als Inhalt umschliessen, das Sarcolemma darstellen.
Fig. 72.
Muskeln von Ixodes,
a die chitinisirte Sehne, welche sich theilt und, zarter geworden, das schlauch-
förmige Sarcolemma bildet, in b ist letzteres noch erfüllt von der quergestreiften
Muskelsubstanz, während in c die Muskeltheilchen herausgefallen sind und das
leere Sarcolemma als unmittelbare Fortsetzung der Sehne erkannt wird.
(Starke Vergr.)
140 Vom Muskelsystem der Thiere.
^. 137.
Sehnen. Bcim Meuscheu ossifizireii nur in den Sehnen einiger Muskeln
kleinere Partien^ welche zu den Sesam beinchen werden. Mehre Säuge-
thiere (Cameel, Lama, Igel) haben Verknö cheriingen im sehni-
gen Thcil des Zwerchfells, beim Igel sollen sie mehr im fleischigen
liegen. Auch bei Amphibien z. B. in der Sehne des gemeinschaft-
lichen Fingerbeugers von Bufo macuUventris findet sich ein Sesam-
knorpel , in dessen hyaline Grundsubstanz zum Theil netzförmige
Kalkablagerungen Statt gefunden haben. Die langen Sehnen an den
Flügeln und Füssen der Vögel, ebenso die der Eückenmuskeln, haben
das eigene, dass sie gern verknöchern und sicli damit zu ansehnlichen,
dünnen Knochenstäben umwandeln. Endlich bei Fischen, (Teleo-
stiern) ossifiziren viele Streifen des Perimysiums in den Seiten- und
Rückenmuskeln und sind unter dem Namen Fleischgräthen bekannt.
Die Muskelfa seien sind gewöhnlich reich an elastischen Fa-
sern. Beim Pferd wird die ganze Fascia superficialis ahdominis durch
eine Schicht elastischen Gewebes ersetzt [Gurlt).
Die Sehnen sind sehr arm an Nerven, doch sind solche in
der Pars tendinea des Zwerchfells vom Meerschweinchen beschrieben
worden {Pappenheim). Bei allen Vögeln findet sich ferner in dem
zweiköpfigen Nackenmuskel mitten in der Sehnensubstanz ein Nerv,
welcher auf seinem Durchgang kleine Zweigelchen abgiebt {Purkinje).
chitiniäiruns Noch vcrdicut herausgehoben zu werden, dass bei einigen Wirbel-
der MusLeln. . ^ .... .
losen auch M u s k e 1 cy 1 i n d er c h 1 1 1 n i s i r e n oder, wie man es gewöhn-
lich ausdrückt, verhornen können. Von dieser Art sind die End-
stücke jener Muskelcylinder, welche bei den Gasteropoden au das
gleichfalls chitinisirte Operculum an der liückenseite des Fasses sich
ansetzen (z. B. bei Paludina vivipara). Ferner besteht der sog. Bart
oder Byssus, mit welchem sich manche Bivalven an feste Gegen-
stände festspinnen, aus chitinisirten Muskelfasern. Schon ältere Na-
turforscher {Blainville z. B.) haben den Byssus als eine Masse ver-
trockneter Muskelfasern aufgefasst und so seltsam dies auch klingen
mag, an Area, Pinna u. a. glaube ich mich überzeugt zu haben, dass
die noch contraktilen Muskelcylinder des Fusses in die starren, chi-
tinisirten Elemente des Byssus continuirlich übergingen.
. §. 138.
Physio- 1,1 offenbarer Weise hängt die Schnelligkeit und Langsamkeit
der Bewegung von dem Grade der histologischen Sonderung des
Muskelcylindcrs ab. Thiere mit einfachen Fasern bewegen sich lang-
samer, Mollusken z. B. , und nur die Thcile ihres Körpers, deren
Muskelcylinder sich dem cpiergestrciften Zustande nähern, wie z. B.
an den Kauoi-gaiien, zeichnen sich durch kräftigei'c Contraktionen aus.
Es übertrefien daher die mit echt quergestreifter IMuskulatur versehenen
Arthropoden die anderen Wirbellosen an Präcislon und Energie der
Bewegungen.
Muskeln der Infusorien etc. 141
Ob die Muskelfasern durch bindegewebige UmhüHungen in beson-
ders scharfe Abtheikingen zu zerfallen haben, richtet sich nach der
Manchfaltigkeit der Bewegungen, welche das Thier auszuführen hat;
wir wissen so , dass die Individualisirung der Muskelkörper bei den
bohren Reptilien, Vögeln und Säugern schärfer ausgeprägt ist, als bei
Fischen und fischartigen Amphibien, und selbst noch den in mancher
Hinsicht an die Fische erinnernden Cetaceen,
Ueber die histologische Zusammensetzung der Süss wasserpolypen hatte
Ecker die Ansicht aufgestellt, dass der ganze Körper der Hydren aus einer gleichför-
migen, theils klaren, theils körnigen, weichen, dehnbaren, elastischen und kontraktilen
Substanz bestehe , die netzförmig durchbrochen sei und in den Hohlräumen eine
mehr oder minder klare Flüssigkeit enthalte. Entgegen dieser Auffassung habe ich •
nachgewiesen, dass unsre Hydren aus Zellen und Zellenderivaten zusammengesetzt
sind und dass in Betreff des contraktilen Gewebes die Muskelzellen grosse, kuglige
Zellen bleuten und ihr wasserheller contraktiler Inhalt sich nicht weiter differen-
zirt. Uebrigens sind, wie ich jetzt aus Leuckarts Jahresbericht im Arch. f. Na-
turgesch. XX. Jahrg. 2. Bd. erfahre, auch andere Forscher zu ähnlichen Resultaten
gekommen.
Was den Stielmuskel der Vorticellinen anbetriift, so lehnen sich zwar ver-'
schiedene Beobachter, Ecker, Kdlliker, auch Stein, gegen diese Bezeichnung
auf; sie wollen an diesem Achsenfaden kein charakteristisches Merkmal der Muskelsub-
stanz wahrgenommen haben ; ich bedaure , hier ebenso bestimmt Avidersprechen zu
müssen, als es bezüglich der Piotatorien, Tardigraden und Insektenlarven geschehen
durfte. Der beanstandete Muskel hat, wie oben gemeldet, dieselbe Beschaffenheit
und Differenzirung wie die Muskeln vieler niedern Wirbellosen. Anch La chmanii
glaubt ihn ,,unbedenklich Stielmuskel nennen zu dürfen", und bemerkt, „dass er
nicht vollkommen strukturlos ist-'' Die mannichfachen Mittelstufen, welche zwischen
dem rein homogenen und dem echt quergestreiften Muskelcylinder liegen, haben
die sehr differenten Angaben über die Natur der Muskeln bei Würmern, Mollusken
und Strahlthieren hervorgerufen , indem der Eine Querstreifung erblickt zu
haben angiebt, wo der Andere glatte Muskeln sah. An Echinodermen z. B. sahen
B. Wagner, Joh. Müller, v. Siebold keine Querstreifen, Valentin bemerkte
an gewissen Stellen Querstreifen, letzterer schrieb auch den Blutegeln, Regenwür-
mern und Cephalopoden „variköse'' Muskeln zu, während sie nach Treviranus,
Wagner u. A. da fehlen. Die Muskeln der Bryozoen werden von Milne Edwards,
Allmann quergestreift genannt, wovon Nordmann und Sie bold das Gegentheil
behaupten oder nur von Querrunzeln sprechen und doch ist , wie ich aus eigner
Beobachtung an Alcyonella und Plumatella weiss, der Muskelcylinder hier klar in
primitive Theilchen gesondert, so dass sein .Bild der echten Querstreifung sehr nahe
tritt. Da einer unserer bedeutendsten Zoologen, Burmeister , noch jüngst seine
Zweifel ausgesprochen hat, ob die Polypen echte Muskelfasern besitzen , indem er
meint, es möchte das, was man als solche beschrieben, „parallel streifiges Bindege-
webe" gewesen sein, so führe ich noch an, dass ich an frisch untersuchten Thieren
der Gattung Lobularia Muskeln wahrgenommen habe ganz von jenen Eigenschaften,
welche für ihre Muskelnatur Zeugniss ablegen. (Bezüglich der Abbildungen von
Muskeln aus Würmern, Strahlthieren, Mollusken, Rotatorien , Arthropoden erlaube
ich mir, auf m. Aufsätze in der Zeitschr. f. w. Z. und in Müll. Arch. zu verweisen.)
— Die Spinnen, Krebse und Insekten besitzen, soweit ich nach meiner Erfahrung
urtheilen kann, nur quergestreifte Muskeln, was desshsilb erwähnt wird, weil nach
Frey und Leuckart bei „kleinen Insekten" die Muskeln glatt seien. Auch an
der Muskellage, welche die Giftdrüsen der Spinneu umwickelt und nach v. Sie-
142 Vom Skelet des Menschen.
bold und H. MecJcel zvim Theil glatt ist, habe ich (und insbesondere bei Epeira,
Clubiona, Mygale, Argyroneta) nach Anwendung von Alkohol die Querstreifung
gesehen.
Dass die Thoraxmuskeln hei den Insekten von den übrigen Muskeln der-
selben abweichen, ist schon lange her bekannt, neuerdings hat namentlich Äubert
darüber gehandelt; die Muskelcylinder können hier auch von platter Gestalt sein
(Libellen z. B.); die „zwischen den Fibrillen befindliche krümelige Masse von un-
bekannter Bedeutung" findet, wie ich die Sache ansehe, ihr Analogen in der Mo-
lekularmasse, welche bei Fischen in den Muskeln der Seitenlinie unter dem Sarco-
lemma angehäuft ist, oder auch in den Fettkörnchenreihen zwischen der contraktilen
Substanz. — Aus den quergestreiften Muskeln der Ratten und Mäuse kennt man seit
längerem durch Miescher und v. Siehold parasitische Gebilde, die den Pseudö-
navicellen oder Psorospermien ähnlich sehen. Verwandte Parasiten finden sich
auch in den Muskeln der Spinnen (Müll. Arch. 1855 S. 397).
Sechster Abschnitt.
Vom Skelet des Menschen.
§. 139.
Das Knochensystem umfasst die Knochen oder Beine, welche
durch Knorpel, Bänder und Gelenkkapseln zu einem zusammenhängen-
den Ganzen verbunden sind, durch ihre Festigkeit und Härte, den
eigentlichen Stützapparat des menschlichen Körpers bilden, und ihm
den Hauptumriss und die Grundform geben,
luche'und -^^^ Knochen sind sehr wenig elastisch, undurchsichtig und von
chemische wcisslicher Farbe. Sie zeichnen sich aus durch grosse Widerstands-
»chaften. fälugkcit ^Q.^QM dic Verwesung. Diese Eigenschaften resultiren aus
ihrer eigenthümlichen chemischen Zusammensetzung, indem sie sowohl
aus einem organischen, wie unorganischen Theile bestehen. Erstrer oder
der Knochenknorpel ist leimgebende Bindesubstanz, die unorganischen
Theile oder die Knochenerde enthalten hauptsächlich phosphorsaure und
kohlensaure Kalkerde nebst einer geringen Menge von kohlensaurer oder
phosphorsaurcr Magnesia und Spuren von Fluorcalcium. Man kann
beiderlei Bestandtheile, die organischen wie unorganischen von einan-
der trennen, ohne dass der Knochen seine Gestalt einzubüssen braucht;
den Knochenknorpel stellt man dar durch Maceration des Knochens
in verdünnter Salz- oder Salpetersäure, die erdigen Theile erhalten
wir durch Glühen des Knochens.
§. 140.
struktur Was den Bau der Knochen betrifft, so erscheint die Substanz
derselben für das freie Auge entweder mehr homogen, solid, oder von
grösseren oder kleinei-en Hohlräumen durchbrochen, und darnach spricht
man von compakter und von schwammiger Knochensubstanz , nach
Compakte Knochensubstanz. 143
früherem Ausdrnck von Suhstantia dura und Buhstantia spongiosa.
Man bezeichnet letztere auch wohl, wenn die Lücken grösser sind,
als Suhstantia cellularis, und wenn die Räume kleiner sind, als Suh-
stantia reticularis. Es ist nun im Hinblick auf den feineren Bau
nicht ausser Acht zu lassen, dass mikroskopisch am Knochengewebe
dasselbe gesehen wird, was makroskopiscli am Grossen und Ganzen
sichtbar ist ; das Knochengewebe zeigt, wie das früher erörtert wurde,
eine geschichtete lamellöse Grundsubstanz und ein System grösserer
und kleinerer Lücken, die eigne Benennungen füliren. Die grösseren
heissen Markkanäle, Gefäss- oder Havers'sche Kanäle, die
kleineren sind die sog. Knochenk örperch en. Alle diese mikro-
skopisch kleinen Hohlräume sind aber die direkten Fortsetzungen der
grossen, dem unbewaffneten Auge zugänglichen Markräume.
§■ 14L
Die compakte Knochensubstanz bildet bei allen Knochen die
Rinde, in nur sehr seltenen Fällen, wie z. B. an der Lamina papyracea
ossis ethnoidei, an den Gehörknöchelchen besitzt sie bloss die klein-
sten Hohlräume, die Knochenkörperchen und nicht einmal Gefässka-
näle. Solche Fälle abgerechnet erscheint es als Regel, dass nur die
compakte Knochensubstanz Gefässkanäle aufweist, und zwar verlaufen
diese in den Röhrenknochen nach der Längenrichtung derselben, in
platten Knochen von gewissen Punkten aus büschelförmig oder strah-
lig. Dadurch, dass die Gefässkanäle sich manchfach theilen und
anastomosiren, formen sie ein Netzwerk von meist etwas gestreckten
Fig. 73.
€0
Aus der compakten Substanz eines Röhrenknochen, massig vergr.
a die Havers'schen Kanäle im Längsschnitt, b dieselben im Qiierscliiiitr.
c die Knochenkörperchen.
144 Vom Skelet des Menschen.
Maschen. In der schwaniraig-en Substanz sind die Gefässkanäle
zu den grossen, dem freien Auge sichtbaren Räumen umgewandelt,
und im Innern der Bälkchen und Plättchen finden sich die mikro-
skopisch kleinsten Hohlräume oder die Knocheukörperchen.
Der Inhalt des die Knocheusubstanz durchsetzenden Lücken-
systemes ist verschieden nach dem Unifjing der Räume. Alle die
grösseren, von freiem Auge unterscheidbaren Aushöhlungen, sowie die
Havers'schen Kanäle schliessen Blutgefässe ein. Sowohl von der
Beinhaut her, als auch durch besondere grössere Oeffnungen [Foramina
nutritia) dringen Arterien in die Knochen ein und lösen sich in den
grösseren Hohlräumen und bis in die Havers'schen Kanäle hinein in Netze
auf, aus denen sich wieder die Venen hervorbilden. Nehmen die Blutge-
fässe nicht allen Platz innerhalb der Hohlräume weg, so füllt eine Flüssig-
keit, Fett (sowohl frei als auch in Zellen), ferner zellige Elemente sowie
Bindesubstanz die Räume aus und constituiren sammt den Gefässen
und Nerven , welch' letztere fast in allen Knochen des Skelets nach-
gewiesen sind, jene für das freie Auge gelbliche oder röthliche weiche
Masse, die unter dem Namen Knochenmark [Medulla ossium) be-
kannt ist. Von den zelligen Formelementen des Knochenmarkes wer-
den, seit Rohin unterschieden: 1) kleine, rundliche Zellen mit fein
granuHrtem Inhalt und dunkel conturirtem Kern: 2) grosse Zellen
von platter, polygonaler oder auch unregelmässiger Form, feinkörnig
und mit meheren 6 — 10 Kernen versehen. — Die feinsten Hohlräume
im Knochen , die Knochenkörperchen sind lediglich erfüllt mit einer
aus den Blutgefässen ausgeschiedenen Ernährungsflüssigkeit.
§• 142.
Verbindung . Wo dic Verbindung der Knochen unter einander durch Bänder
'■''"°''''*°' geschieht , sind solche entweder weiss und glänzend, und bestehen
dann hauptsächlich aus Bindegewebe, oder sie haben ein strohgelbes
Aussehen und erscheinen dann aus elastischen Netzgeflechten gebildet,
{Ligaw,entum nuchae, Ligamenta flava) mit einem Minimum von Binde-
substanz dazwischen. Kommt dic Verbindung durch Knorpel zu
Stande, so kann dazu echter, hyaliner Knorpel dienen (Gelenkknorpol,
Rippen) oder Faserknorpel (^Ligamenta intervertebralia, Synchondrosen).
In den Ripj)en bemerkt man ein Vorwalten der Grundsubstanz über
die zelligen Tiieile; in den Spitzen der untersten Rippen sehen wir
nur abgeplattete Knorpelhöhlcn, sonst sind an diesem Orte die Zellen
gegen die Achse hin in Lüngsreihen geordnet, welche auf dem Quer-
schnitt strahlig von dei' Achse zur Peripherie verlaufen {Mehauer).
Manche histologische- Jugenthümlichkeitcn machen sich an den Ge-'
lenkver bindungen bemerklich. Bei fast allen Gelenken haben die
äusseren Schichten dci' Knoehenenden keine Gefässkanäle oder Mark-
räume, sondern deren Stelle vertreten etwas grosse, rundliche oder
längliche Knochenkörperchen ohne Ausläufer, also slrahlenlose Knochen-
körperchen, die sonst im menschlichen Körpei' nui- noch pathologisch
der
Synovialkapseln.
145
Senkrechter Schnitt durch die Gelenkknorpel,
a Gelenkhöhle, b Gelenkknorpel, c Knochensubstanz, die zunächst des Knorpels
^ strahlenlose Knochenkürperchen hat. (Massige Vergr.)
sich vorzufinden scheinen. In den Knorpelscheiben, welche die Ge-
lenkenden der Knochen überziehen und mit Ausnahme des faserknor-
peligen Ueberzuges des Kiefergelenkes (Henle) zum Hyalinknorpel
gehören, sind die Knorpelzellen in der Tiefe länglich und in senk-
rechten Reihen zum Knochen gestellt, weiter nach aussen mehr rund-
lich und ohne auffindbare Ordnung, endlich in der Nähe des Knorpel-
randes abgeplattet und mit der Oberfläche in mehren Reihen parallel
verlaufend.
Die Synovialkapseln^ welche die überknorpelten Gelenkenden
mit einander verbinden, bestehen aus Bindegewebe, das zahlreiche
Gefässe und Nerven besitzt, die Innenfläche deckt ein Plattenepithel,
welches am Rand des Gelenkknorpels aufhört und demnach nicht den
ganzen Gelenkraum auskleidet. {Reichert hat indessen gezeigt, dass
im Fötalzustande des Menschen und der Haussäugethiere an der gan-
zen inneren Oberfläche der Synovialkapseln ein Epithel sich findet.
Auf dem Gelenkkuorpel lag dasselbe unmittelbar der Knorpelsubstanz
auf. Bei Erwachsenen erhält sich das Epithel nur da, wo es sich d«r
Reibung mehr entziehen kann.) — In die Gelenkhöhle hinein ragen
an manchen Stellen röthlich gelbe Fortsätze, früher fälschlich für
Synovialdrüsen beschrieben; es sind Falten und Wucherungen der
Synovialkapseln nach innen, durchzogen von zahlreichen Blutcapillaren
und Fettträubclien; am freien Rande geht das Bindegewebe in zotten-
artige Verlängerungen der manchfaltigsten Form aus, die den histo-
logischen Charakter von Knorpel an sich tragen: homogene Grund-
substanz und dickwandige Zellen besitzen. Dergleichen Anhänge
können, indem sie sich vergrössern und von ihrem Mutterboden trennen,
zu sog. Gelenkmäusen werden. — Die Synovia, Gelenkschmiere er-
scheint als dickliche, helle oder blassgelbliche Flüssigkeit, die im
Normalzustand keine geformten Theile enthält. —
I'eydig, Histologie. J^Q
der Knocheu.
146 Vom Skelet des Menschen.
§• 143.
Entvrickiuug Von den Knochen des menscblichen Skelets entwickeln sich die
'einen aus einer knorpeligen Anlage, die andern aus Bindegewebe.
Knorpelig vorgebildet sind die Wirbelsäule, die Rippen sainmt Brust-
bein, ferner die Extremitätenknochen und endlich der Basilarthell des
Schädels. Aus ossifizirendem Bindegewebe gehen hervor das Schlüs-
selbein [Bruch), die obere Hälfte der Schuppe des Hinterhauptbeins,
Scheitelbeine, Stirnbeine, Schuppen der Schläfenbeine sammt Pauken-
ringen und die Gesichtsknochen, Oberkiefer, Unterkiefer, Gaumenbeine,
Thränenbeine, Nasenbeine, Jochbeine, Pflugschaar.
Die Knorpel bereiten sich zur Verknöcherung dadurch vor, dass
die Knorpelzellen sich vermehren, wobei die neuentstandenen eine
eigenthümliche Lagerung, entweder in Längsreihen oder in unregel-
mässigen Haufen, einhalten. Das nächste, was geschieht ist, dass der
bis jetzt gefässlos gewesene Knorpel gefässhaltig wird, indem durch
Verschmelzung und Verflüssigung von Zellenreihen Kanäle zu Stande
kommen, welche nach verschiedenen Seiten sich ausdehnen und, indem
sie sich in hohle Fortsätze verlängern, ein System von ästigen, an
vielen Stellen blind aufhörenden Hohlräumen erzeugen. Der zellig-
gallertige Inlialt der Knorpelkanäle wandelt sich zu Blutgefässen und
den Bestandtheileu des Markes um. Erst jetzt erfolgt die eigentliche
Ossification, w^elche darauf beruht, dass die dem Knochen eigenen
Kalksalze in den Knorpel abgesetzt werden. Die Stelle, wo solches
zunächst erfolgt, wird hart, w^eiss und undurchsichtig, und man
nennt sie den Verknöcherungspunkt. Die erdigen Theile, zuerst als
rundlich-eckige Kalkkrümmeln auftretend, verbinden sicii unter einan-
der und mit der Grundsubstanz des Knorpels, die von solchem Vor-
gang eingeschlossenen Knorpelzellen metamorphosiren sich in der oben
(s. Knorpelgew^cbe) geschilderten Weise zu Knochenkörperchen. —
Die kleineren Markräume entstehen durch die Verschmelzung ganzer
Gruppen von Knorpelkapseln , und wn'e bei der Bildung der gefäss-
führenden Knorpclkanälc, so wandelt sich das zellig-weiche Contentum
zum Knochenmark um. Die grösseren Markräume werden durch Re-
sorption schon fertigen Knochengewebes zu Stande gebracht. Aus
der ursprünglichen Knorpelanlage geht bloss die Substantia sponcjiosa
hervor; das compaktc Knochengewebe wird während des \A achs-
thums der Knochen durch ossifizirendes Bindegewebe geliefert, welches
sich schichtweise unter dem Periost absetzt. Indem diese bindege-
webigen Pcriostwucherungen von Anfang an in netzartig durchbrochene
Lamellen ossifiziren, bleibt eine die Maschen ausfüllende, weiche
Partie des Bindegewebes übrig, welche sich in Blutgefässe und Mark-
zellen umsetzt; das Lückensystem mit seinem Inhalt entspricht den
Havers'schen Kanälen. An den ossiflzirenden Theilen werden die
strahligcn Bindegewebskörperchen zu den verzweigten Knochenkör-
perchen. — Ebenso ist der Vorgang der Verknöchcruiig bei jenen
Knochen, die uranfängiich aus Bindegewebe ihren Ursprung ableiten
Wachsthum, Ernährung. 147
Man darf übrigens nicht vergessen, dass die Trennung zwischen den
beiden Ossifikationsarten keine sehr scharfe ist, da eben Knorpel- und
Bindegewebe innig verwandt sind und nur Modifikationen eines und
desselben Gewebes darstellen.
Das Wachsthum der Knochen in die Dicke erfolgt, wie schon
niitgetheilt , durch Ansatz von Bindegewebsschichten an der äusseren
Fläche und nachherige Ossifikation derselben. Die Verlängerung der
Röhrenknochen geschieht so, dass der Knorpel an den beiden Enden
wuchert, worauf die Ossifikation eintritt. Zugleich mit der Anlagerung
neuer Knochenschichten von aussen schwinden die innersten fertigen
Lagen, und die Folge ist die Entstehung der grossen Markhöhlen.
Die Resorption des inneren Knochengewebes scheint selbst dann noch
fortzudauern , wenn der Knochen bereits vollständig ausgewachsen ist
und keine Neubildung von Schicliten an der äusseren Oberfläche mehr
Statt hat.
Die Ernährung des starren Knochengewebes versieht das Blut-
plasma, welches, von den Gefässen der Beinhaut, der Markräume und
der Haver.s'schen Kanäle aussickernd, in die zahllosen Knochenzellen
und ihre Ausläufer aufgenommen wird und sich mittels der netzför-
migen Verbindungen derselben nach allen Seiten hin ausbreiten und
somit den ganzen Knochen durchdringen kann. Zur Regulirung des
Blutkreislaufs in den Knochen dienen die Nerven, welche auch nament-
lich der schwammigen Substanz und dem Knochenmark, wo sie zahl-
reicher sind, einen gewissen Grad von Sensibilität verleihen.
Der erste, welcher die Ansicht wieder aufnahm, dass die Knochenkörperchen
nicht, wie man längere Zeit dafür hielt, Kalkbehälter (sacculi chalicophori) seien, son-
dern ein flüssiges Ernährungsmaterial führten, ist Bruns (1841). Der Kern der
Knochenkörperchen wurde in dem Werke Vogtes Anatom, d. Salmou. 1845 (p. 51,
Tab. g, Fig. 9) zuerst angemerkt und gezeichnet.
Das Wachsen der Knochen nach der Dicke wurde früher meist andei's
aufgefasst als gegenwärtig. Es sollte sich ein Exsudat zwischen Periost und den
Knochen ergiesscn; dieser Erguss, von Andern auch plasmatische Schicht zwischen
Periost und Knochen genannt, sollte sich zuvor in Knorpel umwandeln und dann
erst zu Knochen werden. Als indessen Virchoiv durch den Nachweis der Identität
der Knochen-, Knorpel- und Bindegewebskörpercheu den Schlüssel zum Verständniss
der so verschieden gedeuteten „ossificireuden Blasteme" gegeben hatte, konnte sich
die Ansicht feststellen, dass die Beinhaut selbst durch Wucherung an ihren innersten
Lagen und darauf folgende Ossification dieser Schicliten und ohne sich zuvor in
Knorpel umgesetzt zu haben zu Knochenlagen sich entwickle.
Hinsichtlich der Knochenlamellen unterscheidet man herkömmlicher Weise
zwei Systeme, wovon das eine concentrisch die Havers'schen Kanäle umkreist, das
andere die Umrisse des Knochens im Ganzen wiederholt, also der äusseren und
inneren Oberfläche des Knochens immer parallel ziehen soll. Doch ist die letztere
Annahme mehr theoretisch und die von mir hierauf betrachteten Knocheuschnitte
lassen einen solch' regelmässigen Verlauf der interstitiellen Lamellen nicht erkennen.
Die Gef äs se, -welche in den Knochen, sei es durch die grösseren Eruährungs-
löcher, oder vom Periost her, eindringen, haben anfänglich alle ihre gewöhnlichen
Häute; in den feinen Havers'schen Kanälen hingegen verlieren sie dieselben bis
10*
ilnrHjvIis.
148 Vom Skelet der Wirbelthiere.
auf die homogene Innenliaut und es scheint mir selbst fraglich, oh diese immer im
weichen Zustande verbleibt und nicht vielmehr ebenfalls mitunter verkalkt und da-
mit zur letzten concentrischen Lamelle wird, welche den Blutraum umgiebt.
Die Nerven der Knochen betreffend, so haben schon mehre Anatomen des vo-
rigen Jahrhunderts einzelne Nerven mit dem Messer verfolgt, welche in die Knochen
eindrangen. Untersucht man mit Hülfe des Mikroskopes , besonders in der Art,
dass man die Umgebung der kleineren und grösseren in die Knochen eintretenden
Gefässe mit Kalilauge aufhellt oder das gleiche Verfahren auf das Mark überträgt,
so überzeugt man sich leicht, dass sowohl die langen, als auch die kurzen und
platten Knochen verhältuissmässig reich an Nerven sind. Wie sie enden, ist unbekannt.
Die Bänder des Menschen scheinen im Allgemeinen nervenlos zu sein; in der
Memhr. inteross. crur. sieht man einige der Membrana selber zugehörige Nerven,-
fäden. — Die Scham- und Kreuzdarmbeinfuge sind in neuerer Zeit als wahre
Gelenke mit allen einem Gelenke zukommenden Theilen: Knorpel, Plicae adiposae,
Epithel und Gelenkschmiere durch Luschka erkannt worden, sowie derselbe
Forscher die im Gallertkern der Wirbelsynchondrosen vorkommende Höhle für
beständig hält und ebenfalls mit einer Gelenkhöhle vergleicht, indem er den Faser-
ring als fibröse Kapsel , den Gallertkern als eine durch verästelte und verfilzte
Synovialzellen mehr oder minder ausgefüllte, übrigens eine Synovia-urtige Flüssig-
keit enthaltende Gelenkhöhle betrachtet.
Siebenter Abschnitt.
Vom Skelet der Wirbeltliiere.
§. 144.
Das Skelet der Fische, Reptilien, Vögel und Säuger wird immer
von Gebilden der Bindesubstanz geformt. Wenn auch bei den höheren
Wirbelthierklassen ein grosser Theil des Skelets ursprünglich knorpe-
lig angelegt war, so geht doch im Laufe der Zeit der meiste Knorpel
unter und nur wenige Theile des Skelets bleiben knorpelig; andere Ver-
hältnisse sehen wir bei den niederen Wirbclthieren , hier kann zeit-
lebens das Skelet vollständig oder in grösserer oder geringerer Aus-
dehnung den Charakter von Bindegewebe oder Knorpel beibehalten.
§. 145.
ci.orda Zuvörderst ist es die Chorda dorsalis, bei manchen Fischen Ij
zeitlebens als ununterbrochener Strang verharrend, bei anderen wenig-
stens in Resten sich erhaltend, welche unser Interesse erregt. Sie
dilFerenzirt sich in Inhalt und Scheide. Der Inhalt, meist von gal-
lertigem Aussehen, besteht dann aus grossen, wasserklaren Zellen,
deren Kern mitunter selbst noch im erwachsenen Thier sichtbar ist
(z. B. HexancJms, Acipenser), in anderen Fällen auch vermisst wird.
Die Zellen der ( 'hordasubstanz sind nicht gleich gross, und nicht von
gleicher Bcschatfenheit. Zunächst der Scheide sind sie klein und mit
kcirnigem Inhalt versehen, weiter nach einwärts werden sie immer
grössci' und die dem Centrum zunächst liegenden stellen bedeutende
Hohlräume dar. Hat die Chordasubstaiiz ein mehr fasriges Aus-
Chorda dorsalis. 149
sehen für das freie Auge, so Hegt die Ursache davon in einer zum
Theil sehr beträchth'chen Menge von liomogener, streitiger Substanz,
Fig. 76.
Schnitt durch die Chorda dorsal|is des Polypterus.
a Scheide, b Kalkinkrustationen , c Substanz der Chorda mit dem bindegewebigen
Fächerwerk.
■welche, von den Zellen abgeschieden, ein vollständiges Gerüst bildet,
in dessen Maschenräumen die Zellen liegen, w^obei es übrigens nicht
mehr möglich ist, die grösseren Zellen von der Zwischensubstanz zu
isoliren; ihre Membranen erscheinen vielmehr innig mit der Intercellu-
larmasse verwachsen.
Uebersieht man das Fachwerk von der Scheide her gegen einen
flir das freie Auge erkennbaren centralen Streifen, so ward bemerkt,
dass es in der Nähe der Scheide am wenigsten stark ist , hier demnach
die Zellen noch dichter aneinander sich reihen; je näher dem Cen-
trum aber, um so mächtiger wird die Zwischensubstanz; die Zellen
zeigen sich immer weiter auseinander gerückt, bis endlicli in der
Mitte der Chorda die Zwischensubstanz so zugenommen hat, dass sie
den von freiem Auge sichtbaren centralen Streifen bildet. Das mikros-
kopische Aussehen der Zwischensubstanz ist vollkommen das des Binde-
gewebes, hier mehr homogen, dort mehr streifig, wieder an anderen
Stellen und besonders - im Centrum so lockig-wellig gezeichnet, wie
Sehnengewebe. Diese Beschreibung ist nach Untersuchungen an
Polypterus bichir entworfen; ganz ähnlich scheinen sich nach dem,
was Joh. Müller über die Chorda mittheilt, Myxine, der Karpfen
Schellfisch und andere Knochenfische zu verhalten. Eine eigenthüm-
liche Stellung nimmt die Chorda von Branchiostoma ein, indem hier
nichts von Zellen erkennbar ist. Sie besteht aus quergestellten Schei-
ben {Joh. Müller, M. Schnitze) ^ von denen freilich Quatrefages
meint, dass sie Complexe platter Zellen seien, was, wie ich aus eigner
Beobachtung weiss, entschieden irrthümlich ist. Die Plättchen zeigen
sich homogen und feinstreifig und eriiniern durchaus an jene Formen
aus Bindesubstanz, die durch schmale Spältchen in Abtheilungen zer-
fallen. (Sollten sich vielleicht diese Spältchen als Analoga der Zellen
in der Chorda der vorhergenannten Fische ansprechen lassen?)
150
"Vom Skelet der Wirbelthiere.
§. 146.
Die Scheide der Chorda kann wieder die verschiedenen Modifi-
kationen des Bindegewebes darbieten. Beim Polypterus z. B., besteht
sie aus heller Bindesubstanz, die entweder undeutlich gestreift er-
scheint, oder stellenweise auch eine vollkommen lockige Zeichnung
sehen lässt, ganz wie Sehnen ; beim Stör ist die Hauptmasse gallertig,
undeutlich streifig, ohne dass weitere geformte Elementartheile in ihr
vorhanden wären, nach aussen begrenzt sie sich durch eine elastische
Haut, die, von der Fläche gesehen, gestrichelt sich ausnimmt, nicht
minder in Fasern zerspaltbar ist. Auch an Chimaera existiren elastische
Schichten. Die eigentliche Substanz der Chordenscheide besteht hier
aus festem Bindegewebe, dessen Faserung nur circulär geht und dabei
in der gleichen Richtung verlaufende, schmale, lange Lücken oder
Hohlräume (Bindegewebskörpercheu) zeigt. Nach innen grenzt sich
das Bindegewebe durch eine elastische Haut ab und ebenso nach
aussen, nur hat sie an letzterem Orte derartig grosse Löcher, dass sie mehr
das Bild eines Maschennetzes, wie wenn sie aus sehr breiten und dann
wieder aus schmalen, elastischen Fasern gewebt wäre, giebt. Bei
Haien können auch Schleimgewebe und knorpelige Lagen auftreten.
Fig. 76.
Chorda dorsalis von Chimaera monstrosa.
A Substanz der Chorda, B Scheide: a imiere ehistische Haut, b bindegewebiger
Theil der Scheide, c ossifizirtcr, d äussere elastische Haut. (Geringe Vergr.)
Bei Hexanchus z. B. besteht die Chordenscheide aus undeutlich fasrigcr,
in Essigsäure sich trübender Gallertmasse und Zellen, die von Knor-
pelzellcn nicht zu unterscheiden sind. Gegen die Peripherie der Scheide
hin lösen sich die Fasern continuirlich in die homogene Hyalinsub-
stanz des Knorpels auf. An ^cymmis lichia (fast reifer Embryo),
findet sich nach innen von der Scheide eine Knorpellage, welche die
Chorda beträchtlich einschnürt, ebenso ist nach aussen eine Knorpel-
schicht vorhanden. Die Chordenscheide hat dieselben Zellen, nur etwas
mehr auseinandergedrängt und verlängert, wie der Knorpel an der Aussen-
und Innenseite. Die Litercellularsubstanz ist circulär streifig, geht aber
unmittelbar in die homogene Grundmasse der Knorpellagen über.
Chorda dorsfilis.
151
Fig. 77.
Längsschnitt durch Chorda dorsalis nnd Wirbelkörper von
Scymnus lichia.
a Substanz der Chorda, b bindegewebiger Theil der Scheide, c innere und
äussere Knorpellage. (Geringe Vergr.)
§. 147.
Die Cliordenscheicle kann ossifiziren; so sind bei Polypterus
einzelne Strecken an der Aussenfläche verkalkt, wobei die Kalksalze
in Körnern und weiterhin in geschichteten Kugeln sich absetzen. Bei
Chimaera verknöchert ein Theil der bindegewebigen Scheide zu Ringen,
indem sich die Bindesubstanz mit Kalksalzen imprägnirt und die oben
bezeichneten schmalen Hohlräume zu Knochenkörperchen werden.
Die Rudimente und Anlagen der Wirbel bogen von Petromyzon be-
stehen aus Zellenknorpcl, die knorpeligen Wirbel sammt Bogen der
Sturionen und Selachier sind schöner Hyalinknorpel. Die Wirbel-
körper der Störe und mancher Haie bleiben ganz knorpelig (z. B.
Hexanchus) ^ oder es ist das Centrum verknöchert, oder es wechseln
Knorpel und Knochenchichten mit einander ab {Squatina, Belache).
Bei anderen Plagiostomen und den Teleostiern verknöchern die Wir-
belkörper fast durchaus. — Auch die Schädelkapsel kann ähnliche
Modifikationen vorzeigen; vielleicht aus gewöhnhchem Bindegewebe
bei Ämmocoetes bestehend ist sie zellig - knorpelig bei Petromyzon,
hyalinknorpehg bei Rochen, Haien, Chimären, hier ausgezeichnet da-
durch, dass die freien Flächen sowohl aussen , als innen zu einer ge-
täfelten Knochenkruste ossifizirt sind, welche Art der Verknöcherung
ebenso den meisten anderen Skelettheilen zukommt. Auch wo sonst
wie beim Stör , Polypterus , vielen Teleostiern , fasst der ganze oder
ein grösserer, oder ein geringerer Theil des Schädels knorpelig per-
sistirt, präsentirt er sich als schöner Hyalinknorpel, und von gleicher
Beschaffenheit ist der Knorpel, wenn er ganz oder theilweise Rippen,
Extremitätengürtel etc., bildet. In relativ grösster Ausdehnung ist
das Skelet bei den Teleostiern ossifizirt.
Schädel.
152
Vom Skelet der Wirbelthiere.
Knorpel und
Knochen
der Fische.
§. 148.
Zu weitei'er Aufklärung über das Knorpel- und Knochengewebe
der Fische diene Folgendes :
Am Zellenknorpel des Petromyzon sind zunächst der Peripherie
die Zellen am kleinsten, stossen unmittelbar an einander und haben
eine sehr dicke Wand. Nach dem Inneren zu werden sie grösser ;
die dicke Membran , körniger Inhalt und Kern sind deutlich. Da sie
nun tiefer einwärts immer mehr an Ausdehnung zunehmen, ohne dass
die Wand durch neue Ablagerungen sich verdickt, so erscheint die
Mitte des Knorpels aus grossen, verhältnissmässig dünnwandigen Bla-
sen zusammengesetzt, die kernlos sind, am trocknen Knorpel Luft auf-
genommen haben und dann weiss gefärbt aussehen (die Chordensub-
stanz besteht aus denselben Zellen, nur noch dünnwandiger als am
übrigen Körper). Manche Stellen sind auch sehr geeigenschaftet, um
den Uebergang der Knorpelzellen in fetthaltige Bindegewebskörperchen
verfolgen zu können.
Fig. 78.
Knorpelschnitt von Petromyzon fluviatilis.
a die Zellen aus der Peripherie, b im Inneren des Knorpels. (Starke Vergr.)
Im Knorpel der Selachier überwiegt häufig die durchsichtige
Grundsubstanz die Menge der eingestreuten Zellen (Kopfknorpel von
Squatina angelus, Zungenknorpel von Sc/jmnus lichia), in anderen Fäl-
len halten sich beide so ziemlich das Gleichgewicht; es können sogar
selbst die Zellen w^eit über die Grundsubstanz vorwalten und sich
dann polyedrisch begrenzen (Kiemenknorpel von Torpedo z. ß.). Sel-
ten ist die Grundsubstanz in eine fasrige Masse umgewandelt. Die
Zellen, variirend nach Grösse und Form, haben häufig Fettkörnchen,
mitunter auch grössere Fetttröpfchen in ihrem Inneren; in der Regel
liegen die Zellen truppenweisc in der Hyalinsubstanz, und solche kleine
Haufen von Knorpclzellen halten wieder eine gewisse Ordnung in ihrer
Lage ein, indem wir sie, wenn grössere Schnittflächen übeibJickt wer-
den können, in Linien gestellt sehen, w^elche sich netzartig verbinden,
so dass das Gesammtbild einem Vorläufer von den Knorpel durchziehen-
den Kanälen verglichen werden mag. Zur Bildung solcher, den
Havers'schen Knochenkanälen höhrer Wirbelthiere entsprechender K a-
näle kommt es dann wirklich im Knorpel einzelner Rochen. Be-
schaut man sich z. B. einen Schnitt aus der Schnauze oder dci- Ohr-
gegend einer grossen Raja clavata, so gewahrt das freie Auge zahl-
Knorpelkanäle.
153
reiche, den Knorpel durchziehende, und baumartig verästelte Kanäle.
Sie zeigen sich glänzend und silberweis wie Tracheen, da nämlich von
dem geführten Schnitte aus Luft in sie eingedrungen ist. Die Kanäle
erweisen sich bei näherer Betrachtung als kanalförraig ausgegrabene
Lücken in der Knorpelsubstanz. Auch sind sie nicht, wie es anfangs
scheint, von einem besonderen Epithel ausgekleidet, sondern die Zellen,
welche hie und da das Lumen umgeben, sind nichts anderes, als die
Knorpelzellen in der Hyalinsubstanz. Der Inhalt der stärkeren Ka-
näle ist ein wirkliches Blutgefäss, und selbst Nervenstämmchen können
eingeschlossen sein ; in den feineren ist die Blutgefässwand geschwun-
den und der Knorpelkanal ist Blutraum geworden. Die stärkeren
Kanäle bekommen auch eine theilweise Auskleidung von Knochenkruste.
Fig. 79.
m
Ä .
A Schnitt vom Schnauzenknorpel des Störs,
B Schnitt vom Knorpel der Ohrgegend aus Raja clavata.
a die Kanäle in der Knorpelsuhstanz (natürliche Grösse).
Bei den Haien trifft man zum Ersatz eines grösseren Kanal-
systemes eine interessante Umbildung von Knorpelzellen, welche uns
gleichsam als Mittelstufe zwischen den einfachen Knorpelzellen und
den Knorpelkanälen gelten können. Die Zellen haben nämlich ihre
einfach rundliche oder länghche Gestalt aufgegeben, und sich nach
zwei oder mehreren, selbst fünf Richtungen hin verlängert. Durch
weiteres Auswachsen stossen sie auf einander und stellen ein Netzwerk
Fig. 80.
Knorpel aus der Umgebung des Gehörlabyrinths von 8cymnus lichia.
a Hyalinsubstanz, b die kanalförmig und mit Ausläufern versehenen Knorpel-
zellen, (Starke Vergr.)
154 Vom Skelet der Wirbelthiere.
von Hohlräumen dar, welches feiner als das Kanalsystem der Rochen
zur Verbreitung der Ernährungsflüssigkeit beiträgt; zwar können in ihm
keine Blutkügelchen circuliren, wohl aber wird das eingesickerte P/asma
sanguinis nach allen Seiten hin sich bequem verbreiten können.
Aehnliche Bildungen finden sich im Knorpel der Störe. Ge-
wöhnlich sind die Zellen rund, gegen die Peripherie zu platt, in den
dicken Partien des Kopfknorpels erscheinen sie lang ausgewachsen,
bald bloss nach zwei Seiten hin, mitunter mit einem spiralig gedrehten
Ende, bald nach verschiedenen Richtungen hin, so dass sternförmige
Zellen entstehen. Die Ausläufer hören entweder feinzugespitzt für
sich auf, oder anastomosiren mit denen anderer Knorpelzellen. Ausser-
dem werden die dicksten Knorpelgegenden (Schnauze, Umgebung des
Ohres , vorderer Extremitätengürtel), von stattlichen, zahlreichen Ka-
nälen durchzogen, um vieles geräumiger als bei den Rochen, und ent-
halten Blutgefässe und grosse maulbe rförmige Fettklumpen,
Wo sonst bei Ganoiden (Polypterus) und Teleostiern am Skelet
Knorpel sich zeigt, besteht er aus hyaliner Grundmasse und rund-
lichen oder auch ovalen Zellen. Kanalartig verlängerte Zellen sind mir
bis jetzt hiebei noch nicht zu Gesicht gekommen, Hiegegen besitzt
der Kopfknorpel mancher Gräthenfische (z. B. Trigla Idrundo) grössere
Markhöhlen,
§, 149.
Knochen- \}qx mosalkartig zusammengesetzte Knochenüb e rzug der Se-
seuchicr. lachlcr ist von Joh. Müller entdeckt worden. Er besteht aus lauter
pelyedrischen Knochenscheiben oder Schüppchen, die Grösse dersel-
ben wechselt nach den verschiedenen Arten, sie richtet sich ferner
nach dem Alter, und auch an einem und demselben Individuum sind
sie nicht an allen Stellen des Skelets gleicli gross. Auch rücksichtlich
ihrer Form kommen kleine Abweichungen zu Gesicht; sie begrenzen
sich entweder gegenseitig in ihrer ganzen Peripherie, wie ein kolossa-
les Pflastcrepithel , oder sie stossen gleichsam nur mit Ausläufern au
einander. In diesem Fall nehmen sie sich sternförmig aus und durch
die hiemit offen bleibenden Lücken liegt der Knorpel frei. Die Knochen-
schuppen haben rauhe, selbst zackige Ränder, einen etwas dunkleren
(dickeren) Mittelpunkt und ein von ihm ausgehendes radiär streifiges
Ansehen. Die Knochenkörperchcn sind sehr zahlreich, ziemlich regel-
mässig radiär gelagert, hell und scharf conturirt und immer strahlen-
los. Bei Chimaera monstrosa , wo die Knochenkruste theil weise aus
Scheiben von uin-egelniässiger Gestalt besteht, haben letztere eine
leicht höckerige Oberfläche, und die ebenfalls strahlenlosen Knochcn-
hörpcrchen haben alle ihren Kern beibehalten. Ferner ist an diesen
Knochenschcibchcn der Chimaera eigenthünilich, dass von ihrer un-
teren Fläche fein verästelte Streifchen von Kalksalzen, wie Würzelcheu
in die darunter gelegene Knorpelsubstanz sich hinein verzweigen.
Die Knochenschuppen der Selachicr sind auf Kosten des Hyalinknor-
pcls entstanden. — Das Pe richondrium zeigt sich bei mehren
Knochen der Fische.
155
Fie:. 81.
Schlippen der Kuoc henk rüste von Selacliiern. (Geringe Vergr.)
Haien (z. B. am Kopf von Zygaena) leicht schwarz pigmentirt, es ist
silberfarben in der Augenhöhle von Clnmaera monstrosa, die den Me-
tallglanz erzeugenden Elementartheile übersteigen die Molekulargrösse
nicht. Bei Raja hatis sieht man das zarte und fest anliegende Pe-
richondrium, welches die Nasenkapsel auskleidet, schwarz und silber-
glänzend pigmentirt; die Elemente des Metallglanzes sind kleine, leb-
hafte Molekularbewegung zeigende Krystalle. — Die Knochen des Ske-
lets anderer Fische {^Polypteriis , die meisten Teleostier) scheiden sich
in zwei Reihen, welche nach ihren physikalischen Eigenschaften ebenso,
wie durch mikroskopische Beschaffenheit, endlich durch Genese von
einander abweichen. Die einen sind von weisslichem Aussehen und
compakter Natur, ihre lamellöse Grundsubstanz ist durclibrochen von
den Knochenkörperchen und den damit zussammenhängenden Mark-
kanälen, von denen die meisten so fein sind, dass sie nur mikroskopisch
gesehen werden, und verhältnissmässig wenige erreichen einen solchen
Durchmesser, um für das freie Auge kenntliche Markräume zu wer-
den. Diese Knochen sind durch Ossifikation des Bindegeweb es
entstanden, wobei nach Ablagerung der Kalksalze in die Grundsub-
stanz die kleinen verzweigten Hohlräume der letzteren, „die Bindege-
webskörperchen", zu den Knochenkörperchen wurden, und die grossen
Hohlgänge zu den Havers'schen Kanälen. Zu dieser Reihe von
Knochen gehören bei Pohjpterus am Schädel z. B. Zwischenkiefer,
Oberkiefer, Unterkiefer, Keilbein, zum Theil das Hinterhauptsbein,
an der Wirbelsäule die Wirbelkörper und grösstentheils wohl auch
die verschiedenen Fortsätze derselben, zum Theil die Flossenstrahlen.
Die Knochen der zweiten Art sind von gelbfettigem Aussehen
und spongiöser Beschaffenheit, ihre geschichtete Grundsubstanz ist
reduzirt auf ein Balkenwerk, das weite, zellige, mit Fett erfüllte Mark-
räume begrenzt; in manchen Knochen hat sich selbst durch Zusammen-
fluss solcher Markräume eine Centralhöhle des Knochens gebildet.
Diese Knochen sind aus der Ossifikation eines Hyalinknorpels
hervorgegangen, wobei der grösste Theil der Knorpelzellen durch
Zusammenschmelzen zur Darstellung der Markräume verwendet wurde.
es gehören dahin (bei Polypterus) am Schädel das Felsenbein , die
156
Vom Skelet der Wirbelthiere.
Knochen-
gewebe der
(iräthen-
fisclie.
Alae orhitales, zum Tlieil cLas Occi'pitale^ fe^i'ner die Knochen des vor-
deren und hinteren Extremitätengürtels, zum Theil wohl auch die
oberen und unteren Dornfortsätze des Schwanztheiles der Wirbelsäule,
die Ossifikationen am Zungenbein und Kiemenapparat.
§. 150.^ _
Bezüglich des feineren Baues der Fischknochen ist noch weiter
anzugeben , dass nicht in allen aus Bindegewebe hervorgegangenen
Knochen Markkanäle sich finden, sie mangeln in dünnen Partien (z. B.
im Operculum, den Kiemenhautstrahlen von Leuciscus und Qobius
ßuviatüis)^ und wenn sie zugegen sind, haben sie mehr den Charakter*
von unregelmässig gebuchteten und zusammenhängenden Räumen, an-
gefüllt mit Fett. Dass diese grösseren Bäume durch Verschmelzung
von Knochenkörperchen entstehen, lehren Fälle (z. B. in den Kopf-
knochen der Leucisci)^ wo sich grössere Höhlungen von manchfaltiger
Gestalt in den Knochen finden, die dasselbe helle, leere Aussehen
Fig. 8-2.
"" ; ' iii
IIb
f
I
Aus den Kopf kno che ii von Leuciscus.
a Gewöhnliche Knochenkörperchen, b grössere Räume, aus verschmolzenen
Knoclienkörperchen entstanden , o noch grössere Räume, in denen sich Fett
und Blutcapillaren finden. (Starke Vergr.)
haben, wie die Knochenkörperchen. Da sie nicht Fett- oder Blutge-
fässe führen, so müssen sie, morphologisch und physiologisch betrachtet,
als vergrö-iscrte Knochenkörperchen angos])rochen werden. Die mit
letztcrem Namen belegten, kleineren lloldräume der Knochensubstanz
variiren nach Form und Ausbildung nicht wenig in den einzelnen
Skelettheilen. Während sie (z. B. in Leuciscus Dolnda) in den Schei-
telbeinen, Stirnbeinen, gross und rundlicli sind, nehmen sie in den
Rippen, den Gräthen, eine längliche Gestalt an; gewöhnlich haben
Knochen der Fische.
157
sie zahlreiche, lange verzweigte Ausläufer, die selbst wieder, wo sie
sich verästeln, sinusartig erweitert sein können, auch bleibt ziemlich
allgemein der Kern der Knochenkörperchen fortbestehen. Man triift
ferner auch ganze Strecken des Knochengewebes, wo die Knochen-
körperchen alle strahlenlos sind, so z. ß. an den Leisten, welche sich
an der Innenfläche der Scheitelbeine, Stirnbeine von Leuciscus erheben.
Die Knochenkörperchen können auch zu winzig kleinen, nur punktför-
migen Räumen herabgesunken sein, welche Reduktion man sich leicht
an den Flossenstrahlen von dem zuletzt genannten Fisch vorführen kann.
Hier sind in den oberen, starken Gliedern eines Flossenstrahles schöne,
verästelte Knochenkörperchen, in den immer dünner werdenden Glie-
dern werden auch die Knochenkörperchen kleiner, länglicher, verlieren
ihre Ausläufer und sind in dem letzten zerfaserten Glied des Flossenstrahles
zu hellen, punktförmigen Räumen verkümmert. Hieran würden sich jene
Fischskelete schliessen, bei denen fast gar nichts mehr von Knochen-
körperchen vorkomraeen soll, wie Owen für Muraena angiebt (wo ich
übrigens in der knöchernen Wand der Schleimkanäle prächtige Knochen-
körperchen mit weit hin verästelten Ausläufern erbhcke), Mettenheimer
bezüglich des Tetragonurus , Kölliker für die Helmichthyiden.
Fig. 83.
Ende eines Flossenstrahles von einem Weiss fisch, um die verkümmerten
Knochenkörperchen zu zeigen. (Starke Yergr.)
§. 151
Sehr eigenthümlich und eines näheren Studiums werth sind die
Knochen von Orthagoriscus (wahrscheinlich auch die von Cyclopterus,
158
Vom Skelet der Wirbelthiere.
Knoclien
von OrtliH-
gorUcu^.
Skelct iler
Ue|ti ilieii.
Trachypterus u. a.) Ich habe leider nur einige Knochenstücke von Ortha-
goriscus untersucht; sie waren viel weicher als Knorpel, und schon
mit freiem Auge unterschied man ein weissstreifiges Fachwerk, welches
eine gallertig-knorpelige Masse durchsetzte. Mikroskopisch sah man
im Innern von Quer- und Längsschnitten grössere Knorpelmassen, die
fast nur aus keulenförmigen Knorpelzellen mit kleinem fettartig glän-
zendem Kern bestanden, von solchen Knorpelcentren weg erstreckten
sich strahlig ossifizirte dünne Blätter (die weissen Streifen für das
freie Auge), der Raum zwischen ihnen wurde wieder durch quere
Septen unterbrochen, so dass Kammern entstanden, welche in der
Mitte von einer aus zarten Knorpelzellen bestehenden Substanz, und
Fig. 84.
i
Schnitt aus einem Kopfknoclien (Crista vom Occipitale) des Ortha-
goriscn.s mola.
a Knoi-pelkevn , l) ossifizirtes Fachwerk , eine liyalinknori)elige Substanz ein-
scbliessend. (Starke Vergr.)
ausserdem von einer hellen, gallertigen Masse ausgefüllt waren. In
manchen Schnitten schien inmitten des Knorpelkernes ein Blutgefäss
zu verlaufen. In den Knochenblättern sah man kleine, strahlenlose
Lücken, die wohl den Knochenkörperchcn vergleichbar waren.
. .§• ^^'^'
In der Klasse der Reptilien giebt es kein Thier mehr, dessen
Skelet wie bei manchen Fischen fast nur aus Bindegewebe oder Knorpel
besteht, vielmehr erscheint das Knochengewebe als überwiegendes
Constituens des Skelets, nur einzelne Partien erhalten sich in hyalin-
knorpeligem Zustande, so die Rii)penru(limente der Frösche, die etwas
verbreiterten Rippenenden der Ophidiei- und schlangenälinlichcn Saurier,
Theile des Schulter- und I^cckengcrüstes, der Extrenn'täten, Thcile
des Schädels.
Histologisch betrachtet, bietet der Skeletknorpel dei- Reptilien
nichts besonderes dar, die Zellen scheinen im Allgemeinen in grösserer
Menge zugegen zu sein, als die Jlyalinsubstanz (Frosch, Kröte, Bi'o-
teus), ja manchmal, wie z. B. in (\v\\ Knorpclplatten am freien Ende
\
»
»
Knochen der Reptilien, der Säuger. 159
der Rippen von Anguis fragilis ist kaum mehr eine Spur von Zwi-
schensubstanz zu sehen, die Knorpelzellen begrenzen sich unmittelbar
in polyedrischer Form. — Der Inhalt der Zellen ist im nicht alterirten
Zustande hell, nicht granulär. — Knorpelstücke, für das freie Auge
scheinbar wie hyalin, besonders am vorderen Extremitätengürtel, sind
mikroskopisch oft mit Kalksalzen inkrustirt, wobei sich der Kalk in
Form verschieden grosser kugliger und ästiger Massen in die Grund-
substanz abgesetzt hat.
An den Knochen der Batrachier (Frosch, Salamander, Proteus)
treten die Havers'schen Kanäle fast ganz zurück. Die Blutgefässe und
Fettzellen sind innerhalb der Röhrenknochen in der grossen Mark-
höhle angehäuft, oder in weiten Maschenräumen bei den porösen
Knochen. (Der knöcherne Abschnitt z. B., welcher am Brustbein des
Laudsalanianders durch Ossifikation des Hyalinknorpels entstanden
ist, besteht eigentlich nur aus zwei Knochenplatteu , die dazwischen
einen grossen Hohlraum einschliessen, der bloss von einzelnen zarten
Bälkchen unterbrochen wird. Im Hohlräume ruhen Gefässe und Fett).
Die Knochenschilder der Schildkröten haben ein sehr reiches Netz
echter Havers'scher Kanäle.
Die Knochenkörperchen sind beim Landsalamander sehr gross,
werden aber noch um ein Erhebliches übertroffen von denen des
Proteus. Auch lässt sich bei letzterem Thier wieder leicht nachweisen,
wie die Knochenkörperchen und die grösseren Hohlräume im Knochen-
gewebe nur nach Umfang und Inhalt Abweichungen zeigen , ' sonst
aber ganz identisch sind ; betrachtet man nämlich die platten Schädel-
knochen von Proteus, im unverletzten, nicht angeschliffenen Zustande,
so findet sich, dass an der Innenfläche (der Stirnbeine, Scheitelbeine
z. B.) zahlreiche Knochenkörperchen mit ihrer Mitte frei ausmünden,
so dass sie eigentlich ein kurzes, kegelförmiges Havers'sches Kanälchen
vorstellen, dessen blindes Ende nach oben, und dessen geöffnete Basis
nach unten gekehrt ist. Ferner sind auch die Oeffnungen der Strahlen
der Knochenkörperchen an den freien Flächen der Knochen so gross
und dicht, dass diese ein wie gegittertes, von zahlreichen Spältchcn
durchbrochenes Ansehen hat. — Die meisten Knochenkörperchen haben
ihren Kern beibehalten, der schon in frischem Zustande zu sehen ist.
§. 153.
Beiden Säugethieren ist das Skelet ziemlich stetig ossifizirt, nur skeiet de.-
bezüglich mehrer Beutelthiere w^ird von Fander und d'Aldon ange- "vTJei""
geben, dass der Atlas permanent knorpelig bleibe. Bei manchen Fleder-
mäusen (Vesperfilio murinus z. B. nach R. Wagner) läuft die Tihia
in einen Knorpelfaden aus u. dgl. Sehr allgemein sind von derselben
Beschajßfenheit die Rippenknorpel und Tlieile des Brustbeins, doch
haben auch die Rippenknorpel bei einigen Oi'dnungen, namentlich den
Edentaten, eine grosse Neigung zur frühzeitigen Verknöcherung. Auch
die Schambeinfuge verknöchert frühzeitig bei den Monotremen und
vielen Hufthieren. — Wo die Knochen s hr dünn sind, wie bei kleinen
160 Vom Skelet der Wirbelthiere.
Säugethieren (z. B. Stirnbein von Vespertilio pipistrellus) , fehlen die
Getasskanäle und Markräume, es sind nur die Knochenkörperclien zu-
gegen, welche eine ziemliche Grösse haben, dicht beisammen stehen,
und leicht auch die Oeffnungen der strahlenförmigen Ausläufer an den
freien Flächen des Knochens sehen lassen. — Die grosse centrale Mark-
höhle, welche sich in den langen Knochen durch Resorption sehr gewöhn-
lich bildet, fehlt den Pinnipedien, Cetaceen, und unter den Reptilien auch
den Cheloniern.
Noch mehr als bei den Säugern ist aus dem Skelete der Vögel
die Knorpelsubstanz geschwunden, mit Ausnahme der Gelenkknorpel,
und in sehr seltnen Fällen, wo das untere Ende der Claviculae knor-
pelig bleibt, oder sich eine knorpelige Patella bei manchen Brevi-
pemien findet, oder das Wadenbein in einen Korpelfaden ausläuft, ist das
ganze Skelet aus Knochengewebe gebildet, in welchem mir nach Unter-
suchungen des Femur vom Auerhahn bemerkenswerth schien, dass
die Havers'schen Kanäle überaus zahlreich waren, so dass eigentlich
mehr Markkanälchen existirten, als lamellöse Grundsubstanz dazwischen.
Bekannt ist ferner die Eigenthümlichkeit des Vogelskelets , dass ein
grosser Theil der Hohlräume statt Mark Luft enthalten kann, wodurch
die sog. Pneumatizität der Knochen entsteht , was sich sogar, wie ich
am Brustbein des Reihers gesehen zu haben glaube, auf ganze Partien
von Knochenkörperchen erstrecken kann, die also dann auch im leben-
den Thier lufthaltig wären. Der „Morphologie von V. Carus'-' entnehme
ich die Notiz, dass die grossen lufthaltigen Knochenhöhlen „eine Art
bindgewebiger Schleimhaut mit zartem Epithel" besitzen, und ich kann
nach Untersuchungen an der Taube, Canarienvogel, Schnepfe beifügen,
dass auch die lufthohlen Zellen der Kopfknochen noch von einer feinen,
bindegewebigen Lage mit Spuren eines Epithels ausgekleidet sind ; was
in Uebereinstimmung steht mit der Struktur jener auch beim Menschen
lufthaltigen Knochenhöhlen, wie es z. B. die Cellulae luastoideae sind,
deren Fläche ebenfalls eine Schleimhaut und ein Epithel überziehen.
§. 154.
v.Mi.uiduu^' Die Verbindung der Knochen unter einander geschieht bei allen
der Wirbelthieren durch Bänder und Gelenke. Bei den Fischen sind die
Knochen.
bindegewebigen Ligamente meist sehr reich an elastischen Fasern.
Die Wirbelsäule hat ein eignes, aus starken elastischen Fasern be-
stehendes Band, das in einem Kanal über dem Dach des Rückenmar-
kes eingeschlossen ist, die elastischen Fasern haben hier nicht sehr dunkle
Conturen und ziehen unter Verästelung nach der Länge; beim Stör
findet sich ein zweites solches Band, an der unteren Fläche der Chorda
dorsalis verlaufend. Die weissen Streifen, welche beim Stör zwischen
den einzelnen Knorpelstücken der oberen und unteren Wirbellagen
liegen, bestehen aus dichten Netzen elastischer Fasern, die sich in die
Grundsubstanz des Knorpels verlieren.
Vorzugsweise elastische Bänder sind ferner das LigamenfMm
nucluie, die Ligainenta ßav( der Säugethiere, die Bänder, welche bei
Bänder, Gelenke.
161
den katzenartigen Thieren das Krallenglied aufwärts richten und zu-
rückziehen, bei den Faulthieren abwärts krümmen. Mehr oder weniger
zahlreiche elastische Fasern enthalten die Wirbelbänder des Frosches ;
bei Vögeln das Ligament zwischen Ober- und Unterkiefer, das Band,
welches das Ende des Zungenbeins an den Schädel befestigt ; letzteres
besteht bei mehren Singvögeln fast ganz aus elastischen Fasern
(Benjamin).
Bekanntermaassen geschieht unter den Säugern bloss bei Ein- und
. Zweihufern die Verbindung der Wirbelkörper durch Gelenkflächen, sonst
durch die Ligamenta intervertehralia, und diese ossifiziren bei mehren
Arten (Cetaceen, Haase, Kaninchen) theilweise und entwickeln damit
Knochenscheiben ( E. H. Weher). Bei vielen Säugethieren zeigen sich
Knochenkerne in den Cartilagines interarticulares, entweder auf beiden
" Seiten, wie bei Mus decumanus., oder auf einer (innren) Seite, wie bei
• Mustela, Myoxus, Dipus. Beim Luchs findet sich ein Knochen in der
fibrösen Kapsel des Kniees, der an der Bildung des Gelenkes ebenso,
' -wie der Kniescheibe Antheil nimmt und die Form eines Os sesamoideum
•hat (Hyrtl). — Bei Echidna existirt nach Owen im Ligamentum
intervertebrale eine platte Höhle, ausgekleidet von einer Synovialmem-
bran und angefüllt mit Flüssigkeit.
Fig. 85.
1
Schnitt durch das Gelenk zwischen Kopf und Wirbelsäule einer
grossen Raja clavata.
A Gelenkknorpel, B Gelenkhöhle: a Hyalinknorpel , h bindegewebige Lage
desselben, c die davon abgehenden freien Fortsätze, d Knochensubstanz.
(Natürliche Grösse.)
Die Gelenke scheinen überhaupt bei den Wirbelthieren nicht
ganz übereinstimmend gebaut zu sein. Ueberall wohl sind Gelenk-
knorpel vorhanden, die im Kniegelenk mancher Vögel (Auerhahn)
einige Gefässkanäle haben und deren Knorpelzellen äusserst eng bei-
sammen liegen, (die Markkanäle des Knochenendes drangen zottenar-
tig, einer dicht am andern, in den Gelenkknorpel vor). Bei Knorpel-
fischen {Raja, lori^edo) nimmt die freie Fläche des Gelenkknorpels
durch Umwandlung der Hyalins ubstanz in Fasern eine weisse Farbe
an, und diese Schicht bildet zottenähnliche, gefässlose Fortsätze, die
frei in die Gelenkhöhle hineinragen. Ein Epithel der Gelenkkapsel fehlt.
Leydig, Histologie.
11
162 Vom Skelet der Wirbelthiere.
Bei Trygo7i Pastinaca ist an der Verbindung zwischen Kopf und Wir-
belsäule die Knoclienkruste überzogen von einem Knorpel, der sich
von dem des übrigen Skelets dadurch auszeichnet, dass er hell ist.
Am Kbpfknorpel z. B. haben alle Zellen einen fettkrümeligen Inhalt.
Fig. 86.
Schnitt durch den Gelenkknorpel des Kniees vom Auerhahn.
a der Knorpel , b Knochensubstanz. (Geringe Vergr.)
§. 155.
iTornfärton. Zu dcu eigentlichen Skelettheilen der Fische zählen auch jene
„Hornfädcn" oder gelben Faserstreifen, welche \i\ die Haut der
Flossen in so grosser Menge eingeschoben sind (besonders entwickelt
bei Selachiern), um die Flosse steif zu machen. Die Fettflosse der
Salmonen z. B. wird lediglich durch solche Hornfäden gestützt. Ich
halte sie für chitinisirte, homogene Bindesubstanz; sie verändern sich
in Kali nicht, werden höchstens blasser, quellen (an Embryonen von
Spinax acanthias) etwas auf, und kerben sich am Bande in Absätzen ein,
wie die von „Spiralfasern" umsponnenen Bindegewebsbündel.
§. 156.
rhy«io. J)\q Thatsache, dass nicht alle Knochen des Skelets knorpelig-
logisches. ... • » 1 rr T 1 1
präformirt sind, war längst bekannt. Die Anatomen des 17. Jahrhun-
derts, welche sich mit dem Studium der Knochengencse abgaben, fan-
den, dass die Knochen aus Knorpeln und aus „Membranen" entstehen,
ein Lehrsatz, dem es auch schon damals nicht an Gegnern (Albin,
Haller z. B.) fehlte. In neuerer Zeit ist die Debatte vom histolo-
logiscben Standpunkt aus abermals auf die Bahn gebracht worden,
und obschon im Detail noch manche Meinungsverschiedenheit herrscht,
einigt man sich doch dahin, dass die alte Auffassung die richtige sei,
dass also die Knochen ihrer Genese nach von zweierlei Art sind.
Das spongiöse Knochengewebe leitet seinen Ursprung vom Knorpel
her, das kompakte Gewebe {Substcmtia dura der Alten) vom Bindege-
webe. Man drückt den Unterschied auch so aus, dass man von pri-
mären und sekundären Knochen (Kölliker), von direkter und indirek- ^
ter Verknöcherung [Bruch), von „hyalin-knorpeligen" und „häutig- ü
knorpeligen" Skeletanlagen {Iteichert) spricht, wobei wir uns indessen
die Scheidung nicht sehr scharf vorstellen dürfen, da, w^as schon mehr- l|
mals berührt wurde, Bindegewebe und Knorpel keine wesentlich difleren-
tenGewebe, sondern nurModifikationen einer und derselben Substanz sind.
Physiologisches. 163
Blicken wir auf die Einrichtung des Skelets, so springt zwar ohne
Weiteres in die Augen , dass die Skeletformen der Wirbelthiere den
Zweck haben, einerseits ein manchfaltig beweghches Korpergerüst
herzustellen, und andrerseits eine schützende Umhüllung wichtiger Or-
gane zu bilden; es ist auch klar, dass, wo Knorpel zur Stütze dient,
dieser durch seine Vereinigung von Festigkeit und Elastizität, noch Be-
wegungen gestattet, die bei knöcherner Grundlage unmöglich wären,
auch die Nothwendigkeit oder der Nutzen von elastischen Bändern,
die zum Theil den Muskeln ihr Geschäft vereinfachen dadurch, dass
sie ihnen antagonistisch gegenüber stehen, leuchtet ein, aber im Spe-
ziellen auszuführen , warum bei den verschiedenen Wirbelthierarten
ein Skeletheil hier bindegewebig, dort knorpelig, und wieder bei einem
anderen Thier knöchern sei, vermag man nicht, da wir über die
Lebensweise besonders niederer Wirbelthiere doch gar wenig unterrich-
tet sind, und auf blosse Vermuthungen uns beschränken müssen, wie die
verschiedenen Abänderungen der Bindesubstanz (Bindegewebe, ela-
stisches Gewebe, Knorpel, Knochen), welche zum Bau des Skelets
gebraucht werden, in Beziehung mit der Masse des Thieres, mit seinem
Aufenthaltsort, mit seiner Art sich zu bewegen, stehen mögen. —
Die lufthohle (pneumatische) Beschaffenheit der Knochen der Vögel
hat man von jeher mit dem Flugvermögen dieser Thiere in Verbindung
gebracht; die Knochen verdanken natürlich einem guten Theil nach
ihre Leichtigkeit der Ausfüllung mit Luft.
Ueber den Bau des Fischskelets vergl. mau Joh. MüUer's Anatomie der
Myxinoiden, Williamson, Philos. Trans. 1851, Leydig, Rochen u. Haie, ders.,
Untersuchungen üb. Fische u. Eept. (Histologie des Störs), ders., Histol. Bemerkgn.
üb. Folypterus in Ztsch. f. wiss. Z., K'ölliker, Bau v. Leptocephalus u. Eel-
michthys, Ztsch. f. wiss. Zool. Die Knochen dieser Fische haben „keine Spur
vom Bau des Knochengewebes." Dieselben erscheinen vielmehr einfach als mit
Erdsalzen imprägnirtes Bindegewebe, sind auch ohne Knochenkörperchen. Um die
Wirbelsäule herum geht eine mächtige, aus gallertigem Bindegewebe bestehende
Scheide, auf welche erst die Muskulatur folgt. — Vorzügliche Abbildungen über
Knorpel u. Knochen enthalten die Beitr. z. Entwicklungsgesch. d. Knochensyst,
von Bruch.
Die elastischen Fasern in den Bändern haben einen sehr verschiedenen
Dickendurchmesser; man unterscheidet dünne mit meist stark geschlängeltem "Ver-
lauf und dickere Fasern, welche sich weniger kräuseln , hingegen besitzen solche
stärkeren elastischen Fasern bei grösseren Säugethieren öfters ein eigenthümlich
löcheriges oder leiterförmiges Aussehen.
Die „Knorpelschwiele" an den Hinterfüssen des Pelohates hat zur Grundlage
einen Hyalinknorpel , dessen Inneres grofssentheils mit Kalksalzen incrustirt ist.
Zwischen der Lederhaut und dem Rande des Hyalinknorpels liegt noch eine ziem-
lich dicke Schicht, deren Gewebe beim ersten Anblick nicht ganz klar ist, während
näheres Untersuchen zeigt, dass die Schicht eine Art Faserknorpel repräsentirt, dessen
Zellen sehr weich sind, und dessen Intercellularsubstanz senkrecht faserig oder
streifig ist. Dann folgt die etwas pigmentirte Lederhaut und darauf die nicht be-
sonders dicke Epidermis.
11*
164 Vom Skelet der Wirbellosen.
Achter Abschnitt.
Vom Skelet der Whbellosen.
§. 157.
Im Gegensatz zu den Wirbeltliiereu, wo ein inneres aus Binde-
gewebe, Knorpel und Knochen zusammengesetztes festes Gerüst die
eigentliche Gestalt des Tliieres bedingt, wird bei Wirbellosen,
wenn durch Hartgebilde die Form des Tliieres gestützt wird, haupt-
sächlich die äussere Haut hiezu verwendet, und in welcher Weise
dies geschieht, ist oben (über die Haut der Wirbellosen) erörtert wor-
den. Hier soll nur vom Skelet der Gephalopoden die Rede sein,
welche sich, wie bekannt, unter Anderem insofern den Wirbelthieren
annähern, als sie ein inneres zu Hüllen und Stützen von Weichtheilen
dienendes Skelet besitzen.
Die Skelettheile bestehen aus Knorpel, der die mannigfachen
kleinen Abänderungen wiederholt, wie sie bereits von den Wirbel-
thieren beschrieben wurden. Er besteht aus Zellen und Grund-
substanz, die ersteren haben eine mannichfacbe Gestalt, meist rund-
lich oder oval, sind auch faserartig verlängert und manchmal selbst
mit verästelten Ausläufern versehen [Bergmann). Bei den sehr
durchscheinenden Arten erweitern sich an manchen Stellen die Zel-
len zu grossen Blasen, ganz ähnlich wie in der Substanz der Chorda
dorsalis der Fische. Die Grundsubstanz, gewöhnlich hyalin, erscheint
seltener streifig, mitunter bildet sie um die Zellen geschichtete Kap-
seln; bald ist sie reichlich zwischen den Zellen vorhanden, in ande-
ren Fällen ist sie wiederum dergestalt geschwunden, dass die Zel-
len sich unmittelbar berühren (Zellenknorpel). Aus dem Kopfknor-
pel von Loligo konnte Joh. Müller keine leimartige Materie erhalten.
Nach V. Carus treten an einigen Stellen im Knorpel Höhlen auf,
welche Gefässe zu enthalten scheinen.
Ein inneres knorpeliges Skelet findet sich noch in den Kiemen-
Btämmen mancher Kiemenwürmer (von mir an Ämphicora und
Serpula beschrieben). Das Skelet gehört zum Zcllenknorpel, es be-
steht aus Reihen viereckiger Zellen mit verdickten Wänden, hell
und scharf conturirt und mich Essigsäure einen kleinen Kern auf-
zeigend. Auch Quatrefages gedenkt dieser „Art inneren Sk(dets
bei den Scrpulaccen und Sabellen von fast knorpeliger Struktur im
Vordcrtheil des Körpers, welches den Kiemen- und Thoraxmuskeln,
zum Ansatz dient und sich in die Kiemenverästelungen fortsetzt.*
Vom Nervensystem des Menschen. 165
Fig. 87.
Ein Stück Kiemenknorpel von Amphicora mediterranea. (Starke Vergr.)
a das Knorpelskelet, b die Haut (mit eigenthümlichen Körpern, Nesselorganen?).
Entwicklung
der Nerven-
centren.
Neunter Abschnitt.
Vom Nervensystem des Menschen.
§. 158.
Das Nervensystem ist das Organ der eigentlich thierischen
Lebensäusseriingen, von ihm hängen die Seelenthätigkeiten, die An-
regung zur Bewegung, das Empfinden ab. Es besteht aus einem
centralen Theil, dem Gehirn und Rückenmark und einem periphe-
rischen Abschnitt, den Nerven. Beide gehen continuirlich in einan-
der über.
Da wir durch Remak belehrt worden sind, dass aus dem obe-
ren Keimblatte in seinem peripherischen Theil bloss gefäss- und
nervenlose epitheliale Gebilde geliefert werden, so möchte man
a priori gar gerne den Entwicklungsplan des Nervensystems so con-
struiren , dass die Nervencentren in gleicher Weise , wie das peri-
pherische Nervensystem, Bildungen und Sonderungen des mittleren
Keimblattes seien, und nur die epithelialen Auskleidungen des Me-
dullarrohres vom oberen Keimblatt abstammen. Allein Remak hebt
ausdrücklich hervor, dass die Beobachtung „diese so einfachen und
ansprechenden Voraussetzungen'^ nicht bestätigt; vielmehr ergiebt
die Untersuchung, dass das Medullarrohr aus einer centralen Ver-
dickung des oberen Keimblattes entstehe.
Jn die Bildung des Nervensystemes gehen ein erstens die spe-
zifischen nervösen Gewebstheile, die Nervenprimitivfasern und die
Ganglienzellen, zweitens Bindegewebe zur Verknüpfung und Umhül-
lung der nervösen Elemente und als Träger der Blutgefässe. An
gewissen Stellen kommt dazu ein Epithel.
§. 159.
Was die Struktur der Nervencentren, des Gehirns und struktur der
T-k 1 • ^ n ^ Nerven-
Rückenmarks betrifft, so sind bis jetzt ungeachtet der mannichfal- centren.
tigsten Untersuchungsmethoden nur fragmentare Ergebnisse gewon-
jgg Vom Nervensystem des Menschen.
nen worden, welche in folgendem bestehen möchten. Eine zarte
Bindesubstanz ist als Bett der Blutgefässe vorhanden und er^
scheint daher auch da am stärksten angesammelt, wo die Zahl der
Bhitgefässe eine beträchtliche ist, so an der Peripherie der Hirn-
windungen und an der Substantia perforata der Basis. Diese Binde-
substanz unter der Form einer feinkörnigen Masse mit vereinzelten
Kernen stellt sammt ihren Gefässen eine Art zarten Fachwerkes
durch das ganze Gehirn und Rückenmark dar, in dessen Räumen
die Nervenprimitivfasern und Ganglienkugeln ruhen. An manchen
Orten (z. B. im Rückenmark) kann die Bindesubstanz etwas fester
sein und echte Bindegewebskörperch«,n besitzen (die Substantia ge-
latinosa des Rückenmarkes ist Bindegewebe.) Nach den Untersu-
chungen von i?. Wagner sind die Ganglienkugeln des Gehirns und
Rückenmarkes sämmtlich vielstrahlige oder multipolare Zellen,
„alle angeblichen apolaren, unipolaren und bipolaren sind nur ver-
stümmehe multipolare." Auch Schröder v. d.Kolk erkennt in seinen
früheren wie jetzigen Mittheilungen nur multipolare Zellen in den Cen-
tralorganen an. Dergleichen Aggregate von multipolaren Ganglienzel-
len finden sich in der Äla cinerea und den sog. Nervenkernen im ver-
längerten Mark, Locus coeruleus, Locus niger Soenieringn, Corpora dentata,
olivae und cerebelli, in denBasalganglien, Vierhügeln, Kniehöckern, Seh-
hügel, Gommissura molUs, Streifenhügeln, Linsenkernen, Ammonshör-
nern, Randwülste des grossen und kleinen Gehirns, Bulbus olfactorius.
Zur Zeit geht uns noch jede Kenntniss darüber ab, wie die
Ganglienzellen der grauen Substanz geometrisch geordnet sind, wir
wissen bloss, dass die Fortsätze der Ganglienzellen theils Ursprünge
von Nervenfasern sind, theils dazu dienen, die Ganglienzellen unter
einander zu verbinden. Die Ganglienkugeln sind nach den einzel-
nen Lokalitäten verschieden gross, mitunter pigmentirt, aber immer
mit 4 und 6 bis zu 15 und 20 Fortsätzen versehen. Besonders grosse
Ganglienkugeln finden sich z. B. an der Spitze der vorderen Hör-
ner der grauen Spinalsubstanz, in der Äla cinerea, Locus coeruleus,
graue Rindenschicht des kleinen Gehirns, hier ausgezeichnet weit
reichende und feine Aeste abgebend.
§. 160.
wei»86 Die weisse Substanz der Nervencentren besteht aus Aggre-
gationen von Primitivfasern, welche einen sehr wechselnden Dicken-
durchmesser haben, wesshalb man eine ganze Folgenreihe von dicken
bis äusserst feinen Fasern unterscheiden kann. Die dicksten Fibril-
len kommen in der Regel nur da vor, wo Nerven aus den Central-
theilen entspringen, die feinsten sind am häufigsten in den Randwül-
sten des grossen und kleinen Gehirns. Alle Nervenfasern gehen
zuletzt continuirlich in die Fortsätze der Ganglicnkugeln über.
Auch bezüglich der Nervenfasern des Gehirns und Rückenmar-
kes mangelt nocli jede einigermassen gesicherte graphische Darstel-
Substanz»
Rückenmark. 167
hing. Die Angaben, wie die Fasern sich im Rückenmark zu Strän-
gen ordnen, weiter verlaufen und im Gehirn ausstrahlen, lauten
daher sehr verschieden und sind alle mehr cder weniger von muth-
maasslichem Charakter. Da meine eigenen über diesen Gegenstand
angestellten Beobachtungen etwas abgerissen sind, mir also ein zu-
sammenhängendes Material abgeht, so ziehe ich vor, die Resultate,
welche B. Wagner aus seinen zahlreichen Präparationen zusammen-
gestellt hat, mit seinen eigenen Worten wiederzugeben.
Die durch die hinteren Rückenmarkswurzeln eintretenden Fa-
sern sammeln sich in drei Hauptbündel, indem
a) ein Theil der rein sensitiven Fasern ohne mit Ganglienzellen
sich zu combiniren zum Gehirn aufsteigt und hier also wohl die be-
wussten Empfindungen erregt.
b) Ein zweiter Theil der rein sensitiven Fasern combinirt sich mit
den in der grauen Substanz der Hinterhörner einen Haufen bildenden und
sonst einzeln zerstreuten kleineren multipolaren Ganglienzellen, von
wo aus dann wieder Fasern nach oben zum Gehirn aufsteigen, wäh-
rend andere hinter dem Centralkanal als reine Commissurfasern zu ein-
zelnen Ganglienzellen der Hinterstränge der andern Seite herübertreten.
c) Ein dritter Theil der Fasern, der sehr beträchthch ist, ver-
mittelt keine Empfindungen, sondern geht zu den grossen multipola-
ren Ganglienzellen jeder Seitenhälfte in den entsprechenden Vorder-
strängen, von denen Fasern für die motorischen vorderen Wurzeln
abgehen.
Alle aus den vorderen Wurzelreihen eindringenden Fasern
scheinen sich mit den grossen Massen von multipolaren Ganglien-
zellen zu verbinden , welche in den Vorderhörnern der grauen
Substanz liegen. Es ist wahrscheinlich, dass die Vorderstränge und
der grösste Theil der Seitenstränge nur aus Fasern gebildet wer-
den , welche von den Fortsätzen der Ganglienzellen stammen und in
die motorischen Wurzeln übergehen, und anderen, welche aus den
Ganglienzellen nach oben zum Gehirn verlaufen. Jede Ganglien-
zellen repräsentirt mithin ein kleines System von Fasern, welche
theils nach oben zum Gehirn, theils (in der Mehrzahl) nach der Pe-
ripherie, theils in den queren Fasern der vorderen Commissur zur
Verbindung eines Theils der Ganglienzellen beider Seitenhälften des
Rückenmarks dienen.
Dieselben Verhältnisse kehren für das verlängerte Mark wie-
der; nur finden hier so zu sagen noch kunstreichere Anordnungen
auf kleinerem Raum statt, indem die sog. Nervenkerne, d, h. Ag-
gregate von multipolaren Ganglienzellen, viel mehr gesonderte und
doch wieder eigenthümlich verbundene Systeme von Ganglienzellen
darstellen.
Complizirter, aber in den Grund Verhältnissen ganz analog, er-
scheinen die Anordnungen für die in das Gehirn eingeschobenen
168 Vom Nervensystem des Menschen.
Centralapparate der Sinnesorgane. Durch den Sehstreifen treten die
centralleitenden feinen Primitivfasern zunächst in die Kniehöcker.
Letztere sind nichts anders als Anhäufungen von multipolaren Gang-
lienzellen, mit denen sich gewiss bei weitem die grösste Zahl der
Sehnervenfasern combinirt. Insbesondere der äussere Kniehöcker er-
scheint als ein höchst reicher Ganglienzellenapparat, der, wie er
Fasern aus dem Sehstreifen aufnimmt, andere cntlässt, welche durch
die Arme der Vierhügel zu diesen treten. Die Vierhügel sind das
zweite System von Ganglienzellenaggregaten, mit denen die Seh-
nervenfasern Combinationen eingehen. Von diesen aus treten die Fa-
sern In die Tiefe und es erfolgen Combinationen mit dem verlänger-
ten Mark durch die Schleife {Laqueus) und Verbindungen mit Gang-
lienzellenaggregaten (Nervenkernen) auf dem Boden der Sylvischen
Wasserleitung mit den Kernen des Nervus oculomotorius. Endlich ist
der Thalamus der vierte und grösste Aggregat von multipolaren
Ganglienzellen, von welchen w^enigstens ein grosser Thcil mit den
Sehnervenfasern eine Verbindung eingeht, während ein anderes aus
dem Sehhügel entspringendes System von Fasern die weitere Verbin-
dung mit den Grosshirnlappen vermittelt. W^ir haben auf solche Art
Einrichtungen, durch welche die auf den Enden der Retinafasern
empfangenen Eindrücke den Ganglienzellenapparaten in den Knie-
höckern, Vierhügeln, Sehhügeln zur Verarbeitung überliefert wer-
den , ehe sie schliesslich dem grossen Gehirn zur letzten Phase der
Innervation mitgetheilt w^erden , um in den Kreis seelischer Wahr-
nehmung als vollendete Gesichtsvorstellung zu gelangen.
Im grossen und kleinen Gehirn endigt wenigstens ein grosser
Theil der durch die Gross- und Kleinhirnschenkel eintretenden Fa-
sern, d. h. geht in Ganglienzellen unter. Diese Gegenden scheinen
für das grosse Gehirn das Ganglienzellensystem der Streifcnhügel
und der letzten Abtheilung des Linsenkernes zu sein , für das kleine
Gehirn der gezahnte Kern. Die aus der anderen Seite jener Gang-
lienzellenaggregate entspringenden Fasern sind ganz anderer Natur;
sie vermitteln die Wechselwirkungen mit den multipolaren Zellen der
Randwülste. Die ganze Oberfläche des kleinen Gehirns zeigt beim
Abtragen am lebenden Thier nicht die geringsten Spuren von Schmerz
oder von Muskelzuckung. Erst die Verletzung der tiefsten an die
Crura cerebelli ad corpora quadrigemina und Crura ad meduUam
ohlongatam streifenden Schichten erregt Schmerz und Krämpfe. Die
Corpora dentata scheinen die anatomische Grenze dieser pliysiohigi-
schen Erscheinung zu sein. Analog verhalten sich die Heniispliären
des grossen Gehirns, welche gleichsam auch nur als dem Mittclhirn
aufgesetzte Gebilde erscheinen.
Wichtige Mittheiiungen über die Nervenursprünge im Gehirn
smd jüngst von Jacuhowitsch und Owsjannikoio veröffentlicht
worden, die, wenn sie sich bewahrheiten, den TFa^/ wer 'sehen Sätzen
Umhüllungen der Nervencentren. 169
eine bedeutende Stütze geben. (Bull, de Facad. de Petersbourg, class.
phys.-math. Tom. XlV. Nr. 323, ich gebe den von Funke in den
Schmidt' sehen Jahrb. 1856, Bd. 89 besorgten Auszug wieder.) Die
genannten Forscher sind nämlich zu dem Ergebniss gekommen, dass
zwei anatomisch und funktionell verschiedene Klassen von Nervenzel-
len im Gehirn existiren, grosse, wie die des Rückenmarks, für die Be-
wegung, kleine für die Empfindung. Der Nervus olfactorius, opticus
und acusticus, also die drei reinen Empfindungsnerven, entspringen von
kleinen Zellen mit feinen Ausläufern. Diese kleinen Zellen sind
3 — 4mal kleiner als die grossen Zellen, wie sie sich in den vorderen
Hörnci'n der grauen Rückenmarkssubstanz finden, sie sind heller ge-
färbt, grau, weiss, mehr oval, ihre Ausläufer, 3 — 4 an der Zahl,
sind 3 — 4mal feiner , als die Ausläufer jener grossen Zellen. Alle
übrigen Hirnnerven haben einen gemischten Ursprung von grossen
und kleinen Zellen: a) der N. oculomatorius entspringt in den Vier-
hügeln von den kleinen Zellen, die um den Aquaeductus Sylvii mas-
8enha;ft gelagert sind. Letztere legen sich a^i die dickeren Ausläu-
fer der grossen Zellen an, welche nach unten zu vom Aquaeductus
zu beiden Seiten rechts und links liegen. Diese dicken und feinen
Fäden bilden die Wurzeln des ocidomotorius. b) Der N. trochlearis
entspringt ebenfalls von grossen und kleinen Zellen, c) vom N. tri-
geminus entspringt die Portio minor von den grossen Zellen zu beiden
Seiten des Bodens der Rautengrube. Die Portio major kommt von
kleinen Zellen im Corpus restiforme und olivare. d) Ahducens und
Facialis sind ebenfalls gemischt. Aus diesen Thatsachen schliesscn
die Verfasser: die grossen Zellen sind Bewegungszellen, und die klei-
neren Zellen mit den feinen Ausläufern sind Empfindungszellen. Fer-
ner, die grossen Hemisphären des Gehirns bestehen nur aus kleinen
Zellen mit feinen Ausläufern , die zum Centrum gehen. Es existire
eine Commissur zwischen allen Nervenzellengruppen: an der Ober-
fläche des kleinen Gehirns finden sich grosse Zellen, welche Achsen-
cylinder zur Peripherie schicken, die sich mit einander verbinden
und ungemein fein theilen. Zum Centrum schicken diese grosse Zel-
len aucl? Aeste, die sich mit feinen Zellen verbinden und von die-
sen erst gehen die Nervenfäden ab , welche die weisse Substanz des
kleinen Gehirns bilden.
§. 161.
Die häutigen Umhüllungen des Gehirns und Rückenmar- Hmieu d
kes, die sog. Dura mater , Arachnoidea und Pia mater bestehen aus
Bindegewebe, das in der sehnig glänzenden harten Haut am mächtigsten
vorhanden ist und zahlreiche elastische Fasern enthält, zarter ist die
Spinnwebehaut, doch auch noch mit elastischen Elementen versehen;
am dünnsten erscheint das bindegewebige Stratum in der Gefässhaut
und ohne elastische Fasern. Die freien Flächen der Dura mater und
Arachnoidea sind mit einem Plattenepithel überzogen. Sowohl in der
Nerven-
centren.
170 Vom Nervensystem des Menschen.
harten Haut, als auch in der Pia viater finden sich Nervenfasern, die
den Häuten selber angehören. Die Fia mater trägt ein sehr dichtes
Getassnetz, das für das Gehirn und Mark bestimmt ist und sich in
letztere Organe einsenkt. Die Fortsetzungen der Pia mater in die
Gehirnhöhlen, die Plexus choroidei, bestehen ebenfalls aus einer binde-
gewebigen Grundsubstanz mit äusserst dichter Gefässverzweigung und
aussen liegt ein Epithel, dessen Zellen insofern eigenthümlich sind,
als sie nach unten in stachelartige Verlängerungen ausgehen und der
gelbkörnige Inhalt meist noch einen bis zwei Fetttropfen enthält.
Flimmercilien existiren an diesen Zellen nicht.
Die häutige Ueberkleidung (Ependyma) der Gehirnhöhlen,
sowie des Rückenmarkkanales, kommt dadurch zu Stande, dass die
zarte Bindesubstanz, welche die Centraltheile des Nervensystems
durchsetzt, an der Wand der Hirnventrikel, namentlich um den
Centralkanal des Rückenmarkes sich stark verdickt und von einem
(im Gehirn) mehr rundzelligen Epithel gedeckt wird, das beim Er-
wachsenen im hinteren Ende der Rautengrube und wahrscheinlich
längs des ganzen Rückenmarkkanales, wo es aus Cylinderzellen be-
steht, flimmert. — Bei Neugeborenen und bis an's Ende der ersten
Lebensjahre flimmert das Epithel aller Hirnhöhlen. {Luschka.)
Erwähnt soll auch noch werden, dass im Ependyma sehr häufig
die sog. Corpora amylacea angetroffen werden. Es sind rundliche
oder semmclförmige Körper, gelblich und concentrisch geschichtet, über
deren chemische Beschaffenheit die Ansichten noch weit auseinander
gehen, nach Virchow sollen sie aus Cellulose bestehen, nach Henle
und H. Meckel hingegen fettartiger Natur (Cholestrinbildungen) sein. —
Eine andere, vielleicht pathologische, am constantesten in der Arachnoi-
dea, Pia mater, in der Zirbel vorkommende Erscheinung ist der Plirn-
sand, Acervulus cerebri, der unter der Form schaliger, kugliger,
maulbeertormiger oder anderweitiger unregelmässiger Gestalt auftritt
und vorzüglich aus kohlensaurem Kalk und einer organischen Substanz
besteht. Häufig erscheint er als Incrustation von Bindegewebe.
§. 162.
peripheri- Das peripherische Nervensystem wird gebildet von den
Bchcs
Nerven- aus dcm Gchim und Rückenmark entspringenden Cerebral- und Spi-
«ystem. jjjiluei'ven , sowic aus den sympathischen Nerven. In den Nerven
sind die Primitivfasern durch Bindegewebe zu gröberen und feine-
ren Strängen vereinigt und da in den Kopf- und Rückenmarksner-
ven die Primitivfasern dunkelrandige sind, so haben diese Nerven
ein weisses, glänzendes Aussehen, bedingt durch die Markscheide
der einzelnen Fibrillen. Das Bindegewebe, welches die Primitiv-
fascrn zu Bündeln vereinigt, die in ihrer Gesammtheit den Nerven
herstellen, heisst Neurilem und zeigt sich wie anderwärts als der
Träger der Blutgefässe, welche die Ernährung der Nerven besor-
gen. Wo das Bindegewebe nur eine geringere Zahl von Nerven-
Ganglien.
171
fäden umhüllt, bildet es lediglich eine strukturlose, kernhaltige
Scheide (bei uns längst bekannt, von Rohin jüngst unter dem Na-
men Perinfevre als etwas Neues behandelt). In den sympathischen
Nerven kommen sowohl dunkelrandige und dann meist sehr dünne
Primitivfasern vor, als auch blasse (Äe?^^a^•'sche) Nerven; treten
letztere in überwiegender Mehrzahl auf, so verliert der Nerv sein
weissglänzendes Aussehen, er wird grauweiss oder grauröthlich und
ist auch minder fest als ein glänzendweisser Cerebrospinalnerv.
Fig. 88.
Ein Ganglion spinale.
A Sensible Wurzel , an ihr das Ganglion mit den bipolaren Ganglienkugeln,
B die motorische Wurzel, C hinterer Ast des Rückenmarksnerven, D vorderer
Ast. (Starke Vergr.)
Am peripherischen Nervensystem finden sich zahlreiche knoten-
artige Anschwellungen oder Ganglien. Sie bestehen aus einer
äusseren bindegewebigen Hülle, der Fortsetzung des Neurilems,
welche nach innen ein Fächerwerk abgiebt und damit zugleich die
Blutgefässe in's Innere leitet. Die wesentliche Substanz des Gang-
lions sind Ganglienzellen und Nervenfibrillen. Es zeigt sich nach
Ganglien.
172
Vom Nervensystem des Menschen.
riiysic-
logiBche
den neueren Untersuchungen von Remah^ dass die Ganglien in
Anbetracht der Beschaffenheit ihrer Nervenzellen von verschiedener
Natur sind, die einen nämlich, zu denen die Spinalganglien, sowie
die Ganglien des Trigeminus und Vagus gehören, haben nur unipolare
und bipolare Ganglienzellen, sie erscheinen unipolar dadurch,
dass die beiden Fortsätze dicht neben einander entspringen, oder
sich der eine Fortsatz nach kurzem Verlauf theilt. Die Nervenkno-
ten des sympathischen Systems hingegen besitzen vorzugsweise multi-
polare Ganglienzellen, deren Fortsätze in Nervenfasern übergehen.
Wie die Nervenfibrillen in der Peripherie des Körpers endigen,,
vergl. Muskeln, Haut, Sinnesorgane etc.
P^ig. 89.
Ein sympathisches Ganglion mit multipolaren Ganglienzellen,
(Starke Vergr.)
§. 1G3.
Man betrachtet wohl seit Langem die graue Substanz als den
Theil des Nervensystems, von welchem die höheren Leistungen des
Nervenlebens ausgeben, während die weisse Substanz und die Ner-
venfasern nur als Leitungsapparate fungircn. Die Wirkung, welche
die graue Substanz auf die Nervenfasern ausübt, Hess man auf dem
Wege der Contiguität geschehen, und die sog. Reflexerscheinungen
leitete man davon ab, dass die Erregung einer Nervenfaser über ihre
Scheide hinaus auf andere zunächst liegende übertragen werde.
Die anatomische Grundlage, wie sie oben vorgeführt wurde und wo-
nach die Nervenclemente, die Ganglienzellen und Nervenfasern durch
bestimmte Verbindungen unter einander ein zusammenhängendes
Gerüst bilden, nöthigt uns, die Theorie von einer Wirkung der
Ganglienzellen auf die Nervenfasern durch blosse Contiguität aufzu-
Physiologisches. 173
geben und alle Innervationserscheinungen zu basiren auf die Ver-
bindungen von einzelnen Ganglienzellen und grösseren Gangiien-
zellenaggregaten, als eigenthümlichen Innervationsprovinzen von ver-
schiedener physiologischer Dignität, unter sich und mit centralen
peripherischen Nervenbahnen. (R. Wagner.)
Unter den Methoden in die Struktur des Gehirns und Rückenmarkes einzu-
dringen hat sich die von Stilling zuerst gehrauchte am förderndsten erwiesen,
welche darin besteht, dass man feine Quer- und Längsschnitte vom Rückenmark
aus anfertigt. Als Härtungsmittel bediente sich Stilling des Alkohols, den man
gegenwärtig allgemein mit der weit dienlicheren Chromsäure vertauscht hat. —
Die multijiolaren Ganglienzellen in den Centralorganen wurden von Purkinje,
Joh. Müller und Eemah (1837) aufgefunden und längere Zeit hielt man sie für
eine blosse Belegungsformation der Fasern. Der Zusammenhang der multipolaren
Ganglienzellen mit Nervenfasern im Rückenmark und Gehirn wurde zuerst durch
Stilling, R. Wagner und Leuckart dargethan. Die Mittheilungen B. Wag~
ner's haben trotz der Widersprüche von mancher Seite in neuerer Zeit durch die
unter Bidder''s Leitung erschienenen Arbeiten von Schilling , Oiüsjannihow
und Kupfer, von denen unten die Rede sein wird, eine glänzende Bestätigung erhalten
und müssen als wirkliche Bereicherungen unseres anatomischen Wissens gelten. —
Die Entdeckungen BemaFs über multipolare Ganglienzellen in den sympathischen
Ganglien stehen im Monatsbericht d. Berl. Ak. Januar 1834. Bern ah fand Zellen
mit 3 bis 12 Fortsätzen. Besonders zahlreiche Verästelungen kommen in den
Ganglienzellen des Plexus solaris vor. Er glaubt aus seinen Beobachtungen
schliessen zu müssen, dass sich die multipolaren Ganglienzellen sowohl mit sen-
siblen Fasern und Zellen in den hinteren Wurzeln , als mit motorischen Fasern in
den vorderen Wurzeln anatomisch combiniren. —
Die stachelartigen nach unten gekehrten Verlängerungen an den Epithelzellen
der Plexus choroidei hat zuerst Henle beschrieben; diese Bildungen stehen nicht
"ganz isolirt, denn auch das Epithel in den sog. Schleimröhren des Notidanus (die
eigentlich nervöse Apparate vorstellen) , läuft in ähnliche, aber frei vorragende
Stacheln von verschiedener Länge aus, ebenso gewisse Epithelzellen in der Schnecke
des Gehörorganes bei verschiedenen Wirbelthieren. Luschka sah übrigens auch
die stachelförmigen Fortsätze der Adergeflechte des Menschen zuweilen über das
Niveau der übrigen Epithelzellen frei hinausragen. Günther will bei einem Men-
schen nach dem durch Selbstmord erfolgten Tode Flimmerhärchen an den Plex.
choroid. angetroffen haben, was ich nach Untersuchungen an einem Hingerichteten
(Würzb. Verh. Bd. V.) nicht bestätigen konnte, obwohl die Zellen in bester Lage
waren und der scharfe Rand der Epithelschicht an den verschiedensten Stellen ge-
nau beti-achtet wurde. Doch glaubt Luschka beim Neugebornen Flimmerhärchen
zu bemerken.
Der Streit über die Natur der Cor2)ora amylacea dürfte sich noch mehr ver-
wickeln, da Beniak gefunden hat, dass auch der Hirnsand, wenn er mit Jod und
Schwefelsäure behandelt wird, die von Virchow an den Corp. amyl. entdeckte
Eigenschaft hat. Behandelt man nämlich den Hirnsand mit Jod und setzt dann
Schwefelsäure hinzu, so sieht man unter dem einfachen Mikroskop von den Körner-
haufen einen blauen Strom ausgehen, innerhalb dessen die Gypskrystalle und zwar
mit blauer Farbe anschiessen. Nimmt man sehr verdünnte Schwefelsäure , so bil-
den sich die blauen Krystalle innerhalb der Körner selbst, und da die letzteren
noch ihr gelbbraunes Ansehen bewahren, so zeigt sich stellenweise ein grünes
Farbenspiel.
174 Vom Nervensystem der Wirbelthiere.
Zehnter Abschnitt.
Vom Nervensystem der Wirbelthiere.
§. 164.
Die Nervencentren, Gehirn und Rückenmark, bestehen aus
Bindesubstanz mit den Blutgefässen , Ganglienzellen und Nerven-
fasern. Vom Gehirn der Selachier hatte ich schon früher angege-
ben, dass die graue Substanz durch zarte bindegewebige und gefäss-
haltige Umhüllungen in kugelige (beim Landsalamander in längliche,
zur Höhle der Hemisphäre radiär gerichtete) Massen geschieden werde,
besonders aber ist in den Arbeiten von Bidder und seinen Schü-
lern Owsjannikow und Kupfer dem Bindegewebe in den Nerven-
centren der Fische und Batrachier eine grössere Aufmerksamkeit
zugewendet worden. Die durchsichtige grauliche Substanz, welche
bei verschiedenen Fischen in wechselnder Ausdehnung den Central-
kanal des Rückenmarkes umgiebt, besteht lediglich aus Bindegewebe
mit verästelten Bindcgewebskörperchen. Von dieser Bindegewebs-
hülle des Centralkanales geht nach vorn und hinten je ein Fortsatz
bis zur Pia mater und bildet so die vordere und hintere Rücken-
marksspalte. Es gehen aber noch ausserdem von der Bindegewebs-
masse eine Anzahl feiner Bündel durch die weisse Substanz bis zur
Pia mater, wodurch sie in eine Anzahl von Faszikeln zerfällt wird.
Aber auch die Ganglienzellen sind in Bindegewebe eingebettet, wel-
ches hier besonders weich und hyalin erscheint. Ein ähnliches Stroma
von Bindesubstanz für die nervösen Elemente lässt sich, wie Kupfer
gezeigt hat, vom Rückenmark des Frosches nachweisen. Von der
Pia mater aus durchzieht ein bindegewebiges Fachwerk das Rücken-
mark und häuft sich wie bei Fischen und dem Menschen besonders
um den Centralkanal an, wo sie bisher fälschlich als graue Nerven-
substanz beschrieben wurde. In dem Bindegewebe lassen sich Binde-
gewebskörperchen und aus ihnen hervorgegangene elastische Fa-
sern unterscheiden.
§. 165.
Ganglien- Anlauffcnd die nervösen Elemente, so findet Owsjannikow im
/.eilen und <--' ' ^
Nervenfasern Rückenmark von Ammocoetes und Petromyzon zwischen jenen sehr brei-
und uu.;kcn-ten, vou JoJi. Müller zuerst beschriebenen Nervenfasern grosse runde
Ganglienzellen, welche zwei breitere Ausläufer nach dem Kopfe
und Schwänze zu schicken ; an herausgenommenen Zellen sieht man
diese Ausläufer sich in viele feine Fäscrchcn spalten. Besondere
Lagen im Rückenmark bilden spindelförmige Zellen, von denen vier
Nervencentren.
175
bis fünf Ausläufer in folgender Ordnung sich abzweigen : ein Aus-
läufer geht quer durch die Längsfasern in die hintere Wurzel eines
Rückenmarksnerven, ein zweiter geht in die vordere Nervenwurzel,
ein dritter steigt zum Gehirn auf, ein vierter geht als Commissurfaser
quer zur anderen Hälfte über. Der zuweilen vorhandene fünfte Aus-
läufer schien sich mit einem Ausläufer einer zwischen den breiten
Nervenfasern gelegenen runden Zelle zu verbinden.
Fig. 90.
B
Querschnitt des Rückenmarks von Salrao salar, nacli Oivsjannikoto.
A vordere Rückenmarksspalte , B hintere , C Centralkanal , von Cylinderepithel
ausgekleidet, D Bindegewebe, welches den Centralkanal umgiebt und Fortsätze in
die hintere und vordere Rückenmarksspalte schickt, E vordere Wurzel, F Coramissur-
fasern, G Fasern der hinteren Wurzel, H Bindegewebe, I die Nervenfasern der
weissen Substanz quer durchschnitten, K Blutgefässe, quer durchschnitten,
L Ganglienzellen.
Die Nervenfasern des Rückenmarks sind einmal feine, welche
auf beiden Seiten der Medulla die äusserste Schicht bilden, und zwei-
tens die s. g. ilfw ^/er'schen Fasern, jene kolossal breiten, welche sich
zu beiden Seiten des Centralkanales finden. Sie haben nicht im
ganzen Rückenmark denselben Durchmesser, sind gegen den Kopf-
theil am breitesten, verschmälern sich aber an der Schwanzgegend so
beträchtlich, dass sie endlich nur vom Breitendurchmesser der übrigen
Längsfasern sind. Im verlängerten Mark gehen sie in grosse runde
Ganglienzellen über. — Die Nervenzellen in dcv Medulla anderer
Fische {Lucioperca sandra , Esox lucius , Halmo salar , 8. trutta,
Äcipenser sturio, Thymallus etc.), welche zwischen den Längsnerven-
fasern im Bindegewebe eingebettet sind, haben eine meist dreieckige
Gestalt, Kern und Kernkörperchen, Von jeder solchen Zelle sieht
b
176
Vom Nervensystem der Wirbelthiere.
man drei Ausläufer nach drei Richtungen ausgehen , von denen der
eine bis in die vordere Wurzel, der zweite bis in die hintere Wurzel,
der dritte vor dem Centralkanal zur anderen Hälfte des Rückenmarks
geht und sich mit einer entsprechenden Zelle derselben verbindet.
Auf Längsschnitten des Rückenmarkes kann man jede Faser einer
vorderen Wurzel bis zu einer Nervenzelle verfolgen und sieht aus
jeder solchen Zelle eine zweite Faser nach oben aufsteigen. So ent-
steht die weisse Substanz, deren nahezu parallele Fasern bis zu den
Nervenzellen des Gehirns gehen; aus dieser Entstehungsweise erklärt
sich auch, warum die weisse Substanz vom Schwänze nach dem Kopf
immer mehr an Dicke zunimmt.
Fig. 91.
öclicmatische Figur zur Erläuterung des Faserverlaufes im
Rückenmark,
a vordere, b hintere Wurzel. Man sieht, wie immer, eine sensible und motorische
Faser in einer Ganglienzelle zusammentreffen, aus der eine Faser zum Gehirn auf-
steigt und ein anderer Ausläufer als Commissurfaser zu den Gauglienkugeln der
andern Kückenniarkshälfte geht.
Kückenmark, Zirbel. 177
§. 166.
Dcas Rückenmark des Frosches verhält sich nach Kupfer
im Wesentlichen ebenso wie das der Fische. Die grossen Nerven-
zellen sind nach aussen von der bindegewebigen , den Centralkanal
umgebenden grauen Substanz in drei Säulen angeordnet und jede Zelle
hat meist drei (nicht selten vier) Ausläufer; die zwei seitlichen gehen
in die beiden Nervenwurzeln, der dritte vordere und vierte untere
verlieren sich gegen die vordere Spalte zu und wahrscheinlich dient
wie bei den Fischen der dritte als Commissurfaser zu Zellen der
anderen Kückenmarkshälfte. Die Nervenfasern, die weisse Substanz
bildend, nehmen wieder die beiden äusseren Seitentheile des Rücken-
markes ein.
§. 167.
Etwas eigenthümliche Partien des Gehirns sind die Zirbel und
der Hirnanhang, indem sie mehr oder minder deuthch den Bau
der s. g. Blutgefässdrüsen zu erkennen geben. Bei Fischen (Stör z. B.)
besteht die Zirbel aus ziemlich derbhäutigen, von vielen Blutgefässen
umsponnenen Blasen oder Schläuchen mit Ausbuchtungen ; ganz ähn-
lich ist sie bei Reptilien (Salamander, Proteus, Blindschleiche, Eidechse) ;
in den Stiel der Zirbel treten sehr allgemein einige dunkelrandige
Nervenfibrillen herein. Bei Säugethieren {Mus musculus wenigstens)
ist die Zirbel vom Bau des Hirnanhanges der Reptihen. Der Hirn-
anhang nämlich , zwar ganz analog der Zirbel construirt , zeigt sich
doch darin verschieden , dass die Bindesubstanz, welche die blasen-
artigen Räume herstellt und die Blutgefässe trägt, zarter als bei der
Zirbel ist, und während die Blasen und Schläuche der letzteren mit
einem einfachen Epithel ausgekleidet sind, werden sie im Hirnanhang
mit rundlichen Zellen (Stör, Rochen) oder mit feiner Punktmasse und
Kernen (Reptilien) dicht erfüllt , verlieren daher mehr oder minder
ihren blasigen Charakter und werden zu soliden Ballen.
Zirbel und
Ulruauhang .
^Ö
§. 168.
Die häutigen Umhüllungen der Nervencentren stinunen bei HäuugeUm-
• -i ITlTll hüllungen.
den Säugethieren wohl im Allgemeinen mit denen des Menschen uber-
ein. Es ist eine harte Haut, eine Spinnwebenhaut und Gefässhaut vor-
handen; ob bei den Vögeln noch eine besondere Ärachnoidea da ist,
möchte zweifelhaft sein, und für Amphibien und Fische scheint der
Mang-el einer eigenen hautartigen Ärachnoidea gewiss. Statt ihrer
spannt sich bei Fischen, deren Gehirn die Schädelkapsel nicht ausfüllt,
zwischen Dura mater und Pia mater ein bindegewebiges Netzwerk hin,
das zur Aufnahme von Gallerte {ßaleus canis, Scymnus lichia), oder
Fettzellen (viele Teleostier) dient; oder auch leer sein kann {Raja
clavata, im Leben wahrscheinlich mit Flüssigkeit gefüllt). Beim Stör
liegt hier eine Aveiche , pulpöse Masse , deren fernerer Bau an die
Leydig, Histologie. 12
178 Vom Nervensystem der Wirbelthiere.
Lymphdrüsen erinnert. Die harte Haut ist immer aus festem Binde-
gewebe geformt, hat mitunter auch viel schwarzes Pigment (Hammer-
hai z. B.); bei vielen Säugethieren verknöchert der unter dem Namen
Hirnzelt [Tentorium cerehelli) bekannte Fortsatz, bei Vögeln auch zum
Theil der Sichelfortsatz, was sich beim Schnabelthier noch einmal
wiederholt.
Die Pia mater ist immer äusserst gefässreich, hat auch eigene
Nervenfasern (Stör) und ist bei niederen Wirbelthieren häufig pig-
mentirt. Sie hat ferner eine entschiedene Neigung zu kalkigen Ab-
lagerungen ; in wie weit bei den Säugethieren Hirnsand vorkommt, ist
noch nicht bekannt (^Söminering will ihn bloss beim Dammhirsch,
Malacarne bei der Ziege gefanden haben) ; hingegen beobachtet man
Kalkablagerungen in den Epithelzellen der Plexus cJwroidei*) bei
Rochen und Haien. Der Stör, das Neunauge sollen auch „härtere
Scheibchen " an den Umhüllungen des Gehirns haben, und die zahl-
reichen Kalkkrystalle, welche bei nackten Reptilien die Gefässhaut be-
decken, gehören ebenfalls hierher.
Die Plexus choroidei vielleicht aller Wirbelthiere Himmern. Von
den Säugethieren hatte Valentin längst die Flimmerung dieser Theile
angegeben, während ich sie in mehreren Fällen vermisste ; vor Kurzem
indessen prüfte ich abermals junge (noch blinde) Katzen hierauf und
überzeugte mich von der Anwesenheit des Cilienspieles. Auch bei
anderen Wirbelthieren tragen sie ein deutliches Wimperepithel : bei
Vögeln (ich sah es bei der Taube), Fischen (Selachiern, Stör) und
Amphibien (Frosch, Landsalamander). Ebenso verbreitet ist die Flim-
merung des aus Bindegewebe und Epithel zusammengesetzten Epen-
dyma's der Gehirnhöhlen. Ich sehe es deutlich flimmern beim Kanin-
chen und Eichhörnchen im vierten Ventrikel, die Zellen sind kurz
cylindrisch, der Kern und die Cilien gut sichtbar; an neugeborenen
Hunden und Spitzmäusen Avimpert das Ependyma aller Hirnhöhlen,
wo die Cilien zwar sehr zart, aber deutlich sind. Auch bei Ilaien (an
einem Gehirn in Chromsäure) glaube ich sehr feine Cilien auf langen,
schmalen Zellen wahrzunehmen, welche die Hirnhöhlen begrenzen.
Am lebenden Thier war nichts davon bemerkt worden. — Das Epen-
dyma um den Centralkanal des Rückenmarks bildet am s. g. Sinus
rhomboidalis der Vögel eine dicke, die rautenförmige Grube ausfüllende
Masse und zeigt die Struktur des gallertigen Bindegewebes.
*) Bei den Kiiochenrischcn sollen nach der Angabe Mancher die Plexus
choroidei fehlen, was nicht richtig ist; sie sind zwar •weniger entwickelt, aber
doch deutlich voi'handcn, besonders am vierten Ventrikel , und haben den gleichen
histologischen Bau wie bei andern Thieren, d. h. bestehen aus Bindegewebe, zahl-
reichen, in den Stämmen häufig pigmentirtcn Blutgefässen und dem leicht vergäng-
lichen l'])itliel, das bei Sahno tSalreiinus z. B. nicht den gewöhnlichen körnigen
Inhalt liat, soudei-n sehr hell ist.
Peripherische Nerven. 179
§. 169.
Der Bau des peripherischen N er vensys t eines stimmt Peripueri
wieder in den Hauptzügen mit dem des Menschen überein ; es besteht Nerven-
aus den cerebrospinalen, sowie sympathischen Nervensträngen sammt ^y"""-
den dazu gehörigen Nervenknoten. Das Bindegewebe, w^elches die
nervösen Elemente sondert und vereinigt , das s. g. Neurilera, er-
scheint in den Kopfnerven mancher Plagiostomen schwarz pigmentirt.
Die Färbung geschieht erst beim Austritt aus der Hirnkapsel , und
weil sich die Pigmentzellen auch auf die Fortsetzungen des Neurilems
in's Innere der Nerven erstrecken, so erscheinen auch die sekundären
Faszikel schwärzlich. Dies ist der Fall z. B. vom Trigeminus des
Galeiis canis, vom Opticus mehrerer Rochen u. a. Beim Frosch gehört
die Pigmentirung der sympathischen Nerven lediglich der abstreifbaren
Hülle an; hier sind auch im Neurilem zahlreiche Fettträubchen. Ferner
ist die Menge und Stärke des Neurilems grossem Wechsel unterworfen ;
in das Ganglion Trigemini von Scymnus lichia z. B. ist weit mehr
Bindegewebe eingemischt, als in denselben Theil bei GMmaera mon-
strosa , wesshalb auch hier bei der Behandlung des Ganglions mit
Nadeln die Nervenfasern gar leicht auseinanderfallen.
Die Nervenfasern scheiden sich sehr allgemein in dunkel-
randige (mit Fettscheide versehene) und in graue {Remak' sohe
Fasern). Die ersteren, verschieden breit (bei Fischen stösst man auf
die breitesten dunkelrandigen Fasern), setzen hauptsächlich die cerebro-
spinalen Nerven zusammen ; die der zweiten Art bilden die vorherrschen-
den Elemente des SympathicuSj wobei in Erinnerung gebracht werden
soll, dass es zwischen den echt dunkelrandigen und den echt blassen
(oder i^ e m a ^ ' sehen) Fasern sichere Uebergangsformen giebt, wie ich
dergleichen im Grenzstrang vom erwachsenen Salamander beschrieben
habe. Von vielfachem Interesse ist, dass unter den Wirbelthieren die
Cyklostomen gar keine Nerven mit der Mark- oder Fettscheide
besitzen, sondern alle Nervenfasern nur aus der zarten Hülle und der
dem Achsencylinder entsprechenden granulär-streifigen Nervensubstanz
bestehen. Petromyzon, Ammocoetes nähern sich mit dieser Ver-
einfachung den wirbellosen Thieren.
§. 170.
Die Nervenzellen oder Ganghenkugeln sind in den Spinalganghen
und dem des Trigeminus und Vagus bipolar (bei Chimaera monstrosa
sah ich a. a. O. im Knoten des Quintus eine sehr grosse Ganglien-
kugel mit vier Nervenfasern — zwei central, zwei peripherisch ge-
richteten — in Verbindung). In den sympathischen Ganghen scheinen
die multipolaren Ganghenzellen vorzuherrschen. Bei Säugethieren
fand Remak multipolare Zellen, wie schon oben erwähnt, mit 3 — 12
Ausläufern, zum Theil durch Verästelung entstanden. Die Zahl der
Ausläufer richtet sich nach der Zahl der mit dem Ganglion ver-
bundenen Nerven, sie ist in den Grenzganglien kleiner als im Plexus
12*
180 Vom Nervensystem der Wirbelthiere.
solaris. Bei Fischen und Batrachiern sieht man im Sympathicus an-
scheinend nur unipolare Ganglienkugehi , allein sie dehnen sich nach
einer Seite zu einem Fortsatz aus , welcher sich durch sehr blasse,
kaum sichtbare Conturen auszeichnet; eine grössere oder geringere
Strecke vom Ursprung entfernt , theilt sich dieser Fortsatz in zwei
Aeste, welche zu sympathischen Fasern werden und immer nach der-
selben Richtung verlaufen {Küttner). Wenn sich, was wahrschein-
lich ist, letztere weiter hin theilen, so können diese unipolaren Zellen
den multipolaren dadurch gleichwerthig werden. Die apolaren Ganglien-
zellen sind immer verstümmelte Objekte.
Sehr merkwürdig verhalten sich die sympathischen Ganglien des
Grenzstranges bei Selachiern und Reptilien dadurch, dass die s. g.
Nebennieren integrirende Abschnitte der Ganglien bilden , wovon
unten.
§. 171.
Als das physiologisch wichtigste Ergebniss, das durch die neueren
Forschungen über die Struktur des Nervensystemes der Wirbelthiere
gewonnen wurde, muss die Beobachtung betrachtet werden, dass die
sensitiven und motorischen Nervenfasern, welche durch die hinteren
und /vorderen Wurzeln in das Rückenmark hereingetreten sind, in je
einer Zelle zusammenkommen, von welcher dann nur eine einzige
Leitungsfaser zum Gehirn aufsteigt, um dort sich mit dem Ausläufer
einei- multipolaren Zelle zu verbinden. Das andere nicht minder
wichtige Ergebniss ist die Erfahrung , dass zahlreiche multipolare
Zellen im sympathischen Systeme vorkommen , deren Ausläufer als
Nerven weiter gehen, und da durch die Gegenwart multipolarer Zellen
jedem Gebiet, wo sie nur vorkommen, der Charakter eines Central-
theiles oder einer einheitlichen Mitte zugesprochen werden muss, so
ist für die Zukunft eine gewisse Selbständigkeit des Sympathicus auch
von anatomischer Seite kaum mehr in Abrede zu stellen.
Die unter Bidder's Leitung erschienenen werthvollen Arbeiten sind: Mikrosk.
Untersuchungen über die Textur des Kükenmarkes von Ph. Owsj annikow,
Inaug. diss. 1854 ; über die Struktur des Rückenmarkes bei den Fröschen, insbe-
sondere über die Beschaffenheit der grauen Substanz desselben von C. Kujjfe r,
Inaug. diss. 1854; der Ursprung des Sympathicus bei Fröschen, aus den Verände-
rungen durchschnittener Nerven erforscht \o\\ C. K üt tner, Inaug. diss. 1854. Sehr
gute Auszüge aus diesen Dissertationen finden sich von 0. Funke in d. Schmidt'-
schen Jalirbücliern der ges. Medizin 1855, Bd. 86 Nr. 3. — Metzler, de mednllae
spinalis avium textura, Dorp. — Uebcr den Bau der grauen Säulen im Kückenmark
der Säugethiere hat auch Jiemak in der deutschen Klinik 1855 S. 295 folgende
kurze Mittheilungen gegeben. 1) Jede Zelle tritt mit einer motorischen Nerven-
wurzelfaser in Verbindung. 2) Die übrigen centralen Fortsätze unterscheiden sich
physikalisch und chemisch von jener Faser. 3) Die Zahl der übrigen Fortsätze
ist durch zwei theilbar, und eben so viele Fortsätze verlaufen nach dem Kopf,
wie nach dem Schwanz, eben so viele nach hinten, wie nach vornen.
Detail über Zirbel und Hirnanhang siehe bei Ecker in Wagner^s Handw.
der J'hys. und Leydiy, Unters, über Fische und Kept. — Die Lymphdrüsen-ähn-
Vom Nervensystem der Wirbellosen. 181
liehe Masse in der Schädelkapsel des Störs ist weich, grauröthlich , sie besteht ans
einem gefässreichen Bindegewebe, welches areoläre Räume bildet, die mit runden,
farblosen Körnchenzellen gsfüllt sind.
Um die Plexus choroidei bei der Taube und der Katze wimpern zu sehen,
muss man sie vom frischen Thier untersuchen und zur Befeuchtung Humor aqueus,
Zuckerwasser u. dgl. nehmen. Da ich diesmal nur junge Thiere untersuchte, so
darf man die Frage aufwerfen, ob nicht, wie an der übrigen Auskleidung des Ge-
hirns, die Wimperung bis auf den Bezirk des vierten Ventrikel schwindet. Ueber
die Gallertmasse im Sinus rhomboidalis der Vögel vergl. Müll. Arch. 1854 S. 334.
Elfter Abschnitt.
Vom Nervensystem der Wirbellosen.
§. 172.
Auch am Nervensystem (den Centren und peripherischen
Nerven) der Wirbellosen hat man zu unterscheiden zwischen dem
stützenden Bindegewebe und den nervösen Elementen.
Das Bindegewebe oder Neurilem erscheint entweder durchaus Neuniem.
oder wenigstens immer da, wo es zunächst die nervösen Gebilde um-
hüllt, rein homogen oder leicht streifig und mit einzelnen Kernen
versehen. Nach auswärts geht es mitunter zur Verbindung mit der
Umgebung in andere Formen der Bindesubstanz über, beim Fluss-
krebs z. B. in gallertiges Bindegew^ebe, bei Mollusken in jene zellige
Art der Bindesubstanz, wie sie auch sonst zwischen den Organen sich
befindet. Wie bei Wirbelthieren kann die Bindesubstanz des Nerven-
gewebes auch pigmenti rt sein {Scolopendra forficata z. B. zeigt
allenthalben über das Neurilem weg violette zerstreute Pigmenthaufen ;
Hirudo, Haemopis haben eine äussere stark braun oder schwarz pig-
mentirte Neurilemhülle, deren weithin verzweigte Pigmentzellen den
ßindegew^ebskörperchen entsprechen) ; oder die Zellen des Binde-
gewebes können Kalk enthalten {Helix, Limax u. a. ; in dem Neurilem
des Regenwairmes haben die Kerne zum Theil fetttropfenähnliche
Nucleoli, ausserdem unterscheidet man noch scharfconturirte, haufen-
weis gruppirte Körperchen; die kreideweissen undurchsichtigen Kerne,
welche Will aus den Zellen des Neurilems der Ascidien beschreibt,
sind wohl ebenfalls Kalk gewesen). Wo im Körper eines Thieres bis in
die feineren Verzweigungen individualisirte Blutgefässe vorkommen,
trifft man sie auch im Neurilem (Regenwurm z. B. , wo der Bauch-
strang sehr gefässreich ist und ebenso die abgehenden Aeste). Das
Neurilem gibt am Gehirn und den Ganglien Scheidewände nach
innen ab , wodurch Abtheilungen entstehen , in denen die nervö-
sen Elemente verpackt sind. Bei den Arthropoden erscheint die
182
Vom Nervensystem der Wirbellosen.
Sonderling der Ganglien in einzelne Absclmitte schwächer ausge-
drückt, als z. B. an den Hirudineen. Noch schärfer wird die Tren-
nung bei den Gasteropoden, wo sich die Portionen des Ganglions bis
auf einen gewissen Grad isoliren , so dass sie nur wie durch Stiele
untereinander zusammenhängen, und das Nervencentrum nähert sich
dadurch in seinen Umrissen dem traubigen Aussehen. Bei Lymnaeus
z. B. besteht schon das Gehirn aus einer ziemhchen Anzahl einzelner
Ganglienportionen und bei Thetys stellt diess Organ geradezu eine
traubige Masse vor. — Bei sehr niedrig stehenden Thieren (Turbel-
Ganglien-
ku^eln,
Nerven-
fasern.
Ein Stück vom Gehirn der Thetys. (Starke Vergr.)
larien z. B., auch beim Regenwurm) scheint das Neurilem des Gehirns
und der Ganglien sich auf eine einfache Umhüllung , ohne Septen-
bildung, zu beschränken.
§. 173.
Die Nervencentren , (Gehirn und Ganglien) sind Aggregate von
Nervenzellen und fibrillärer N ervensubstanz, welch letz-
tere wie oben (s. Nervengewebe) erörtert wurde, auch einen mehr
ausgesprochenen Charakter wirklicher Fasern angenommen haben
kann. Die Ganglienzellen sind entweder ohne Fortsätze (apolar),
oder mit einem (unipolar), zweien (bipolar), oder selbst, jedoch sel-
ten, mit mehr als zwei Fortsätzen versehen (multipolar), wie solche
Meissner von Merrms , Hancok von Doris, Wedl von Nema-
toden abgebildet haben. Der Verlauf und Zusammenhang aller zelli-
gen und faserigen Elemente unter sich ist übrigens noch von keinem
einzigen Thier näher bekannt. Die unipolaren Ganglienkugeln im
Gehirn scheinen zum Theil ihre Ausläufer einander zur Verbindung
zuzusenden, wodurch jene faserigen Commissuren entstehen, wie man
sie bei Egeln (Piscicola z. B.), Mollusken sieht, welche die mit Gang-
lienzellen erfüllton Portionen des Nervencentrums brückenartig ver-
knüpfen. Ein anderer Thoil der unipolaren Zellen entsendet seine
fibrilläre Substanz sowohl in die unmittelbar vom Gehirn periphe-
risch sich verzweigenden Nerven, als auch in jene Stränge, w^elche
abermals auf zerstreute Ganglien (bei den IMolluskcn) oder auch
regelmässig geordnete Ganglien stosscn, wie bei Anneliden, Arthro-
poden. An den Ganglien des Bauchstranges vom Blutegel, welche
(
Faserverbnif.
183
hierauf ncimentlich geprüft wurden, ist es durch die Untersuchungen
von Will, H elmholtz, Bruch festgestellt, dass abermals unipolare
Ganglienzellen ihre nervösen Fortsätze peripherisch entsenden. Bruch
hat die Topographie der nervösen Elemente in folgender Art nälier
geschildert. Die Verbindungsstränge, welche vorn in das Ganglion
eintreten, gehen am hinteren Ende wieder heraus, ohne sich zu ver-
binden oder ihre Fasern auszutauschen. An der Eintrittsstelle so-
wohl, als beim Austritt findet sich eine Einschnürung an jedem
Strang, hervorgebracht durch die bindegewebigen Septen des Gang-
lions. Auch die Seitennerven zeigen diese Einschnürung an den
Austrittsstellen. Die Fasern der in das Ganglion eintretenden Ver-
bindungsstränge verlassen nicht alle wieder das Ganglion hinten, son-
dern ein Bündel derselben geht gleich nach dem Eintritt jederseits
zum vorderen, ein anderes zum hinteren Seitennerven. Zu den von
den Verbindungssträngen gelieferten Fasern gesellen sich nun neue
aus dem Ganglion stammende. Die Ganglienkugeln liegen wie im
Gehirn in bestimmten Gruppen beisammen und mischen ihre nervö-
sen Ausläufer den Seitennerven zu und zwar gehen namentlich die
oberflächlich und mehr peripherisch gelegenen der einen Seite in die
Fig. 93.
Fascrvciiaiif
bei E^eln,
Krusten-
thiercn etc.
S c h c Hl ;i z u 1- V e r s i n n 1 i c h 11 n g des iii u t h m a n s s 1 i c L c n F a s c r v e r 1 a u f e s im
Gehirn (A) und ersten Ba ucli ganglio n iVy) von Tiscicola.
184 Vom Nervensystem der Wirbellosen.
austretenden Seitennerven der anderen Seite über, so dass eine Durch-
krenzung der von beiden Seiten übertretenden Fasern in der Mitte
statt findet, während ein anderer Theil der mehr nach innen und
unten entspringenden Fortsätze sich nach abwärts schlägt, um mit
dem Verbindungsstrange ihrer Seite das Ganghon zu verlassen. Die
Fortsätze der beiden hinteren Gruppen der Ganglienkugeln schienen
schief nach innen und aufwärts gerichtet und es blieb zweifelhaft,
ob sie in die Seitennerven oder aufsteigend in die Verbindungsstränge
übergingen.
An den Seitennerven der Egel kommen noch kleinere gangliöse
Anschwellungen vor, in denen man anscheinend apolare Ganglien-
kugeln wahrnimmt, auch sonst sind da und dort einzelne Ganglien-
zellen in die Substanz der Seitennerven eingeschoben , von denen
Bruch solche mit doppeltem Faserursprung, einem centralen und
einem peripherisch verlaufenden, unterschied.
§. 174
In den Ganglien des Krebses ist der Faserverlauf nach Helm-
holtz etwas komplizirter. Von einem jeden Ganglion gehen mei-
stentheils an jeder Seite zwei Nervenäste aus und ebenso zwei Ver-
bindungsstränge vorn und hinten zu den benachbarten Ganglien.
Die Vertheilung der Nervenfibrillen , welche auf diese Weise mit
einem Ganglion in Verbindung treten, geschieht so: ein Theil der
Fasern der Verbindungsstränge geht fast gesondert (mit Ausnahme
einzelner Fasern, die hin und wieder in das Ganglion eintreten) von
den übrigen oberhalb aller Ganglien vorüber und kann daher, wie
früher schon Newport bei Ästacus marinus gezeigt hat, leicht abge-
trennt werden. Der übrig gebliebene Theil der Nervenverbindungs-
stränge lässt sich in zwei Partien scheiden, von welchen die untere
ganz in die Ganglien übergeht, die obere dagegen zum grössten Theil
vorbeizieht und nur wenige Fasern dem Ganglion abgiebt. Daher
die Nervenfibren allgemein in untere, in die Ganglion eintretende, und
in obere, vorbeiziehende, sich abtheilen lassen, so zwar, dass von der
letzteren eine Partie schon in den benachbarten Ganglien endet, der
am meisten oberflächlichste aber für die Verbindung fernstehender
Ganglien bestimmt ist. Aus den Verbindungssträngen gehen seit-
lich die Zweige für die Körpertheile ab. Helmholfz sieht in die-
ser Einrichtung des Ganglienstranges bei den Krebsen wesentlich
dasselbe, nur nach den Verhältnissen modifizirte Gesetz ausgeprägt,
welches auch bei den übrigen Wirbellosen sich zu erkennen gebe.
Ein jedes Ganglion ist mit den beiden benachbarten durch diejenigen
Fasern verbunden, welche aus ihm zu jenem und von jenem zu ihm
übergehen ; ausserdem verlaufen oberhalb der Ganglienkette diejeni-
gen Fasern, durch welche entfernter gelegene Ganglien in Verbin-
dung stehen und von denen immer einzelne Fasern zu den betref-
fenden Ganglien hinabsteigen.
Peripherische Nerven. 185
Den Faserverlaiif im Bauch werk der Myriapoden hat Newport
(1843) folgendermaassen beschrieben. Eine obere und eine untere,
der Länge nach verlaufende Partie, enthält getrennt von einander
die motorischen und sensiblen Nerven, eine dritte Partie besteht aus
transversalen Fasern, welche in den Ganglien von der einen Seite
quer nach der anderen herüberlaufen, eine vierte Partie von Fasern
gehe an den Seiten der Längskoramissuren von dem einen Gang-
lion zu dem nächstfolgenden. Jeder aus dem Bauchmarke sich ab-
zweigende peripherische Nerv besteht aus Fasern dieser vier Partien.
In der Voraussetzung, dass die neuesten Mittheilungen WedVs
über das Nervensystem der Nematoden auf richtigen Beobachtungen
beruhen, müssen sie als ein sehr wichtiger Beitrag zur histologischen
Kenntniss des Nervensystems der Evertebraten begrüsst werden. Ich
verweise bezüglich des Details auf die Abhandlung selbst in den
Sitzungsb. der Wiener Akad. 1855 und stelle das Resultat hieher.
Das Gehirn besteht aus einem Agglomerat von uni-, bi- und multi-
polaren Ganglienzellen, von denen die Nerven nach einer oder ver-
schiedenen Seiten ausstrahlen, auch das Schwanzganglion ist eine
Gruppe von Ganglienzellen mit seitlich ausstrahlenden Bündeln von
Nerven. Diese beiden Centralorgane des Nervensystems sind durch
Ganglienzellenketten, welche der Längenachse des "Wurms entlang
gelagert sind , mit einander verbunden. Sowohl das System von
Ganglienzellen, welches an der Rückenseite des Thieres , als jenes,
welches an der Bauchseite sich befindet, besteht aus mehrfachen
Längsreihen von Ganghenzellen. Jede oblonge Ganglienzelle der
beiden Stränge besitzt einen vorderen und hinteren Längsfortsatz,
der sich durch seine Kürze auszeichnet und stets nur dazu dient,
die vorderen mit den hinteren Zellen und umgekehrt, zu verbinden.
Die sich peripherisch verzweigenden Nerven der beiden Stränge
entspringen immer von der einen oder anderen (rechten oder linken)
Seite der Ganglienzellen oder von beiden Seiten und nehmen einen
zur Körperachse queren Verlauf; zuweilen beobachtet man einen que-
. ren oder schiefen, auf- oder absteigenden Verbindungsast zu einer nach-
barlichen, höher oder tiefer gelegenen Ganglienzelle. Die Nerven,
welche von Ganglienzellen von ungefähr derselben Horizontalebene
entspringen, associiren sich 2 — 4 zu einem Bündel.
§. 175.
An den peripherischen Nerven der Wirbellosen unterscheidet Periphen-
man wieder das bindege wöchige Neurilem und die Nervensubstanz,
letztere ist entweder mehr homogen und molekular, oder mehr von fase-
rigem Aussehen (vergl. oben Nervengewebe). Auch in die periphe-
rischen Nerven und namentlich gegen die Endverbreitung können
Ganglienkugeln eingeschoben sein, so z. B. in die Hautnerven von
Carinaria und anderer durchsichtiger Mollusca cejjhalophora , endlich
beobachtet man auch terminal aufsitzende Ganglienkugeln bei Arthro-
sehe Nerven.
186 Vom Nervensystem der Wirbellosen.
poden, Rotatorien u. a., wovon Näheres bei den Tastwerkzeugen. Nach
Faivre (Gaz. m^d. 1855. Nr. 50) sollen die Eingeweidenerven des
Blutegels meist in Ganglienzellen enden.
Während, soviel war wissen, bei den Wirbeltliieren allgemein die
Enden der Muskelnerven fein zugespitzt sich ausnehmen , hören bei
verschiedenen Wirbellosen {Eolidina, Anneliden, Ascariden, Mermis
und anderen Nematoden, nach Doyere, Quatrefages, Meissner^
Wedl die Muskelnerven bei ihrem Ansatz an die Muskelcyhnder
dreieckig verbreitert auf.
Noch sei bezüglich der Anhäufung gangliöser Elemente im Ver-
lauf der Nerven bemerkt , dass ähnlich wie bei Wirbelthieren, nament-
lich im Bereich des Sympathicus, den Nerven auf grössere Strecken
weit Ganglienkugeln beigegeben sein können, ohne dass sich eine solche
Stelle der gewöhnlichen Betrachtung, da eben der Nerv nicht ange-
schwollen erscheint, als Ganglion manifestirt. Man sieht dergleichen
Bildungen bequem z. B. an den Eingeweidenerven von Limax.
§. 176.
Ueber die Physiologie der Nerven im Reiche der Wirbellosen sind w^ir
noch mehr im Dunkeln als hinsichtlich der Physiologie des Nervensystemes
der Wirbelthiere. Man hat schon öfters das gesammte Nervensystem
der Evertebraten dem sympathischen System derWirbelthiere an die Seite
gesetzt, und es lässt sich nicht läugnen, dass vielfache Verglcichungs-
punkte sich darbieten und gegenwärtig um so mehr , als durch den
Nachweis multipolarer Ganglicnkugeln in den sympathischen Ganglien
der Wirbelthiere auch diesen eine gewisse Selbständigkeit als Ner-
vencentren zuerkannt werden muss. Es ist aber ein besonderer phy-
siologischer Charakter der Ganglien der Wirbellosen, dass sie in ihren
Wirkungen eine verhältnissmässig grosse Unabhängigkeit vom Gehirn
an den Tag legen, letzteres spielt gleichsam nur die Rolle des primus
inter pares. Das Seelenleben, die Anregung zur Bewegung, die Empfin-
dung sind über die einzelnen Ganglien verbreitet ; damit Hesse sich
eine Vorstellung gewinnen , warum manche Würmer ohne Lebens-
gefahr theilbar sind, ja schneiden wir selbst höhere Würmer, einen
Blutegel z. B. entzwei, so ist aus dem Benehmen der beiden Hälften klar
ersichtlich, dass im vorderen wie hinteren Stück noch Nervencentrcn
wirksam sind. Verstümmeln wir in ähnlicher Art höhere Arthropo-
den, so greifen dje Verletzungen viel heftiger und störender in die
Innervationserscheinungen ein, als bei den AVürmcrii. was wohl noth-
wendig in Beziehung steht mit der üeberordmnig des ersten Gang-
lions oder Gehirns über die anderen Ganglien ; das schärfer ausgespro-
chene Abhängigkeitsverhältniss , in welcluMu die einzelnen Ganglien
zum Gehirn stehen, scheint mir durch jene Fasern unterhalten zu
werden, welche wie 1)eim Krebs oberhalb aller Ganglien gesondert
verlaufen. Doch glaulje ich kaum erwähnen zu müssen, dass derglei-
chen Betiachtungen für nichts anderes gellen wollen , als bloss für
Physiologisches. 187
Versuche, sich die Lebenserscheinungen des Nervenniechanismns eini-
germaassen zurechtzulegen. Von Interesse ist die Mittheilung D uj ar-
din s, dass bei Insekten , deren Handlungen auf ein relativ sehr ent-
wickeltes Seelenleben schliessen lassen, bei der Biene z. B., das Ge-
hirn einen besonders entwickelten Theil hat, eine radial gestreifte
Scheibe nämlich, welche gleich einem Pilzhute dem oberen Schlund-
ganglion aufsitzt. (Ann. d. sc. n. 1850).
Vergl. Will, vorläufige Mittheil, über die Struktur der Ganglien und den
Ursprung der Nerven bei wirbellosen Thieren in Müll. Arch. 1844; A. Helmholtz,
de fabrica syst, nervös, evertebr. 1842, Auszug in Reichert's Jahresb. 1843'
Bruch, über das Nervensystem des Blutegels Zeitschr. f. w. Z. 1849.
Abbildungen über die Nervencentren mit Rücksicht auf histolog. Zusammen-
setzung gaben M. Schnitze von Opistomum pallidum in s. Beitr. z. Naturgesch.
d. Turbellarien, Taf. I Fig. 26, Meissner von Mermis Zeitschr. f. w. Z. 1854
Taf. XII Fig. 13 (eine ganz vorzügliche Zeichnung), Leydig von Fiscicola, Co-
rethra, Cossus und den Eotiferen in Zeitschr. f. w. Z. Bd. I, Bd. II, Bd. III. Bd. V,
Bd. VI (vom Weibchen der Notommata Sieboldii auf Taf. II).
Es verdient Beachtung, dass in den Nervencentren sehr häufig Ganglienkugeln
von zweierlei Art gesehen werden, die sich, wenn auch sonst nicht weiter, doch
durch ihre Grösse von einander unterscheiden , bei manchen Hirudineen {Fiscicola,
Sanguisnga, Haemopis) besitzt die grosse Art selbst einen eigenthümlichen, gelb-
lich-krümlichen Inhalt. Letztere scheinen mir immer apolar zu sein, auch Bruch
sagt ausdrücklich von den grossen Ganglienkugeln, dass sie ohne Fortsatz seien,
nicht minder unterscheidet G egenhaur am Gehirn von Cymbulia, Fneumodermon,
Atlanta unipolare Zellen und runde oder ovale ohne Fortsätze, allein es scheint
mir in dieser Frage eine Nachprüfung nicht überflüssig, ich glaube wenigstens nach
neueren Erfahrungen auch die bisher als apolar bezeichneten grossen Ganglienku-
geln in den Bauchganglien des medizinischen Blutegels den unipolaren einreihen zu
müssen, so dass demnach die Existenz apolarer Ganglienzellen auch für die Wirbel-
losen zweifelhaft wird. An Mermis verwarf übrigens schon i/e issner die apolaren
Zellen, sie waren alle mit Fortsätzen versehen !
Den Ursprung der fasrigen Elemente des Nervensystems von den Ganglien-
kugeln vermag man bei Wirbellosen verhältnissmässig leicht zu sehen, ich mache
in dieser Beziehung noch auf den Chaetogaster aufmerksam, bei dem in hübscher
Weise den aus dem Ganglion ausgetretenen Nerven noch einzelne Ganglienzellen
stielförmig aufsitzen, d. h. ihren Fortsatz den Nerven beimischen. Der Verfolgung
des weiteren Faserverlaufes stellen sich aber noch grössere Schwierigkeiten, als bei
den Wirbelthieren dadurch in den Weg, dass die Sonderung der Nervensubstanz
in faserige Elemente oft gar so gering ist und man desshalb eigentlich nur von
Zügen fibrillärer Substanz, die von den Ganglienzellen ausgehen, sprechen kann.
Wie ich mir den Faserverlauf nach einzelnen, mitunter freilich sehr abgerissenen
Beobachtungen construiren möchte, erhellt aus dem beigegebenen Schema.
Bei dem noch fortdauernden Zwiste über die Natur der Corpora amylacea
im Gehirn des Menschen darf darauf zurückgewiesen werden, dass W. Zenker
in den Ganglien, der Pycnogoniden Körper mit concentrischer Streifung gesehen
hat, die er den Corpusculis amylaceis vergleicht, doch sind sie von gleicher, licht-
brechender Beschaffenheit, wie die übrige Ganglienmasse. (Müll. Arch. 1852). —
Eine nähere Untersuchung erfordern noch die schon öfter beschriebenen Bewe-
gungen des Nervenstranges bei den Hirudineen. An Fiscicola meine ich nach
früheren Aufzeichnungen zwischen dem 2. und 3. und 3. und 4. Ganglion Muskeln
„zwischen innerer und äusserer Nervenscheide" gesehen zu haben , beim Studium
188
Von den Nebennieren.
der leibenden Nephelis zeigte sich, dass der Bauchstrang im Bauchgefäss liege und
bei dessen Contraktion sich bewegt, selbst die Ganglien werden jedesmal etwas
zusammengepresst. Das Fussganglion besonders sieht man innerhalb des Gefässes
hin und her geschoben werden. Auch die fünf Aeste , welche jederseits von ihm
abgehen , liegen noch eine Strecke weit in Gefässen , aber unklar blieb , wie sie
herauskamen.
Zwölfter Abschnitt.
Von den Nebennieren.
§. 177.
Diese Organe, welche .gewöhnlich als sog. Blutgefdssdrüsen auf-
gefasst wurden, müssen in Anbetracht der durch neuere Forschun-
gen ermittelten Thatsachen unmittelbar dem Nervensystem angereiht
w^erden.
Die Nebennieren des Menschen, Säuger (u. Vögel?) zeigen auf
dem Durchschnitt für das freie Auge eine Scheidung in eine gelbliche
Rindensubstanz und in eine grauröthliche Marksubstanz. Sie haben ein
bindegcAvebiges Gerüst, welches an der Peripherie des Organs eine
Hülle bildet , darauf innerhalb der Rindensubstanz Fächer erzeugt, die
unter sich parallel gegen das Mark verlaufen und durch zahlreiche quere
Scheidewände in kleinere Räume abgetheilt werden. Im Mark strahlt
das Bindegewebe aus einander und stellt durch Verflechtung ein eng-
maschiges Netzwerk her.
Fig. 94.
5
|iß|3-'' -'■ '\)0:^^:
Schnitt durch einen Tlieil der Nebenniere des Kalbes.
A Rindensubstanz, B Marksubstanz. (Starke Vergr.)
Wirbelthiere. 189
In den Fächern und Maschen der Rinde und des Markes Hegen
die zelligen TheiFe. In der Rinde haben die Zellen einen körni-
gen oft fetttropfigen Inhalt und da sie , dicht an einander gedrängt,
die kanalartigen Fächer des bindegewebigen Gerüstes ausfüllen , so ge-
währen sie in ihrer Gesanimtheit auch wohl das Bild von cylindrischen
oder oviflen Zellenmassen. Die Farbe der Rinde wird um so gelber,
je grösser der Fettgehalt der Zellen ist. Die Zellen, welche sammt
einer blassen molekularen Substanz in die Maschen des Marks ein-
gebettet sind, haben eine unregelmässige Form und ei'innern durch
ihre selbst verästelten Ausläufer lebhaft an die Ganglienkugeln des
Geliirns und Rückenmarkes und müssen auch wohl zu den Nerven-
zellen gestellt werden.
Die Blutgefässe halten sich, wie immer, an die Bindegewebs-
züge im Organ; die feinere Verzweigung geschieht daher in den
senkrechten Septen der Rinde unter der Bildung von länglichen, im
Mark von mehr rundlichen Maschen. In der Mitte der Marksub-
stanz vereinigen sich die venösen Aestchen zu einem beträchtlichen
Venenstamm, dem dann die ganze Nebenniere wie auf einem Stiel
aufsitzt. Die Nerven der Nebennieren sind ungemein zahlreich,
indem eine Menge von Stämmchen sich in dieselben einsenken, die
Rindensubstanz durchsetzen und im Mark sich entfalten. Da nun diese
im Mark sich verbreitenden Nerven nicht mehr aus demselben heraus-
treten und da ferner, wie vorhin bemerkt, die zelligen Elemente
des Marks die Natur von multipolaren Ganglienzellen an den Tag
legen, so darf man vermuthen, dass die Nervenfasern aus den Gang-
lienkugeln zum Theil entspringen und somit, dass das Mark der
Nebennieren wie ein gangliöses Nervencentrum Avirkt. Natürlich kann
nur von der spezifisch nervösen Natur des Marks die Rede sein,
während die meist fetthaltige Rinde mit einer anderen Funktion betraut
sein mag.
§. 178.
Bei Fischen und Reptilien springt die innige Beziehung, in
welcher die Nebennieren zum Nervensystem stehen, auch schon äusser-
lich sehr in die Augen, indem hier diese Organe unmittelbar Ab-
schnitte der sympathischen Ganglien darstellen. Uebrigens zeigt sich
an den Nebennieren aller W^irbelthiere, bei Säugern, (Vögeln?), Fi-
schen und Reptilien die Scheidung in fetthaltige Partien und in Por-
tionen mit fettlosen Ganglieukugeln, die sich von gewöhnlichen Gang-
henzellen durch einen eigenthümlichen schmutzig gelben, in Essigsäure
sich entfärbenden Inhalt unterscheiden. In der äusseren Erscheinung
herrscht zwischen den Nebennieren verschiedener Wirbelthiere nur
der Unterschied, dass beim Menschen, den Säugern (und Vögeln?) das
besagte Organ eine einzige Masse bildet, hhigegen bei Selachiern,
Ganoiden und Reptilien den einzelnen Ganglien des Sympathicus Pur-
tionen von Nebennieren angeschlossen sind oder sich vielmehr als
190
Voii den Nebenniereu.
integrirende Abschnitte derselben beurkunden. Diese Abschnitte der sym-
pathischen GangHen entsprechen der Marksubstanz der menschlichen
und Süugethiernebenniere; das Analogen der Rindensubstanz aber
erscheint bei Fischen und Reptilien in inniger Relation zum Gefäss-
systenij indem dergleichen Partiezi den Blutgefässen angeheftet sind.
Fis. 9ä.
"V^^^'
O.eOTI.sr.
X.A.,,W.PS"i/10K " ' "
Nebenniere (sog. Axillarherz) des Zitterrochen.
B (janglinii des Sympathicus, C Nebennierenmasse, welche der Marksubstanz bei
.Siuigem entspricht, D Nebennierenmasse, welche das Aequivalent der IJinden-
siibstaiiz ist; das helle Rohr, welchem B, C, D aufsitzen, ist die AxillararterlL'.
(Starke Vergr.)
§•
179.
Ol) man ^vohl auch bei Wirbellosen Aequivalente der Neben-
iiicicii wird nachzuweisen im Stande sein? — Man möge mir gestatten,
in dieser ß(^zichung eine Vernuithung zu äussern. Ks sind bei ver-
schiedenen Wirbellosen am Nervensystem Zellen beobachtet worden,
die M-n den gewöhnlichen GanglieidvUgeln differirten. So habe ich
Wirbellose.
191
schon früher von Paludina vivipara niitgetheilt, class an den vegetati-
ven Nerven „eigenthümliche Zellen vorkommen, die vielleicht Gang-
lienkugeln eigener Art sind: sie sind gelblich, haben im Innern ver-
schiedene Bläschen und stehen in keinem direkten Zusammenhang mit
pen Nervenprimitivfasern.'^ Auch an den Ganglien von Pontohdella verru-
cosa machten sich besondere Zellen mit gelbkörnigem Inhalt auffällig
(vergl. die beistehende Abbildung). Sehr bemerkenswerth sind in
dieser Beziehung Angaben, welche wir Meissner über die Histolo-
gie des Nervensystems der Mermis verdanken. Er beschreibt Grup-
pen von Zellen, die zum grossen Theil anatomisch eng verbunden
mit dem peripherischen Nervensystem sich finden. Ihr Inhalt sind
gröbere und feinere Körnchen, die das Licht stark brechen, „wahr-
scheinlich Fetttropfen." Die Zellen bilden constant eine Doppel-
reihe zu den Seiten der drei Körpernervenstämme, avo sie ganz fest
angeheftet sind. Meissner giebt noch nähere Aufschlüsse und sagt
dann: „man könnte daran denken, diese Zellen für Ganglienzellen
zu halten'", jedoch erscheint es ihm angeznessener, sie „im Zusammen-
hange mit vegetativen Funktionen zu vermuthen, in ihnen Träger
und Vermittler des Stoffwechsels zu sehen." Meine Meinung bezüg-
lich dieser Zellen von unbekannter Bedeutung an Paludina^ Pontoh-
della^ Mermis (und wahrscheinlich wird ein näheres Nachsehen die
Zahl der Beispiele sehr vermehren) gfeht dahin, sie als Analoga der
Nebennieren vorläufig zu betrachten.
Fig. 96.
iiilfillillii'iliP'il:
Ganglion von Pontobdella verrucosa. (Starke Vergr.)
a die gewöhnlichen Ganglienzellen, b die Zellen, welche ich für Analoga der Neben-
nieren ansprechen möchte (sind leider im Schnitt gar nicht correct ausgefallen).
■|92 Von den Tastwerkzeugen des Menschen.
Näheres über die Nebennieren der Chimaera in m. Aufs, in Müll. Arch. 1851
(z. Anat. u. Histolog. d. Chimaera monstr.); über die von Torpedo, Scyllium, Scymnus,
Mustelus etc. in m. Beitr. z. Anat. u. Entw. d. Rochen und Haie S. 15, (die fälsch-
lich sog. Axillarherzen der Chimären und Zitterrochen sind Nebennieren). Die-
selben Organe des Salamanders, Proteus, der Eidechse sind nach Lage und Bau
beschrieben in m. Unters, über Fische und Eeijtilieu S. 101.
Bergmann, welcher zuerst die Aufmerksamkeit auf den grossen Nervenreich-
thum der Nebennieren gelenkt hat, brachte bereits im Jahre 1839 besagte Organe
mit dem Nervensystem in Beziehung. Die Arbeit Eckerts über den feineren Bau
der Nebennieren 1846 machte eine andere Auffassung geltend, sie redete aus-
schliesslich der eigentlich sekretorischen Thätigkeit das Wort. Durch meine
Wahrnehmungen an Fischen und Amphibien wurde gezeigt, dass die Nebennieren
wirkliche Abschnitte der sympathischen Granglien vorstellen oder direkt in sie über-
gehen, und die Bergmännische, Ansicht erhielt dadurch eine neue Begründung,
und es hat somit die vergleichende Anatomie hier mitgeholfen, die Anatomie der
menschlichen Nebenniere ins wahre Licht zu setzen. Auch hat, was mir bei
meinen früheren Arbeiten unbekannt war, Bemah bereits im Jahre 1847 auf
embryologischem Wege ermittelt , dass die Nebennieren in Beziehung zu den sym-
pathischen Granglien stehen (über ein selbständiges Darmnervensyst.). Nach ihm
verdienen die Nebennieren den Namen Nervendrüsen.
Dreizehnter Abschnitt.
Von den Tastwerkzeugen des Menschen.
§. 180.
Ausser den bereits oben (s. Lederliaut) gekennzeichneten Tcast-
körp ereil en der Hautpapillen stelle ich auch aus Mangel einer
i'acini'»che bcsseren physiologischen Einsicht die s. g. Pacinischen Körper-
Kürperchen. ^|-^gj^ hierlicr. Slc finden sich namentlich an den feineren Aesten der
Nerven, welche von der Hohlhand und Fusssohle zu der Haut der
Finger und Zehen gehen. Einzeln kommen sie au an sympathischen
und anderen Nerven vor. Es bestehen diese Gebilde aus einer An-
zahl concentrisch ineinander geschachtelter bindegewebiger Kapseln,
von denen die inneren dichter aneinander gelagert sind, als die äusseren.
Zu innerst liegt ein cylindrischcr Strang von fein granulärer homogener
Beschaffenheit, durch dessen Achse ein feiner Kanal läuft. Der Strang
scheint das verdickte Ende einer Nervenfaser zu sein, welche
in das Pacinische Körperchen hereingetreten ist und nachdem sie die
doppelten (Konturen, d. i, die Markscheide, verloren hat, in den Central-
strang des Pacinischen Körperchens anschwillt. Zunächst um das ver-
dickte Nervenende herum finden sich zahlreiche Kerne , und die
homogenen Kapsellamellen zeigen ebenfalls kernartige Flecken , die
Pacini'sclie Körpercheii.
193
nach Behandlung- mit Kalilauge das Aussehen von Lücken annehmen.
In den Kapseln verzweigen sich auch Blutgefässe.
Fig. 97.
-d
Pacini'sches Körjierchen vom Menschen. (Starke Vergr.)
a Stiel, b die eintretende Nervenfaser, c die Kapselsysteme, d der Centralstrang
(angeschwollenes Ende der Nervenfaser) , e innerer Kanal desselben.
Die eben genannten Organe wurden schon in der ersten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts in einer Wittenberger Dissertation, die unter den Auspicien von
Abraham Vater erschien, als Papulae nerveae beschrieben. Später wurden sie
vergessen und zum zweitenmal entdeckt von Facitii 1831. Unabhängig davon
wurden auch die Gebilde in Paris 1833 von Aiidr al, Camus und Lacroix be-
merkt, aber kaum besonders gewürdigt, da man sie nicht für wesentliche Theile
des Nervensystems anerkennen wollte. — Die obige Schilderung stimmt nicht ganz
mit der gewöhnlichen Auffassung; was ich centralen Cylinder nannte, wird von
Andern für einen centralen Hohlraiun erklärt, in dem erst die feine Nervenfaser
(von mir als feiner Kanal im Centralstrang aufgefasst) verlaufe. Uebrigens habe
ich jüngst noch an den Pacinischen Körperchen aus den Fingerspitzen der Leiche
eines Kindes, wo sie auffallend gut erhalten waren , mit Sicherheit gesehen , dass
der angebliche Centralraum ein wirklich solider Strang ist und die angeblich feine
Nervenfaser in ihm legitimirte sich bei Zusatz von Kalilauge als Kanal dadurch,
dass vom dunkelrandigen Nerven aus beim Beginn der Kaliwirkung eine krüm-
lich-kürnige Substanz nach seiner ganzen Länge in ihm fortfloss. Jedoch muss
zugestanden werden , dass die Wand d s Kanales von der Substanz des Achsen-
Leydig, Histologie. j^3
194 Von den Tastwerkzeugen der Wirb eltliiere.
Stranges sich melir differenzirt hat und daher selbständiger ist, als an den Pacini-
schen Körperchen der Vögel, wo die Bildung dieser Organe auf demselben Prin-
cip — Umhüllung eines verdickten Nervenendes mit Bindegewebe — beruht. Zu
Gunsten meiner Ansicht lässt sich vielleicht auch das deuten, was Strahl (Müll.
Arch. 1848) über die Pacinischen Körperchen der Säuger mittheilt. Dieser Autor
meldet , dass wenn man unter dem Mikroskop alle Kapseln eröffnet und von dem
mattgrauen Centralfaden abstreift, so bekomme letzterer doppelte Conturen und zeige
die gewöhnlichen Veränderungen einer breiten Nervenfaser.
körperclien
Vierzelmter Abschnitt.
Von den Tastwerkzeugen der Wirbelthiere.
§. 182.
Tast- Den Corpuscula tactus des Menschen äquivalente Gebilde kennt
man, wie schon früher erwähnt, nur aus der Hand der Affen durch
Meissner und den Zungenpapillen des Elephanten durch Corti.
Bezüglich der AfFen ist es eine alte Erfahrung , dass sie in ihren
Fingerspitzen ein fast ebenso feines Gefühl haben , als der Mensch.
Beim Elephanten besitzen die Papillen mit Gefässschlingen nichts von
Tastkörjserchen und umgekehrt ; die Tastkörperchen sind oval , wie
aufgeblasen, die durch den Stiel eintretende Nervenfaser verliert ihre
doppelten Conturen und läuft als einfach conturirte Faser durch die
Achse des Körperchens, was ihnen eine ziemliche Aehnlichkeit mit den
Pacinischen Körperchen verleiht.
Bei den Vögeln weiss man noch nichts von Tastkörperclicn.
Zwar hat Berlin aus den Papillen des Schlundes Tastkörperchen
beschrieben, die ohne Nerven sein sollen, bei welcher Angabe doch
wahrscheinlich eine Täuschung untergelaufen sein dürfte. Der Schlund
majK'her Vögel, wie von der Taube, dem Reiher u. a., hat gar keine
wirklichen Papillen, sondern nur (bei der Taube) ganz niedrige Höcker-
chcii, welche den Gipfel einer Gefässschlinge aufnehmen^ aber keine
Spur von einem Tastkörperchen zeigen, auch selbst dann nicht, wenn
in anderen Arten, Gans z. B., die Schleimhaut des Schlundes sich in
lange und schmale Papillen erhebt.
Unter den Amphibien (s. oben Lederhaut) beobachtet man beim
männljchen Frosch in den Papillen, in welche das Corium an der
s. g. Daumendrüse .-lusgeht, nervöse Bildungen, die ganz entschieden
an die Tastkörperchen sich anschliessen, indem die Nervenfaser der
Papille am Ende einen zierlichen Knäuel formt, der als centraler
Kern der Papille sich bemerklich nuicht. INipillcn mit solchen Nerven-
glomerulis entbehren daim der Blutgefässschlingcn.
Pacini'sche Körperchen.
195
§. 183.
Paciiiisclie Körperchen sind bei vielen Säugethieren auf- Pacim'sohe
gefunden worden : bei Affen, Fleischfressern, Nagern, Vielhufern, Ein-
hufern, Wiederkäuern an den Extremitäten, auch bei den Katzen im
Gekröse des Darms. Sie gleichen im Wesentlichen des Baues denen
des Menschen, da sie aus homogenen, mit Kernen versehenen bindege-
webigen Kapseln bestehen , zwischen denen Flüssigkeit enthalten ist :
Die s. g. centrale Höhle ist ein solider blass granulärer Strang, der
das verdickte Nervenende repräsentirt und nach seiner Länge von
einem feinen Kanal durchzogen ist.
Fig. 98.
Pacini'sches Körperchen der Feldmaus,
a Nervenfaser, b der Centralcylinder mit dem linearen Hohlraum, c die Kapsel-
systeme. (Der Buchstabe c ist im Holzschnitt vergessen worden.)
Die Pacinischen Körperchen der Vögel hingegen differiren in
Nebendingen von denen der Säuger. Der bedeutsamste Theil ist das
cylindrisch verdickte Ende einer Nervenfibrille, das den Centralstrang
bildet, in dessen Innerem sich ein heller Streifen mit einem kugeligen
Ende zeigt , welche beide den Eindruck eines mit klarem Fluidum
angefüllten Hohlraumes machen. Dieser Nervenkolben ist umwickelt
von eigenthümlichen feinen Fäserchen, wahrscheinlich dem Bindegewebe
zugehörig , welche den Pacinischen Körpern der Vögel ein bräun- ,
liches Aussehen giebt. Zu äusserst kommt eine ordinär binde-
gewebige Kapsel, welche zur Abgrenzung des ganzen Organes dient
und geraden Weges sich aus dem Neurilem der eintretenden Nerven-
faser hervorgebildet hat. Sie trägt auch die Blutgefässe.
Bei vielen Wasservögeln wird der Schnabel besonders mit zum
Tasten gebraucht; in diesem Falle (z. B. bei Enten, Gänsen) erscheinen
die Knochen des Schnabels sehr gefässreich und porös. In der die
Knochen überziehenden, derben, bindegewebigen Haut breiten sich die
zahlreichen Nerven aus, welche, vom Nervus trigeminus abstammend,
den Schnabel versorgen und deren Primitivfasern mit ihrem Ende
zahlreiche Pacinische Köi'perchen bilden. Die Haut erhebt sich ferner
196
Von den Tastwerkzeugen der Wirbeltbiere.
Pacini'sches Kürperclien der Taube. (Starke Vergr.)
Der Fokus ist auf den Längenschnitt eingestellt , a das Neurileni der Nervenfaser,
b die eintretende Nervenfaser, c die Kapsel des Körperchens, d die eigeuthümlichen
Fasern, welche den Centralcylinder umwickeln, e der centrale Cylinder mit seinem
inneren Hohlgang.
in Papillen, die besonders an der Spitze des Schnabels von ausnelimen-
der Länge sind ; jede der Papillen hat ausser den Blutgefässen und
Nerven auch Pacinische Körperchen, welche sich von denen in der
Haut selber liegenden dadurch unterscheiden, dass sie kleiner und
^ mehr hell als bräunlich sind.
Uebcr die Pacinischen Körperchen der \'ögel vergl. Herbst in d. Götting. gel.
Anz. 1848 Nr. Iß.'?, 164, Will, in d. Sitzb. d. k. Akademie in Wien 1850 S. 213,
Theilungen des nervösen Centralstranges scheinen sehr selten zu sein; Will sah
drei solche Fälle, während mir l'rüher (Zeitschr. f. w. Z. 1854) nichts Aehnliches
aufsticss: jüngst jedoch fand ich l)ei der Bachstelze ( Motacilla alba) in dem liaume
zwischen Tibia und Fibula Pacinisclie Körperchen , deren Nervenkolben nach dem
l'>nde hin g(!gab(^lt war, was natürlich auf die ganze Gestalt des Körperchens einen
Einfluss ausüben muss , es wird dadurch mehr birnförmig. — Ueber die Tastkör-
perchen des Frosches: Leydifj in Müll. Anii. 1856. ^
Die; Haut ilvv Fische besitzt eine ganze Reihe merkwürdiger
Plldungen, die, insolang(! keine weiteren physiologischen Aufschlüsse
gewonnen werden , bei den Tastwerkzcugen untergebracht werden
I
iL» '>.' /i
niüsscMi. IJici her u'cJiru'cn erstens die von niirbecher
"r> rni ige Organe
,Schleiniappara.te" der Fische.
197
genannten Körper, welche in die Oberhaut vieler unserer Süsswasser-
fische eingebettet sind. Die Lederhaut erhebt sich in meist stattliche
Papillen, in M'elche immer Nerven eintreten und in die Höhe bis zum
Ende der Papillen aufsteigen, das Ende der Papillen erscheint leicht
ausgehöhlt und darin ruht das becherförmige Organ. Letzteres besteht
aus verlängerten Zellen, die mit muskulösen Faserzellen eine gewisse
Aehnllchkeit haben, auch weisen einige Beobachtungen darauf hin, dass
ihnen Contractilität zukomme. Die Zellen , welche die Wand des
Bechers bilden, greifen am Grund des Bechers zwischen die Zacken
des Papillenrandes ein, ohne übrigens von einer das ganze Organ
umschliessenden Membran zusammengehalten zu werden.
Fig. 100.
a Papille von der Lippe des Leu eise us Dobula, b Capillargefässe, c Nerven,
d das becherförmige Organ, e eine isolirte Faser aus der Wand des Bechers.
(Starke Vergr.)
§. 184.
Eine zweite Gruppe eigenthümlicher Organe in der Haut der
Fische wurde früher als „schleimabsondernder Apparat" angesehen,
was entschieden unrichtig ist, da sie nach dem histologischen Befmid
als .spezitisch nervöse Bildungen aufgefasst werden müssen , und man
nur darüber im Zweifel sein kann, ob sie in Anbetracht ilires Baues
eher den Sinneswerkzeugen oder den elektrischen Organen beige-
ordnet werden sollen. Fragliche Bildungen treten unter folgenden
Formen auf:
a) als kurze, nach aussen mündende Säcke: dergleichen
finden sich beim Stör, bei Myxinoiden. Beim Stör gehören sie nur der
Haut des Kopfes an und sind von verschiedener Grösse; die Wand der
Sog. Scljleiiu-
iibh'uidcrn
der
Ai'i'nr.it
Sclilfiin-
päcke.
198
Von den Tastwerkzeiigen dei" Wirbelthiere.
Säcke ist die Begrenzungsscliicht des Bindegewebes , welches, vielfach
von Gallerte durchsetzt, unter der Haut sich findet. Die Säckchen
stehen truppweise und für je einen solchen Haufen ist ein einziges allen
zugehöriges Nervenstämmchen bestimmt. Aehnliche Säckchen scheinen
auch am Kopf von Petromyzon vorzukommen. Die Myxinoiden
haben die Säckchen nur zur Seite des Rumpfes, und jeder Sack ist
nach Joh. Müller von eigener muskulöser Haut umgeben. Von
ganz besonderem Interesse ist der Inhalt der Säcke; Joh. Müller
fand darin ovale Körper, welche aus einem, in unzähligen Windungen
aufgewickelten Faden zusammengesetzt sind; die Materie, woraus dieser
Faden besteht, heftet sich sehr leicht an alle Körper, die damit in Be-
rührung kommen, an, worauf sich die Körperchen zu langen, klebrigen
Fäden abwickeln. Wenn man eine lebende Myxine anfasst oder durch
Fig. 101.
<» Schleimsäckchengruppe vom Stör. (Geringe Vergr.)
a der Nerv.
die Hände durchgehen lässt, so sind die Hände bald über und über
von diesen klebrigen Fäden umsponnen. Diese Mittheilungen von
Joh. Müller weisen auf eine so aparte Organisation der „Schleini-
säcke" hin, dass man den lebhaften Wunsch nach einer Wieder-
aufnahme der Untersuchungen an frischen Thieren nicht unterdrücken
kann. Mir war es nur vergönnt, an einer seit vielen Jahren in Wein-
geist aufbewahrten und schon sehr hart gewordenen Miixinc den Inhalt
einiger Säcke einer Prüfung zu unterwerfen. Die ovalen Körper
bilden den eigentlichen Inhalt des Sackes, indem sie zu Hunderten
ihn ausfüllen ; sie waren mit freiem Auge als wcissliche, punktgrosse
Körper zu unterscheiden, und mikroskopisch erschienen sie in eine
granulirte Masse eingebettet, die im Leben wahrscheinlich gallertiger
Natur ist. Die Masse ist durchsetzt nn't Faserfragmenten. Die ovalen,
etwas birnförmigen Körper selbst waren dunkel bei (hirohgchendem,
weissgelb bei auftallendem Licht, und die Achse noch dunkler, als
die Peripherie. Kalilauge hellte sie auf und jetzt ei'innerten sie lebhaft
an — Tastkörperchen. Sie machten den Eindruck , als ob sie aus
„Schleimapparate" der Fische. 199
einem in viclfaclier, aber bestimmter Weise gewundenen Faden be-
ständen. Man unterscheidet am stumpfen Pol eine kleine, nach aussen
mündende Höhle, um sie herum führen die Touren nach der Länge
des ganzen Körperchens , bis sie auf solche Art gleichsam einen
Kern gebildet haben, um welchen dann in Cirkeltouren eine Schale
Fig. 102.
Körperchen aus einem Schleimsack von Myxine glutinosa (Starke Vergr.)
a Nervenfaden (?).
sich legt. Was bedeutet das Körperchen? Man wird mir es zu Gute
halten, wenn ich in Berücksichtigung der histologischen Verhältnisse des
„Schleimkanalsystems" der übrigen Fische in dem Faden , der sich
zum Körperchen aufwickelt, einen Nervenfaden -wittern möchte, und
sollte sich diese Vermuthung bestätigen, so wären die „Schleimsäcke"
der Myxinoiden aus ihrer exceptionellen Stellung gerückt und die
Aussicht auf weitere Forschungen eröffnet; doch kann die Bemerkung
nicht unterlassen werden , dass die Conturen des die Körperchen
bildenden Fadens eine noch viel grössere Aehnlichkeit mit dem frischen
Byssusfaden haben, wie ihn die aus den Kiemen genommenen Embryo-
nen von Anodonta anatina mir darbieten. — Der in Rede stehende
Apparat erscheint '^
b) unter der Form verzweigter Röhren, welche in oder seuenkanai-
^"^ SV stein«
unter der Haut liegen. Sie setzen das s. g. Seitenkanalsystem
zusammen, das mit seinen Bahnen in bestimmten Linien auch den Kopf -
überzieht. Die Wand des Seitcnkanalsystems , welche sich wohl
überall (sehr deutlich z. B. am Kopf von Raja clavata und Hexanchus
griseus) in die eigentliche, mehr zarte Wand und in ein festes Um-
hüllungsrohr scheidet, gehört zur Bindesubstanz und zeigt die ver-
schiedenen Modificationen derselben ; einfach bindegewebig bei Rochen
und Haien, wird sie bei manchen Arten so dick und fest, dass sie
(wie es z. B. am Seitenkanal von Hexanchus gi-iseus und SpJiyrna der
Fall ist) sich wie Knorpel schneidet und auch, im Weingeist aufbe-
wahrt, durch gelbliche Farbe von der weissbleibenden fibrösen Um- ;|^
gebung absticht. Der Knorpel hat die Struktur des Faserknorpels
(netzfaserige Grundsubstanz mit rundlichen Zellen), nach aussen geht
er über in gewöhnliches Bindegewebe mit elastischen Fasern. Bei
anderen Arten ossificirt ein Theil der Wandungen zu Halbkanälen oder
auch vollständigen Röhren (beim Stör, vielen Teleostiern) ; die knöcher-
%
200
Von den Tastwerkzeiigen der Wirbelthiere.
P^ig. 103.
■^^igL**-
I u. II Der Kopf der Chim.iera monstrosa von oben und von unten (ver-
kleinert), um den Verlauf des Seitenkanalsystems a zu zeigen, die Zahl-
zeichen Löcher b dazwischen sind die Ausmündungen der Gallertröhren.
III u. IV Ein Embryo von Spinax Acanthias (natürliche Grosse), um den
Verlauf des Seitenkanalsystemcs am Kopf darzustellen : a die eigcnthüm-
liche Figur, welche an der Unterfläche der Schnauze zu Wege kommt,
b von der Oberseite des Kopfes.
nen Grundlagen des Seitenkanals sind bei Grätlienfischen häufig' den
Scluippen der Seitenlinie aufgesetzt (beim Spiegelkarpfen, der Schleie,
Barbe zeigen die Halbkanäle schöne, strahlige Knochenkörperchen),
am Kopf verschmelzen sie nicht selten mit anderen llautknochen. Sehr
zierliche knöcherne Stützen haben die „SchhMmkanäle" bei Chimaera:,
sie bilden hier, im Allgemeinen gesngt, Ilalbringe, welche, gleich den
Knorpclringen der Luftröhre, dicht hintereinander liegen. Da, wo sie
den JBoden des Schleindvanals umgeben, sind sie am breitesten, die
Schenkel verschmächtigen sich dann, und indem sie sich theilen und
wieder theilen, bilden sie ein J^äumchen, dessen Aeste ebenfalls sich
gabeln und zuletzt abgerundet enden. In den Schleindvanälen des
Kopfes und zwar an den Stellen, wo sie die löcherförmigen Erweite-
„Sclileimapparate" der Fische.
201
Fig. 104.
Kopf eines Kaulbarsches, einmal vergrössert.
Die punktirten Linien bezeichnen den Verlauf der Schleimkanäle, in denen man
nach abgezogener äusserer Haut die Nervenknöpfe a sieht.
Fig. 105.
ABS« .
d-'
1|ini"lr
X«,,.WP?Mfli»DRST
Ein Nervenknopf vom Kaulbarsch. (Starke Vergr.) ♦
a der Nerv, b die Entfaltung desselben zum Nervenknopf, c das Epithel desselben,
d der epitheliale Ueberzug des Schleimkanales.
202 Von den Tastwerkzeugen der Wirbelthiere.
rungen umspannen, sind sie am grössten, kleiner in der Seitenlinie
selber, doch fehlen sie nirgends und in keiner Verzweigung. Die sie
bildende Knochensubstanz ist homogen und es finden sich in ihr nur
stellenweise grössere ovale , den Knochenkörperchen vergleichbare
Hohlräume.
Die eigentliche Membran des „Schleimkanales", welche
immer bindegewebig bleibt, zeigt entweder eine glatte Innenfläche,
oder sie erhebt sich, was seltener ist, in Papillen (warzenförmige, ein-
oder mehrspitzige an den Schleimkanälen des Kopfes bei Raja clavata,
verschieden lange kolbige, die grösseren mit Blutgefässschlingen bei
Hexanclms griseus), häufig ist sie pigmentirt (stark schwarz bei Sphyrna,
silberfarben bei Leindoleprus etc.).
Das Epithel, welches die Innenfläche deckt, hat manches Eigen-
thümliche; bei den Gräthenfischen wird es zusammengesetzt aus ge-
wöhnlichen plattrundlichen Zellen und zweitens aus grossen zwischen
sie eingeschobenen Schleimzellen (von derselben Art, wie sie in der
Epidermis vorkommen). Bei Glmnaera sind die Epithelzellen rundlich,
zart und mit fein körnigem Inhalt erfüllt, bei Hexanclms griseus sehr
hell und endigen streckenweise, auch wo sie die Zotten überziehen,
in lichte, stachelförmige Eortätze, welche frei hervorstehen.
Fig. lOG.
. • ^^} ^ 1
Epithel des Seitenkancalsystemes. (Starke Vergr.)
Das obere ist von Umbrina cirrhosa, man siebt die Scbleimzellen zwischen den
gewöhnlichen Zellen; das untere, stachelige gehört dem Hexanchus griseus an.
Der wesentlichste Factor im Bau des Scitenkanalsystemes ist,
dass zahlreiche Nervenstämmchen ins Innere dringen, um
da mit einem nicht selten dem freien Auge wohl sichtba-
ren Nerven knöpf aufzuhören. Die Nervenknöpfe zeigen die
stärkste Entwickkmg an den Schleimkanälen des Kopfes von Le^pido-
leprus, ümhrina, Corvina, sind sehr bedeutend auch bei Acerina cer-
nua, Lota vulgaris ; in der Seitenlinie, wo sie in jenen, den Schuppen
aufsitzenden Kanälen hegen, ist ihr Umfang ein durchweg geringe-
rer. Beaclitensw^erth erscheint, dass bei den Plagiostomen in den Avei-
tcn Kanälen des Kopfes, w^o ebenfalls jedes der zahlreich cingetrcte-
iicii Nervenstämmchen in einen Knopf anschwillt, ein nach der Länge
des Kanales fortlaufender, gleichsam linearer Nervenknopf gebildet
wird, indem alle die einzelnen in einer Längsreihe zu liegen kom-
men und wcuen ihrer Meno-e dicht auf einander folgen. — »Sieht man
„Schleimapparate" der Fische.
203
auf die histologische Beschaffenheit der Nervenknöpfe, so unterschei-
det man 1) ein bindegewebiges Stroma, das ein sehr enges Bkit-
capilhirnetz trägt und bei einiger Fülhing dem ganzen Organ eine
gelbliche Färbung verleiht. 2) die Hauptmasse besteht aus den Ner-
venfasern, sie treten als breite dunkelrandige Fasern ein und brei-
Fig. 107.
Stück eines Schleimkanales vom Hexanchus griseus. (Geringe Vergr.)
a der lineare Nervenkiiopf, b Papillen an der Innenfläche des Kanals.
ten sich zunächst kreisförmig aus , dabei theilen sich die Fasern sehr
häufig in zwei oder drei Aeste und die Theilung wiederholt sich
oft sehr schnell an den neu entstandenen Zweigen. Zuletzt werden
die Fasern fein, leicht varikös und strahlen nach der Peripherie
des Organes aus. Ich glaubte sie da früher in Schlingen enden zu
sehen, möchte aber gegenwärtig nach wieder aufgenommener Unter-
suchung die Endung so formuhren, dass die Fasern über die schein-
baren Schlingen hinausgehen und zuletzt fein zugespitzt, mitunter
scheint es mir auch, wie mit einer kleinen zelhgen Anschwellung auf-
hören. Endlich 3) bemerkt man eine Lage von auffallenden Zellen, welche
den ganzen Nervenknopf überziehen. Sie sind blass , sehr lang und
schmal und ähneln nach Aussehen und Gruppirung den Retinastäbchen.
Zwischen ihnen scheinen die Nervenfasern zu enden. Vergl. oben Fig. 39.
Fig. 108.
Schuppe der Seitenlinie mit einem Nervenknopf. (Geringe Vergr.)
(Die Grenzlinie der Epithellage ist vom Xylographen übersehen worden.)
»
>04
Von den Tastwei'kzeugen der Wirhelthiere.
Gallei-t.
rüllreii.
Das Lumen des Seitenkanal systemes ist erfüllt von einem hellen
klaren Fluidum, das gern auch eine gewisse Consistenz, etwa den
Dichtigkeitsgrad der Labyrinthfliissigkeiten oder des Glaskörpers an-
nimmt. Bei Lepidoleprus wird ausserdem jeder Nervenknopf von
einer noch dichteren glashellen Gallertschicht mützenartig bedeckt,
die sich leicht in toto abheben lässt.
Eine weitere Abänderung, in welcher der abzuhandelnde Appa-
rat auftritt; ist
c) unter der Form nicht verzweigter Köhren, welche mit
einer Erweiterung oder Ampulle blind geschlossen beginnen und sich
auf der äusseren Haut öffnen. Sie finden sich nur bei Rochen, Haien
und Chimären. Die Ampullen zeigen mancherlei Formverschieden-
heiten: einfach, ohne Aussackungen, sind sie beim Meerengel, die
anderen Haie haben alle mehr oder weniger bauchig vorspringende
Erweiterungen an den Ampullen, ebenso die meisten Rochenarten
und die Chimären, beim Zitterrochen sind sie wieder einfach ohne
Buchten nach aussen.
Fig. 109.
Gruppe von Gallertröhren der K.aja batis. (Geringe Vergr.)
a der Nervenstamm.
Besonders zahlreich erblicken wir die blasigen Ausstülpungen
au den Ampullen des Dornhaies und in noch vervielfältigterem J^Iaas-
stab bei Ilexanchus griseus. Bei erstercm gehen auch aus Einer Am-
pulle zwei, bei letzterem neun bis zwölf Röhren heraus, während
l)ei den anderen namhaft gemachten Selachiern immer nur Ein Rohr
die Fortsetzung der Ampulle ist. In allen Ampullen geht nach innen
eine Anzahl von Scheidewänden ab, die sich nach dem Ceutrum zu
mit einander vereinigen, wessholb der Querschnitt einer Ampulle
sich wie der Querschnitt einer Pomeranze ausnimmt. Das aus der
Ampidlc hervorgegangene Rohr, am Anfang gcAvöhnlich etwas ein-
geschnürt, bleibt entweder bis zu seiner Mündung an der Haut von
.„Scbleiinapparate"' der Fische.
•205
gleichmässigem Kaliber oder es nimmt, was häufig geschieht, g't-gen
die Ausmündung an Umfang zu. Auch die Länge wecliselt sehr
nach den einzelnen Arten.
Fig. 110.
A zwei Ampullen mit Grallertr Öhren von Galeus laevis.
a die Nerven, b die eintretenden Blutgefässe.
B eine Ampulle im Querschnitt. (Geringe Vergr.)
Bezüglich des feineren Baues ist anzuführen, dass das Grund-
gewebe der Ampullen und Röhren eine homogene Bindesubstanz
ist, die nach aussen einen mehr fasrigen Charakter annimmt, auch
elastische Fasern beigemengt erhält und zuletzt sich in lockeres mit
Gallerte durclteetztes Bindegewebe auflöst. Die Oberfläche der Am-
pullen und Kanäle überzieht ein Epithel, dessen rundliche Zellen in
den Ampullen einen feinkörnigen Inhalt haben, die Zellen liegen hier
auch gehäufter; im Kanal zeigt sich nur eine dünne Lage sehr hel-
ler Zellen, die aber gegen die Ausmündung des Kanales hin schär-
fer gerandet sich zeigen, da sie allmählig den Charakter der Epider-
miszellen der äusseren Haut annehmen, hier auch bei Leviraja z. B.
pigmenthaltig werden können. Hexanckus zeichnet sich abermals durch
besonders gestaltetes Epithel aus, indem die Zellen die gleichen
lichten, stachelförmigen Fortsätze an sich tragen, die vom Epithel
des Seitenkanalsystemes oben angemerkt wurden.
In jede Ampulle tritt ein Nervenstämmchen und ein oder
mehre Blutgefässe. Der Nerv besteht aus dunkel conturirten Fibril-
len und durchbohrt die Ampulle immer in der Richtung der Längs-
achse. Die Fasern weichen dann strahlig auseinander und verlie-
ren sich sowohl in die seitlichen Ausstülpungen, als auch in die cen-
trale Platte; sie theilen sich dabei häufig, werden immer feiner und
obschon ich längere Zeit bezügHch ihrer letzten Endigung die Vcr-
muthung hegte, dass sie in die körnigen Zellen der Ampullen aus-
206
Von den Tastwerkzeugen der Wirbelthiere.
gehen; mit anderen Worten mit terminalen Ganglienkugeln enden,
so ist mir das bei der sonstigen Analogie , welche fragliche Organe
mit den Ampullen des Gehörlabyrinths haben , etwas unwahrschein-
lich geworden, da ich bei Forschungen, die jüngsthin angestellt und
speziell auf diese Frage gerichtet waren, im Gehörorgan von dieser
Endigungsweise mich keineswegs bis jetzt vergewissern konnte. Die
mit den Nerven hereingekommenen Blutgefässe erstrecken sich eben-
sowenig, wie der Nerv über den Bereich der Ampulle hinaus, sondern
sie bleiben in derselben und man sieht ihre Schlingen leicht, so lange
sie noch voll von Blut sind. Die Kanäle werden zwar auch von
nicht wenigen Blutgefässen begleitet, aber diese laufen bloss an dei"
äusseren Fläche hin. — Der übrige Hohlraum in Ampulle und Rohr
ist ausgefüllt mit einer homogenen Gallerte, die im frischen Zu-
stande von sehr fester Consistenz ist und erst nach starkem Druck
dazu gebracht werden kann, auf der äusseren Haut hervorzuquellen.
Endlich die letzte Form, in der wir die fraglichen Organe ken-
nen, ist
Appareil
folliciilaire
ueurveux.
d) jene des von Savi entdeckten Appareil folliculaire ner-
veux, welches uns bis jetzt nur aus dem Zitterrochen bekannt ist.
Der Apparat besteht aus wasserhellen Blasen, die auf fibrösen Bän-
dern aufsitzen und aus ihrem Innern zunächst ihrer Anheftungsstelle
eine weissliche Warze durchschimmern lassen. Die Blasen haben
Fig. 111.
Der Foll ikelappar at vom Zitterrochen bei geringer Vergrösserimg.
a die Follikel, b der Knopf im Inneren, c der Nerv, d die haltenden Bänder.
eine homogene bindegewebige Membran, über welche zur Verstär-
kung elastische Fasern gespannt sind, und einen hellen gallertigen
Inhalt. Von der Anheftungsstelle der Blase erhebt sich ferner ins
Innere ein warzenförmiger Knopf; er besteht aus einem Gerüst von
Bindesubstanz, das in seinen Maschen und Lücken eine feine Punkt-
masse und eigentiüimliche ungleich gestaltete Zellen aufgenommen
hat. Der Knopf ist dazu bestimmt, die Ausbreitung der Fibrillen
eines eingetretenen Nervenstämmchens aufznnehmen. Die Nerven-
fibrillen enden in dem Knopt, und keine geht mehr aus der Blase
heraus, dabei werden sie peripheriscli leiner und bUxss und hängen
vielleicht schliesslich mit den ungleich gestalteten Zellen (Ganglicn-
kugelnV) zusammen. Mit den Nerven gc^ht auch ein Blutgefäss in
den Knopf ein und bildet in ihm ein enges Maschennetz.
Elektrische Organe der Fische.
207
§. 185.
Vom histologischen Standpunkt iius müssen mit den im Vorau-
stehenden geschilderten Apparaten auch die pseudoelektrischen Or-
gane von Baja, Mormyrus und Oymnarclms zusammengestellt wer-
den, und das Ende der Reihe dieser eigenthümlichen Bildungen dürf-
ten dann vielleicht die wirklich elektrischen Organe der Gattung
Torpedo, Gymnotus und Mala'pterurus ausmachen.
Die pseudoelektrischen Organe im Schwänze der iiaja be-
stehen aus einer grossen Anzahl von länglichen, plattgedrückten, sack-
artigeü Gebilden, die aus einer gefäss- und nervenlosen knorpelähn-
lichen Kapsel und einem Gallertkern zusammengesetzt sind, welch'
letzteres zur Grundlage einer äusserst zahlreichen Nervenausbreitung
Fig. 112.
Pseudo-
elektrisclie
und wirklich
elektrische
Organe.
Ein Kästchen des Schwanzorgane s von Raja, nach der Länge durch-
schnitten und gering vergrössert.
a gewöhnliches Bindegewebe, die Wand des Kästchens bildend, b der Gallertkern
im Innern, c die knorpelähnliche Umhüllung desselben, d der im Grallertkern sich
verzweigende Nerv.
und zur Stütze von Gefässcapillaren dient. (In den Plättcheu des
Organes von Mormyrus dorsalis sieht Ecker die Nervenfasern m
Anschwellungen enden, welche er den Ganglienkugeln vergleicht.)
Ein Sack erscheint von dem andern, abgesondert durch festes, gewöhn-
liches Bindegewebe, welches wabenähnlich geschlossene Räume er-
zeugt. — Die wi^-klich elektrischen Organe von Torpedo, Ma-
lapterurw^ , Oymnotus bestehen aus Bindesubstanz, Gallerte, Gelassen
und Nerven. Gewöhnliches Bindegewebe mit zahlreichen elastischen
Fasern bildet eine allgemeine Hülle und indem von letzterer Scheide-
wände nach innen abgehen, grenzen sich wabige Räume ab, die
sog. Säulen des elektrischen Organes. Jede grössere Wabe wird
abermals durch bindegewebige Septa, die jetzt von mehr homogener
Natur sind, gekammert, und die Zwischenräume sind ausgefüllt mit
^
lue
•208 Von den Tastwerkzeugen der Wirbelthiere.
einem „feinkörnigen Parencliym", in welchem den Scheidewänden zu-
nächst Kerne sich linden; ein wirkh'ches P^pithel mangelt. Die Blutgefässe
verzweigen sich an den Septen des Orgaus. Die Nervenfasern haben eine
dicke Scheide, werden zuletzt fein und blass, ohne wie mir schien, mit
gangliösen Elementen an ihrem Ende in Verbindung zu treten; nach
Bilharz jedoch enden die Nervenfasern im elektrischen Organ des
Zitterwelses mit scheibenförmigen Säckchen, gefüllt mit feinen Ker-
nen und körniger, dem Inhalt der Ganglienkugeln ähnlicher Grund-
substanz; wohl aber sind bei Torpedo büschelförmige Verästelungen der
Nervenfasern sehr zahlreich. — Ein mehrfaches Interesse gewährt es,
dass das elektrische Organ von Malapterm-us seine nervösen Elemente
aus einer einzigen Ganglienkugel erhält. Diese von kolossaler Grösse
und für das freie Auge gut sichtbar, dient zum Ursprung einer
ebenso riesigen Nervenfaser, die durch Auflösung in zahlreiche
Aeste und Zweige das ganze elektrische Organ versorgt (^Bilharz,
Marhusen).
§. 186.
Physio. Physiologischerseits lässt sich über die (sub a, b, c, d) abgehandel-
kiingen. tcu Orgauc fast gar nichts Positives vorbringen. Die becherförmigen
Gebilde sich als Tastwerkzeuge vorzustellen, möchte noch am ehe-
sten mit unseren sonstigen Kenntnissen über Tastorgane in Verbin-
dung gebracht werden können: sie reichen bis an die Peripherie des
Körpers, sind über die ganze Haut verbreitet und vorzüglich da
ausgebildet, wo auch bei anderen Wirbelthieren der Tastsinn gerne sei-
nen Sitz liat, so an den Lippen, den Bartfäden. Wahrscheinlich
sind sie mit Contraktilität begabt, was keinesfalls gegen unsere Auf-
fassung sprechen würde, und dass sie contraktil seien, glaube ich
aus Folgendem schliessen zu dürfen. Schneidet man einer lebenden
Grundel einen Bartfaden ab und betrachtet denselben ohne Deckglas
bei starker Vergrösserung, so werden die in liede stehenden Gebilde
nicht in Becherform gesehen, sondern statt einer Mündung erblickt
man sie über die Oberhaut warzenförmig verlängert. Nach einiger
Zeit kommen aber statt der warzenförmigen Verlängerungen Oeffnun-
gen zum Vorscliein, welche Veränderung doch kaum anders als durch
eine Contraktion der Wand des „Bechers", durch eine Art Einstül-
pung vor sich gegangen ist. Auch bei einer lebenden Aalruppe sah
ich die Becher auf der Hautbi-ücke, Avelche die Nasenöffnung in zwei
theilt, anfangs warzcnfcirniig vorstehen, und nachher erst entstanden
die Ocftnungcn.
Weit schwieriger, wenn nicht vorderhand geradezu uimiöglich,
ist es über die Eunktion des sog. Schleiniapparates eine bestimmte
Vorstellung zu gewinnen. Dass ihre Bedeutung keinesfalls dahin geht,
Schleim abzusondern, beihirf nach dem histologischen Befund keiner
weiteren Widerlegung, und es springt In die Augen, dass sie wesent-
li'li nerv(isc Apparate sind; da wir nun gegenwärtig bloss die fünf
Physiologisches. 209
gewöhnlichen Sinnesorgane und die elektrischen Organe als die Glieder
dieser Kategorie kennen, so muss man sie, wollen wir an Bekanntes
anknüpfen, der einen oder anderen Reihe beiordnen und natürlich
werden wir, falls uns nicht die elektrischen Organe verwandtschaft-
licher scheinen, unter den Sinnesorganen auf den Tastsinn verfallen,
dessen Begrift\ja ohnehin so unbestimmt und unklar ist, dass sich die
fraglichen Bildungen der Fische auch unter ihm verbergen können.
Indessen möchte ich meiner individuellen Auffassung nach immer noch
ein neues Sinnesorgan, das für den Aufenthalt im Wasser berechnet
ist, annehmen, da ich in dem, was wir bisher über die Organisation
der Thiere wissen, doch nichts Zwingendes erblicken kann, dass ledig-
lich mit den fünf bekannten Sinnen der Kreis der Sinnesorgane abge-
schlossen wäre. Bis zu einem gewissen Grade schon würde die Frage nach
der Qualität des Sinnesorganes in die Enge getrieben w^erden, wenn bei
den eigentlichen Cetaceen ein ähnlicher Apparat zugegen wäre, dann
dürfte man mit noch mehr Sicherheit die betreffenden Organe und
den Aufenthalt im Wasser in Wechselbeziehung bringen. Bei Monro
nämlich (Bau der Fische, übers, v. Schneider S. 152.) erw^ähnt
Camper merkwürdigerw^eise Oeffnungen, womit die Schnauze des
Braunfisches besetzt sei und vergleicht sie den Schleimröhren des
Hechtes, und an der unteren Kinnlade des Wallfisches hat er unzäh-
lige dergleichen Oeffnungen gefunden. Möchte doch ein Naturforscher,
dem sich die Gelegenheit zur Untersuchung darbietet, uns seine hierüber
gemachten Wahrnehmungen nicht vorenthalten. Mehrmals hat man
die Organe auch als elektrische angesprochen, ohne freilich irgend
einen Beleg hiefür beibringen zu können, und es wäre desshalb sehr
erwünscht, w^enn ein Physiologe aus jener kleinen Gemeinde, w^elche
die physikalische Seite der Physiologie pflegt, seine Thätigkeit auch
auf die besagten Organe der Fische (incl. der pseudo- und wirklich
elektrischen Organe) ausdehnen würde, da es scheint, als ob nur von
daher ein Licht in dem bisherigen Dunkel aufgesteckt werden könnte.
Obschon durch die Beibehaltung der Bezeichnung „Schleimkanäle"
der ersten irrigen Ansicht von diesen Organen Dauer und Ansehen
verliehen zu werden scheint, so mag sie doch so lange stehen, bis eine
nähere Einsicht in die Funktion erlangt wird.
Zur Literatur. Müller, Myxinoiden; Ecker im Jahresb. zu Müll. Arch. 1852
(der Angabe, dass sich in den Ampullen der Gallertröhren keine Theilungen der
Nervenfasern finden , muss ich die gegentheilige Behaui^tung gegenüberstellen).
Bobin, Annal. d. sc. nat. 1847. Die Bläschen, in welche Quatrefag es (ibid.
1845) die Nerven von Branchio Stoma endigen sah, sind wahrscheinlich auch hierher
zu zählen. — B. Wagner über d. fein. Bau d. elekt. Org. im Zitterrochen 1847.
— Sulla struttura intima delV organo ellettrico, del Gimnoto e di altri jiesci ellettrici del
Dott. Filippo Pacini, 1852. — Die obige Darstellung des „Schleimapparates" ist haupt-
sächlich meinen eignen Arbeiten entnommen: Müll. Arch. 1850 mit Abbildungen aus J.ce-
rina cernua und Lota vulgaris; ibid. 1851 mit Abbild, von Lejndole^rus, Chimaera mon~
strosa; ibid. 1854 (Beschreibung und Abbild, des pseudo-elektr. Organs im Schwänze von
Leydig, Histologie. \^^
210 Von den Tastwerkzeugen der Wirbellosen
Eaja. Von sehr eigenthümlicher Art ist hier das Gewebe, welches die Wand der
Follikel bildet.) Zeitschr. f. wiss. Z. 1849; Rochen und Haie 1852 (mit Abbil-
dungen aus Hexanchus , Oaleus canis, Scymnus lichia, Acanthias vulgaris, Trygon
pastinaca, Torpedo Galvanü, Sphyrna malleus, Raja clavata); Unters, über Fische
und Rept. 1853 mit Abbild, aus dem Stör.
Fünfzehnter Abschnitt.
Von den Tastwerkzeugen der Wirbellosen.
§. 187.
Zum Tasten können verscliieden gestaltete, mit Nerven ver-
sehene Fortsätze der Haut, namentlich Anhänge des Kopfes (Antennen,
Girren, Tentakeln etc.) behülflich sein, oder es werden gewisse Haut-
stellen durch ihre Struktur zu einer präciseren Empfindung befähigt
und auf diese Art ebenfalls zu Tastorganen umgeschatfen.
Diese Struktur scheint zu verlangen, dass der Nerv an seinem
Ende mit Ganglienzellen in Verbindung steht, wozu noch besondere
Ausrüstungen, Fortsätze der äussersten Hautschicht, den Tasthaaren
der Säuger vergleichbar, sich gesellen können. Bei Helix geht der
Fühlernerv (in den oberen und unteren Tentakeln) in ein längliches
Ganglion über, aus dessen vorderem, etwas verbreitertem Ende eine
Anzahl von Nerven hervorkommt, welche sich dichotomisch theileu und
wieder mit einander in Verbindung treten, wodurch ein Geflecht er-
zeugt wird, dessen letzte Ausstrahlungen sich in einer Zellenmasse, die
ich für Ganglienkugeln halten möchte, verlieren. Auch der Tentakel-
nerv von Firola enthält nach Leuckart solche Elemente. Blanchard
sah bei Janus ebenfalls das Anschwellen der Teutakelnerven zu einem
GaugHon.
Gangliöse Enden von Hautnerven mit Hinzutritt äusserer Hülfs-
werkzeuge sind von mir an Krebsen, Insekten und Rotatorien nach-
gewiesen worden. Am Thorax und schwanzartigen Abdomen des
BrancJnpus sieht man helle Borsten immer dort, wo ein Hing an den
nächstfolgend(.'ii stösst ; die Basis der Borste ist umgeben von einer
Schicht kleiner rundlicher Zellen, die sich übrigens luii- auf die Basis
der Borste beschränken. Die Hautnerven nehmen ihre Richtung auf
solche Borsten zu, nachdem sie vorher in einer spindelförmigen An-
scliwellung einen oder mehrere helle Kerne mit körniger Umhüllungs-
masse aufgenommen haben, und verlieren sich schliesslich in das Zellen-
lagcr an der Basis der Borste. Bei der Larve von Corethra plumi
C07-ms sind die Borsten der Haut entweder einfach, kurz mit knopf-
förmiger Basis, oder sie sind ästig getlieilt, auch ein- odci' doppelseitig
bei Insekten, Krebsen.
211
Fi;.-. 113.
Endigung der llautnerven von der Larve der Corethra plumicornis.
A äussere Haut, B Hautborsten, (C eigenthümlich federnder Apparat derselben),
D Muskeln.
a ein Baucliganglion , b Baucbstrang , c, d, e Endigungsweise der Nerven. (Die
helle Seite -zeigt den frischen Zustand der nervösen Gebilde, die dunkle wie sie
nach Einwirkung von Essigsäure erscheinen.)
Fio-. 114.
A
Endigung der Hautnerven. (Starke Vergr.)
A von Notommata, B von Branchipus : a Haut, b der Nerv.
gefiedert. Die Borsten erscheinen nicht starr in der Chitinhülle be-
festigt, sondern sind durch eine elastische Vorrichtung beweglich ein-
gelenkt. Die Nerven der Haut enden nun unterhalb der Basis der
14*
212
Von den Tastwerkzeugen der Wirbellosen
Borsten mit kolbenförmiger Anschwellung , in der ein grösserer oder
mehre kleine helle Kerne liegen. Ganz ähnlich sind die Verhältnisse
bei den Rotatorien. Die Hautnerven suchen bestimmte Stellen , die
fälschlich s. g. Respirationsröhreu und Gruben, auf, an denen die
Üuticula in Borstenbüschel ausgeht, um unter denselben mit gangliöser
Anschwellung zu enden.
§. 1B8.
Bei einigen Thieren beobachtet man das Ende von Hautnerven
mit ähnhchen spezifischen Gebilden in unmittelbarem Zusammen-
hang, wie dergleichen vom Auge und Ohr zu beschreiben sind, so
dass man zweifelhaft sein kann, ob man es bloss mit einem feineren
Tastorgan zu thun habe, oder ob gar eine höhere Sinnesempfindung,
wie etwa die des Hörens, an solche Apparate geknüpft ist. Ich rechne
hierher die zwei antennenartige Vorsprünge, welche an der Unterseite
des Kopfes von dem Muschelinsektchen Polyphemus monoculus *) sich
befinden und vorn schräg abgeschnitten und seicht ausgehöhlt sind.
Im Inneren verlaufen Nerven, die durch Ganglienkugeln setzen ; nach-
Fig. 115.
eäUl
Tentakelartiger Vorsprung am Polyphemus monoculus.
a die Nervenfasern, zweimal mit Ganglienkugeln sich verbindend, b Einsackungen
der Cuticula, c die Stäbclien am Ende der Nerven.
dem sie diese hinter sich haben, treffen sie nahe am Ende des antennen-
artigen Vorsprungos auf ovale, scharfconturirte Gebilde, die bei nähe-
rem Erforschen als Einsack ungen der Cuticula sich ausweisen, in
gleicher Anzahl vorhanden, als Nervenstreifen aus der Ganglienmasse
entspringen. Vom Grunde jeder solchen Vertiefung der Cuticula (es
mö"-eu gegen 8 sein) erhebt sich ein zartconturirtes Säulchen, das an
seinem freien Ende mit einem scharfgezeichneten Knöpfchen endet.
Diese Säulchen haben eine unverkennbare Verwandtschaft mit den
terminalen Stäbchen im Acusticus der Orthopteren (s. unten).
*) Die „Tastantennen" der andren Cladocera s. Daj^hnidae zeigen, wie ich
nachtrilKlich finde, dieselbe OrgJinisation , worüber an einem anderen Orte Aus-
führliclieres berichtet werden soll.
bei Krebsen, Würmern. 213
Die gleichen histologischen Theile, nur mit etwas anderer Deutung,
habe ich früher schon von Branchtpus beschrieben. Auch dort (vergl.
Zeitschr. f. w. Z. 1851, S. 292, Taf. VIII. Fig. 8) zeigen sich am Ende
der Antennen ausser den hellen Borsten .,sieben haarähnlich vor-
stehende Röhrchen", nach welchen sich das Ende des Antennennerven
wendet, nachdem er ebenfalls vorher mit Ganglienkugeln sich ver-
bunden hatte. Das knopfiormige Ende der „Röhrchen" habe ich da-
mals für einen „gelblichen scharfconturirten Ring am freien Ende" ge-
nommen und ebenso wahrscheinhch die Vertiefung, aus der je ein
Stäbchen heraussteht. Dass diese Organe noch verbreiteter vor-
kommen, ergiebt sich auch aus Schödler's Arbeit üher Acanthocercus
rigidus , Arch. f. Naturg. 1846; denn „die Büschel äusserst zarter
Lamellen am freien Ende der Fühler" sind nach Abbildung und Be-
schreibung nichts anderes, als die von mir gemeinten und den Stäb-
chen im Acusticus der Insekten verglichenen Gebilde. Auch Schödler
erbhckt schon darin „ein Sinnes Werkzeug" und denkt dabei sowohl an
ein „ausgebildetes Tastorgan", als auch an das im Grunde der äusseren
Fühler bei vielen Krebsen befindliche Organ, welches in neuerer Zeit
für das Ohr gilt. "Weitere vergleichend-histologische Untersuchungen
sind nöthig, um den einen oder den anderen Vergleich näher begründen
zu können.
Unter denselben Gesichtspunkt bringe ich auch eine Beobachtung
Meissners. An Mermis albica7is sah dieser Forscher, dass die aus
dem Inneren des Kopfes vorspringenden Papillen nichts anderes sind,
als die Enden von Nerven; die Fasern endigen stumpf, wie abge-
schnitten. Bei Mermis nigrescens tritt noch ein besonderes Gebilde
hinzu in Form eines dreiseitig-konischen Körpers, welcher, von sehr
scharfen Conturen begrenzt , den Eindruck eines kleinen Bläschens
macht. Aehnliche Bildungen finden sich nach Meissner auch am
Kopf mancher Nematoden, und er führt beispielsweise Ascaris mystax
an, bei welcher ein grosses und als solches sehr deutliches Bläschen
über den Papillen angebracht ist und ganz frei über die Hautob erfläch e
hervorragt.
Vergl. 31 e issner über 3fermis albicans und nigrescens in Zeitschr. f. w. Z.
Bd. IV, Bd. VII. Aus Andeutungen Meissner s ist ersichtlich, dass ihm die Auf-
fassung als Tastorgane ebenfalls etwas unbestimmt vorkommt, allein man wird vor-
läufig nicht darüber hinauskommen, sowenig wie solches mit dem „Schleimapparat"
der Fische ausführbar ist. — Ueber die Endigung der Hautnerven von Branchi-
pus, Corethra, Rotatorien siehe Zeitschr. f. w. Zool. Bd. III, Bd. VI. 31. Schnitze
bestätigt meine Angaben an den Jungen von Baianus ibid. Bd. IV. Zu den oben
abgehandelten eigenthümlichen Körpern am Ende der Hautnerven möchte ich auch
die scharfconturirten Zellen, eine glänzende Kugel enthaltend, rechnen, welche sich
bei Phyllirhoe bucephalum nach U. 3'lüller und (J egenhaur in der Haut finden,
wenn an diese Zellen constant, und nicht , wie 31. und G. melden, ,, öfters" ein
Nervenfädchen tritt.
214 Vom Geiuchsorgan des Menschen.
Sechzehnter Abschnitt.
Vom Geruchsorgan des Menschen.
§• 189.
Man unterscheidet am Geruclisorgan die durch Einstidpung des
oberen und mittleren Keimblattes entstandenen Ricchhöhlen und den
vom Gehirn entgegenwachsenden Geruchsnerven. Das obere Blatt
liefert die epitheliale Auskleidung, das mittlere die bindegewebigen,
gefäss- und nervenbaitigen Schichten.
Die Nervi olfactorii weichen in ihrem Bau von allen übrigen
Kopfaerven dadurch ab , dass sie keine einzige dunkelrandige Faser
enthalten, sondern lediglich blasse, fein granuläre, mit zahlreichen
Kernen versehene Fibrillen besitzen, über deren Ende in der Nasen-
schleimhaut man noch nichts weiss.
Die Nasenschleimhaut hat ihre bindegewebige untere Lage, die
der elastischen Elemente fast entbehrt, sehr gefässreich ist und zahl-
reiche Schleimdrüsen von der gewöhnlichen traubenförmigen Gestalt
in sich einbettet. Bemerkensw^erth ist, dass diese Lage der Schleim-
haut an den Grenzen des Scheidewandknorpels und an den unteren
Muscheln sich beträchtlich verdickt, W'as durch eine eigenthümliche
Entwickelung der Venennetze bedingt wird, durch welche sich mus-
kulöse Trabekeln hinspannen , so dass eine Art Cot-pus cavernosum
entsteht.
Der .epitheliale Ueberzug der Schleimhaut ist am Nasen-
eingang (so weit der knorpelige Theil der Nase reicht) ein geschichtetes
Plattenepithel ; im knöchernen Bereich der menschlichen Nase ist er
allerorts aus flimmernden Cylinderzellen zusammengesetzt. Die Zellen
scheinen in der Regio olfactoria zarter zu sein , als in den unteren
Gegenden, und hier und da zwei, selbst drei hintereinander liegende
Kerne zu haben. Audi die Nebenhöhlen der Nase (Stirn , Keilbein-,
Siebbein-, Kiefer - Höhlen) , sowie Thränengang und 'I'hränensack
flimmern.
Das Seh wcl Igcweb e an den Mnschehi der Nasenschlciniliaiit hat Kohlransch
(Müll. Arch. 1853) entdeckt; es erklärt sich daraus die Aiischwclliuig der Schleim-
haut der Nasengänge bei cliriMiischeni vSelmnjil'cn , sowie auch damit ein Liclit auf
die profusen Nasenblutungen geworfen wird. — Dass die Nasenhöhle überall flim-
luert, sowie dass die Drüsen der lic;ji.o olj'aftoria gewöhnliche acinöse Schleim-
drüsen sind (beides entgegen der gewöhnlichen Angabe), liabeu wir an einem
Hingerichteten wahrgenommen (Würzb. Verhandl. 1854). Wird von lecker be-
stätigt (l)criclit dci- uaturf. Ocs. in {•')cil)nrg Ni'. 9).
Vom Geruchsorgaii der Thiere.
215
Siebzehnter Ahschiiitt.
Vom G e r u c li s o r g a n der Thiere.
§. 190.
Es verdient alle Berücksichtigung, dass die Geruchsnerven durch
sämmtliche Klassen der Wirbelthiere , demnach bei Säugern, Vögeln,
Amphibien und Fischen , denselben eigenthümlichen histologischen
Charakter kundgeben, wie beim Menschen, d. h. immer aus blassen,
marklosen, feingranulären Streifen bestehen. Es herrscht bezüg-
lich der Organisation die grösste Aehnlichkeit zwischen den Geruchsner-
ven der Wirbelthiere und den Nerven mancher Wirbellosen, z. B. der In-
sekten. Wie bei letzteren formt das Neurilem, welches pigmentirt sein
kann (^Polyptertis z.^.) Röhren mit zahlreichen Kernen und umschliesstdie
blasse, feinkörnige Nervensubstanz. Die Fibrillen sind (wie bei W^irbel-
losen) meist sclnvierig oder auch gar nicht zu isoliren ; beim Stör, wo
sie sich leichter darstellen Hessen, haben sie nicht so zahlreiche Kerne,
als bei anderen Thieren, und ausser ihrer blass-feinkörnigen Substanz
noch feine Fettpünktchen. Die bindegewebige Scheide, welche die
Fig. 116.
N e i- V 1 1 »
olfactorius.
Aus dem Nervus olfactorius, da wo er unter dem Geruchsorgan liegt,
von S p h y r n a.
a scharfconturirte Fibrillen, welche die weisse Partie des Nerven bilden, sie gehen
über in b blasse bipolare Zellen und diese verlieren sich in c Klumpen einer fein-
körnigen Substanz. Aus ihnen gehen hervor d die eigenthümlichen Bündel des
Geruchsnerven. (Starke Vergr.)
Fibrillen zusammenhält, schnürt sich gern spiralig ein. Beim Proteus
sind die Kerne des Olfactorius, wie auch am übrigen Körper, länger
als bei anderen Thieren. Von Selachiern habe ich beschrieben (Rochen
und Haie S. 35), wie der Uebergang der dunkelrandigen Nervenfasern
in die grauen Geruchsnerven erfolgt. Der an der Nase angekommene
216 Vom Geruchsorgan der Thiere.
Nerv liegt an der unteren Seite derselben^ umgehen von einer Scheide ;
macht man hier einen senkrechten Schnitt, so zeigt sich, dass der Nerv
aus einem unteren weissen und einem oberen grauen Theil zusammen-
gesetzt ist, und zwar umgiebt die weisse Substanz die graue halbmond-
förmig ; die weisse besteht aus feinen, aber dunkelrandigen Fibrillen,
die sich zur grauen Masse dadurch hinüber bilden, dass sie blass werden,
einen Kern als Ganglienkugel aufnehmen und dann in kugelförmige,
von freiem Auge sichtbare und mit Blutgefässen umsponnenen Klumpen
einer feinkörnigen Substanz eintreten ; aus letzteren kommen blasse,
feinkörnige Bündel hervor, welches die Stämme der Geruchsnerven sind.
In der Riechschleimhaut aller Wirbelthiere werden auch noch dun-
kelrandige Nervenfasern angetroffen; siegehörendem Trigeminus
an. Beim Stör scheinen die Fasern erst nach der Centralstelle, von
der die radiären Falten auslaufen, zu gehen, um von hier aus in die
letzteren einzudringen.
§. 191.
Hiech- Die Riech Schleimhaut hat immer Bindegewebe zur Grund-
»chieimhaut. jg^ wclchc auch das Gerüst der Drüsen bildet. Letztere sind bei
Säugethieren von einfacherer Form, als beim Menschen ; cylindri-
sclie Schläuche nämlich mit etwas gekrümmtem blinden Ende , wie
Todd- Boivman zuerst bemerkte. Ich kann das für die Ziege be-
stätigen, wo sie auffallend an die Lieberkühn'schen Darmdrüsen er-
innern. Bei den Vögeln (Taube) sind, wie ich sehe, die Drüsen sehr
zahlreich ; sie zeigen sich unter der Form kurzer Säckchen mit enger
Mündung und werden hübsch von Blutgefässen umsponnen. Auch
beim Frosch und der Eidechse stehen die Drüsen der Nasen-
schleimhaut sehr dicht gedrängt bei einander, für das freie Auge als
weissliche Körper unterscheidbar ; die kleineren sind simple längliche
Fig. 117.
Aus fltT Nascnsclileimli ;uit des Frosches.
a das fliniincrnde Epithel mit den zweierlei Zellen , b Drüse der Schleimhaut.
(Starke Vergr.)
Säckchen, die grösseren werden durch unvollständige Septenbildung
von Seiten der Tunica propria annähernd gela|)pt. Ob auch bei
Fischen die Nasenschlcimhaut Drüsen besitzt, ist zweifelhaft; viel-
leicht werden sie ersetzt durch die von mir ..Schlcimzellen'' genannten
Nasenepithel. 217
Gebilde, welche sich (z. B. beim Stör) zwischen den gewöhnlichen Epithel-
zellen reichlich finden und mit eiweissavtigcn KügeJchen angefüllt
sind. — Die Bindesubstanz der Schleimhaut erscheint, besonders häufig
bei niederen Wirbelthieren, verschiedenfarbig pigmentirt.
Das Epithel ist nicht überall gleichmässig. Im Allgemeinen
trägt es bei allen Wirbelthieren Flimmercilien, doch kommen auch
flimmerlose Stellen vor, so bei Säugethieren in der ganzen Regio
olfactoria nach englischen Histologen {Todd- Bowmari). Auch mir
schien bei der Ziege die mit schlauchförmigen Drüsen versehene
Schleimhaut cilienlos; doch hat Reichert beim Kaninchen hier ein-
zelne Gegenden von Flimmerepithel bekleidet gesehen; bei Selachiern
umgekehrt wimpern jene Fältchen, auf denen die Endausbreitung des
Riechnerven geschieht, während das mittlere Längsband, die Quer-
Fig. 118.
ö^/^r^"^^"^
Vom Nassenepithel der Fische und Reptilien. (.Starke Vergr.)
Die drei Zellen links sind cilienlos und von Eaja batis; die Zellengruppen rechts ge-
hören und zwar die obere der Lacerta agilis, die untere dem Triton igneus an.
Man sieht ausser den F'limmerzellen in der Tiefe noch verzweigte Zellen.
falten erster Ordnung und die Decke des Geruchsorgans (von Sphyrna)
von einem wimperlosen Pflasterepithel überzogen sind. Dass zwischen
den gewöhnlichen Epithelzellen noch Schleimzellen sich finden {Äci-
penser), wurde schon erwähnt. Etwas Aehnliches kommt auch bei Batra-
chiern und Knochenfischen vor, indem sich zwischen den hellen
Zellen andere, mit körnigem Inhalt gefüllte sehr bemerkbar machen.
Um das Geruchsorgan zu stützen, dienen noch knorpelige imd
knöcherne Theile. In der hyalinen Knorpelsubstanz der Nasen-
muschelnder Vögel {Sfurnus vulgaris, Scolopax, Tetrao) stehen die Knor-
pelzellen äusserst dicht beisammen, ebenso in dem schön gegitterten
Knorpelgerüst der Nase von Proteus. (Ein ähnliches Knorpelgitter
scheint auch unter den Fischen die Nasenkapseln der^Myxinoiden und
der Dipnoi zu umschliessen). — In den knöchernen Nasenmuscheln
der Hausmaus erblickt man schon im frischen Zustande den Kern der
Knochenkörperchen sehr leicht. — Der N a s e n e i n g a n g hat immer ein
geschichtetes Plattenepithel, das sich z. B. an Chelonia ziemlich weit
nach innen erstreckt; noch grösser ist das Bereich des Plattenepithels,
wo eine äussere Nase zugegen ist ; beim Maulwurf z. B. geht das ge-
218 Vom Geruchsorgan der Thiere.
schichtete Plattenepithel , in so weit die knorpelige Nase reicht; hierauf
nimmt Flimmerepithel die Stelle ein. Daher wird auch, was ich'hier auf-
nehmen will, der Rüssel des Elephanten, bekanntlich eine verlängerte Nase,
von einer Epidermis ausgekleidet, die sich deutlich in Hörn- und Schleim-
schicht scheidet. Der bindegewebige Theil der Mticosa, in welchem
ich Drüsen vermisse (auch Cuvier nennt das Oberhäutchen trocken),
erhebt sich in zahlreiche, sehr entwickelte, häufig in mehre Spitzen
ausgezackte Papillen. Nach aussen geht das Coriuni der Schleimhaut
über in die Sehnen der E,üsselmuskeln. Auch der statt der äusseren
Nase vorhandene Spritzapparat der Cetaceen ist mit „hartem, trockenem
Epithel" überzogen. — Das Gerüst der äusseren Nase , gewöhnlich
nur aus Bindegewebe und Knorpel geformt, ossifizirt theilweise beim
Schwein und Maulwurf zum s. g. Rüsselknochen, bei den Faulthieren
zum Os praenasale.
§. 192.
Die Jacobson'schen Organe der Säuger, bekanntlich „häutig-
knorpelige Röhren, welche auf dem Boden der Nasenhöhle, zwischen
der Schleimhaut der Nasenscheidewand und dem Pflugschaarbein
liegen", haben, wie ich nach Untersuchungen an jungen Ziegen und
Katzen anführen kann, eine aus Hyalinknorpel bestehende Wand ; das
Innere des Rohres kleidet eine Schleimhaut aus, deren dickliche Be-
schaffenheit durch zahlreiche traubige Schleimdrüsen bedingt ist;
zwischen den Drüsen ist das Bindegewebe fest und derb. Die Schleim-
haut trägt ferner die Ausbreitung zweierlei Nerven, indem nämlich
(bei der Katze) 5 — 6 Stämmchen des N. Olfactorius in die Röhre ein-
treten und mehre Aeste des N. Trigeminus, feinere und dickere. Dass
sich Blutgefässe in derselben Schleimhaut finden, ist selbstverständlich.
Das im Verhältniss sehr enge Lumen des Rohrs wird von einem
Flimmcrepithel begrenzt. Um sich eine gute Uebersicht über den
histologischen Bau der Jacobson'schen Organe zu verschaffen, empfehle
ich senkrechte Schnitte durch das ganze Gebilde zu machen, welche,
wenn gerathen, zeigen, dass sich die Stämmchen der dunkelrandigen
Nerven auf einer Seite zusammenhalten , und zwar nach unten und
aussen, ebenso die blassen Fasern des Geruchsnerven beisanmien nach
der inneren Seite zu liegen. Die Jacobson'schen Organe weichen dem
Gesagten zufoige in geweblicher Beziehung durchaus nicht von den
übrigen Nasengängen ab und werden daher wohl auch eine analoge
Funktion haben.
In neuester Zeit liat I'Jckhard (Beitr. z. Anatomie u. Physiol.) interessante
Mittheilungen über Beziehungen des Nascnepithels zu den Eiidni der Geruchs-
nerven veröflentlicht. Nach ilim sind heim Frosch die Flinimcrliaarc der Epithcl-
zelleu , da wo sich der Geruchsnerv ausbreitet, sehr lang und äusserst fein (von
J'oli/p/cru.s hatte ich auch früher gemeldet, dass die Cilien des aus kurzen Cylinder-
zellen bestehenden Nasenepithels ansehnlich lang sind, was ich ebenso bei Teleostiern,
dem Aal z. li. sehe); die des nachbarlichen Epithels sind kürzer und dicker. Die
Wirbellose. 219
Epithelzellen gehen nach der der Tiefe angewendeten Seite hin in einen sehr langen
Faden aus. Zwischen diese Fäden tragenden Zellen ist ein zweites System von
Fasern gefügt, die mit Kernen in Verbindung stehen. Eckhard stellt die Hypo-
these auf: Die Epithelialzellen oder die zwischen ihnen gelegenen, stumpf endigen-
den Fasern sind die wahren Enden der Geruchsnerven.
Unabhängig von Eckhard hat ferner Ecker ganz ähnliche Beobachtungen
von der Riechschleimhaut des Menschen und der Säugethiere gemacht (Berichte
über d. Verhaudl. d. Gesellsch. f. Bcförd. d. Naturwiss. zu Freiburg Nr. 12. 1855).
Auch Ecker nimmt eine Continuität zwischen den Enden der Olfactoriusfaseru und
Flimmerzellen an, und obschon er ebensowenig wie Eckhard den unzweifelhaften
Uebergang der fadenförmigen Ausläufer der Epithelzellen in Olfactoriusäste sich
vorführen konnte , so neigt er zur Annahme , dass diese Epithelzcllen die Analoga
der Retinastäbchen im Auge, sowie der Corti'schen Organe im Ohre seien.
Insoweit ich bisher diesem schwierigen Gegenstande etwas abgewinnen konnte,
möchte ich den von Eckhard und Ecker vermutheten Zusammenhang der
Nervenfasern und Epithelzellen in Abrede stellen; es sind doch, abgesehen davon,
dass Niemand den Zusammenhang beider Gebilde beobachtet hat, die Epithelzellen
gegenüber den Nervenfasern viel zu zahlreich, als dass sie als Nervenenden gelten
könnten, sollten vielmehr wirklich die Nervenfibrillen über das bindegewebige Stra-
tum hinausgehen und in die Epithellage eintreten, so würde ich eher, wie oben
bereits erwähnt wurde, eigenthümliche, das Licht stark brechende Streifen, welche
zwischen den Epithelzellen der Nasenschleimhaut kenntlich sind, mit Nervenenden
in Beziehung bringen. Uebrigens ist in Betreff der Zusammensetzung des Epithels
so viel gewiss, dass in den unteren Schichten verästelte und selbst untereinander
communicirende Formen der Zellen vorkommen, was aber, man denke an die strah-
ligen Pigmentfiguren in der Epidermis verschiedener Thiere, keinesfalls eine aus-
schliessliche Eigenschaft des Nasenepithels genannt werden darf.
§. 193.
Unter den Wirbellosen kennt man ein Geruclisorgan bei den Gemchs-
, , - organ der
Cephalopoden. Es sind Gruben der Haut, deren Epithel nicht whbeiiosen.
flimmert ; auf dem Grunde erhebt sich zuweilen eine Papille, in welche
der Nerv tritt.
Neuerdings glaubt man auch bei den Gasteropoden dem Geruchs-
organ auf die Spur gekommen zu sein. An der unteren Fläche des
s. g. ßückenschilds beschreibt Hancock bei den Bulliden ein scheiben-
förmiges Gebilde, das von einem eigenen Nerven versorgt wird und in
manchen Fällen mit blätterigen Runzeln, wie das Geruchsorgan der
Fische besetzt ist. Leuckart möchte auch die von Oegenbaur an
den Pteropoden beschriebene Fhmmerscheibe , die einem besonderen
Nerven mit ganglionärem Ende aufsitzt, als Geruchsorgan deuten. —
Manche erklären ferner die Antennen der Insekten für Geruchs-
organe. Nach Erichson reichen an den Endgliedern dieser Gebilde
zahllose kleine Gruben in die Tiefe der Chitinhaut hinah „und er-
scheinen zur Vermittelung einer Geruchsempfindung sehr zweck-
mässig." Aehnlich spricht sich Bur meist er aus. Mir dünkt eben-
falls, dass die Antennen eine vom Tasten verschiedene Verrichtung
haben, denn ich sehe z. B. an Ichneumonidenarten, dass in der Haut
jedes Antennengliedes ausser den gewöhnlichen Haaren und den feinen
220 Vom Sehorgan des Menschen.
Porenkanälcn noch eigenthtimliche längliche Gruben vorhanden sind,
in deren Tiefe sich die Ghitinhaut verdünnt. Da niui dergleichen
Bildungen am ganzen übrigen Körper fehlen, selbst an den tastenden
Palpen und Fussenden, und da ausserdem ein starker Nerv im Inneren
der Antennen verläuft, so darf man der Vermuthung Raum geben,
dass man es mit einem spezifischen Sinnesorgan zu thun hat, und aus
Mangel an physiologischen Anhaltspunkten dürfte vorderhand noch am
ehesten auf ein Geruchsorgan gerathen v^rerden. Bezüglich der eigen-
thümlichen dichtstehenden, trichterförmigen Vertiefungen in den An-
tennenblättern des Maikäfers sei erwähnt, dass diese mit Luft gefüllt
sind und desshalb einen stark schattirten Rand haben. Wenn ich
übrigens recht beobachtet habe, so finden sich ganz ähnliche mit Luft
gefüllte Vertiefungen am ßrustschild der Lampyris spendidula. (Am
bequemsten sieht man die eigenen Gruben der Antennen bei Insekten,
die noch nicht ihre Puppenhülse verlassen hatten und pigmentlos sind ;
an Gastropacha pini z. B., wo sie am fertigen Schmetterling nicht ohne
Weiteres in die Augen springen, erkennt man an der Vorderfläche
der Seitenstrahlen die rundlichen Vertiefungen mit centralem Punkt
bei noch farblosen, aus der Puppe genommenen Thieren ganz leicht.)
Sclcr
Achtzehnter Abschnitt.
Vom Sehorgan des Menschen.
§. 194.
Der Augapfel ist zusammengesetzt aus der Faserhaut, Sclerotica
und Cornea, zweitens der Gefässhaut, Chorioidea und Iris, und drittens
der Nervenhaut, Retina. Diese drei Membranen bilden hauptsächlich
die Wand des Bulbus, während das Innere von den brechenden Medien,
der Linse und dem Glaskörper eingenommen wird.
Die Entwicklung des Augapfels geschieht vom Gehirn aus
und von der äusseren Haut her. Aus dem Gehirn stülpen sich die
prinu'tiven Augenblasen , welche sich in die sekundären , doppel-
wandigen dadui'ch umwandeln, dass die Linse vom oberen Keimblatt
sich hereinbildet. Das obere Keimblatt (Epidermisüberzug der Haut)
verdickt sich an dieser Stelle zu einer dickwandigen Hohlkugel, die
sich als Linse abschnürt {Huschke, Remak). Die Linse ist sonach
ein Produkt des oberen Keimblattes.
§. 195.
Die weisse, derbe und feste Sclerotica besteht aus dichtem
Bindegewebe, dessen Lagen in verschiedenen Richtungen sich durch-
flechten. Die Bindegewebskörperchen bilden ein zusammenhängendes
Hornhaut.
221
Netz von Kanälen, in denen wahrscheinlich eine Ernährungsflüssig-kclt
durch die ganze harte Haut sich verbreitet. An eigentlichen Blut-
capillaren ist die Sclerotica sehr arm.
Am vorderen Abschnitt des Auges geht die Sclerotica continuir-
Hch in die Hornhaut, Cornea , fort, welche zwar ebenfalls von sehr
festem Gefüge, aber durchsichtig, gewissermaassen das Fenster des
Auges ist. Auch sie besteht aus Bindesubstanzlagen , die übrigens von
dem gewöhnlichen Bindegewebe chemisch dadurch abweichen, dass
Fig. 119.
Senkrechter Schnitt durch die Hornhaut.
a eigentliche Substanzlage der Hornhaut mit den Bindegewebskörperchen (sollte
im Verhältniss zu den andern Schichten dicker gezeichnet sein), b die homogene
Grenzschicht an der vorderen Fläche, c die homogene Grenzschicht (Descemet'sche
Haut) an der hinteren Fläche der bindegewebigen Hornhautsubstanz, d das Einthel
der Conjunctiva, e das Epithel der Descemet'schen Haut. (Massige Vergr.)
sie beim Kochen nicht Leim, sondern Chondrin geben {Joh. Müller).
Die Bindesubstanzlamellen durchstricken sich auf's mannichfaltio-ste
o
und zwischen ihnen erscheint sehr klar ein System von netzförmig
verbundenen Bindegewebskörperchen, welche im Normalzustand nur
Plasma sanguinis führen, in der pathologisch veränderten Hornhaut
indessen endogene Zellen, Fetttröpfchen u. s. w. enthalten können. An
der vorderen und hinteren Fläche der Hornhaut geht die Bindesub-
stanz in homogene Lamellen aus; die vordere ist dünner als die hin-
tere und erscheint eigentlich nur unter der Form eines hellen Grenzsau-
mes, ganz in der Art, wie auch die Lederhaut, Schleimhäute, seröse Häute
etc. einen gleichen homogenen Rand bilden; die hintere Lamelle hingegen
ist viel dicker, von glasartigem Aussehen und heisst Wasserhaut oder
Membrana Descemeti. Indem diese Haut ringsherum, da wo die Horn-
haut authört, in ein Netzwerk von mehr elastischen als bindegewe-
bigen Fasern sich auflöst, nachdem sie vorher in warzenartige Ver-
Cornea.
222
Vom Sehorgan des Menschen.
ChorioMea
clickungen [HassaL H etile) sich erhoben hat, wird das Ligamentum
pectinatum erzeugt.
Die beiden homogenen Lamellen der Hornhaut sind von einem
Epithel überdeckt, jenes der vorderen Seite ist ein geschichtetes Plat-
tenepithel, dessen unterste Zellen länglich sind und senkrecht ste-
hen. Das Epithel repräsentirt die Conjunctiva der Hornhaut. Die Epi-
thelschicht der Descemet'schen Haut ist einfach und aus polygonalen
Zellen zusammengesetzt.
Die Hornhaut des Erwachsenen ist fast ganz gefässlos. Nur am Rande
beobachtet man einzelne kurze Grefässsclilingen in Begleitung der hier
eintretenden Nervenstämmchen und dann auch noch oberflächlich^ der
Bindehaut zunächst, eine Anzahl feiner Gefässbogen, die sich aber
höchstens eine Linie weit in die Hornhaut erstrecken. Die Co7-nea
ist ziemlich reich an Nerven. Die Ciliarnerven geben 20 — 30 Stämm-
chen ab, welche vom Scleroticalrande her in die Hornhaut eindrin-
gen; sie verlieren sehr bald ihre Markscheide, werden daher blass
und so durchsichtig, dass die Studien über die Endigungsweise mit
grossen Schwierigkeiten zu kämpfen haben; über die Ergebnisse der
Untersuchung vergl. unten: Hornhaut der Wirbelthiere.
§. 195.
Die zweite Haut des Augapfels oder die Aderhaut heisst in
ihrem hinteren umfänglicheren Abschnitt Chorioidea und in ihrem vor-
deren kleineren Iris.
Die Chorioidea^ Gefässhaut, zerfällt in zwei histologisch verschie-
dene Schichten. Die äussere oder Hauptlage besteht aus Bindesub-
stanz und Gefässen, die innere Schicht ist eine pigmentirte Zellenlage. —
Das Bindegewebe oder Stroma, der Träger der Blutgefässe, er-
scheint in den äusseren Schichten stark pigmentirt und zwar ist ein
dunkelkörniges Pigment In den verzweigten Bindegewebskörperchen
Fig. 120.
Stück der Cliorioidea. (Massige Vergr.)
a epithehirtige T>;iniiii;i pigiiHniti, zum Tlicil abgelöst und eingerollt, h Menilirniiii
cliori((-i',i))ill;u-is, c die stärkeren Gcfässe der Chorioidea, d die Latuina fusca..
Chorioidea, Iris. 2'23
abgesetzt. Beim Weg-lösen der Chorioidea von der Sclerotica Lleibt
immer ein Tlieil dieser bräunlich oder schwärzlich gefärbten Binde-
substanz an der Innenfläche der Sclerotica hängen und stellt damit die
Lamina fusca der iVutoren vor. Nach innen zu gestaltet sich das
Bindegewebe zu einer homogenen zarten Haut. Die stärkeren Ge-
fässe, Ciliararterien und Venen, sowie die Ciliarnerven liegen in dem
pigmentirten Bindegewebe, während die feine, äusserst dichte capil-
lare Ausbreitung der Chorioidealgefässe in der eben bezeichneten ho-
mogenen Haut ruht, welche als die Grenzschicht des Bindegewebes
nach innen anzusehen ist {Membrana chorio-capillaris oder Memhr,
Ruyschiana).
Die Epithellage an der Innentläche der Chorioidea besteht aus
regelmässig polygonalen Zellen, die sich bis zur Ora serrata in ein-
facher Lage erstrecken und dicht mit Pigmentkörnern erfüllt sind.
{Lamina pigmenti der Autoren.)
Die Chorioidea besitzt auch einen Muskel, es ist das der grau-
weisse Ring auf der äussren Fläche des vorderen Randes der Chorioi-
dea (das Liga7nent um ciliare der Aelteren). Er ist aus glatten Fasern
gebildet, die radiär von der Sclerotica, da wo sie in die Cornea über-
geht, entspringen und sich an die Chorioidea ansetzen. Die Muskel-
fasern sind kurz, zart und ihr Kern rundlich, nicht stabfönnig.
Die /m, Regenbogenhaut, besteht ebenfalls aus Bindegewebe, ihb
Blutgefässen, Nerven, Muskeln und Epithellagen. Das Bindegewebe
oder Stroma der Iris hat zahlreiche verzweigte Bindegewebskörper-
chen , die häufig Pigmentmolekule zum Inhalt haben und auch hier
formt die Bindesubstanz nach der freien Fläche hin einen homogenen
Saum. Die Blutgefässe der Iris schildert was Anordnung und
Vertheilung betrifft jedes Compendium der Anatomie. Die zahlreichen
Nerven sind die Endausbreitungen der Nervuli ciliares, welche lediglich
den Spannmuskel der Chorioidea und die muskulösen Elemente der
Iris zu versorgen haben. Die Muskeln sind glatt und ordnen sich
einerseits ringförmig um die Pupille herum, wodurch der Verengerer
gebildet wird, andererseits verlaufen sie strahlig von dem Rande des
Sphincter nach dem Ciliarrand der Iris , wodurch der Erweiterer oder
Dilatator der Pupille zu Wege kommt. — Die freien Flächen der Iris
deckt, wie anderwärts, ein Epithel; das der vorderen Fläche ist zart und
einfach, mit der Zellenschicht der Descemet'schen Haut in Verbin-
dung stehend, das der hinteren Seite ist die Fortsetzung der pigmen-
tirten Zellenlage der Chorioidea, besteht jedoch dm-chweg aus über-
einander gehäuften Zellenschichten, die mit schwarzem Pigment voll-
gefüllt sind {Uvea oder Traubenhaut des Auges). Der helle, freie
Rand dieser Pigmentzellen giebt in toto betrachtet auch wohl das Aus-
sehen einer hellen scheinbar selbständigen Cuticula.
Hinsichtlich der Farbe der Iris sei noch bemerkt, dass sie blau
erscheint, wenn ihr Stroma kein Pigment enthält und daher nur das
224
Vom Sehorgan des Menschen.
der Uvea durchschimmert; die bräunhchen und dunklen Färbungen
rühren her von gelbhchen oder bräunhchen Körnern und Klümpchen,
welche an das Stroma in variabler Menge gebunden sind.
§. 196.
Die dritte oder innerste Haut des Augapfels ist die Retina, die
Nerveuhaut. Sie hat den Bau eines membranförmig ausgebreiteten
Ganglions, besteht demnach aus Bindesubstanz und den nervösen Ele-
menten , und diese lassen wieder eine Anzahl von Schichten unterschei-
den. Die Bindesubstanz der Retina ist, wo sie als Träger der Blut-
gefässe fungirt, gleichwie in den Nervencentren eine weiche moleku-,
läre Masse, sie gewinnt aber, ähnlich wie an der Oberfläche der Hirn-
höhlen, eine festere Beschaffenheit an der inneren Oberfläche der Re-
tina, da wo sie an den Glaskörper anstösst und wird zu einer hellen,
homogenen Membran, die man als Begrenzungshaut, Membrana limi-
tans bezeichnet. Von der Innenfläche der Membrana limitans weg
durchsetzen Faserzüge in radiärer Richtung die Retina (das radiäre
Fasersystem der Autoren), die sammt der M. limitans mir gleichsam
Fig. 121.
iiH||iiii{|piilinni|iiiiiniiiiiciiiiiiiiiiiiiiiii'iiiii
H
''W
A Senkrechter Schnitt aus der menschlichen Retina, neben der Eintritts-
stelle des Sehiiurven: ]) Stäbchoischicht, 2) äussere Kürnerschicht, 3) Zwischen-
körnerschiclit, \) innere Künierscliicht, 5) granulöse Schiclit, 6) Nervenzellen-
schiclit, 7j Sehnervenfasern, 8) Begrenzungshaut.
B Schnitt aus dem gelben Fleck der m unsclili c b cn Itctina, Bezeichnung
der Zalileu wie vorliin. (Nach //. Müller.)
Retina. 225
den Rahmen oder Stützapparat abzugeben scheinen, in welchem die spezi-
fischen oder nervösen Gebilde der Retina enthalten sind. Die nervö-
sen Elemente bilden, wenn man von innen nach aussen zählt 1) die
Faserschicht des Sehnerven, 2) eine Schicht grauer Nervensubstanz,
3) die Körnerschicht, 4) die Stäbchenschicht. Zum weiteren Ver-
ständniss derselben diene folgendes.
Nachdem die Faserbündel des Opticus ins Auge eingetreten
sind , breiten sie sich geflechtartig in der Richtung von Meridianen
des Augapfels aus und bilden die erste Schicht unmittelbar unter der
Membr. limitans , die sich bis zur Ora serrata erstreckt. Am gelben
Fleck, Macula lutea, wo bekanntlich das deutlichste Sehen Statt findet,
ist diese Faserschicht des Opticus nur unvollständig, indem eine con-
tinuirliche Lage von Nervenfasern an der Oberfläche desselben mangelt,
und die herangetretenen Fasern sich zwischen die zelligen Theile die-
ser Gegend verlieren. Die Fasern des Opticus sind blass, zart, zu
Varikositäten sehr geneigt. Alle die Fasern der Opticuslage enden
in den Fortsätzen multipolarer grosser Ganglienzellen, welche der
Faserschicht des Opticus aufliegen. Andere Fortsätze verbinden die
Ganglienkiigcln unter einander selber, und wieder andere Fortsätze
verlaufen nach der Körnerschicht. Die multipolaren Ganglienkugeln
und ihre Ausläufer (graue Nervenfasern Pacini) gegen die Körner-
schicht zu, bilden zusammen die Lage, die vorher als Schicht grauer
Nervensubstanz unterschieden wurde. Indem jetzt diese Ausläufer
der grossen Ganglienzellen noch einmal mit den Fortsätzen kleinerer
Ganglienkugeln in Zussammenhang treten, entsteht die „Körnerschicht"
und zuletzt sollen die Ausstrahlungen der kleinen Ganglienzellen mit
fadenartigen Ausläufern der Stäbchen zusammenhängen. Die Stäbchen-
schicht besteht aus den eigentlichen Stäben und den Zapfen.
Erstere sind schmale, helle, homogene Cylinder, äusserst empfindlich
gegen äussere Einflüsse, die Zapfen sind kürzere Stäbchen, deren Ende
zapfen- oder birnförmig angeschwollen ist. Stäbchen und Zapfen sind
pallisadenartig aneinander gereiht, und meist ist die Stellung so, dass
die Zapfen vertheilt zwischen den Stäben stehen, am gelben Fleck aber
sind nur Zapfen zugegen. Der Faden, in welchem die Stäbchen und
Zapfen an ihrem inneren Ende sich verlängern, ist es eben, der mit
den Ausläufern der kleinen Ganglienzellen (Körnerschicht) zusammen-
hängen soll.
Die Retina erscheint dem Gesagten zufolge von einem analogen
Bau, wie die nervösen Centralorgane, da die Fasern des Opticus blasser
und feiner geworden, in den Ausläufern von Ganglienzellen unter-
gehen, man könnte auch sagen, entspringen. Die Ganglienzellen
unter einander selbst wieder durch Commissuren in Zusammenhang,
entsenden andre Ausläufer, die, nachdem sie abermals mit kleineren
Ganglienzellensich verknüpft haben, in Form von stabartigen Gebil-
den, die sehr regelmässig geometrisch geordnet sind, enden. Die
Leydig, Histologie. \^
226
Vom Sehorgan des Menschen.
Linse.
Stäbchen und Zapfen gelten desshalb gegenwärtig als die eigentlich
lichtempfindenden Theile, die fasrigen nervösen Elemente dienen zur
Leitung, die Nervenzellen wirken wie Nervencentren.
§. 197.
Die Krystalllins e zeigt eine Zusammensetzung aus Kapsel- und
Linsensubstanz. Die Linsen kapsei ist eine wasserhelle, struktur-
lose Membran, welche die Linse eng umschliesst. Die vordre Hälfte
der Kapsel hat an der innren Fläche ein aus einfacher Zellenlage
zusammengesetztes Epithel. Der sogenannte Liquor Morgagni, oder
die beim Anstechen der Linsenkapse] hervorquellende und einige auf-
geblähte Epithelzellen enthaltende Flüssigkeit ist eine cadaveröse Er-
scheinung.
Die Linsensubstanz wird gebildet durch die Linsenfasern.
Es sind das weiche , überaus blasse , faserartige Gebilde , platt und
bedeutend lang, wovon je eine Faser einer einzigen nach zwei Seiten
hin ausgewachsenen Zelle entspricht. Auf dem Querschnitt erscheinen
sie sechseckig, die Ränder sind rauh, wie leicht gezähnelt, an der
Peripherie der Linse haben sie einen grösseren Breitendurchmesser,
als nach dem Linsenkern zu. Die Linsenfasern sind so angeordnet,
dass sie, dicht an einander gelegt, zunächst einen blättrigen Bau der
Linse erzeugen, der besonders an erhärteten Linsen hervortritt. Ausser
dieser lamellenförmigen Schichtung muss auch der Verlauf der Linsen-
Fig. 122.
Senkrechter Sclniitt (iitrcli den Iv insenra nd.
a vordere Wand der Liiisenkapsel, b das Epithel derselben, c Linsenfasern.
(Starke Vergr.;
Linse, Glaskörper. 227
fasern beachtet werden. An der vordren und hintren Linsenfläche
bemerkt man nämlich eine sternförmige Figur^ die nicht ans Fasern
besteht, sondern als eine homogene oder feinkörnige Substanz sich
zeigt und durch die ganze Dicke der Linse, entsprechend den Linien
des Sterns, septenartig sich hindurchzieht. Die Linsenfasern verlaufen
nun im Allgemeinen wie Meridiane, da sie aber durch die Strahlen
der Linsensterne unterbrochen werden, so gelangt keine um den vollen,
halben Umfang der Linse, sondern sie hören an den Sternen mit
verbreitertem Ende auf und stellen damit Curvensysteme, die Vor-
tices dentis dar.
Fig. 128.
a Linse von vorne, b von hinten, um die Linsensterne zu veranschaulichen.
(Geringe Vergr.)
Die Linse und ihre Kapsel sind beim Erwachsenen ganz gefäss-
los, ihre Ernährung geschieht durch Tränkung von Seite der um-
gebenden Flüssigkeiten.
§. 198.
Der Glaskörper, Gorpus vitreum, ist was seine Struktur anbe- GuskBrper.
langt, ein Glied der Bindegewebsformen. Noch beim Neugeborenen
hat er ein zartes Fachwerk, das beim Fötus zum Theil der Träger
von Blutgefässen ist; in den Maschenräumen liegt die Gallert- oder
Schleimsubstanz. Das Fachwerk hat in den Hauptzügen eine gewisse
regelmässige radiäre Anordnung in der Art, dass der Querschnitt dem
einer Apfelsine sich vergleichen lässt. Später wird das Areolarge-
webe so zart, dass es kaum mehr unterschieden werden kann, nur
die äusserste membranartige Begrenzung am Umfang des Glaskörpers
bleibt als Membrana hyaloidea fortbestehen. Die Fortsetzung der
letztren, welche sich bis zum Rand der Linse erstreckt, heisst Zonula
Zinnil und weist etwas eigenthümliche Fasernetze auf; sie zeigen einen
gewissen starren Habitus und werden von Essigsäure nicht in dem
Maasse angegriffen, wie gewöhnliches Bindegewebe.
§. 199.
Mit dem Augapfel erscheinen einige accessorische Bildungen Acceasori-
in Verbindung: die Augenlider, die Conjunctiva und die Thränenorgane. AuglntLie.
Die Stützen der Augenlider, die sog. Tarsalknorpel, sind nicht
knorpelig, sondern bestehen aus festem, geformten Bindegewebe. In
ihnen liegen eingebettet längliche trauben förmige Talgdrüsen,
(Meibom'sche Drüsen), deren weisshches Sekret die Augenbutter,
Sehuyn palpebraLe, liefert. Die Cilien haben noch ihre besondren Talg-
drüsen.
15*
228 Vom Sehorgan des Menschen.
Die Bill rl eliaut, Conjunctivae ist an den Lidern von der des
Augapfels etwas verschieden. Dort hat sie die Charaktere einer ge-
wöhnHchen Schleimhaut, d. h. eine bindegewebige, in Papillen sich
erhebende Grundlage mit 8chleimdrüschen, Gefässen und Nerven, da-
rüber ein geschichtetes Plattencpithel. 8chon an der Conjunctiva sclero-
ticae fehlen Papillen und Drüsen ; die Bindegewebslage ist noch stark
und reich an elastischen Fasern, an der Conjunctiva corneae aber ist
das Bindegewebstratum innig mit der Hornhaut verwachsen und nur
das geschichtete, starke Epithel ist der einzige Repräsentant der Con-
junctiva geblieben.
Die Olandula lacrymalis hat den Bau von traubigen, aggregirten
Drüsen; die bindegewebigen Ausführungsgänge verästeln sich, winden
sich und treiben blasige Ausbuchtungen, die Acini der Autoren. Das
Innre ist ausgekleidet von rundlichen Sekretionszellen , die in den
Ausführungsgängen eine cylindrische Gestalt annehmen.
Beim Embryo ist, wie zuerst Joh, Müller und Henle nachwiesen, die
Conjunctiva corneae von einem reichlichen Gefässnetz durchzogen; kurz vor und
nach der Geburt verkümmert es zu den wenigen oben beschriebenen , am Rande
der Honiiumt befindlichen Gefässbogen, und wenn bei Entzündungen, oft plötzlich
in der ganzen Hornhaut des Erwachsenen Blutgefässe auftreten , so geschieht das
in Folge einer Gelässneubildung, worüber man die jüngst erschienene Schrift von
//i*', Beitr. z. normalen u. jiathologisch. Histologie der Cornea, 1856, nachzusehen
hat, welche überhaupt die exakteste Darstellung der Hornhaut in geweblicher Be-
ziehung enthält. Die muskulöse Natur üqü Ligamentum ciliare erkannte zuerst
Brücke (184:6) , nachdem dieser Theil unter den verschiedensten Benennungen
lange Zeit eine traurige liolle in der Anatomie gespielt hatte. — Die Literatur
über den Bau der Ketina ist selir reich an Widersprüchen. Abgesehen von an-
deren Differenzen sei nur erwähnt , dass schon früher einmal die Ansicht aufge-
stellt war (Trevirauus), die Stäbchen seien die Nervenenden. Später verbreitete
sich {dnrch Hannover, Brücke) die Auffassung, dass die Retina aus zwei wesent-
lich verschiedenen Tlieilen, dem Licht empfindenden Api)arat {Tunica nervea, aus
nervösen Tlieilcn bestehendj und aus dem katoptrischen , dem Stratum bacillosum,
zusammengesetzt sei. Wie aus dem oben Vorgetragenen hervorgeht, ist man zur alten
Lelire zurückgekehrt, und ist dieselben durch die Arbeiten PacinVs, TL Müller^s,
K'ölliker's u. A. präcisirt worden. Doch treten schon abermals Widersacher auf.
In der Abhandlung Blessig's, de retinae textura (1855), unter der Beihülfe von
Bidder und Schmidt geschrieben, wird erklärt, die Opticusfasern seien die
einzigen nervösen Theile der Retina, alles übrige Bindegewebe, die Ganglienkugcln
seien von einer feinkörnigen Substanz erfüllte Bindegewebsmaschen , die Radial-
fasern existirtcn nicht etc. 0))schon mir nun einzelne Behauptungen der neueren Be-
arbeiter der Retina nicht ganz unbedenklich sind und eine Berichtigung erfahren
dürften, so erweist sicli doch auch Vieles als richtig, und auf keinen Fall scheint
mir die obige Darstellung durch die Dorpater Schrift ganz vernichtet zu sein.
Die ersten Mittlicilungen, welche ein helleres Licht über den histologischen
Bau des Glaskörpers verbreiteten, gaben Bowman (1845) und Virchow (1852). —
T/iojna.-i hat auf L i n senst; li ii ffe n eigenthümliche Zeichnungen entdeckt, die jetzt
von Czermuk als der Ausiiiiick der Linsenfaserung erkannt worden sind.
Vom Auge der Wirbeltliiere. 229
Neunzehnter Abschnitt.
Vom Auge der Wirbeltliiere.
§. 200.
Die Sclerotica, g-leiclisam das Skelet des Auges, wird immer scieioti
aus den verschiedenen Spezies der Bindesubstanz gebildet; bei allen
Säugethieren besteht sie lediglich aus festem Bindegewebe, dessen
zellige Elemente (Bindegewebskörperchen) häufig Pigment enthalten
(Rind, Schaaf, Pferd z. B.) Die überaus dicke Sclerotica der Cetaceen
{Balaena australis z. B.) erscheint von einem grösseren Lücken system
durchbrochen, wie man an feinen Scheiben schon mit freiem Auge
unterscheiden kann. Das Bindegewebe ist hier nicht die gewöhnliche
Form, sondern jenes, welches das Ligamentum ciliare der Fische, deren
Iris etc. bildet und sich durch eine gewisse Starrheit seiner feinfasrigen
Elemente auszeichnet. Von Interesse ist, dass bei den Monotremen,
deren Bau in so manichfacher Weise an den der Vögel anklingt, auch die
Sclerotica sich wie bei letztren verhält. Schon aus der Arbeit Mechels
über den Omitliorliynclius ist bekannt^ dass hier die Sclerotica eine
Knorpelplatte besitzt und bei Echidna , deren Auge ich zu untersuchen
Gelegenheit hatte, ist die dünne Sclerotica nach ihrem ganzen Umfang
schöner Hyalinknorpel mit zartem bindegewebigen üeberzug: die
Knorpelzellen liegen äusserst dicht beisammen, nur im Umkreis der
Hornhaut, wo sich die Sclerotica wulstartig verdickt, hat sie den
Charakter einer fibrösen Haut angenommen. — Von Nerven konnte
ich bis jetzt in der Sclerotica (des Kalbes) nichts wahrnehmen , doch
will Bahn beim Kaninchen dergleichen gesehen haben.
Im Gegensatz zu den Säugern ist bei allen Vögeln des Hanpt-
constituens der Sclerotica ein Hyalinknorpel mit bindegewebigem,
innerem und äusserem Üeberzug. Die Zellen des Knorpels sind rund-
lich und selbst in ganz frischem Zustande mit körnigem Inhalt. Der
bindegewebige Theil der Sclerotica ossifizirt am vorderen Rande zu
einem Kranze von Knochenscliuppen (sog. vorderer Scleroticalring)
und auch um den Eintritt des Sehnerven herum beobachtet man bei
vielen Vögeln Ossifikationen der harten Haut (sog. hinterer Scleroti-
calring). Histologisch difleriren die am vorderen und hinteren Ab-
schnitt der Sclerotica vorkommenden Knochenbildungen dadurch, dass
che Schuppen des Knochenringes, wenn sie dünn sind, keine Mark-
kanäle enthalten, während der hintere Scleroticalring qhne Ausnahme
von grösseren oder kleineren, auch netzförmig zusammenhängenden
Markräumen, Fettzellen und Blutgefässe einschliessend, durchbrochen
ist. Letzterer scheint zum Theil durch Verknöcherung des Knorpels
230 Vom Auge der Wirbelthiere.
entstanden zu sein , der vordere Ring nimmt seinen Ursprung bloss
aus der Verkalkung des Bindegewebes. (Bei einem jungen Falco
huteo waren in den dicken Schuppen des vorderen Scleroticalringes
mit Gefässen und Fettzellen erfüllte Hohlräume). — In der Klasse der
Amphibien ist die Sclerotica häufiger hyalinknorpelig, die Knor-
pelzellen fasst ohne gekörnelten Inhalt und dicht stehend, so bei
Fröschen, Kröten, Sauriern, Schildkröten; beim Proteus ist das hin-
terste Segment der Sclerotica hyalinknorpelig, die Zellen mit einigen
Fettkügelchen neben dem Kern, vorne besteht sie aus Bindegew^ebe;
bei Menopoma alleghanensis, wo fragliche Haut im Verhältniss zu dem
kleinen Auge eine bedeutende Dicke hat, ist sie ebenfalls hyalinknor.
pelig und die grossen Zellen sind in verschieden hohem Grade pig-
menthaltig. Seltner sehe ich die Sclerotica von bindegewebiger Natur
(Salamander, Triton, Ringelnatter, Coecilia annulata). Am Vorder-
rand treten ebenfals bei Sauriern {Lacer-ta, Änguis fragüis , Iguana,
Monitor, Chamaeleo etc.) und Schildkröten zu einem Ring verbundene
Knochenplättchen auf, welche den Schlangen fehlen ; die bei Vögeln in
der Nähe des Sehnerveneintritts vorkommenden Ossifikationen finden
sich hier nicht, sie mangeln wenigstens, wie ich bestimmt sehe, bei
Lacerta agilis, Äiiguis fragüis, Tropidonotus natrix.
Die Grundlage der Sclerotica bei Fischen ist seltner gewöhn-
liches Bindegewebe, so z. B. bei Petromyzon marinus] allgemeiner
wird sie durch einen Hyalinknorpel rcpräsentirt, dessen Zellen von
sehr variabler Gestalt sind, (bei Knochenfischen oft manichfaltig ein-
gebuchtet, beim Stör theilweise strahlenförmig mit beträchtlich langen
Ausläufern u. dgl.) ; gegen die Peripherie des Knorpels strecken sie sich
gerne in die Länge und verlaufen wie anderwärts dem Rande parallel.
Ueberzogen wird der Knorpel von Bindegewebe, welches theils vorne
ringförmig (Stör), theils mehr hinten zu einigen Scheiben (viele Te-
leostier), theils nach Cuvier bei Xijjhias gladius zu einer zusammen-
hängenden Knochenkapsel ossifizirt. An dem von mir untersuchten
Auge eines Schwerdtfisches waren die histologischen Verhältnisse wie
bei vielen anderen Tcleostiern, d. h. die Sclerotica zeigte sich grossen-
theils hyalinknorpelig mit sehr dicht gestellten Knorpelzellen, nach
der Cornea hin war sie ossifizirt , das Knochengewebe sehr schwam-
mig und die fetterfüllten Markräume verliefen hauptsächlich, die Horn-
haut als Mittelpunkt genommen, radiär. Unter den ossifizirten Partien
war übrigens kein Knorpel mehr vorhanden. Der bindegewebige
Uebcrzug der Sclerotica ist öfters {Chimaera monstrosa z. B., hier'die
Sclerotica im Verhältniss zu dem grossen Auge auffallend dünn) mit
silberfarbenem Pigment überzogen.
§. 201.
Hornhaut. Dlc Homhaut gewährt überall das Aussehen von heller Bindesub-
stanz, durchzogen von dem Kanalnetz der Bindcgcwebskörperchen. Letz-
tere unter der Form längliclier, gczaktrandiger Iluhlräume liegen in ver-
Hornhaut.
231
schiedenen, sich durchkreuzenden Schichten. Die vordere und hintere
Fläche der Hornliaut geht in homogene Grenzlagen aus, die sich bei
Säugern (Rind, Schaaf, Schwein, Kaninchen, Meerschweinchen) wie
beim Menschen verhalten, doch fehlt nach His beim Pferd, der Ziege,
bei Hunden und Katzen die vordere Lamelle. Bei den Vögeln,
(Auerhahn z. B.) findet man die hintere, homogene Lamelle, Des-
cemet'sche Haut, dünner als die vordere, homogene Lage; bei Säuge-
thieren ist das Verhältniss gerade umgekehrt.
Fig. 124.
Hornhaut von Cobitis fossilis, um deren Gefässe a und Nerven b zu zeigen.
(Geringe Vergr.)
Sehen wir uns nach den Ge fassen der Hornhaut um, so sind bei den
■verschiedensten Säugern und Fischen die am Rande der Cornea
befindlichen Gefässschlingen verhältnissmässig leicht zu finden; ihrem
grösseren Theil nach ist jedoch die Substanz der Hornhaut gefässlos.
Wie weit die Gefässe in die Hornhaut eindringen, ist variabel nach
den vei-schiedenen Thieren. Während beim Kaninchen beinahe gar
keine Capillaren auf die Hornhaut übertreten, dringen sie beim Schaaf
bis zur Mitte der Hornhaut {Coccius). Bei den Fischen gehören die
Blutgefässe nur dem bindegewebigen Ueberzug an [Conjunctiva) ^
welcher als Fortsetzung der Lederhaut über das Auge weggeht. Die
Gefässe sind bei Fischen entweder nur einfache oder verzweigte
Schlingen {Cohitis fossilis, Oohius fluriatilis), oder es zeigen sich
wahre Gefässbüschel , wie man es z. B. an Orthagoriscus mola sieht.
Hier treten in die Cornea^ und zwar ebenfalls in dem Conjunctiva-
überzug, zahlreiche Gefässpyramiden herein, die aber unter sich keine
Verbindung eingehen, sondern gleich den Gefässverzweigungen einer
Darmzotte, mit denen sie grosse Aehnlichkeit haben, wieder für sich
aus der Hornhaut herausziehen.
232
Vom Auge der Wirbelthiere.
Fig. 125.
G-efiissIiaut.
Gefässe vom Hornhautrand des Orthagoriscus mola. (Geringe Vergr.)
Die Nerven verlieren sich im Allgemeinen unter fortgesetzter
Theilung der Primitivfasern fein und blass geworden, nach der Mitte
der Hornhaut hin ; wo sie netzartig zusammenzuliängen scheinen ;
man zählt z. B. an Gohius fluviatüis gegen zwölf Stämmchen, welche,
vom Rand der Hornhaut hereingetreten, sich durch Austausch ihrer
Fasern gcflechtartig verbinden und dann ihre Fibrillen in den hellen
Abschnitt senden. Diese setzen aufs neue weitmaschige Gefleclite zu-
sammen, aus denen äusserst blassgewordene Ausläufer hervorkommen,
welche das Endnetz bilden. Aehnlich ist es auch bei Säugern, dem
Kaninchen z. B. ; doch trifft man auch Abänderungen , bei Rochen
und Haien z. B. gehen die Nerven (und Gefässe) nicht über den
pigmentirten Rand der Hornhaut hinaus und lassen sich keineswegs
in den hellen Abschnitt verfolgen. Am sorgfältigsten ist His den
Endzweigen der Nervenfasern nachgegangen, denn er machte die
neue Beobachtung, dass in dem Endnetze derselben kleine dreieckige
x\nschwellungen , mit verschiedentlich gestaltetem Kern vorhanden
seien, die er „als eine Art peripherischer Ganglienzellen" an-
sprechen zu müssen glaubt. Die feinste Nervenverzweigung geschieht
übrigens nach His in der unmittelbaren Nähe der Oberfläche der
Hornhaut.
§. 202.
Die Chorioidea zerfällt immer in die oben für den Menschen
namhaft gemachten Schichten. Die Hauptmasse der Aderhaut wird
aus Blutgefässen gebildet, und deren bindegewebigem, pigmentirten
Stroma, au welchem immer wieder kehrt, dass die faserähnlichen Züge
desselben sich durch einen eigenthündichen steifen Habitus auszeichnen.
Die Pigmentirung ist bei verschiedenen Thieren nicht gleich stark,
und wie v. Wittich angiebt, fehlt sogar beim Canarienvogel das Pig-
ment im Chorioidealstratum ganz. Nach innen zu setzt sich die
Bindesubstanz der Chorioidea in eine homogene Haut um, welche
das äusserst dichte Capillarnetz trägt {Membrana chorio-capillaris).
Von dieser Haut bedeckt findet sicli im Auge vieler Säugethiere
(nach Schröder van der Kolk und Vroiik auch beim Strauss),
Gefässhaut. 233
dann bei Fischen: Rochen, Haie, Chimären, Stör, eine glänzende, das
Licht zurückwerfende Stelle, ein sog. Tapet um, bei Säugern mit gold-
oder silberfarbigem, ins blaue und grüne streifendem Schiller, bei
Fischen mit grüngoldenem Metallglanz, Es besteht entweder, wie solches
bei Wiederkäuern, Einhufern, Elephanten, Beutelthieren, Wallfischen
und Delphinen der Fall ist, aus ganz gewöhnlichem Bindegewebe
Fiff. 126.
Stück Tapetum von einem Haifisch. (Starke Vergr.)
{Tapetum fih'osum der Autoren), oder es erscheint aus zelligen Gebil-
den zusammengesetzt, die bei Säugethieren (Fleischfresser und Flossen-
füsser) einen feinkörnig molekularen Inhalt haben, oder wie bei den
genannten Fischen kryst/illinische, irisirende Plättchen einschliessen.
Sie werden von delle Chiaje Ophtalmolithen genannt. Sie sind ferner
nicht gleich gross bei allen Selachiern ; bei einem Embryo von Torpedo
(mit noch innerem Dottersack), ebenso bei einem ausgewachsenen Scym-
nuslicMa waren sie viel kürzer und feiner als z. B. bei Raja und Spjhyrna.
Die Membran der Zellen des Tapetum's ist gewöhnlich äusserst zart,
kaum darstellbar, was sowohl für das zellige Tapetum der Säuger
als auch der Fische seine Gültigkeit hat. Beim Dachs z. B. kann ich
keine membranartige Begrenzung um die körnig-gelben , einen Kern
einschliesenden, Zellen wahrnehmen, ebenso erging es mir bei manchen
Plagiostomen ; hingegen war in anderen Fällen, z. B. am Störauge,
eine membranartige Contur zu erblicken.
Die Zellen der innersten epithelartigen Lage der Aderhaut, der
sog. Lamina pigmenti, sind mit Pigment, dem auch häufig (z. B.
bei Batrachiern) ein oder mehrere Fetttropfen beigemischt sind, erfüllt,
doch bei leukotischen Säugethieren und Vögeln, sowie da, wo das
Tapetum sich ausbreitet, mangelt das dunkle Pigment, die Zellen haben
alsdann einen blasskörnigen Inhalt mit mehreren Fettkügelchen (Rochen,
Stör). Die Pigmentzellen sind bei Vögeln und beschuppten Amphi-
bien kurze Cylinder, die durch das Präpariren leicht ihre wahre Ge-
stalt einbüssen, kegelförmig werden, sich dachziegelartig decken u. s. w.,
welche Formen irrthümlich als eigenthümliche Gestaltungen dieser
Zellen durch Bruch und v. Wittich beschrieben wurden, was in beiden
Fällen von Reichert corrigirt wurde (Jahrsb. 1844 und 1853).
Die Processus ciliares der Chorioidea sind in ihrem feineren
Verhalten nicht bei allen Wirbelthieren gleich. Bei den Säugethieren
bestehen sie hauptsächlich aus Gefässconvoluten und der die Gefässe
234 Vom Auge der Wirbelthiere.
tragenden Bindesubstanz, welch letztere an der Basis der Fortsätze
den bezeichneten Charakter des Chorioidealstroma's hat, nach dem
Ende der Fortsätze zu aber mehr homogen sich ausnimmt; die äussere
Fläche der Ciliarfortsätze decken die Zellen der Lamina pigmenti,
welche sich auf die Processus fortsetzen. — Das Corpus ciliare der
Vögel zeichnet sich durch einen ungemeinen Reichthum an elastischen
Fasern aus, die dicht durch einander geflochten sind, woher es kommt,
dass nach Wegspülung des Pigmentes die Processus ciliares durch leb-
haft weisse Farbe von der grauen Iris abstechen. Die starken elas-
tischen Fasern laufen nach der Peripherie der Processus sehr fein
aus. — Die Ciliarfortsätze der Selachier erweisen sich in einfacherer
Art als unmittelbare Fortsetzungen der Membrana chorio-capillaris und
des Pigmentcpithels. Da das Epithel bei Sphyrna wenig pigmenthaltig
ist, so erscheint der Ciliarkörper ziemlich hell, und die hellen oder
wenig pigmentirten Partien sind ohne Blutgefässe. Bei Hcymnus lichia
sah ich die homogene , häutige Grundlage der Processus noch eine
ziemliche Strecke weit über das Epithel hinaus Falten bilden, bis sie
mit der Linsenkapsel verschmolz. — Bei manchen Teleostiern, (z. B«
Umhrina cirrhosa) liegt unter der Sclerotica zwischen ihr und der
Chorioidcaldrüse eine dicke, weisse Fettlage.
§. 203.
pccten. Jene eigenthümlichen Fortsätze, welche die Chorioidea bei Vögeln
und beschuppten Amphibien ins Innere des Glaskörpers schickt und
unter dem Namen Fächer, Pecten bekannt sind, haben den Bau der
Processus ciliares, bei der Eidechse wenigstens (s. Fische und Reptilien
S. 95.) besteht der keilförmige Kamm des Auges aus vielfach durch-
einander geschlungenen Blutcapillaren, die von einer im Stiel des
Kammes befindlichen Arterie ausgehen und sich in eine ebenda ver-
laufende Vene sammeln. Die Gefässe sind zusammengehalten von
einer zarten Bindesubstanz und diese ist mit schwarzem Pigment
überdeckt. — Der gemeinhin für das Aualogon des Kammes geltende
Processus Proccssus falciformis lYO. Fischauge ist von ganz anderer Beschaffen-
heit. Er erscheint dem freien Auge als eine pigmentreiche Falte,
welche durch den Glaskörper zur Linse tritt und vermittelst eines
Knötchens an den Rand der Linse sich befestigt. Nach Untersuchungen
an OrtJiagoriscus 'inola, Umhrina cirrhosa, Pentex vulgaris, Lahrax
hipus, Peristediou cataphracta (s. Rochen und Haie S. 2Q) charakterisirt
sich dieses Organ vom histologischen Standpunkt folgendermaassen.
Die homogene, bindegewebige Membran, welche in der Chorioidea
die Gefässausbreitung t)-ägt, setzt sich durch eine Spalte der Retina
scheidenartig bis zum Rande der Linsenkapsel fort und mag wohl
mit ilir verschmelzen. Ihr Lauf von der Retina zur Linse ist nicht
geraden Weges mitten durch den Glaskörper, sondern sie liegt der
Retina concentrisch an, und erst vorne biegt sie, wie ein Cih'ar-
körper, quer herüber zur Augenachse, um sich mit der Linsenkapsel
l'alcifoimis.
Processus faiciformis.
235
Fig. 127.
Das Auge von Labrax lupus in natürl. Grösse, die vordere Hälfte ist abgetragen,
a Retina, b Linse, c Processus faiciformis, d Campanula.
fest ZU vereinigen. Sie schliesst in sich ein Nervenstämmclien mit
breiten, doppeltconturirten Fibrillen, dann Blutgefässe und hat mehr
oder weniger Pigment. Diese Theile zusammengenommen repräsen-
tiren den Processus faiciformis. Das Ende desselben oder seine An-
heftung an die Linsenkapsel ist verdickt, was von einer Fasermasse
herrührt, welche die Linsenkapsel eine Strecke weit umspannt und
Fig. 128.
Processus faiciformis und Campanula massig vergrössert von Orthagoris-
cus m ola.
a Arterie, b Vene, c Nerv, d Scheide des Processus, e muskulöse Campanula,
f Stück der Linsenkapsel.
236 Vom Auge der Wirbelthiere.
die nach dem mikroskopischen Verhalten für glatte Muskulatur er-
klärt werden mus. In ihr verliert sich das Nervenstämmchen unter
zahlreicher Verästelung seiner Fibrillen. Diese Anschwellung bildet
die sog. CamiJanula Hallen', die dem Gesagten zufolge nichts anderes
ist, als ein glatter Muskel.
§. 204.
Muskeln Jß clcr Chorioidea verschiedener Wirbelthiere sind contraktile
cuorioidea. E 1 c m c u t c nachgcwicsen worden, bei Säugethieren ist das früherhin
LigamentUTn ciliare geheissene Gebilde als Spannmuskel der Chorioi-
dea erkannt worden, (Corti konnte jedoch beim Elephanten hier keine.
Muskeln finden).
Die glatten Fasern des Tensor cliorioideae entspringen von dem
vorderen Theil der Sclerotica und heften sich rückwärts laufend an
die Chorioidea. Ein besonderes Interesse nimmt das Auge der Vögel
bezüglich seiner inneren Muskulatur in Anspruch. Es hat nicht nur
den Tensor chorioideae, sondern auch die ganze hintere Hälfte der
Aderhaut, welche, nach dem Opticus zu, sehr viel derber und fester
als bei Säugethieren ist, und sich dann in dem vorderen Drittheil
ihrer Ausbreitung verdünnt, besitzt, wie v. Wittich entdeckt hat (Ztsch.
f. wiss. Z. B. IV.), ein ziemlich weitläufiges Maschennetz von vielfach
sich kreuzenden Muskelbündeln, die, meist von isolirten Knotenpunk-
ten ausgehend, sich allseitig verbreiten. Dieser Muskelanordnung
entspricht auch nach demselben Autor ein ungemein verzweigtes Netz
vielfach sich ramifizirender und anastomosirender Nerven ; meist in
grösseren oder kleinrcn Stämmchen treten die aus doppeltconturirten
Nervenröhren bestehenden Nerven in das Gewebe der Chorioidea, und
umspinnen die grösseren Gefässe derselben. Ausser diesen und den
gleich zu beschreibenden Irismuskeln hat das Auge der Vögel noch den
sog. Crampton'schen Muskel, der von der inneren Fläche des Knochen
rings entspringt und sich an die Cornea anheftet. Die beschuppten
Reptilien haben den Tensor chorioideae, wie Brücke wenigstens
von den Schildkröten, den Eidechsen, mit Einschluss der Gekonen und
Chamäleonen, sowie den Krokodillen gezeigt hat. Bei den nakten
Amphibien konnte ich mich von der Anwesenheit eines Spannmus-
kels der Aderhaut noch nicht vergewissern, und was die Fische an-
langt, so ist bei den Selachiein das grauweisse Ligamentum ciliare
keinesfalls muskulös, sondern besteht aus den eigenthümlich starren
Bindegewebszügen der übrigen Chorioidea. Nimmt man Rücksicht
auf die Natur der Muskeln im Auge der Wirbelthiere, so machen
wir die Erfahrung, dass bei den Säugern die Muskeln ohne Aus-
nahme glatt, bei den Vögeln und beschuppten Reptilien andrer-
seits durchweg quergestreift sind.
§. 205.
uegci.bogcn- Dic Irls, ciuc unmittelbare Fortsetzung der CItorioidea, hat als
solche zum Grundgew^ebc Bindesubstanz, dessen Fasern bei Rochen
Iris. 237
und Haien dasselbe eigentliüralicb steife Aussehen darbieten, wie
das Stroma der Chorioidea. Die Gefässe und Nerven sind sehr zahl-
reich und bezüglich der Blutgefässe ist mir bei mehren Haien auf-
gefallen, dass dieselben ganz besonders weit waren. In das Gewebe
der Iris sind sehr allgemein zur Verengerung und Erweiterung der
Pupille Muskelfasern eingeflochten, die bei Vögeln und beschupp-
ten Amphibien quergestreift, bei Säugern und Fischen glatt
sind. (Nach den neuesten Mittheiluugen v. Witticlis würden bei den
Vögeln die radial die Iris durchziehenden Muskelbündel , also der
Dllatator pupillae entschieden fehlen, während am Säugethierauge die
Existenz desselben ausser allem Zweifel ist; übrigens konnte Mayer
bei Cetaceen nur circuläre Muskelfasern finden). Ich habe zwar
früher an Haien vergeblich nach Muskeln in der Iris gesucht, möchte
indessen die Existenz derselben doch annehmen, da ich an einem
lebenden ßcijllium canicula beobachtete, wie er seine querovale Pupille
so verschluss, dass sie nur an beiden Enden punktförmig offen blieb.
Auch glaube ich neuerdings in der Iris von Salmo fario glatte Mus-
keln erkannt zu haben ; sie sind zart, feinkörnig, der Kern rundlich-
oval und die Muskeln erinnerten im ganzen Habitus sehr an die Ele-
mente des Tensor chorioideae des Menschen.
Manchfaltig sind die Färbungen Aqv Iris: die gelben Pigmen-
tlrungen bei den verschiedensten Wirbelthieren rühren her von eigen-
thümlichenMolecularkörnchen, die bei auffallendem Licht weissgelb und
glänzend, bei durchgehendem schwarz sind und sich auch am mensch-
lichen Auge bei gelbbräunlicher Irisfarbe finden. Bei den Vögeln mit
gelber his kommen zugleich mit diesen Pigmentkörnern noch gelbe
Fetttropfen von wechselnder Grösse vor, sie veranlassendie röthliche
Nuancirung, wie mich die Untersuchung des Auges vom Reiher be-
lehrt. Bei l::itrix Buho ist nach Wagner „die hochgelbe Farbe der
Iris durch kleine, dichtgedrängte, in eine Menge Zellen getheilte,
rundliche Bälge bedingt, indem diese in ihren Zellen ein gelbes Fett
einschliessen". Nach Untersuchung der Strix jyasserina habe ich
beizusetzen, dass die „Bälge* Wagners durch den Verlauf der
Blutgefässe entstehen, indem die Fettzellenmasse dadurch, wie man
gut bei geringer Vergrösserung und Beleuchtung von oben sieht, in
grössere und kleinere Abtheilungen geschieden wird. Weniger ver-
mag ich die Angabe des genannten Forschers zu bestätigen , wenn
er sagt: „bei den Eulen laufen die Gefässe frei zur Iris'' und letztere
sei über eine Linie von dem freien Rand der Chorioidea entfernt. Ich
finde nach Wegnahme der Uvea zwischen dem zackig auslaufenden
Rand der gelben Irisschicht und der Chorioidea ein helles, die Ge-
fässe tragendes, und elastische Fasern enthaltendes Bindegewebe.
Der Metallglanz bei Fischen und Reptilien hängt ab von kry-
stallinischen , hier sehr kleinen Plättchen ; Braun und Schwarz wird
durch das ordinäre, körnige Pigment erzeugt.
238 Vom Auge der Wivbelthiere.
§. 206.
Net/haut. Die Retina der Wirbeltbiere ist im Wesentlichen nach dem
Typus der Nervenhaut vom menschlichen Auge construirt, auch sie
hat den Bau eines flächenhaft ausgebreiteten Ganglions. Man unter-
scheidet sehr allgemein die Stäbchenschicht, die Körnerschichten
(aus kleinen Zellen und feinfasrigen Elementen bestehend), die Gang-
Henzellenschicht und die Lagen der Sehnerventasern, welche gewöhn-
lich mehr blasser Natur, beim Hasengeschlecht aber deutlich dunkel-
randig sind. Am blöden Auge des im dunkeln lebenden Maulwur-
fes, sowie des unterirdischen Proteus konnte ich früher und auch,
jetzt nicht im frischen Zustande eine iStäbchenschicht auffinden, sie be-
stand blos aus Kernen und Molekularmasse ; allein an einem Kopfe des
erstren. den ich vom lebenden Thier abgeschnitten, in doppelt chrom-
saurem Kali conservirt hatte, gewahre ich im Auge ein Stratum bacillo-
sum, dessen Elemente zwar von äusserster Feinheit, aber doch deutlich
sind. Sie entsprechen mehr den Coni, indem sie an ihrem inneren
Ende mit einer zellenähnlichen Anschwellung versehen sind. — Die
Stäbchen der niederen Wirbeltbiere sind in der Regel grösser
(eine Ausnahme macht z. B. Orthagoriscus, wo sie fein bleiben) als
die der höheren , die umfängHchsten kommen dem Landsalamander
zu, und zeigen dann auch mehr oder minder deutlich eine Zusammen-
setzung aus Hülle und Inhalt, selbst noch an den Stäbchen des
Auerhahns Hess sich sehen, wie eine zarte Hülle vom körnig gewor-
denen Inhalt sich ringsherum abhob. Die Elemente der Stäbchenschicht
sind nach ihrer Form entweder von zweierlei Art, Stäbchen und Zapfen,
welches das gewöhnlichere ist, oder in seltneren Fällen besteht die
Stäbchenschicht nur aus dem einen oder anderen Gebilde, Rochen
und Haie z. B. vielleicht auch der Stör, haben nur Stäbchen, Änguis
fragüis, Fetrornyzon bloss Zapfen. Bei Fischen kommt eine Verbin-
dung der Zapfen zu Zwillingen vor. Die Vögel, Amphibien,
{Pelohates nicht) viele Fische (Plagiostomen nicht) haben an den
inneren Enden der Elemente der Stäbchenschicht farbige und farb-
lose Fetttropfen ; so sieht man bei Vögeln und Schildkröten farblose,
dann gelb- und rothgefärbte, intensiv gelbe bei der Eidechse, farb-
lose bei der Blindschleiche, bei der Unke {Bombinator igneus) zwar
spärliche, aber grosse, stark gelbgcfärbte Tropfen u. s. w. In anderer
Art erscheint das zugespitzte Ende der Coni bei der Eidechse gelb-
lich gefärbt, indem die mikroskopische Beschaffenheit des Pigmentes
zwischen flüssigem und gekörntem Pigment in der Mitte steht. Die
Zellen der Latnina pigmenti der Chorioidea senden bei vielen Fischen,
Vögeln und Reptilien pigmcntirte Verlängerungen, sog. Pigment-
scheiden, zwischen die Elemente der Stäbchenscliicht vor.
Die Stäbchen der Amphibien {Rana , Pelohates z. B.) haben,
wenn sie in grösserer Anzahl beisammen liegen, einen rosenrothen,
bei manchen Fischen (z. B. Cobitis fossilis) einen gelblichen
Retina.
239
Schimmer. Die frische Retina des Frosches z. B. zeigt schon dem
freien Auge einen lebhaft rothen Atlasschiller. Die fadigen Aus-
läufer der Stäbchen verbinden sich in ähnlicher Art mit den Ganglien-
zellen und diese wieder mit den Opticusfasern , wie oben vom
Menschen erwähnt wurde. Die nervösen Theile, d. h. die Nerven-
fasern und Ganglienkugeln, in bestimmte Schichten geordnet, werden
gestützt durch Bindesubstanz , deren stärkere Züge als Radialfasern
bekannt sind; durch Vereinigung der Enden der letzteren wird die
Membrana limitans oder die Grenzschicht der Retina gegen den
Glaskörper hin gebildet.
Fig. 129.
A
ß
A Senkrechter Schnitt aus der Retina des Barsches: a Pigmentzellen
der Chorioidea, ihre Fortsätze verdecken die Stäbchen fast gänzlich , b Zapfen-
spitze, c Zapfenkörper, d Fortsatz, durch welchen derselbe über e, der Grenz-
linien der Stäbchen- und Körnerschicht, mit f, dem Zapfenkorn, in Verbindung
steht , g Stäbchenkorn , h Anschwellungen an den Fäden der Zapfenkörner,
i Anschwelltttigen der Radialfasern k.
B Senkrechter Schnitt aus der Retina des Frosches: a Pigmentzellen mit
ihren Kernen, b Stäbchen, c Zapfen, d Grenzlinie der Stäbchen- und Körner-
schicht, Anschwellung der Radialfasern f, deren konisches Ende g an die Li-
mitans stösst. — Die Zahlen 1 — 8 bezeichnen dieselben Schichten, wie Fig.
121 von der menschlichen Retina angegeben wurde. (Nach H. Müller.)
§. 207.
Was die brechenden Medien betrifft, so besteht die bei Wasser- li»*'«-
thieren oft sehr feste, sonst nur festweiche Kry stalllinse immer aus
Kapsel und Linsensubstanz. Die Kapsel zeigt (beim Rind z. B.)
eine deutliche, mit der Fläche parallel verlaufende, feine Streifung,
wie die Descemet'sche Haut, welche Zeichnung auf eine Schichtung
240
Vom Auge der Wirbelthiere.
aus homogenen Lamellen bezogen werden kann. An der Innenfläche
der homogenen, glashellen Kapsel findet sich wohl bei allen Wirbel-
thleren eine Art von hellem Epithel (mir bekannt von Säugern,
Selachiern , Salamander und Frosch) , dessen Zellen ebenso gut als
Bildungszellen der Linsenfasern bezeichnet werden können, und es
ist von Interesse , dass in dem winzigen Auge des Maulwurfes die
Linsensubstanz nur aus Zellen besteht {Leydig in Müll. Arch. 1854,
S. 346) ; die Zellen sind im frischen Zustande äusserst pellucid, von
derselben Natur, wie die Epithelzellen an der Innenfläche der Linsen-
kapsel anderer Wirbelthiere. Im frischen Zustande markirt sich kaum
etwas von einem Kern ; setzt man indessen Essigsäure zu, so gewinnen
nicht nur die Conturen an Schärfe, es kommt jetzt aucli in jeder Zelle
ein deutlicher Kern zum Vorschein. Die Zellen erinnern dann sehr
an junge Epidermiszellen , sowie überhaupt die ganze geschilderte
Textur auf das Verharren der Linse im embryonalen Zustande hin-
weist. An Augen, welche einige Zeit in doppelt chromsaurem Kali
aufbewahrt lagen, liess sich über die Gestalt der Linsenzellen noch
manches Detail beobachten. Es zeigt sich hier nämlich, dass doch
viele Zellen im Auswachsen begrifl:en waren, aber was auifallend ist
und an die Zellenformen in den unteren Lagen mancher Oberhäute
gemahnt, die Zellen schickten nicht bloss einen Fortsatz aus, sondern
häufig mehre, so dass die mannichfaltigsten Gestalten zu Wege kamen.
Die Zellen wuchsen so aus, wie wenn sich immer die eine nach den
Conturen der anderen zu richten hätte, wovon beistehende Figur zur
Veranschaulichung dienen kann. Die faserartig ausgezogenen Zellen
Fig. 1.30.
Aus (1 (M- LiiKsc des Maulwurfes.
hatten niu" glatte ]\ändei- und die ganze Linse fiel auch nach dem
EinreisHcn der Linsenkapsel vollständig in ihre Elemente auseinander.
Sehr wahrscheinlich steht die Linse in den blöden Augen anderer
Linse. 241
Thiere auf einer entsprechenden niedrigen Stufe des Bcaues. So be-
schreibt Wyman aus dem vordersten Theil des Augapfels vom bh'nden
Fische der Mammuthhöhle [Ämhlyopsis spelaeus) „einen hnsenförmigen,
durchsichtigen Körper , der aus einer äusseren Membran mit zahl-
reichen, gekernten Zellen bestand'', was doch ganz mit der Linse des
Maulwurfauges übereinstimmt, und wenn weiter beigefügt wird, dass
der linsenförmige Körper durch eine vordere Verlängerung an der
äusseren Membran des Augapfels befestigt zu sein schien, so passt das
recht gut zu dem Stehenbleiben der Linse auf einer früheren Stufe
der Entwicklung, da bekanntlich dieser Körper durch Abschnürung
von der Hornschicht gebildet wird. Vielleicht verhä,lt sich auch die
Linse von Myxine auf ähnliche Weise. Doch ist meines Wissens das
Auge dieser Thiere im frischen Zustande noch nicht untersucht wor-
den; was Joh. Müller an Weingeistexemplaren darüber beobachtet
hat, siehe Anat. d. Myx. 1837. — Im Auge des Proteus vermisste ich
die Linse; nur bei einem Lidividuum konnte in der Augenflüssigkeit
ein Körper unterschieden werden, der wie eine runde, helle, voll-
kommen homogene und dabei feste Eiweissmasse sich ausnahm. Will
man ihn als Linse ansprechen, so wäre er seiner Strukturlosigkelt nach
nur der Linse mancher niederer Thiere, z. B. jener der Schnecken,
zu vergleichen. *)
Bei allen Wirbelthieren mit gehörig entwickelten Augen erscheint
die Linsensubstanz aus Fasern zusammengesetzt, wovon jede einer
einzigen ausgewachsenen Zelle entspricht, deren Kern in den äusseren
Schichten ziemlich allgemein bei Säugern, Vögeln (Auerhahn z. B.),
Amphibien (z. B. Frosch) persistent bleiben kann. In der Linse des
Landsalamanders wechseln in höchst eigenthümlicher Art durch die
ganze Rindenschicht der Linse die Fasern mit schönen Zellenreihen ab
(Fische und Rept. S. 98). Die Linsenfasern , namentlich niederer
Wirbelthiere, sind, mit denen des Menschen verglichen, dadurch aus-
gezeichnet, dass ihre Ränder sehr stark sägezähnig werden, am meisten
bei den Fischen, welche Erscheinung ^e^en den Kern der Linse zu-
nimmt, während andererseits die Breite der Fasern in dieser Richtung
geringer wird. Gegen den Kern der Linse hin gewinnt die Substanz
*) Obschon die Coecilia annulata angeblich „mehre Fuss tief unter Morast-
erde lebt", so hat doch der sehr kleine Augenbulbus, welcher unter einer an dieser
Stelle durchsichtigen Fortsetzung der Haut liegt , alle wesentlichen Theile des
Auges. Ich unterscheide an einem gut erhaltenen Exemplar eine bindegewebige
Sclerotica, darunter die pigmentirte Chorioidea, dann eine Retina, an welcher man
noch deutlich ein Stratum bacillosuni erkennen konnte, und zwar bestand letzteres
aus schlanken Stäbchen (viel dünner und kleiner als die der Batrachier) und
Zapfen, welche nach einer Seite konisch verlängerten Zellen ähnlich waren. Nur
die kuglige Linse hatte einen embryonalen Charakter, indem sie anstatt ausgebil-
deter Fasern aus rundlichen Zellen und rohrartig ausgewachsenen Zellen zusammen-
gesetzt war.
Leydig, Histologie. J^g
242
Vom Auge der Wirbelthiere.
Fig. 131.
l'orpus
vitreura.
A Linsen fasern nach der Länge und im Querschnitt von höheren Wirbel-
thieren, B Stück einer Linsen'faser von einem Fisch. (Starke Vergr.)
der Linsenfasern, namentlich bei Fischen, eine solche Festigkeil, dass
an der frisch aus dem Auge genommenen Linse, z. B. eines Karpfen,
leicht ein Kern ausgeschält werden kann , der nur mit Mühe sich
schneiden lässt und bei dem Versuche , dies auszuführen , wird die
bisher pellucid gewesene Kernsubstanz plötzlich auf Strecken weit
intensiv weiss , was davon herrührt , dass durch den Druck des
schneidenden Instrumentes die Linsenfasern auseinander weichen und
die dadurch entstandenen Lücken sogleich mit Luft sich füllen. Die
Figuren an den Linsenpolen, wodurch die Fasern in ihrem Lauf unter-
broclien werden, wechseln in ihrer Gestalt, bald stellen sie nur eine
einfache Linie oder Fleck dar, bald einen Stern mit verschiedenen
Zacken. Bei Torpedo Oalvanü z. B. ist die vordere Figur linienförmig
mit welligen Rändern, die hintere hat sich zu einem ovalen Fleck
Fig. 132.
h
% ^^r^
^^ /
^
i»^
Linse von Torpedo Galvanii: a von vorn, b von hinten. (Geringe Vergr.)
ausgebreitet. Auch beim Frosch , manchen Nagern , dem Delphin
findet sicli vorn und hinten eine gerade Linie , sonst haben die
meisten Säuger Sterne an den Polen. Nach Brewster besitzen die
Katzen, Schweine, Wiederkäuer und viele andere Säuger dreihörnige
Figuren vorn und hinten, deren Strahlen aber nicht correspondiren;
zwei Kreuze, die sich nicht decken, finden sich beim Wallfisch, See-
hund, Bären, Elephanten. Bei den Schildkröten und einigen Fischen
koamien auch unsymmetrische Figuren vor. Ueberall bestehen der-
gleichen Figuren an den Linsenpulen und ihre Foi'tsetzungen in's
Innere der Linse aus homogener oder feinkörniger Substanz.
§. 208.
Der Glaskörper der Wirbelthiere gehört, insoweit darüber
Untersuchungen vorliegen, zum gallertigen Bindegewebe, dessen
zclligu , durch Ausläufer anastomosircnde Gebilde (die auch noch
Augenlides. 243
neuerdings M. Schnitze „recht häufig'^ im Glaskörper junger Thiere
sah), im ausgebildeten Thiere geschwunden sind, so dass er eigentlich
nur aus der stehengebliebenen wasserklaren und etwas dicklichen
Intercellularsubstanz besteht. Die Membrana hyaloidea zeichnet sich
bei Reptilien, namentlich den Batrachiern und Schlangen, durch ein
reiches Gefässnetz aus, wie Hyrtl zuerst gezeigt hat. Auch H. Müller
macht neuerdings vom Frosch und Barsch auf dieses, in einer struktur-
losen Haut gelegene Gefässnetz aufmerksam ; ebenso hat sich v. Wittich
überzeugt, dass die Membrana hyaloidea des erwachsenen Frosches
mit Gefässen durchzogen ist.
§. 209.
Der Tarsus des oberen und unteren Lids bei Säugethieren und A,.genude
Vögeln wird nicht von Knorpel, sondern immer von festem Binde-
gewebe geformt ; man glaubt zwar mitunter bei Besichtigung mit freiem
Auge einen wirklichen Knorpel vor sich zu haben, wie z. B. an der
Innenfläche des unteren Augenlides der Raubvögel , wo sich ein
schöner, scheibenförmiger Tarsus zeigt ; aber mikroskopisch findet man
(bei ßtrix flammea z. B.) bloss festes Bindegewebe, dessen verästelte
Körperchen zum Theil noch ihre Kerne deutlich haben ; ganz ähnlich
verhält es sich mit der rundlichen Knorpelscheibe, welche im unteren
Augenlid verschiedener Saurier, z. B. bei Varanus, üromasttx, Iguana,
sich findet: es besteht dieser Knorpel aus einer homogen-granulären
Grundsubstanz, in der verästelte, helle, blassrandige Zellen liegen ; es
ist mithin derselbe Knorpel wie der, welcher die Rahmen in der
Schnecke der Vögel bildet. Er ist auch von einem verhältnissmässig
engmaschigen Blutgefässnetz durchzogen, wie man bequem sieht, wenn
man den ganzen, gereinigten und mit Kalilauge behandelten Knorpel
unter geringer Vergrösserung betrachtet. Um so auftallender ist es
daher, dass bei Säugern (mir durch Autopsie von unseren Haussäuge-
thieren bekannt, nach Harrison auch beim Elephanten) das dritte
Lid, die Blinzhaut, eine aus echtem Knorpel bestehende Platte besitzt.
Die Knorpelzellen sind dicht aneinder gerückt und von hellem Inhalt
bei jungen Katzen; mit Fett erfüllt bei der Ratte, dem Kaninchen.
Man best, dass das dritte Lid der Säuger (beim Seehund, Hund, Hyäne)
Muskelfasern enthalte, was ich nicht bei der Katze finden kann, wohl
aber bemerke ich beim Dachs, der Katze u. a. einige dunkelrandige
Nerven und Gefässbogen in ihm, sowie bei der Katze an der Basis des
Lides traubige Schleimdrüsen. Das dritte Augenlid der Vögel (wie^
ich z. B. am Sperling, dem Steinkauz sehe) besteht fast mehr aus
elastischen Fasern, als aus Bindegewebe ; auch in ihm verbreitet sich
ausser den Blutgefässen noch ein Nervenstämmchen. Der schwarze
Epithelstreifen am Vorderrand hat sein Pigment zumeist in den Epithel-
zellen. Auf der Schleimhaut des unteren Augenlides beim Ochsen be-
obachtete Bruch eine Bildung, welche mit den Peyer'schen (Lymph-)
Drüsen im Dünndarm die grösste Aehnlichkeit hat, Bälge mit dick-
16*
244 Vom Auge der Wirbelthiere.
lichem Inhalt, der eine Menge zellenartiger Körper enthält. — Die
Meibom'schen Drüsen, welche nur den Säugethieren zuzugehören
scheinen, stellen entwickelte Talgdrüsen vor. Sie kommen ausschliesslich
oberen im und unteren Lide vor, nicht an der Nickhaut. Sie fehlen wohl
nur jenen Säugern, deren Haut ganz kahl und ohne Drüsenbildung
ist, also den Cetaceen. Bei allen von mir bisher untersuchten Vögeln
mangelten Meibom'sche Drüsen, was ganz begreiflich schien, da ja
auch, die Bürzeldrüse abgerechnet, in der übrigen Haut die Talgdrüsen
fehlen. Jedoch spricht schon O. Carus von „ausserordentlich kleinen
Meibom'schen Drüsen" der Vögel, mid jüngst sah ich sowohl am
oberen wie unteren Augenlidrand von 8trix passerina Bechst. Bildungen,
welche solche Drüsen vorstellen könnten. Nachdem nämlich der Tarsus
durch Kalilauge vom Epithel und der äusseren Haut gereinigt war,
erschien am freien Rand des hell gewordenen Lides für das freie Auge
ein weisslicher Streifen, der mikroskopisch das Aussehen von gehäuften
Talgdrüsen hatte. Die Augenlidbildungen niederer Wirbelthiere haben
die histologischen Charaktere von verdünnter äusserer Haut, daher auch
die Hautdrüsen , wenn welche vorhanden sind , wie z. B. bei den
Batrachiern, in den Lidern zugegen sich zeigen. Die Nickhaut der
Haie [Sphyrna, Mustelus, Oaleus) ist ebenso beschuppt, wie die äussere
Haut, und nur ein der Entfaltung entsprechender Streifen ist schuppen-
los. Der freie Rand der Nickhaut ist verdickt und schneidet sich fast
wie Knorpel, besteht aber aus festem Bindegewebe mit den gewöhn-
lichen länglichen und verästelten zelligen Elementen. Die Nickhaut
der ßatrachier hat, abgesehen von dem Pigmentmangel und der durch-
scheinenden Beschaffenheit des Bindegewebes , ganz den Bau der
äusseren Haut: Nerven, Blutgefässe, Hautdrüsen, doch letztere nicht
so dicht gestellt. In der Coriumsschicht der Nickhaut sieht man ohne
weitere Präparation am ganz frischen Objekte (von Pelubates z. B.) die
Bindegewebskörper sehr gut.
Die blöden Augen betreffend, so ist bei Spalax typhlus die über
die Augen weggehende Haut mit Haaren bewachsen, beim Proteus geht
die Cutis unverändert in ihrer Struktur, höolistens etwas verdünnt,
sammt ihren Drüsen über das Auge weg, und endlich bei Myxine
schlägt sich nicht bloss die äussere Haut, sondern noch eine Muskellage
über das Auge hin.
§. 210.
iiurderNche Dic Harder'sclic (am inneren Augenwinkel gelegene) Drüse
besteht beim Frosch, Rana und Cystüjnathus aus kurzen untereinander
verbundenen Schläuchen mit seitlichen Aussackungen, so dass die Drüse
von aussen eine traubige Form annimmt; die Sekretionszellen haben
einen dunkelkörnigen Inhalt; von gleicher Art ist sie bei Änguis
frugüls, wo ich sie sehr entwickelt finde, indem sie das Auge von hinten
und unten halbringförmig umgiebt. Bei den Vögeln (Gans, Sperling)
haben die ziemlich langen Drüseuschläuche ein klares Lumen, und der
Drllse.
Physiologisches. 245
Inhalt der bei der Gans langen eylindrischen, beim Sperling rund-
lichen Drüsenzellen ist eine blasse, feinkörnige Substanz; endlich bei
Säugethieren (Nagern) Avird der Zelleninhalt dunkelkörnig und
nähert sich dem Fett. Auch beim Maulwurf finde ich am Auge unter
der Haut eine sehr grosse Talgdrüse, die nach Umfang und Lage einer
Harder'schen Drüse entsprechen könnte. {G. Carus konnte früher
„keine deutlichen Spuren '^ von dieser Drüse wahrnehmen, Zoot. S. 40.)
Hinsichtlich der Thränendrüse von Chelonia mydas mag noch angeführt
sein, dass sie aus langen schmalen Kanälchen besteht, die parallel gerade
nebeneinander verlaufend sich dichotomisch theilen. Es erinnert daher
ein senkrechter Schnitt durch ein Drüsenläppchen nicht wenig an die
Markkanälchen der Säugethierniere. Die Sekretionszellen sind läng-
lich und lassen durch ihre Gruppirung ein deutliches Lumen des Drüsen-
kanälchens zurück.
Die Augenhöhle der Vögel wird nach innen durch eine fibröse
Membran vervollständigt, die bei der Gans fast nur aus gewöhnlichem
Bindegewebe besteht, indem sie sehr wenige elastische Fasern bei-
gemengt enthält. Hingegen ist bei den Säugern jene Membran,
welche die Augenhöhle nach der Schläfengrube hin begrenzt, fast nur
aus elastischem Gewebe gebildet (beim Bären hat sich hier ein eigen-
thümlicher Muskel gefunden; Rudolphi^ Meckel fanden den Muskel
auch beim Schnabelthier).
Der Augapfel erscheint sehr allgemein in ein Fettlager gebettet;
selbst die rudimentären Bulbt des Proteus, ja bei Bdellostoma ist das
Fettlager nach Joh. Müller ausnehmend dick. Die Stelle der Fett-
zellen kann auch Gallerte vertreten ; bei den Selacbiern (Haie, Rochen
und Chimären) z. B. ist der Augapfel von gallertigem Bindegewebe
umgeben, das nach aussen zu einer fibrösen Membran (der Fascia
buäi) sich umgestaltet, Avelche unmittelbar in die Conjunctiva über-
geht. Die Gallertmasse ist von sehr zahlreichen , in den Stämmen
starken elastischen Fasern durchzogen.
Cuvier meldet, dass die ringförmig angeschwollene Conjunctiva
des Auges von Ortliag oticus mola mit einem eigenen Sphincter ver-
sehen sei. Nach Untersuchung eines grossen frischen Tliieres muss
ich die Existenz desselben in Abrede stellen; man gewahrt nichts
von Muskelelementen, sondern nur eine gallertige Bindesubstanz.
§. 211.
Das Auge der Wirbelthiere hat in seiner Einrichtung eine gewisse ^^r
^ ••TT logia(
Aehnlichkeit mit der Camera obscura; wie m diesem Instrumente
durch Glaslinsen ein Bild der äusseren Gegenstände auf einer matten
Glasplatte zu Wege kommt, so entwerfen sich auf der Netzhaut des
. Auges Bilder äusserer Objekte, und letztere sind ebenso umgekehrt,
wie es in der Camera obscura geschicht^ Alle die Gewebe, welche
vor der Retina liegen, stimmen darin überein, dass sie hell, ja wasser-
BIO-
gisohcs.
246 Vom Auge der Wirbelthiere.
klar durchsichtig sind, und selbst in der Hornhaut haben die Nerven
eine ganz blasse Natur angenommen ; die Blutgefässe halten sich nur
im Bereich des Hornhautrandes, kurz, alle Eleraentartheile sind da-
nach angethan, die Bewegung der Lichtstrahlen möglichst wenig zu
hemmen; auch die Retina selber ist (am Lebenden) in hohem Grade
durchsichtig. Das dunkelkörnige Pigment nimmt im Auge aus dem-
selben Grunde seinen Platz ein , warum wir das Lmere der Camera
obscura, sowie das Rohr unserer Mikroskope schwärzen ; es dient zur
Absorption der durch die Netzhaut einmal gedrungenen Lichtstrahlen.
Hingegen hat man keine rechte Einsicht in die Funktion des Tapetums ;
man nimmt an, dass dasselbe durch seine glänzende Oberfläche das
Licht zurückwirft, so dass für Thiere mit Tapetum eine geringe Menge
Licht hinreicht, um gut zu sehen. Auch rücksichtlich der Physiologie
der Retina wissen wir, genau genommen, nichts weiter, als dass sie
der lichtempfindende Theil des Auges ist ; wie sich indessen beim
Sehakt die einzelnen Schichten betheiligen, darüber können wir nur
Vermuthungen äussern. Es darf erlaubt sein, den Bau der Retina
mit einem sehr feinen Tastorgan zu vergleichen, sowie die Art und
Weise, wie das auf ihr entworfene Bild percipirt wird, nur für relativ
verschieden zu halten von dem Vorgang , durch welchen wir beim
Tasten die räumlichen Unterschiede unserer Umgebung erfahren.
Die histologischen Mittheilungen über die Tastorgane (s. oben) haben
aber ergeben, dass sehr häufig terminale Ganglienkiigeln die zunächst
empfindenden Elemente sind, und es ist wahrscheinlich, dass die mit
ihnen verbundenen Nervenfasern nur zur Leitung dienen. Aehnlich
mag es sich mit der Netzhaut verhalten , man stimmt auch ziemlich
allgemein darin überein , dass die Auffassung des auf der Netzhaut
entworfenen Bildes nicht durch die Nervenfaserschicht erfolgt, und
man ist somit auch hier darauf hingewiesen , in den Ganglienzellen
der Retina die lichtempfindenden Elemente zu erblicken und, was
von Bedeutung ist , gerade die beschränkte Stelle im Auge , der
s. g. gelbe Fleck, welcher die intensivste Lichtempfindung hat, ist
durch Anhäufung von Ganglienkugeln bevorzugt; hier liegen sie in
mehren Reihen übereinander, während sie sonst in der Netzhciut
nur eine einfache Schicht bilden. Was die Stäbchenschicht anlangt, so
glaube ich, hat sie ihr Analogou auch bei den Tastwerkzeugen. Es
wurden oben mehre Beispiele angeführt, wo bei verschiedenen Thieren
mit den terminalen Ganglienzellen der Tastnerven noch besondere
Stäbchen oder besondere Fortsätze der Haut in Beziehung stehen,
welche die Tastempfindung steigern, sie zu einer spezifischeren machen
können. Von den Stäbchen der Retina habe ich ebenso die Vor-
stellung, dass sie Hülfsorgane bei der Lichtemjifindung sind ; sie mögen
durch ihre regelmässige Anordnung die Ganglienzellen zu isolirter
Auffiissung der einzelnen Punkte eines Bildes befähigen, sie geben
ihnen ein feineres Unterscheidungsvermögen.
Physiologisches. 247
§. 212.
Die contraktilen Fasern an und in der Chorioidea dienen dazu,
die Augen flu* verschiedene Entfernungen einzustellen, und da die
Lebensart der Vögel es oft nothwendig macht , fast in demselben
Augenblicke das Auge für nahe und entfernte Gegenstände zu acco-
modiren, so ist gerade bei ihnen der innere Muskelapparat des Auges
sehr entwickelt und quergestreifter Natur. Auch die Muskeln der
Iris sind hier quergestreift und es erfolgen die Bewegungen im
Wechsel der Weite der Pupille auffallend schnell ; obschon beschuppte
Amphibien ebenfalls quergestreifte Irismuskeln besitzen, so beobachtet
man an Schildkröten und Eidechsen dennoch nicht so lebhafte Ver-
engerungen und Erweiterungen der Blendung. Vielleicht ist hieran
die grosse Feinheit der Muskel - Primitivcylinder oder deren ge-
ringere Zahl Schuld. Der Crampton'sche Muskel im Vogelauge hat
nach Brücke die Wirkung, den Krümmungshalbmesser der Horn-
haut zu verkleinern. Auch die muskulöse Campanula im Fischauge
wird wohl ebenfalls auf die Accomodation des Auges einen bedeuten-
den Einfluss ausüben können, doch hat noch Niemand in diesem Sinne
Beobachtungen angestellt.
um die Knochenschuppen in der Sclerotica der Vögel einer teleo-
logischen Erklärung zugänglich zu machen, führen Bergmann und
Leuckart (a. a. 0. S. 472) folgende Ansicht vor. Die Vögel haben,
um grosse Bilder oder Objekte zu erzeugen , grosse Augen nöthig.
Nun ist aber an der ganzen Ausrüstung des Vogelkopfes eine gewisse
Sparsamkeit unverkennbar und diese macht ihre Principien auch am
Auge geltend. Zur Erzeugung eines grossen Bildes bedarf es nur
einer gewissen Länge der Augenachse und einer gewissen Ausdehnung
des Grundes, welcher die Bilder empfängt. Dagegen brauchen die
Querschnitte des Auges nur von solcher Weite zu sein, dass keine
nutzbaren Lichtstrahlen auf dem Wege zum Augengrunde verloren
gehen. Mithin kann der Verbindungstheil zwischen Hornhaut und
Augengrund verkleinert werden unbeschadet der Funktion, und um
den Verbindungstheil bleibend in der eingeschnürten Form zu er-
halten, ossifizirt die Sclerotica hier zu den Knochenschuppen. Die
vorgetragene Ansicht klingt angenehm, allein die beschuppten Rep-
tilien haben eine rundliche Form des Auges wie die Säugethiere und
doch zugleich damit die Knochenschuppen der Sclerotica! Und wie
ist es mit dem hinteren Scleroticalring, wie mit den Ossifikationen
am Fischauge? Mir scheint, dass wir darüber so wenig, wie in der
vergleichenden Histologie des Skelets wissen , warum gerade Binde-
gewebe bei dem einen Thier da angebracht ist, wo bei dem anderen
Knorpel und bei dem dritten Knochen sich findet.
Bereitwilliger möchte ich die Erklärung der genannten Forscher
annehmen, warum im dritten Lid (Blinzhaut) der Säuger ein Knorpel
sich findet, welcher gegen den freien Rand des Lides in einer sehr
248 Vom Auge der VVirbelthiere,
dünnen Ausbreitung endigt, nach seinem tiefer in die Augenhöhle
ragenden Theil sich so bedeutend verdickt, dass er zwischen Auge
und Nasenwand eingeklemmt ist. Die Bewegung der Blinzhaut hängt
ab von der Contraktion des Muse, suspensorius oculi] zieht dieser
nämlich das Auge zurück , so nimmt der Druck des Auges gegen
diesen Knorpel zu, er weicht daher dem Auge nach vorn aus imd
schiebt damit das dritte Augenlid hervor.
Der hintere Scleroticalring im Auge der Vögel wurde von Gemminger
1853 entdeckt, vergl. auch Leydig in Müll. Arch. 1854; er wurde gefunden bei
Thieren aus der Ordnung der Scansores, Passeres, unter den Raubvögeln bei Falco
tinnunculus ; bei den Tauben, Hühnern, Sumpf- und Schwimmvögeln ist er bis jetzt
vermisst worden. Den a. a. O. aufgezählten Vögeln, welche den Knochen besitzen,
kann ich gegenwärtig noch die Wasseramsel [Cinclus aquaticus) anreihen. — In
einem der neuesten Handbücher der Zootomie wird die Cam^^anida für neugebildete
Linsensubstanz erklärt. Ganz abgesehen davon, dass, wie ich noch jüngst an
Salmo fario nachprüfte, die körnigen Muskelfasern der C'ampamda mit den hellen
Linsenfasern gar nicht zu verwechseln sind, wäre es höchst merkwürdig, dass
„neugebildete Linsensubstanz" von einem so reichen Endnetz von Nervenfasern
durchzogen ist, während bekanntlich die übrige Linse aller nervösen Elemente er-
mangelt. Doch scheint der Verfasser jenes Handbuches die Nervenausbreitung in
der C'ampamda nicht wahrgenommen zu haben, da er laut seiner Beschreibung
nicht einmal über die so klaren, von Trevir-anus schon gesehenen Nerven im
Processus falciforniis sicher ist. — Den eigenthümlichen Haut Überzug des
Augenbulbus der Schlangen habe ich von der Ringelnatter untersucht, wo sich
zeigt, dass die Kapselhaut eine mittlere bindegewebige Lage hat, eine Fortsetzung
der Lederhaut ; nach aussen liegt auf ihr die zellige Epidermis und nach hinten
ein zartes Plattenepithel , welches den Hohlraum der Kapsel auskleidet. Am Um-
fange der Kapsel finde ich einige Nervenstämmchen , die in die bindegewebige
Lage vordringen, ähnlich wie an der Hornhaut, aber ebensowenig weit in den
hellen Theil verfolgbar sind. Nach Hyrtl verzweigen sich auch Gefässe darin,
wovon ich indessen an meinem Exemplar keine Spur wahrnehmen konnte.
a. Wittich, welcher die quer gestreiften Muskelbündel in der Chorioidea
der Vögel entdeckte, glaubt auch bei Fischen (Cyprhms erythrophthalnius, Cypr. carjno)
an gleicher Stelle glatte Muskelfasern gesehen zu haben. Ob da nicht eine Täu-
schung untergelaufen ist ? Ich habe wenigstens auf diesen Punkt das Auge der
Forelle untersucht, wo man ebenfalls innerhalb der Chorioidealdrüse glatte Muskel-
fasern zu erkennen meint, aber bei näherer Pesichtigung und Vergleichung ge-
wahrt, dass man abgelöste und aufgedrehte Blutcapillaren für Muskelfasern nehmen
kann. Die Glandtda choroidealis nämlich besteht aus massenhaft angehäuften,
parallel und dicht nebeneinander verlaufenden Capillaren ; beim Zerreissen trennen
sich immer am Rande einzelne Capillaren ab, drehen sich etwas zusammen, bleiben
nur, wo der Kern liegt, breit und ähneln jetzt gewissen Formen glatter Muskel-
fasern nicht wenig. Ist man einmal auf den Ursprung der Täuschung aufmerksam
geworden, so lässt sicli natürlich durch fortgesetztes Zerzupfen von Stücken der
Choroidealdrüse eine Menge von scheinbaren Muskelfasern erzeugen. —
Es wird von gewisser Seite bezweifelt , ob bei Fischen im Leben eine wirk-
liche Lin senkapsel vorhanden sei, nach dem Tode lasse sich von der Linse häufig
eine dickere Kapsel ablösen, die in Betreff ihres elementaren Baues von dem der
Linse nicht eigentlich abzuweichen scheine. Dies ist irrthümlich. Die Fische ver-
halten sich hierin nicht anders als die übrigen Wirbelthiere , die Kapsel ist da,
erscheint ebenso homogen und hat dieselbe Lichtbrecluing wie bei andern Wirbel-
Von den Augen der Wirbellosen. 249
thieren. — Ueber die Entstehung der Linsenfaseru durch Auswachsen je Einer
Zelle siehe H. Meyer, zur Streitfr. üb. d. Entsteh, d. Linsenf. Müll. Arch. 1851
und Leydig in Beitr. z. Anat. d. Rochen u. Haie >S. 99.
An der Kernzone des erwachsenen Frosches fällt mir auf, dass die Nucleoli
der Kerne zwar punktförmig aussehen , wenn man ihren scheinbaren Querschnitt
im Auge hat, dass sie aber deutlich stabförmig sind, wenn sie im Profil gesehen
werden , und dabei ist auch wahrzunehmen , dass ein solches stabartiges Kern-
körperchen eigentlich ein von der Wand des Kernes ins Innere ragender säulen-
ähnlicher Vorsprung ist. Diese Beobachtung geschieht mit aller Sicherheit, wenn
man die aus dem lebenden Thier genommene Linse mit einigen Tropfen verdünn-
ter Salzsäure behandelt. —
Die Augenmuskeln gehören wahrscheinlich bei allen Wirbelthieren (mir in
dieser Hinsicht bekannt von Fischen und Reptilien) zu den nervenreichsten Mus-
keln; man erblickt, besonders nach Aufliellung mit Kalilauge, eine ungewöhnliche
Zahl von Nervenfibrillen und sieht Theilungen der letzteren allenthalben (an den
Augenmuskeln des Hechtes sind bekanntlich auch die ersten derartigen Beobach-
tungen von Joh. Müller und Brüche gemacht worden). Die Muskeln der Nick-
haut bei Vögeln (der M. pyramidalis und M. quadratios) finde ich zwar bei der
Eule ebenfalls reich an Nerven , doch keineswegs in dem Grade , wie die Augen-
muskeln der genannten Thiere. — Ueber die Netzhaut vergleiche man besonders
S. Müller, anat. physiol. Unters, üb. d. Retina bei Menschen u. Wirbelthieren 1856.
Zwanzigster Abschnitt.
Von den Augen der Wirbellosen.
§. 213.
Ueber die Augenflecken gar mancher Evertebraten weiss man
vom histologischen Standpunkt ans nichts weiter, als dass sie Pig-
mentanhäufungen auf den Nervencentren oder am Ende der
Nerven sind. Dahin gehören z. B. die Angenflecken von manchen
Würmern, die Augenpunkte der Echinoderraen; vielleicht auch der sog.
unpare Augenfleck, welcher bei vielen Rotatorien und Krebsen {^Lynceus
Daphnia, Argulus, Artemia etc.) unmittelbar dem Gehirn aufsitzt; er
scheint nur andeutungsweise ein Auge zu repräsentiren, und es lässt
sich wenigstens die Vorstellung nicht widerlegen, dass durch die
Anwesenheit der Pigmentkörner die zunächst liegenden Hirnzellen
zu etwelcher Perception des Lichtes befähigter werden können. Die
nächste Vervollkommnung des Sehorganes besteht in dem Hinzukom-
men eines lichtbrechenden Körpers, der wahrscheinlich die Be-
deutung einer Linse hat iCaligus , Cyclopideyi, Euchlanis tmisetata,
die paarigen Augen vieler Rotatorien, Tardigraden, die Augen vie-
ler Würmer etc.). Selbst die Augen mancher Mollusken zeigen keine
weitere Ausrüstung ; die sehr kleinen Augen von Boris luguhri's z. B.,
welche unmittelbar der Gehirnsubstanz aufsitzen, lassen bloss Pig-
ment mit Linse erkennen und nur insofern ist die Ausbildung etwas
höher wie bei den vorhin genannten Thieren gediehen, als eine ge-
sonderte, homogene Sclerotica das Auge von der Umgebung abgrenzt.
250 Von den Augen der Wirbellosen.
§. 214.
Ansgeh.idete VoTi morphologiscH ausgebildeten Augen kann man wohl nur
erst dann reden, wenn eine wirkliche Retina zugegen ist, die
den Stäbchen im Wirbelthierauge vergleichbare Elementartheile auf-
weist. Dergleichen Augen findet man bei einzelnen Anneliden,
gewissen Mollusken und den meisten Arthropoden. Man ist bis-
her gewohnt, die entwickelteren Augen der bezeichneten Thierklas-
sen in der Art zu betrachten, als wären sie nach zwei 'ganz ver-
schiedenen Typen gebaut. Die einen seien, nach dem Schema des Wir-
belthierauges construirt oder collective Augen (die der Weichthiere,
die sog. einfachen Augen der Insekten, Spinnen und Krebse), die
andern oder die fazettirten Augen (der Krebse und Insekten)
sollen durch Sonderung und isolirte Leitung der Lichtstrahlen sehen.
Mir scheint jedoch, dass man bei Würdigung der feineren Struktur-
verhältnisse diese Unterscheidung kaum wird aus einander halten
können, vielmehr möchte sich dadurch die Anschauung von einem
einheitlichen Grundtypus auch für das Sehorgan wahrscheinlich machen
lassen.
§. 215.
Neiz.haut. "\Yo bcl AnncHden und Mollusken bis jetzt eine hautför-
mige Retina untersucht werden konnte, was allerdings noch nicht
in grossem Maassstabe geschehen konnte, war die Netzhaut mit stab-
artigen Gebilden versehen. Durch Kr ohn ist bekannt geworden,
dass die Retina bei Alciope, aus parallelen Fasern bestehend, durch die
Chorotdea hindurch die einzelnen Faserenden schickt, die auf der
inneren Fläche wie eine Schicht gedrängter Stäbchen erscheinen.
An den grossen Augen der Heteropoden (Cart'narta, Pterotrachea)
haben Leuckart und Ge.genhaur gefunden, dass stabähnliche Kör-
per eine Schicht der Netzhaut bilden. Sie bestehen aus Hülle und
zähem, homogenem Inhalt. Von den Augen der Sepien beschreibt
Joh. Müller schon 1838 eine aus aufrecht stehenden Cylindern zu-
sammengesetzte Schicht der Retina, zwischen welcher das Pigment
fadenförmig verlaufe und vergleicht sie den Stäbchen im Auge der
höheren Thicre.
Nicht minder finden sich im Auge der Spinnen ähnliche stab-
artige Cylinder, sie sind hell, brechen das Licht stark, alteriren
sich schnell im Wasser und sciilängeln sich. Am höchsten erscheint
die Entwicklung des Stratum hacillosiim im fazettirten Auge der Ar-
thropoden. Diese Schicht besteht hier aus mehr oder weniger
langen, gewöhnlich vier-, seltner vielkantigen Stäben, deren Substanz
in optischer und chemischer Beziehung sich durchaus wie die Stäb-
chen der Retina bei Wirbelthieren verhält: sie sind homogen, bre-
chen das Licht stark, sind farblos oder rosenroth (an der frischen
Retina des Frosches, Salamanders haben, wie oben erwähnt, die
Stäbchen dieselbe Farbe); in Wasser, noch mehr in Essigsäure, quel-
Retina.
251
A Aus dem Auge von Hcrbstia: a Oberfläche der Retina (Ganglion opticum),
b Anschwellung des stabförmigen Körpers, c, d eine andere vierbucklige An-
schwellung, e Krystallkörper, f Hornhautfazette, g deren linsenartige Verdickung
nach innen, h vScheide.
B Aus dem Auge von Procrustes coriaceus: a Bündel des Sehnerven,
b Ganglion opticum (Retina), c ', c^ Anschwellungen der Nervenstäbe d *, d^,
wovon c' im Irischen Zustand dargestellt ist, während c^ die Veränderung
nach Wasserzusatz, Essigsäure etc. zeigt, e zweite vierbucklige Anschwellung,
f Krystallkörper, g Hornhautfazette, h deren linsenartige Wölbung nach innen,
i Scheide, k quergestreifte Muskeln, 1 Tracheen.
C Aus dem Auge von S chizodactyla monstrosa: a Oberfläche der Retina
(des Sehganglions), b' Nervenstab ohne Pigment, b^ mit Pigment, geht ohne
Grenze über in den Krystallkörper c, d Hornhautfazette, e Scheide.
len sie auf, krümmen sich, schlängeln sich etc. ; sie zeigen eine feine
Querstrichehmg, die auch an den grossen Stäben der nackten Amphibien,
namentlich nach Wasserzusatz erkennbar ist. Gegen den zelligen Theil
der Retina hin schwellen sie häufig an, und man möchte darin die
Analoga der Zapfen (Com) im Auge der Wirbelthiere wiederfinden.
Das vorderste Ende der Stabgebilde erscheint (z. B. an Chizodac-
tyla und Mantis) in Anbetracht der Contouren und substantiell nicht
verschieden von dem übrigen Stab; bei anderen wandelt sich, was
252
Von den Augen der Wirbellosen.
häufiger geschieht, das zunächst unter der Hornhaut Hegende Ende
in eine weiche, helle Masse um, die selbst wieder in ihren Lagen
difFerente Grade der Weichheit darbieten kann, so dass die Autoren
von eigenem „Glaskörper, Krystallkörper, weicher Masse zwischen
Krystallkörper und Hornhaut" sprechen, Theile, die morphologisch
nur als besonders geartete Abschnitte des vorderen Endes der iStäbe
gelten können. Es scheint selbst das vorderste Ende des Stabes
sich mit der Hornhaut ganz fest verbinden und eine ähnliche harte
Beschaffenheit wie diese annehmen zu können. (Elater nocttlucus,
Cantharis melanura^ Lampyris splendidala.)
§. 216.
Die übrige Retina, nach Abzug der Stäbchen, besteht zwar
bei Mollusken und Arthropoden aus grösseren und kleineren Zellen,
Kernen, Punktmasse und der fibrillären Substanz der Sehnerven,
man erkennt auch eine gewisse Schichtung und Durchflechtung die-
ser Elemente, beim Flusskrebs insbesondere (vergl. beistehende Figur)
Fig. 134.
W
\mn
d
Senkrechter Schnitt aus dem Krebsauge,
a Hornhaut (im Holzschnitt mangelt die äussere Grenzlinie), b Chorioidea, durchsetzt
von den Stäben, c ganglionäre Retina, man nntcröcheidct mehre Schichten, d Sehnerv.
Retina. 253
eine gewisse radiäre Entfaltung oder Ausstralilung der fibrillären
Substanz des Sehnerven, aber die Weichheit und desshalb geringe
Individualisirung der Theile lassen vor der Hand kaum etwas über
den näheren Zusammenhang ausfindig machen. Was die Verbindung
der Stäbchen mit der übrigen Retina anlangt, so sah sie Leuckart
bei den Heteropoden mit den Fasern des Opticus im Zusammen-
hang, die der Gephalopoden bezeichnet auch Joh. Müller als
unmittelbare Fortsetzungen der Fasern des Sehnerven, nicht so ein-
fach däucht mir das Verhältniss im Spinnenauge zu sein, hier
existiren in der Retina bipolare Ganglienkugeln, deren unteres rohr-
artig ausgezogenes Ende die Stäbchen einzuschhessen schien. Die
Entstehung der grossen Nervenstäbe der Arthropoden aus der
ganglionären Retina (dem sog. Ganglion opticum) liess sich bei Ga-
rabus auratus in der Art beobachten, dass die Wurzeln der Stäbe
die gleiche, feinmolekuläre Beschaffenheit hatten, wie die Substanz,
in welche sich die faserigen Züge des Opticus auflösten; etwas wei-
ter nach aussen bestanden die Wurzeln aus kleinen Würfelform io-en
Stücken, homogen und schon stark lichtbrechend; nach und nach
schwanden die Spatien zwischen den Würfeln, so dass im weiteren
Verlauf der vierkantige continuirliche Nervenstab sich erhob.
§. 117.^
Die Retina vieler Wirbellosen stimmt nach dem Vorgebrachten ^
mit jener der Wirbelthiere in der Zusammensetzung aus ganglionä- '^'^«8«
ren und stabartigen Elementen zwar überein, aber ein wesentlicher '.Ter'""
Unterschied macht sich in der gegenseitigen Lage dieser Schichten '^'"'"''■"'**-
bemerkhch; bei Wirbelt hier en nämhch bildet die Stäbchen-
schicht die äusserste Lage der Retina, bei den Wirbellosen
hingegen erscheint sie als das innerste Stratum. Damit steht auch
was bei der ersten Untersuchung nicht wenig auffällt, in Zusammen-
hang, dass das Chorioldealpigment vor der ganglionären Retina, also
ebenfalls ungekehrt wie im Wirbelthierauge liegt. So folgt in dem
hoch entwickelten Auge der Alciope die aus Zellen und Fasern be-
stehende Retina hinter der Chorioidea, da letztere die langen Stäbe
zu begleiten hat. Längst bekannt ist dasselbe Verhältniss von den
Gephalopoden; die Retinaschichten nach Abzug der Stäbchen
liegen hinter der dichten Pigmentlage, indem diese sich an die
Stäbchen anschliesst. Aus den Untersuchungen von Gegenhaxir und
Leuckart erhellt nicht minder, dass bei den Heteropoden {Atlanta,
Carinaria , Pterotrachea etc.) die ganglionäre Retina hinter der Pig-
menthaut liegt, und auch bei den Gasteropoden möchte dasselbe
Verhältniss obwalten, denn wie ich noch jüngst am Auge der Helix
pomatia und des Lymnaeus stagnalis erkannte, so liegt zwischen der
Sclerotica und der Pigmentmasse der Chorioidea eine ungefärbte,
zelHg-körnige Schicht, welche der Retina angehörig zu betrachten
sein dürfte; und was die Arthropoden betriftt, so ist das Verhält-
-.age der
in der
Ketina.
Cliorioidcn .
•254 Von den Augen der Wirbellosen.
nlss dasselbe : die ganglionäre Retina ist farblos, erst ihre der Horn-
haut zugekehrte Fläche wird durch Pigment felderartig abgetheilt und
die massenhafte Anhäufung des Pigmentes oder die Chorioidea um-
hüllt die Stäbe, demnach folgt auch hier die Retina (das Stratum hacil-
losum weggerechnet) nach hinten von der Chorioidea.
§. 218.
Bindegewebe Wic im Augc dcr Wirbelthiere die spezifischen Theile der Re-
tina in Bindesubstanz eingebettet sind, deren stärkere Züge sich als
Radialfasern und Membrana Umitana repräsentiren, so lässt sich auch
in der Netzhaut der Wirbellosen Bindegewebe nachweisen, das beim
zusammengesetzten Auge dor Arthropoden z. B. um die Nervenstäbe
Schläuche bildet, welche sich von der Hornhaut bis zur ganglionären
Retina erstrecken. Lac Bindesubstanz ist am lebenden Thier weich,
feinkörnig mit einzelnen eingestreuten Kernen.
§. 219.
Pigment der Zum C li 0 r i o i d c a 1 p i g ui c u t ist in der Regel das dunkel kör-
nige verwendet , welches in den verschiedenen Schattirungen vom
Braunen, Rothen und Dunkelvioletten bis ins Schwarze wechselt.
Das Pigment kann deutlich in Zellen enthalten sein , z. B. bei den
Heteropoden, wo die Zellen ebenso schön wie bei Wirbelthieren
mosaikartig angeordnet sind, was bei Arthropoden seltner ist. Es
kommen auch bei Wirbellosen echte Tapeta vor. Aus dem Auge
vieler Spinnen leuchtet ein glänzendes Tapetum hervor, das z. B.
an Micrypliantes acuminatus grün, blau und golden schillert, bei mehren
Theridien hat es einen goldgrünen Glanz, stark weiss spiegelt es in
Argyroneta aqiiatica etc. Das Taiietum kann continuirlich sein, in-
dem es den Augengrund vollständig überzieht, oder es streicht mitten
durch dasselbe in Wellenlinien ein schwarzer Pigmentstreifen (bei
Clubiona claustraria z. B.), bei Phalangium erscheint es unter der
Form zerstreuter, glänzender Pünktchen; wieder in anderen Fällen
bildet es radiäre Streifen zwischen dem dunklen Pigment etc. Forscht
man nach der Elementarorganisation des Spinnentapetums, so finden
wir sie etwas wechselnd n;ich den einzelnen Arten, bei mehren Gat-
tungen, z. B. in Argyroneta a^juatica , Tegeneria domestica, Lycosa
saccata u. a. besteht es aus den gleichen Flitterchen, welche das Tape-
tum im Auge der Fischen zusammensetzen, es sind Plättchen, die
dicht aneinander liegen, erst nach stärkerem Druck auseinander weichen
und in den Regenbogenfarben irisiren; in anderen Gattungen (Micry-
phantes Vhalangiuni) besteht es aus Kügelchen, die grösser sind, als
die Pigmentkörner. Von letzterer Art ist auch ein schillerndes, silber-
oder goldglänzendes Pigment, was bei Insekten und Krebsen
häufig s(;lbst am unpaaren Augenfleck von Argulus, bei Caligus, ein-
zelnen Rotatorien, manchen Arten von Cyclops, Cyj>ns etc. vorkommt
und mit dem dunkelkörnigen oft in bestimmter Weise abwechselt,,
so zeigt sich z. B. bei Mantis religiosa unter der Hornhaut ein röth-
Chorioidea. 255
lieh graues, dann ein weissgelbes und endlich das dunkelviolette ; beim
Flusskrebs ist das ordinäre, dunkle Augenpigment um die Mitte der
^Krystallkegel" und um die spindelförmigen Anschwellungen der
Nervenstäbe abgesetzt, aber ungefähr halbwegs zwischen dem Ende
der Krystallkegel und der oberen Spitze der spindelförmigen Anschwel-
lung des Nervenstabes ist ein Pigment angebracht, das bei auffal-
lendem Licht weiss aussieht. Die Körnchen dieses Pigmentes, ein-
zeln und bei durchfallendem Licht schmutzig gelb, bei auffallendem
weiss mit Metallglanz sich ausnehmend, entsprechen in ihren Eigen-
schaften durchaus den Körnchen, welche bei den Mammalia Carni-
vora den Inhalt der Tapetalzellen bilden. Ein Tapetum ganz eigner
Art existirt im Auge der Abend- und Nachtfalter. Oeffnet man
das Auge eines grösseren Thieres, z. B. von Bphinx pinastri durch
einen senkrechten Schnitt, so erscheint hinter dem dunklen Pigment
ein lebhafter, silberglänzender Streifen mit vorderem röthlichen Rande.
Diese dichte, silberfarbene Masse wird gebildet von einer Unzahl
äusserst feiner Tracheen, in welche die Stammtracheen des Auges
sich auflösen und welche in gerade stehenden Büscheln die Anschwel-
lungen der Nervenstäbe umgeben, der röthliche Schimmer rührt her
von dem eigenthümlichen lioth, welches der Substanz der besagten
Anschwellungen selber innewohnt. Ich kenne dies Tapetum von Li-
paris Salicis , Gastropacha pini^ Zerene grossulariata, Sphinx pinastri.
Am meisten entwickelt ist es wahrscheinlich beim Windenschwärmer
{Sphinx convolvuli), von dem die Lepidopterologen melden (vergl. z. B.
Kleemann bei Rösel), dass die Augen desselben im Dunklen wie
glühende Kohlen leuchten. — Hinwiederum scheint bei einigen Mu-
scheln {Pecten, Spondylus) nach den vorhandenen Mittheilungen ein
abermals aus grösseren, krjstallinischen Flitterchen zusammengesetztes
Tapjetmn vorhanden zu sein. Uebrigens sind, was kaum bemerkt zu
werden nothwendig ist, die Tapetalkörnchen und die Flitterchen nur
der Grösse nach verschieden, nicht qualitativ.
§. 220.
Die Chorioidea der Wirbellosen besitzt auch contraktile Ele- Musi.ein der
mente, man kennt (zuerst durch Langer^ Wien. Sitzgsber. 1850) Mus-
keln in der Iris und im Corpus ciliare der Cephalopoden, sie gehen
vom Knorpelring der Sclerotica an den Strahlenkranz; wie weit sie
bei anderen Mollusken verbreitet sind, bleibt noch zu erforscden ; zu-
nächst dürfte auf die Augen von Spondylus und Fecten aufmerksam
zu machen sein, deren irisartiger Saum sich zusammenziehen soll.
Anlangend die Arthropoden, so habe ich von verschiedenen Spinnen,
Insekten und Krebsen innere Augenmuskeln angezeigt. Bei Mygale
verlaufen die Muskeln geflechtartig, jedoch im Ganzen circulär in der
Pigmenthaut, bilden auch [Salticus z. B.) innerhalb derselben vorne
einen Kranz, man könnte sagen eine Muskellage der Iris. Die con-
traktilen Elemente sind sehr schmale, quergestreifte Cy linder, und es
256
Von den Augen der Wirbellosen.
Liuae.
ist verhältiiissmässig leicht die zuckenden Bewegungen des Augen
grundes an lebenden Spinnen zu beobachten. Bei den Insekten ver-
laufen innerhalb des Umhüllungsschlauches der Nervenstäbe zarte,
quergestreifte Cylinder , nach vorne oft wegen des anklebenden Pig-
mentes schwer isolirbar, und verlieren sich in den irisartigen Pigment-
Gürtel, welcher die Krystallkegelsubstanz umgiebt.
§. 221.
Was die lichtbrechenden Medien im Auge der Wirbellosen
betrifft, so hat nur noch die Linse der Cephalopoden mit der Struk-
tur der Linse des Wirbelthierauges dadurch Aehnlichkeit, dass sie
aus bandartigen Fasern besteht, von denen jede gleichwie bei den
Vertebraten, aus einer einzigen mit Kern und Kernkörperchen ver-
sehenen Zelle hervorgegangen ist. Uebrigens erscheinen die Linsen-
fasern der Cephalopoden stark verhornt und zeigen auch nach Strahl
die Reaktion der Hornsubstanz. Eine besondere Linsenkapsel existirt
nicht, aber durch die Anordnung der bandförmigen Fasern gewinnt
die Oberfläche der Linse eine epithelartige Zeichnung.
Die Linse der übrigen Mollusken hat nirgends mehr einen
zelligen oder faserigen Bau, sondern besteht aus concentrischen Schich-
ten eines erhärteten, eiweissartigen Stoffes, an dem man häufig eine
gelbliche Kern- und hellere Rindensubstanz unterscheiden kann.
{Paludina, Helicinen , Atlanta, Carinaria etc.) Bei den zuletzt genann-
ten Heteropoden sah Oeyenhaur auf der Oberfläche der Linse,
welche der Hornhaut zugekehrt ist, ein zartes Plattenepithel.
Wieder von anderer Art ist die Linse der Arthropoden; sie
giebt sich als eine nach innen kuglig verdickte Partie des chitinisirten
Hautskelets, theilt daher auch mit diesem die lamellöse Zusammen-
setzung, und die Lamellen sind auch wohl (z. B. in der Linse der
Spinnen) von Porenkanälen durchbrochen.
Fig. 135.
b
d
Auge von Salticus in senkrechtem Schnitt. (Geringe Vergr.)
a die allgemeine Chitinhaut des Körpers, b die Krystalllinse, c das dunkle Augen-
pignicnt, d der irisartige Gürtel, e der sog. ^Glaskörper", nach meiner Auffassung
die Enden flor Stabgebilde, f die Stäbclienschicht, g Zelhnscliicht der Retina.
Linse, Glaskörper. 257
§. 222.
Die verschiedene liistologisclie Beschaffenheit der Linse bei den
einzehien Thiergruppen erklärt sich zum Theil aus ihrer Entwick-
lungsweise: bei den Cephalopoden und den Arthropoden wächst
die Linse, analog dem Hergang- bei Wirbelthieren, durch Verdickung der
Hautschichten von aussen nach innen herein. Da nun die Cephalopo-
den wie die Wirbelthiere eine äussere zellige Hautschicht besitzen,
so ist auch die verdickte Partie desselben oder die Linse aus faserigen
Elementen zusammengesetzt, die metaraorphosirten oder ausgewachsenen
Zellen entsprechen. Anders mus sich bei den Arthropoden die Textur
der Linse gestalten, denn hier ist die äussere Haut oder das Bil-
dungsmaterial der Linse nicht zellig, sondern besteht aus Lagen einer
homogenen Substanz, die von Kanälen durchsetzt ist. Insofern nun
auch hier die Linse durch eine lokale Verdickung dieser Hautschicht
hervorwächst, kann sie selbstverständlich auch blos den beschriebenen
Bau haben. Ganz abweichend davon ist der Bildungshergang der
Linse bei den übrigen Mollusken (Gasteropoden, Heteropoden etc.)
Die Linse wuchert nicht von aussen herein, d. h. von der Haut her
in den Augapfel herein, sondern dieser ist von seiner ersten Anlage
aus eine geschlossene Blase , in der auch die Linse zuerst sichtbar
wird und die von mir an Faludina vivipara über diesen Punkt gemach-
ten Wahrnehmungen lassen schliessen, dass innerhalb der Augenkapsel
der Kern einer elementaren Zelle sich in eine feste Eiweisskugel umwan-
delt und nach und nach durch Wachsen die Zelle ausfüllt, hierauf lagern
sich, bis die Linse ihre typische Grösse erreicht hat, weitere Schich-
ten ab, welche dem Centrum zunächst fester werden, eine gelbliche
Farbe annehmen und den Kern der Linse darstellen , während die
äusseren Schichten oder die Rindenlagen weniger consistent und weniger
gefärbt sind.
§. 223.
Der Glaskörper der Mollusken (Gasteropoden, Heteropo- Glaskörper.
den etc.) ist eine wasserklare, strukturlose, gallertige Substanz, die bei
Paludina ursprünglich als helle Flüssigkeit auftritt, welche, die Augen-
blase erfüllend, nach und nach eine grössere Consistenz annimmt und
sich selbst an ihrer Grenze hautartig verdichtet. Sehr verschieden
davon ist das Gewebe, welches man bisher im Auge der Arthropoden
als Coi'pus vitreum bezeichnet hat. Es folgt nämlich im sog. einfachen
Auge der Insekten und Spinnen hinter der Linse eine helle Lage,
welche am lebenden Thier aus kolbigen Gallertgebilden besteht, deren
vorderes Ende an die Linse stösst und deren hinteres sich in das Pig-
ment einsenkt; es stimmen diese Gallertkolben in Lichtbrechung,
Weichheit, Verhalten zu Reagentien vollkommen mit der Krjstall-
kegelmasse des Flusskrebses und vieler Insekten überein, und ich habe
sie daher den Krjstallkegeln des fazettirten Auges gleichgestellt und
für modifizirte Enden der Nervenstäbe erklärt.
Ijeydig, Histologie. X7
258 Von den Augen der Wirbellosen.
§. 224.
seierotica, Voii Untergeordneter Bedeutung' ist es, ob sich das Auge durch
Cornea. ^.^^ besondcrc bindegewebige Hülle vom übrigen Körperparenchym
stärker oder schwächer absetzt. In letzterem Fall, wie bei Spinnen
und Insekten mangelt eine eigentliche Sclerotica, das Auge hat
nur soviel zarte Bindesubstanz, als hinreicht, um die nervösen und
muskulösen Theile, sowie die Pigmentauhäufungen und die etwaigen
Tracheen zu stützen; isolirt sich aber das Sehorgan vollständiger, so
verdichtet sich das Bindegewebe um dasselbe herum zu einer wirk-
lichen einhüllenden Sclerotica, die bald mehr homogen, bald auch
leicht streifig oder fasrig (bei manchen MoHusken z. B.) sich aus-
nimmt. Bei höheren Krebsen mit frei beweglichen Augen kann man
die äussere Haut, welche das Auge umgiebt, als Sclerotica ansprechen.
Bei Anwesenheit einer besonderen Sclerotica sind auch häufig eigene
Muskeln zur Bewegung des Bulbus vorhanden, so bei vielen Kreb-
sen; hieher gehört auch, dsiss hei Aryulus foliaceus die Anschwellung
der Sehnerven quergestreifte Muskeln hat, welche die zitternde, von
Manchen „räthselhaft" genannte Bewegung der Augen verursachen;
an der hinteren Fläche des Augenbulbus bei Cephalopoden befestigen
sich einige Muskeln, die den Sehnerven scheidenförmig umfassen;
Leuckart wies einen Muskelapparat des Augapfels bei Firoloidea,
Oegenbaur von Atlanta und (kirinaria nach, und wahrscheinlich ist
der Bulbus bei noch vielen andern Mollusken damit ausgestattet.
Der vordere durclisichtige Abschnitt der Sclerotica bildet die
Cornea; fehlt die Sclerotica, so fungirt ein dünn und hell gewordener
Abschnitt der äusseren, bindegewebigen und chitinisirten Haut als
Cornea wie bei Spinnen, Insekten und Krebsen. Vielleicht hängt
es von der ganz ungewöhnlichen Entwicklung der Retinastäbe ab,
dass bei Krebsen und Insekten die Hornhaut nach ihrer ganzen
Dicke oder nur (bei niederen Krebsen) in ihren unteren Schichten
in ebenso viele vier- bis sechsseitige Abtheilungen oder Fazetten zer-
fällt, als Retinastäbe da sind; verdickt sich noch am fazcttirten Auge
die Hornhaut einwärts zu Linsen, so ist natürlich auch die Zahl
dieser durch die Retinastäbe bedingt. Der Hauptuntei-schicd im Bau
der sog. einfachen und der fazcttirten Augen beruht demnach darauf,
dass in den ersteren eine einzige Hornhaut und Linse das Licht zu
allen stabförmigen Nervenenden gemeinsam zulässt, in letzteren aber
jeder der kolossalen Nervenstäbe seine eigne Hornliautabtheilung und
Linse beansprucht. — Die Hornhaut mancher Insekten, z. B. von
Hemerohius , Tahanus, Culex (pipiens) u. a., spiegelt sehr sciiön gold-
griin, was nicht von einem unter der Cornea angebrachten Pigmente,
sondern von der Lichtbrechung dieser Haut selber herrührt.
§. 225.
IMiysiologischerseits luit man bisher, wie schon oben eiwähnt, zu be
giiuidcn gesucht, dass ein ganz wesentlicher Unterschied herrsche zwi-
Physiologisches.
259
sehen dem Sehen mit den sog. einfachen und dem Sehen mit fazettirten
Augen. Ob der Satz noch für die Zukunft Gültigkeit haben kann? Man
sagte , das fazettirte Auge sei ein Auge , dessen Nervenfasern keine
Retina bilden, sondern vereinzelt bleiben und einzeln sich je- mit
einem optischen Medium versehen. Das fazettirte Auge sei daher auf
Lichtsonderung eingerichtet, im Gegensatz zum Auge der Wirbel-
thiere und den einfachen Augen , welche collektiver Natur wären.
Allein die vorgebrachten Strukturverhältnisse lehren, dass im ;,ein-
tachen" wie im ^jZussammengesetzten" Auge die Sehnerven sich zu
einer ganglionären Retina entfalten, der dann musivisch geordnete,
stabförmige Elementartheile aufsitzen, von denen man annehmen
darf, dass sie zunächst zur Auffassung des Bildes dienen. Insoweit
daher nach dem morphologischen Befund geurtheilt werden darf,
scheint eine solche wesentliche Differenz im Sehakt von ' Seite der
genannten Augen nicht obzuwalten. —
Die Arbeit Krohn's über das Auge von Alciope, Wiegra. Arch. 1845, kenne
ich leider nicht aus eigner Anschauung. Nach einigen Untersuchungen übrigens,
die ich an Weingeistexemplaren von Alciope Reynaudii angestellt habe , verdiente
das Auge dieses Thieres ein genaues histologisches Stadium. Ich gebe davon
beistehende Abbildung.
Fig. 136.
» "
Auge von Alciope.
a Cuticula, b Zellenschicht der äusseren Haut, c Sclerotica, d Linse, e Chorioidea
(auf der anderen Hälfte weggelassen) , f Retina , g die Stabschicht.
Der Augenbulbus hat seine eigne homogene Umhülluugshaut oder Sclero-
tica, deren vorderer, stark vorspringender Abschnitt oder Cornea irnmittelbar sich
an die äussere Haut anlegt , so dass , wenn man von aussen nach innen abzählt,
zuerst die dicke, helle Cuticula der allgemeinen Bedeckung kommt, darunter die
zellige Hautlage , dann die homogene Hornhaut und unmittelbar hinter ihr die
17*
260 Von den Augen der Wirbellosen.
kuglige Linse. Letztere erscheint granulär und geschichtet. Hinter ihr kommt
das Chorioidealpigmeut, das den grössten Theil des Augapfelumfanges ein-
nimmt, aber nicht ganz bis zum hinteren Rand der Sclerotica reicht, sondern hier
breitet sich die ungefärbte Retina aus, in die man den Sehnerven übergehen sieht.
Es erscheint demnach auch hier , wie bei Cephalopoden, Heteropoden und Arthro-
poden, die Retina hinter die Chorioidea gerückt, und man bemerkt zwei Lagen an
ihr, eine äussere, mehr granuläre, und eine innere, radiär streifige. Schafft man
durch Natronlauge das Pigment fort, so erblickt man als innerste Lage der Retina
und sich gleichweit mit den Conturen der Chorioidea erstreckend eine Stabschicht.
Im unzerstückelten Auge erkennt man sie unter der Zeichnung von scharfconturir-
ten , dicht sich folgenden , nach der Länge des Auges gestellten Linien , deren
Zwischenräume sehr regelmässig wieder quer abgetheilt sind, so dass bei gewisser,
Fokaleinstellung eine schöne Mosaik gesehen wird. Reisst man das Auge und da-
mit die Retina auseinander, so yermag man die Linien einigermaassen zu deuten.
Die Mosaik ist die Basis von scharfconturirten stabartigen Gebilden, die alle mit ihrem
Längendurchmesser nach der Achse des Auges gerichtet sind und gegen den freien
Rand der Pigmentschicht zu stetig an Länge abnehmen. Ueber ihre nähere Be-
ziehung zu den Elementen der Retina konnte ich nichts erforschen , nur möchte
ich, so seltsam es lautet, erwähnen, dass es mir vorkam, als ob sie hohle, nach
der Augenachse gekehrte Ausstülpungen einer homogenen Membran wären, und
die regelmässig gestellten Eingänge in die Stäbchen erzeugten das musivische
Bild. Ich wiederhole, dass diese Mittheilungen auf Weingeistpräparaten und nach
Anwendung von Natronlauge beruhen und demnach erst die ('ontrole durch Unter-
suchung frischer Augen abzuwarten ist. — Quatrefages hat das Auge der Alciopa
(von ihm Torrea genannt) ebenfalls untersucht und spricht von einer Retina, die
aus senkrecht stehenden Nervenfasern zusammengesetzt sei.
Ueber das Auge der Cephalopoden vergl. H. Müller in Ztschr. f. w. Z.
1853, der Heteropoden LeucharV s zool. Untersuclmngen und Gegenhaur'' s
Werk über Pteropoden und Heteropoden. Die Augen dieser Mollusken haben
manche histologische Eigenthümlichkeiten ; die Hornhaut beschreiben beide Autoren
von Firola und Carmai'ia als aus Zellen zusammengesetzt. „Sie besteht (bei Cari-
narid) aus einer scheinbar homogenen, ziemlich derben Membiaii, die auf ihrer
Oberfläche mit einem grossen Pflasterepitliel überzogen wird und bei Essigsäure-
zusatz auffallende Veränderungen zeigt. Bei der ersten Einwirkung dieses Reagens
konimen nämlich zahlreiche Längsspaltcn zum Vorschein, die der Cornea das Aus-
sehen einer gefensterten Haut ertheilen, später treten dann deutlicher spiralförmige
'Zellen auf, die mit ihren Enden ineinander greifen und jene Lücken zwischen sich
lassen, und endlich werden in den Zellen noch Kerne sichtbar, so dass also hier
jene Verhältnisse, die wir in den gefensterten Häuten höherer Tliiere treffen, sich
in ähnlicher Weise wiederholen" {Gegenhaur). Die Chorioidea hat bei Carinaria,
P/erolrachea etc. (nicht bei Atlanta) eigenthümliche Lücken, wo die polygonalen
Zellen ohne alles I'igment sind. Der ganglionäre Theil der Retina liegt hinter der
Chorioidea und die Stäbchen durchbohren letztere nach heucltart. Gegenhaur
ist üher den feineren Bau der Retina nicht recht zum Abschluss gelangt, weicht
auch in Manchem von Leuckart ab, will aber ohne vorherige Wiederaufnahme
der Untersuchung diu Dilfcrenzeii nicht lösen.
Die Linse der Mollusca cejilialophorU wird allgemein als rein homogen und
geschichtet beschrieben, doch dürften vielleicht hier mit der Zeit noch besondere
Strukturverhältnisse bekannt werden. Ich mache nämlich an der Linse eines
grossen, in Weingeist aufbewahrten Trituniurn die Wahrnehmung, dass der Kern
der Linse wie von feinen radiär verlaufenden Kanälchen oder feinen Lücken durch-
setzt sei, die sich mit l^uft gefüllt hatten, welche durch Znsatz von Kalilauge aus-
Nachtragliches. 261
getriehen wird, worauf der Linsenltern wie aus kleinen Kügelcheu zusammengesetzt
erscheint.
Es wurde oben schon erwähnt, dass im sog. einfachen Auge der Insekten
sich den Stäbchen entsprechende Gebilde finden, und ich kann meinen früheren
Mittheilungen jetzt noch die Hühnerlaus (Jlenojjon jyalMdum) anreihen, dessen Auge
folgendes Verhalten zeigt: Die Chitinliülle des Körpers bildet, indem sie sich etwas
verdünnt, die Cornea, unter ihr folgen gleich die kolbigen Gallertköiper, die wahr-
scheinlichen Enden der Stäbe, ohne dass die Hornhaut einwärts sich zu einer Linse
verdickt hätte. Das Chorioidealpigment erstreckt sich in einem Streifen so nach
vorne, dass die Gesammtheit der Gallertkolben in zwei Partien abgeschieden wird.
Fig. 137.
Auge von Menopon pallidum. (Starke Vergr.)
a Hornhaut , b die Gallertkolben , c das Pigment.
Sehr wünschenswerth wären auch Untersuchungen an frischen Angen von
Pecten und Spondylus, namentlich in Bezug auf den sog. Glaskörper. Nach ?'. Sie-
bold besteht er aus kernlosen Zellen, und auf einer Zeichnung, die Herr Stud.
E. Häckel von dem Auge eines Pecten varius in Helgoland fertigte, sieht man
ebenfalls den Glaskörper in ähnlicher Art gehalten. Da nun sonst bei den Mollus-
ken das Corpus vitreum, eine gleichmässig homogene Gallerte ist, so möchte ich
vermuthen, dass dieser „zellige Glaskörper" der Acephalen sich wie bei Spinnen
u. a. verhält , wo er der Krystallkegelsubstanz im zusammengesetzten Auge gleich-
werthig ist. — Auch das Auge von Sagitta darf weiterer Nachprüfung empfohlen
werden, da es nach den Abbildungen, welche Wihns (observ. de Sagitta Fgg. 6, 7)
gegeben hat, an das zusammengesetzte Auge der Arthropoden erinnert.
Das Auge von Nephelis verdient ebenfalls eine erneute Untersuchung. Nach
früheren Aufzeichnungen von mir besteht es aus einer Blase, deren Wand die
Sclerotica vorstellt und einzelne Kerne hat. Aus dem Pigment oder der Chorioidea,
welche den hinteren Abschnitt der Augenblase einnimmt, ragen in den vorderen
hellen Theil mehre klare kolbige Gebilde, jedes, wie mir schien, mit einem ebenso
hellen Kern versehen.
Ueber das Auge der Krebse, Spinnen und Insekten vergl. ausserdem be-
kannten Werke von Joh. Müller : Will, Beitr. z. Anat. d. zusammenges. Aug. 1840,
Gotische, Beitr. z. Anat. u. Phys. der Augen der Krebse u. Fliegen in Müll. Arch.
1852, W. Zenker, Studien über die Krebsthiere im Arch. für Naturgesch. 1854,
Leydig, zum feineren Bau der Arthropod, in Müll. Arch. 1855; die obige Schil-
derung stützt sich namentlich auf diese Arbeit. — Ueber die Augen der blinden
Crustaceen, namentlich des in der Mammuthhöhle lebenden Astacus pellucidus,
hat Newport mitgetheilt, dass hier das Pigment der Chorioidea fehlt.
Ueber die Randkörper der Medusen, welche bald für Seh- bald für Gehör-
organe angesprochen werden, vergl. die genaue mikrosk. Analyse, welche Gegen-
baur in Müll. Arch. 1856 darüber gegeben hat. Es geht daraiis hervor, dass sich
vorläufig gar keine bestimmte Deutung feststellen lässt , da manches für sensitive
Apparate, manches für excretorische Organe ausgelegt werden kann.
262 Vom Gehörorgan des Menschen.
*
Die Augenpunkte der Infusorien (Euglenen, Peridinien, Ophryoglenen) be-
stehen bloss aus „einer Anhäufung von feinen, kaum messbaren Körnchen, welche
das Licht stark brechen.'' Ein lichtbrechender Körper mangelt. Bei Ophryoglena
atra und Bursaria flava entdeckte Lieberkühn „ein uhrglasförmiges Organ",
welches bei Ophryoglena neben dem Augenpunkte liegt, durchsichtig, glashell ist,
ohne Spur von Faserung oder anderweitiger Struktur. Müll. Arch. 1866.
Ohr.
Einundzwanzigster Abschnitt.
Vom Gehörorgan des Menschen.
§. 226.
AcuBse.es DIg knoppeüge Grundlage des äusseren Olires und Gehör-
ganges gehört zum Faserknorpel, in welchem an den meisten Stellen
mehr Zellen als netzfaserige Grundsubstanz zugegen ist, ja letztere
häufig nur zu schmalen Balken zwischen den Zellen reduzirt erscheint.
Dies ist besonders in den dünnsten Theilen des Ohrknorpels der Fall.
Die Drüsen der den Ohrknorpcl überziehenden Haut geben insofern
zu Bemerkungen Anlass, als die Talgdrüsen an der Ohrmuschel sehr
entwickelt , hingegen die Schweissdrüsen gar klein geworden sind.
In der Haut des äusseren Gehörganges haben sich die Schweissdrüsen
zu den s. g. Ohrenschmalzdrüsen (s. oben) umgeändert.
§. 227.
Mittleres Das Trommelfcll besteht aus festem Bindegewebe, in M^elchem
Gefässe verlaufen ; aussen wird es von einer dünnen Epidermis, innen
von einem nicht flimmernden Plattenepithel überzogen.
Die Schleimhaut der Paukenhöhle saramt den Nebenräumen
hat ein unteres bindegewebiges, gefässreiches und auch Nerven ent-
haltendes Stratum , über welchem ein geschichtetes Flimmerepithel
wegzieht. Das Epithel auf "den Geluirknöchelchen flimmert so wenig,
wie das des Trommelfells. — Die Muskeln des mittleren Ohres sind
quergestreift.
Der Knorpel der Eustachischen Rcihre stellt in seiner Struktur
eine Uebergangsstufe von echtem Knorpel zum Faserknorpel dar.
§. 228.
Innere, Ohr. ^^as häutlgc Labyrinth, Vorhof und Bogengänge, besteht aus
Bindegewebe, welches nach aussen weicher ist und im feineren Ver-
halten Aehnlichkeit hat mit den steifen Faserzügen des Bindegewebs-
stroma's der ( Jhorioideo., auch gewöhnlich einige bräunliche Pigment-
ablagcrungen enthält; nach innen zu wird das Bindegewebe fester und
gestaltet sich zu einer mehr homogenen durchsichtigen Lage um. Das
Lumen begrenzt ein einfaches, sich leicht ablösendes Plattenepithel.
Spiralplatte.
263
Die Gehör steinchen, Otolithen , sind meist kleine, prisma-
tische, an beiden Enden zugespitzte Säulchen aus kohlensaurem Kalk.
An der Schnecke nimmt das häutige Spiralplatt derselben das
Interesse in Anspruch. Man unterscheidet daran einen höckerigen oder
inneren und einen glatten oder äusseren Abschnitt (die Zona denti-
culata und die Zona pectinata der Autoren). Die erstere, unmittelbar
von dem Perioste der knöchernen Lamina spiralis ausgeheud, besteht
aus derbem Bindegewebe und erhebt sich in helle , längliche Vor-
sprünge von glänzendem Aussehen, welche durch die bekannten Unter-
suchungen Corti s als Zähne der ersten Reihe bezeichnet werden
und bindegewebiger Natur sind. Weiter nach aussen folgen andere
eigenthümliche Zellen, die bisher nach Corti den Namen Zähne der
zweiten Reihe trugen , aber von ganz anderer Natur sind , als die
Zähne der ersten Reihe. Kölliher erklärte sie für die Enden des
Nervus Cochleae. Die Fasern des Äcusticus sollten nämlich durch feine
Löcher der Lamina spiralis membranaea, aus der Scala tympani in
die Scala vestibuli getreten, sich mit den s. g. Zähnen der zweiten
Reihe verbinden; letztere wären sonach eigentlich terminale Ganglien-
zellen, welche frei im Labyrinthwasser liegen.
Fig. 138.
B
A Vorhoffläche der häutigen Spiralplatte,
a Zähne der ersten Reihe, b spindelförmige Zellen, c Zähne der zweiten Reihe,
d Epithel der Zona pectinata, e gefässhaltiger Streifen, zur Befestigung der
Spiralplatte dienend.
B Senkrechter Schnitt durch die Lamina spiralis.
a Zähne der ersten Reihe, b spindelförmige Zellen (ich habe sie zwar in Ver-
bindung mit den Nervenfasern gezeichnet, was ich aber nicht mit Sicherheit ge-
sehen habe), d, e wie bei A, f Membran mit ihrem Epithel , welche die Vorhof-
fläche der häutigen Spiralplatte überdeckt.
264 VoiTi Gehörorgan des Menschen.
§. 229.
Nach Untersuchungen, die ich an jungen Katzen, Ziegen, dann
am Maulwurf anstellte, bin ich ausser Stand, die Angaben Köllikers,
was die Endigung des Hörnerven und das Cortische Organ überhaupt
betrifft, zu bestätigen, muss sie vielmehr grossentheils verneinen. Das
w^irkliche Verhalten ist Folgendes :
Die Zähne der ersten Reihe sind Erhöhungen und Vorsprünge
des bindegewebigen Periostes ; in's Innere der stärkeren erheben sich
feine elastische Fasern, die man bei Betrachtung von oben meist im
scheinbaren Querschnitt, also unter der Form scharfgezeichneter Punkte
wahrnimmt. Am Rande der Abdachung der grossen kammartigen Vor-
sprünge liegen noch in sehr regelmässiger Folge kleine Erhöhungen,
und die Vertiefungen dazwischen werden von K. für Löcher ausge-
geben, durch welche die Nervenfasern heraustreten, was ich zwar noch
nicht gesehen habe, aber doch nicht geradezu in Abrede stellen möchte.
Bei ganz jungen (noch blinden) Kätzchen trüben sich nach Essigsäure-
zusatz die Zähne der ersten Reihe. Die Zähne der zweiten Reihe
oder die vermeintlichen Enden der Schneckennerven lösen sich von
Präparaten, die in doppeltchromsaurem Kali einige Tage gelegen, sehr
leicht in toto ab und sind Zellen von einer sehr bestimmten Anordnung
und Gestalt. Die ersten (von den Zähnen der ersten Reihe her ge-
rechnet) zeigen sich als lange stabförmige , comprimirte Zellen mit
Kern ; sie sind vom lebenden Thier genommen und, mit Zuckerwasser
untersucht, sehr hell ; an Chromsäureobjekten erkennt man eine Schei-
dung in homogene Rinden- und granuläre Achsensubstanz. Diese
Zellen liegen nun nicht einfach gerade, wie auf der Kölliher^ sehen
Figur (Gewebl. Fg. 332) dargestellt ist, sondern sie vollführen sehr
regelmässige, von allen nebeneinander liegenden Zellen in gleicher
Weise eingehaltenen, Biegungen und Drehungen. Jede Zelle beschreibt
nämlich zwei Bogen nach aufwärts, beim zweiten mit Umdrehung der
Fläche und dazwischen einen sehr steilen nach abwärts; der letztere
verursacht bei Betrachtung der Zellen von oben und im Ganzen jenen
Streifen, der irrthümlich auf eine Theilung der Zelle in „zwei Glieder''
bezogen wurde. An die schlangenförmig gekrümmten Zellen schlicssen
sich zu äusserst drei Reihen von Zellen an (die drei Cylindcrzellcn
Corti^s , die gestielten Nervenzellen Kölliker'' s), welche sich mir
abermals ganz anders zeigen, als die genannten Autoren schildern.
Jede Zelle ist zwar in einen kurzen konischen Fortsatz verlängert,
aber mit diesem ist sie keineswegs angewachsen , sondern er steht
frei nach vorn und oben gekehrt, gerade so, wie an gleichen, in der
Ampulla vorkommenden Epitlielzellcn, so wie ich denn überhaupt die
vermeintlichen Nervenenden (die Zähne der zweiten Reihe Corti'' s)
für ein besonders geartetes Epithel erkläre; ihr ganzer Habitus im
frischen Zustande, das Trübwerden und Annehmen sehärferer Conturen
Schnecke. 265
in Essigsäure,, ist wie bei solchen Zellenlagen. An diese Stachelzellen
grenzen die gewöhnlichen Epithelzellen der Zona pectinata an.
Was die Endigung des Schneckennerveu betrilft, so scheinen
mir die früher breiten dunkeh'andigen Fasern des Aciisticas, nachdem
sie durch bipolare Ganglienkugeln unterbrochen wurden, fein und
blass geworden sind, in derselben Art zu enden, wie in den Ampullen;
sie verlieren sich nämlich in ein Lager kleiner Zellen, mit denen sie
sich zu verbinden scheinen, jedoch so, dass immer über die Zelle
hinaus noch ein äusserst feiner Faden eine kurze Strecke weit sicht-
bar ist.
Ferner findet sich, dass von der Habenula sulcata aus über die
„Zähne der ersten und zweiten Reihe" weg eine zarte bindegewebige
Haut herüberzieht, die ein Epithel trägt, sowie auch zum Theil Blut-
gefässe besitzt, und ich erblicke in dieser Decke das Analogen der
sackartigen Umhüllung um die Vorsprünge in den Ampullen (s. unten).
An der Lamina spiralis ist die Zona peciinata gefässlos. An Präpa-
raten, die 8 Tage in doppeltchromsaurem Kali gelegen hatten, waren
die Streifen der Zona pectinata geschwunden, die Membran homogen
und nur von kurzen, sich kreuzenden Strichen durchzogen, etwa wie
die Hornhaut von ihren Bindegewebskörpern. An die Zona j^ßctinata
sehe ich eine, zahlreiche Gefässe einschliessende Zona anstossen und
an dieser haftet die faserige Masse, durch welche die häutige Spiralplatte
die Schneckenwand berührt.
§. 230.
Das Labyrinth entsteht durch Einstülpung von der äusseren Haut
her, was zuerst Huscltke entdeckt hat. Beniah wies darauf nach,
dass das die Labyrinthblase auskleidende Epithel vom oberen Keim-
blatt herrühre, die häutigen und knöchernen Wände vom mittleren
Keimblatt geliefert werden. Vom Gehörnerven nahm man ziemlich
allgemein an, dass er aus dem Gehirn zur Labyrintliblase wachse;
indessen hat Remak gefunden, dass er an Ort und Stelle aus dem
mittleren Keimblatt sich sondere.
Die wichtigste Schrift iiher das Gehörorgan bilden die bekannten Recherches
sur l'organe de Touie des mammiferes von A. Corti. Vergl. ferner Reissner,
zur Kenntniss der Schnecke im Gehörorgan der Säugethiere und des Menschen,
Müll. Arch. 1854, Claudius, Bemerkungen über den Bau der häutigen Spiral-
leiste der Schnecke, Zeitschr. f. w. Zool. 1855. Dass die histologische Unter-
suchung der Schnecke zu den schwierigsten Arbeiten gehört, ist schon daraus zu ent-
nehmen, dass die Schilderungen sich sehr widersprechen, indem Jeder die Sache anders
gesehen hat. So meldet Beissner, dass von der Oberlippe der Crista aus Gefässe
nach dem äusseren Rande der Schnecke verlaufen, was Claudius bezüglich der au,s-
gebildeten Schnecke für falsch erklärt, worin er Recht haben mag. Hinwiederum er-
scheint mir gar Manches von Dem irrthümlich , was Claudius über den Bau der
Schnecke mittheilt. Nach ihm ist „die häutige Spiralleiste nicht eine einfache,
häutige Platte, auf welcher in der Vorhofstreppe das Corti'sche Organ läge, son-
dern sie stellt einen durch zwei einander parallel ausgespannte Membranen überall
266 Vom Gehörorgan der Wirbelthiere.
gegen beide Treppen abgeschlossenen , mit grossen dünnwandigen Zellen erfüllten
Raum in der Schnecke dar, nnd in diesem liegt der von Corfi beschriebene
Apparat." Ich vermag durchaus nicht dieses „Parenchym grosser dünnwandiger
Zellen'', mit dem der besagte Raum ausgeliillt sein soll , zu sehen. Bezüglich der
Verbindung der Nerven mit dem Corti'schen Organ konnte sich Claudius keine
klaren Anschauungen verschaffen : die „Stäbchen" beschreibt er ganz anders als
ich, sie sollen unter Anderem auch mit ihrem Aussenende auf der Zona pectinata
festgeheftet sein. — Allem zufolge düi-fte wohl noch einige Zeit vergehen, bis über
den fraglichen Gegenstand eine übereinstimmende Ansicht sich abgeklärt hat.
Zweiundzwanzigster Abschnitt.
Vom Gehörorgan der Wirbelthiere.
§• 231.
Aeusso.es X)as Knorpelfferüst der Ohrmuschel mancher Säuger (z. B. der
nd mittleres '■ ° . *-^ IM
Ohr. JNager, der Fledermäuse) sieht, nach dem ersten Blick zu urtheilen,
wie Fettgewebe aus , da die Knorpelzellen grosse Fetttropfen ein-
schliessen und nur durch ein Minimum von Grundsubstanz von einander
geschieden sind. Bei dem Rind, der Katze ist die Grundsubstanz
faserig und beim Meerschweinchen, dem Biber erscheint der Knorpel
theilweise ossifizirt {Leuckart, Mir am).
§. 232,
Das Trommelfell der Säuger, Viigel und wahrscheinlich auch
der beschuppten Reptilien besteht nur aus Bindegewebe mit feinen
elastischen Fasern und wird innen von Epithel , aussen von dünner
Epidermis bedeckt. Beim Maulwurf, dessen Trommelfell leicht als
ein Ganzes zu untersuchen ist, sieht man klar, dass die elastischen
Netze dieser Haut in zwei Hauptrichtungen, circulär und radiär näm-
lich, verlaufen. Beim Frosch sind in das Bindegewebe radiäre, glatte
Muskeln eingewebt, welche am Rande des Trommelfells einen Ring
bilden. In der Mitte des Trommelfells, im Umkreise der Ansatzstelle
des dem Hammer vergleichbaren Knorpels finden sich elastische Fasern,
die, obwohl verzweigt, doch in der Hauptrichtung ebenfalls radiär
verlaufen. Es steht sich hier sonn't die Muskelschicht am äusseren
Rande und die Lage elastischer Fasern in der Mitte des Trommelfells
antagonistisch gegenüber: die Muskeln wirken wie ein Spnnner des
Trommelfells nnd bei Nachlass ihrer Tbätigkeit führen die elastischen
Fasern dasselbe auf seinen gewöhnlichen Extensionsgrad zurück. Ueber
das eigentliche Trommelfell schlägt sich die äussere Haut weg , sie
wird dabei verdünnt, behält aber ihre, wenn anch kleiner gewordenen,
Drüsensäckchen bei.
Inneres Ohr. 267
Die Schleimliant der Paukenhöhle hat bei Säugern, Vögeln
und Reptilien ein Flimmei-epithel, aber der zellige Ueberzug an der
Innenseite des Trommelfells , sowie das Epithel der Gehörknöchelchen
zeigt sich immer cilienlos. Die Columella des Falco ümiuncidus z. B.
hat einen fetthaltigen Markraum, die Aussenfläche des Knochens über-
zieht ein blutgefässha 'tiges Bindegewebe und auf diesem liegt das nicht
wimpernde Epithel. Ebenso verhält sich die Columella der Eidechse,
nur dass hier die im Inneren des Knochens verlaufenden Blutgefässe
pigmentirt sind. Auch in den Gehörknöchelchen der Katze, nament-
lich im Fusstritt des Stajjes und im Ambos sind Blutgefässe deuthch
wahrzunehmen. Am Ansatz des Hammers vom Mauhvurf sind wohl
schöne Havers'sche Kanäle deutlich, aber nichts von Blutgefässen.
Der häutige äussere Gehörgang bei Talpa wird durch einen mehre
Windungen machenden Spiralknorpel gestützt (Hannover), von dem
ich indessen sehe, dass er bis auf die Ränder ossifizirt ist, doch hat die
Verknöcherung mehr den Charakter von kalkiger Incrustation. Bei
Echidna zerfällt der Knorpel in einzelne, mittelst eines Längsstreifens
verbundene Ringe , und auch bei den Delphinen finden sich ein-
zelne unregelmässig gestaltete Knorpelplatten in dem langen , engen
Gehörgang.
Der an der äusseren Haut mündende Oh rk anal der Rochen,
Haie und Chimären besteht aus Bindegewebe, in welches mehr oder
weniger schw^arzes Pigment eingemischt ist (sehr stark pigmentirt bei
Spinax niger). Die Innenfläche deckt ein aus langen Cylinderzellen
zusammengesetztes Epithel und das Lumen des Kanales zeigt sich er-
füllt von Otolithen. Letztere stehen zwischen Molekulargrösse und
ziemb'ch grossen Klumpen, sind entweder citronenförmig mit gescliichte-
tem Bau oder stellen drusenähnliche Körper dar.
§. 233.
Zur Aufnahme des häutigen Labyrinthes bildet bekanntlich innercsohr.
der hyaline Kopfknorpel bei den Selachiern weite Gänge und diese
sind von derselben pflasterförmigen Knochenkruste ausgetäfelt, welche
auch die übrige Schädelhöhle und überhaupt die meisten freien Flächen
des Skelets überzieht. Von dem bindegewebigen Periost, welches sich
über die Knochenkruste der Labyrinthgänge verbreitet, gehen mannich-
fach sich durchkreuzende Balken und Plättchen zum häutigen Labyrinth
, selber, um es zu befestigen. Die Maschen des bindegewebigen Netz-
werkes sind von Flüssigkeit erfüllt und in den Balken verlaufen auch
einzelne Blutgefässe.
Die Bindesubstanz, welche das häutige Labyrinth formt, gewinnt
bei niederen Wirbelthieren , namentlich den Fischen (Selachiern,
Stör u. a.), sehr an Dicke und ei'innert schon bei oberflächlicher Be-
sichtigung durch Consistenz und einen gewissen durchscheinenden
Habitus an Knorpel, w^as auch mit dem Resultat der mikroskopischen
Untersuchung im Einklang steht, indem man es mit einem Gewebe zu
268
Vom Gehörorgan der Wirbelthiere.
thun hat, welches die Mitte zwischen gewöhnlicher Bindesubstanz und
Hyalinknorpel einhält. Man erblickt da (z. B. am Stör, deutlich auch
bei Vögeln) nach Anwendung von Kalilauge in einer homogenen,
klaren Substanz helle, schmale Räume , die alle mit ihrer Längsachse
dem Kanal parallel laufen; sie besitzen einen feinkörnigen Inhalt, ver-
längern sich da und dort bedeutend und scheinen dann mit einander
zusammenzufliessen; bei der Taube sind viele sternförmig, bei PohjpteruSj
wo die Bindesubstanz des Ohrlabyrinths auch ziemlich dick ist, nähern
Fig. 139.
Stück eines halbcirkel förmigen Kanales der Taube. (Starke Vergr.)
a die knorpelähnliche Wand, b die gallertige äussere Schicht mit den Blutgefässen c,
d das innere Epithel.
sich die Räume oder Bindegewebskörperchen, welche mehr rundlich
oder oval und dabei strahlenlos sind, den Knorpelzellen. Bei kleinen
Batrachiern [Triton ignevs , Bomhinator) ist das Bindegewebe der
Ductus semicir ciliares fast ganz homogen und die zelligen Theile sind
kaum spurweise zugegen. — Nach aussen geht das feste, knorpel-
ähnliche Bindegewebe des Vestihuhwi und der Ductus senncirculares
in eine lockere, eher gallertige Schicht aus, welche die Gefasse trägt,
häufig pigmentirt ist (beim Frosch wenig, bei Bomhinator und Sala-
mandra sehr stark) und mit dem vorhin besagten Netzwerk sich ver-
bindet. Bei Batrachiern enthält das lockere Bindegewebe um die
Gänge etwas Fett.
§. 234.
Wenn man die Ampullen rein hcrausprJiparirt und dme allen
Druck (bei Vermeidung jeglichen Deckglases) von verschiedenen Seiten
her untersucht, auch namentlich neben frischen Objekten Köpfe, die
einige Zeit in doppeltchromsaurem Kali gelegen sind , vergleichend
herbeizieht, so bemerkt man Orgam'sationsverhältnisse, die bisher nicht
beachtet oder übersehen wurden. Ich habe besonders die Ampullen
Ampullen.
269
der Taul)e mikroskopirt, und die beistehende Figur ist genau nach der
Natur. Sie zeigt; dass im Inneren der Ampulle nicht bloss der Vor-
Fig. 140.
Ampulle von der Taube (nach Behandlung mit doppeltchromsaurem Kali),
geringere Vergrösserung als bei Fig. 139.
a die knorpelähnliche Wand, b das Lumen der Ampulle, welches mit dem des
Ductus semicircularis in Continuität steht, c Nerv der Ampulle, d die sackartige
Umhüllung des nerventragenden Vorsprunges, e die Blutgefässausbreitung.
Sprung zugegen ist, welcher den Träger der Nervenendigung abgiebt,
sondern es-existirt noch eine besondere Haut, welche, von der Basis
des gedachten Vorsprunges ausgehend, sich über den Nervenknopf in
bestimmter Faltung gleich einer Kapuze herüberzieht. Der Nerven-
knopf erscheint gewissermaassen in einen zweiten , innerhalb der
Ampulle liegenden Sack eingestülpt, und zwar so, dass oben und
unten eiii hohler Raum zwischen dem Sacke und dem Rande des
nerventragenden Vorsprunges bleibt. Während nun das Epithel ausser-
halb des Sackes von derselben blassen BeschaiFenheit ist, wie in den
Ductus yemicirculares, ist es im Inneren der bezeichneten Kapuze
dunkelkörnig, und an Chromsäurepräparaten sah ich, dass diese Zellen
an ihrer freien Seite in einen kammartigen Fortsatz ausliefen, der im
Profil wie ein Faden sich ausnahm. Dieselben Zellen beobachte ich
auch an der gleichen Stelle beim Auerhahn , und nachher bei der
Schnecke werden sie noch einmal zur Sprache kommen. Diese Ver-
schiedenheit des Epithels , sowie die ganze beschriebene Bildung ist
wohl bei allen Wirbelthieren die nämliche ; was wenigstens das Epithel
betriift , so sagen alle meine frühereu Aufzeichnungen , dass bei
Säugern, Vögeln, Reptilien und Fischen die Zellen in der Umgebung
der Nervenausbreitung einen gelbkörnigen Inhalt besässen und da-
durch von dem hellen Epithel, wie es sonst die Ampullen und die
Gänge auskleidet, bedeutend abstechen. Noch jüngst sah ich an der
270 Vom Gehörorgan der Wirljcltliiere.
Ampulle eines Aales, von welchem ich den lebenden Kopf in doppelt-
chromsaures Kali gelegt hatte, dass das Epithel zunächst der Nerven-
endigung in lange haarähnhche Fortsätze ausgeht, gleichsam in kolossale
Wimpern. Je eine Zelle setzt sich in ein Haar fort.
Fig. 141.
a b d c
Epitlielzellen aus der Ampulle und der Schecke.
a aus der Ampulle des Aales vom nerventragenden Vorsprung, b aus der Scknecke
der Taube im frischen Zustande, c dasselbe in verschiedener Ansicht, d dasselbe
nach eintägigem Aufenthalt in doppelt-chrorasaurem Kali. (Starke Vergr.)
Bei den Cyklostomen allein unter den Wirbelthieren vN^mpert
das Epithel des Ohrlabyrinthes und die Cilien übertreffen an Stärke
alle anderen Flimmerhaare im Bereiche der Wirbelthiere. Es sitzt
immer auf einer Zelle ein Wimperhaar (nach Erl-er) mit gabiig ge-
theilter Wurzel auf Das Haar zerfällt, wenn man es nach vorher-
gegangener Aufbewahrung in Cii romsäure mit Natron behandelt, und
presst in steife Fasern.
Der Nerv, welcher an die Ampulle herantritt, erzeugt, wie
schon Steif ens and (1835) richtig beschrieb, eine Einstülpung der
Ampullenwand nach innen und damit den vorhin erwähnten Vor-
sprung. Der Nervenstamm theilt sich innerhalb der Einbiegung zu-
nächst in zwei Hauptäste, die nach den beiden Seiten auseinander
weichen. Nimmt man Rücksicht auf das Verhalten der einzelnen
Primitivfasern, so enden sie, blass geworden, in einer kleinzelligen
Masse, und ich meine gesehen zu haben, dass die Fasern, was schon
H. Wagner und Meissner für die Fische angeben, eine der klei-
nen Zellen als Ganglienkugel aufnehmen, aber sie scheinen auch noch
darüber hinaus in eine feine Spitze auszulaufen. Der nerventragende
Vorsprung ist von einem sehr dichten Blutcapillarnetz durchzogen.
§. 235.
Das Innere des iiäutigen Labyrinths beherbergt ferner an gewissen
Orten die Otolithen, welche niemals fehlen und von sehr mannich-
facher Gestalt und Grösse sind. Die der Säuger und Vögel zeigen
sich unter der Form kleiner Krystalle , jene der Amphibien sind
durchschnittlich grösser , wobei wieder z. B. die Ohrkrystalle des
Landsalamanders in ihren entwickeltsten Formen die der Frösche an
Grösse übertreffen ; die Ohrkrystalle der Landschildkröte stellen, voll-
kommen ausgeprägt, geschichtete citronenförnn"ge Körper dar. Bei
den Selachiern sieht man punktförmige Otolithen , dann grössere
citronenf()rmige Körper, auch Kalkdrusen oder zusammengeballte
Khimpen. Es können hei einer und derselben Art verschiedene
i'oinion vorkommen, man findet z. B. in Hcymnus lichia, als die vor-
Gehörsteine. 271
Fig. 142.
Einige Formen von Otolithen.
a von Scymnus lichia, b von Raja batis. (Starke Vergr.)
herrschendste Form, viereckige Plättchen, welche, aufeinander ge-
schichtet , grosse quadratische Körper bilden , daneben sind runde,
schalige Otolithen und endlich Drusen mit spiessigen Krystallen. Bei
den Rochen ist die gewöhnlichste Gestalt der Otolithen citronenförmig,
es giebt aber auch grössere maulbeerförmige Klumpen. Nach Behandlung
der citronenförmigen mit Essigsäure schwand der Kalk und es blieb
eine rundliche Zelle mit deutlichem Kern zurück. Auch die runden
geschichteten Otolithen der Clmaaera lassen unter denselben Um-
ständen nach Lösung des Kalkes eine helle, organische Masse zurück
von denselben Umrissen und ebenso geschichtet, wie der unverletzte
Hörstein, Etwas eigenthümlich nehmen sich die organischen Reste
der Ohrkrystalle von Vögeln aus, wie ich wenigstens beim Auerhahn
sah, dessen Gehörorgan ich einige Tage in doppeltchromsaurem Kali
hatte liegen lassen. Sie boten eine mir nicht recht verständlich ge-
Fig. 143.
Die Otolithen des Auerhahnes, nachdem die Schnecke zwei Tage in doppelt-
chromsaurem Kali gelegen hatte. (Starke Vergr.)
wordene Zeichnung an den beiden Polen dar, die sich in's Innere
zog, ausserdem waren sie hell, glatt, ohne Kern; vergl. hierzu bei-
stehende Figur, Die grössten Otolithen, porzellanartig, am Rande
häufig gezähnelt, finden sich bei Knochenfischen. — Es wird ange-
geben, dass bei den Cyklostomen allein unter den Wirbelthieren die
Hörsteine mangeln. Mir scheinen diese Thiere keine Ausnahme zu
machen , denn man beobachtet bei Petromyzon Planen grössere
Conglomerate , die aus kleinen runden Kalkpartikeln zusammenge-
baclven sind und ausserdem noch zerstreut eine Menge solch winziger
Otolithen, welche die „Kalkmilch" vorstellen, Kuc\v Max Schnitze^
272 Vom Gehöi'organ der Wirbelthiere.
welcher die Entwicklung desselben Petromyzon verfolgt hat, spricht
ebenfalls von den „Kalkkugeln" und „Otolithen" des Embryo und
jungen Thieres (Sitzgsber. d. naturf. Ges. z. HallC; Sitz. v. 12. Mai 1855).
Die helle, klare Endolymphe des Labyrinths hat mitunter bei
Fischen dieselbe Consistenz, wie die gleiche Ausfüllungsmasse in den
s. g. Schleimkanälen, ja kann selbst wie dort den Charakter einer
festen Gallerte annehmen.
§. 236.
Vom histologischen Bau der Schnecke der Säuger war oben
die Rede, ich habe meine Untersuchungen auch auf die der Vögel
und Reptilien ausgedehnt. Unter den Vögeln wurde namentlich
die Taube, nebenbei auch die Schnepfe, Auerhahn und Kanarienvogel
in Betracht gezogen, doch stützen sich aus naheliegenden Grühden
die folgenden Mittheilungen vorzüglich auf die Zergliederung der
Taube.
Was man mit freiem Auge und geringen Vergrösserungen an der
Schnecke der Vögel ermitteln kann, haben vor längerer Zeit Windisch-
mann (1831) und liuschke (1835) im Allgemeinen richtig be-
schrieben. Der Knorp elrahmen, welcher an den genannten Vögeln
einen vollständigen Ring bildet und, an dem unteren Ende sich ver-
breiternd und pantoftelartig aushöhlend, die Grundlage der s. g. Lagena
herstellt, zeigt interessante Eigeuthümlichkeiten ; im ganz frischen Zu-
stande desselben erblickt man eine streifig-faltige Zeichnung in der
Grundsubstanz , die Zellen dazwischen sind ziemlich zahlreich und,
wie schärferes Zusehen belehrt, sie sind deutlich verästelt. Setzt man
Kalilauge hinzu, so wird die Intercellularmasse homogen und giebt
jetzt das Bild eines Hyalinknorpels ; ferner erscheint der Knorpcl-
rahmen von zahlreichen Blutgefässen durchzogen, deren Ver-
zweigung man sich mühelos und übersichtlich durch Abpinselung des
ganzen Rahmens und Behandlung mit Kalilauge vorführen kann. Ich
sehe an jeden Schenkel des Rahmens (bei der Schnepfe) ein Stamm-
gefäss herantreten, das, in ^Xcn Knorpel eingedi'ungen, sich zunächst
in mehre Längsgefässe auflöst, die wieder in ein kleineres Maschennetz
zerfallen [Windiscinnann giebt von der Henne eine etwas andere
Vei'zwcigung) ; eine schöne Ausstrahlung von Blutgefässen macht sich
auch im verbreiterten Knorpel dei' Lacjena bcmerklich.
In dem länglichen Zwischenräume, der zwischen den beideji
Schenkeln des Knorpcirahmens bleibt, ist ein zartes Häutchen
ausgcspunnt, das bei der J^'äparation fast immer an der einen Seite
sich loslöst. Dieses Häutchen hat die Beschaff^"cnheit f^Qx Zona itectinata
dei- Säuger; es ist gcfässlos, fein gestreift, die rundlichen Kerne,
welche man auf seinei" ( )bei'Häche sieht, scheinen einem andei'cn, nocli
viel zarteren lläulchen anzugehören, welches der gestreiften Lamelle
diclit uuHiegt. (Auch an der Zona pectinnta einer jungen Katze liabe
icli dasselbe bemerkt.) Wo nun die gedachte sti'ciHge Haut an jenen
Schnecke.
Fig. 144.
273
Schnecke der Taube, massig vergrössert.
a a die beiden Knorpelrahmen, b die Lagena, c die Spiralplatte, d die Nerven-
entfaltuug, e Otolithenmasse, f die gefässhaltige Decke über der Vorhofsfläche
des Knorpelrahmens und der Spiralplatte.
Sclienkel des Rahmens angrenzt, finden sich eigenthümliche
zellige Gebilde von zweierlei Art. Die einen sind ganz analoge
Stachelzellen, wie sie von den Ampullen der Vögel und der Schnecke
der Säuger schon erwähnt wurden : blasse , rundliche oder kurz-
cylindrische Zellen, welche dem ersten Anblick nach in einen spitzen
Fortsatz sich verlängern, in Wahrheit aber erhebt sich auf der Zelle
eine dünne Membran, die eben im Profil wie eine dicke Borste sich
ausnimmt. Man denkt unwillkürlich an undulirende Membranen,
allein ich konnte (die Theile aus dem noch warmen Thier genommen
und mit Humor aqueus befeuchtet) keine Spur einer Bewegung er-
blicken. An Wimpercilien wird man ferner noch dadurch erinnert,
dass nach eintägigem Aufenthalt in doppeltchromsaurem Kali der
Ivoydig, Histologie. \^
274 Vom Gehörorgan der Wirbelthiere.
membran artige Anhang der Zelle deutlicli in 3 — 4 Einzelhaare sich
zerspalten zeigt (vgl, Fig. 141, d). Solche Zellen kleiden auch die Lagena
aus. Die anderen, zwischen den beiden Schenkeln des Knorpelrahmens
vorkommenden zelligen Gebilde sind die zartesten Theile des Gehör-
organes, denn während noch alle anderen Bildungen verhältnissmässig
wohl erhalten zugegen sein können, sind dieselben oft schon ganz
unkenntlich geworden, und ich bin auch trotz aller Mühe nicht ins
Reine mit ihnen gekommen. In ganz frischem Zustande (unter Zucker-
wasser und mit Vermeidung eines Deckglases untersucht) präsentiren
sie sich wie äusserst blasse, gallertige, cyhndrische Zellen und an
Chromsäurepräparaten heben sie sich gerne im Zusammenhang als
hautartige Lage ab, wo alsdann auf der Fläche der Haut anscheinend
helle Lücken zwischen den, die Haut zusammensetzenden Theilen ge-
sehen werden.
Der S c h n e c k e n n e r V tritt an den einen Schenkel des Knorpel-
rahmens heran, um in ihm, sowie in der Lagena zu enden; bei den
Säugethieren blieb es mir unklar, ob der Nervus cochlearis die Lamina
S])iralis ossea verlässt ; hier bei den Vögeln geht er gewiss nicht über
das Knorpelstratum hinaus, sondern nachdem er in reiche Plexus sich
entfaltet hat, gelangen die blass und fein gewordenen Fibrillen an den
homogenen dünnen Rand des Knorpels, an den die gestreifte Lamelle
sich ansetzt, und die Fasern laufen äusserst zart aus, nachdem sie
kurz zuvor eine kleine Anschwellung entwickelt haben, die ich auf
eine winzige Ganglienkugel beziehen möchte.
Ueber den Knorpclrahmen und die dazwischen gespannte Haut
samint den eigenthümlichen zelligen Körpern wölbt sich , ein Dach
bildend, eine Haut, die Windischmann Membrana vasculosa
nennt. Sie erscheint in zahlreiche Querfalten gelegt und besteht aus
einem zarten bindegewebigen, die Gefässe tragenden Stratum und einem
Epithel (die J/aferm^^^</yf;o5a bei Wüidischmann), das Aehnlichkeit mit
dem der Plexus choroidei des Gehirns hat: die Zellen haben einen dichten
gelbk">r]iigen Inhalt, auch mitunter einige grössere Fetttropfen. Die
Blutgefässe dieser Haut stehen deutlich mit denen der Knorpelrahmen
in Anastomose, und namentlich ist hervorzuheben, dass an der Spitze
der von Iln.schke entdeckten Zäime des die Nervenendigungen ein-
schliessenden Knorpelschenkels je ein Gefäss heraus- und in die Mem-
brana vasculosa übertritt.
Die Otolitlicn in der Lagena bilden keineswegs einen unregel-
mässig zusammengeschobenen Haufen, sondern, wie die Fig. 144, e zeigt,
einen bandartigen gekrünnnten Streifen.
Vergleicht man den mikroskopischen Befund der Schnecke der
Vögel mit dem von den Säugern gemeldeten, so scheint nn'r eine
grosse Analogie unverkennbar zu sein. Die Zähne am Rand des
einen Knorpclschenkels etwas nach rückwärts von den Nervenenden
könneii den „Zähnen erster Reihe" in der Schnecke der Säuger gleich-
Schnecke.
275
OL
Fig. 145.
B
A Vorlioffläche der Spiralplatte sanimt Knorpelrahmen der Taube.
B Die Spiral jalatte und Knorpel im senkrechten Schnitt.
a die Zähne des inneren Knorpels, b die Endplexus des Schneckennerven , c Zona
pectinata, d die gallertigen Zellen , e die Stachelzellen (beide zusammen das Ana-
logen des Corti'schen Organs), f die Membrana vasculosa.
gesetzt werden , die gallertigen Zellen entsprechen vielleicht den
schlangenf(innig- gekrümmten Zellen, und die mit dem membranartigen
Anhang sind 'dieselben, wie sie oben von Säugern beschrieben wurden.
Das Dach, welches die Membrana vasculosa erzeugt, findet sein
Aequivalent in der schon von üorti gekannten Membran , welche
die Hahenula denticulata bedeckt.
§. 237.
Die Schnecke der Lacerta agilis ist wegen ihrer Kleinheit be-
züglich des topographischen Verhaltens der sie zusammensetzenden
Theile sehr schwer zu untersuchen und nur die Annahme, dass bisher
ausser der von Windischinann gelieferten Abbildung (aus Lacerta
ocellata) keine andere bildliche Darstellung existirt , bestimmt mich
zm- Mittheilung der Figur 146. Die Schnecke hat einen inneren, einen
ovalen Ring bildenden, gelbhchen Knorpelrahmen, der, wie bei
den Vögeln, von Blutgefässen durchzogen wird, dazwischen ist auch
eine gestreifte Zona ausgespannt, aber, wie es mir vorkam, nicht
geschlossen, sondern durchbrochen, und da der Knorpelring einfach
quer gestellt scheint, so würde der vor dem Rahmen liegende Hohl-
raum mit dem hinter ihm befindlichen durch die Oeff'nung der ge-
sti-eiften Lamelle communiziren. Das Epithel der Lagena, welch'
18*
:76
Vom Gehörorgan der Wirbeltliiere.
Fig. 146.
Schnecke von Lacerta agilis.
a der Knorpelrahmen, b die Lagena mit der Otolithenmasse, c der Nerv
letztere mit Otolithenmasse angefüllt ist , hat einen körnigen Inhalt
und, ^Yie ich zu sehen glaube, auch kurze Stachelfortsätze; in der
Nähe des Knorpelrahmens ist es ebenfalls von granulärem Inhalt, doch
anders als in der Lagena, an der übrigen Wand der Schnecke hat es
eine zarte blasse Beschaffenheit. Die Fasern des Nervus cochlearis
gehen in zwei ITauptstämme auseinander, nachdem sie durch bipolare
Ganglienkugeln unterbrochen wurden; ein Stamm geht zur Lagena
und einer zum Knorpelrahmen, wobei er sich gabelnd um den einen
Bogen lierumkrünunt. A^ o und wie die Endigung dieser Fasern statt-
hat, ist mir ganz unbekannt geblieben.
Da man bisher den Batrachiern eine Schnecke ganz abspricht,
so kann ich nicht unerwähjit lassen, dass ich auch bei Bann und
Bombinator eine, eiilem Knorpelrahmen analoge Bildung wahrnahm,
auf welche ich die Aufmerksamkeit hiermit gelenkt wissen möchte.
§. 238.
Im Iliickblick auf den Nervus acustlcus sei noch bemerkt, dass er
bei allen Wiiliclthieren bipolare Ganglienzellen in seinem Stamm hat;
Vom Ohr der Wirbelloseu. 277
weiterhin, im Labyrinth angehängt, formirt er Plexus^ die Fibrillen
theilen sich auch wohl (am Frosch, Stör und Chimaera beobachtet),
cndhcli werden die Fasern blass, verschraächtigen sich bedeutend und
hören zuletzt wahrscheinlich allgemein mit terminal aufsitzenden
Ganglienzellen auf, jedoch so, dass die Zelle sich noch in eine feine
Endspitze faserartig auszieht.
Es wurde früher vielfach beschrieben und abgebildet, wie die Fasern des
Hörnerven in doppelt conturirten Ter minalschlingen enden sollten. Im Gegen-
satz hierzu habe ich in meinen verschiedenen Mittheilungen über die Histologie
der Fische immer ausdrücklich hervorgehoben , dass die Nervenfibrillen da nicht
enden , wo die scheinbaren Schlingen sind , sondern dass sie darüber hinaus sich
als feine blasse Fasern fortsetzen , deren eigentliches Ende ich mir nie vorführen
konnte. R. Wa(/ner hat gezeigt, dass die letzten Endfäserchen des Acusticus sich
in Anhäufungen von Ganglienkugeln verlieren, welche an den Enden der Fäserchen,
wie Birnen an ihren Stielen sitzen (Götting. Nachr. 1853). Mir scheint nach Unter-
suchungen, welche neueren Datums sind, als die oben §. 184 erwähnten, dass noch
jenseits der terminalen Ganglienkugel ein faseriger Ausläufer vorhanden sei.
Die Untersuchung der Schnecke der Vögel und der unteren Wirbelthier-
klassen, namentlich wenn es sich um die Lagerung der Elementartheile handelt, ist
sehr misslich und Avürde einen grossen Aufwand von Zeit und Mühe erfordern.
Von der Spiralplatte der Vogelschnecke meldet Claudius (a. a. O.) , dass er bis
jetzt von einem Corti'schen Organ noch keine Andeutung gesehen habe, welche An-
gabe durch die obigen Mittheilungen in etwas berichtigt sein dürfte.
Dreiiuidzwanzigster Abschnitt.
Vom Ohr der Wh'bellosen.
§. 239.
Das Gehörorgan der Würmer und Mollusken hat die Con-
Olii
striiktion einer Blase mit eingeschlossenen Otolithen und sitzt entweder weioiiti.ieie.
den Nervencentren auf oder ist am Ende von eigenen Hörnerven an-
gebracht. Hat das Organ eine solche Grösse erreicht, um weiter ana-
lysirt werden zu können, so unterscheidet man als Theile, welche in
den Bau der Ohrblase eingehen : Bindesubstanz, Epithelzellen, flüssige
Ausfülliingsmasse und die Otolithen. Die Bindesubstanz bildet das
Gerüst des Organes , sie ist bei Cijclas cornea' geschichtet und hat
concentrisch gelagerte Kerne, nach innen zu geht sie wahrscheinlich
allgemein in einen festeren Grenzsaum, man könnte sagen, in eine *
Tunica propria aus. Bei Paludina vivipara ist das äussere lockere
Bindegewebe der Ohrblase aus grossen hellen Zellen zusammengesetzt,
wie sie auch sonst in diesem Thiere einen guten Theil des Binde-
gewebes ausmachen; in manchen dieser Zellen ist Kalk abgelagert,
auch ist diese Umhüllungsschicht bei manchen Individuen mit schwarzem
Pigment besprengt. (Aehnliche Pigmentirung bei Cymbulia.). — Das
4%- ^,
■278
Vom Ohr der Wirbellosen.
Fig. U7.
%;.
Gehörorgan von Cyclas cornea nach Essigsäurebehandliing und bei starker
Vergrösseriing.
a die bindegewebige Hülle, b deren scharfe Grenze nach innen (Tunica propria),
c Flimmerzellen, d Rand des Ganglions, welchem das Gehörorgan aufsitzt.
Epithel, welches die Innenfläche der Ohrblase überzieht, besteht
entweder aus kleinen Zellen [Paludina vivip. z. B.), oder die Zellen
sind gross, breit mit feinem, blasskörnigem Inhalt (z. B. Cyclas, Helix,
Anci/lus)', in anderen Arten haben sie eine cylindrische Gestalt/ so
stellen sie z. B. bei ünio, Anodonta lange, schmale Zeilen vor, mit
gelbkörnigem Inhalt gefüllt. Bei Carinaria^ Pterotracliea, Firola er-
scheint die Mehrzahl der Zellen platt oder springt nur wenig in den
Hohlraum der Blase vor, andere ragen papillenartig in's Innere des
Ohres hinein. Die Epithelzellen Scheinen ferner entweder cilienlos zu
sein (ich konnte wenigstens bei Paludina keine bemerken) oder, was
häufiger der Fall ist, sie sind mit Wimperhaaren versehen, und diese
scheiden sich wieder in sehr feine (so bei Cyclas, den Najaden, den
Gasteropoden) und in dicke, borstenartige, wie sie bei den Heteropoden
vorkommen ; bei Atlanta geht jede Zelle in einige lange, starre Cilien
aus, bei Carinaria, Pterotrachea, Firola tragen nur die pajiillenartig
Fig. 148.
Gehörorgan von Unio. (Starke Vergr.) ^
a der Nerv, b l)indegewebige Membran der Ohrblasc, c die Flimmerzellen, ^
d der Otolith. .
Mollusken.
279
vorspringenden Zellen die Wimperbüschel. — Das Epithel der Ohr-
blase von Cephalopoden wimpert g-leichfalls.
§. 240.
In der Flüssigkeit, welche die Ohrblase prall erhält, schweben
die Otolithen. Die Heteropoden, Acephalen und Turbellarien haben
einen einzigen Hörstein, eine grössere oder kleinere glashelle oder
leicht gelbliche Kugel, aus Kalksalzen und einer organischen Grund-
lage bestehend. Der Otolith ist gewöhnlich concentrisch gestreift,
ausserdem auch noch mitunter mit radiären Strichen versehen. Der
einfache Otolith einiger Turbellarien (der Arten von Monocelis) hat
noch zwei seitlich ansitzende Höcker. Die Ohrblase der Quallen (?),
der Anneliden (Aremcola, Amphicora), der Gasteropoden und Ptero-
poden umschliesst zahlreiche kleine Ohrkrystalle (bei CymhuUa ein
maulbeerförmiges Häufchen von Kallcconcretionen). Bei den Cephalo-
poden sind die Kalkprismen zu einem einzigen Otolithen verbunden,
dessen Conturen sehr wechseln und meist einen Körper von unregel-
mässiger Gestalt vorstellen.
Fig. 149.
-«
A /
a
f
Gehörorgan von Cariiiaria.
a der Nerv, b das Epithel, c die Papillen mit den Winiperbüscheln, d der Otolith.
§. 241.
Sowohl an Paludina, als auch am Ohr der Carinaria suchte ich
zu ermitteln, wie der Hör nerv in der Ohrblase endet, habe aber
dabei nichts von spezifischen Elementartheilen bemerkt. Der Nerv
hat ein homogenes Neurilem, das unmittelbar in die äussere binde-
280 Vom Ohr der Wirbellosen.
gewebige Haut der Ohrblase übergeht, der Inhalt des Sehnerven ist
eine feinstreifige Substanz , und stellt man bei passender Lage des
Objektes den Fokus gerade auf das innere Ende des Nerven inner-
halb der Ohrblase ein, so sieht man nichts weiter, als dass er sich
feinpulverig auflöst. Qegenhaur war nicht glücklicher, doch bemerkt
er, dass das feinkörnige Ende des Nerven in das Lumen der Blase
eine Hervorragung bildet, was auch auf der von mir früher gelieferten
Zeichnung ersichtlich ist. — Endlich ist noch des Vorkommens von
muskulösen Elementen am Gehörorgan zu erwähnen. Bei Palu-
dina vivip. lösen sich von der Muskulatur des Fusses mehre Bündel
ab , welche in einem Geflecht die Ohrkapsel überziehen und nach
Leuchart treten auch an das Gehörorgan der Firola Muskelfäden.
§. 242.
Ohr Aus der grossen Abtheilung der Arthropoden keimt man bis
lei Krebse, jp^^^ bloss cin Gcliörorgan bei einer Anzahl von Krebsen und einigen
wenigen Lisektengattungen. Das Ohr der Krebse liegt in der
* Regel im Basalgliede der Innern Antennen und erscheint entweder als
eine blasenförmige Einstülpung der Haut der Antennen nach Innen, so
dass die Ohrblase durch eine spaltförmigc Oeffnung mit der Aussenwelt
zusammen hängt {Astacus, Palitmrus, Paguriis u. «.), oder die Ohrblase
ist abgeschlossen {Leucifer, Mastigoims, Hippolyte). Was den feinern
Bau angeht, so scheint die Wand des Ohrbläschens nur eine homo-
gene Chitinhaut (ohne Epithel) zu sein, die als Einstülpung von der
äussern Haut her auch bei Offenbleiben des Gehörraumes einen
Haarbesatz haben kann, wie es auch sonst an viele Stellen des Haut-
skelets sich findet {Astacus z. B.). Der Otolith ist in den völlig
geschlossenen Ohrbläschen ein einziger hügliger Körper, glashcll,
^ ohne concentrische und radiäre Streifung, so \)q'\ Mastigopus'^ hei Hi/)-
polyte ist die Oberfläche des Otolithen nicht glatt, sondern von zahl-
reichen sich durchkreuzenden Furchen durchzogen, die als dünne
^ Risse, bis weit in die Substanz des Otolithen hineindringen. Da der
Otolith leicht durch Druck in einen Haufen grösserer und kleinerer
Concretionen auseinander weicht, so bildet ein solches Verhalten ge-
wissermaassen den Uebcrgang zu den Hörsteinen der offenen Gehör-
blasen, welche gewöhnlich einen Haufen kleinerer Kalkkcirper vor-
stellen. Ueber den an das tjchörorgan vom Gehirn herantretenden
Nerven liegen noch keine liistologischen Mittheilungen vor.*)
*) Ueber das „Ohr" des Flusskrebses ,(im Basalglied der Antennen) Hessen
sich histologischcrseits fast Bedenken aussprechen. Es ist mir bis jetzt nicht ge-
lungen, etwas von spezifischen Elcmentartlicilen zu erblicken ; die Höhle wird von
einer gewöhnlichen porenhaltigcn Chitinliaut begrenzt und die sog. Otolithen
machen doch ganz den Eindruck von Steiuchen, die von aussen hereingekommen
sind. Zudem sieht mau zugleich mit ihnen in der „Ohrliühle" allerlei anderen
Detritus, Panzer von Bacilhirien, Navicularien etc.
Arthropoden.
281
§. 243.
Nach einem andern Typus als das Ohr der übrigen Wirbellosen
ist das Gehörorgan der Heuschrecken und Grillen gebaut , die
einzigen Insekten, von deren Olu' wir niit Sicherheit wissen. Bei
den Acrididen liegt das Gehörorgan im hintren Theil des Thorax zu
beiden Seiten über dem Ursprung des letzten Fusspaares. Hier
bildet die äussere Haut einen festen Ring in den eine trommel-
fell ähnliche Membran eingespannt ist^ beide sind demnach chi-
tinisirte Bindesubstanz. An der Innenseite des Trommelfells er-
heben sich ein paar Vorsprünge von characteristischer Form. Ein
oberer kleinerer ist ein dreieckiger Knopf mit der Spitze nach unten
gekehrt. Er hat ein von zahlreichen Porenkanälen punktirtes und
gestricheltes Aussehen. Der untere grössere Vorsprung ist eine Art
winklig eingebogene Querspange , deren einer Arm dünn beginnt,
und indem er sich nach innen stärker emporwölbt und zahlreiche feine
und weite Porenkanäl besitzt, formt er einen dicken Wulst, zu dessen
Bildung übrigens auch der andere Arm der Spange, welcher breit
und rinnenförmig ausgehöhlt ist, das seim'ge beiträgt. Dieser mittlere
Vereinigungshöcker hat bienenwabenälmliche Räume, von denen ein
Theil geschlossen und mit Luft getüUt ist, ein anderer Theil frei
nach innen sich öffnet. Der Nervus acusticus, welcher aus dem
dritten Brustganglion entsprungen ist, schwillt, indem er sich dem
Knopf des spangenartigen A'orsprunges genähert hat, in ein Gang-
lion an, das (bei Acridium coerulescens) etwas pigmentirt ist. Hörnerv
und Ganglion haben eine homogene mit einzelnen Kernen ausgestat-
tete Hülle, der Inhalt des Nerven ist eine molekulare Substanz , in
Fig. 150.
Uhr der
In-'cKten.
Das Gehörorgan einer Heuschrecke (Acridium coerulescens)
bei geringer Vergrösserung von innen betrachtet.
a der Nervus acusticus, welcher mit einem Ganglion endet; b, c, d drei Hornvor-
sprünge an der Innenfläche des Trommelfells e, wo der Ausatz und die Endigung
des Hörnerven Statt hat ; f der hornige Rahmen des Trommelfells.
28-2
Vom Ohr der Wirbellosen.
welclier innerhalb des Ganglions kleine und grössere Blasen von hel-
lem Aussehen, sowie echte Kerne liegen, letztere besonders da, wo
die Pigmentirung des Ganglions aufhört. Das vordere ungefärbte
Ende des Ganglions bietet einen sehr bemerkenswerthen Bau dar.
Es nimmt nämlich, wenn auch in den zartesten Linien, das Aus-
sehen an, als ob die Nervenmolekule in gewisse strangartige Massen
sich zusammenfügten, von denen jede, wie der freie Rand beweist,
von einer überaus feinen Hülle umgeben ist. Im etwas kolbig erwei-
terten Ende eines solchen Stranges oder richtiger Schlauches springt
ein stäbchenförmiges Gebilde ins Auge, an dem man ein vor-
deres, wie kappenförmiges Ende von dem eigentlichen konischen Stäb-
chen unterscheidet. Das Stäbchen scheint hohl zu sein, da die Wand
nach innen einige Vorsprünge macht und sein hinteres Ende geht
in einen feinen Stift aus , der sich eine Strecke weit in die Moleku-
larmasse zurück verfolgen lässt, bis er selber molekular zerfallend
mit der umgebenden Punktmasse verschmilzt. Die Zahl solcher Stäb-
chen mag gegen 20 — 30 in einem Ganglion betragen und die er-
wähnten areolären Räume an der knopfförmigen Verdickung des
Fig. 151.
|':.V '-;
Das Giinglion acusticnm isolirt und bei starker Vergrösserung.
a der llürncrv, b die Anschwellung, znni Theil pigmentirt, c die Endigung des
Hörnerven, mit eigenthümlichen stabartigen Gebilden.
Dergleichen Stäbchen noch mehr ver gr i^ssert.
a von Acridium, liegt innerhalb eines feinkörnigen Ncrvenschlaucbcs; b von
Locusta viridissima, auch hier erscheint es vcrgleiclmngsweise als der Kern eines
blasig erweiterten Nervenschlauches ; c dasselbe von oben angesehen , wo es
vierkantig sich zeigt.
Arthropoden. 283
Trommelfells dienen zur Aufnahme der schlaucliigen Enden sammt
Stäbchen des Ganglions.
In einer gewissen Beziehung zum Gehörorgan steht auch eine
grosse Tracheenblase, welche durch ihren nach dem Trommel-
fell gekehrten Tlieil mit dem Trommelfell selber bis auf die Stelle,
wo das Ganglion des Acusficus sich an den Hornknopf anlegt, mit
dem Trommelfell verwachsen ist. Der Hörnerv sammt Anschwellung
liegt demnach zwischen der Haut des Trommelfells imd der äusseren
Wand jener Tracheenblase; der betreffende Raum ist somit unmittel-
bare Fortsetzung der Leibeshöhle und theilt mit dieser auch den Be-
sitz der weichen, nicht chitinisirten Hautlage, welche Kerne mit brau-
nem Pigment enthält.
§. 244.
Das Gehörorgan der Lokustiden und Achetiden ist in den
Vorderschienen untergebracht, dicht an dem Kniegelenk. Die Haut bildet
hier eine Höhle, die nach vorn durch eine Art Trommelfell geschlossen
ist, und der Haupttracheenstamm der Vorderbeine erweitert sich an
diesem Orte zu einer Blase, an welcher das Ganglion des Gehör-
nerven herabzieht. Der histologische Befund stimmt im WesentHchen
mit dem über die Acrididen Gemeldeten überein: die vorhin als
Nervenschläuche beschriebenen Abtheilungen des Ganglions gehen in
deutliche Endblasen aus, die in mehreren Reihen neben einander
längs der Tracheenblase sich forterstrecken, wobei sie von oben nach
unten an Grösse abnelmien. Aus der Mitte von jeder Endblase des
Nervenschlauches leuchtet ein kolbenförmiges, vierkantiges Stäbchen
hervor, das noch von einem hellen Räume umschlossen ist. Das
mützenartige Ende der Stäbchen ist regelmässig vierlappig, im Ein-
klang mit den vier Seitenkanten. In gleicher Weise verhalten sich die
stabförmigen Elemente bei der Feldgrille {Acheta campestrts), deren
Gehörganglion ziemlich stark braun pigmentirt ist.
Ueber den feinem Bau des Gehörorganes der Mollusken haben gehandelt
Leuckart (zoologisch. Untersuchimgen, 1854, Heteropodenj , Gegenhaur (Ptero-
poden u. Heteropoden, 1855), Leydig {Paludina, Ztschr. f. w. Z. 1849, Carinaria,
Firola, ibid. 1851, Cyclas, Najaden, Müll. Arch. 1855); über die Gehörwerkzeuge
der Krebse s. Leuchart im Arch. f. Naturg. 1853, über die der Insekten v. Sie-
bold, ibid. 1844, Leydig in Müll. Arch. 1855. Da die Präparation des Gehör-
organs der Locustiden nicht ganz leicht ist, so füge ich nach neuerdings gemachter
Erfahrung bei, dass die zarten Spezies von Locusta zu empfehlen sind, um gedach-
tes Organ in toto und verhältnissmässig gut übersehen zu können. Man schnei-
det das ganze Bein ab und betrachtet es bei verschiedener Lage; die Haut ist
durchsichtig genug , um die wasserklaren Endblasen des Nerven mit den eigen-
thümlichen Stäbchen darin erkennen zu lassen.
,/..
.ml^a.
/iL-. ' Jüe*^«.
284 Vom Nahrungskanal des Menschen.
Mund- M nd
HaclienlM'ilile
Vieriindzwaiizigster Abseliiiitt.
Vom Nah rungsk anal des Men sehen.
§. 245.
Die V er d au ungs Werkzeuge bilden Plölilen und Kanäle,
welche als Einwärtsstülpungen der Körperoberfiäche zu betrachten
sind und sich in Mund und Schlund, Magen und Darm scheiden.
Die Wand der Mundhöhle wird von einer Schleimhaut gebil-
det, die ziemlich dick und eine unmittelbare Fortsetzung der äusseren
Haut ist, daher wie diese aus einer unteren bindegewebigen Lage
{Corium der Schleimhaut) und einer oberen zelligen Schicht (Epithel)
besteht.
Das b i n d e g e w e b i g e G r u n d s t r a t u m, dem zahlreiche elastische
Netze eingeflochten sind und die Gefäss- und Nervenausbreitung der
Mucosa in sich fasst, ist nach den verschiedenen Lokalitäten abwech-
send dünner oder dicker. Die freie Fläche geht in Papillen aus und
nach unten befestigt sie sich in verschiebbarer oder auch unbeweg-
licher Weise an die knöchernen und muskulösen Umgebungen. — Die
Zellen der Oberfläche setzen ein geschichtetes Plattenepithel
zusammen; die untersten Zellen sind länglich und senkrecht auf das
Corium gestellt, weiter nach anssen nehmen sie an Grösse zu, platten
sich ab und die obersten stellen grosse etwas verhornte Plättchen
dar mit einem oder mehreren Kernen. Durch die Sprach- und Kau-
bewegungen werden die äuss ersten Zellen immer abgehoben und
schwimmen frei in der Mundflüssigkeit. '
Die Mucosa der Mundhöhle enthält eine grosse Anzahl von
Priisen. O
Schleimdrüsen, die, wenn sie sich an einzelnen Gegenden sehr an-
sammeln, als Lippendrüsen, Backendrüsen, Gaumendrüsen, Zungen-
drüsen beschrieben werden. Die Drüsen gehören zu den traubigen
Formen, ihre liindegewebige Tunica 'pro'pria ist eine direkte Fortsetzung
des Coriums der Schleindiaut und ihre Sckretionszellen stehen in con-
tinuirlichem Zusannncnhang mit der Lpithellage der Macofia. Es mag
auch gleich hier mit erwähnt werden, dass sich die Speicheldrüsen
{Olandula 'parotis , Gl. suhmaxillaris , Ol. suhlingualis) in ihrem Bau
nicht wesentlich von den gewöhnlichen Schleimdrüsen unterscheiden,
sondern nur massig entwickelte .Schleimdrüsen vorstellen. Doch ist
das Sekret der Gl. parotis klar und flüssig, ohne Schleiinstoif, während
dieser in den beiden anderen Drüsen enthalten ist. Die Ausfidu'ungs-
gänge der Schleimdrüsen bestehen aus Bindegewebe mit elastischen
Fasern, der Ductus Wliartonianus alK'in soll auch glatte Muskeln In
seiner Wand haben.
Mund- und Rachenhöhle. 285
§. 246.
Noch kommt in der Mimdliöhle eine zweite Art von drüsigen
Gebilden vor, die sog. Balgdrüsen der Zungenwurzel und die Man-
deln, welche einen ganz anderen Bau und andere Bedeutung als die
vorhergehenden zu haben scheinen. Sie stehen nämlich, morphologisch
genommen, Lymphdrüsen sehr nahe. Das Bindegewebe der Schleim-
haut bildet geschlossene Kapseln oder Folhkeln, die in grösserer
(Mandeln) oder geringerer Anzahl (Balgdrüsen der Zungenwurzel) bei-
sammen liegen. Auch ins Innere schickt die Kapselwand ein zartes
Fachwerk, das die Blutgefässe der Hülle nach innen leitet. Den eigent-
lichen grauweissen Inhalt der Follikel bilden kleine Zellen und etwas
Flüssigkeit. Diese Beschreibung ist nach Kölliher, doch findet bereits
Huxley die geschlossenen Follikeln an den Ausstülpungen der Schleim-
haut nicht, und nach Sappey müssen geradezu fragliche Drüsen den
acinösen beigezählt werden. So sei hier auch bemerkt, dass, wie ich sehe,
die Tonsillen der Vögel ganz echte, offne, sackförmige Drüsen sind,
die sich in nichts von den übrigen Schleimdrüschen der Mundhöhle unter-
scheiden, sondern nur sehr entwickelt sind und dicht beisammenstehen.
§. 247.
Die Muskulatur der Zunge, deren Beschreibung der descriptiven
Anatomie angehört, ist quergestreift; Donders sah auch Theilungen
der Bündel und nicht fern von der Spitze an den Zungenrändern die
Muskeln in die Basis der Papillen eindringen.
Der sog. Zungenknorpel, welcher mitten im Organ eine nach
der Länge gestellte Platte bildet, besteht nicht aus Knorpel , sondern
aus dichtem Bindegewebe. Auf dem Zungenrücken entwickelt die
Schleimhaut eine Menge von Papillen: die Geschmackswärzchen, zunsen-
welclie nach ihrer Form in fadenförmige {Papulae filiformes s. conicae)
in keulenförmige {Papulae fungiformes s. clavatae) und in wallförmige
(P. circuvtvallatae) eingetheilt werden.
Die Papillae filiformes stehen in grösster Anzahl an dem
vorderen Theil des Rückens und an den Rändern der Zunge; jener, der
Bindesubstanz der Schleimhaut zugehörige Theil derselben ist konisch
und geht meist an der Spitze in Erhabenheiten oder kleinere Papillen
aus. üeber die ganze Papille weg erstreckt sich eine dicke Epithellage,
die das Eigenthümliche darbietet, dass sie sich am freien Ende der
Papille in zahlreiche, haarähnliche Fortsätze auszieht, worauf zuerst
durch Todd und Bowman die Aufmerksamkeit gelenkt worden ist.
Die Papillae fungiformes treten, zwischen die fadenförmigen
Papillen emgestreut, in Abständen auf, häufen sich jedoch gQg(^y^ die
Zungenspitze zu, wo sie sehr gedrängt stehen. Ihr bindegewebiger
Theil hat eine kolbenförmige Gestalt und lässt noch auf der ganzen
Oberfläche kleine oder sekundäre Papillen abgehen. Das Epithel die-
ser Papillen wuchert nicht in haar- oder pinselartige Fortsätze aus, son-
dern hat die Beschaffenheit des gewöhnlichen Muudhöhlenepithels.
Papillen.
286
Vom Nahrungskanal des Menschen.
Fie-. 152.
Papillen der Mundhöhle.
Die Papille links stellt eine Papilla filiformis dar; ihre Spitze geht in vier
sekundäre Papillen aus, die Epithellage verlängert sich in haarähnliche Fortsätze.
Die Papille rechts ist eine Papilla fungiformis mit acht sekundären Papillen;
die Bogenlinie um das Ganze versinnlicht die Grenze des nicht gezeichneten
Epithels.
Die Papulae circumvallatae weisen eine mittlere, etwas ab-
geflachte und mit sekundären Papillen besetzte Paj)illo, fungiformis
auf, die von einem Wall umzingelt ist, welcher die einfache Natur
der Schleimhaut hat.
In alle Papillen treten Gefässc und Nerven ein; es verästelt
sich in jede Papille hinauf eine kleine Arterie, und entsendet schlingcn-
förmige Ausbiegungen in die sekundären Wärzchen, ein venöses Stämm-
chen führt das Blut wieder heraus. Anlangend die Nerven , so sind
die Papulae fungi'formes und circumvallatae reichlicher damit versorgt
als die Papillae ßliformes. Die Nervenfibrillen, sich da und dort
theilend , hören entweder blos fein zugespitzt auf, oder es kommt in
den Papulae fungiformes der Zungenspitze zur Bildung von Nerven-
knäueln oder Tastkörperchen. Funke sah von den Nervenfasern die
feinen, blassen Ausläufer zuweilen in Büscheln ausgehen. Die drei
unterschiedenen Papillenformen des Zungenrückens sind übrigens nicht
so ganz scharf von einander abgesetzt, indem sich namentlich zwischen
den Filiforimes und den Faiigif'ormesi zahlreiche Ucbergänge finden,
ja mitunter zeigen beide Arten eine so geringe Ausbildung, dass das
Epithel glatt übei' sie weggeht und die Zuiigenoberfläche damit an
solchen Stellen die sammtne Beschaffenheit einbüsst.
Aus dem anatomischen Verhalten ist der Schluss leicht abzuleiten,
dass die physiologischen Leistungen kaum bei allen Wärzchen die
gleichen sein können. Die Papillae fungiformes darf man als die
Zähne.
287
eigentlicLen Geschmacksorgcane ansprechen, sie sind auch mit feinem
Tastgefühl aasgestattet, welch beide Eigenschaften wohl nur in weit
geringerem Grade den Filiformes beigelegt werden können; man ist
sogar geneigt, den letzteren bloss eine mechanische Bedeutung für die
Fortbewegung und das Festhalten der Speisetheilchen zuzuschreiben.
§. 248.
Die Schleimhaut, welche die Alveolarfortsätze der Kiefer über-
zieht, erhebt sich in grosse Papillen, die der Hauptmasse nach ver-
knöchern und auf solche Art zu den Zähnen geworden sind.
Fig. 153.
'^
A
Durchschnitt eines Backenzahnes,
a die Höhle für die Zahnpulpe, b das Zahnbein, c der Schmelz, d das Cement.
Man unterscheidet an jedem Zahn die Krone oder den freien
Theil und die Wurzel oder den in der Alveole steckenden Abschnitt.
Die zwischen beiden Hegende und blos vom Zahnfleisch umfasste Par-
tie wird Hals oder Körper genannt. Im Innern der Zähne findet
sich eine Höhle, die sich nach unten bei einwurzeligen Zähnen in
einen einfachen Kanal, bei den Zähnen mit zwei- bis vierfacher Wur-
zel in ebenso viele Ganales dentales fortsetzt, welche an der Spitze
der Wurzel mit einer kleinen Oefltnung münden. Die Zahnhöhle wird
eingenommen von dem weichen, nicht ossifizirten Rest der Zahnpapille,
auch Zahnkeim, Pulpa dentis geheissen. Sie besteht aus einem
Bindegewebe, das sich durch seine chemischen Reaktionen dem Schleim-
gewebe nähert und dessen Bindegewebskörperchen nach der Ober-
fläche der Pulpa sehr zahlreich werden, und indem sie sich cylin-
drisch verlängern und senkrecht stellen, den Anschein eines Cylin-
ZiUine.
Zahiikeiin.
-*. M
Zahtiliein,
288 Vom Nahrungskanal des Menschen.
derepitliels hervorrufen. Die Zalmpiilpe ist sehr gefässreich; die durch
die Oeffnung der Zahnwurzel eingetretenen Arterien lösen sich in ein
dichtes Netz von Capillaren auf, wesshalb schon für das freie Auge
die Pulpe ziemlich roth aussieht. Auch die mit den Gefässen durch die
Löcherchen der Canales dentales hereingekommenen Nerven steigen
gegen die 8pitze der Pulpe aufwärts, bilden Geflechte und Schhngen,
ohne dass jedoch kaum die letzteren für wahre Endschlingen der Nerven-
fibrillen gehalten werden dürfen.
§. 249.
Der harte Theil des Zahnes , welcher gefäss- und nervenlos ist,
wird aus drei verschiedenen Substanzen zusammengesetzt. Diese sind:
1) das Zahnbein oder Elfenbein [ßuhstantia eburnea)\ 2) der Schmelz,
Email [Suhstantia vitrea)] 3) das Cement, 'L•^^\\nk^ii {ßahstantia ostoi-
dea). Zur näheren Charakterisirung Folgendes :
§. 250.
Das Zahnbein macht die Hauptmasse des Zahnes aus und be-
grenzt unmittelbar die Zahnhöhle und den Zahnkanal. Es übertrifft an
Härte die Knochensubstanz, hat auf der Bruchfläche einen seiden- oder
atlasartigen, schillernden Glanz und eine dem blossen Auge sichtbare con-
centrische Streifung, y^^XchQ Retzius mit den Jahresringen eines Baumes
vergleicht. In chemischer Beziehung ist das Zahnbein dem Knochen nahe
verwandt, da es ^'leicli letzterem aus organischer, leimgebender Substanz
und Kalksalzen besteht, nur sind die Mengungsverhältnisse der organi-
schen und unorganischen Bestandtheile etwas anders, als beim Knochen.
Mikroskopisch untersucht besteht das Zahnbein aus homogener Grund-
materie und zahllosen darin eingebetteten Kanälchen, die man an Zäh-
nen, welche in Säuren ein gewisses Macerationsstadium erreicht haben,
von der Grundsubstanz isoliren kann. Die Zahnkanälchen nehmen alle
mit offner Mündung ihren Anfang aus der Zahnhöhle und laufen von hier
aus strahlig zur Peripherie des Zahnbeines. Sic halten sich dabei
untereinander parallel, machen leichte Wellenbiegungen und verästeln
sich auf ihrem Wege häufig. Je mehr sie sich der Grenze des Zahn-
beins nähern, um so feiner werden sie und um so zahlreicher erscheinen
die Theilungen und Anastomosen. Zuletzt enden sie entweder in
Schlingen (von Er dl zuerst gesehen, dann von Krukenher g näher be-
schriel)en und gewürdigt), oder gehen äusserst fein zugespitzt frei aus,
Fig. 154.
^^^^^.WS'r^'^
I "■
.Stück eines Schliffes diircli den Schmelz und das Zahn he in*
a das Oherhiiutchen des Schmelzes, b die yclnnelzfasei'n , c die Kanü^chen des
Zahnbeins. (Starke Vergr.)
Zähne. 289
oder sie treten an der Krone in den Schmelz hinein, wo sie lakunenartig
erweitert aufhören. Diese „Schmelzspalten" beschrieb ebenfalls ^'rö?/
zuerst; man kann zweifeln, ob sie eine normale Erscheinung sind,
jedenfalls aber, wie ich von vielen Präparaten her weiss, finden sie sich
.sehr häutig. An der Wurzel hängen die Kanälcheu mit den Ausläufern
der Knochenkörperchen im Cement zusammen. Im lebenden Zalm füh-
ren die Kanälchen wahrscheinhch eine Ernährungsflüssigkeit, die
von den Blutgefässen der Pulpe abgeschieden wird und auf solche
Art das Zahnbein durchdringt. An trocknen Zähnen ist nach Ver-
dunstung des Fluidums Luft an dessen Stelle getreten und die Zahn-
kanälchen sehen jetzt bei Beleuchtung von oben silberweiss, bei durch-
fallendem Licht schwarz aus.
Fast in jedem Zahnbein existlren noch grössere oder kleinere
Höhlungen von unregelmässiger Gestalt, die, weil sie von kugligen
Vorsprüngen des Zahnbeins begrenzt werden , In terglobular-
räume heissen. Die kleinsten können rudimentären Knochenkörper-
chen sehr ähnlich werden und an der Wurzel zunächst der Grenze
häufen sie sich auch wohl derartig, dass sie als „Körnerschicht
des Zahnbeins" beschrieben worden sind. Li seltnen Fällen beob-
achtet man zugleich mit der Anw'esenheit von mehr unregelmässigen
Zahnkanälchen wirkliche Knochenkörperchen und selbst vereinzelte
Havers'sche Räume.
§. 251.
Der Schmelz überzieht das Zahnbein an der Krone, ist an den
Spitzen und Schneiden der Kaufläche am dicksten, verdünnt sich nach
unten zu und hört am Beginn der Wurzel mit scharfer Grenze auf.
Alle anderen Gebilde des Körpers , auch das Zahnbein übertrift't der
Schmelz an Härte und Dichtigkeit, da er am reichsten an unorgani-
schen Bestandtheilen ist, ja fast nur aus solchen besteht.
An fein geschliifenen Plättchen des Schmelzes zeigt sich, dass er
aus soliden Säulen zusammengesetzt ist, den sog. Schmelzfasern
oder Schmelzprismen. Es sind das polygonale Fasern, dicht neben-
einander gestellt, mit dem einen Ende auf der Oberfläche des Zahn-
beines ruhend , das andere nach aussen gekehrt. Alle zeigen eine
eigenthümliche Querstreifung, ein Ausdruck der schichtenweise er-
folgten Ablagerung ihrer Substanz. Die Schmelzfasern verlaufen im
Allgemeinen so , dass jene der Kaufläche des Zahns aufrecht gestellt
sind, weiter nach aussen richten sie sich schräg und an den Seiten-
flächen der Zahnkrone legen sie sich quer. Dabei wird aber der Ver-
lauf in der Art variirt , dass ganze Züge oder Gürtel von Schmelz-
fasern sich kreuzen und auch noch complizirtere Figuren beschreiben.
Es scheint auch, dass in den äusseren Schichten Schmelzfasern sich
finden, welche nur zwischen die anderen eingeschoben sind, ohne dass
ihr inneres Ende die Oberfläche des Zahnbeines erreicht.
Leydig, Histologie. ^Q
Sclimelz.
290 Vom Nahrungskanal des Menschen.
Die freie Fläche des Schmelzes wird von einer Cuücula oder dem
Schmelzoberhäntchen überdeckt, eine homogene, verkalkte Membran,
der man durch chemische Reagentien gar wenig anhaben kann, da der
organische Theil dieser Haut sich weder in concentrirten Säuren noch
kaustischen Alkalien löst. Genanntes Häutchen hat Er dl zuerst mittels
Anwendung von verdünnter Salzsäure dargestellt.
§. 252.
cement. JJas Cemcut überkleidet die Zahnwurzel, hebt da, wo der Schmelz
aufhört, in dünner Schicht an und verdickt sich nach dem Ende der
Wurzel. Chemisch verhält sich das Cement wie Knochengewebe,
steht auch an Härte dem Zahnbein und Schmelz nach. Mikroskopisch
besteht es aus Grundmasse und Knochenkörperchen, erstere erscheint
homogen, auch streifig-lamellös und macht, wo das Cement in dünner
Lage auftritt, den alleinigen Bestandtheil desselben; sind Knochen-
körperchen zugegen, so ist ihre Gestalt und Grösse sehr wechselnd
und häufig sind sie von sehr unregelmässiger, wenn man so sagen
darf, verzerrter Form. Mit ihren Ausläufern können sich die Enden
der Zahnkanälchen verbinden, man trifft auch Knochenkörperchen von
so linearer Gestalt, dass sie mit Zahnkanälchen ganz übereinstimmen.
In alten Zähnen, wo das Cement oft eine bedeutende Mächtigkeit er-
reicht, werden auch in ihm Havers'sche Kanäle (Gefässkanäle)
beobachtet , die von aussen nach innen dringend , sich mehrmals
verästeln und blind endigen.
Die äussere Seite des Cementes wird vom Periost der Alveolen
genau umgeben, von welchem anzumerken, dass es einen unge-
wöhnlichen Reichthum an Nervenfibrillen erkennen lässt.
§. 253.
zai.n. Jii einer frühen Zeit des Embryonallebens, in der G. Woche ungefähr,
eiituifklung, . 1 . r^ i 1 • i T
/ahnfiuciie, cutsteht am oberen und unteren Kieferrand cme r* urche, aus der sich die
säfkci'i'eii. Zahnpapillen der Milchzähne erheben. Da bald zwischen ihnen Septa
sichtbar werden, dann auch die Wände der Zahnfurche gegeneinander
wachsen, so kommen die Papillen in kleine von der Mundhöhle abge-
schlossene Räume oder Zahnsäckcli en zu liegen. Wenn die Wälle
der Zahnfurchen sich schliessen, entstehen auch die Säckchen für die
bleibenden Zähne (Rcservesäckchcn), die anfänglich ihre Lage über den
Säckchen der Milchzähne haben, allmählig aber an die hintere Seite
derselben rücken.
Die Umwandlung der weichen Zahnpapille in den knöchernen
Zahn erfolgt so :
Die Wand des Zahnsäckchens besteht aus einem gefäss- und ner-
venhaltigen Bindegewebe, ebenso verhält sich in der Hauptmasse die
vom Boden des Säckchens aufsteigende Papille oder der Zahnkeim,
der ausgewachsen ganz die Grösse und Gestalt der künftigen Zahn-
krone (nach Abzug des Schmelzes) hat. Gegen die Oberfläche zu
werden die Bindesubstanzzellen zahlreicher, ihre runde Form geht
Schmelz-
organ.
Zähne. 291
über in eine cylindrische und da sie senkrecht und dicht gedrängt
stehen, so ahmen sie ein Cylinderepithel nach, über welches weg ein
homogenes Häutchen [Membrana jpTaeformativa) zieht, die eigenthche
Grenze des Zahnkeimes bildend.
Der im ZalmsUckchen zwischen der Papille und der Wand des
Säckchens noch übrig gebliebene Raum wird vom Schraelzorgan
(Organon adamantinae) eingenommen, das demnach kappenförmig den
Zahnkeira oder die spätere Zahnkrone überzieht und zwar gerade so
weit, als der künftige Schmelzüberzug sich erstreckt. Das Schmelzorgan
besteht aus Bindegewebe und einem Epithel. Wo es mit der Innenfläche
der Zahnsäckchenwand sich verbindet, ist das Bindegewebe das gewöhn-
liche und gefässhaltige, einwärts aber macht Schleimgewebe den Haupt-
bestandtheil aus, auf dessen innerer Rinde ein Cylinderepithel aufsitzt.
§. 254.
Hat der Inhalt des Zahnsäckchens (Zahnkeim und Schmelzorgan)
die berührte Ausbildung erreicht, so geschieht die Ossifikation.
Die Schmelzfasern bilden sich in der Art, dass unterhalb der Membrana Bildung des
])raeforinativa der Kalk schichtenweise, Säulen formend, sich abschei-
det. Anfangs ist der Schmelz noch längere Zeit weich und zerreib-
lich, und erhärtet erst nach und nach. Es ist wahrscheinlich, dass die
Epithelzellen des Schmelzorganes gleichwie kleine Drüsen den Kalk
durch die. Membrana praeformativa hindurch unterhalb derselben ab-
setzen, und die Folge davon ist, dass die Membrana praeformativa zum
sog. Schmelzoberhäutchen wird. Das Zahnbein entsteht in ähnlicher undung das
Weise, wie Bindegewebe ossifizirt: die dicht gestellten ßindegewebs-
körperchen an der freien Fläche der Zahnpapille wachsen in Röiirchen
aus, die sich verästeln ; erfolgt nun die Kalkablagerung zwischen diese
röhrigen Zellenausläufer, so wandeln sie sich in die Zahnkanälchen
um. Für das freie Auge macht sich die Ossifikation des Zahnkeimes
daduich bemerklich, dass zuerst an den hervorragenden Spitzen der
Papille gleich von Anfang an sehr harte Scherbchen, welche die
Spitzen in Form von Hütchen bedecken, sich ablagern. Die Scherbchen
vergrössern sich nach der Fläche und in der Dicke, bis die Zahnbein-
papille eine vollständige Kappe von hartem Zahnbein besitzt. Wäh-
rend durch diesen Prozess Schmelz und Zahnbein der Krone ihrer
Vollendung entgegen gehen, ist das Schmelzorgan fast geschwunden. '
Erst jetzt bildet sich die Zahnwurzel aus, indem der Zahnkeim sich
* . . ..... Bildung des
verlängert und ossifizirt ; ferner verlängert sich zugleich damit in seinen cememes.
unteren Theil das Zahnsäckchen, und da es sich an die in der Bildung
begriifene Wurzel anlegt und gleichfalls ossifizirt, so liefert dieser
Theil des Zahnsäckchens das Cement,
§. 255.
Dem Mitgetheilten zufolge stehen sich die Theile des fertigen
Zahnes und des Zahnsäckchens sammt Inhalt in folgender Ordnung
einander gegenüber:
19*
292 Vom Nahrungskanal des Menschen.
Das Schmelz oberhäutchen ist die verkalkte Memlrana frae,-
formativa, die Schmelzprismen sind geschichtete Kalksäulen, zu
denen das Material aus den Zöllen des Schmelzorganes kam , das
Zahnbein ist die ossifizirte Rindenlage des Zahnkeimes und die Zahn-
kanälchen stellen röhrig ausgewachsene und verkalkte ßindegewebs-
körperchen dar , der nicht verknöcherte Rest des Zahnkeimes bleibt
als gefäss- und nervenreiche Papille im Innern des Zahnes zurück.
Das Cement ist verkalktes gewöhnliches Bindegewebe des unteren
Theiles vom Zahnsäckchen , und nach dem Durchbruch des Zahnes
verschmilzt der übrige Theil des Zahnsäckchens mit dem Periost der
Alveole.
Wenden wir uns nach diesem embryologischen Excursus zurück
zu dem Bau des Nahrungsrohres.
§. 256.
Die Schleimhaut des Schlund kopfes, Pharynx, hat in der unteren
Partie desselben ein geschichtetes Plattenepithel wie die Mundhöhle, der
obere oder respiratorische Abschnitt besitzt ein geschichtetes Flimmer-
epithel. Im bindegewebigen Stratum der Mucosa liegen traubige
Schleimdrüsen und Balg- (oder Lymph-) drüsen.
schi.n,,!. Die Schleimhaut des Oesophagus besteht aus einem geschichteten
Plattenepithel und dem bindegewebigen, sich in Papillen erhebenden
Corium, in welches glatte Muskeln, die nach der Länge verlaufen, ein-
gewebt sind und in welchem auch traubige Sclileimdrüsen sich
finden. Die Schleimhaut verbindet sich nach aussen durch Bindege-
webe jnit der Muskelhaut, deren circuläre und longitudinale Fasern in
der oberen Hälfte deutlich quergestreift sind, nach dem Magen hin
aber den Charakter von glatten Muskeln annehmen. Zu äusserst ist
der Schlund umgeben von einer bindegewebigen Schicht, die sehr
entwickelte, elastische Fasern cuthält.
§. 257.
sci.icimhani Während die Schleimhaut des Schlundes ein mehr weissliches
Aussehen hat und eine gewisse Derbheit darbietet, ist die in zotten-
artige Falten sich erhebende Magenschleimhaut sammtartig weich
anzufühlen und hat meist eine gelbröthliche Farbe. Uebrigens ist
auch die Struktur dieser Schleimhaut eine ganz andere , da sie fast
nur drüsiger Natur ist. Die weit überwiegende Mehrzahl der
Drüsen bilden die sog. Labdrüsen (Magensaftdrüsen), es sind ein-
fache, blindgeendigte Schläuche, eine dicht an die andere gedrängt,
senkrecht nebeneinander stehend. Das blinde Ende erscheint nicht
selten etwas kolbig verbreitert, auch gewunden oder getlieilt, mit
Ausbuchtungen versehen, letzteres namentlich an der Portio cardiaca.
Erstreckt sich die Theilung höher und vereinigen sich mehre solcher
gegabelten Drüsen zu einem gemeinschaftlichen Ausführungsgang, so
entstehen die zusammengesetzten Labdrüsen (der Autoren). Die
des Miigei»-*
i^rÜHcn.
Magen,
293
Fig. 155.
Senkrechter Schnitt durch die Magenhäute.
A die Schleimhaut, B die Muskelhaut, C die seröse Hülle.
a die Drüsen , b Muskellage der Schleimhaut , c Bindegewebsstratum derselben,
d, c Längen- und Querlagen der Muscularis. (Massige Vergr.)
Fig. 156.
Magen drüsen, einzeln dargestellt.
a einfache Labdrüse, b zusammengesetzte Labdrüse, c Magenschleimdrüse
(mit C'ylinderzellen).
294 Vom Nahrungskanal des Menschen.
Tunica propria der Drüsen wird von der Bindesubstanz der Schleim-
haut gebildet und innen, den Drüsenraum meist vollständig ausfüllend,
liegen die Sekretions- oder Labzellen, welche rundlich, blass granulär
sind und den bei der Verdauung wirksamen Stoff, das Pepsin, bereiten.
Die Labzellen stossen in den einfachen Drüsen unmittelbar an das
Cylinderepithel der freien Fläche der Mucosa, und in den zusammen-
gesetzten an das gleiche Cylinderepithel des Ausführungsgangs. — Am
Pylorus tritt in grösserer Menge eine andere Sorte von Drüsen auf, welche
anstatt der rundhchen Labzellen mit Cylinderepithel ausgekleidet
sind und durch manchfache Spaltungen, Ausbuchtungen und Windungen
den traubigen Schleimdrüsen sehr ähnlich werden, auch keine ver-
dauende Wirkung äussern sollen, — Endlich beobachtet man auch da
und dort einzelne geschlossene Follikel (oder Lymphdrüsen), die gewöhn-
lich unter dem Namen linsenförmige Drüsen aufgeführt werden.
§. 260.
Muskeln, In dcr Bindesubstanz der Schleimhaut verlaufen um das blinde
,e as.e. YA\([a dcr Drüsen herum und auch zwischen die Drüsen aufsteigend
glatte Muskeln, ebenso ist das Bindegewebe der Träger der Blut-
gefässe. Feine Arterien dringen zwischen den Drüsen empor und
umspinnen mit ihren Capillarnetzen die Drüsenwände. An der Lmen-
seite der Schleimhaut vereinigen sie sich zu grösseren Maschen, von
denen jede eine Drüsenmündung ringförmig umgiebt. Erst in diesen
geräumigeren Capillaren wurzeln die Venenstämmchen.
§. 26L
Muskelhaut Nach ausscu von der Schleimhaut liegt die Muscularis des
dea Magen». Magens, slc bcstcht aus schiefen, ringförmigen und Längsfasern und
alle gehören zu den glatten Muskeln. Bemerkenswerth ist, dass die
mnersten (die schiefen) Muskeln sich zum Theil mit elastischen Sehnen
nach Treitz an die Schleimhaut ansetzen. Die äusserste Haut des
Magens bildet die Serosa, welche aus einem bindegewebigen, ela-
stische Fasern enthaltenden Stratum und einem einfachen Plattenepi-
thel besteht.
§. 262.
Darmzotten. Dic Schlcimhaut des Magens entbehrt eigentlicher Papillen, welche
hingegen an der Mucosa der Gedärme eine ganz besondere Ausbildung
crreichoi und unter dem Namen der Darmzotten, Villi mtestinorum
bekannt sind. Sie kommen im ganzen Dünndarm (im Dvodenvm und
Jejumi7n gedrängter, als im Ueum) vor und mangeln im Dickdarm,
Als weiche, fingerförmige oder auch platte Fortsätze des Bindegewebs-
stratums der Schlcimiiaut ragen sie frei in die IL'ihle des Darmes
hinein und dienen zui- Resorption des Chylus. Was den feineren Bau
derselben beti-ifft, so ist ihr Grundgewebe Bindesubstanz, in der
glatte Muskeln, hauptsächlicli in longitudinalcr Anordnung, doch
auch quergelagerte sich finden, die mit der Muskuhitur, welche der
295
0 e c
Darmzotte.
a der bindege-webige Theil derselben, b die Gefässe und c die Muskeln, welche in dem
Bindegewebsstroma der Zotte liegen, d die Epitliellagc., e der centrale Chylusraum.
Schleimhaut des ganzen Traktus überhaupt eigen ist, zusammenhängen.
Ferner wird jede Zotte von einer oder mehren kleinen Arterien
versorgt, die im Aufsteigen ein dichtes Capillarnetz erzeugen, dessen
Gefässchen nach der Basis der Zotte hin zu einem ableitenden Venen-
stämmchen sich vereinigen. Endlich kennt man in den Zotten ausser
den Blutgefässen auch Chylus räume, deren Capiilaren wohl nichts
anderes sind, als verzweigte Hohlräume des Bindegewebes (Bindege-
webskörper), in der Achse der Zotte fliessen sie zu einem grösseren
Raum, dem „centralen Chylusgefäss ", zusammen, das in die
tieferen, selbständigeren Chylusgefässe der Schleimhaut übergeht.
Das Epithel der Zellen, wie der Schleimhaut des Traktus im
Ganzen ist ein einfaches Cylinderepithel, dessen Zellen in dem 'vor-
dersten Theil ihrer Wand verdickt sind, was einen breiten, hellen
Saum am freien Rande hervorruft und bei ganzen Zellenreihen den
Anschein einer die Zellen überdeckenden, homogenen Cuticula bedingt.
Von letzterer darf man voraussetzen, dass sie wie bei Thieren (s. unten)
von feinen Porenkanälen durchsetzt ist.
§. 258.
Die Schleimhaut der Gedärme besitzt drei Drüsenformen , 1) die
Brunner sehen Drüsen, 2) die Lieherkühnsclien Drüsen, 3)
die Peyer sehen Follikel.
Darmdrüsen.
259.
Die Brunner seh en Drüsen linden ^lokvxmx mv Duodenum ^ wo
sie allerdings ziemlich gehäuft stehen. Es sind dem Bau und der Funk-
Brunner'sche
Drüsen.
296
Vom Nahrungskanal des Menschen.
Lieberkühn'-
sclic iJrÜHen.
tioii nach trcaubige Scliloimclrüsen, in nichts verscbieden von denen
des Schlundes, der Mundhöhle u. a. 0.
Die Lieherlxühnschen Drüsen verbreiten sich in grösster
Menge über den Zwölffingerdarm , Dünndarm und Dickdarm , also
durch den ganzen Darmkanal. Der Gestalt nach sind es einfache,
senkrecht gestellte Schläuche, deren blindes Ende häufig etwas ange-
schwollen ist. Im Dickdarm nimmt, entsprechend der grössren Dicke
der Schleimhaut, ihre Länge zu, überall aber erscheint ihre Tunica
propria als homogene Grenzschicht der ßindesubstanz der Schleim-
haut und die Zellenauskleidungen bestehen aus Cylindern, die in con-
tinuirlichen Zusammenhang mit dem Epithel der freien Fläche der
Miicosa treten. Die Anordnung der Blutgefässe ist dieselbe, wie an
den Magensaftdrüsen.
Fig. 158.
D iircli seil 11 i tt durch die Dar m Wandungen, wo ein l'cyor 'scli er
I)r üscnliaufe n sich befindet.
a die Zotten, b die Licberkühn'schcn Drüsen, b' die Oeffnungen derselben auf der
Sclileiiiiliautfläche, c die Peyer'.selicn Drüsen, d die Schichten der Mnskelliaut.
Was die V eij er s cli eii Follikel angeht, so hat man in der
neueren Zeit dargethan, dass es Lymphdrüsen sind, Organe Avahrschein-
lich zur Bereitung dci- Lymphkörperclien bestimmt. Sie bestehen aus
riMidüchcii , dicht beisammonliegenden , gescldossenen Bälgen, deren
bindegewebige Wand iiach innen ein zartes Balkenwerk entsendet; so-
wohl in dei- Wand, wie in dem Arcolarnetz verzweigen sich viele
Bhitgefässe; di(> Maschniränmo im Innern des Follikels füllen klein-
Darm,
297
zellige Elemente an , wie sie auch in den anderen Lymphdrüsen den
Inhalt der Follikel bilden und unter dem Namen Lymphkörperchen
bekannt sind. Zahlreiche Chylnsgefrisse hängen mit den Follikeln zu-
sammen. Im ganzen Darmkanal treten auch diese Lymphdrüsen unter
der Form von einzelnen, isolirten Kapseln auf und heissen dann s eli-
täre Follikel,
Fig. 159.
^?^-|-sSS'0
Ein Lymph follik el der Peyer'schen Drüsen; man sieht die Gefäss-
verzweigung im Inneren. (Massige Vergr.)
§. 263.
Die Muskelhaut des Darmes hat wie am Magen nur glatte
Fasern, — Auch die Serosa hat dieselbe Zusammensetzung wie am
Magen, Der Entwicklungsgeschichte sei entnommen, dass das Nah-
rungsrohr aus dem mittleren und unteren Keimblatt hervorgeht. Von
letzterem stammt das Epithel und die zelligen Auskleidungen der
Darmdrüsen, das erstere erzeugt die muskulösen Schichten, sowie das
gefass- und nervenführende Bindegewebe,
Auf den Epithelialfortsätzen der Papulae filiformes der Zunge wuchert sehr
constant eine Pilzmasse, welche unter der Form einer fcingranulirten Substanz
den Epithelzellen aufsitzt; aus ihr, die man für die Matrix des Pilzes anspricht,
keimen die Pilzfäden hervor.
Der Neugewinn.i den die letzten Jahre für die Histologie des Darmkanales
brachten, umfasst besonders folgende Punkte. Brüche wies die Existenz eines
Muskelsystems der Schleimhaut nach und brachte dabei die bei uns unbeacht
gebliebenen Beobachtungen von Lacauchie über Contractionen der Darrazotten
in Erinnerung. Dem Wiener Physiologen verdanken wir ferner die erste richtigere
Kenntniss über die Follikel der sog. Peyer'schen Plaques, indem wir ihnen jetzt
die Bedeutung von Lymphdrüsen beilegen. Die Blutgefässe in deren Innerem ent-
deckte Frey. Auch die Lehre von den Anfängen der Chylusgefässe in den
Darmzotten hat durch Brüche eine Umgestaltung erfahren, jedoch versteht mau sich
darüber noch nicht recht, auch scheint man theilweise mehr über Wörter, denn
über Sachen zu streiten. Entgegen der früheren Annahme von selbständigen Chylus-
capillaren im Zottenparenchym nimmt Brüche interstitielle Lücken im Parenchym
als Chyluswege an, die dann im Achsenkanal der Zotte zusamnienfliessen. Funke
schliesst sich dieser Ansicht insofern an, als er von ungebahnten Wegen spricht,
auf denen der Durchgang der Fetttröpfchen erfolgt; nach ihm entstehen bei der
Resorption des Chylus in der Zotte Fettstrassen oder Fettströmehen, die nach der
Zottenachse convergiren und da zusammentreffen. — Wenn ich oben von Bindege-
webskörperchen gesprochen habe, welche anstatt der Chyluscapillaren vorhanden
seien, so habe ich damit dieselben Lücken gemeint, welche das Stroma der Zotten
Miindliölilo
298 Yom Nahrungskanal der Wirbelthiere.
durchsetzen ; es soll die angewendete Bezeichnung lediglich die „interstitiellen
Lücken" Brücke's und die „ungebahnten Wege" Fuiike's unter einen genaueren
histologischen Gesichtspunkt bringen. (Siehe unten Lymphgetasssystem.)
Fünfundzwanzigster Absclmitt.
Vom Nahrungskanal der Wirbelttiiere.
§. 264.
Zum Aufbau des Nahrungsrohres der Säuger, Vögel, Reptilien und
Fische werden immer gefäss- und nervenhaltiges Bindegewebe, dann
Muskeln und drittens zellige Lagen verwendet. Wie an anderen
Orten bildet die Tela conjunctiva das eigentliche Gerüste, sie verdickt
sich nach einwärts zu einer besonderen Haut, welche als binde-
gewebiges Stratum der Schleimhaut bezeichnet wird, auf ihr
ruht das Darmepithel. Ebenso verdichlet sie sich noch einmal,
wenn auch in geringerem Grade, auswärts zu einer besonderen Haut,
welche als die B indegewebsschicht der Serosa fungirt und
auch diese deckt ein Epithel. Zwischen diesen hautartigen Grenz-
schichten erscheint sie als Gitterwerk, in dessen Zwischenräumen die
contraktilen Elemente zu einer besonderen Haut, der Tunica mus-
cularis, angehäuft sind. Und so unterscheidet man darnach die
drei Hauptschichten des Nahrungsrohres : 1) die Schleimhaut, welche
eine Fortsetzung oder Einstülpung der äusseren Haut nach innen ist,
2) eine Muskelhaut, 3) die Serosa.
§. 265.
Der bindegewebige Theil der Rachenschleimhaut, welcher
öfters bei niederen und höheren Wirbelthieren pigmentirt erscheint,
scharlachroth z. B. bei Dactijloptera, schwarz bei Chimaera , stellen-
weise beim Hund etc., zeigt meist die Charaktere des gewöhnlichen
Bindegewebes mit zahlreichen elastischen Fasein , die z. B. bei
Selachiern in den Stämmen oft sehr breit sind und sich fein ver-
zweigen. Bei den eben genannten Fischen sind die Maschen des
Bindegewebes mit Gallci'te ausgefüllt und die Schleimhaut verdickt
sich da und dort, besonders unter (k>m Zungenrudiment polsterartig.
(Auch das submuköse Bindegewebe der Rachenschleimliaut ist bis-
weilen, Hexanchus z. B. , sehr mit Gallerte durchsetzt.) Die Miicosa
ist entweder glatt an der freien Fläche, oder erbebt sit'h in Papil-
len und Wülsten. Diese können so gross sein, dass sie schon für
das freie Auge sich sehr bemerkbar machen (z. B. bei den Wieder-
käuern) und dann tragen sie mikroskopisch noch zahlreiche kleine
Papillen, wie ich es z. B. an der Ziege sehe, wo die sekundären
Mundhöhle.
299
Fiff. 160.
u
A Vom Schnabel der Gans:
a Oberhaut, b Papille des Coriums mit Nerven und Pacini'schen Körpern.
B Eine Schleimhautpapille des Rachens von Leuciscus:
a die Stammpapille , welche sich in fünf Ausläufer zerspaltet, an deren Ende die
becherförmigen Organe b sitzen, c Blutgefässschlingen, d Nerven, e Epithel.
«
Papillen an der Basis des gemeinsamen Kegels am grössten sind nnd
nach aufwärts sich verkleinern; auch Wedl meldet, dass die Seiten-
wand der Maulhöhle beim Kameel grosse Papillen besitze, die „Agglo-
merate von ungemein feinen Papillen" wären.*) Bei Fischen sind nicht
*) Ich kann nicht umhin, hier eine an Echidna gemachte Wahrnehmung nach-
zutragen. Die Schleimhaut des Gaumengewölbes bildet da bekanntlich mehre Quer-
reihen von spitzen, nach rückwärts gekehrten Papillen; nach Abzug des sehr ver-
dickten Epithels hält man die Zwischenräume zwischen den l'apillenreihen für glatt,
aber mikroskopisch erscheinen ausnehmend lange und schmale Papillen,
die ganz denen ähnlich sind , welche bei den Vögeln an der Zunge vorkommen.
Sie schliessen nur eine steile Gefässschlinge ein. — Die Zellen der obersten Lagen
des Epithels haben eine eigenthümliche Punktirung, von der sich nicht bestimmen
liess, ob sie von Porenkanälen oder von feinen Höckern auf der Oberfläche der
Zellen herrühre,
300 Vom Nahrungskanal der Wirbelthiere.
minder die Papillen der Mund- und Uachenschleimhaut oft sehr ent-
wickelt, so dass sie (z. B. beim Stör) nicht im Epithel vergraben
bleiben, sondern aus demselben hervorragen und die Mucosa selbst
für das freie Auge höckerig machen. Diese Papillen tragen, wie an
der äusseren Haut, bei Teleostiern und Ganoiden die oben beschriebe-
nen becherförmigen Organe. — Die Bin degewebskörper der
Mucosa der Rachenhöhle stehen, wie ich beim Landsalamander finde,
alle senkrecht auf der Fläche und sind hier ungewöhnlich lang und
breit.
§• 266.
Die Zungenoberfläche ist bald glatt, bald durch Papillen
und Leisten uneben, so hat z. B. unter den Sauriern Lacerta agilis
zierliche Querfalten, deren Kanten sich abermals in kurze Papillen aus-
zacken, bei Leposternon viicrocepJialus , Anguis fragilis erstrecken sich
über die ganze Zunge weg sehr entwickelte Papillen, in deren Innerem
fast immer Blutgefässe und Nerven gesehen werden. Die Papillen der
Blindschleiche, wie die Falten der Eidechse sind zum Theil (bei der
Blindschleiche namentlich an der Zungenspitze) dunkel pigmentirt,
wobei das Pigment nur im Bindegewebe der Papillen und Falten ent-
halten ist und das Epithel ganz frei davon bleibt. Indem die Papillen
nach oben sich polygonal gegen einander absetzen, hat bei Leposternon
die Zunge ein wie getäfeltes Aussehen. Eine besondere Merkwürdig-
keit bietet mir noch die Zunge der Anguis fragilis dar: man erblickt
mit freiem Auge gegen die Zungenwurzel zu gerade in der Mittellinie
zwischen den gewöhnlichen Papillen ein weissliches, etwas längliches
Höckerchen, das, mikroskopisch untersucht, in seinem Inneren einen
echten Knochen birgt. Mir ist vor der Hand aus eigener Anschauung
dies das erste Beispiel von einer theilweisen Ossifikation einer Zungen-
papille bei den Reptilien. Man sieht in der nicht verknöcherten Partie, die
schon an und für sich etwas fester und derber ist, als die übrigen Pa-
pillen, schöne Bindegewebskörperchen von derselben Grösse und Form,
wie in dem rundlichen, in einige Höcker (es schienen deren drei) ausge-
henden Knochenstück. — Die Zunge des Stachelschweines hat eine
„schu])penförmige Bewafihung'', welche O. Carus „Knochenschuppen"
heisst. Es wäre angenehm, wenn ein Forscher, dem das Objekt zu Gebote
steht, dies prüfen würde, sowie auch die halbkugelförmige, glatte Ver-
tlickung, welche nach r. Bapp an der Zungenspitze der ^liirmecophaga
sich befindet und vielleicht ebenfalls ein Knochen ist!
Auf der Zunge der Fische und fischartigen Amphibien (Pro-
teus z. B.) mangeln Papillen; in anderen Batiachiern, beim Land-
salamander z. B. , werden sie durch l''ältclKiil)ildung vertreten. Auch
bei höheren Thieren giebt es Zungen, welchen die Papillenbildung
abgeht. Die Zungenfiäche des Delphin z. B. ist schon für das freie
Auge glatt und bei mikroskopischer Ujitersuchung sehe ich unter dem
dicken Epithel kaum nennenswerthe hüglige Erhabenheiten desZungcn-
coriums. Die Zungenschleimhaut kann ferner in sein- lange und schmale
Zähne,
aoi
Papillen ausgehen, ohne dass solches äusserlich wegen des dicken
Epithels sichtbar wird; dies ist der Fall bei den meisten Vögeln.
Beim Auerhahn, der Taube z. B. sind die an der Spitze der Zunge
behiuUichen und äusserst langen Papillen so schmal, dass gerade eine
Blutcapillarschlinge , die bis zur Spitze aufsteigt , darin Platz hat.
Fig. 161.
Zungenspitze einer jungen Taube auf dem Längenschnitt.
a der Zungenknorpel, b die Papillen der Schleimhaut mit ihren Gefässsclilingen,
c das dicke Epithel, in welchem die Papillen vergraben sind.
Nerven mangeln in diesen Papillen, aber bei vielen Wasservögeln
(s. oben Tastwerkzeuge) sind sie mit Nerven und Pacinischen Körper-
chen versehen. Bei der Mehrzahl der Säugethiere lassen sich wie an
der menschlichen Zunge mehrerlei Papillenarten unterscheiden,
was noch einmal bei Fröschen und Kröten wiederkehrt. Hier haben
die oben mit seichter Vertiefung versehenen Papulae fungiformes
ausser den Blutgefässnetzen auch noch Nerven, die Papulae filiformes
nie Nerven und wenn Gefdsse, nur eine einfache Schlinge ohne Ver-
Fig. 162.
Z u n g e n p a p i 1! e d e r T e s t u d o g r a e c a.
a das Epithel, b der Lyuiphraum im Innern der Papille.
302 Vom Nahrnngskanal der Wirbeltbiei'e.
zweig-ung. In den sehr grossen Zungenpapillen der Landschildkröte,
welche mit sekundären Wärzchen besetzt sind, findet sich ausser den
Blutgefässen noch ein weites Lymphgefäss (vgl. Leydig, Fische und
Reptil. S. 39).
§. 267.
zghne. Die Papillen können zu Zähnen umgeschafFen werden auf zweierlei
Weise: 1) durch starke Verhornung ihres dicken Epithels; von
dieser Art sind die Hornzähne des Petromyzon, vielleicht auch die des
Ornitkorhynchus u. a. ; 2) durch Verkalkung der Bindesubstanz.
Die naturphilosojjhische Schule hatte schon früher erklärt, man könne
sagen, die Fischzähne wären verhärtete und mit Zahnsubstanz überklei-
dete Wärzchen oder Papillen des Zahnfleisches, Gaumens, der Zunge etc.,
und die genauere mikroskopische Verfolgung hat gezeigt, dass diese
Betrachtung für die ganze Wirbelthierreihe erfahrungsgemäss ist.
Ossifizirt bloss das freie Ende der Papille gleichsam kappenartig,
so bleibt der Zahn beweglich, greift die Verkalkung tiefer, etwa bis
zur Basis der Papille und zum ßindegewebsstratum der Schleimhaut
selber, so erscheinen die Zähne, indem die verknöcherte Mucosa mit
dem darunter liegenden Knochen verschmilzt, als unmittelbare Aus-
wüchse der Knochen, und die Hohlräume im Zahn sind dann die un-
mittelbaren Fortsetzungen der Markkanäle des Knochens. (Vergl.
m. Mittheilungen in d. Zeitschr. f. w. Z. 1854. S. 52 über die Ver-
knöcherung der Schleimhaut der Mund- und Rachenhöhle des Polyp-
terus.) Da nun gerade bei Fischen die Schleimhaut der Mundhöhle
sich allerorts in sehr starke Papillen erhebt und diese so leicht ossifiziren,
so wird dadurch zum Tlicil verständlich, warum hier zahlreiche Knochen
(ausser dem Zwischen- Ober- und Unterkiefer die Gaumenknochen, Piiug-
schaar, Keilbeinkörper etc.) mit Zähnen ausgerüstet sehi können. Bei
grossen Exemplaren von Raja und Hexanclius sah ich auch die Papillen
am Gaumengewölbe zu schönen Zähnchen ossifizirt (s. Rochen u. Haie
S. 52).
§. 268.
Es werden bei Fischen und Amphibien (mit Ausnahme einiger
Saurier nach Owen) die verknöchernden Zahnpapillen nie in Säck-
chen eingeschlossen und zugleich damit fällt auch die Anwesenheit
eines Schmclzorganes weg. Die Zähne der genannten Thiere bestehen
einzig und allein aus verknöchertem Bindegewebe, d. \\. aus dem
Zahnbein oder Elfenbein, dessen feine, vielfach verzweigten Kanäl-
chen mit heller Ernährungsflüssigkeit gefüllt sind. Bei vielen Fischen,
wo der Zahn ohne Pulpaliöhle, also solid ist, wirtl das Zahnbein von
Gefässkanälen durchzogen [Salmo, Perca, Gottus, Bcomher u. a.). Erhält
sich der innerste Theil der ursprünglichen Zahnpapille in unver-
kalktem Zustande , so hat der Zahn eine weiche Pulpe , die bei
Plagiostomcn (wie ich bei Scymnus llchia sah) nerveidos ist und nur
aus Bindegewebe nn"t Gallertmasse und Blutgefässen besteht. Bei
Tetrayonurus^ wo die ganze Mundschleimhaut pigmentirt ist, erscheint
Zähne.
303
auch die Zalinpulpe pigmentirt. {Mettenheim er, anut.-histül. Unters.
üb. Tetragoiiurus Cuvieri.)
Schmelz und Gerne nt mang-ehi den Zähnen der niederen
Wirbelthiere. Diese beiden Substanzen gesellen sich zum Zahnbein
in den Fällen, wo die Zahnpapillen in Säckchen eingeschlossen waren,
was bei einigen Sauriern und den Säugern geschieht, doch wird selbst
B
Fig. 163.
A Junger Zahn von Salamandra, sich darstellend als verkalkte Papille
mit dem Epithelüberzug b.
B Zahn eines Embryo von Torpedo: a die Höhle des Zahnes.
hier bei manchen Zähnen der Säuger (Edentaten, Stosszähne
des Elep hauten etc.) der Schmelz vermisst, und bei der grossen
Mehrzahl der Mars upial ien, sowie hei Sorex, HyraXj Dipus scheint
der Schmelz nur eine Modifikation des Zahnbeines zu sein (Tomes).
Beachtung verdient auch, dass das Zahnbein mitunter, sowie häufig
das Cement gefässhaltig ist (Stosszähne des Elephanten, beim Faul-
thier, Schneidezähne einiger Nager z. B.), und dass (z. B. beim Luchs,
Schaf) Knochenkörperchen zwischen den Zahnröhrchen sich finden.
Der Schmelz kann noch vom Cemente überzogen sein (Herbivoren,
Elephant, Faulthier, Wallross u. a.). Die Schneidezähne der Nager,
die Backenzähne der Wiederkäuer sind auch durch ein besonderes
Pigment ausgezeichnet. Das gelbe der Nager rührt nach r. Bibra
von Eisen oxyd her.
§. 269.
Die starke Papillarentwicklunff , welche die Schleimhaut der ^";p"'*"'"
i _ O 7 Schlund.
Mund- und E-achenhöhle bei den Fischen an den Tag legt, erstreckt
sich auch bei einigen Arten auf die Mucosa des Schlundes {Tetragonu-
rws z. B.), und auch diese Papillen können zahn artig verknöchern
(Rhombus, Stromateus, Seserinus). Nicht minder sind seit Langem von
Chelonia die grossen Papillen im Schlünde bekannt, die sich nach
Rathhe auch bei Sphargis coriacea finden. Otto [Carus u. 0. Er-
läuterungstaf. z. vergl. A.) meldet, dass diese grossen Papillen im
Schlünde der Seeschildkröten „im Leben einer deutlichen Turgescenz
Scilleiitihaiit
<le-( Maj^ens.
Sclilcinihniit
ÖCB Uaniis.
304 Vom Nalirungskanal der Wirbelthiere.
und Aufrichtung fähig seien.'' An einem Weingeistpräparate sehe icli
nach Abzug des dicken Epithels die einfach conturirte , nicht mit
sekundären Höckern besetzte Papille nur von bindegewebiger Natur,
selbst ohne elastische Fasern, und auch von Muskeln konnte nichts
nachgewiesen werden , ' wohl aber zeigten sich Spuren zahlreicher
Blutcapillaren. Es bleibt demnach noch übrig, an frischen Exemplaren
festzustellen, wodurch die von Otto beobachtete Erscheinung zu Wege
kommt. Sollten etwa im Inneren der Papillen ähnliche grosse Eymph-
räume sich linden, wie ich dergleichen an den Zungenpapillen der
Testudo erkannte , und diese sich füllen und entleeren können ? —
Sonst erscheint die Mucosa des Schlundes bei Eischen , Peptilien,
vielen Vögeln und Säugern entweder ganz glatt, oder wenn sie sich in
Papillen verlängert, so machen diese die Innenfläche des Oesophagus
nicht höckerig, sondern bleiben unter dem Epithel versteckt liegen.
Bei der Taube z. B. ist die Mucosa hier ganz eben , oder entwickelt
nur winzige Höckerchen, in welche sich eine kurze Grefiisss clilinge aus-
buchtet; beim Haushahn erblickt man längere Papillen, die indessen
bei genauerer Untersuchung nach Entfernung des Epithels durch Kali-
lauge als dünne, mit Gefässen versehene Faltenzüge erkannt werden.
Die Gans hat lange, schmale, aber nicht eben dicht stehende Papillen. —
Sehr allgemein ist die Schleimhaut des Schlundes in grössere Längs-
falten gelegt, oft netzförmig verbunden [Cobitis fossilis z. B.), seltener
sind Querfalten, wie man sie h&i Äcipenser (hier mehr warzenartig)
oder bei Try<jo7i pastinaca sieht, wo die starken regelmässigen Quer-
falten der gelblichen Schleimhaut selbst wieder runzelig sind. Die
Querfalten lassen da nach der Länge eine Strecke frei, die nur kleine,
netzförmige Falten hat.
§. 270.
Auch die Mucosa des Magens ist gewöhnlich längsgefaltet; die
Falten können sehr dicht ' stehen und zottenartig werden (Plicae
villosae) , aber eigentliche Papillen mangeln im Magen der meisten
Wirbelthiere; nur die verschiedenen Abtheilungen, welche bei den
Wiederkäuern vor dem Labmagen liegen, zeigen mannichfach vor-
springende Warzen- und blattartige Bildungen. (Der Pansen des
Huanaco und dos Dromedars ist nach B er (j mann und Leuckart
ohne die konischen Zä])fchen.) An diesen grossen Papillen wieder-
holt sich unter dem Mikroskop die Erscheinung, dass ihnen zahlreiche
kleinere oder sekundäre Papillen aufsitzen, wie ich deutlich an den
Papillen des Pansen vom lieh und Rind nach Abnahme des Epithels
sehe ; auch die Höcker auf den Falten des Blättermagens gehen
mikroskopisch abermals in sekundäre Höcker aus. Der Labmagen ist
auch hier von der gewöhnlichen papillcnlosen Beschaffenheit.
§. 27L
Die Schleimhaut des Darmes hingegen zeigt fast durchgängig
Zotten und Leisten in mamiiclifaltigcn Uebergängen. Zotten sind
Darmzotten. 305
allgemeiner den Säugetliieren und Vögeln*) eigen; sie sollen dem
Maulwurf fehlen, was ich bestreiten muss, denn man bemerkt im Dünn-
darm desselben breite, blattartige Zotten, allerdings von etwas zarter
Beschaffenheit, aber doch ganz deutlich und mit Gefässnetzen aus-
gestattet. Im Dickdarm sind bloss die dem freien Auge sichtbaren
Falten zugegen. Das Schnabelthier, dem die Darmzotten angeblich
ebenfalls mangeln sollen, besitzt sie deutlich im Dünndarm; sie sind
hier länger als breit. Zotten lehlen auch manchen Fischen nicht.
Bei Squatina z. B. finden sich im Darm kurze, warzenförmige, mit
der Basis aneinander stossende Zöttchen ; bei Spinax niger sieht man
schöne, lange Zotten, die im Anfang des Klappendarms gross sind
und auf der Spiralklappe in Leistchen übergehen , welche schräg
treppenartig auf der Oberfläche der Spiralklappe verlaufen und gleich-
sam sekundäre Spiralklappen nachahmen; bei Torpedo erhebt sich die
Spiralklappe in Zotten, Trygon pastinaca hat an der vorderen Partie
der Spiralklappe, welche dünn ist, nur niedrige Fältchen, nach dem
hinteren verdickten Ende hin kommt es zu förmlicher Zottenbildung.
Dass auch an grossen Zotten die Oberfläche derselben von Neuem ni
sekundäre Zöttchen sich erheben kann, zeigt der Darm des Rhinoceros
(vergl. Mayer in den Nov. Act. Acad. Leopl. 1854), wo die Zotten
zweiter Linie so entwickelt sind, dass die Mutterzotten für das freie
Auge wie mit feinen Härchen besetzt erscheinen. Hier ist auch des
Elephanten zu gedenken. O. Carus giebt in den Erläuterungstafeln
z. vergl. Anat. eine vortreffliche Abbildung von der inneren Fläche des
Dünndarmes dieses Thieres ; die Schleimhaut zeigt einen grossen Reich-
thum an Falten, „welche in allen Richtungen an der Darm wand sich er-
heben und oft länger als ein halber Zoll in die Höhle des Darmes hinein-
ragen." Doch irrt der genannte Forscher, wenn er sagt: „eigent-
liche freie Darmzotten giebt es nicht" ; ich sehe vielmehr an einem
Darmstück (vom Ende des Krummdarmes) unter Wasser schon mit
freiem Auge, besser natürlich mit dem Mikroskop, die gewöhnlichen
Zotten. Mir scheint, als ob die von Garns abgebildeten Falten auch
für kolossale Zotten genommen werden könnten, die dann nochmals
mit den feinen Zotten besetzt sind. Hervorheben möchte ich auch,
dass die fraghchen grossen Falten der Mucosa , wenn man sie vor-
sichtig unter Wasser einschneidet, einen deutlichen Hohlraum zeigen,
der zum Theil ganz scharf begrenzt ist und nach unten und seitlich
sich in die Alveolarräume des submukösen Bindegewebes verliert.
Ich erblicke in diesem Raum das Analogen des Chylusraumes der
feinen Zotten, also nur eine Wiederholung miki'oskopischer Bilder im
Grossen. Die D&vm-Mucosa des Elephanten hat auch ihre eigene
*) Bei der Gans sieht man die Zotten des Mastdarmes von schwärzlicher
Farbe, was von dunklen, in die Substanz der Zotten eingelagerten Klümpchen
(veränderte Blutkügelchen ?) herrührt.
Leydig, Histologie. 20
306 Vom Nahrungskanal der Wirbelthiere.
Muscularis, doch konnte ich nicht mehr bestimmen, wie weit die Fasern
derselben in die verschiedenen Vorspränge mit cauf'steigen. — Die Darm-
schleimhaut der meisten Fische und Reptilien bildet mit ihren Er-
hebungen Leistchen und Fältchen, die oftmals netzförmig sich verbinden.
Im Enddarm (Afterdarm) verliert bei niederen Wirbelthieren die J/m-
cosa das zottige, sammtartige und rothgelbe Aussehen, indem sie wieder
glatt, weiss und der Innenfläche des Schlundes ähnlich wird.
§. 272.
Epithel de!. Gleichwie das Corium der äusseren Haut von der Epidermis
rohrea. übcrzogen ist, so wird auch die freie Fläche des in seinem mannich-
faltigen Verhalten besciiriebenen Bindegewebsstratums der Schleimhaut
von einem Epithel überdeckt, das nach den Lokalitäten und den
Thiergruppen gewisse Eigenthümlichkeiten an den Tag legt.
§. 273.
Epithel In der Mund- und Rachenhöhle der Säug-er, Vöffel, beschupp-
des Anfang-,- 1 T-i- 1 • 1 IT TT i • 1-1
dannes. tcn Kcptilien und Iiische ist der zeilige Ueberzug em geschichte-
tes Plattenepithel. Die Plattenzellen können an bestimmten Orten
sich anhäufen und stark verhornen , auch pigmenthaltig werden ; so
verdickt sich das Epithel bei den Säugern zu den s. g. Gaumen-
wUlsten, bei den Vögeln ist da ebenfalls an den Choanen das Epithel
sehr stark, zugleich häufig an der Zunge, an den Papillen des Randes
der Tonsillen (von Falco Imted) schwärzlich pigmentirt; hierher gehören
auch die Barten der Wallfische (das s. g. Fischbein). Zwischen den
Hornplättchen des Fischbeins , welche durch Kalilauge zu grossen
Zellen sich aufquellen lassen, liegt ein eigenthümliches Lückensystem,
das von den concentrisch gelagerten Zellen umgrenzt wird. Es sind
die Querschnitte grösserer und feinerer Kanäle, in welche stärkere
und zarte, lange Papillen der bindegewebigen Mucosa hineintreten
(vcrgl. d. Holland. Beitr. v. Donders u. Moleschott Bd. I. Hft. 1,
und besonders Hehn-Reichert: de textura et formatione barbae ba-
laenae, Dorp. 1849). Auch die Kieferscheiden der Vögel und Schild-
kröten, die Hornscheiden auf den Zungenpapillen mancher Säuger
(Fledermäuse, Fleischfresser), wodurch die Zunge sich rauh, wie eine
Bürste anfühlt, sind verdickte E])ithelialbildungen , doch sind die
eigentlichen Geschmackswärzchen bei einzelnen Tliieren frei von dieser
Bewafi'nung. G. Carus giebt z. B. eine Abbildung von der Zunge
der Leaeria persica und erklärt dazu, dass hier immer vor den mit
starkem Hacken versehenen Papillen noch ein Büschel von weichen,
gctheilten Geschmackswärzchen sitzt. Es giebt auch, was schon er-
wähnt wurde, wahre Hornzähnc bei Cyklostomen, dem Schnabel-
thier u. a. Man kennt ferner eine Anzahl von Säugern mit theilweiser
Behaarung des Mundes: Lejms timidus, Arctomys citillits, Pteromys,
Hystrix prebentfüt's, Ayouti, Paca, Äscomys canadensis, Mynnecophaga
didactyla , Alants pentadactyla und tetradactyla (G. Carus und
Lichtenstein). Nach Molin ist auch die „Zahnplatte" am Os
hasüare occipitis der Cyprincn (Cyprmus carjJto , Tinea chrysitis,
Epithel.
307
Barhus ßuviatilis, Abramis hrama, Leuciscus dohula, Cho7idrostoma
nasus) eine Verdickung des Epitliels (Sitzb. d. Wien. Akad. 1850).
§. 274.
Abweichend von allen genannten Thierabtheilungen bat die Mund-
und R a c h e n s c b 1 e i ni h a u t der Batracbier ein gescbicbtetes
Flimmerepitbel, wie man wenigstens bei Fröschen, Kröten und
Salamandern sieht; doch habe ich beim Proteus vergeblich darnach
gesucht, und auch beim Frosch giebt es flimmerlose Stellen. Die
Flimmerzellen nämlich, welche die Papulae fungiformes der Zunge
überziehen , nehmen , am Rande der vertieften Fläche der Papille
(s. Fig. 164) angekommen, eine ganz andere Natur an ; vorher hell und
mit den Flimmerhärchen versehen, verlieren sie, indem sie das quer
abgeschnittene, vertiefte Ende der Papille überdecken, ihr helles Aus-
sehen und ihre Cilien, der Inhalt wird feinkörnig und nimmt einen Stich
in's Gelbliche an. Bei Batrachiern sieht man auch , dass bereits die
Epithelzellen der Rachenhöhle sich in helle scheiden und in solche,
welche mit eiweissartigen Kügelchen angefüllt sind.
Fig. 164.
Papilla f ungiform is der Froschzunge,
a Gefässe , b Nerven , c das Epithel. (Starke Vergr.)
§. 275.
Das Epithel des Schlundes verhält sich bei drei Wirbclthier-
klassen, den Säugern, Vögeln und Fischen, wie in der Mund-
höhle, d. h. ist ein geschichtetes Plattenepithel, welches zu-
weilen eine ungewöhnliche Dicke erreichen kann, wenigstens werden,
wie ich finde, die harten Vorsprünge oder Warzen, welcbe man am
unteren Ende des Schlundes ^om Biber gewahrt, bloss vom Epithel
gebildet. Die faltigen Erhebungen des Bindegewebssü-atums darunter
sind nicht höher als auf der übrigen Schlundfläche. Aehnlich ist viel-
leicht auch der Bau der vielen rückwärts gekehrten Papillen, welche
Home vom Ende des Schlundes der Echidna beschreibt. — Bei
20*
Epitliel des
Schlundes,
308 Vom Nahrungskanal der Wirbelthiere.
vielen Amphibien, selbst solchen, welche in der Mundhöhle keine
Flimrnerung haben, findet sich im Schlünde ein geschichtetes
Wimperepithel (beim Grasfrosch, Feuerkröte, Land- und Wasser-
salaniander, Landschildkröte, Eidechse , Blindschleiche, Ringelnatter.
Nur beim Proteus habe ich die Cilien vermisst und auch das hornartige
Epithel im Schlünde der Seeschildkröte ist ebenfalls flimmerlos)." Am
Plattenepithel im Schlünde der Vögel fällt mir auf, dass die Zellen
Eettpünktchen zum Inhalt haben, die namentlich im Kröpfe (z. B. der
Taube) sehr zahlreich werden. Wie schon mikroskopisch solche Zellen
sehr an die Sekretionszellen der Milch bei Säugethieren erinnern,
so darf man gewiss die Erscheinung, dass die Tauben zur Brütezeit
einen milchartigen Saft hier absondern, worauf durch Hunter (1786)
zuerst aufmerksam gemacht worden zu sein scheint, mit diesen fett-
haltigen Zellen in Zusammenhang bringen. Sie entsprechen physio-
logisch den Milchzellen der Säuger.
§. 276.
'Kpiuiei Das Epithel vom Magen und Darm tritt im Allgemeinen als
una u«rm! C j 1 1 n d c r c p 1 1 li 0 1 Huf. (Bei Cohitis fossüis besteht das Magenepithel
in der tiefer gelegenen Schicht aus Cylinderzellen, während die Zellen
der oberflächlichen Lage rund sind. Im Darm der Katze sind nach
Fink die Epitheliumscylinder an den Spitzen der Zotten beständig
höher, als an den seitlichen Wänden.) Das Magen- und Darmepithel
wimpert bei Säugern und Vögeln nie , auch nicht im embryonalen
Zustande; bei Batrachiern indessen, sowie bei den Se lach lern
ist es im Fr)talleben ein flimmerndes (Leyätg, Rochen u. Haie) und
bei einigen der niedersten Wirbelthiere, dem Avqjhioxus (Joh. Müller,
Retzius) und Petromyzon {Leydig, Unters, üb. Fische u. Reptil.)
behält es zeitlebens das Cilienspiel. A, Müller meldet auch jüngst
[Müll. Arch. 1856), ein Flimmerepithel im Schlünde der jungen
Petromyzonten wahrgenommen zu haben.
§. 277. _
iiuinHohiciit Wenn der Magen bei Säugern ein zusammengesetzter ist , so
im Musuei- [ j j-^ /jj^.j (jßj-^ W 1 c d c T k ä u c r u) alle dem Labmao-en vorhero-ehen-
vüK'^i- tlen Hr»hlungen ein geschichtetes, ziendich stark verhorntes Piatten-
epithel und erst im Labmagen hebt das Cylinderepithel an. Ebenso
hat die Cardiahälfte des Magens von Nagern , vom Pferd und viel-
leicht überall, wo sich eine Theilung in eine Portio cardiaca und in
eine Portio pylorica ausspricht, die erstere das Epithel des Schlundes
und die letztere Cylinderepithel. — Sehr merkwürdig verhält sich
der Muskelmagen der VJigcl. Das Sekret nändich, welches die
Di-üsen des Magens absetzen, häuft sich über den Cylinderzellen an
und erhärtet meist zu einer derben Kruste, welche fälschlich als „liorn-
artigos Epithel" des Muskelmagens in den Büchern figurirt (meine gegen-
thciligcn Beobachtungen in Müll. Arch. 1854, S. 331, o3o). \is können
zwar einzelne Zellen mit in das Sekret gerathen sein, aber der Haupt-
309
Durchschnitt durch den Muskelmagen des Reihers.
a die Gallertschicht , das Analogen der sog. schwielig verdickten Epidermis bei
anderen Vögeln, b die drüsigen Einsackungen der Schleimhaut, c die Schichten der
Muskelhaut, d der bindegewebige Ueberzug des Magens. (Starke Vergr.)
masse nach ist es durchaus nicht ein Epidermisgebikle, sondern eine
homogene, geschichtete Substanz, unterhalb welcher erst die Epithel-
oder Sekretionszellen der Magendrüsen kommen (vgl. oben Fig. 23). Bei
manchen Vögeln, wie ich es z.B. an einem frischen Reiher {Ardea cinerea)
beobachte, bleibt das Sekret eine helle, gallertige Substanz, zum Theil in
Folge der Schichtung von leichtstreifigem Aussehen. Auch einzelne
Kerne, wohl von abgestossenen Zellen herrührend , werden in ihr unter-
schieden. Man darf vielleicht die Frage aufwerfen, ob nicht die glas-
helle, homogene Schleimschicht, welche man im frischen Magen mancher
Säuger über dem Epithel erblickt und in der mehr oder weniger
abgestossene Epithelzellen sich finden, nicht eine ganz analoge Bildung
310
Vom Nahrungskanal der Wirbelthiere.
Poreiikaiiiilp,
Schleim-
Zellen«
ist? — Von anderer Natur zeigt sich hingegen die „Hornschicht'' im
Magen der Echidna, Bradyj^us und Halmaitirus. Beim Faulthier, wo
ich sie untersuchte, besteht sie aus Lagen sehr abgeplatteter Epithel-
zellen, welche keinen Kern mehr haben. Dieses dicke, stark ver-
hornte Epithel bildet nicht bloss bei Echidna in der Nähe des Pfört-
ners hornige Papillen, sondern auch beim Faulthier sehe ich dasselbe,
nur ist zu ihrer Darstellung eine geringe Vergrösserung nothwendig.
Auch möchte ich vorbringen, dass die Zellen dieser Hornpapillen ein so
eigenthümliches, fein punktirtes Aussehen haben , dass man an das Vor-
handensein von feinen Porenkanälen der Zellenmembran denken könnte.
§. 278.
Am Darmepithel wahrscheinlich aller W irbelthiere (den Menschen
mit eingeschlossen) verdienen noch zwei Bildungen Beachtung. Das
erste sind die Porenkanäle in der Cuticula des Epithels. Die
Cuticula nämlich, gewissermaassen die erste Andeutung jener über
die Epithelzellen ausgeschiedenen homogenen Lage, welche im Muskel-
magen der Vögel ihr Extrem erreicht, ist von feinen, senkrecht stehen-
den Kanälchen, den Porenkanälen durchsetzt, welche die homogene
Cuticularschicht fein streifig und , von der Fläche gesehen , fein
punktirt erscheinen lassen. Das andere ist die Anwesenheit be-
sonderer Zellen zwischen den ordinären Epithelzellen. Im Darm
der Fische, Reptilien, Vögel und Säuger fallen kolbige oder keulen-
förmige Zellen auf, die mehr oder weniger prall mit Körnchen er-
füllt sind und dadurch von den umliegenden Zellen ohne Weiteres
Fig. 166.
/
eines Weissfisches.
(Starke Vergr.)
finden
mahnt.
Ich glaube annehmen zu dürfen,
Epithel der Darm Schleimhaut
a die gewöhnlichen Cylinderzellen, h die Schleimzellen.
abstechen. Es sind dieselben Zellen , Avelciie sich auch in der
Epidermis der äusseren ETaut von Mollusken {Polndina vivipara z. B.)
deren äussere Haut ja auch sonst an tue Schleimhäute ge-
dass wir in diesen kolbigen
Die beiden
Zellenarten scheinen nur in der Form verschieden und diese wieder
abhängig zu sein von der Spezies des Epithels, in welche sie einge-
streut sind. Daher hat das plattzellige Epithel in der Mund- und
Rachenhöhle bei Fischen die dem Runden sich nähernden „Schleim-
zellen"; und auch im Magenepithel von Cohitis fossilis , wo, wie er-
wähnt, die Zellen der oberen Schicht rund sind, begegnen wir ebenso
Zellen das Analogen der „Schleimzellen" vor uns haben
Drüsen,
311
geformten „Schleimzellen." Im Cylindciepithcl des übrigen Traktus aber,
in Uebereinstimmung mit den umgebenden Zellenformen, haben sie sich
in die berührten kolbigen oder keulenförmigen Zellen mit granulärem
Inhalt umgewandelt.
§. 279.
Es wurde vorhin gesagt, dass der Enddarm bei Fischen (Rochen,
Haien) schon im äusseren Ansehen der Innenfläche des Schlundes
gleiche, und er hat auch wieder anstatt des Cylinder- ein Platten-
epithel. Ebenso besitzt nicht minder die Kloake der Vögel ein ge-
schichtetes Plattenepithel. — (Auffallend ist mir, im Darm von Cohitis
fossilis, wo bekanntlich dieses Organ zugleich der Athmung dient, ein
Epithel nicht nachweisen zu können, Müll. Arch. 1853. S. 6.)
§. 280.
Von der bindegewebigen und epithelialen Schicht der Schleimhaut
werden gemeinschaftlich die drüsigen Bildungen zusammengesetzt,
welche als Einsackungen der Mucosa auf Flächenvermehi-ung der-
selben hinwirken. Doch ist die Anwesenheit von Drüsen keineswegs
ein ausnahmsloser Charakter; ich vermisse vielmehr bei Petromyzon
fluviatilis, Myxine, sowie bei Cobitis fossilis die Drüsen im Schlund,
Fpithel des
Enddarmea.
Magen und Darm.
Fig. 167.
«- -,
a
c
Drüse aus der Mundschleimhaut der Taube.
Tunica propria und ihre Fortsetzungen ins Innere, b die Sekretionszellen,
die Drüsenöffnung und um sie herum das Plattenepithel der Mundhöhle,
d durchschimmerndes Blutgefäss, welches die Oeffnung umgiebt.
(Starke Vergr.)
Auch die Mund- und Rachens chleimhaut der übrigen
Fische ist immer drüsenlos, und wenn manche Autoren von Drüsen-
öflnungen sprechen, so sind wahrscheinlich die Mündungen der „becher-
förmigen Organe", welche den Papillen aufsitzen, für solche genommen
worden. Die Mucosa vom Mund und Rachen der Säuger hat wohl allezeit
Schleimdrüsen, und was vielleicht weniger bekannt ist, die Haut der
nackten Schnauzengegend finde ich beim Rind und Hirsch mit sehr ent-
wickelter traubiger Drüsenmasse ausgestattet. Bei den Amphibieni,hat
wenigstens die Zunge beim Frosch, Schildkröte, Chamäleon, Grocodilus
Drüsen des
Nahruugs-
rolires.
Drllsen des
Anfang-
dnrine?^»
312 Vom Nahrungskanal der Wirbelthiere.
sclerops, zahlreiche Drüsen, wenn auch, wie z. B. beim Frosch, die
übrige Rachenschleimhaut dergleichen entbehrt. Bei Anguis fragilis,
wo die Zunge ohne Drüsen zu sein scheint , sehe ich zu beiden Seiten
der Zunge am Boden der Mundhöhle eine Drüsengruppe, welche für
das freie Auge einen besondern länglichen Wulst bildet. Es sind mehr-
mals eingekerbte Säckchen , so dass sie sich dem traubigen Drüsentypus
nähern. {Treviranus sah bei Chamaeleo carinatus auf beiden Seiten
der unteren Kinnlade, an der innwendigen Seite der Zähne, eine
wulstige, mit Papillen besetzte Lefze, die ich, nach dieser Beschreibung
zu schliessen für analog dem Drüsenwulst der Anguis fragilis halten
möchte). Bei den Vögeln häufen sich die Drüsensäckchen ebenfalls an
bestimmten Stellen, z. B. zur Seite der Zunge, Kieferrand, an und
bilden für das freie Auge gut unterscheidbare Massen , auch die Ton-
sillen, wie ich wenigstens an 8trix passerina und Falco huteo sehe, sind
von derselben Natur wie die übrigen Drüsenfollikel der Mund- und
Rachenhöhle und kömiten für den Fall , dass die Tonsillen der Säuger,
wie Manche behaupten , aus geschlossenen Säckchen bestehen, mit letz-
teren nicht zusammengestellt werden, doch vergleiche man was liierüber
oben §. 246 bemerkt wurde. Nimmt man Rücksicht auf die Form
dieser verschiedenen drüsigen Bildungen, so sind es entweder ein-
fache kürzere oder längere sackförmige Einstülpungen der bindege-
webigen Mucosa, in welche sich die Epithelzellen fortsetzen, oder der
Drüsenraum buchtet sich etwas mehr aus, die Tunica "proijria bildet Vor-
sprünge ins Innere. Die Zungendrüsen des Frosches (besonders gut
an gekochten Zungen wahrzunehmen) sind an ihrer Ausmündung
trichterfcirmig erweitert. An den Secretionszellen der Zungendrüsen
des Triton igneus glaube ich Flimmerhaare gesehen zu haben. Her-
vorheben darf man auch besonders, dass nur bei Säugern die Drüsen,
indem die verästelten Kanäle sich ausbuchten und zu einem Knäuel sich
zusammenschieben, einen wirklich traubigen Typus annehmen, wäh-
rend sie bei den ReptiHen und Vögeln, wenn sie auch anscheinend traubig
sind, immer nur die Form eines Beutels haben, dessen Innenfläche
allerdings durch viele häutige Vorsprünge vervielfältigt ist.
§. 281.
i)ru,en des Dcr Schluud dcr Fische und der Mehrzahl der Amphi bien
ist ohne D r ü s e n b i 1 d u n g e n ; sie mangeln nach meinen Erfahrungen
bei Gystignathus oceUatus^ Uombinator igneas, tiiredon piscifornns, Sa-
lamandra maculatd, Lacerta agilis, Coluber natrix; kommen dagegen
vor bei Rana temporaria, Proteus anguinus, (wo sie wegen ihrer Grösse
tuberkelartig hervorragen und gegen den Magen zu immer grösser
werden), Testudo graeca (mit freiem Auge wohl erkennbar und da-
durch, dass das Bindegewebe zwischen ihnen weiss ist, der Schleimhaut
ein netzförmiges Aussehen gebend). Umgekehrt zeigt sich die Schleimhaut
des Schlundes von Vögeln und Säugern sehr constant mit Drüsen
versehen. Bezüglich ihrer Gestalt und sonstigen Natur verhalten sie
öchluüdes.
Drüsen.
313
sich ganz wie die Drüsen der Mnnd und Rachenhöhle , bei Strix passe-
rina sind sie am ßeg-inn des Schhnides äusserst zaMreich und länghche
Schläuche, an Lieberkühnsche Drüsen erinnernd, beim Reiher {Ardea
cinerea) findet man die Drüsensäckchen kürzer, aber ebenfalls dicht ge-
drängt an ein ander, beim Auerhahn rücken sie ziemlich weit von ein-
ander weg, bei der Taube fehlen sie im obern Abschnitt des Schlundes
ganz und treten erst gegen den Kropf hin auf und wiederholen eben
immer die Form einfacher oder mit innerer Septenbildung ausgestatteter
Beutel. Nach innen mit sekundären Follikeln sind sie auch beim Proteus
versehen.
Fig. 168.
Durchschnitt durch die Häute des Schlundes vom Reiher.
a die Schleimhaut mit den dicht stehenden Drüsen , b die beiden Muskellagen,
c die äussere bindegewebige Umhüllung des Schlundes. (Geringe Vergr.)
§. 282.
Wohl am regelmässigsten besitzt bei allen Wirbelthieren mit Aus-
nahme der genannten Fische die Schleimhaut des Magens Drüsen.
Bei den Plagiostomen besetzen die Drüsen nicht vollständig die In-
nenwand des Magens, sondern die Schleimhaut behält auf bestimmte
Strecken hin ihre vom Schlund mit herübergenommene Beschaffenheit.
B
Fig. 169.
Magendrüsen der Fische.
A Labdrüsen von Torpedo, B Labdrüsen von Acipenser.
n die Drüsenöffnung, b die Epithelzellen der Innenfläche des Magens. (Starke Vergr.)
Magen-
drüsen.
314 Vom Nahrungskanal der Wirbelthiere.
Es beginnt nämlich die Drüsenlage mit verschiedenen Ausläufern und
Zacken gegen den Oesophagus zu und es ziehen von da durch die ganze
Länge des Magens gleichsam weisse Furchen, die ohne Drüsen sind;
ebenso verstreichen die Drüsen nach dem Pylorus hin schon in ziem-
licher Entfernung von ihm, aber nicht mit einemmale, sondern wieder
läuft das Drüsenstratum in mehrere Spitzen und Zacken aus. Was die
Form der Magendrüsen betrift't, so sind es dicht neben einander stehende,
nach unten blindgcendigte Röhren, deren blindes Ende auch häufig etwas
kolbig erweitert ist. Beim Stör sind es kurze cylindrische Säcke, die aber
nicht so dicht sich folgen, dass bei Betrachtung der Schleimhaut von
oben Mündung an Mündung liegt, sondern es bleibt immer einiger Raum
zwischen den Oeffnungen der Drüsen übrig. Die Magendrüsen des
Polypterus sind im vordem Theil des Magens ziemlich lange Schläuche,
die aber mit der Verdünnung der Schleimhaut gegen das blinde Ma-
genende zu ebenfalls an Länge abnehmen, dabei indessen ihren
Querdurchmesser vergrössern und zuletzt nur ganz seichte, aber breite
Crypten der Schleimhaut repräsentiren , die auch nicht mehr eng
an einander stehen , sondern , je näher dem blinden Magenende,
immer weiter auseinander gerückt sind, bis sie endlich ganz vereinzelt
zu stehen kommen. • — Die Magendrüsen der Batrachier und auch
der beschuppten Reptilien, Testudo graeca, Lacerta agilis z. B.,
erscheinen vielleicht durcliM^eg als kurze Säckchen*), die eine gewisse
gruppenweise Anordnung nicht verkennen lassen. Auch die schmalen
schlauchförmigen Drüsen, welche hn Muskelmagen der Vögel unter-
halb der fälschlich sogenannten Hornschicht liegen, stehen immer
truppweise beisammen, und endlich im Drüse nmagen der Vögel
erreicht die Isolation solcher Gruppen ihren schärfsten Ausdruck da-
durch, dass immer eine grössere Anzahl von Schlauchdrüsen durch
eine gemeinsame bindegewebige Hülle zu einem Ganzen, zu einem
abgeschlossenen Paquet, verbunden wird. {Molin in d. Denkschr.
*) Nur im ersten dickwandigen Magen der Krokodile (Crocodihcs niloticus) sehe
ich die dicht stehenden Drüsen unter der Form sehr hxnger, verhältnissniässig enger
Schläuche; im zweiten dünnwandigen Magen sind es kurze, weite Säcke. An dem vor
mir liegenden Präparate fehlt das Ei)ithel des Magens vollständig, was ich um so
mehr bedaure, als ieh dasselbe von ähnliclier Uescliaft'enheit vermuthe, wie „die Horn-
schicht" im Muskelmagen der Vügcl. Es sprechen auch mehre Autoren von einem
^starkem Epithelium" dieser Magcnabthcilnng , welche durchaus grosse Aehnlich-
keit mit dem Fleisclnuagen der Vögel liat. — Von manchen Zootomeii wird auch
die Magenbildung der Pipa dorsif/era mit der des Krokodils verglichen, was mir
nicht ganz passend scliuint , denn der sog. zweite Ivlchicrc Magen der Pipa dürfte
wühl besser als erweiterter Anfang des Duodenums angesehen werden. Der sog.
erste Magen ist aber insofern erwähnensweitli , als er gegen den Fylorus zu im
Innern schwarz pigmentirt ist. Das Pigment liegt in dem starke Netzfalten bil-
denden Bindegewebsstratum der il/ju'OA« , das Epithel besteht aus schönen Cylinder-
zellen, die, indem sie die Vertiefungen zwischen den Fältchen auskleiden, die Rolle
von Drüsenzclien spielen.
Drüsen. 315
Fig. 170.
Durchschnitt durch den Drüsenmagen der Taulie.
a Schleimhaut mit den Paqueten der Labdrüsen, b die Muskelsehichten,
c die äusserste bindegewebige Umhüllung.
d. Wien. Akacl. 1850, Leydtg in Müll. Arch. 1854 S. 331, 333.) —
Die Mag-endrüsen der S äugetliiere sind entweder einfache, cylin-
drisclie Schläuche, das blinde Ende gern etwas verbreitert, auch leicht
eingekerbt, daher wie gespalten, oder es vereinigen sich mehre
Schlauchdrüsen zu einem grössern Gang, mit dem sie sich in das
Magenlumen öffnen. In diesen zusammengesetzt - schlauchförmigen
Magendrüsen , wie solche beim Hund , der Katze , Pferd , Hase,
Kaninchen, Schwein u. a. beobachtet worden sind, erblicke ich das
Analogon der abgesetzten Drüsenpaquete im Proventriculus der Vögel.
§. 283.
Ein besondres morphologisches Interesse gewährt im Baue der Säuge-
thiere jene Magenform, welche sich in eine Portio carcUaca und Portio
pijlorica mehr oder w^eniger abschnürt und dabei für den linken Ab-
schnitt, der dann gewöhnlich drüsenlos ist, eine eigne starke Drüsen-
scliicht besitzt. Ich kenne aus Autopsie die histologischen Verhältnisse
nur von Gastor fiber VixAManatus australis. Die grosse Magendrüse
des Bibers besteht aus schlauchförmigen Labdrüsen, die in Gruppen
geordnet sind und in cavernöse Räume münden, von denen der Drüsen-
wadst durchzogen ist. Beim Manati, wo der Magen genau in zwei
Hälften geschieden wird, von denen die Schleimhaut der Portio cardiaca
glatt und drüsenlos ist, während die Portio pijlorica die gewöhn-
liche Ausstattung mit Labdrüsen darbietet, hat diese letztere Abthei-
lung zwei Blindsäcke, w^elche einfache Ausstülpungen der Magen-
häute von derselben histologischen Beschaflenhcit repräsentiren, wie
die Portio ]iylorica selber; der Blindsack hingegen an der linken
Magenportion ist von ganz anderer Art und entspricht dem Drüsen-
wulst am Magen des Bibers. Er hat keine einftiche mit dem Magen-
316
Vom Nalirungskanal der Wirbelthiere.
Aus der Mageiidrüse des Manatus australis.
Man unterscheidet drei schlaucliförmige Abtheilungen , man könnte sagen (a) die
Enden einer kolossalen zusammengesetzt-schlauchförmigen Drüse und erst innerhalb
dieser Schläuche liegen die Labdrüsen (b). (Geringe Vergr.)
lumen communicirende Höhlung-, sondern sein Inneres ist cavernös
und die Areolen sind für das freie Auge mit einer gelbweissen,
körnig-bröckligen Masse erfüllt. Durch mikroskopische Untersuchung
erfährt man, dass der ganze Blindsack ein Aggregat von schlauch-
förmigen Drüsen ist. Bindegewebe formt das Fächerwerk, wobei
es nun sehr merkwürdig ist, dass bei Betrachtung grösserer Schnitte
das Bindegewebe ähnliche Umrisse zieht, wie wenn eine zusammen-
gesetzt - schlauchförmige Drüse zu zeichnen wäre , und man glaubt
bei geringer Vergrösserung , die Wand dieser scblauchförmigen Hohl-
räume sei mit cylindrischen Sekretionszellen besetzt, bis stärkere
Vergrösserungcn aufdecken, dass die vermeintlichen Sekretionszellen
vollkommen ditfcrenzirte schmale schlaucbföi-nu'gc Labdrüsen sind, an
denen man die Tunica pvopria und die Epithclzcllen klar sieht. Wir
finden demnach hier in ähnlicher Art wie ich früher (Zeitschr. für
wiss. Zool. 1850) von tler Profffata des Pferdes abgebildet habe, eine
fortwährende Wiederholung der Formen , indem eine Anzahl von
cylindrischen Labdrüsen von gemeinsamer Haut umgeben den läng-
lichen Äcinus von einer scheinbaren grossen zusammengesetzt-schlauch-
förmigen Drüse bildet, und durch die Vereinigung derselben ent-
stehen abermals grössere Drüsenmassen, die dann ziihtzt mit mehren
Oeffnungen in den ersten oder Cardiamagen münden. — Neuerdings
untersuchte auch Ecker die Magenschleimhaut von Delphinus Phocaena
Drüsen. 317
und fond, dass im zweiten Magen die Labdrüsen eine n>ächtige Ent-
wicklung zeigen, wodurch sie eine Anzahl dicker Wülste der Mucosa
bedingen (Vcrhandl. der Gesellsch. für Beförder. der Naturwissensch.
in Freiburg 1855.) — (Etwas Aehnliches sieht man wahrscheinlich auch
bei Myoxus avellanarius und den eigentlichen Siebenschläfern, wo nach
mehren Forschern ein eigener kleinerer, sehr dicker und drüsenreicher
Vormagen noch stärker als bei Vögeln vom zweiten Magen abgeschnürt
ist; ebenso sind noch Manis und andere Säugethiere, von denen
eigene Magendrüsen gemeldet werden, einer eingehenden Untersuchung
zu unterwerfen. Am Magen des Maulwurfes sind die schlauchförmigen
Labdrüsen am Cardiatheil stärker entwickelt, als an der Pylorushälfte.) —
Beim Rind vermisse ich in den vor dem Labmagen liegenden, mit starkem
Plattenepithel versehenen Mägen jegliche Spur von Drüsen; Wedl
spricht Von ^jSchleimfollikeln" im Pansen und in der Haube des Kameeis.
§. 284.
Im Vorhergegangenen wurde ausschliesslich Rücksicht genommen
auf die Form, welche die bindegewebige Tw/u'ca^^ro^-^rm (die unmittel-
bare Grenzschicht des Coriums der Schleimhaut) den Drüsen auferlegt,
die eigentlichen Werkstätten des Sekretes sind aber die den Drüsen-
raum auf^kleidenden Zellen, und diese scheinen, wenigstens bei Vögeln
und Säugern, von zweierlei Art zu sein. Die einen sind die das
Pepsin absondernden Labzellen, sie haben eine rundliche Gestalt
und dunkelgranulären Inhalt, bei den Vögeln kleiden sie die
Drüsenpaquets des Prove^itriculus aus, auch bei den Sängern scheinen
sie zumeist die Drüsen der Cardialportion (auch beim Biber und Manati)
zu erfüllen, die Zellen haben hier oft eine bedeutende Grösse, so dass
sie die Endschläuche der Drüsen zu starken Ausbuchtungen veran-
lassen, und es ist dann eine gewisse Aehnlichkeit mit mehren ein-
zelligen Drüsenformen wirbelloser Thiere, wie sie unten zur Be-
schreibung kommen werden, unverkennbar. Wie bei letzteren eine
einzige grosse Drüsenzelle in einem bindegewebigen Beutelchen liegt,
so isoliren sich auch die grossen Labzellen in den Ausbuchtungen des
gemeinsamen Kanals von einander. Die zweite Art der Sekretionszellen
hat eine cylindrische Form und einen meist hellen Inhalt.
Sie machen bei Vögeln das Epithel der Drüsen des Muskelmagens aus,
bei Säug'rn kleiden sie die Drüsen aus, welche dem Pylorus zunächst
liegen. Diese Differenz der Sekretionszellen weist darauf hin , dass
auch zweierlei verschiedene Sekrete von den Magendrüsen geliefert
werden. Ob auch bei Amphibien und Fischen eine solche Trennung
herrscht, ist noch nicht festgestellt. Die Zellen, welche bei Ba-
trachiern die Magendrüschen erfüllen, werden in verschiedenen Zu-
ständen getroffen, indem ich bald helle (Landsalamander), bald in
verschiedenem Grade körnige beobachtet habe. Beim Stör sind
die Magendrüsen auf's regelmässigste von einem zierlichen, hellen
Cyiinderepithel ausgekleidet. Das Cyhnderepithel geht an den Oeff-
318
Vom Nahrungskanal der Wirbelthiere.
DarmdrUsen.
nungen der Drüsen unmittelbar In das Cyllnderepithel der Magen-
schleimhaut über, dessen Zellen sich von denen der Drüsen da-
durch unterscheiden, dass sie grösser und gegen das freie Ende zu
mit Molekularmasse prall angefüllt sind. Auch bei Polypterus sind
die Zellen der Magendrüsen cylindrisch und so regelmässig gelagert;
dass ein klares Lumen der Drüsen sich erhält.
§. 285.
Die Schleimhaut des Darmes hat bei Säugern und Vögeln sehr
constant zahllose, schlauchförmige {Lieherhülin sehe) Drüsen, deren
Grösse nach den einzelnen Darmpartien etwas wechselt (bei Säugern
z. B. im Dickdarm länger sind als im Dünndarm, bei den Vögeln im
Zwölffingerdarm länger als im Dünndarm und Afterdarm), aber immer
von einem regelmässigen Cylinderepithel ausgekleidet werden. Ob
man der Darmmucosa der Reptilien und Fische Drüsen zu-
schreiben oder absprechen will, hängt von der individuellen Auffas-
sungsweise ab , nur selten nämlich , wie z. B. an Torpedo Qalvanii in
dem zwischen Magen und Klappendarra liegenden Darmstück , bei
Pohfpterus ebenso am pylorischen Rohr sieht man noch eigentliche
schlauchförmige oder Lieberkühn'sche Drüsen, meist erhebt sich die
Schleimhaut in zahllose , dichte Fältchen und Balken , die netzartig
sich verbinden, und auf diese Weise ein Zellen- und Gitterwerk er-
zeugen, das dem freien Auge dasselbe Bild gewährt ^ wie der mikro-
skopischen Untersuchung etwa die Magenschleimhaut des Frosches,
nachdem aus den Drüsen die Inhaltszellen herausgespült sind, sich
zeigt. Da also nur in der Grösse ein Unterschied obwaltet, keines-
wegs aber in der Struktur, so möchte ich in der feingittrigcn Be-
schaffenheit der Schleimhaut, z. B, des Stör s, des Pohipterus, vom Frosch,
Salamander, Proteus den Ausdruck einer sehr gesteigerten Drüsen-
Fig. 172.
Drei 1) a r 111 11 r ü scn von Sn I a m ;i ii (1 r ;i iii ;i c nl a t a.
Die Driisfiiüfl'iiiingcn (a) sind umsponnen von Blutgel'ässcii (b). (Starke Yergr.)
Drüsen.
319
bildiing erkennen, die Drüsen sind hier aber zu so grossen Grübchen
entwickelt, dass das freie Auge zur Erkennung ihrer Umrisse schon
theilweise hinreicht. *)
§. 286.
Ausser den schlauchförmigen Drüsen kommen sowohl bei Säuge-
thieren als auch bei einigen Fischen noch, traubige Drüsen an be-
stimmten Lokalitäten vor. Bei Säugethieren sind es die unter dem
Namen .5ri<n wer 'sehe Drüsen bekannten Gebilde, welche im Duodenum
sich finden. Nach Middeldorpf sind sie am zahlreichsten bei den
Fig. 173.
Brunner'rtche
Priinen.
c.
Schnitt durch das Duodenum des Maulwurfes.
a Lieberkühn'sche Drüsen, b Mnskellage der Schleimhaut, c das Bindegewebs-
stratum derselben, d die Muscularis des ganzen Darmes, e die Brunner'schen
Drüsen. (Geringe Vergr.)
pflanzenfressenden Säugethieren; beim Maulwurf, wo die Brunner''schen
Drüsen nur den unmittelbaren Anfang des Duodenum besetzt halten
und hier einen für das freie Auge gelb weissen Ring bilden, haben, wie
ich sehe, ihre SekretionszeJlen einen dunklen, feinmolekulären Inhalt,
woher auch die angegebene Farbe rührt. Den Vögeln, Reptilien
und den meisten Fischen mangeln Brunn er' s,q\\q Drüsen. Nur bei
den Chimären, den Rochen und Haien erblickeich eine analoge
Drüsenbildung, wenn auch am entgegengesetzten Darmende. Am An-
fang des Afterdarmes bei Chimaera monstrosa finden sich gegen acht
ziemlich stark vorspringende, nach hinten spitz auslaufende Längs-
wülste. Hebt man die Schleimhaut über diesen Wülsten ab, so kom-
men röthlichgelb gefärbte Drüsenhaufen zum Vorschein, die mikros-
kopisch aus verästelten Drüsenschläuchen bestehen und zu rundlichen
Läppchen mit einander verbunden sind. Gleichwie beim Manati (s. oben)
die Magendrüsen der Portio cardiaca sich zu einem besonderen, blind-
sackartigen Anhängsel vom Magen abgetrennt haben, so sind auch
*) Bei der Giraffe mögen ähnliche Verhältnisse sich finden. A. Sebastian
(Tydschr. voor natuurl. Geschied. XII, 1844) beschreibt von der Schleimhaut des
Colons an der Einmündungsstelle des Dünndarmes kleinere und grössere Zellen
mit einer runden oder ovalen Oeffnung, und einige dieser Zellen seien wieder durch
Wände in Fächer abgetheilt.
320
Vom Nahrungskanal der Wirbelthiere.
bei Rochen und Haien diese traubigen Drüsen von der Darmwand
abgerückt und bilden die „f i n g e r f ö r m i g e D r ü s e", welche in die
Rückseite des Afterdarmes einmündet. Die fingerförmige Drüse hat
auf dem Längendurchschnitt eine gelbliche, dicke Drüsensubstanz und
einen innren Hohlraum. Letztrer ist meist erfüllt mit einem schmutzig
gelben Sekret, vom Aussehen der Magenflüssigkeit, mikroskopisch
besteht es aus Punktmasse und grossen mit der gleichen Körnersub-
stanz gefüllten Zellen, deren Membran häufig schon geschwunden ist,
so dass nur ein heiler Kern von der Punktmasse klumpenförmig um-
hüllt wird. Der Hohlraum ist durch eine starke Lage Bindegewebe von
der Drüsensubstanz geschieden imd setzt sich als Ausführungsgang fort.
Das Epithel ist ein pflasterförmiges. Die sehr blutreiche Drüsensubstanz
besteht aus dicht gedrängten, traubenförmigen Drüsenbläschen, welche
an einem sehr kurzen Ausführungsgang sitzen.
§. 287.
Die Lymphdrüsen des Tractus verhalten sich bei den Säuge-
thieren wie beim Menschen, im Rachen hiessen sie bisher Balg-
drüsen und Tonsillen, im Magen linsenförmige Drüsen,
im Darm Peijersche Haufen und solitäre Follikel. Der Bau
ist der oben angegebene : Das Bindegewebe , welches die Wand der
Kapseln bildet, schickt ins Innre ein feines, zahlreiche Blutcapillaren
tragendes Fachwerk, und die Maschenräume sind von einer kleinzel-
ligen Masse eingenommen, deren Elemente mit den sog. Lymphkügelchen
übereinstimmen.
Die Pe?/ er 'sehen Follikel sind bei den Vögeln durch den ganzen
Darm zerstreut und zeigen sich besonders entwickelt in dem Darm-
divertikel der Gaiis. Sie wurden namentlich untersucht von Bas-
Fig. 174.
Aus dem D.arnie der Gans.
a Daiinznttc, ]) zwii Lichirkfiliirsclie Drüsen, c ein Peyer'scher Follikel,
d Muskelscbicht. (Geringe Vergr.)
Drüsen. 321
linger (Sitzb. d. Wien. Akad. 1854), welcher folgendes Resultat zu-
sammenfasst: Die Peyer'schen Drüsen haben nach aussen in der Mus-
kulatur eine scharfe Grenze, durchbohren aber mit verschmächtigtera
Halse die innre Längshaut , breiten sich dann zwischen den Krypten
bedeutend aus und lassen ihre „Cytoblastemmasse'' ohne irgend eine
Grenze in die Zotten übergehen. Nach B asling er müsste man dem-
nach einen direkten Zusammenhang des Chylusraumes der Zotte mit
der Peyer'schen Drüse statuiren. Ich bedaure, diese Angaben nicht
bestätigen zu können, indem wenigstens am Darm der Gans, den ich
frisch, getrocknet und mit Essig gekocht untersuchte, den feineren Bau
der Follikel in nichts abweichend finde von den Peyer'schen Drüsen
der Säuger, insbesondere erscheint die Kapsel nach der Zotte zu
ebenso scharf umgrenzt, wie da, wo sie an die Muskelhaut anstöst. —
§. 288.
Erwähnung verdient auch, dass die Schleimhaut der Bursa Fa-
bricii der Vögel mit Ausschluss andrer drüsiger Bildungen die
Peyer'schen Follikel in grösster Menge besitzt; ich untersuchte die
Wasseramsel [Cinclus aquattcus) , das Rebhuhn, den Steinkauz und
die Ente. Die Bindesubstanz der Schleimhaut grenzt lauter geschlossne,
rundliche Follikel ab , die dicht neben- und übereinander liegen und
bei der Ente durch besondre lokale Entwicklung in der Bursa zwei
oder mehre für das freie Auge auffallende Längswülste erzeugen.
Uebrigens sind die Bälge verschieden gross und ausser einem feinzelli-
gen, in Essigsäure sich ti'übenden Inhalt noch deutlich von ßlutcapillaren
durchzogen. Die Oberfläche der Mucosa deckt ein geschichtetes Cy-
linderepithel. (Nach R. Wagner wären die Drüsen der Bursa Fa-
bricii „Schleimdrüsen" die „mit kleineren Poren" in die Höhle mün-
den. Ich habe bisher die Sache bei wiederholter Prüfung nur so ge-
sehen , wie ich sie eben beschrieben habe. — Da die Peyer'schen
Drüsen gegenwärtig für Lymphdrüsen gelten, so darf in Erinnerung
gebracht werden , dass nach mehren Autoren die Grösse der Bursa
Fahricii mit dem Alter des Thiers abnehmen soll, was übereinstimmen
würde mit dem Verhalten der freien Lymphdrüsen, die angeblich auch
in spätrer Lebenszeit sich verkleinern und zusammenschrumpfen. Die
Thymus, welche ich ebenfalls zu den Lymphdrüsen rücke, thut dasselbe).
Fig. 175.
Durclischnitt durch die Wand der Bursa Fabricii der Wasseramsel,
a das Epithel, b die Peyer'schen Drüsen der Schleimhaut, c die Muskellage.
(Geringe Vergr.)
Leydig, Histologie. 21
liursa
Fabricii.
322 Vom Nahnmgskanul der Wirbelthiere.
§. 289.
i.ympi.- In der Schloimliaiit des Nahrungsrohrs von Reptilien und
■rvnuu'.Tol t^i sehen ist bisher noch Nichts von Lymphdrüsen nachgewiesen
»•"'^'^'""' """' worden , doch möcliten jene weisse, srelappte Masse, welclie ich von
der ('Jmnaera monstrosa {Müll. Arch. 1851, S. 269) anzeigte und
welche sich zwischen der Basis cranis und der Rachenschleimhaut findet;
sowie ferner die weisse Substanz^ welche man bei Sclachiern in ziem-
lich mächtiiier La<?c zwischen der Muskel- und Schleimhaut des Schlun-
des antriftt (Rochen und Haie S. 53) für Bildungen anszuprechen sein,
welche den Lympluh-üsen analog sind. Beide bestehen in ganz gleicher
Weise aus einem Faehwerk von zartem Bindegewebe, gefüllt mit
Kernen und Molekularkörnern. Die drüsige Substanz beginnt und
hört auf bei den Selachiei-n mit ganz bestimmter Grenze, nach oben,
wo die Längsfdten des Schlundes anfangen, und nach unten, wo der
Schlund in den Magen übergeht.
§. 290.
Muskulatur j)Jq Schlcimliaut des Tractus ist der Contraktion fähiff, da
Bchioimhaut. \\\ das Biiii (1 egcwebc bei den verschiedensten Wirbelthieren glatte Mus-
keln eingeflochten sind. Beim Stör habe ich sie vermisst*), hingegen
beim Frosch und Salamander, wo sie sich zwischen die Drüsen-
gruppen fortsetzen, bemerkt; am durchschnittenen Magen eines leben-
den Frosches zieht sich an der Schnittfläche durch die Muskelwirkung
Muskel- und Schleimhaut von einander weg und die Schleimhaut rollt
sich alhnählig ein. Bei den Vögeln (Gans) beschrieb sie Brücke,
und verfolgte sie bis in die Zotten; ich sah sie in der Schleimhaut
des Afterdarmes der Taube. Im Darm der Säuger erheben sich
ebenfalls sehr gewöhnlich die Muskelfasern der Schleimhaut bis in die
Zotten, in welch letztren Ger lach bei der Katze zwei Muskeliagen
unterschied, eine centrale longitudinale , und eine peripherische trans-
versale. Beim Hund (und dem Menschen) sei die transversale Lage
minder deutlich und scheine oft ganz zu fehlen. Ilieher gehört auch,
dass die Zungenpapillen des Frosches (von mir bei Rana temporaria
und besonders schön bei Cystiynatus ocellatus gesehen) bis weit hinauf
*) Hei Rochen und Haien ist die glatte Muskulatur der Mucosa vorhanden,
wie icli noch jüngst an der Längsklapjjo des Ilaninicrliaics sah; bekanntlich ver-
läuft da, äimlich wie bei Fetromyzoii, der Stamm der Intestinalvene im ft-eien
Rande der Klajipe, und JJuvernoy (Ann. d. sc. n. 18.^5) glaubte eine Belegung
der Veno mit Muskelfasern erkannt zu haben. An feinen senkrechten Schnitten
von der getrockneten Klappe genommen und mit Essigsäure wieder erweicht sieht
man sehr schön , wie ein ziemlich dichtes Netz aus glatten Muskeln das lockere
Bindegewebe der Schleimhaut durchzieht, an der Peripherie in die leistenartigen
Erhebungen sich verliert, sowie central mit den Häuten der Vene und einer stär-
kereu zugleich mitvorhandenen Arterie zusammenhängt. Sollte vielleicht JJuvernoy,
durch eine andere Präparationsweise veranlasst, dieses Muskehietz der Schleimhaut
als Muskelbüleg der Vene angenommen haben ? — An der gleichen Stelle bei
Pelromyzon vermisse ich muskulöse Elemente.
Muskelhaut. 323
mit quergestreiften Muskeln, den Ausläufern von verästelten
Zungenmuskeln ausgestattet sind. Ferner habe ich noch eine jüngst
gemachte Beobachtung anzureihen. Die Blätter Im Psalter {Omasus)
des Rindes, welche eigentlich feine Duplikaturen der Mucosa mit
Papillen sind, haben ebenfalls einzelne Züge glatter Muskeln in ihi-em
Innren , die für das freie Auge wulstartige Vorsprünge erzeugen und
sowohl nach der Länge der Blätter als auch bogenförmig ziehen.
§. 291.
Die Muskeln bilden ferner am Darm eine eigene, nach aussen Muskulatur.
von der Schlcindiaut gelegene, zumeist aus Längen und Ringfascrn '"""oine«'"
bestehende Schicht, die bald dünner, bald dicker, doch wohl dem ^om Mund
Tractus der meisten Wirbelthiere zukommt (bei Myxine und einigen
Wirbellosen fehlt sie nach meiner Beobachtung), sie ist z. B. bei Chi-
maera durchweg nur gering entwickelt, andererseits am Muskclmagen
der Vögel und Krokodile, auch bei vielen Fischen am Pförtnertheil
des Magens sehr mächtig ausgebildet. (Bei manchen Fischen ist be-
kanntlich die Muskulatur des Pylorus so dick, dass letzterer sich
gleich dem Vogelmagen als eine kugelige Masse abgrenzt. Am Mus-
kelmagen der Vögel und Krokodile gehen die Längs- und Cirkel-
fasern in eine an beiden Seiten gelegene Centralsehne über, eine
ähnliche Bildung fand Retzius auch am Magen von Süuriis glanis
und an mehren egyptischen Siluren, nur ist die gegenseitige Lage-
rung der Muskelschichtcn die umgekehrte von der bei den Vögeln
bekannten.) Anlangend die histologischen Eigenschaften, so ist die
den Eingang zum Nahrungsrohr umgebende Muskulatur, also jene
der Mund- und Rachenhöhl?) immer quergestreifter Natur.
Am Gaumen einiger Gräthenfische {Cyprinen, Cohitis, Acertna) verdickt
sich die Muskulatur zum sog. contraktilen Gaumenorgan. Man un-
terscheidet in letzterem die vielfach durch einander geflochtenen quer-
gestreiften Muskelbündel , zahli-eiche Nerven und gefässhaltiges Binde-
gewebe; bei manchen Cyprinoiden linden sich Fettzellen in reichlicher
Menge zwischen der Muskulatur. Davaine, der das Organ ebenfalls
und zwar vom Karpfen untersucht hat (Compt. rend. de la Societ. d. Bio-
log. LS50) sieht ausser den quergestreiften Muskeln auch glatte, was
mir nicht vorkam. Davaine hält das Gebilde für eine die Degluti-
tion erleichterndes Organ, welcher Ansieht ich beistimmen möchte,
da die Schleimhaut sich hier nicht anders verhält als in der übrigen
Rachenhöhle, auch die gewöhnhchcn Papillen mit den becherförmigen
Organen besitzt. Die früheren Beobachter hielten es für ein Ge-
schmackswerkzeug. (Nach Nardo existirt auch ein „Geschmacksorgan"
bei einigen Haifischen, Oxyrrhina (jompliodra, Älopias vulpes, Hqualus
glaucus in Form „einer wulstigen Erhebung der Gaumenhaut, welche
nicht mit der rauhen Schleimhaut bekleidet ist, sondern mit einer
weichen, zahlreiche Papillen enthaltenden und eine schleimige Flüssig-
keit durch viele Poren absondernden. Es besteht aus einer fibrös-vas-
21*
524 Vom Nahningskanal der Wirbelthiere.
culüroii, pulpösoii , weichen Masse, die ihre Nerven aus dem dritten
Ast des Trigeminus erhält." (F. Carus, Jahrb. d. Zoot. Ber. I.)
§. 292.
Mu.)>ciimnt Auch die Muskelhaut des Schlundes behält häufig die quer-
scMundes. gcstrcifte Beschaffenheit bei. So sehe ich bei vielen Säugethie-
ren, Maus, Kaninchen, Biber und Fledermaus {Vespertilio pipis-
trellus), dem Maulwurf, dem Manati u. a., die Muskulatur bis zur Cardia
quergestreift und dergleichen Bündel erstrecken sich beim Biber
v^eit über und in den oben beschriebenen Drüsenwulst hinein, bei
anderen Säugern besitzt (ähnlich wie beim Menschen) nur die obere
Hälfte des Schlundes quergestreifte Elemente , die untere glatte, was
nach E. H. Weher bei der Katze der Fall ist. — Bei den Fischen
scheint durchgängig die Muskelhaut des Schlundes quergestreifter Na-
tur zu sein, wie sich dies aus meinen Erfahrungen an zahlreichen
Selachierarten, sowie von Teleostiern an Karpfen und Barscharten,
Dentex vulgaris , Gobius niger, Hijjpocampus , Zeus faber ergiebt.
Bei Polypterus ist der quergestreifte Charakter der Schlundmuskeln
wenigstens andeutungsweise vertreten (vergl. Zeitschr. f. wiss. Z. 1854
S. 61). — Contrastirend mit den Säugern und Fischen ist die Mus-
kelhaut des Schlundes bei allen bis jetzt hierauf geprüften Vögeln
und Reptilien (die Aufzählung der letzteren s. in m. Fisch, u. Rept.
S. 41) glatt.
§. 293.
Mu-kpii.aui Fi^ii" die Muscularis des Magens und der Darmabtheilungen aller
vom Magen Wirbclthicrc (eingerechnet die mancherlei Blindsäcke, auch die Bursa
nnii Darm. . t.
Fabricii) sehen wir als Regel, dass die Elemente derselben glatt sind,
doch giebt es Uebergangsformen von der glatten zur genuin querge-
streiften Faser. Dies ist z. B. der Fall am Fieischmagen der Vögel , in
so fern die kontraktile Substanz der Fasern nicht rein homoa-en ist, son-
dern in quere Stückchen zerfällt, womit auch Hand in Hand geht
ein leicht gelblicher Anflug und für das freie Auge eine ziemlich leb-
haft rothe Färbung der ganzen Muskelhaut. Von derselben rothen
Farbe mag aucli der erste Magen der Krokodile im frischen Zustande
sein , da iiocli am Weingeistpräparate die Magenmuskuhitur unter dem
Mikroskop stark gelb aussieht. Bei einigen Fischen ist die Tunica
muscularis dos Darmes oder wenigstens vom Magen, aus echt quer-
gestreiften l^ilementen gebildet, Ixm'ui Schlammpeitzger {(■obitis
füssüis) nämlich erstrecken sich solche Muskeln in fjjings- und Ring-
schleht über den Magen und bei der Schleie {Tinea, c/iri/sifis) über den
ganzen Tractus. Doch folgt bei beiden Fischen unter der quergestreiften
Muskulatur noch eine glatte Lag«', die wahrscheinlich als eine sehr
entwickelte Muskelschicht der Schleimhaut anzusehen ist. — Am Ende
des Afterdai-mos treten sehr allgemein ({ii ergestreifte Spliinkteren
auf und bei den V(igeln ist die ganze Muskelhaut tler Kloake quer-
gestreift.
Seröse Hülle. 325
§. 294.
Die Tunka serosa des Nahrungsrohres und der ßcUiohhölile be- soiöneHaut.
steht aus Bindegewebe, das nicht selten, namentlich bei niederen Wir-
belthieren, mancherlei Pigmentirungen zeigt (bei Chimaera monsfrosa
z. B. ist die äussere Fläche des ganzen Verdauungskanales schwarz-
blau gefärbt, ähnlich der grösste Theil des Tractus von Poli/chrus
marmoratus, Chamaeleo pumihis , grün golden ist bei Raja hatis das
Bauchfell an der Rückenseite, durchweg tief schwarz bei Chondrostoma
nasus, Pristiurus, Lacerta agilis, Anguis fragüis, Corondla u. a. Im
Bindegewebe des Bauchfelles machen sich häufig elastische Fasern
in grösserer Menge bemerklich, ja sie können an gewissen Gegenden
einen Hauptbestandtheil des Bauchfelles und seiner Falten ausmachen
(so sehe ich bei Mustelus vulgaris sehr zahlreiche schöne und dicke
elastische Fasern in der Falte zwischen dem Magen und den aus imd
zu ihm führenden Gefässen, während andererseits in der Falte zwi-
schen Magen und Milz sie nur in spärlicher Zahl sich finden ; beim
Haushahn hat das Mesenterium des Darms ebenfalls ein dichtes, fein-
faseriges, elastisches Netz), üeber die freie Fläche weg geht ein ein-
faches Plattenepithel. Beim Frosch scheint das Epithel des Bauchfelles
streckenw^eise zu flimmern, so am Ueberzug der Bauchmuskeln (auch
am Mesoarium). Keine Wimperung am Mesenterium. Bei Selachiern
{Mustehis vulgaris) ist das Bauchfell der Bauchfläche dicker, als an den
seillichen Theilen. — Eine eigene Erscheinung ist, dass die Mesen-
terien verschiedener Wirbelthiere mit glatten Muskeln ausge-
stattet sind. Ich kenne sie bisher aus dem zarten von vielen grös-
seren und kleineren Lücken durchbrochenen Mesenterium des Gohius
niger , ferner verschiedener Selachier {Mustelus vulgaris, Squatina
angelus , ^cyllium etc.) , wo die bedeutenden , mit freiem Auge
sichtbaren Züge, von der Muscidaris des Magens und Darmes wegge-
hend, sich im Mesenterium netzförmig verbinden. Auch im Gekröse
der Mehrzahl der von mir untersuchten Reptilien sind zahlreiche Bün-
del glatter Muskeln vorhanden. Sie verlaufen im Allgemeinen in der
Richtung der zum Darm gehenden Blutgefässe, also strahlig von der
Anheftungslinie des Gekröses an der Wirbelsäule zum Darm, die
stärkeren und schwvächeren Bündel verbinden sich dabei netzartig und
können oft mit blossem Auge wahrgenommen werden. Die Amphi-
bien mit Muskeln im Gekröse sind tialamandra, Triton, Siredon, Te-
studo, Lacerta ^ Anguis, Leposternon, Psammosaurus (bei letztrem hat
sie Brücke in einer zur Leber gehenden Peritonealfalte beobachtet) *).
Ohne muskulöses Mesenterium sind der I^'otcus, Frösche und Kröten. —
Im Bauchfell und seinen verschiedenen Fortsetzungen sieht man bei
*) Auch bei Coluher natrix bemerke ich, dass das Anheftungsband der l.eber
von starken Netzen glatter Muskeln durchzogen ist.
326 Vom Nahrungskanal der Wirbelthiere.
Batrachiern gar nicht selten (nach Aufhellung durch Natronlauge z. B.)
schöne Theilungen von Nervenprimiti vfasern.
Das Netz der Säugethiere hat eine ähnliche zierlich gegitterte
Beschaffenheit wie beim Menschen, nur sind die Netze mitunter klein-
maschiger, beim Dachs z. B.
§. 295.
iuutgefä6„e. Die Blutgefässe des Nahrungsrohres anlangend, so ist die
Schleimhaut am reichlichsten damit versehen. Die zu ihr tretenden
kleinen Arterien lösen sich in ein Netz feiner Capillaren auf, welche, wie
überall , nur im Bereich des Bindegewebes sich haltend , die Drüsen
dicht umstricken und deren Mündungen ringförmig umgeben ; wo die
Schleimhaut sich in Papillen, Zotten und Fältcheir erhebt, steigen die
Blutgefässe mit auf und in jenen Papillen und Zotten, welche mit
sekundären Höckern versehen sind, biegen auch in diese die Cajaillar-
schlingen aus. Den grössten Gefässreichthum hat die Darmschleim-
haut von Cobitis fossilis] sie scheint eigentlich nur aus Blutcapillaren
und etwas homogener Bindesubstanz, als Träger derselben zu beste-
hen. Dieser Fisch schluckt bekanntlich in einem fort Luft und giebt sie
wieder durch den After von sich, nachdem er sie in Kohlensäure ver-
wandelt hat ; er athmet demnach mit seinem Darm atmosphärische Luft
und ohne Zweifel steht der Gefässreichthum der Darmschleimhaut
damit in Wechselbeziehung.
Die Gefässe der Muskelhaut bilden mit ihren Capillaren läng-
liche Maschen, und wie wenigstens Gerlach beobachtet hat, so herrscht
in der Anordnung der Capillarnetze bei glatter Muskulatur eine viel
grössere Regelmässigkeit als in der quergestreiften, indem jede Masche
ein ziemlich vollständiges Rechteck formt. — Die seröse Haut des
Traktus und das Bauchfell sind verhältnissmässig nur von sparsamen
Blutgefässen durchzogen.
§. 296.
Norveu. Was dlc Ncrvcn des Nahrungsrohres betrifft, so ist besonders
darauf hinzuweisen, dass in der Mundhöhle zahlreiche Papillen mit
Nerven versehen sind und es selbst zur Entwicklung von Taster-
ganen kommt, in welcher Beziehung ich an die Pacini' sahen Kör-
per in den Schnabelpapillcn der Vögel, wie in den Zungenpapillen des
Elephanten erinnere, in der Mundschleimhaut iles letzteren beobachtete
lerner de Filippi eigenthümliche gestielte Blasen, die er fragweise
den Pact'w «"sehen Körperchen vergleicht, auch die von Gerber aus
der Lippenschleimhaut des Pferdes beschriebenen Nervenglomeruli
müssen unter diesen Gesichtspunkt gestellt werden, ebenso die becher-
förmigen Organe auf den Papillen der Rachcnschleimhaut vieler Fische
(s. oben). Anders verhalten sich die Schleimhäute vom Schlünde,
Magen und Darm. Obschon hier, wie oben aus einander gesetzt
wurde, zahlreiche Erhebungen derselben unter der Form von Zotten,
Falten und Blättern sich finden , so erblickt man darin wohl sehr con-
Nerven. 327
stant Blutgefässe und Ljonphrilume, auch wohl (s. oben) Muskelzüge,
aber nie Nerven, ich vermisste sie bis jetzt Avenigstens immer, so
oft ich auch an Darmzotten , Papillen im Magen der Wiederkäuer etc.
meine Aufmerksamkeit darauf richtete. Von jeher ist auch die ge-
ringe Empfindlichkeit der tiefer gelegenen Schleimhaut des Nahrungs-
rohres bekannt gewesen, was offenbar damit zusammenhängt. Die
Nerven , Avelche den Darmkanal versorgen , haben zahlreiche blasse
oder Remak's,c\\Q Fasern unter ihren dunkelrandigen , ja bei der
Ratte, wo ich grosse Strecken des Mesenteriums auf die zum Darm
gehenden Nerven prüfte, sah ich nur Remah^&cha Bündel. Beim
Haushahn, w^o die Nerven des Gekröses aus dunkel- und blassrandi-
gen Fasern bestehen, sieht man bis nahe an den Darm heran im Ver-
lauf der Nerven kleine Ganglien, (manche Autoren sprechen irrthüm-
lich von einem „ganglienlosen Plexus coeliacus^ der Vögel) auch an den
Nerven des Mesenteriums vom Landsalamander, vom Kaulbarsch, habe
ich zahlreiche Ganglienkugeln wahrgenommen. Im Mesenterium der
Katze enden viele Nervenfasern als Pacini&che Körperchen.
Die grossen für das freie Auge auffallenden Papillen der (äusseren) und
Schleim-Haut der Amphibien und Säuger sind wohl constant noch mit mikrosko-
pisch kleinen Papillen besetzt, nicht so die grossen Papillen in der Mund- und
EachenhÖhle der Vögel, die mir auch unter dem Mikroskop nach Abnahme des
starken Epithels einfache Conturen darbieten.
Gleichwie die verschiedenen Blindsäcke am eigentlichen Darm die histo-
logische Schichtung des Darmes wiederholen , so ist das auch mit den am Mund-
darm befindlichen Aussackungen der Fall. Die Backentaschen des Hamsters
z. B. sehe ich zusammengesetzt aus einer äusseren quergestreiften Muskelhaut (auch
an Arctomys citiUus ist diese Muskellage deutlich) und der Schleimhaut , welch'
letztere hier ohne Drüsen zu sein scheint, sich aber in Fältchen erhebt und deren
zelliger Ueberzug die gewöhnlichen Epithelplättchen der Mundhöhle sind. Ebenso
besteht der Kehlsack der Trappe {Ötis tarda) aus einer Muskelhaut, deren
Elemente die Form von schmalen glatten Fasern haben, und einer Schleimhaut, die
fast nur aus elastischen , netzförmig geflochtenen Fasern gewebt ist und sich hin
und wieder zu seichten Drüsensäckchen einsenkt. (Ob nicht auch an dem so
höchst dehnbaren Kehlsack des Pelikans die Schleimhaut ebenfalls elastisches Ge-
webe zur Hauptgrundlage hat?)
Der sog. Toll wurm {Lyssa) in der Zunge mehrer Fleischfresser (Hund,
Katze, Bär, nach Budolphi auch beim Coati, Känguruh, Eichhörnchen und Hyäne,
nach G. Carus auch beim Maulwurf) besteht aus einem dichten Fettgewebe, welches
in einer festen fibrösen Scheide eingeschlossen ist und wird an seinem oberen Um-
fang überdeckt von quergestreiften Muskelfasern, die gegen den Zungenrücken quer
verlaufen. A'ergl. Virchovj in s. Archiv Bd. VII., wo auch die verschiedenen
Angaben über dieses 'Gebilde sehr vollständig zusammengetragen sind.
Die Cartilago entoglossa erscheint bei jungen Tauben, beim Auerhahn
fast als reiner Zellenknorpel, mit einem Minimum von Grundsubstanz zwischen den
Zellen; bei der jungen Gans überwiegen die Kuorpelzellen keineswegs die Grund-
substanz, auch sieht man hier im Knorpel zahlreiche Gefässkanäle.
Bei Noctilio unter den Chiropteren und mehren AflTen {Stenops, Eapale,
Mycetes, Cebus, Callithrix u. a. finden sich bekanntlich Unterzungen. Ich habe
diese Bildung von Cebus capucinus untersucht und sehe, dass sie eigentlich eine
328 Vom Nahrungskanal der Wirbelthiere.
Schleimhautfalte der Mucosa vorstellt, denn die Unterzunge ist nicht der Haupt-
masse nach muskulös, sondern besteht aus einem dei-ben, festen Bindegewebe, in
das sich vielleicht nur von der Basis her einige spärliche Längsmuskelstreifen zu
verlieren scheinen. Die freie Fläche erhebt sich in lange schmale Papillen, deren
Epidermis namentlich in den unteren Lagen stark braun pigmentirt ist.
Bei manchen Fischen {Sargus z. B.) finde ich , dass eine schmelzähnliche,
gelbe Schicht, vor dem aus dicht aneinander liegenden Zahnkanälchen bestehenden
Zahnbein, den zugeschärften Rand des Zahnes bildet. Auch bei Batrachiern (Frosch,
Salamander, Proteus) erscheint die Sj^itze der Zähne von etwas anderem Aussehen
und Farbe wie das übrige Zahnbein; sie ist gelblich, mehr homogen und setzt
sich wie eine besondere Kuppe ab. Steht diese Bildung vielleicht mit „einer Art
Schmelzorgan", welche nach Oioen beim Frosch und Krokodil vorhanden wäre,
in Beziehung ? — Die Zähne unserer einheimischen Saurier, z. B. Angins fragüis,
haben nichts von einem Schmelzorgan, man sieht leicht, dass sie freistehende ver-
kalkte Papillen sind, in ihrer Jugend von dem Epithel der Mundhöhle überzogen,
das nach und nach zu Verluste geht. Beim Landsalamander erhebt sich hinter den
Kieferzähnen die Schleimhaut, ähnlich wie bei den Haien , in zahlreiche Papillen,
die zuweilen ebenfalls zu Zähnen verkalken. — An den Zähnen des Myliobates unter-
scheidet Harless wirklichen Schmelz und führt seine Entwicklung auf verkalkende
Epithelplättchen zurück. Es ist mir nicht wahrscheinlich, dass 3Iyliohates von den
andern Rochen eine Ausnahme machen wird, an deren Zähnen zwar die periphe-
rische Schicht eine etwas andere Lichtbrechung hat, im Ganzen aber nicht wesent-
lich in ihrem Bau vom übrigen Zahnbein abweicht. — Ueber Einzelheiten im Zahn-
bau, z. B. wie im Zahnbein die Röhrchen nach ihrer Dünne, Dicke oder sonstigen
Form (mit varikösen Erweiterungen beim Dugong), Menge ihrer Zweige u. s. w.
sich verhalten; ferner hinsichtlich der sog. Kornsubstanz, Pondigue nach Cuvier,
in der Dentine der Säuger; dann über die Dünne und Dicke der Emailsäulen bei
verschiedenen Säugethieren , über das Wechselnde in der Dicke der Cementlage
(beim Hund z. B. nur eine dünne Schicht bildend , beim Delphin sehr bedeutend
dick, beim Physeter fast ebenso mächtig wie das Zahnbein) vergleiche man die be-
kannten Abhandlungen von Erdl, Peizius, Tomes, sowie als Hauptwerk die
Schrift von Oioen und endlich die jüngst erschienene Arbeit \on Hannover : Ent-
wicklung u. Bau des Säugethierzahnes in den Verhandl. d. k. Leop. Akad. 1856.
Das .„hornige Epithel" im Muskelmagen der Vögel hat auch Molin
(Studi anatomico morphol. sugli stomachi degli uccelli , Denkschr. d. Wien. Acad.
1850) untersucht. Nach ihm besteht es aus einer Menge von Hornfäden , welche,
einzeln oder in Grupj^en vereinigt, aus Schläuchen, wclclic sich in der Matrix be-
finden , herauswachsen und deren Zwischenräume durch eine aus sehr kleinen
Zellen bestehende Substanz ausgel'üllt sind, so dass man sich das Ganze unter der
Form einer Bürste vorstellen kann, deren Borsten durch eine feste Zwischensubstanz
mit einander verklebt sind. Bei einer jungen Strix passerina , welche ich noch
jüngst vor mir hatte, war die „Hornschicht" des Muskelmagens bedeutend weich
vmd obschon ziemlich viele Zellen aus den unterliegenden Drüsen in sie mit auf-
genommen waren, so bestand sie doch der Hauptmasse nach aus einem homogenen
Sekrete. — Bei Procellaria glacialis thcilt sich die starke „Magenbewaifnung" in
einzelne „Hornzähne" ab ((?. Carus).
Die Poren der Cuticula der Darmschleimhaut wurden von Funke am Kanin-
chen entdeckt und darauf von Kollilcer an verschiedenen Wirbelthieren bestätigt.
In dem Mesogastrium und auch auf der Aussenfläche des Magens der Frösche,
dann im Mesometrium der-Kaninchen, ferner als Anhänge der Läppchen der Thymus
der Katze finden sich mitunter sog. .„Wimp erb! äsen ", bestehend aus einer binde-
gewebigen Schicht und aus einem Flimmcrepithcl. EeinaJc, durch den wir zuerst
Vom Nahi-ungskanal der Wirbellosen. 329
auf diese Bildungen aufmerksam gemacht wurden, hat ermittelt, dass dergleichen
Wimperblasen auf Abschnürungen der Schleimhaut zurückgeführt werden müssen.
Bei Batrachiern {Rana, Biifo, Felobates, Salamandra) trifft man aussen am
Magen oder, was gewöhnlicher ist, im Mesenterium, selbst im Fettkörper, abge-
brochene Insektenhaare, die von Bindegewebe eingekapselt sind; ebenso sah ich
bei einer Cei^ola Skeletstücke von Krustenthieren , welche nach Durchbohrung der
Magenwand an der Aussenfläche encystirt waren.
Darm der
Seclisiindzwanzigster Abschnitt.
Vom Nahrungskanal der Wirbellosen.
§. 297.
Ueber die feinere Zusammensetzung des gallertig-körnigen Lei-
bes vieler niederer Thierformen, sind bis jetzt unsere Kenntnisse so ^"f'"'^;'^"
' J und Hydren.
wenig auslangend j dass sich auch rücksichtlich des Darmkanales vom
histologischen Standpunkt aus kaum etwas gehöriges sagen lässt. Bei
jenen Infusorien, wo eine Mundöffnung in's Innere leitet, mangelt
doch ein von der Körpersubstanz geschiedener Darm; der Raum, den
die Bissen beim Niedersteigen durchmessen, ist eine Aushöhlung in
der Leibessubstanz, man' könnte sagen, eine kanalartige Lücke, und
da man beobachtet hat (v. Frantztus, Schmidt, Lachmann bei
Ophriclium versatilis, Paramaecium ^ den Vorticellinen u. a.), wie die
Nahrungsballen beständig in derselben Richtung hinabgehen, so darf
man schliessen, dass die kanalartige Lücke, welche den Darm reprä-
sentirt, von einer bestimmten bleibenden Form ist; die Grenzschicht
der Leibessubstanz, welche den Darmrauni bildet, ist nicht so scharf,
dass sie als abgesetzte Linie sich bemerkbar macht; nur wie Li eh er-
kühn und Lachmann gefunden haben, bei Trachel'ms ovum ist die
Wand der Verdauungshöhle vom Körperparenchym geschieden, indem
wirklich der von Ehrenherg beschriebene baumartig verzweigte Ka-
nal im Innern den Darmkanal vorstellt. Bei anderen Infusorien ist
der Eingang, sowie der Ausgang der Darmhöhle öfter schärfer con-
turirt, indem sich eine homogene Grenzhaut nachweisen lässt, die mit
der Cuticula der Körperoberfläche in Continuität steht, oder wie man
sich gewöhnlicher ausdrückt: ein unten offener Oesophagus hängt in die
grosse Verdauungshöhle hinein. In manchen Fällen verdickt sich auch
dieses Grenzhäutchen {Cuticula) des Mundes zu haarähnlichen Bil-
dungen (der fischreusenähnliche Cylinder in der Mundhöhle von Pro-
rodon, Nassula, Amphilejdus anser). — Selbst noch bei Geschöpfen,
wie z. B. den Süsswasserp olypen, deren Körpersubstanz eine
deutliehe Differenzirung in Zellen zeigt, fehlt ein Magen oder Darm-
kanal, denn was man so nennt, erscheint auch hier nur als innere
Höhlung des Thieres ohne besondere Wand, sondern überall einzig
und allein begrenzt von den gleichen contractilen Zellen, welche
den Polypenleib zusammensetzen.
330
Vom
:~\anal der Wirbellosen.
Zusammen-
setzung des
NahrungH-
rohres im
Allgemeineu
§. 298.
Ein morphologisch selbständiger Nahrungskanal scheint erst da
aufzutreten, wo das Zellenmatcrial, aus welchem der Körper hervor-
, geht, sich in Gewebe fortgebildet hat, denn zum Aufbau dieses Or-
ganes sind, wie bei den Wirbelthieren , bindegewebige Häute
und Zellenschichten nothwendig, sehr allgemein auch Muskeln.
Der Grundplan nun, den wir in der histologischen Construktion des
Traktus der Würmer, Strahlthiere, Mollusken und Arthropoden befolgt
sehen , ist so : Bindesubstanz giebt das eigentliche Gerüste und liefert
unter der Form einer homogenen starken Membran die sog. Timica
propria des 'Nahrungsrohrs , nach innen von ihr lagert das Darmepi-
thel und nach aussen schlägt sich um sie die Muscularis. Da aber
häufig die Bindesubstanz von der Tunica propria sich zwischen
den contraktilen Elementen nach aussen durchzieht, so kann sie auf
der äusseren Fläche des Darmes, demnach jenseits der Muskelhaut,
abermals eine, wenn auch zartere, membranöse Hülle bilden. Auf
solche Art gewinnt der Darmkanal der Wirbellosen eine mit dem der
Wirbelthiere analoge Zusammensetzung, denn die Tunica propria
sammt ihrer Zellenschicht hat ihr Gegenüber in dem Bindegewehs-
stratum und Epithel der Mucosa der Wirbelthiere, die Muskelhaut
entspricht in gleicher Linie der Muscularis ^ und im Falle die Binde-
substanz noch einmal an der Aussenseite der Muskelhaut sich mem-
branartig gestaltet, liegt das Acquivalent der Serosa vor.
Fiff. 176.
OL-
Die ein zu In en Hiliite dos Darmes vom Flusskrebs.
a die Cuticula (Intima des Darmes) mit zelliger Zeichnung, b die Epithelzellen,
c die binilegewebige Tunica propria, d die Längen- und Eingmuskeln,
c die Serosa.
§. 299.
zeiieuhirio Fassen wir nun wieder die Modificationcn in's Auge, welche
Schlund der dlc cinzcluen Schichten des Nahrungsrohrcs erfahren können! Zuvör-
Anhrop.dcn. jgj,g^ vcrdicut Erwäluiung , dass die Epithelzellen im Oesophagus der
Arthropoden*) vielleicht durchweg mangeln (ich vermisste sie bei
*) Gelegentlich sei bemerkt, dass die den Saugrüssel bildenden und ver-
längerten Maxillen der Schmetterlinge mir keineswegs in dem Sinne hohl und den
Darmflimmerung. 331
Phyllopoden, Schmar ozerkrebsen, locodes , den Rotatorien
u. a.) und dieser Abschnitt des Tractus dann lediglich aus einer inne-
ren homogenen Chitinhaut und der Muscularis besteht. Nach Hein-
rich Meckel fehlen die Zellen auch im Saugmagen der Hymenop-
teren und Dipteren, im Kaumagen des Krebses (wo ich sie indes-
sen erkenne) und vieler Insekten, ebenso im Mastdarme der letzteren.
Dass in dem zum Spinnorgan umgewandelten Mastdarme der Myrme-
leonlarve die Zellenlage ebenfoUs vollständig mangelt, wie ich ange-
zeigt {Müll. Arch. 1855, S. 450) gehört nicht minder hieher.
§. 300.
Das Epithel des Verdauungskanales, welches, wie oben darge-
legt wurde, nur bei äusserst wenigen Wirbelthieren flimmert, trägt
bei Wirbellosen nicht selten Ci-lien, so bei Acalephen , vie-
len Würmern, Echinodermcn und Mollusken. Die Arthropoden (Krebse,
Insekten und Spinnen) entbehren im ganzen Körper und also auch
im Tractus der Flimmerung, und nur die Rotatorien, welche eine
ausgesprochene Magen- und Darrawimperung besitzen , würden eine
Ausnahme machen, wenn man der Ansicht von Burmeisterj Dana
und mir nicht abhold ist, sie den Krustenthieren beizugesellen. —
Die Wimperung kann die ganze Innenfläche des Verdauungsrohres
überziehen, was z. B. in den Muscheln: Cyclas, Najaden u. a.
der Fall ist, oder, und dies dürfte gewöhnlicher sein, die Bewimperung
erscheint durch Strecken cilienloser Zellen unterbrochen: Paludina
vivipara z. B. hat im ganzen Schlünde Wimpern, im Magen gros-
sentheils, mit Ausnahme einer scharf begrenzten Stelle, der Anfangs-
theil des Darmes wimpert wieder, der Enddarm ist cilienlos ; bei flya-
laea ist die Flimmerung im Magen durch die dort sich findenden
festen Platten unterbrochen; heiHelix hortensis wimpert das Epi-
thel des Schlundes nur in bestimmten Längsstrichen, Magen und Darm
scheinen gar nicht zu flimmern. Umgekehrt ist der Schlund bei Echi-
nus esculentus ohne Cilien, während Mundhöhle, Magen und Darm
damit versehen sind. Bei Cephalopoden wimpert der Darm, nicht
der Magen und Schlund. Ohne diese Beispiele zu vermehren, sei
blos darauf hingewiesen, dass in manchen Fällen der grösste Theil
der Innenfläche des Traktus cilienlos werden kann und nur auf klei-
nem beschränkten Räume das Epithel in Flimmerhärchen ausgeht.
So sehe ich beiPlanaria gonocephala lediglich das Schlingorgan,
bei Clepsine nur den Mastdarm flimmern, bei Nephelis wimpert
eine ganz kurze Strecke der Anfangstheil des Darms, unmittelbar
Darm-
flimmeruns.
Saugkanal zu erzengen scheinen, wie Treriranus will, denn bei SiMnx pinastri
sehe ich deutlich , dass in den langen quergeriefelten Blättern der Lingua spiralis
ein starker Nerv bis zur Spitze verläuft, ebenso Tracheen und quergestreifte Mus-
keln. Der Saiigkanal entsteht durch das Aneinanderlegen der beiden modifizirten
Unterkiefer,
332
Vom Nahrungskaiial der Wirbellosen.
hinter dem Sphincter der Magen und Darm trennt, bei Piscicola
die Stelle, welche sich vor dem letzten Blindsackpaar befindet.
§. 301.
Auch in ihren übrigen Eigenschaften, in Grösse, Form, In-
halt, bieten die Zellen des Darmepithels mannichfache Verschieden-
heiten bei einzelnen Gruppen der Wirbellosen dar. Man beobachtet
von kleinen rundlichen Bläschen bis zu enorm langen cylindrischen
Zellen , wie sie sich im Darm unsrer Gasteropoden [Paludiva , Liniax
u. a.) finden, alle Zwischenformen. Ungemein gross werden auch die
Zellen in dem Darm vieler Insekten und mancher Krebse (z. B. Onis-
cus, Porcellio , wo den Zellen auch eigenthüralich ist, dass unterhalb
der Membran eine dicke, granuläre Zone sich bemerkbar macht,
welche radiär streifig erscheint), die ungewöhnlich grossen Zellen
im Enddarme von der Raupe der Sphinx Euphorhiae zeigen verästelte
Kerne. Der Inhalt der Zellen ist bald eine helle (Substanz, bald blass-
körnig, bald sind es gefärbte Körner (gelbbraun z. B. bei Echinus
escidentus , röthlich bei Hynapta diyitata) oder es füllen auch Fett-
tröpfchen die Zelle aus.
Fig. 177.
*'uticula oder
liilima des
Nahninys-
rulires.
Vom Darm des Oniscus.
a die Ciiticula, b die grossen eigenthümlichen Epitlielzellen des Darmes,
c die Muscularis, d die Serosa.
Aehnlich, wie bei den Wirbelthieren das Darmepithel nach seinem
Inhalt aus zweierlei Zellen zusanmiengesetzt wird , besteht auch die
zelh'ge Auskleidung des Darmrohres bei Mollusken aus verschiedenen
Zellen, indem die einen von mehr hellem Habitus sind, während sich
die anderen durch eine dichte Anflilhmg iVires freien Endes mit körniger
Masse auszeichnen.
§. 302.
Im Traktus vieler Wirbellosen kommt es wieder zu sehr aus-
geprägten Cu ticMi l;i rbi Id ungcu , und mit diesem Gegenstande haben
wir Ulis etwas näher abzugeben, ScIkih im Darme der Wirbelthicre
entsteht, wie oben vorgehi'acbt
wiu'de, (hiich die
Verdickujii»- der freien
Zelh'nenden und dci-en regelmässige Aneinanderreihung v\\\ heller
homogener 8aum als Grenzschicht des Epithels, welche]- die iiodcutung
einer Cuticula hat und von feinen Poreid<anälen durchsetzt wird.
Noch weit aufiäl liger und mannichfahigei" wird diese Bildung in der
ileihe vieler Wirbellosen. Bei manchen Mollusken, im Magen und
Cuticnla.
333
Darm von Helix hortensis z. B., ist zwar eine glashelle, dicke Schicht,
eine Cuticula vorhanden, welche durch die aneinander liegenden ver-
dickten Zellenendcn erzeugt wird, allein sie ist noch so weich, dass
nach Einwirkung von Reagentien diese Cuticula die selbständige Exi-
stenz, welche sie vorgespiegelt hat, verliert, indem beim Aufblähen der
Zellen jede ihr verdicktes Ende für sich behält.
Fig. 178.
et
-h
cC
Durchschnitt durch die Darmwand von Helix hortensis.
a Cilien, b Cuticularsaum, c die Epithelzellen, d die beiden Muskelschichten
(sollten etwas breiter gezeichnet sein) , e der seröse Ueberzug mit Binde-
substanzzellen.
An anderen Orten und Arten hingegen gewinnt die Cuticular-
schicht eine solche Festigkeit, dass man sie wie an der äusseren
Haut als ein homogenes Häutchen zu isoliren vermag. Im Magen von
Paludina vivipara z. B. hat sich an bestimmter Stelle (vergl. Ztschr.
f. wiss. Z. Bd. n. S. 162) die Cuticula zu einer -Membran von knorpel-
ähnlicher Consistenz verdickt, die sich an Exemplaren , welche in
heissem Wasser getödtet wurden , als continuirliche Haut mit der
Pinzette abheben lässt. Die Cuticula verdickt sich ferner lokal zu
den Zungenplatten und Ki ef er t heilen der Schnecken, Tinten-
fische und Würmer (Zähne der Egel, Kauapparat der Kiemenwürmer)
zu den Magenzähnen der Äplysia und den Hörn platten im Magen
anderer Mollusken. Auch den s. g. Kry stallstiel im Magen der
Najaden und von Cyclas zähle ich zu den Cuticularbildungen.
§• 303.
Wendet man die Aufmerksamkeit auf den Bau solcher ver-
dickter Cutlcularschichten, so erfährt man immer, dass die
Hauptsubstanz eine homogene und, weil geschichtet, streifige Materie
ist; die Magenzähne der Aplysia^ welche die Farbe und Consistenz
des Hyalinknorpels haben , zeigen mir . diese Beschafi"enheit nicht
minder, wie der Krystallstiel von Anodonta und Cyclas oder wie die
mit Kalilauge behandelten Kiefer von Helix pomatia. Heftet man
den Bhck auf die untere Fläche dieser Cuticularprodukte , da wo sie
den Zellen unmittelbar aufsassen, so hat man eine mosaikartige Zeich-
nung, wie von einem Epithel herrührend, zur Ansicht, allein man
muss dieses Bild , wie ich schon in meiner Arbeit über Paludina
Bei
Mollusken.
that (a: a. 0. S.
163^
damit erklären, dass die polygonalen Enden
334 Vom Nahrungskanal der Wirbellosen,
der die Outlcula abscheidenden Zellen sich in der homogenen Masse
in Abdrücken erhalten. Auch kann man in den unteren Schichten,
z. B. der Kiefer der Schnecken, einzelnen wirklichen Zellen, da und
dort eingestreut, begegnen , ähnlich, wie man in der schwielig ver-
dickten Cuticula des Muskelmagens der Vögel zwischen der homogen-
geschichteten Substanz auf einzelne Zellen stösst; sie scheinen mir
indessen keinen wesentlichen Bestandtheil zu bilden, sondern mehr,
wenn man sich so ausdrücken darf, zufällig mit hineingerathen zu
sein. — Die Härte der Cuticularbildungen wird auch bei den Mollusken
durch Chitin isirung der Substanz erzeugt (Kiefer der Schnecken
und Cephalopoden z. ß.) und in noch höherem Grade selbst durch
Imprägnirung mit Kalk, wovon die Magenplatten der Bullaea
ein Beispiel abgeben. (Verschiedene Autoren nennen irrthümlich die
Magenskelete der Bullaeen „hornig", G. Garus jedoch bezeichnete
sie bereits von Bullaea lignaria in den Erläuterungst. z. vergl. Anat.
mit dem Namen „Kalkschale des Magens." Nach Hancock wären
bei den Eolidien die Zungenzähne durch Kieseltheilchen erhärtet,
was auch bei Buccmuni und andern der Fall sein soll.)
Fig. 179. •
Bei
Artliropodon,
__£•
Durchschnitt aus einer Magenabtheilung von Paludina vivipara.
a dicke Cuticularbildung, b Cylinderzellen, c Tunica propria des Magens, die
Bindesubstaniizellen derselben sind mit Kalkkugeln gefüllt, d die beiden
Muskelschichten , e die Serosa , auch hier die Bindesubstanzzelleu zum
Theil kalkhaltig.
§. 304.
Bei Krebsen, Spinnen, Insekten ist die Cuticula des Traktus,
gewisserraaassen in Ucbereinstimniung mit dem entwickelten Zustande
derselben auf der äusseren Haut noch allgemeiner als ein selbständiges
Gebilde vorhanden, das namentlich im Schlünde (auch bei Hirudineen
hier sehr deutlich) und Mastdarm als eine ziendich dicke Plaut gesehen
wird, dann auch vorzüglich im Kaumagen der Insekten und Krebse
zu mancherlei zahnartigen Vorsprüngen und haarförmigcn
Verlängerungen sich umgestaltet. Obschon auch hier die Cuticula
und ihre Verdickungen aus liomogener, geschichteter Substanz be-
stehen, welche durch den Chitinisiningsprozess eine verschiedene Här-
tung erfahren haben, so trifft man doch abermals auch mitunter sehr
Cuticula. 335
zierliche Zeichnungen und Skulpturen, die für den ersten Blick den
Glauben an eine zellige Zusammensetzung aufkommen lassen und
auch einige Forscher getäusclit haben. Beim Flusskrebs z. B., wo die
Cuticula an Exemplaren , die einen Tag lang in Cliromsäure gelegt
wurden, als ein vollständiger Schlauch aus dem Darm herausfällt, hat
diese homogene Intima grössere Felder und innerhalb dieser wieder
kleinere, die mit feinen Höckern besetzt sind. Und doch sind letztere
trotz aller Aehnlichkeit. keine Zellen, sondern nur der Abdruck der
darunter gelegenen Zellen. {R. Mechel hielt die Intima des Krebses
nicht für strukturlos, sondern sie bestehe, wie „die hornige Epidermis"
aus zackig ineinander greifenden Zellen.) Ln Proventrikel von Pro-
crustes coriaceus sieht man wabige Bildungen, in deren Grund wieder
feinere, sternförmig gestellte Faltenzüge erblickt werden. Aehnhches
zeigt sich im Kropf von Locusta viridissima.
Fig. 180.
Ein Stück Cuticula aus dem Kröpfe von Locusta viridissima, um die
den Knochenkörpern ähnlichen Skulpturen zu zeigen.
Man ist anfänglich überrascht von der Uebereinstimmung der
Bilder mit Knochenkörperchen oder Bindegewebskörperchen, und doch
sind es nur, wovon nähere Besichtigung überzeugt, Faltenbildungen.
Im Darm erheben sich die Leisten der Intima zu regelmässigen,
polygonal sich begrenzenden Alveolen. So halte ich auch die „Zellen"
und die „den einzehien Zellen aufsitzenden Stacheln", welche Kar-
sten in Müll. Arch. 1848. Taf. X. Fig. 9 von Brachinus abbildet,
bloss für Skulpturen der homogenen Cuticula , nicht minder die
„Drüsenhaut" Fig. 10 aus dem Magen, und die den Knochenkörpern ähn-
liche Darstellung auf Fig. 8.
§. 305.
Es scheint, als ob bei etwelcher Dicke der homogenen Intima Porenkanäi«
' _ ° der Cuticula.
des Darmes auch in ihr Po renk anale wiederkehren können. Ich
beobachte wenigstens im Magen der Raupe von Noctua aceris eine
Fig. 181.
l
Aus dem Darm der Raupe von Noctua aceris.
a die mit Porenkanälen durclisetzte Cuticula, b die Epithelzellen.
336 Vom Nahruugskanal der Wirbellosen.
verhältnissmässig starke Cuticulaj welche in sehr klarer Art von dicht-
stehenden, senkrechten Strichen durchbohrt ist und auf mich den Ein-
druck von Porenkanälen machten ; bei längerem Verweilen im Wasser
quoll die Intima auf und die Kanäle wurden dadurch weiter.
§. 306.
Verkalkte Wie bcl verscliiedencn Krebsen das Chitingewebe des Haut-
gebude. panzers durch Verkalkung sich erhärtet, so wird nicht minder die
grössere Härte der Magenzähne im Kaumagen, z. B. von Oniscus,
Porcellio, durch Aufnahme von Kalk in die Cuticularsubstanz zu Wege
gebracht.*) (In die Zähnchen der Mundfalten von Haemopis habe ich
nach früheren Aufzeichnungen gleichfalls anorganische Kügelchen ein-
gelagert gesehen.)
Da eben von Zahngebildcn die Rede ist , so mag eingeflochten
sein, dass das KaugerUst des Echinus , dann der bei ^ynapta den
Schlund umgebende Knochenring, wie die verkalkte Lederhaut der
Echinodermen aus organischer Grundlage und Conglomeraten von Kalk-
stückchen zusammengesetzt werden, die eigentlichen Zähne indessen
von Echinus^ welche auch schon in Form und Aussehen an die Zähne
höherer Thiere erinnern, werden nach H. Meyer [Müll. Arch. 1849.
S. 195) aus Schmelzfasern gebildet, welche in drei Ordnungen zu-
sammengelagert sind.
§. 307.
Darmdruscu. Naclidcm Im Vorhergegangenen gezeigt wurde, dass die Tunica
propria des Darmes in Geraeinschaft mit dem darüber ausgebreiteten
Zellenbeleg (\.qt Mucosa der Wirbelthiere gleichzusetzen ist, so muss jetzt
zur Sprache kommen, ob auch bei Wirbellosen durch Einstülpung der
beiden Schichten Darmdrüsen entstehen. Die Beantwortung dieser
Frage hängt von der subjektiven Auffassung ab. Es faltet sich näm-
lich bei den verschiedensten Mollusken, Annulaten, Echino-
dermen etc. die Innenfläche des Darmes oft eben so dicht und zier-
lich, wie im Darm der Amphibien und Fische, und ich möchte wohl
diesen grösseren Crypten oder Vertiefungen zwischen den netzartigen
Falten den Namen Drüsen beilegen; wer aber nur den ganz feinen
Einsenkungen der Schleindiaut die ßezeiclmung von Drüsen zugestehen
will, der wird den meisten Wirbellosen die Darmdrüsen absprechen
*) Auch die sog. Krebssteine möclite ich in die Reihe der verdickten und
verkalkten Cuticularbildungen rücken. Untersucht man nämlich die ersten scheiben-
förmigen Anfänge derselben, welche zwischen der Zellcnlage und der Intima des
Magens auftreten , so sieht man deutlich , dass sie nicht einfach aus abgelagertem
Kalk entstehen, sondern der Abscbeidung des Kalkes geht eine Abscheidung ho-
mogener organischer Lagen, d. h. Verdickung der Cuticula voraus, welche sich
an dem Rande des isolirtcn scheibenförmigen Krebssteines als ein Saum bemerk-
lich macht, dessen Eigenscliaften mit denen der Cuticula übereinstimmen. Durch
die liier angenommene Entstehungsweise ist es denn weiter bedingt, dass die noch
dünnen Krebssteine, namentlich an den dünnen Rändern von zahlreichen Poren-
kanälen durchsetzt sind, die wohl auch an ausgebildeten nicht fehlen werden.
Darmdrüsen. 337
müssen. Bei den Cephalopod en sollen schlauchförmige Drüsen
im Dcirm zugegen sein ; bei Piscicola kommen im Darm eigenthüm-
liche grosse Zellen vor, zu mehren von einer gemeinschaftlichen
Kapsel umgeben, die vielleicht ebenfalls drüsiger Natur sind. In die
Kategorie der Drüsen können auch die zahlreichen, kurzen und dünnen
zottenartigen Hervorragungen aufgenommen werden, die am Magen
vieler Insekten sichtbar sind. Wie bereits Bergmann und Leuchart
ricTitig bemerken, sind sie keine Ausstülpungen des gesammten Darm-
rohres, indem ihnen die Muskellage fehlt und sie nur aus der binde-
gewebigen Tunica propria und den Sekretionszellen bestehen ; auch
H. Mekel beschreibt so die halbkugeligen Recessus am Magen der
Musca vomitoria und die Blinddärmchen am Magen der Larven von
pflanzenfressenden Käfern , jedoch muss ich beifügen , dass bei
Staphylinus maxillosus ^ wo die meisten der Blindsäckchen die eben
gemeldete Struktur haben , doch einige noch mit deutlichen quer-
gestreiften Längen- und Ringmuskeln überzogen werden, also Aus-
stülpungen der vollständigen Darmwand darstellten , was natürlich
ihrer Bedeutung als Drüsen nicht den mindesten Eintrag thun
kann. H. Mekel fand auch die Blindsäcke hinter dem Kaumagen
der Orthopteren innen mit parallelen Falten besetzt und dazwischen
nach aussen gehende Blindsäckchen , die er den Lieberkühn'schen
Drüsen vergleicht. — Was den „merkwürdigen Abschnitt des Chylus-
magens" bei Pentatoma betrifft, in den „vier Reihen eng mit einander
verbundener Drüsenreihen einmünden" (v. Siebold) , so kann man
diese Bildung dem gekammerten Endtheil des Ductus deferens von
Chimaera z. B. vergleichen. Auffallend war mir , in den Kammern
einer lebenden solchen Wanze dichte Massen von vibrionenartigen,
sich bewegenden Wesen zu erblicken , was bekanntlich auch vom
Magen einiger Säuger beobachtet wurde. Den mancherlei grösseren
blindsackigen Anhängen am Darm der Wirbellosen, z. B. dem Blind-
sack am Magenausgang der Cephalopoden, den paarigen langen An-
hängen bei Haemopis , Hirudo u. a. muss wohl immer eine drüsige
Natur zugesprochen werden, und wie mir scheint besonders auch auf
den Grund hin, weil ihre Epithelzellen alle (bei Haemopis z.B.) mit
grösseren Kügelchen stark angefüllt sind, während im übrigen Darm-
epithel solche Zellen nur zerstreut vorkommen.
§. 308.
Im Dickdarm vieler Insekten finden sich „Wülste von räthsel- ';«k."idriuen
hafter Bedeutung'^, über die andere Zootomen die Meinung'
äussern, dass es Drüsen („Rektaldrüsen'') seien. Ich kann mich nicht
zu dieser Ansicht halten, sondern möchte in fraglichen Organen be-
sonders geartete Papillen und Falten des Darmes erkennen. Es fusst
diese Betrachtung auf der Untersuchung von Musca domestica, Eristalis
tenax, Palex, Acheta campestris, Locusta viridissima, Forficida auri-
crdaria, Formica herculavea. Apis, Vespa , Mevnpon pallidum und
Leydig, Histologie. ^^
(lei- Insekten.
338 Vom Nahrungskanal der A\' irbellosen.
mehrer Schmetterlinge. Bei Musca, Eristalis und Pulex ragen sie in
Form von vier kegelförmigen Gebilden in's Innere , bei Forficula^
Formica und den Schmetterlingen sind es rundliche Körper*), bei den
übrigen genannten Arten haben sie eine längliche Gestalt. Am ge-
nauesten ist mir der Bau von der Stubenfliege bekannt, wo er folgender-
maassen sich verhält. Zu innerst erscheinen die Kegel überzogen von
einer homogenen, mit nach oben gekrümmten Häckchen versehenen
Guticula, darunter kommt eine starke Lage von Zellen, deren Kerne
gross und' deutlich, weniger klar die Membranen sind. Die Zellenlage
ist nach innen durch ein homogenes Häutchen abermals abgegrenzt.
Die bis jetzt bezeichneten Theile bilden eigentlich zusammen eine hohle
Einstülpung in den Darm , indem die mit Häckchen ausgestattete
Cuticula mit der Intima des Darms in Continuität steht und das Häut-
chen, welches den Innenraum des Kegels auskleidet, eine Fortsetzung
der den Darm äusserlich umhüllenden homogenen Bindesubstanz ist.
Letztere verdickt sich gerade da, wo die Einstülpung statt hat, zu einem
bräunlichen, gezacktrandigen Ring. (An frisch getödteten Fliegen
kommt er durch die Contraktion der Darmmuskeln etwas höher hinauf
zu liegen.) In den Hohlraum des Kegels erhebt sich nun von aussen
her ein Zapfen , der aus Tracheen und dem dazu gehörigen Binde-
gewebe besteht. Er ist scharf abgegrenzt und von seiner Oberfläche
spannen sich zu dem, den Innenraum des Kegels auskleidenden Häut-
chen zahlreiche kleine Bälkchen herüber. Zu jedem Kegel gehen
zwei starke Tracheenstämmchen, die sich so verästeln, dass eine An-
zahl von Längsgefässen durch Verzweigen die Zellen umspinnen, ein
anderer Theil in den inneren Zapfen des Kegels tritt und hier in ein
sehr dichtes Netz ausgeht, das für sich abgeschlossen ist. Endlich,
was noch beachtenswerth scheint, es tritt in den Zapfen jedes Kegels
ausser den Tracheen ein Nervenstämmchen herein, über dessen wei-
teres Verhalten bei der Zartheit des Objektes nichts zu erforschen
ist. Bei Eristalis bieten die Kegel im Wesentliclien dieselben
Strukturverhältnisse wie bei Musca dar , nur ist die Cuticula hier
glatt, ohne Häckchen. Bei Forßcula, Acheta etc. ist die Chitinisirung
dgr Bindesubstanz zu einem braunen Ring um die Basis des Organes
stärker als in den Museiden. Melophagus zeigt „die convexe Fläche
der vier ovalen Wülste mit kurzen, steifen Plättchen überwachsen"
{Leon D ufour , v. Siehold)] eine ähnliche Bildung lutbe ich nacli
einer Beobachtung, die ich nicht mehr wiederholen konnte, in Oma-
loplia brunnea gesehen. Die Form der Zellen unter der Cuticula ist
im Allgemeinen rundlich oder cylindrisch, der Inhalt innner fein
punktirt. Ueberall erhalten die fraglichen Organe eigene Tracheen,
*J Auch in dir Kilfergattuiig Silpha, wo sie in grösster Menge, zu Hunderten
vorhanden sind, iiiiljen sie eine rundliche Gestalt, sind dabei übrigens lilciuer als
jene der oben genannten Arten.
Darmdrüsen.
339
deren Stärke und Reichtlmm der Verästelung sich jedoch nicht
g-leich bleibt , und bei den Fliegen z. B. bedeutender als bei den
Schmetterlingen ist.
Fig. 182.
^ -
Eine sog. Rektaldrüse von Musca doinestica.
a Tracheen , b das Nervenstäramchen. (Starke Vergr.)
Wenn ich nach dem Gesagten die Gründe zusammenfasse, welche
gegen die drüsige Natur der s. g. Rektaldrüsen sprechen und eher
die Meinung, dass es Darmpapillen von besonderer Art seien, recht-
fertigen , so sind es diese. Die berührten Gebilde weisen sich be-
stimmt als Einstülpungen des Darmrohres nach innen aus^ wobei sich
allerdings nur die Intima , die Zellenlage und die äussere Binde-
substanz des Darmes betheiligen. Ganz abgesehen davon , dass an
ihrer Wölbung jegliche Oeffnung mangelt , wäre es gegen alle Ana-
logie, dass eine Darmdrüse durch Einstülpung der Darmwand nach
innen zu Stande käme. Es lehrt vielmehr die Betrachtung der Darm-
innentläche von Insekten mit länglichen „Rektaldrüsen", dass fragliche
Gebilde lediglich modifizirte Partien der auch sonst vorhandenen
Längsfalten des Dickdarmes sind. So verlaufen sie bei den Grillen,
den Heuschrecken in gleicher Linie mit den Längsfalten und grenzen
sich nur durch den braunen chitinisirteu Ring an ihrer Circumferenz
von den Falten ab. Die Tracheen übrigens , welche bei Fliegen,
Schmetterlingen etc. nur in der Pseudodrüse endigen, erstrecken sich
z. B. bei der Feldgrille vorn und hinten über dieselbe hinaus und in
die gewöhnliche Darmfalte hinein. Dann ist es ferner von grossem
Belang und nicht mit Drüsenstruktur vereinbar, dass in den Hohlraum
der Einstülpung ein dieser entsprechend geformter Zapfen ragt, der
zur Entfaltung eines oft sehr dichten Tracheennetzes dient, sogar aus
nichts anderem als aus Bindesubstanz und Tracheen besteht, wozu noch
22*
340 Vom Nalirungskanal der Wirbellosen.
ein Nervenstämmchen kommt. Die Zellen unter der Cuticula stimmen
in ihren Eigenschaften nicht ganz mit den übrigen Zellen des Darmes,
letztere sind, wie ich mir wenigstens von Forficula aurictdaria genauer
angemerkt habe, kleiner und bleiben in Essigsäure hell, während die
grossen Zellen des kugeligen Wulstes dunkel werden. Und so glaube
ich nach obigen, allerdings etwas abgerissenen Mittheilungen annehmen
zu können, dass die s. g. Rektaldrüsen, houtons charnus i\s.q\\ Dufour
(der sie für muskulös hält und in Verbindung mit der Defäcation stehen
lässt), glandulär protuberances der englischen Autoren kaum mit der
Sekretion etwas zu thun haben, sondern passender sehr entwickelten
Papillen oder modifizirten Partien der Darmfalten vom morphologischen
Standpunkt aus verglichen werden. *)
§. 309.
Miiskniaria Was dlc M u s k 0 1 li a u t des Darmes betrifft, so mangelt sie öfters,
was ich z. B. bei kleinen Acarinen, bei Cossus, am gekammerten Chylus-
magen won Pentatoma bemerke, nach Leuckart auch bei den Salpen.
Das Nahrungsrohr besteht dann nur aus der Tunica propria und den
Epithelzellen. Wo sie vorhanden ist, scheidet sie sich gewöhnlich in
zwei Lagen, in Längs- und Ringfasern, und nimmt man Rücksicht auf
die weitere Beschaffenheit der Elemente, so bemerkt man, dass bei
Würmern, Echinodermen und Mollusken die Fasern von ein-
facher Natur, ohne Querstreifen sind, wobei jedoch zu beachten, dass
manchmal, besonders am Schlundkopf (z. B. von Septola, Paludina,
Echinus u. a.) durch eine regelmässige Lagerung des körnigen Li-
haltes in der einfachen Faser, diese sich dadurch zur quergestreiften
hinüberbildet.
Andererseits erscheint die Darmmuskulatur der Insekten,
Spinnen und Krebse quergestreift, doch giebt es da Ausnahmen,
wenigstens haben nach Frey und Leuckart kleine saugende
Insekten , sowie die Krustaceen Grangon , Mysis , Baianus glatte
Fasern. Bei Rotatorien sind die Muskeln des Darmes glatt, die
des Scidundkopfes einiger Arten [Notommata Sieboldii z. B.) be-
stehen aus exquisit quergestreiften Elementen. Es ist auch eine ziem-
*) I(;li habe jüngst noch diese Organe bei Phryganea grandis untersucht, wo
sie von einer Htruktur sind, dass ein Streifliclit auf die eigentliclie Function ge-
worfen VAX werden scheint. Die fragliclicn Bildungen sind hier umfänglich, von
lilngliclier Gestalt, in das Innere s])ringen von beiden Seiten her regelmässig ge-
stellte häutige Septen vor, die zum Tragen der Tracheenausbreitungen dienen,
in den freien Räumen dazwischen waren viele Blutluigelchen angehäuft. Mir
däucht nun, dass die .„Rektaldrüsen" der IVirygaiiea den Uebcrgang bilden zu den
sog. „Traclieen-Kicmen" im Mastdarm der Libellenlarven. Berücksiclitigt man näm-
llcli, dass die Ijcsagtcii Organe immer durch ganz besonderen Tracheenreichthum sich
anszeiclinen, ferner dass (vergl. unten) bei Wirbellosen eine „Darmathmung" eine
allgemeinere Erscheinung sein dürfte, so müchtcM aucli die abgehandelten Gebilde
mit der Respiration durch die Darm flu che in näherer Beziehung stehen.
Fettkörper. 341
lieh gewöhnliche Erscheinung, dass die Muskelcyhndcr in der äusseren
oder Längsschicht bei Annulaten {Fiscicola z. B.), sowie bei den
Krebsen und Insekten eine verästelte Form darbieten.
§. 310.
Der Serosa des Darmes ist es bei Aphrodite aculeata, dann den ser»sejiaut.
Bryozoen, den Echinodermen {Synapta, Echinus z. B.) eigenthümlich,
dass sie flimmert {v. Allma7i bezweifelt mit Unrecht die Cilien bei
den Bryozoen, ich sehe sie deutlich bei Plumatella). Als ein selteneres
Vorkommniss könnte betrachtet werden, dass bei Üynapta digitata im
Mesenterium eine netzförmige Muskulatur sich ausbreitet, allein mir
scheint, dass sich dazu Analogieen finden; so sind die Bauchfellzüge,
welche bei den Schnecken das Nahrungsrohr umgeben und fest-
halten, da und dort mit Muskeln durchstrickt ; nicht minder möchte ich
die zahlreichen Scheidew^ände hierherziehen, welche bei Ringel-
würmern den Darm gleich wie durch Mesenterien in der Leibes-
höhle befestigen und hauptsächlich aus Muskelcyhndern bestehen.
§. 31L
Die Stelle der Mesenterien vertritt bei den Arthropoden der Fettkö,per.
s. g. Fettkörper, welcher in seiner entwickelten Form aus fett-
haltigem Bindegewebe und Tracheen besteht. Bei Ixodes testudinis
durchzieht zur Befestigung der Eingew^eide ein Balkenwerk den Leibes-
raum, welches, obgleich das Aequivalent des Fettkörpers vorstellend,
ohne Fettgehalt ist. Das Balkennetz ist aus verschmolzenen Zellen
hervorgegangen, deren Kerne permanent bleiben. Die Verwachsung
der Zellen scheint in der Art erfolgt zu sein, dass röhrenartige Ge-
bilde entstanden, in denen die ursprünglichen Kerne und eine Punkt-
masse liegen. Hier und da sitzen dem Balkengewebe grössere Blasen i
an, in denen man wahrhaft riesige Kerne erblickt. Die sogenannte
Peritonealhülle der Tracheen ist die unmittelbare Fortsetzung des
Balkengewebes und beide sind in jeghcher Beziehung eine und die-
selbe Substanz. — Wendet man dem Fettkörper, z. B. von Gammarus
pulex, die Aufmerksamkeit zu, so zeigt er sich als ein helles Netzwerk,
entstanden aus zusammengeflossenen Zellen, deren Kerne überall noch
vorhanden sind. Dazu kommen jetzt Fetttropfen als Ablagerungen in's
Innere der netzförmigen Bindesubstanz. Will man vom Fettkörper der
Insekten sich überzeugen, dass er lediglich Bindegewebe mit einge-
schlossenen Fetttropfen ist, so nehme man Stellen zur Ansicht, in
welchen das Fett ganz, oder fast ganz mangelt. Sehr gut eignet sich
z. B. von LocAista viridis sima jener Tlieil, welcher an der Spitze der
Eierstöcke sich findet; wem die verschiedenen Modifikationen des
Bindegewebes bei höheren Thieren bekannt sind, wird da augenblick-
lich die Spezies der netzförmigen Bindesubstanz erkennen. Man hat
helle , strahlig ausgewachsene Zellen vor sich , deren Ausläufer mit
einander verschmelzen, und aus den Knotenpunkten leuchten die Kerne
342 Vum Nahrungskanal der Wirbellosen.
klar hervor. Fetttropfen fehlen hier; ist indessen eine grössere Partie
des Gewebes ausgeschnitten worden, so kann man den Uebergang des
zarteren und fettlosen Bindegewebes in fetthaltiges , d. h. in den
echten Fettkörper verfolgen. In letzterem erscheint das Balkenwerk
von beträchthcherem Umfang und ausser den Zellenkcrnen nimmt
eine mehr oder minder reichliche Fettniederlage das Innere der Binde-
substanz ein.
In den äusseren Umrissen kann der Fettkörper in den verschiede-
nen Insektengattungen und nach den Lebenszuständen sehr variiren,
blätterig, lappig, traubenförmig , netzförmig (sehr zierlich z. B. bei
Tipula oleracea) sein; mitunter ist er auch in einem solchen Grade
mit Fett erfüllt, dass eine weitere Untersuchung sehr erschwert wird.
Die Farbe richtet sich öfter nach der vorherrschenden Farbe des
Thieres; sie ist z. B. bei Trichodes apiarius roth, bei Zerene grossu-
lariata gelb , bei Fentatoma grün. Aus dem Voranstehenden ergiebt
sich auch, dass der Vergleich des Fettkörpers mit dem Netze der
höheren Thiere, wie ihn frühere Beobachter, namentlich Malpighi
und Guvier, machten, auch vom histologischen Standpunkt aus voll-
kommen richtig ist.
§. 312.
Weiterhin sei vorgebracht, dass bei Cossus hesperidum die Zellen
des Fettkörpers sich auf eine bemerkenswerthe Weise nach Einwirkung
von Essigsäure verhalten. Wird das genannte Reagens zugesetzt, so
ändert sich der Inhalt der Fettzeilen dahin um, dass aus der Zelle
flüssiges Fett in Form kleiner Kügelchen austritt, der zurückbleibende
Theil aber, in Nadeln anschiessend, krystallinisch sich umgestaltet.
Es erinnert dieser Hergang un die Fettzellen mit Margarinkrystalleu,
wie sie nicht selten bei Wirbelthieren beobachtet werden.
Ein Gegenstand der besonderen Erörterung ist das Vorkommen
von eigenthümlichen Substanzen in dem Fettkörper, und
zwar zugleich mit dem Fett. Schon früher habe ich bezüglich des
Fcttk()rpers von Locusta viridissima und Decticus rerrucivorus ange-
zeigt, dass hier ausser den gelben Fettkügelchen noch eine andere
Substanz getroffen wird, die sich unter der Form von verästelten
schwarzen (bei autfallendem Licht weissen) Flecken bemerkbar macht
und aus kleinen Körnchen sich zusammensetzt, welche in Essigsäure
aushalten und in Kalilauge schwinden. Diesen Thieren kann ich jetzt
auch Menopon pallidum (aus dem Gefieder des Haushuhns) anreihen,
bei welchem gleichfalls in dem Fettkörper ausser den Fettkügelchen
eine dunkle, Körnchenhaufen bildende Materie vorkommt, welche in
Kalilauge sich löst, indessen die Fettkügelchen unverändert bleiben,
höchstens etwas erblassen. Von grossem Interesse ist mir übrigens
in der beregten Hinsicht die Untersuchung unserer Leuchtkäfer {Lam-
pyris spendidula) geworden , indem sich gezeigt hat , dass hier die
leuchtende Substanz ebenfalls im Fettkörper deponirt ist, aber
Fettkörper.
343
von den Fettkügelchen auf den ersten Blick sich unterscheidet. Der
Fettkörper, nach seinen Umrissen betrachtet, bildet zum Theil Beutel-
chen, durch zarte Stiele sich anheftend^ zum Theil mehr ästig- gelappte,
auch wohl compaktere Massen. Die Zellen des Fettkörpers enthalten
Fig. 183.
Fettkörper von Lampyris.
a Vom Leuchtorgan des Männchen nach Behandlung mit Kalilauge, b vom Fett-
körper des Männchen und ohne die anorganischen Kügelchen , c Fettkörper des
Weibchen, in welchem die dunklen Kugeln die anorganische Masse bezeichnen,
d zwei Kugeln der letzteren frei und stärker vergrössert, darunter mehre derselben
innerhalb der Sekretbläschen (sind im Holzschnitt etwas übel ausgefallen),
nun, wie der erste Anblick lehrt, ausser den Fettkügelchen noch andere
Kugeln und Körnchen, viel diuikler als die Fettkügelchen, und die
grösseren von einem Habitus, der lebhaft an die Concremente in den
Nierenzellen der Schnecken erinnert; sie weisen selbst die gleiche
strahlige Zeichnung auf, wie jene, ja noch mehr, sie stecken auch in
besonderen Hohlräumen der Zellen, gewissermaassen in Sekretbläschen.
Und nicht bloss das äussere Ansehen unterscheidet sie scharf von den
Fettkügelchen, auch ihre chemische Beschaffenheit ist ganz different,
denn nach Zusatz von Kalilauge lösen sie sich vollständig, indessen
die Fettkügelchen bleiben. Die männliche und weibliche Lampyris
verhalten sich etwas verschieden bezüglich der Vertheilung und An-
sammlung dieser Substanz im Fettkörper. Beim Weibchen enthält
der Fettkörper des ganzen Abdomens die beschriebenen grösseren
Concretionen ausser den Fettkügelchen, und bekanntlich leuchlet auch
beim Weibchen, wenn gleich schwächer, der ganze Hinterleib; beim
Männchen nur die letzteren Hinterleibssegmente. Der Fettkörper des
Männchens entbehrt aber auch bis auf die bezeichnete Stelle der
Leuchtkörnchen. Am intensivsten phosphoresciren beide Geschlechter
an der Bauchseite der Hinterleibssegmente, wo sich das eigentliche
Leuchtorgan vorfindet, dadurch gebildet, dass hier die Zellen einer
341 Vom Nabrungskanal der Wirbellosen.
compakten Fettkörpermasse aufs dichteste mit der fraglichen Substanz,
beim Männchen selbst mit Ausschluss aller fettigen Elemente angefüllt
sind. In diesem eigentlichen Leuchtorgan sehe ich beim Männchen
und Weibchen die leuchtende Substanz nur in Molekularform und
nicht in grösseren Concretionen. Das Leuchtorgan der Lampyriden
ist daher, wie schon Treviramis aussprach, morphologisch ge-
nommen, ein modifizirter Fettkörper, aber die leuchtende Substanz ist
nicht Fett, sondern ein anorganischer Körper, der in den Zellen des
Fettkörpers sich abscheidet. Morren hat bereits 1841 behauptet, dass
das Leuchten von Phosphor herrühre, der unter die Fettsubstanz ge-
mischt sei, und das Mikroskop weist, wie ich gezeigt habe, eine
Substanz nach, welche man für den Phosphor halten möchte. Die
zahlreichen Tracheen, welche sich im Leuchtorgan verzweigen, unter-
halten durch die Luftzufuhr den Verbrennungsprozess und, wie man
am lebenden Thier bemerkt, das Glühen wird stärker, je lebhafter
die Respiration ist.*)
§. 313.
Pigmente, Dass dlc zum Darm gehörigen Gewebe auch bei den Wirbellosen
Nerven und ii ii- 1 1 1"
Blutgefässe pigmentirt sein können, soll nur nebenbei erwähnt werden; bei
Echinus esculentus sehe ich auch in den Muskelcylindern die gleichen
gelben Körner, wie sie im Darmepithel sich finden. An die Muscularis
des Darmes bemerkt man bei verschiedenen Annulaten, Mollusken
und Arthropoden Nervenstämmchen herantreten, allein die schon
' mehrmals berührte Blässe und fein molekulare Beschafi'enheit derselben
zwingt uns, von einem weiteren Verfolgen abzulassen. Die wenigen
wirbellosen Thiere mit individuahsirten Blutgefässen (Annulaten,
Cephalopoden) lassen diese auch an den bindegewebigen und musku-
lösen Darmschichten erkennen, ich sehe z. B. den Darm von Eaemopis
sehr reich an Gefässen , und an (ßio,etogaster habe ich die Art der
Verbreitung näher in's Auge gefasst. Hier gehen vom Rückengefäss
zahlreiche Gcfässe ab, welche, in der Tunica propria des Nahrungs-
rolirs verlaufend , den Magen und Darm reifartig umstricken , und
indem sie sich durch seitliche Aeste untereinander verbinden, entstehen
stricklciterähnliche Maschen. Auf der Bauchseite sammeln sich dielling-
gefässe zu einem medianen Längsstamm, der, weiter hinten vom Darm
weggehend , in das Stammgefäss des Bauches einmündet. Vergl. die
Figur der folgenden Seite.
lieber den Verdauungsapparat der Infusorien sclnvankt die Meinung noch
herüber und liinüber. Nach Ehrenberg besitzt die eine Ordnung {Aneiitera)
viele eigenwandige Magenblasen, die mit einem Stiel in die Mundüilniing führen;
bei der anderen Ordnung {Knterodela) ist ein Darnikanal vorliandcn mit Mund und
Afterölfniing versehen und die Mfigenblascn münden in den Darnikanal ein. Ein
anderer Forscher, der sich niclit wenig in dem Stutiium dieser Tliicrgruppe um-
*) Bei Jülus terrestris finden sich im Fettkürpcr ebenfalls die Concremente,
nnd zwar in grösster Menge, nicht aber bei Scolopetidra electrica !
Blutgefässe.
345
B
A Chaetogaster, um die Gefässe in der Wand des Tractiis zu veranschaulichen.
I Schlundkopf, II Schlund, III Magen : a Rückengefäss, b Bauchgefäss,
c Gefässnetz des Magens.
B Stückchen vom Magenrand: a Tunica propria, b die Blutgefässe, c die
Substanz der Leberzellen.
gethan hat, v. Siebold nämlich, lehrt den Ehr enh er g'' sehen Ansichten entgegen,
dass wenn ein Mund bei den Infusorien zugegen sei, doch selbst bei Gegen-
wart eines Schlundes und eines Afters ein bestimmt abgegrenzter Darm fehle,
die Speisebissen schieben sich nach v. Siehold auf ganz unbestimmten Wegen vom
Ende des Oesophagus bis zum After hin. Mir scheint aber, in Uebereinstimmung mit .
den oben namhaft gemachten Beobachtern, wie wenn ein bestimmt abgemessener Raum
als Darmkanal fungire. Wenn ich die histologischen Verhältnisse des Darmkanales
der Infusorien durch etwas Analoges erklären möchte, so scheint es ungefähr der Fall
zu sein, wie mit der Chitinhaut im Verdauungsrohr vieler Arthropoden : am Mund
und durch den Schlund hinab, sowie am After, wo die Darmcuticula mit der
Chitinhaut der äusseren Bedeckungen in unmittelbarem Zusammenhang steht, ist
sie dick und überhaupt sehr :iunenfällig, hingegen im Chylusmagen wird sie ^ehr
346 Vom Nah i-tingsk anal der Wirbellosen.
dünn und zart. Rechnet man nun hinzu, wie bei den Infusorien fast alle Conturen
Sehr fein sind, so wird man sich kaum wundern dürfen , dass die Begrenzung des
als Darmkanal fungirenden Raumes nicht durch eine besondere Linie sich von der
Umgebung absetzt. — Die Anwesenheit eines Afters bei Infusorien bestreitet Stein,
während ihn Lachmaim von verschiedenen Arten beschreibt. — Interessant ist
die Beobachtung des zuletzt genannten Forschers, dass bei den Acineteu durch die
strahlenartigen Fortsätze des Körpers die Nahrungsaufnahme vermittelt wird.
Die Kiefer der Cephalopoden, die Hornplatten im Magen der Pteropoden
leiten Kölliker und Gegenbaur von verhornenden Zellen ab und ich selber
habe früher die Entwicklung der Kiefer von Faludina in dieser Art dargestellt,
allein mit besserem Wissen muss ich gegenwärtig, wie oben geschehen, fragliche
Gebilde als Zellenabscheidungen ansehen.
Vom Darm der Turbellarien meldet Schultze , dass derselbe „eine
faserige oder strukturlose Haut nicht besitze" (Beitr. z. Naturg. d. Turb. S. 28).
Ich glaube diese Angabe nach Untersuchungen an Planarien dahin bestimmen zu
dürfen, dass die Tunica proi^ria des verzweigten Darmes nichts Selbständiges ist,
sondern die Grenzschicht einer homogenen Bindesubstanz , die continuirlich und
areolär den Körper durchzieht. Nach innen liegen die Darmzellen. Ich habe da-
mit nur histologisch präcisirt, was v. Siebold in anderer Art ausdrückt, wenn»er
sagt: „die Wände des Darmkanales (der Turbellarien) stehen immer unmittelbar
mit dem Körperparenchym in inniger Verbindung." Bei den Gordiaceeu ist der
ganze Ernährungsapparat, wie wir durch die Mittheilungen Meissner's erfahren
haben , so höchst eigenthüralicher Art , dass ein histologisches Beschreiben ohne
Kcnntniss des allgemein Topographischen kaum verständlich ist, wesshalb wir auf
die Arbeit des genannten Forschers in der Zeitschr. f. w. Zool. 1853 verweisen.
Nur bezüglich des Gordius sei erwähnt , dass anstatt eines eigentlichen Darm-
kanales ein seltsames Zellenparenchym zugegen ist, das nach aussen von einer
homogenen Haut begrenzt wird. Meissner reiht die Zellen, welche mit Pfianzen-
zellgewebe grosse Aehnlichkeit haben, in die „chitinisirenden" Gewebe ein.
Im Enddarm des Entomostraken Polyphemus kenne ich seit Langem einen
zarten haarähnlichen Besatz, der auf den ersten Blick an ruhende Flimmerhaare
erinnert; Lereboullet meldet auch, dass die innere Fläche des Rektum von
JJajihnia mit langen, dünnen, hornigen Fäden besetzt sei.
Es mag hier auch die Bemerkung eine Stelle finden , dass ich im Darm
einiger Wirbellosen einen Parasiten beobaclitct habe, der mir noch nirgends
angezeigt scheint. Man sieht ihn bei Fiscicola, Pontobdella, Ixodes testudinis und
zwar immer in grösster Menge; er ist länglich, an manche Zoospermienformen
erinnernd (z. B. an die von Notoviinata Sieboldii) und mit undulirender Membran
versehen. Dass er eigentlich mit tk'm IHute der I'^ische und Schildkröten in den
Darm der genannten Thiere gerathen ist, schliessc ich, weil ich einmal im Blute
aus dem Herzen des Frosches mehre solcher Schmarotzer antraf.
Der Fettkörper der Arthropoden verdiente ein einlässlicheres Studium;
ausser den oben namhaft gemacliten Eigenthümlichkeiten ist noch anzuführen, dass
ich nicht bloss bei Ixodes, sondern auch bei Fhryyanea grandis ganz kolossale Zellen
beobachtet habe, die bei Phryyaneu einzeln zwischen den gewöhnlichen Fettbeuteln
liegen und mit ihnen durch eine äusserst zarte umliüllende Haut zusammenhängen.
Der Zelleiiinhalt ist gelbgranulär und der grosse Kern ist mit so eignen Pünktchen
unil Strichen gezeichnet, dass man l'orenkanälc zu sehen meint. Bei Carabus
auratus liegen , schon fiir das freie Auge kenntlich , zwischen den meisten Fett-
läppchen gelbgrüne IVirtinncn und statt des Fettes mit gelbgrünen Körnern angcliillt.
Von den Speicheldrüsen der Thiere. ' 347
Siebenundzwanzigster Abschnitt.
Von den Speiclieldrüsen der Tliiere.
§. 314.
Die Mundhöhle der Wirbelthiere hat, mit Ausnahme der Fische Batroch»
und der fischartigen Amphibien , grössere Anhangsdriisen, die nach
ihrer Funktion in Speicheldrüsen und Giftdrüsen unterschieden
werden. Auch die Batrachier besitzen, wie ich gefunden, eine
grössere Drüse, welche den Lippen- und Kieferdrüsen der Ophidier
und Saurier zu vergleichen ist. Beim Frosch und Salamander er-
scheint sie als unpaarer gelblicher oder weisslicher Körper, der an
der Schnauzenspitze in der Vertiefung zwischen den beiden Nasen-
höhlen, unmittelbar unter der Haut liegt. Bei weiterer Untersuchung
sieht man, dass sie aus langen Drüsenschläuchen besteht, die ge-
wunden und innen von einem Cylinderepithel überzogen sind. Die
Zellen haben einen feinkörnigen, blassen Inhalt und sind so zart, dass
sie nach Wasserzusatz bald zu Grunde gehen und nur der Kern sich
erhält. Die Drüse mündet mit zahlreichen Gängen, die, wie ich ein-
mal gesehen zu haben glaube, flimmern, vor den Gaumenzähnen in
die Mundhöhle. Beim Proteus erblickt man in der Haut der Schnauzen-
spitze lange, gewundene Drüsenschläuche, in denen ich das Aequivalent
der Naseudrüse der vorhergehenden Batrachier erkennen möchte.
S. 315.
Die Speicheldrüsen der Ophidier bestehen nach Joh. Müller
Iiei>tilieD|
Vögel.
„aus zelligen Schläuchen, die, ähnlich den Meibom'schen , neben
einander liegen und wovon jeder seinen besonderen Ausführungsgang
hat. „Die lebhaft weisse Farbe rührt, wie ich bei der Eingelnatter
sehe, von einer dunkelmolekulären Masse her, welche die Sekretions-
zellen dicht erfüllt, in Kalilauge erblasst, worauf dann die Umrisse der
Drüsenbläschen deutlich werden." Die Giftdrüsen sind entweder
aus zahlreichen, hohlen, wieder getheilten Lappen, welche mit ihren
Ausführungsgängen an dem Hauptgang sitzen, gebildet; oder es
münden in denselben einfache , zahlreiche Röhren ; zuweilen scheint
auch die Absonderung auf Säckchen und zelligen Fächern stattzu-
finden.'^ Die Giftdrüsen sind von starker fibröser Scheide und quer-
gestreiften Muskelschichten umgeben. — Die Speicheldrüsen der Vögel
sind im Baue denen der nicht giftigen Schlangen sehr ähnlich.
Die Speicheldrüsen der Säuger zeigen wie die des Menschen Säuger.
den traubigen Drüsentypus , doch liegen bisher keine spezielleren
braten.
348 Von den Speicheldrüsen der Thiere.
Untersuchungen vor; Donders sah in den Speicheldrüsen des Pferdes
nach Einwirkung- von Natronsolution deutliche Verzweigungen von
Nervenröhrchen zwischen den Drüsenbläschen; nach Tobten haben
die Aust'ührungsgänge beim Rind glatte Muskeln, Eine starke Mus-
kulatur hat auch die Blase, zu welcher sich die Ausführungsgänge der
Glandula suhmaxillaris bei Dasijpus vereinigen (v. Bapp).
§. 316.
Everte- Jj^ dcr Abtheiluug der Wirbellosen sind bei verschiedenen
Würmern , der Mehrzahl der Arthropoden und unter den Mollusken
bei den Cephalophoren und Cephalopoden Organe erkannt worden,
die den Speicheldrüsen der Wirbelthiere entsprechen und durch be-
sondere Strukturverhältnisse unser Interesse fesseln. Ich vertheile die
hierher gehörigen Bildungen in drei Gruppen. Die erste derselben
umfasst die wirklich einzelligen Drüsen, wie sie bei Hirudineen
{Piscicola, Clepsine, Pontohdella, BvanclxelUon u. a.) sich finden. Hier
verlängert sich die Membran der Sekretionszelle unmittelbar zu dem
oft sehr langen Ausführungsgang. Der Inhalt der Zelle ist eine fein-
körnige Masse, der Kern macht eigenthümliche Veränderungen durch,
w^orüber man m. Aufs. üb. Piscicola in d. Ztschr. f. vi. Zool. Bd. I.
vergleichen kann.
Fig. 185.
Einzellige Speicheldrüse von Piscicola.
Die zweite Gruppe begreift einzellige Drüsen, deren Zellen-
membran aber geschlossen ist, sich also nicht in den Ausfüh-
rungsgang fortsezt, und die nur in sofern einzellige Drüsen heissen,
als jede Sekrctionszelle für sich in einer Tunica propria liegt. Nach
diesem Schema sehen ^\\v z. B. die Speicheldrüsen der Landgasteropo-
den {Jleliv, lAtna.r u. a.) gebaut. Die Sekretionszellen sind gross und
jede ist einzeln in ein zartes, bindegewebiges, mit etlichen Kernrudi-
menten versehenes Beutelchen gebettet. Letzteres verlängert sich in
einen dünnen Stiel und verbindet sicli (hidurch mit dem gemeinsamen
Ausführungs- oder Sammelgang, dessen Iimenfiächc bei Limax ein
Flimmerepithel zu haben scheint. Eine IModifikation dieses Drüsen-
typus bietet z. B. die obere Speichehlrüse der Biene dar: hier ist
zwar eine Anzahl von Sekretionszellen von einer gemeinsamen, zarten
Blase [Tunica propria) unihiillt, die sich wieder stielförmig verlängernd
in den gemeinsamen Ausfiihrungsgang fiiln-t. Die Imienfl'iche des
k'tzteren ist von einer chitinisirten (\divula ausgekleidet, unil von ihr
gehen als Fortsetzungen ebenso viele feine Röhrehen in die von der
Tunica propria gebildeten Blase, als Sekretionszellen vorhanden sind.
Einzellige Drüsen.
349
(€■'
A Schema für die Speicheldrüse von Helix: a Sekretionszelle, b beutel-
torniige Tunica propria, c Anfang des gemeinsamen Ausführungsganges.
B Stückchen aus der oberen Speicheldrüse der Biene: a Sekretions-
zellen, b Tunica propria, welche die sechs Zellen umschliesst, c die chitini-
sirten Röhrchen , welche zu den Zellen treten , d der gemeinsame Aus-
führungsgau g.
§. 317.
Endlich die dritte Gruppe enthält die mehrzelligen Drüsen,
also jene Formen, welche sich an das gewöhnliche Drüsenbild an-
schliessen. Es wird hier immer eine grössre Anzahl von Sekretions-
zellen durch eine bindegewebige Tunica propria zusammengehalten,
ohne dass etwas von einer solchen Isolirung der Zellen, wie sie oben
geschildert wurde, bemerkbar wäre.
Die Tunica propria oder das Drüsengestell, erzeugt durch seine
Umrisse eine gewisse Manchfaltigkeit der Formen und wie bei den
Wirbelthieren steht das Epithel des Ausführungsganges in Continuität
mit den Sekretionszellen. Letztere können flimmern z. B. bei Paludina
vivijyara, auch nach Gegenhaur bei Littorina, Pteropoden und He-
teropodeii. Bei den Arthropoden flimmern sie nie, sind hier aber
häufig von einer Cuticula überdeckt, die je mehr der Ausführungs-
gang der Mundhöhle sich nähert, chitinisirt, und dann selbst mit spi-
ralförmigen Verdickungen ins Lumen des Kanales vorspringt, was bei
Insekten als ein sehr allgemeines Vorkommniss betrachtet werden muss.
Bemerkenswerth scheint mir, dass in den Endblasen [Äcini) der
unteren Speicheldrüsen von Apis meUißca die homogene Intima {Cu-
350 Von den Speicheldrüsen der Thiere.
ticula) von kleinen Löchern durchbohrt ist, die meist als Centrum
eines Fcaltenkranzes sich präsentiren und wohl in derselben Anzahl
wie die blassen und zarten Sekretionszellen vorhanden sind. Sie
müssen für das Aequivalent der feinen, chitinisirten Röhrchen gelten,
welche (wie vorhin dargestellt) das Sekret aus den Zellen der oberen
Speicheldrüse in den gemeinsamen Ausführungsgang leiten. Es bedarf
übrigens wohl kaum der Erwähnung , dass es wie überall Uebergangs-
oder Mittelformen giebt zwischen dem, was wir als Typen aufstellen,
so -wie denn auch die Speicheldrüse des Ixodes (vergl. ra. Abbild, in
Müll. Arch. 1855, Taf. XV. Fig. 11.) eine Vereinigung von ein- und
mehrzelligen Drüsen vorzustellen scheint.
^ Fig. 187.
Eine Endblase der unteren Speicheldrüse von Apis mellifica.
a Tunica propria, b die Sekretionszellen , c die Intima mit ihren Oeffnungen.
§. 318.
Eine Art Speicheldrüsen sind auch die Serikterien oder Spinn-
drüsen der Raupen. Wir dürfen denselben eine besondere Aufmerk-
samkeit schenken, weil hier nach der Entdeckung von H. 31 e ekel
eine Form von Zellenkernen vorkommt, die bis jetzt nur bei Insekten
getroffen wurde. Die Kerne sind nämhch verästelt, die Aeste lau-
feji zuweilen durch die ganze Höhle der Zelle hindurch, erweitern
sich dabei stellenweise und setzen sich durch Nebenäste in Verbin-
dung. Bei Vanessa urticae sind die Kerne auffallend durch Länge
und Feinheit. Jn den grossen, regelmässig sechseckigen Drüsenzellen
der Spinngefässe von Cossus Ugniperda liegen an der Stelle der Kerne
eine Anzahl blindsackähnlicher Körper, die kleine Körnchen enthalten
und durch dünne, mehr oder weniger lange Stiele an der Innenllächo
der Zellenwand befestigt sind. Ich kenne die Serikterien von Raupen
verschiedner Tag-, Abend- und Nachtfalter und habe mich von der
Richtigkeit der Angaben Äl eckeis überzeugt. Es sind die Sekretions-
zellen der gedachten Organe w.ahrhaft kolossal, so dass öfter nur zwei
Zellen auf den Umfang des Follikels kommen. Die Kerne sind hell
und scheinen hohl zu sein, gefüllt mit Flüssigkeit; nach Weingeist,
Essigsäure etc. nehmen sie gleich anderen Kernen härtere Conturen
an und werden dunkel. (Es wurde schon angeführt, dass ähnliche
verzweigte Kerne sich noch in den Hautdrüsen sowie in den Epi-
thelzcUen des Darmes gewisser Raupen finden.) Die Kerne sind z. B.
Sp
inngefässe.
351
bei der Raupe von Sahimla carpini so stark verästelt, dass die kolbigen
Enden der Aeste dicht nebeneinander zu liegen kommen und man
beim ersten Anblick zu sehen glaubt, es lägen viele einzelne, rund-
liche oder gebuchtete Kerne in einer gemeinsamen Grundsubstanz.
Fiff. 188.
Ein Stück der Spinndrüse einer Raupe.
a Tunica propria, b die Sekretionszellen mit ihrem verästelten Kern, c die
Tunica intiraa, d der Sekretfaden. (Starke Vergr.)
Die Höhle der Serikterien ist von einer ziemlich dicken und
homogenen Intima ausgekleidet^ sie scheint znweilen auch von Poren-
kanälen durchsetzt zu sein, denn die Angabe Meckels, dass die
Tunica iv^luna bei Gossus Ugniperda, yvo die Follikel überhaupt eine
bedeutende Dicke haben, „aus feinen, perpendikulär zur Fläche stehen-
den Cylindern" zusammengesetzt sei, lässt sich in diesem Sinne deuten.
— Das Sekret der Spinndrüsen besteht aus einem wässrigen Fluidum
und einer elastischen, zähen Substanz, die in Form eines mehr oder
weniger dicklichen Fadens den Kanal des Follikels gerade oder ge-
schlängelt durchläuft.
Die Darstellung, welche ich früher {Palucl. vivip. Zeitschr. f. w. Zool. Bd. I.
S. 166 Anmerkg. 1) von den Speicheldrüsen der Helix hortensis gegeben habe,
möchte ich nach oben mitgetheilter Beschreibung verbessert wissen.
Ueber die Speicheldrüsen der Insekten {Formica rufa, Stubenfliege, Biene,
Feldgrille, Raupen) vergleiche man die wichtige Arbeit H. Mechels: Mikrographie
einiger Drüsenapparate der niederen Thiere, Müll. Arch. 1846.
Achtundzwanzigster Abschnitt.
Von der Bauclispeiclieldrüse des Menschen.
§. 319.
Das Pancreas, welches nach dem Hergang seiner Entwicklung
als eine Ausstülpung von der hinteren Wand des Duodenum anzusehen
ist , stimmt im feineren Bau vollkommen mit den traubenförmigen
Speicheldrüsen überein. Bindegewebe ist zur Bildung der Tunica
352 Von der Bauchspeicheldrüse.
projjria der kleinen und grösseren Läppchen, sowie für den Ausfiüi-
rung'sgang verwendet. Die Sekretionszellen haben einen granulären
Inhalt und häufig auch Fetttröpfchen. In der Wand des Ausführungs-
ganges finden sich zahlreiche, ti-aubenförmige Drüsen, welche im Hin-
blick auf die gleich zu verörternden Vorkommnisse bei Thieren, als
kleine Portionen der Pancreassubstanz aufzufassen sind. — Der Berück-
sichtigung werth ist auch , dass auf den Acini ausser den die Drüsen-
bläschen umspinnenden Blutgefässen noch reichhche Lymphgefässnetze
beobachtet wurden.
Neunundzwanzigster Abschnitt.
Von der Bauclispeiclieldrlise der Tliiere.
§. 320.
wiri,eui,ie,e. Es sclicint mir von einigem Belang und vielleicht in der Zukunft
verwerthbar, dass das Pancreas verschiedener Wirbelthiere (mancher
Plagiostomen, Chimaera, Ringelnatter, Eidechse) der Milz unmittelbar
angewachsen ist, bei Chimaera monstrosa allerdings zugleich mit der
Leber. Auch B tschoff hat schon aufmerksam gemacht, dass bei
Ilindsembryonen die Blasteme für Pancreas und Milz anfangs voll-
kommen verschmolzen sind. An Pelohates fällt ferner bezüglich der
Lage des Pancreas auf, dass ein guter Tlieil davon mit der Magen-
wand fest verwachsen ist , genauer gesagt , zwischen der Serosa und
der Muscularis des Magens liegt. Beim Landsalamander hängt auch
ein Theil der grossen , gelappten Drüse der Darmwand innig an.
Richtet man sein Augenmerk auf den Bau^ so unterscheidet man
eben wieder eine bindegewebige Grundlage, welche die rundlichen
Drüsonräumo begrenzt, und zweitens die mit Punktmasse oder auch
Fetttröpfchen erfüllten Sekretionszellen. Bei Fischen (ich sehe
es so bei Acipenser, Chimaera) ist der Ausführungsgang nach seinem
ganzen Verlauf mit Drüsensubstanz besetzt, was ihm eine gleichmässig
dickh'clic l')csch;iffcnheit und ein gi'auweisses Aussehen verleiht. In
geringerem Grade erhält sich diese Bildung bei (1(mi Vögehi , bei der
Taube wenigstens sitzen n;icii meiner Erfahrung dem Pancreatischcn
Gang von Stehe zu Stelle kleine Knötchen an, die sich unter dem
Mikroskop als Abtheilungen der Bauchspeichehh-üsen ausweisen. End-
licli bei den Säugethieren wei'den diese den huchis Wirs^imjiavus
begleitiMiden Drüsenpoi-tionen so klein, dass ihnen voii manchen Au-
toren di«3 Bedeutung von Schleimdrüsen beigelegt wird.
Muskeln, Blutyefüsse etc. '653
Fig. 189.
^■■^
^ — V_-^
Ein Stück Ausführungsgang des Pancreas vom Stör.
a Lumen des Ganges, b die ihn begleitende Drüsenmasse. (Geringe Vergr.)
Muskulöse Elemente am Drüsengerüst sind mir unbekannt,
Tobten meldet, am Ductus Wirsungianus vom Rinde glatte Muskeln
gefunden zu haben.
Die Blutgefässe umstricken die Drüsenbläscben wie an andren
traubigen Drüsen, ebenso begegnen einem einzelne Nervenfasern in
der bindegewebigen Grundlage des Drüsenkörpers. Sehr merkwür-
dig ist mir das Pancreas des Maulwurfes. Dasselbe zeigt eine grosse
Entwicklung, von der Hauptmasse zweigen sich weithin verästelte
Züge ab und von diesen lösen sich grössere und kleinere Lappen weg,
die keineswegs mehr durch Aeste des Ductus pancreaticus mit der
Drüse zusammenhängen, sondern, bei übrigens vollständiger Isolation
nur durch ihre Blutgefässe den Zusammenhang mit den grösseren
Lohuli unterhalten. Auch hat das ganze Pancreas hier nicht das
lebhaft weisse Aussehen, wie bei anderen Thieren, sondern eher etwas
Durchscheinendes. Die Sekretionszellen in den ^cm«* sind hell und
inmitten der Endfollikel sammeln sich Körnerhaufen an.
§. 321.
In der Reihe der Wirbellosen haben allein die Cephalopoden wubeiios
ein deutliches Pancreas. Nach H. Müller besteht es aus bald ein-
facheren Blinddärmchen, bald sind die Drüsenabtheilungen zu trau-
bigen Bäumchen angeordnet. (Bei Bossia dispar wurde aussen darauf
eine Schicht derselben gelblich körnigen Zellen gefunden, welche die
in derselben Wasserzelle gelegenen Venenanhänge, bekleiden.)
Ueber das Pancreas des Stör's s. meine Unters, über Fische u. Rept. S. 18. —
Ueber das der Cephalopoden H. Müller in Zeitschr. f. w. Z. 1853 S. 343.
Leydig, iiistologie. 2o
354 Von der Leber des Menschen.
Dreissigster Abschnitt.
Von der Leber des MenscHen.
§. 322.
Diese grosse, die Galle bereitende Drüse, zeichnet sich zwar durch
manche Eigenthümlichkeiten aus, ohne jedoch so ganz aparter Art zu
sein, um den anderen Drüsen gegenüber eine eigene Stellung, wie
Manche wollen, einnehmen zu müssen, denn im Wesentlichen ihres
Baues stimmt sie mit anderen secernirenden Organen überein. Wie
diese nämlich hat sie ein bindegewebiges Gestell, das zugleich
Träger der Blutgefässe (und Nerven) ist, und zweitens zellige
Elemente, in denen, als den eigentlichen Werkstätten der Sekretion
die Galle abgeschieden wird.
Bevor wir uns mit der Struktur der Leber befassen, sei aus den
embryologischen Untersuchungen Remak' s erwähnt, dass die zellige
Lebersubstanz der Genese nach identisch mit dem Epithel des Darm-
rohres ist, also eine Fortsetzung des Drüsenblattes darstellt, während
das bindegewebige Fachwerk sammt Gefässen und Nerven von der
Faserhaut des Darmes, einer Sonderung des mittleren Keimblattes,
geliefert wird. Die Leber entsteht nämlich als Anhang des Darmes,
unter der Form zapfenartiger Auswüchse, an deren Wucherung sich
die beiden bezeichneten Darmlagen betheiligen.
§. 323.
i.chci- Das Drüsengerüst der Leber wird, wie schon gesagt, von Binde-
gewebe geformt, welches indessen in der menschlichen Leber zarter und
weniger massenhaft ist, als in der Leber vieler Thiere, so dass sogar von
Einigen die Anwesenheit von Bindesubstanz in der menschlichen Leber
irrthiimlich geläugnet wird. Das Bindegewebe, sowohl mit dem serösen
Ueberzug, als auch mit den Ausstrahlungen der sog. Glissonischen Kapsel
im Zusammenhang, durchsetzt die Leber in der Art, dass ein doppeltes
Fachwerk zu Stande kommt. Etwas stärkere, blattartige Züge nämlich
vereinigen sich zur Hildung wabiger Räimic, nnd dies giebt die Abson
derung der Lebersubstanz in Läppchen oder Inselchcn. Aber auch in
diese Fächerräume hinein setzt sich das Bindegewebe zum zweitenmalc,
wenn auch in äusserst zarter Weise als J>alken- und Netzwerk fort und
lässt retikulär zusammenhängende Maschenräume frei. Hält man die
Leber mit einer grösseren traubigen Drüse zusammen und vergleicht
beide bezüglich ihres Bindegewebsgerüstes, so entsj)rechen jene Züge
Bindegewebes, welche den Umriss der Läppchen zeichnen der all-
lÜDpfhcn.
(los
Leberzellen.
355
gemeinen Faserlüille und die Begrenzung des Netzwerkes im Inneren
des Läppchens der sog. Tunica propria.
Fig. 190.
Ein Lebei-läppclien in schematisclier Darstellung,
a die cavernösen Eäume des bindegewebigen Fachwerkes, nachdem die Zellen ent-
fernt sind , b ein Theil , welcher mit den Leberzellen gefüllt ist , bei c stehen die
Anfänge des Ductus hepaticus mit den Hohlräumen in offener Communikation,
d Vena interlobularis (letzte Verzweigung der Pfortader) , e Vena intralobularis
(Wurzeln der Vena hepatica) , f das lobuläre Capillarnetz.
§. 324.
Innerhalb der Maschenräume liegen die Leberzellen, und da
diese in dicht gedrängter Reihe die Hohlgänge der Bindesubstanz voll-
ständig erfüllen, die Räume selber aber netzförmig zusammenhängen,
so bilden auch die Leberzellen in ihrer Ganzheit betrachtet, solide, ver-
zweigte Stränge, die sog. Leberzellennetze. Richtet man den
Blick auf die näheren Eigenschaften der Zellen, so sehen wir sie von
etwas unregelmässiger Gestalt, bald mehr abgerundet, bald platt-poly-
gonal, der Kern einfach oder doppelt mit deutlichem Nucleolus. Der
Inhalt erscheint feingranulär, dazu können kommen Fetttröpfchen und
gelbe Körner (Gallenfarbstoif).
Leberzellen bei starker Vergrüssernng.
a mit blassgranulärem Inhalt, b mit gelben Körnern, c mit einigen Fetttröpfchen.
23*
356 Von der Leber des Menschen.
§. 325.
ouuengange. Wie bcI ulleii aiidreii Drüsen mit Ausfülirungsgang betheiligt
sieb auch das Bindegewebe der Leberläppchen an der Bildung der
Tunica liTopria der feinsten Gallenausführungsgänge. In dem
Bindegewebe, welches die Läppchen umschreibt, grenzen sich die
sog. Ductus interlohulares ab, welche in der Substanz der Läppchen
selber derartig wurzeln, dass das bindegewebige Fachwerk, welches
die Zellennetze umgiebt, sich continuirlich in die bindegewebige Haut
der Ductus inteiiolndares fortsetzt. Das Epithel oder der zcllige Ueber-
zug der feinsten Ausführungsgänge steht wahrscheinlich ebenfalls in
continuirlichem Zusammenhang mit den eigentlichen secernirenden Zel-
lennetzen des Läppchens, aber die Epithelzellen sind kleiner und blasser
geworden, füllen den Gang auch keineswegs mehr aus, sondern indem
sie denselben blos auskleiden, bleibt ein klares Lumen übrig.
Die Ductus interlohulares müssen, da sie ganz von der die Läppchen
umschreibenden Bindesubstanz in ihrem Verlauf abhängig sind, viel-
fach anastomosiren und zuletzt vereinigen sie sich zu den grössren
Gallengängen, worauf sie als Ductus hej^jaticus die Leber verlassen.
In den stärkren Gallengängen zeigt sich die bindegewebige Haut ver-
dickt, und das Epithel hat die Cylinderform angenommen. Der Duc-
tus hepaticus^ choledochus und cysticus und vielleicht auch die Gallen-
blase haben traubige Schleimdrüsen in ihrer Wand. Die bindege-
webige Haut der Gallenblase besitzt ferner eine dünne Muskel-
schicht aus glatten Elementen, wovon sich auch Andeutungen in den
Galienwegen finden. Die gelbbraun gefärbten Cyhnderzellcn, welche
die fein gegitterte Mucosa der Gallenblase überkleiden , sind , worauf
Henle zuerst aufmerksam gemacht hat, meist kernlos.
§. 326.
liii.igenisso Bezüglich iin-er Blutgefässe bietet bekanntermaassen die Leber
das Eigene dar, dass ihr nicht blos durch die Arteria hepatica ar-
terielles Blut zugefühlt wird, sondern auch venöses, im Bereich der
Verdauungsorgane gesammeltes Blut durch die Vena jjortarum ihr
zuströmt. Die Ableitung des Blutes aus dem Organ geschieht durch
die Venae liepaticae.
Ohne hier auf die gröberen Verzweigungen dieser verschiednen
Gefässe Rücksicht zu nehmen, sei lediglich besonders darauf hinge-
wiesen , dass die feinere Verbreitung n u r i n n e r h a 1 h d e r die
Leber durchsetzenden Bind c su b stanz erfolgt, mit anderen
Worten, das Bindegewebe selbst wird zur Bildung der Gefässwändc
verwendet, und da von vorneherein in der menschlichen Leber das
bindegewebige Fachwerk, wie bereits bemerkt, in geringrer Menge
als in manchen Thierlebern vorhanden ist, so kann das Bindegewebe
zur Herstellung der Gefässe derartig verbrnucht werden, d.iss dasselbe,
wenn ninii von stärkeren Gefässen, denen es zur Begleitung dient, ab-
sieht, in der nienschlichen Leber fast wie zu fehlen scheint.
ii»id Newca.
Gefnsse. 357
Ueber das Verhalten der Gefässc zu den Leberläppclien darf Icli
mich ins Kurze fassen: die Pf or tader zerfällt in ihren letzten Ver-
zweigungen in Aestchen, welche zwischen den Leberläppclien ver-
laufen und gewöhnlich Venae interlohidares heissen. Von ihnen dringen
zahlreiche Endäste, Venae lobulares genannt, ins Innre der Läppchen
und lösen sich in ein Capillarnetz auf, dessen bindegewebige Wand ,
an die Leberzellennetze anstösst. Mitten in jedem Läppchen ver-
einigen sich die Capillaren wieder zur Darstellung eines stärkeren
Gefässstämrachens, welches als Vena intralobularis unterschieden
wird. Die Venae intralobulares treten darauf aus den Leberläppchen
heraus und bilden die Anfänge der Venae heimticae , welche sich in
eine rechte und linke Lebervene sammeln, um schliesshch in die
untere Hohlvene einzumünden.
Sind die Blutgefässe der Läppchen gleichmässig angefüllt , so ist
die Leber für das freie Auge einfach braunroth , hat sich aber im
centralen Theil (also im Gebiet der Vena {ntralobidaris), oder umge-
kehrt im peripherischen (Bereich der Vena interlobularis) das Blut mehr
angestaut, so erscheint das Aussehen der Leber getüpfelt, ältere Anatomen
sprechen dann auch von einer Mark- und Rindensubstanz dieses Organes.
Die Leberarteri e hat eine untergeordnete Bedeutung, sie dient
bloss zur Ernährung des Lebergewebes. Die Endzweige derselben auf
den Wänden der grösseren Gefässe und grösseren Gallengänge sind die
Rami vasculares, dann in der bindegewebigen Hülle und dem Fach-
werk der Leber die Rami capsulares und lobulares.
Die Nerven der Leber stammen hauptsächlich aus dem Sfjmpa-
thicus, haben mehr Re7nak'&che als dunkelrandige Fasern und können
ziemlieh weit ins Linre verfolgt werden , ohne dass man etwas über
ihre eigentliche Endigung in Erfahrung gebracht hätte.
Die Leberzellen sind beträchtlich grösser als die Epithelzellen der feinsten
Gallengänge und man könnte etwas ganz Ungewöhnliches darin finden wollen, dass
nach der gegebenen Beschreibung des Leberbaues beide Zellenarten unmittelbar
aufeinander stossen. Allein die Labdrüsen des Magens, namentlich die sog. zu-
sammengesetzten schlauchförmigen Drüsen bieten ein ganz analoges Verhältniss
dar, indem auch hier die grossen körnigen Labzellen, entsprechend den Leber-
zellen, an die viel kleineren, hellen und cylindrischen Zellen des Ausführungs-
ganges ohne Uebergangsformen sich anschliessen.
Meine Erfahrungen vom Bau der Leber, wie sie der obigen Schilderung zu
Grunde liegen, wurden zuerst an verschiedenen Wirbelthieren gewonnen und erst
später für den Menschen bestätigt. Beichert veröffentlichte in jüngster Zeit
(Müll. Arch. Jnhresb. 1854) Ergebnisse über die Lebcrstruktnr des Menschen, die
mit meiner Auffassung ganz harmoniren. Er sagt: der secernirende Theil der
Leber des Menschen sei als ein kavernöses Drüsenhöhlensystcm anzusehen, in
welchem Läppchenregionen unterschieden werden müssten , wenn es auch wahr-
scheinlich sei, dass die Höhlen der einzelnen Läppchenregionen nicht vollkommen
gesondert von einander bestellen. Die Wandungen oder das Gerüste dieses Höhlen-
systemes sind Bindesubstanz, welch' letztere besonders an einer cirrhotischen Fett-
leber eine sehr mächtige Entwicklung zeigte. Man habe es daher gleichsam mit
358
Von dor Leber der Wirbelthiere.
einem in Bindesubstanz eingegrabenen complizirten Höhlensystem zu thun , dessen
Wandungen die Capillaren führten, dessen Hohlräume von den Leberzellen erfüllt
sind. Fertigt man daher feine Schnittchen an und entfernt daraus die Leberzellen,
so stellt sich die Bindesubstanz als ein zierliches Netzwerk dar. — Dergleichen
Mittheilungen werden wohl nach und nach den Irrthum hinwegräumen , dass die
feinsten Gallenkanälchen keine selbständige Wandungen besässen , sondern dass
die Blutcapillarnetze die Leberzellennetze begrenzen. Bei starker Anfüllung der
Blutcapillaren kann wohl ein solcher Anschein entstehen, da, worauf schon oben
hingedeutet wurde, die bindegewebigen Septen , die Träger der Capillaren, bei
ihrer Zartheit in der normalen menschlichen Leber , dadurch zurücktreten , allein
streng genommen werden die Leberzellen von den bindegewebigen Wänden des
Höhlensystems umgeben.
Einunddreissigster Abschnitt.
Von der Leber der Wirbelthiere.
§. 327.
Die Leber der Säuger, Vögel, Reptilien und Fische
stimmt in den Grundzügen des Baues mit der menschlichen Leber
überein und variirt bloss in Folgendem:
Das Gerüste aus Bindesubstanz, so gering in der Leber des
Mensclien, erscheint bei manchen Säugethieren weit beträchtlicher,
so z. B. beim Eisbären {Joh. Müller\ dem Schwein, und die Folge
davon ist, dass die Abgrenzung in Läppchen eine viel sinnen-
fälligere wird. Doch schliessen sich andre Säuger, wie z. B. Kalb,
Hund, Katze, Ratte in der geringen Entwicklung des bindegewebigen
Drüsengestelles wieder dem Menschen an, die Abgrenzung der Läpp-
chen erscheint verwischter, letztere sehen da und dort aus, als wären
sie mit einander verschmolzen, und an feinen Schnitten der Läppchen
scheinen die Leberzellen unmittelbar an die Blutcapillaren anzustossen.
Die Grösse der Läppchen wechselt, die des Schweines z. B. sind um-
fänglicher als die des Menschen, beim Kaninchen sind sie grösser als
beim Hund, bei der Katze, bei diesen wieder grösser als beim Eich-
hörnchen {lietzius). In der Leber der Vögel, wie ich wenigstens
an der Taube, der Gans gesehen habe, ist das Bindegewebe eben-
falls in geringer Ausbildung vorhanden, eine Abgrenzung in Läppchen
auch kaum sichtbar, und an feinen Schnitten getrockneter und dann
wieder mit Essigsäure behandelter Leber verhalten sich die Gefäss
capillaren zu den Zcllennetzen, wie es vom Kalb, Hund etc. angegeben
wurde. In vielen niedren Wirbelthieren, nach meiner Erfahrung un
tcr den Amphibien, z. B. beim Frosch, Salamander, Triton, Pro-
teus, und noch schärfer unter den Fischen, bei Chimaera, den Pla-
giostomen, den Ganoiden, ist das Bindegewebsgerüst in hohem Grade
Leberzellen.
359
Fig. 19-
Aus der Leber der Rochen.
A Noch netzförmig zusammenhängende Leberzellen , herausgespült aus dem
Läppchen ; sie sind stai-k fetthaltig.
B Ein Stück des bindegewebigen Gerüstes der Leberläppchen : a die Ilohlräunie,
befreit von den Zellen, b noch mit den Zellen gefüllt, c ein Anfang des Ductus
hepaticus. (Starke Vergr.)
deutlich , und ebenso schon für dcas freie Auge die Umrisse der
Läppchen. Jedes Läppchen, bei Selachiern z. B. von polygontaler
Form in der Mitte die Centralvene und aussen mit dunklerer Ein-
fassung, besteht aus einem bindegewebigen. Fachwerk, das die Ge-
fässe trägt und die netzförmigen Hohlgänge der Bindesubstanz sind
von den Sekretionszellen eingenommen. Die Leber junger Larven
von Salamandra maculata ist wohl geeigenschaftet, um den Bau dieses
Organes am mühelosesten erkennen zu lassen. Man sieht hier klar, dass
netzförmig verbundene Schläuche mit noch lichten Inhaltszellen die
Drüse zusammensetzen. Später geht der röhrenförmige Bau durch
zahlreiche Anastomosenbildung unter und das Drüsengerüst repräsen-
tirt alsdann vielmehr ein Cavernensystem. — Nach Remak weicht
die Leber der Fische von jener der übrigen Wirbelthiere darin
ab, dass hier die Hohlgänge der Bindesubstanz mit den Leberzellen
darin (der genannte Forscher gebraucht hiefür den Ausdruck Leber-
cylinder) einfach blind geendigt seien^ ohne netzförmige Verbindungen.
Mir schien es , als ob die Fische in diesem Punkte mit den übrigen
Wirbelthieren übereinkommen.
§. 328.
Was die Beschaffenheit der Leberzellen betrifft, so ist ihre
Membran häufig (bei Amphibien, Vögeln z. B.) eine so zarte Hülle,
dass sie nach Wasserzusatz alsbald vergeht ; bezüglich des Inhaltes
\st man etwas betroffen über die Erscheinung, dass die Leberzellen
entweder constant oder vorübergehend in manchen Lebensperioden
so prall mit Fetttropfen angefüllt sind, dass sich die ganze Leber
in diesem Punkte wie eine grosse Talgdrüse verhält, auch dann nicht
mehr rothbraun, sondern grauweiss aussieht. Von dieser Art ist z. B.
die Leber der Plagiostomen und Chimären; macht man in
3(30 Von der Lelier der Wirbelthiere.
die weiche Leber der Chimaera monstrosa Einschnitte, so sammelt
sich sogleich das Fett in der Tiefe der Einschnitte in flüssiger Form
an. Auch die Leber des Polypterus, des Peristedion catapirracta ist
sehr fettreich , beim Stör können die Zellen fetthaltig sein oder auch
bloss eine feine Punktmasse enthalten. Aehnliche wechselnde Zustände
beobachtet man bei andren Fischen, Amphibien, Vögeln und Saugern;
bald haben die Zellen lediglich ein feingranuläres Contentum, bald
sind kleine Fettpünktchen beigemischt, bald gewinnen letztere das
Uebergewicht. In neugebornen Ratten sind die Leberzellen sehr fett-
reich. — Bei Fischen und Batrachiern zeichnet sich mitunter auch die
Leber durch ein Uebermaass von Pigment häufen aus, an einem
Proteus z. B. bestand das Leberparenchym aus gleichen Theilen Leber-
zellen und schwarzbraunen Pigmentmassen.
§. 329.
Die Gallenblase und die Gallenwege besitzen bei grösseren
Säugethieren, z. B. dem Ochsen, eine starke, aus glatten Fasern be-
stehende Muskulatur, die indessen wenigstens in einfacher Lage, wie
ich sehe, auch dem Gallengang der Vögel (Taube z. B.) nicht fehlt.
(Die Gallenblase des Hundes fand Brücke ebenfalls contraktil). Der
Gallcngang der Plagiostomen {Baja batis, Torj^edo Galvanii, Spinax
niger , hier über Zoll weit zwischen Muskel- und Schleimhaut des
Darmes abwärts laufend, bis er einmündet) hat ebenfalls glatte Mus-
keln, vermisse sie jedoch in der Gallenblase der Knochenfische, Ba-
trachier und Vögel. Die Schleimhaut der Gallenblase hat bei den
niederen Wirbelthieren (Amphibien, die Mehrzahl der Fische) eine
meist glatte Innenfläche, bei den Rochen [Bay'a clauata) erhebt sie sich in
Falten , die nach dem Ausführungsgang zugehen und sich zum Tlit-il
netzartig verbinden. Im Bodeii der dadurch entstandenen Maschen
treten weitere sehr niedrige sekundäre Fältchen auf. Die Falten setzen
sich in den Ausführungsgang fort. Die Schleimhaut des Gallenganges
Fig. 193.
Ä?-
m'
a
6
Stück des Gallenganges von Torpedo. •*•
;i dio bindegewebige WjuhI , nacli innen zu die Menil)ran,i pmiiria der scblauch-
förniigcn Drüsen 1) l)ildend, nach aussen mit dem Hindegewebsstratuni der Serosa
verscliniolzeii und überdeckt von den Plattenzellen c, d das Kiiitlicl in der
Lichtung des Kaiiales.
Von der Leiber der Wirbellosen. 361
hat bei Rochen und Chimaera monstrosa schlauch f ö r m i g e Drüsen,
bei Vögehi (Taube) fehlen Drüsen , bei Säugern sind sie vorbanden.
Wedl hat darüber am Pferd, Hund, Schwein, Schaaf Untersuchungen
angestellt: es seien traubenförmige Drüsen und beim Pfei'd habe er
eine Membrana intima in den Endbläschen wahrgenommen (Sitzb.
d. Wien. Akad. 1850 II.). Auch von den Beutelthieren (Känguruh,
Dideljjliis, Phalangista) wird angegeben, dass die Wände des Gallen-
ganges „mit Schleimfollikeln besetzt" seien.
Das Epithel der Gallenwege ist überall ein Cylinderepithel,
dessen Kerne bei Salamandra macidata nicht in der Mitte, sondern in
der unteren Hälfte der Zellen liegen. Bei Fröschen wimpert im Em-
bryonalzustande das Epithel des Gallenganges [Remak, Corti), bei
Petromyzon zeitlebens {Leydig).
Bichon Blumenbach (Handb. der vergleichend. Anat.) machte die Bemerkung,
dass die Leber mehrer, übrigens beinahe fettloser Fische, z. B. des Rochen und
Kabeljau von Thran strotzend gefunden werden. — Bei mehrem Hausgeflügel wird
bekanntlich auch unter Einschränkung der Muskelbewegung und reichlicher Zul'uhr
von Nahrung der Fettgehalt der Leber bedeutend vermehrt , sowie ihre Grösse
gesteigert.
Im Inhalte der Gallenblase beobachtet man auch mitunter ausser abgelösten
Epithelzellen noch andere geformte Theile. Bei einer kleinen Solea des Mittel-
meeres fand ich in der Galle lange, gegliederte Körper von gelblichem Aussehen,
von denen sich zum Theil eine zarte Hülle abhob. Diese Gebilde lagen in Bün-
deln beisammen. In der Gallenflüssigkeit eines Landsalamanders, der 3 — 4 Monate
in der Gefangenschaft ohne Nahrung zugebracht hatte, sah ich in grösster Menge
geschichtete Massen mit oder ohne einen Centralkörper von hellem, gegen die
Mitte zu etwas gelblichem Aussehen; im Centrum lag häufig ein scharf conturirter,
sich wie Fett ausnehmender Körper. Es konnten selbst mehre dergleichen ge-
schichtete Massen zusammen wieder einen Centralkörper vorstellen und von an-
deren Schichten umschlossen werden. Das Ganze machte so ziemlich den Eindruck
von Colloidmassen.
Zweinnclclreissigster Abschnitt.
Von der Leber der Wirbellosen.
§. 330.
Wo bei den wirbellosen Thieren eine Leber als selbständiges,
von dem Darm getrenntes Organ wahrgenommen wird, wie bei Kreb- cgaues.
sen, den Arachniden, den Mollusken, besteht sie immer aus der binde-
gewebigen Tunica propria und den Sekretionszellen. In den Umrissen,
welche das Drüsengestell einhält, unterscheidet man zwei Formen, den
blindsackförmigen und den seh wammigen oder cavernösen
Typus. Die Leber ist nämhch entweder durch wenige, einfache^,
Arcliitek-
tonik des
362
Von der Leber der Wirbellosen.
Feinerer
lla\i.
kurze; unverzweigte Blindsäcke repräsentirt (Entomostraka , Phyllopo-
den) , oder die wenigen Blindsäcke sind lange Schläuche : Isopoden,
Ampliipoden (unter den Mollusken bei Creseis nach H^ixley und
Gegenbau7-), oder sie verästeln sich (Argidus , unter den Mollusken
bei den Eolidiern) , und werden sehr zahlreich bei den Cirripedien
und den höheren Krebsen. Eine ähnliche follikulöse Leber haben auch
unter den MoHusken die Bivalven, manche Gasteropoden und Hetero-
poden, so z. B. Ostrea, Cyclas, Dreissena, wo die Follikel kurz und
wenig vom Hauptgang abgeschnürt sind, Unio , Änodonta , wo die
Follikel länger sind. Bei Atlanta erscheint die Leber nur als ,,ein
spärlich ausgebuchteter Drüsenschlauch", bei Pneumodermon sind die
Leberschläuche kurz, cylinderisch , hie und da verästelt und ohne ein
gesondertes Organ vorzustellen, sind sie mit dem Magen innig ver-
bunden. Indem nun aber die Follikel sich vielfach theilen und ana-
stomosiren, entsteht die cavernöse Bescliaffenheit der Leber und da-
mit eine Annäherung an die Leber der Wirbelthiere. Schon an der
Leber von Limax, Paludina vivipara und andrer Gasteropoden ist eine
solche Umbildung nachzuweisen, noch mehr bei Thetijs, Doris, Tritonia,
wo die Leber ein maschiges Aussehen darbietet, vielleicht ist auch die
von Carnnarta, Firola von dieser Beschaffenheit. Eine cavernöse Leber
scheint auch Squilla zu besitzen. Es bedarf wohl kaum der Bemerkung,
dass sich zwischen dem einfach follikulären und dem cavernösen Leber-
typus dieselben Uebergangsformen finden, wie man sie bei der embryona-
len Entwicklung der Leber der Wirbelthiere sich vor Augen führen kann.
§. 333.
Die Tunica propria der Leberschläuche ist meist eine ganz
liomogene Haut, bei Paludina geht sie nach aussen in gewöhnliches
Bindegewebe über, dessen Zellen zum Theil Kalk, zum Theil gelbes
und weisses Pigment aufgenommen haben, was, wenn es in reichlichem
Maasse geschehen ist, dem Durchschnitt der Leber ein zierliches,
weissgegittertes Aussehen giebt. Von allgemeinem Interesse ist ferner,
dass um die Tunica propria herum Muskeln angebracht sein können.
Ich habe dergleichen sowohl im Bauchfellüberzug der Leber, als auch
zwischen den Follikeln bei Paludina gesehen, kenne sie ferner auch
auf den Leberschläuchen mancher Krebse {Oidscus, Oammarus z. B.),
Fig. 194.
Ende eines Leb orscli lauclics von Ganimarus.
a Tunica propria, b die Sekrctionszellen, c die Intiina, d die Kingnuinkeln.
Gasteropoden, Arthropoden. 363
und zwar sind sie hier im Einklang mit der Darmmuskulatur circulär an-
geordnet, verkaufen auch wohl nach der Länge und verbinden sich zu
Netzen. Zu äusserst, also über diesen Muskeln, folgt noch ein zarter,
bindegewebiger Ueberzug, das Analogon der Serosa des Darmes.
Die Sekretionszellen, der Innenfläche der Tunica propria an-
liegend, hängen unmittelbar mit dem Darmepithel zusammen, und da
letzteres häufig flimmert, so erstreckt sich die Bewimperung z. B. bei
den Mollusken mitunter auch in die Ductus hepatici, sehr selten aber
bis in die Endfollikel der Leber ; ich wüsste gegenwärtig nur Cyclas
und vielleicht auch die Cephalopoden (wie es mir nach früheren Be-
obachtungen schien) als Beispiel aufzuführen. Oegenhaur glaubt auch
einigemale in einem Acinus von Pneumodermon Wimperbewegung
gesehen zu haben und meldet sie auch vom Magenblindsack der
Creseis , der nach ihm und Huxley entgegen Joh. Müller das Ana-
logon der Leber ist. Die eigentlichen Sekretionszellen der Leber
sind bei allen andren Mollusken, soweit meine Erfahrung reicht, cilien-
los. Was den Inhalt der Leberzellen betriflft, so ist er dem der
Wirbelthiere sehr ähnlich, entweder erscheint das Contentum als eine
blass granuläre Masse, oder als gelbbraun gefärbte Körner; in Cyclas
bildet das ausgeschiedene Sekret der Leberzellen eigenthümliche,
fadenförmige Gebilde zwischen den Zellen {Müll. Arch. 1854 S. 53).
— Unter den Leberzellen von Embryonen der Paliidina vivij^ara am
Ende des Eilebens sah ich auch einzelne mit flüssigem, gelbgefärbten
Inhalt und mehren gelben , spiessigen Krystallen. In der Leber der
Helix hortensis fand ich ferner zur Zeit des W^interschlafes die Galle zum
Theil unter der Form von braunen geschichteten Kugeln (Gallensteinen?).
Sehr allgemein sind die Leberzellen fetthaltig, und zeitweise kann sogar
Fett den alleinigen Zelleninhalt ausmachen. — In den Leberfollikeln der
Anodonta cygnea ist die Ausbreitung der Drüsenzellenschicht nach
H. Mechel auf vier longitudinale Streifen beschränkt, die am Centrum
des blinden Endes zusammenlaufen. Bei den Arthropoden zieht noch in
der Leber eine homogene, hautartig consolidirte Cuticula über die
Sekretionszellen weg, die mit jener des Darmes in unmittelbarem Zu-
sammenhang steht. Karsten hat sie zuerst von der Leber des Krebses
bekannt gemacht, ich sehe sie bei Arg^dus, Gammarus, Oniscus u. a.
§. 332.
Es giebt aber auch eine Anzahl von Thieren, bei welchen das
Darmrohr keineswegs sich zu Leberschläuchen aussackt, sondern wo
die braunkörnigen Leberzellen unmittelbar in der Magen- oder Darm-
wand sich finden. Dies ist selbst bei dem niedrigsten Wirbelthier
(Branchiostoma) der Fall, ferner bei mehren Arthropoden
(Larven von Myi-meleon formicarius z. B., Rotatorien) und Ringel-
würmern. Im Magen der Rotatorien und des Ameisenlöwen vertre-
ten diese grossen (bei den Rotiferen wimpernden) Leberzellen die
Stelle des Epithels, hingegen bei den Annulaten {Nais, Chaetoyaster y
86 4 ^011 der Leber der Wirbellosen.
Lumhricus) liegen sie aussen am Darm, das Lumen des Nahrungs-
rohres begrenzt hier eine farblose Zellenschicht, die wieder in eine
Cuticularsaum ausgebt, auf dem die Cilien sitzen. Diese Leberzellen
haben bei Lumbricinen (auch bei Piscicola) eine retortenförmige Ge-
stalt und erinnern damit an einzelh'ge Drüsen.
logisches.
cC
Cü
Der Darm von Nais im senkrechten Durchschnitt. (Starke Vergr.)
a Tunica propria , b die Leberzellen, c Darmepithel, d Litima mit den Cilien.
§. 333.
physio- Hinsichtlich der näheren Thätigkeit der einzelnen, das Verdauungs-
system zusammensetzenden Organe, haben wir bei unserer Unkennt-
niss über die Lebensökonomie der meisten Thiere nur spärliche An-
haltspunkte, wesshalb ich darüber nur einige flüchtige Bemerkungen
einschieben will. Schon die Funktion jener Drüsengruppe, die wir
nach morphologischem Eintheilungsprincip unter dem Namen Spei-
cheldrüsen zusammenfassen, scheint der speciellen Lebenszwecke
halber sehr abzuändern. Bei Wirbelthieren dient das schleimartige
Sekret hauptsächlich, um die Speisen einzuweichen, die Ballenbildung
und das Niederschlingen zu erleichtern, doch kann nicht abgeläugnet
werden, dass über diese mechanische Leistung hinaus die Speichel-
flüssigkeit den eigentlichen Verdauungsakt dadurch einleitet, dass eine
Umwandlung des Stärkmehls in Zucker in der Mundhöhle beobachtet
wurde. Es kann aber auch bei manchen Thieren eine förmliche Vor-
verdauung in der Mund- und liachenhöhle statt finden , wozu ich als
Beispiel die Larve von Corethra i^hiTnicornis (s. Ztsch. f. w. Z. 1851,
S. 449) anführe. Hier kommt das ganze , von der Larve erhaschte
und in den Pharynx eingetriebene Thier, nicht über diesen Abschnitt
des Nahrungsrohres hinaus, indem eine bestinnntc flschreusenähnliche
Vorrichtung allen festeren Theilen den Durchgang zum Schlund ver-
wehrt: es bleibt dabei- im Pharynx der verschhickte Wasserfloh z. B,
so lange liegen , bis seine der Einverleibung fähigen Stofte von ihm
ausgezogen sind. Diese können in flüssiger. Form die Fischreuse pas-
siren und gehen durch den engen Schlund, und es darf hier wohl
mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen wei'dcn, dass bei dieser
Vorvci-duuung im Pharynx das Sekret der Speicheldrüsen, welches
sich im Spciclielbehältcr angesammelt haben kann, eine mitwirkende
Physiologisches über die Verdauungsorgane. 365
Rolle spielt. Das Chitinskelet des eingewürgten Thieres aber muss
wieder durch die Mundöffnung auswandern, wobei eine theilweise oder
selbst gänzliche Umstülpung des Pharynx erfolgt. — In anderen Fäl-
len nimmt das Sekret von einzelnen Speicheldrüsen eine spezifische
Natur an, so wird die Parotis gewisser Schlangen durch Absonde-
rung einer tödtlichen Flüssigkeit zu einer Giftdrüse, auch bei
manchen Insekten, vielen Hemipteren z. B. , übt das Sekret eine rei
zende Wirkung auf die Wunde. Bei anderen Insekten , wo man obere
und untere Speicheldrüsen unterscheidet, ist das Sekret derselben
von verschiedener Natur; bei der Honigbiene z. B. scheiden die „un-
teren Speicheldrüsen" eine zähe das Licht stark brechende Materie
ab, die wahrscheinlich ein Kittstoft" ist, um die aus den Leibesrin-
gen schwitzenden Wachsstückchen zu verbinden ; bei der Ameise
scheint ebenfalls das Sekret der unteren Speicheldrüse zum Auskitten
ihres Baues zu dienen [H. Meckel), u. s. f. —
Der Schlund hat die einfache Funktion der Fortbewegung der
Speisen und diese wird bei Säugern, Fischen und Arthropoden schnel-
ler vor sich gehen, als bei andern Thieren, da dort die Muscularis
aus quergestreiften Fasern, hier aus glatten gewebt ist. — Auf die
eigenthündiche Beziehung, welche das Epithel des Kropfes (bei Tau-
ben) zur Abscheidung eines milchähnlichen Saftes hat, wurde oben
bereits hingewiesen.
Jene Magenabtheilungen der Wirbelthiere, welche der Drü-
sen ermangeln, dürfen wohl für blosse Behälter der Nahrung ange-
sehen werden, um sie aufzubewahren und zu durchweichen. Die
eigentliche Verdauung oder die Auflösung der Speisen in einen an-
gesäuerten Brei , den sog. Chymus, erfolgt in den mit Labdrüsen ver-
sehenen Magenportionen. Die Sekretionszellen der Magendrüsen schei-
nen übrigens, ähnlich wie die Epithel-Zellen der Darm- und ande-
rer Schleimhäute , von zweierlei Art zu sein , Zellen mit klarem Inhalt
und Zellen mit dunkelgranulärem Contentum und Manches spricht
dafür, dass die Magendrüsen mit den Sekretionszellen der ersten Art
für die Verdauung wirksamer sind, als die Drüsen, deren Zellen
einen hellen Inhalt haben.
In dem Darm erfährt zwar der Speisebrei noch mancherlei Um-
änderungen, hauptsächlich aber geschieht in ihm die Aufsaugung der
gelösten Stoffe in die Blut- und Chylusgefässe. Für die Aufnahme
der Fettmolekule aus der Darmhöhle zunäclist in die Epithelzellen
und von da weiter bis in die Chylusräume müssen wir eine Porosität
der organischen Häute statuiren, und au der verdickten hellen End-
fläche der Cylinderzellen des Darmes ist auch eine in neuester Zeit
bei Wirbelthieren und manchen Arthropoden beobachtete feine senk-
rechte Streifung auf sichtbare Porenkauäle gedeutet worden.
Ueber die Function desPancreas und der Leber schwimmen
bekanntlich noch die Ansichten, und ich möchte im Hinblick auf das
366 Von der Leber der Wirbellosen.
letztere Organ nur mit einigen Worten auf den Inhalt der Leberzel-
len zurückkommen.
H. Meckel folgert aus seinen Beobachtungen, dass in der Leber
des Krebses und der Mollusken zwei spezifisch verschiedene Arten
von Zellen zugegen seien , von denen die einen den GallenstofF, die
anderen das Fett secerniren. Ich kann dieser Ansicht nicht das Wort
reden, und so wenig in der Reihe der Wirbelthiere eine derartige
Scheidung der Leberzellen zulässig ist, vermag man sie für die Wir-
bellosen aufrecht zu erhalten. Dieselbe Zelle producirt Fett und pro-
ducirt Galle lediglich durch Umwandlung ihres Inhaltes , und zwar
erscheint das Gallenfett als Vorläufer des Gallenstoifes. Die oben
mitgetheilten Thatsacheu von dem ungemeinen Fettreichthum der Le-
berzellen (bei Selachiern z. B.) machen bemerklich, dass bei gewis-
sen Thieren das Fett das Ilauptsekret der Leber ist und seitdem
man von der Bereitung des Zuckers in der Leber weiss, darf man
auf Beziehungen zwischen beiden Stoffen rathen. Ich habe auch
schon früher eine Beobachtung über Paludina vivipara berichtet
(Ztsch. f. w. Z., 1849) die mir damals zu zeigen schien, „dass das
Fett im Haushalt der genannten Schnecke unter gewissen Umstän-
den den Gallenstoff substituiren kann." An Thieren nämlich, die sich
im Monat November zum Winterschlaf vorbereiten mochten, sah die
Leber, statt wie sonst gelb oder braun, jetzt weisslich aus und die
Leberzellen enthielten keinen Gallenstoff mehr, sondern nur Fettkör-
perchen. Im Magen, wo früher die Galle lange, von farbloser Sub-
stanz umhüllte Stränge bildete , fand ich die letzteren nur aus Fett-
plättchen zusammengesetzt. Bei anderen Exemplaren mit weisslicher
Leber bestand der Zelleninhalt und die erwähnten Stränge aus einer
feinkörnigen Masse (Fettmolekule?)
Ueber die Leber der Wir belthiere vergl. Remak in seiner Entwicklungs-
geschichte, Leydig, über Selachier, Ganoiden etc.; Leber der Wirbellosen
die Arbeiten von Meckel, Leuchart, Gegenhaur w. a. — Bezüglich der
„Leber" der eigentlichen Hirudineen zwingen mich meine Beobachtungen, von
der herrschenden Ansicht ganz abzugehen. Man spricht eigenthümliche , gelb-
braune, den Magen und Darm umspinnende Schläuche als Leber an; sie sollen mit
ihren Ausi'ülirungsgängen ineinander münden und auf der inneren Fläche des Darms
ihren Inhalt entleeren. Dieser Darstellung gegenüber getraue ich mir zu behaupten,
dass das Leber sein sollende Gewebe der Hirudineen eine andere Bedeutung habe,
es ist mit dem sog. Fettkörper der Artliropoden auf eine Stufe zu
stellen. Seiner Zusammensetzung nach besteht es aus Zellen, die verschieden
gross und von wechselnder Gestalt sind, rund, länglich, auch faserartig ausgezogen,
im anderen Falle verzweigt, die Fortsätze unter sich anastomosirend ; häufig vei"-
schmclzen sie ferner zu Röhren mit halbkugligen Ilervortreibungen, kurz es kehren
eigentlich alle die Gestaltvcränderimgen wieder, welche die den „Fettkörper" der
Arthropoden compouirendcn Zellen sehen lassen. Den Zelieninhalt bildet bei
Hiriido, llaeniopis, Nephelis eine braune Körnermassc, in stärkerer oder geringerer
Füllung. Gleichwie nun der „Fettkörper" der Arthropoden mit der äusseren Haut
der Tracheen, der Eingeweide etc. in Continuität steht, so tritt auch das irrtbüm-
Von den Respirationsorganen des Menschen. 367
lieh bisher für Leber geltende Gewebe der Hirudineen mit den bindegewebigen
Ueberzügen aller Eingeweide in Verbindung, es umhüllt nicht bloss den Traktus,
sondern bildet auch den braungefärbten Ueberzug der Hodeublasen , die Tunica
adventitia der Gefässstämme , die braune, lockere Hülle des Nervensystemes etc.,
mit einem "Wort diese „Leber" ist eben eine Form der Bindesubstanz, welche bei
Mangel einer eigentlichen Leibeshöhle die Zwischenräume zwischen den Organen aus-
füllt und sie umgiebt. Auch noch in anderen Beziehungen ist die Aehnlichkeit mit
dem „Fettkörper"* nachzuweisen. Obschon nämlich die braungefärbten Kürner die
Hauptmasse der Zellen erfüllen , so sieht man doch [Uaemojns z. B.) zwischen
solchen braungefärbten Netzen andere Stränge, deren Zellen farblose fettartige
Kügelchen zum Inhalt haben iind, was sprechend ist, bei Clepsine, Piscicola ersetzt
ein schönes , unbezweifelbares Fettgewebe die Stelle der braungefärbten Netze.
Wo die Zellen durch ihre Ausläufer ein Maschenwerk erzeugen , liegt Gallerte in
den Räumen. — Ausser der Untersuchung frischer Thiere ist folgendes Verfahren
zu empfehlen. Man wirft den lebenden Egel einige Minuten in heisses Wasser
trocknet ihn alsdann und macht feine Querschnitte durch das ganze Thier, die
man in leicht angesäuertem Wasser wieder aufweicht. Solche Präparate lehren
deutlich, dass das Bindegewebe, welches von der äusseren Haut an, durch die
Muskelbündel hindurchziehend, alle Organe verbindet, in seinen zelligen Ele-
menten au vielen Körperstellen mit braungefärbten Kügelchen erfüllt sein kann,
dass diese färbende Materie im Innern des Körpers aber von derselben Natur ist,
wie der braune Farbstoff der äusseren Haut.
Bemerkungen über die Leber der Insekten finden sich unten, wo von den
Harnorganen der Wirbellosen die Rede ist.
Dreiunddreissigster Abschnitt.
Von den Eespirationsorganen des Menschen.
§. 334.
Die zu den Athraimgs Werkzeugen zählenden Organe: der Kehl-
kopf, die Luftröhre uud die Lungen, welche von einem allge-
meineren morphologischen Standpunkt aus betrachtet, in ihrer Ge-
sammthcit das Bild einer grossen traubenförmigen Drüse gewähren,
bestehen aus Gefäss- und Nerventührender Bindesubstanz, Muskeln
und zelligen Ueberzügen. Im Embryo keimen diese Theile als Aus-
stülpungen der vorderen Schlundwand, die selbst wieder aus einem
Epithelialrohr und einer Faserhaut zusammengesetzt ist. Letzteres
liefert das Gefäss- und Nervenführende Bindegewebe, ersteres die
zelligen Lagen.
Entsprechend den Umrissen einer traubenförmigen Drüse, endi-
gen die Bronchien in die trichterförmi gen Räum e {Infundibula,
Rossignol, Adriani) , an deren Wänden die Lungenzellen {Al-
veoli parietales) sich befinden. Nach Adria7ii ka,nn ein Bronchiolus
mit einem oder auch mehren Infundibula besetzt sein. Man verge-
genwärtigt sich den Bau der Lungenbläschen am besten, wenn man
3(38 Von deu Respirationsorganeu des Menschen.
sich darcan licält, dass ein einziges Infundibulum der Menschen (und
Säuo-ethier-) Lunge einer ganzen Froschlunge mit ihren Alveoli -pa-
rietales gleichzusetzen ist.
§. 335.
Die Bindesubstanz tritt im Kehlkopf, der Luftröhre und den
Bronchien, um für diese Theile ein festeres Gestell, ein Skelet her-
zurichten, unter der Form verschiedener Knorpel auf, von denen
die einen, nämlich der Schildknorpel, Ringknorpel, Giessbecken-
knorpel, die Knorpel der Trachea und Bronchien zum Hyalinkn or
pel gehören, während der Kehldeckel, die Santorini&chen und
Wrishei-g'^chew Knorpel den Faserknorpeln sich anschliessen.
Die Corpuscula triticea zeigen bald mehr die Natur von Hyalin-,
bald mehr von Faserknorpel. Li den feinsten Bronchien verlieren
sich die Knorpelblättchen. — Die hyalinen Kehlkopfsknorpel ossifi-
ziren nicht selten theilweise und sind dann gefässhaltig.
Fig 196.
Durchschnitt durch die Schleimhaut der Luftröhre,
a das Flimmereijitliel , b Bindegewebsstratum der Mucosa, c traubenförmige
Schleimdrüse. (Starke Vergr.)
Zur Verknüpfung der Knorpel verdichtet sich ferner die Binde-
substanz zu zahlreichen Bändern, die sehr reich an elastischen
Fasern sind oder auch fast nur aus solchen Elementen zusammen-
gesetzt sich zeigen, und alsdann eine hellgelbe Farbe haben. Die
elastischen Fasernetze sind von der feineren Varietät. Das Binde-
gewebe bildet ferner die gefäss- und ncrvenhaltige Grundlage der
Sclileimh aut, deren Eigcnthümlichkeit sich darin zeigt, dass sie
sich nicht in Papillen erhebt und einen ganz besonderen Reichthum
an elastischen Faserzügen hat. Schon in der Trachea gewinnen die
(dastischen Elemente eine grosse Ausdehnung, so dass sie zum Theil
allinählig als liauptconstituens der Mucosa ersclieinen, was noch auf-
fälliger wird in den feineren Luftröhrenästen, und zuletzt besteht die
häutige Grundlage der Eiulbläschcu an den dünnsten Bronchialzwei-
gcu fast lediglich aus elastischem Gewebe.
Lungen.
369
Im Kehlkopf, der Luftröhre und tief in die Bronchien hinein,
nach Rem ah sogvar in den feinsten Bronchien, buchtet sich das
Bindegewebsstratura der Mucosa zu trau b igen Räumen aus die
von Fortsetzungen des Epithels ausgekleidet, die Schleimdrüsen vor-
stellen; sie sind fast durchweg sehr zahlreich, stehen am Kehlkopfs-
eingang gehäuft, so dass sie sich hier schon dem freien Auge be-
merklich machen.
Fig. 197.
Das Endstück eines I[nftindibulums der Lunge mit drei Lungen-
bläsctien (Parietalzellen), von innen angesehen und in schematischer
Darstellung.
a Lungenbläschen , an dem das Epithel zu sehen ist , b Lungenbläschen , an
welchem das Epithel weggelassen wiirde, um die bindegewebige Grundlage der
Bläschenwand samrat den elastischen Fasern zu zeigen , c Lungenbläschen,
ebenfalls ohne Epithel, aber das dichte Capillarnetz versinnlichend.
§. 336.
Der zellige Ueberzug der Respirationsschleinjhaut ist im
Allgemeinen ein Flimmerepithel, das am Kehlkopfseingang beginnt
und sich durch die Luftröhre und deren Verästelungen verbreitet.
Die Cilien sind fein und die Richtung ihrer Gesammtthätigkeit geht
von innen nach aussen. Im Kehlkopf wird das Flimmerepithel un-
terbrochen durch ein geschichtetes Plattenepithel , das die oberen
Stimmbänder überdeckt {Rheiner). Ebenso verlieren sich die Ci-
lien in den Endbläschen der Bronchialausläufer. Das Epithel ändert
auch an den verschiedenen Lokalitäten der Schleimhaut insofern ab,
dass es im Kehlkopf, in der Luftröhre und den stärkeren Aesten der-
selben, im Einklang mit der grösseren Dicke des Bindegewebsstra-
tums der Mucosa, mehrschichtig erscheint, in den dünnhäutigen Bron-
chien aber zu einer einzigen Schicht herabsinkt, die dann, wie be-
merkt, in den Endbläschen selbst die Flimmerhärchen verliert, was
zuerst Remah, gegenüber von Henle und Valentin, hervorhob,
Loydig, Histologie. 24
370 Von den Respirationsorganen des Menschen.
§. 337.
Was die contra etilen Fasern des Respirationsapparates anlangt,
so sind die Muskeln des Kehlkopfes quergestreift , die der Luftröhre
und Bronchien sind glatte Bündel, deren Sehnen, wie KöUiker ge-
zeigt hat, ganz aus elastischen Fasern zusammengesetzt sein können.
Die Endbläschen scheinen ohne Muskeln zu sein.
Die Lungen haben ein zweifaches Gefässystem, von denen das
eine, die Lungcngefässe, das Blut, welches athmen soll, enthält, das
andere oder die Bronchialgefässe zur Ernährung des Lungenparenchyms
dienen. Zu beschreiben, wie diese verschiedenen Gefässe im Speciellen
verlaufen, liegt ausser dem Kreise dieser Darstellung. Hier genügt zu
erwähnen, dass das Capillarnetz, welches von der bindegewebigen Wand
der Lungenbläschen getragen wird, eines der allerdichtesten des ganzen
Körpers ist, so dass im angefüllten Zustande desselben nur schmale
Liselchen der bindegewebigen Grundlage zwischen den Capillaren
übrig bleiben.
In Betracht der Lungennerven, welche vom Vagus und Sym-
pathicus kommen, ist erwähnenswerth, dass sie, die Bronchien be-
gleitend und ihren Verzweigungen folgend, in zahlreiche kleine Ganglien
anschwellen {Re m a k).
Die schwarzblaue Farbe, welche die Lunge des Erwachsenen
hat, rührt her von Pigmentkörnern, welche meist im Bindegewebe
zwischen den Läppchen oder auch im bindegewebigen Gerüste der
Lungenbläschen selber abgelagert sind.
An der äusseren Fläche der Lungen gestaltet sich das die grösse-
ren und kleineren Gruppen der Lungenbläschen zusammenhaltende
J^indegewcbe zu einer abgrenzenden Haut, die sammt dem sie decken-
den Plattcnepithel als seröser Ueberzug der Lunge {Pleura) bezeich-
net wird. Durch LuscJih-a ist man auf zottenartige Verlängerungen
aufmerksam geworden, die am Rande der Lungenflügel durch die
Serosa gebildet werden. (Aehnliche Appendices linden sich auch in
den Synovialkapseln und aui Visceralblaft des Hodens.)
§. 338.
sci>iM.i.iiyo. In einen gewissen anatomisclien Zusammenhang mit den Luft-
wegen tritt die Schilddrüse, Glandula tliiireoidea^ welche nach
Re'mak durch Abscimürung eines Thells der vojik'rcn Schlundwand
sich bildet. Gleich anderen di-üsigen Organen besteht sie aus Binde-
gewebe und zelligen Elementen. Das Biudegewebe bildet zunächst
um das ganze Organ eine feste Hülle, dann in's Innere dringend
grenzt es allseitig geschlossene Blasen ab und die unmittelbare
Coiitursciiicht der Bindesubstanz, welche, wie anderwärts, unter der
Gestalt eines hellen Saumes die eigentliche Wand des Follikels formt,
kann als Membrana propria unterschieden werden. Selbstverständlich
ScLilddrüse. 371
ist die Bindesubstanz zugleich der Träger der so überaus reichlichen
Blutgefässe, der Lymphgefässe und der wenigen Nervenfasern. Die
Innenfläche der Follikel wird von einer einfachen Zellenlage ausge-
kleidet und der übrige Hohlraum von einer farblosen Flüssigkeit er-
füllt. Ausserdem beobachtet man sehr gewöhnlich noch homogene,
festweiche Kugeln im Inneren der Schilddrüsenblasen, die unter dem
Namen Colloid bekannt sind und mitunter den Raum des Follikels
ganz einnehmen. Man schreibt ihnen eine pathologische Natur zu,
eine Annahme, welche durch Untersuchungen an Thieren (s. unten)
keineswegs gestützt wird. Dagegen ist es erfahrungsgemäss, dass die
menschliche Schilddrüse sehr häufig entartet, wobei die Follikel unter
Zersetzung ihres Epithels und Ueberfüllung mit Colloid sich zu grösseren
Hohlräumen ausdehnen und zu Cysten zusammenfliessen.
Die Schilddrüse entbehrt bekanntlich eines Ausführungsganges.
Ueber das Epithel in den Lungenbläschen des Menschen herrscht im Augen-
blicke einige Uneinigkeit unter den Beobachtern ; die Einen nämlich lassen es ganz
oder theilweise fehlen, während Andere die Anwesenheit eines vollständigen Epithels
behaupten. Vergl. auch unten §. 344 Anmerkung.
Vieruuddreissio-ster Abschnitt.
'ö
Von den Respirationsorganen der Wirbelthiere.
§. 339.
Die Lungen der Wirbelthiere spiegeln in ihren Umrissen immer
das Bild einer Drüse wieder und leicht ist es, sich die verschiedenen
Abstufujigcn von einfacher bis zusammengesetzter Bildung vorzufüh-
ren. Die Tri tonen bekannthch haben ganz simple Lungensäcke,
bei den F rose he n u. a. entstehen durch Vorspringen von Septen
auf der Innenfläche rhomboidale Maschen, auf deren Flächen zum
zweitenmal kleine Waben zum Vorschein kommen und bei den höhe-
ren Ordnungen! der Reptilien kann die Lunge durch fortgesetzte Ver-
mehrung der Dissepimente eine mehr parenchymatöse Natur anneh-
men. Bei den Vögeln besteht die Lunge aus häutigen Röhren und
Pfeifen, welche in die Bronchien offen sind und welche man dem primä-
ren Lungensack der Amphibien für gleichwerthig ansehen kann. Die
Wände der Röhren werden wiederum mit einem feinen Netz von
kleinen Scheidewänden überzogen, wodurch gleich den Waben der
Amphibienlunge meist sechseckige Höhlchen entstehen, und auch
24*
372 Von den Kespiiationsorganen der Wirbelthiere.
in jetler Masche dieses Netzes liegen noch kleinere sechseckige Räume,
welche wir den Endbläschen der Öäugethierlungen vergleichen
dürfen,
§. 340.
Das Bindegewebe, welches das Gerüst der Lungen liefert, er-
scheint bei Säugern und Vögeln dergestalt von elastischen Ele-
menten durchwebt, dass sie nahezu die Grundmasse des ganzen
Lungengestelles ausmachen, während in der Lunge der Reptilien , wo
Muskeln sehr verbreitet sind, die elastischen Fasern zurücktreten.
— Am Kehlkopf, der Luftröhre und ihren Verzweigungen modificirt
sich die Bindesubstanz, um diesen Theilen eine festere Stütze zu ge-
währen, in einzelne Knorpelst iick e, welche bei Säugern öfters
gleich beim Eintritt in die Lungen aufhören {Sus , Meles , Erinaceus
u. a.), oder sie sind noch w^eit in die Lungen zu verfolgen (Wieder-
käuer, viele Fleischfresser, Equus u. a.), bei Vögeln (dem Reiher z. B.),
kann ich ihnen gleichfalls über Zoll weit in die Lungen nachgehen.
Auch bezüglich höherer Reptilien {^(Jrocodü'^s, Monitor) wird die An-
wesenheit von Knorpelstreifen in den Lungen gemeldet, was ich
wenigstens für die Schildkröte bestätigt linde. Die Knorpel sind iVus-
läufer der Bronchialringe und erhalten die Eingänge in das Maschen-
netz ausgespannt. Bei Lacerta ayilis existiren nur an der Lungen-
wurzel noch die Knorpelstreifen, wie man gut sieht, wenn die Lunge
im Ganzen herausgenommen und mit Kalilauge behandelt wird , wo
sich dann zeigt, dass Streifen hyalinen Knorpels von einfacher oder
ästiger Form in die Lungenbalken ausstrahlen und zuletzt als Knor-
pelinseln aufiiören. R. Wagner giebt an, es scheine im Kehlkopf
von Salamandra und Triton „nichts Knorpeliges" sich zu finden, auch
sei die kurze Luftröhre vom Salamander bloss „häutig." Ich sehe
indessen mit aller Klarheit im Larynx der Salamandra maculata
Stücke aus schönem Hyalinkorpel als seitliche den Eingang begren-
zende Längsstreifen, dann in der Wand der „häutigen" Luftröhre zu
beiden Seiten 6 — 7 ebensolche hyalinknorpelige kurze llalbringe
Bei der Grösse der zelligen Theile dieses Thieres überhaupt, haben
auch die Knorpelzellen einen bedeutenden Umfang.
Die Knorpel der Respirationswerkzeuge können bei Säugern
theilweise ossifizircn; den Vögeln eigcntliümlich ist, dass die Knor-
pel des Kehlkopfs , der Trachea und Bronchien , sehr allgemein ganz
oder theilweise verknöchern. In den ossifizirtcn Tracheairingen sehe ich
(beim Staaren, dann einer Papageiart) schöne verästelte Markkanälchen,
die hauptsächlich in der Querrichtung verlaufen. Bei Tetrao soll nach
Nitzsch die Luftröhre nur Knorpel enthaUen , indessen finde ich bei
T. urogallus , dass auch da die Trachcaknorpel Ossifikationen haben,
freilich zum Theil nur schmale Streifen bildend, aber doch deutheh
vorlianden. An einer untersuchten Strix flamniea waren die Ringe
ohne alle Verknöchcrungcn. Die blasige Erweiterung des Larynx
Kehlkopf, Luftröhre. 373
hronchiah's besitzt eine sehr dicke Knorpelwand, und wie ich bei einer
jungen Ente bemerke, ist sie von zahlreichen verästelten Gefässkanälen
durchzogen, die für das freie Auge allerdings erst dann sichtbar sind,
wenn man den Knorpel in feine Scheiben schneidet , wobei sich die
Kanäle mit Luft füllen und durch ihren Silberglanz abstechen. Auch
im Bügel sind sie vorhanden. Die theilweisen Ossifikationen am Larynx
hronchialis sind ebenfalls sehr gefässreich. (Auffallend ist mir, dass
bei einem älteren Thiere , wo der Larynx hroncliialis fast ganz ver-
knöchert war, die knöcherne Wand nicht im Entferntesten die Dicke
der beschriebenen Knorpelwand besitzt.) Bei den Reptilien scheinen
die Knorpel des Larynx und der Trachea selten zu verknöchern, je-
doch möchte bei den Schlangen die Ossifikation allgemein sein, denn
ich nehme wahr, dass nicht bloss bei Python die Tracheairinge bis
auf einen knorpelig bleibenden Grenzsaum ossifizirt sind, sondern
auch bei Coluher natrix und Coronella laevis zeigen sich sämmtliche
Knorpelstücke vom Larynx an durch die Trachea bis hart an die
Lungen heran, verkalkt, und nur, wie bei Python, die Grenzschicht
erhält sich im knorpeligen Zustande. Das Knorpelgewebe ist sog. Zel-
lenknorpel, d. h. mit einem Minimum von Grundsubstanz zwischen
den Zellen , und der Kalk erscheint nur in den Intercellularstoff ab-
gesetzt, übrigens bildet sich nichts von Markräumen oder Havers'schen
Kanälen aus.
Am Kehlkopf der Säuger kommt Hyalin- und Faserknorpel vor,
letzterer z. ß. beim Ochsen mit sehr entwickelten Fasernetzen, der
Hyalinknorpel zeigt mir bei demselben Thier im Ring- und den Giess-
kannenknorpeln Kanäle mit Blutgefässen. Die Trachealknoi'pel der Säu-
ger können sehr fetthaltig sein {Vespertilio pipistrellus z. B.), bei den
Vögeln zeichnen sich diese Knorpel durch überwiegende Zahl der
Knorpelzellen aus, auch bei beschuppten Reptilien (wie ich es wenig-
stens an der reichlich von Pigment umsponnenen Trachea der An-
guis fragilis, sowie bei Coluher natrix sehe), walten die Zellen so
vor, dass die Grundsubstanz kaum in Spuren zugegen ist.
§. 34L
Der bindegewebige Theil der ]\[ucosa bildet bei Säugern und Vö-
geln im Kehlkopf und der Luftröhre die Timica propria von Schleim-
drüsen, welche bei Säugethieren eine traubige Form haben, be-
Vögeln (nach Untersuchungen am Reiher) nur kurze einfache Säck-
chen vorstellen. Am Larynx hronchialis der Ente erscheint mir unter-
halb der verdickten Knorpelwand auch die Schleimhaut polsterartig
verdickt, indem sie sich zu einer weissgelblichen, einige Linien dicken
elastisch-gallertigen^Lage umgewandelt hat , die bei mikroskopischer
Untersuchung als gallertiges Bindegewebe erkannt wird, Sie besteht
aus einem Maschenwerk verästelter und faserig ausgezogener Binde-
gewebskörper und die Zwischenräume sind mit einer Sülze gefüllt,
374 Von den Respirationsorganen der Wirbelthiere.
welche in Essigsäure gerinnt. Uebrigens überwiegt fast die Menge
des Fasergerüstes die der homogenen Zwischensubstanz, wesshalb auch
die Haut im Ganzen fester ist, als z. B. das gallertige Bindegewebe
im Embryo.
An den Stimmbändern, die in ähnlicher Weise verdickt sind, hat
die^sulzige Zwischensubstanz zugenommen und in Folge davon ist
auch die Weichheit dieser Portion grösser. Das Gallertgewebe ist
von Blutgefässen durchzogen. (An älteren Thieren mit fast ganz ver-
knöchertem Larynx hronchialts war die Schleimhaut nur gegen den
Anfang der Bronchien zu polsterartig verdickt.) Das Epithel der
Mucosa ist wohl durchweg ein flimmerndes, nur der zunächst für die
Stimmbildung dienende Theil des Kehlkopfes hat bei Säugethieren
und Reptilien cilienloses Plattenepithel, genauer angegeben haben
z. B. beim Hund die oberen und unteren Stinmibänder ein Plattenepi-
thel , ebenso beim Kaninchen ; bei der Katze beginnt Flimmerepitliel
erst unterlialb der Stimmritze {Rheiner)^ auch bei der Ratte sehe ich,
dass der Kehldeckel und die Stimmbänder ein geschichtetes Platten-
epithel besitzen, während der übrige Kehlkopf flimmert, und schon
aus früheren Beobachtungen war mir bekannt, dass beim Frosch und
der Eidechse das Epithel des Stinunbandes ein anderes sei, als das
des übrigen Kehlkopfes: hier lebhaft flimmernd und die Zellen mit
klarem Inhalt , dort flimmerlos und die Zellen mit körnigem Conten-
tum. Wie sich die Vögel am oberen und unteren Kehlhopf verhal-
ten, bleibt noch festzustellen, ich konnte zwar bei einer Ente anschei-
nend von allen Orten des Larynx hronchialis Flimmerzellen gewinnen,
allein zwischen den Fragmenten des Flimmerepithels waren zusam-
menhängende exquisite Plattenzellen zugegen; nur gelang es nicht,
(\^\\ eigentlichen Standort derselben zu bestimmen.
In den Lungenbläschen der Sänger und den Lungenzellen der
Vögel scheint nirgends ein Flimmerepithel zu existiren , ja es ist
mir bis jetzt nicht einmal gelungen, das Epithel in den J.uiigenzellen
der Viigel (Reiher, Taube) zweifellos zu sehen. Die Lunge der
Amphibien flimmert bekanntlich, mid die Zellen haben \iQ\ (Joronella
laevis hier und dnrcli den ganzen Respirationsap])arat einen scharf
conturirten körnigen Inhalt.
§. 342.
Die Muskeln des Kehlkopfes, bei \'ögeln auch der eigenthüm-
liche Muskelappai'at des Larijnx hronchialis, sind (piergestreitt, in der
Wand der 'Iracliea und Bronchien vt)n Säugern und Vögeln unter-
scheidet man glatte Bündel. Die Muskclpaare , welche bei Vögeln
die Luftröhre herabziehen, gehören zu den quergestreiften. Li wie
weit die Lunge der Wirbelthiere eine glatte Muskulatur besitzt, steht
noch zu erforschen. Die Säuger scheinen so wenig wie der Mensch
in der Lunge mit contractilen l^]lenienten versehen zu sein, doch dürf-
ten A'w Lungen der Wale einer näheren Prüfung zu unterwerfen sein.
Liincren , Schilddrüse.
375
da denselben „eine ansserordentliche Contractilität" zn^eselineben wird,
so dass sie sich „von Luft vollkonniieu entleeren" können. In der
Vog'ellung-e glaube ich am Reiher Muskeln gesehen zu haben, die
den grösseren Röhren angehören mochten, bei den Amphibien sind
die Lungen der einen, z. B. die vom Frosche, Landsalamander, Rin-
gelnatter, Pi/tJwii , Eidechse, Schildkröte, deutlich damit ausgestattet,
ja die Septen bestehen (z. B. an Locerta agilfs bis zur Lungenspitze),
hauptsächlich aus Muskeln, selbst in den blinden dünnwandigen End-
Fig. 198.
«.-
Ein Stück der Lungeninnenfläche von Lacerta agilis.
a Muskulöses Septum, b Boden einer Lungenzelle, auf dem man die Blutcapillaren
sieht, c ein Septum, an dessen Rande das Flimmerepithel sichtbar ist, sowie da-
hinter das Gefässnetz und in der Tiefe die Muskelzüge.
zipfeln der Lungen des Chamäleon sehe ich deutlich, dass die poly-
gonalen Streifen von glatter Muskulatur herrühren. — Die kleinen,
weissen Knötchen, welche man in der Lunge des Fi/thon in den
Winkeln der Maschen erblickt, repräsentiren verdichtetes Bindegewebe,
in welchem die verzweigten Körper deutlich sichtbar sind. Man könnte
sich dieselben als die festen Punkte vorstellen, gegen welche die Mus-
kelbalken wirken. Andere Reptilien, z.B. Triton, Proteus, vielleicht
auch Meuopoma , haben keine Spur von Muskeln im Lungengewebe. —
An den Lungen mancher Batrachier, {Proteus z. B.) sitzen aussen
viele Fettzellen an.
Die Nerven im Lungengewebe sah Remak bei Säugern und
beim Frosch in kleine Ganglien anschwellen, ich beobachtete das-
selbe auch in den Lungen der Testudo graeca.
§. 343.
Ob die Lungen pigmentirt sind oder nicht, unterliegt grossen
Schwankungen, unsere einheimischen Frösche, Kröten und Landsala-
mander z. B. haben reichlich pigmentirte Lungen, die der Vögel
37g Von den Respirationsorganen der Wirbeltliiere.
scheinen immer pigmentlos zu sein. Bei letzeren kommuniziren mit
den Lungen die sog. Luft sacke, sie bestehen wie die Lungen aus
einer an elastischen Elementen überaus reichen Bindesub stanz, auch
däucht mir glatte Muskeln darin erkannt zu haben. Von 8ula und
Pelicanus wird angegeben, dass sich über die Aussenwand des Inter-
clavicularsackes und seiner Fortsetzungen von der Furcula kommende
Muskelfasern fächerförmig ausbreiten. Das Epithel ist stellenweise ein
flimmerndes. Beim Thurmfalken z. B. erblickt man in jenen den
Lungenlöchern zunächst liegenden Partien ein Flinunerepithel, ausser-
dem cilienlose Zellen,
Bei Cetaceen ist nach Leuckart der Pleuraüberzug der Lungen
sehr dick und hat eine mächtige Schicht elastischer Fasern. Dies
dürfte doch kaum ein allgemeiner Charakter sein ; beim Manatus
australis wenigstens zeigt sich mir die Lungenpleura nicht dicker als
anderswo, ist bindegewebig und in der Tiefe mit ganz feinen elasti-
schen Fasern durchflochten.
§. 344.
Schilddrüse. Die Schilddrüse ergiebt bei den verschiedensten Wirbelthieren
einen sehr übereinstimmenden Bau. Wo sie nämlich bis jetzt von Fi-
schen, Amphibien, Vögeln und Säugern untersucht wurde,
bestand sie aus geschlossenen, mit zahlreichen Blutgefässen umspon-
nenen Blasen, an deren Innenwand ein schönes Epithel liegt, den
übrigen Raum nimmt eine wasserklare Flüssigkeit eiji, oder auch
Colloidmassen, welche ich selber bei Knochenfischen {Zeus faber
z. B.), Bochen und Haien, bei Reptilien (Proteus, Ringelnatter,
Eidechse) und Vögeln (Sperling z. B.) wahrgenommen habe, auch eben-
desshalb diese Gebilde, wenn sie beim Menschen gefunden werden, kaum
für eine pathologische Erscheinung gelten lassen möchte. Bei den nie-
deren Wirbelthieren ist wenig Bindegewebe zwischen den Drüsenblasen
zugegen (am wenigsten, wie mir scheint, bei der Ringelnatter)^ daher die
Blasen dicht an einander gereiht sind, und das ganze Organ sowohl
für das freie Auge durch sein gckörnclt höckeriges Aussehen , als auch
unter dem Mikroskop den Eindjuck eines Eierstockes macht. Beim
Landsalamandcr ist das die Gefässe tler Thyreoidcablasen tragende
Bindegewebe manchmal von vielem schwarzen Pigmente durchzogen.
Die Zahl der Blasen variirt bei Thiercn derselben Art, beim Pro-
teus z.B. waren in mehren Fällen nur 3 — 5 Blasen zugegen, um
welche rings licrum viele Fettklihnpchen lagen. 13ei Lacerta agllis
sehe ich die Thyreoidea vim zweihörniger Gestalt, die Mitte am
dicksten. Nur die Thyreoidea der ungeschwänzten Batrachier (Frö-
sche, Kröten) weicht ab, da sie anstatt zahlreicher, kleiner ge-
schlossener Follikel, die eng zusammengedi-ängt wären, nur gewöhnlich
aus drei grossen, mit engmaschigem Capill.irnetze versehenen und
von einander isolirten Blasen besteht, deren Inhalt weder helle Flüs-
Schwimmblase der Fische.
377
sigkeit, noch Colloicl, sondern eine feinkörnige, zum Theil fettige
Substanz ist (Ueber der Thyreoidea liegt ein kleines längliches Gang-
lion mit 14 — 15 Ganglienkugeln).
Fig. 199.
Schilddrüse des Proteus anguiiius.
a Blutgefäss, b die Drüsenblasen, sie werden theils von der Fläche, theils im
Durchschnitt gesehen; in mehren befindet sich CoUoid.
Die Athmung bezweckt bekanntlich die Aufnahme von Sauerstoff aus dem
umgebenden Medium, wobei eine beständige Ausleerung von Kohlensäure, die sich
in Folge der stets fortschreitenden Zersetzungen im Thierleibe gebildet hat, vor
sich geht. Es soll nun nach Ecker (Icones phys.) in den Endbläschen der Lunge
ein wirkliches Epithel fehlen, indem bloss zerstreut einige Zellen sich finden.
Somit wären die Blutcapillaren nackt der Luft exponirt und es liegt nahe, den
Mangel eines solchen zelligen Ueberzuges mit einem dadurch erleichterten Stoff-
austausch zwischen Luft und Blut in Zusammenhang zu bringen. Wenn diess der
Fall ist, so dürfte auch eine von mir schon oben mitgetheilte Beobachtung über
Cobitis fossilis einiges Interesse verdienen. Dieser Fisch athmet zum Theil mit
seinem Darm, er schluckt atmosphärische Luft und giebt durch den After Kohlen-
säure von sich. Die Schleimhaut des Darmes, welche lebhaft roth ist, sich in
niedrige Fältchen erhebt und ohne Drüsenbildung ist, zeichnet sich durch unge-
meinen Gefässreichthum aus, so dass sie eigentlich nur aus Blutcapillaren und
etwas homogener Bindesubstanz , als Träger derselben , besteht und , was mir eben
recht auffallend war, weder am frischen Objekte noch nach Behandlung mit Essig-
säure ist es mir geglückt, ein Darmepithel nachzuweisen !
An den Stimm blasen, welche viele männliche Batrachier besitzen, erkennt
man deutlich eine Muskelhaut; die innere Überfläche ist von einer Schleimhaut mit
Flimmerepithel ausgekleidet (v. Rapj)).
Ueber die Thyreoidea von Triton, Salamandra, Proteus, Coecilia, Bana,
Testudo, Coluber, Äcipeiiser, Squatina, Torpedo, Mustelus u. a. siehe meine Unters,
üb. Fische u. Rept. , Rochen u. Haie. — In der trefflichen vergleichenden Physio-
logie von Bergma7in und Leuckart ist bezüglich dieses Organes gesagt, der
8ch" itliln
blas«.
Aeiis^ere
Hiille.
Mii-Kelliaia
378 Von den Respirationsorganen der Wirbeltliiere.
mikroskopische Befund deute auf ein Entstehen und Vergehen von Zellen innerhalb
der Blasen hin. Diesen Aussprach kann ich nicht billigen. Man sieht viel-
mehr bei Thieren die Zellen constant in Form eines schönen Epithels die Wand
der Blasen auskleiden, ohne Anzeichen eines Zert'allenwollens der Zellen. Uebrigens
ist uns die Function der Schilddrüse ganz unbekannt und wir flüchten uns, wie
in ähnlichen Fällen, hinter die oft zum Ersatz eintretende Bemerkung: es diene
fragliches Organ zu „einer bestimmten Umänderung des Blutes."
§. 345.
Ein Orgaiij das vom morphologischen Standpunkt aus^ den Lun-
gen verglichen werden darf^ ist die Seh wircm blase der Fische«
Man unterscheidet an ihr zumeist drei Schichten , einen Bauchfell-
überzug, eine Muskelschicht und eine ihr eigene Faserhaut.
Der Bauchfellüberzug besteht aus gewöhnlichem Bindege-
webe^ das häufig pigmentirt ist. Bei vielen Knochenfischen sehe ich,
dass die einzelne verästelte Pigraentzelle oft ungemein weit ihre ver-
zweigten Ausläufer entfaltet. Die Schwimmblase der Saiblinge (Salmo
salveUnus) ist schön rosenroth, aber nach v. Frantzius ohne beson-
deres Pigment, sondern das Gewebe selbst sei gleichmässig schön
rosenroth tingirt*). — Bei einigen Fischen (Colntts, Acanthopsis, nach
Cuvie?' auch Ophidium imJm'he), erscheint die äussere Bindegewebs
Schicht verknöchert und die Schwimmblase steckt dann in einer
Knochenhülse , welche z. B. an (Jolntis fossilis für das freie Auge
wie siebförmig durchstochen erscheint und unter dem Mikroskop zeigt
sie sich von der Gestalt eines zierlichen Knochengitters. Die Kno-
chcnhülle ist mit dem Querfortsatz des dritten Wirbels verwachsen.
Unter der Serosa breitet sich sehr häufig eine dünnere oder
dickere Muskellage aus, sie ist z. B. beim Stör, wo die Schwimm-
blase geradezu sich als Ausstülpung des Darmrohres erweist, nicht
besonders dick und umhüllt das Organ continuirlich, auch beim Po-
lypterus htchir belegen zwei sich kreuzende Muskellagen vollständig
die Schwimmblase; 8<dmo s(dvelmus hat zwei dünne, der Länge und
Quere nach verbundene Muskelschichten, beim Hecht beschränken
sich die Muskeln auf die untere Fläche, beim Brassen [Abramis
Brama) isoliren sie sich zu Streifen, die mit der Lungenachse parallel
verlaufen, während sie bei ( Jhondrostoma nasus die Schwimmblase spiralig
umziehen [flolt. Müller, (Jzermack). Bei Trigla hirundo und Dacty-
loptera volänths ist eine starke Muskelschicht vorhanden, welche, wenn
man die untere Fläclie dv.v Schwimmblasen vor sich hat, nur als
■*) Wie ich au frischen Saiblingen finde, rührt die Kosafarbe von den „elasti-
schen riattc'ii" her, die einzeln zwar farblos sind, aber sobald mehre beisammen
liegen einen gelblichen Anflug haben ; für das freie Auge und in Masse bewirken
sie den Rosaschiller, die Erscheinung leitet sich demnach von älmlichen Ursachen
ab, welche die Retina resp. die Stabschicht derselben beim Frosch, dem Salamander
mit rothem Atlasglanz erscheinen lassen.
Scliwiinmblase der Fische. 379
zwei den seitlichen Rand einnehmende Streifen sicli ausnehmen, die
aber auf der Dorsalfläche der Schwimmblase zusammentreffen und
sich demnach um die ganze hintere (obere) Seite der Schwimmblase
erstrecken. Ju den äusseren Schichten laufen die Muskeln quer, in
den inneren nach der Länge. Die letztere Lage ist beträchtlich
dünner, als die aus querziehenden Bündeln zusammengesetzte. Die
Schwimmblase anderer Fische , z. B. die vom CohitLs fossilis ent-
behrt der contractilen Elemente. Fragt man nach der histologischen
Natur dieser Muskeln , so ergiebt sich, dass sie in der Mehrzahl der
glatten Art augehören, so beim Acipenser , Esox, Abramis, Chon-
drostoma, Salmo. Quergestreift sehen wir sie bei Poli/pterus, Ti-igla,
Dactyloptera und, was sich eigentlich von selbst versteht, von glei-
cher Beschaffenheit sind die Muskeln, welche, wie z. B. bei Gadus,
Zeus faber von der Muskulatur der Wirbelsäule sich ablösend, an
die Schwimmblase sich ansetzen.
§. 346.
Die eigentliche Faserhaut der Schwinimblase fällt häutig un- laserha.u
schwer in zwei Häute auseinander, von denen dann die eine weisslich
ist mit atlasartigem Glanz und die andere bläulichweiss; beide be-
stehen aus Bindegewebe , welches in den atlasartig schillernden
Schichten sich zu einer besonderen Varietät umgebildet hat. Schon
bei den Teleostiern {Barbus, Cohitis z. B.) löst sich die bezeichnete
Bindesubstanz bei unsanfter Behandlung in eigenthümliche starre,
feine, zugespitzte, oft wie winkelig geknickte Fasern auseinander.
Noch auflallender wird diese Erscheinung beim Stör. Hier ist an der
frischen Schwimmblase jene Haut mit Atlasglanz so weich , dass sie
sich beim Versuch, sie mit der Pinzette abzuziehen, in kleine, spindel-
förmige oder nadelähnliche Massen abblättert ; leichter noch fällt sie
in dergleichen Trümmer auseinander, wenn man sie mit Wasser be-
feuchtet. Werden solche nadeiförmige Theilchen niikroskopirt, so er-
weisen sie sich zusammengesetzt aus ganz ähnlichen faserartigen Massen,
wie die, welche das freie Auge unterscheidet. Sie sind hell, scharf
conturirt und dabei starr , die einen können mehr für wirkliche zu-
gespitzte Fa>jern angesprochen werden, andere erinnern in ihrer Ge-
stalt eher an Hobelspäne oder spitz eingerollte Papierstreifen. (Es
darf wohl angenommen werden , dass gerade dieses eigenthümliche
Bindegewebe die Schwimmblase der Störe und in geringerem Grade
auch die anderer Fische zu einem so geschätzten Leim verwenden
lässt.)
Noch habe ich in der Wand der verschiedensten Knochenfische „Kiasu^L-he
sonderbai'e Elementartheile gefunden, über deren Bedeutung ich nichts
vorzubringen vermag. Es sind ganz pelluzide Plättchen von un-
regelmässiger Gestalt , die sich gern einrollen und dann für starre
Fasern genommen werden können. Jedes Plättchen besitzt einen in
l'lättcheii
380 Von den Respirationsorgancn der Wirbelthiere.
der Mitte liegenden ovalen Kern, nach Essigsäure trübt sich das Plätt-
chen und nimmt damit eine gelbliche Färbung an, ohne sonst an der
Schärfe seiner Conturen etwas einzubüssen. Ich habe solche Elemente
mitten im Bindegewebe der Schwinmiblase gesehen, z. B. bei Chondro-
stoma nasus, Zeus faber, Gobius niger, Hippocamp^cs , Dactyloptey-a,
Cepola u. a. Sie sind bis jetzt von Niemand erwähnt worden,
V. Frantzius ausgenommen, der sie in der Schwimmblase der
Saiblinge beobachtete und sie als elastische Gebilde betrachtet, die
in zahlreicher Menge zwischen das Bindegewebe locker eingebettet,
bei der Mechanik der Schwimmblase eine Rolle ausüben.
§. 347.
Kpuhei. Das Epithel, welches die Innenfläche der Schwimmblase über-
zieht , liegt entweder der weissen , atlasartig glänzenden Haut auf,
deren Elemente die starren, krystallähnlichen Fasern sind (Stör z. B.),
oder einer aus gewöhnlichem Bindegewebe bestehenden Schicht
(z. B. Cobitis fossilis). Die Epithelzellen sind bei beiden Teleostiern
von rundlicher Gestalt und ohne Wimpern , bei den Ganoiden hin-
gegen, wie ich wenigstens bei Äcipenser und Pohipterus wahrge-
nommen, ist ein W imperepith el vorhanden. Die Flimmerzellen
sind beim Str>r von klarer Beschaffenheit, nur gegen die Ausmündung
der Schwimmblase nach dem Magen zu wird ihr Inhalt mehr körnig.
(Die nicht flimmernden Epithelzellen bei Salmo Salvelinus sind strecken-
weise dicht mit grösseren Fetttröpfchen angefüllt.) Beim Polypterus
gehört das Epithel der geschichteten Cylinderform an, indem man
rundliche, ferner bedeutend lange Zellen erblickt, die zwei bis drei
in Distanzen stehende Kerne haben; die obersten Cyliuderzellen flim-
mern und zeigen an der Basis der Flimnierhaare den bekannten
hellen Saum. (Es darf dieser Beobachtung eine gewisse Bedeutung
zugelegt werden , da es den Anschein hat , als ob flimmernde
Schwimmblasen mit zu einem exclusiven Charakter der Ganoiden-
gruppe werden könnten.)
§. 348.
Die Innen haut der Schwimmblase hat entweder eine glatte
Fläche, oder, wie bei Polypterus^ dichtstehende, im Allgemeinen
längsverlaufende schmale AVülste , mitunter auch gleich manchen
Amphibienlungcn wabige Vorsprünge (lle')niravq)hus nach Valen-
ciennes). Bei Lepidosteus osseus ist die innere Olierfläciic der
Schwimmblase areolär und mit Muskeln in den Balken des Maschen-
werkes versehen. (Der „Lungensack " dos Silurus Hmgio hat „drüsige"
Wände und ist von einem von Querfalten gebildeten Muskel um-
geben. Duvernoy.)
Die Blutgefässe sind zum Theil sehr spärlich, so z. B. in der
inneren hliiulich weissen Haut liei Cobitis fossilis, häutiger finden wir
sie in reichlicher Menge iiiul die letzten Verzweigungen bilden bei
Kiemen. 381
vielen Fischen Wundernetze, die, wenn sie lokal sich beschränken,
die s. g". rothen Körper der Schwimmblase hervorrufen.
Schwimmblasen ohne Muskeln scheinen auch der Nerven zu
ermangeln , während die mit contractilen Elementen ausgestatteten
sehr reich an Nerven sind. Beim Hecht z. B. verzweigen sich eine
Menge feiner und dicker Nervenfibrillen in der Schwimmblase , von
denen die letzteren sich oft hintereinander theilen. Auch an der
quergestreiften Muskulatur der Triglen ist mir der Nervenreichthum
wahrhaft auffallend , man mag noch so viele Muskelstückchen mikro-
skopiren, in allen zeigt sich eine Unzahl von Nervenfibrillen und, was
gleichfalls hervorgehoben zu werden verdient , die Theilungen der
Nervenprimitivfasern sind überraschend häufig zu sehen: meist sind
es dichotomische Verzweigungen, die sich schnell wiederholen und
dabei die gewöhnlichen Veränderungen darbieten, d. h. blass werden
und in feine Reiserchen auslaufen.
§. 349.
Wie die Lungen für das Athmen in der Luft bestimmt sind, so Kiemen.
die Kiemen für das Athmen im Wasser, und es reihen sich daher
diese Organe den Lungen, wenn auch nicht in morphologischer Hin-
sicht, so doch in physiologischer Beziehung an.
Die äusseren Kiemen der Amphibien (Proteus, Salamander-
larven) lassen sich als Fortsetzungen der äusseren Haut betrachten,
die beim Proteus durch einen zarten Knorpel gestützt werden. Im
bindegewebigen Theil der Kieme verlaufen die Blutgefässe und zwar
beim Proteus (und Tritonlarven) in der Art, dass in jedes sekundäre
Kiemenlüppchen eine Gefässschlinge geht, die sich nicht weiter ver-
zweigt, höchstens, dass der rückführende Abschnitt der Schlinge sich
getheilt hat. Beim Proteus und den Salamanderlarven sehe ich in
die KJemenstämme einen quergestreiften Muskel eintreten, der
sich mit zugespitzten Ausläufern gegen die Basis der sekundären
Läppchen verliert, ohne dass man Fasern in die Plättchen selber ver-
folgen konnte, sie bestehen vielmehr nur aus einer dünnen, homogenen,
die Blutcapillaren tragenden Haut und dem Epithel. Auch dunkelrandige
Nerven sind hier in den Kiemenstämmen sichtbar. Die Kiemen-
glocken des merkwürdigen Beutelfrosches (Notodelphys) enthalten eben-
falls, wie Weinland gezeigt hat, quergestreifte Muskelfasern.
Die Epidermiszellen der äusseren Kiemen der Amphibien
flimmern. Abweichend hiervon verhalten sich die äussei-en Kiemen-
fäden der Fötus von Rochen und Haien. Sie haben, was ich nach
Untersuchung frischer Thiere aussagen kann, ein flimmerloses Platten-
epithel, und was den übrigen Bau angeht, so macht die lange Gefäss-
schlinge keine weiteren Verästelungen, und als Stütze des ganzen
Kiemenfadens dient ein Achsenstrang, der aus gallertigem Binde-
gewebe besteht.
382
Von den Respirationsorganen der Wirbelthiere.
Fig. 200.
Freies Ende einer Kieme von Proteus anguinns.
a Kiemenstamm mit quergestreiften Muskeln im Innern, bbb drei sekundäre
Kiemenblättclien ; an dem einen sind die Blutgefässe sowie das Epithel aus-
geführt.
Die inneren Kiemen der Fische sind, was die Hant betrifft,
welche das respiratorisclie Gefässnetz trägt, wesentlich Verlängerungen
der Rachenschleimhaut, das Epithel daher auch ein flimmerloses, mit ein-
ziger Ausnahme des Amphwxus, dessen Kiemenschlaucli, wie Joh. Müller
sah, wirapei't. Als festere Grundlage der Kiemenblättchen fungiren
knorpelige oder knJicherne Strahlen, wobei der Knorpel in der Achse
fast lediglich aus rundlichen Zellen besteht (Gohius fluviatilis, Leuciscus
dohula, Acvrina ceruua, Esox lucius)^ was ebenso wiederkehrt in den
Knorpelstrahlcn der Ncbenkicmon. An der Peripherie nimmt die Grund-
substanz sehr zu und die Zellen sind spindelförmig. Kleine quergestreifte
Muskehl, an der Basis der Kiemenblättchen liegenil, ziehen sie aneinan-
der. Auch die Nebenkiemen der Selachier verhalten sich histologisch
gleich d(!n wahren Kiemen ; bei llaja hdtis z. B., wo sie aus 11 — 1!2
b'alten bestehen , sind sekundäre Querfalten zugegen . in denen die
Gefässe Schlingen bilden, eine silberglänzende Punktmasse färbt die
Haut weiss. Der zellige IJeberzug besteht aus PHasterepithel.
Die am concavcn Uand der Kiemenbogen befindlichen stäche 1-
artigen Auswüchse, welche die Autoren irrthümlich zu den IJorn-
bilduiigen stellen, haben vom Saibling (Halmo salvelinus) z. B. eine
Von den Respirationsorganen der Wirbellosen.
383
knöcherne Grundlage von schwammiger Beschaffenheit und gehen in
sekundäre Zähnchen aus, wobei die Höhlen der Zähne die unmittel-
baren Fortsetzungen der Knochenräume sind. Ueber den Knochen-
kern des Stachels zieht ein bindegewebiger Ueberzug weg mit Blut-
gefässen und (wie Behandlung mit Kalilauge lehrt) mit zahlreichen
Nerven. Darüber kommt die Kpithelschicht. Das Ganze repräsentirt
sohin eine grosse Papille mit Tochterpapillen, deren Bindegewebe
grossentheils verknöchert ist. Auch bei den Leucisci sind fragliche
Bildungen innen ossifizirt und die noch bindegewebige Rinde weist
sehr zahlreiche Nerven auf, was gewiss mit der Funktion dieser
Zähne , die Kiemen vor dem Hineinfallen fremder Gegenstände zu
schützen, in näherer Beziehung steht. Es fehlen auch nicht kurze
Papillen mit den „becherförmigen Organen."
Fig. 201.
Ende eines Kiemenfadens von einem Embryo des Sjiinax.
a die Blutgefässsclilinge, b der Achsenstrang, c das Epithel.
Man liest noch in neueren Werken , z. B. im System der Morpho-
logie von V. Garus^ dass die Schleimhaut der Kiemenhöhle „zahlreiche
traubige Schleimdrüsen" besitze, was ein Irrthum ist; mir wurde bis jetzt
kein Fisch bekannt, dessen die Mund-, Rachen- und Kiemenspalten aus-
kleidende Haut mit dergleichen Drüsen ausgestattet wäre.
Durch einen Schreibfehler steht in dem soeben erschienenen ausgezeichneten
Werk Schlossjberger'' s „die Chemie der Grewebe", in welchem die vergleichende
Histologie zum erstenmale von Seite eines Chemikers alle Berücksichtigung erfährt,
dass „die Kiemenbögen der Fische und Froschlarven" zu den „Horngebilden" ge-
hören (S. 273). Zur Bildung der Kiemenbögen tragen viele Gewebe bei : Binde-
gewebe, Knorpel, Knochen, Muskeln, Nerven und Epithel.
Füiifunclclreissigster Abschnitt.
Von den Respirationsorganen der Wirbellosen.
§•
350.
Die wirbellosen Thiere athmen entweder unmittelbar die Luft
und das geschieht durch Lungen, oder sie athmen die ans Wasser
gebundene Luft mit Hilfe der Kiemen. Andererseits kann aber
384 Von deu Eespirationsorganen der Wirbellosen.
auch der Athmiingsprozess dadurch unterhalten werden , dass Luft
oder Wasser das Innere des Körpers durchströmt, welcher Hergang
in dem einen Falle die Anwesenheit eines luftführenden oder Tracheen-
systemes und in dem anderen Falle das Dasein eines Wasser-
gefässsystemes bedingt. Vielen niederen Thierformen gehen auch
gesonderte Athmungswerkzeuge vollständig ab und man muss zur
Aufstellung einer Hautrespiration seine Zuflucht nehmen.
§. 351.
i,.,ngen. ^ic Lungcu kommen nicht sehr verbreitet vor, und nur eine
Anzahl von Schnecken, die s. g. Pulmonaten, haben solche Organe.
Es sind mehr oder minder geräumige Höhlen, gewissermaassen Ein-
sackungen der äusseren Haut und mit letzterer auch durch eine Oefif-
nung in unmittelbarem Zusammenhang. Sie besitzen desshalb auch
dieselbe histologische Zusammensetzung, wie die äusseren Bedeckungen
und weichen nur durch ihren Gefässreichthum von der äusseren Haut
ab. Bindesubstanz bildet das Grundgewebe der Lunge und zugleich
die eigentliche Haut der in der Wand der Lungenhöhle verlaufenden Ge-
fässe, dazu kommen reichliche Muskeln, welche besonders die stärkeren
Gefässe belegen und den Grund liefern, warum die Gefässe für das
freie Auge selbständiger sich vom Boden der Lungenhöhle abheben,
als es der mikroskopischen Untersuchung gelingen will, die histo-
logische Lidividualisirung der Gefässe nachzuweisen. Auch um das
Athemloch herum häufen sich die Muskeln sphinkterartig an. Wo
die äussere Haut, wie bei den Wasserpulmonaten, durchweg flimmert,
wird auch die Lungenhöhle von dem gleichen Epithel ausgekleidet,
und sie hat nach mehren Autoren flimmerlose Zellen, wenn die ße-
wiraperung der Cutis nur auf die Fläche und Seitenränder der Sohle
beschränkt bleibt , wie letzteres bei den Landgasteropoden [Helix,
Ärion, Bulimus z. B.) der Fall ist. Eigentlich aber habe ich sowohl
früher wie jetzt bei den genannten Schnecken an der Decke wie am
Boden der Lungenhöhle gar kein Epithel gesehen, sondern die binde-
gewebige Wand der cavernösen Bluträume zeigte sieh ohne zelligen
Ueberzug der Luft ausgesetzt. Obschon ich weitere Nachprüfungen
für nothwendig halte, so sei doch darauf hingedeutet, dass auch die
atlimeudc Darmfläche von Üohiti^ fossüis denselben Mangel darbot
und dass endlich das Epithel der Lungenbläschen des Menschen gegen-
wärtig in Frage gestellt ist.
§. 352.
Kienen. ^^^ Kicmcn dcr Echinodermen , Annulaten , Mollusken und
Krebse tragen durchweg , so mannichfach auch die äussere Gestalt
abändern mag, den Charakter von Fortsetzungen der äusseren Haut
und darnach richtet sich ihr feinerer Bau. Das Gerüste der Kiemen
ist Bindesubstanz, welche, wenn deutliche Gefässe im Thiere vor-
Kiemen. ^ , 385
handcn sind, wie bei Cephalopodon und Ringelwürmern, die rcspiriren-
den Geftisse hält oder bei Mangel individualisirter Gefässe nur von
lakunalen Bluträumen durchbrochen ist. Da bei den Krebsen die
äussere Haut chitinisirt, so theilt auch das Kiemengestell diese Eigen-
schaft*); selbst in den blattförmigen Kiemen der Muscheln, wo das
Bindegewebe meist weich geblieben ist, treten doch chitinisirte
Stützen auf, die ein zierliches Gitterwerk bilden, oder es finden
sich auch knorpelige Stäbe, wie ich dergleichen bereits oben
(s. inneres Skelet) von den Kiemen der Amphicora und Serpula er-
wähnt habe und welche auch nach V. Garus in den Kiemen der
Cephalopoden vorkommen. — Die Wandungen der Kiemen bei Echi-
noiden bergen, in Ueberelnstimmung mit der äusseren Haut, ein w^eit-
maschigcs , gitterartiges K a 1 k s k e 1 e t.
§. 353.
Mit Ausnahme der starren Kiemen der Krebse sind sonst die der
anderen wirbellosen Thiere durch Muskeln contractil. Ferner liegt,
im Einklang mit der Struktur der äusseren Haut, dem Bindegew^ebs-
gerüst der Kiemen bei den Mollusken ein Epithel auf, welches bei
den Cephalopoden nicht wimpert, bei den übrigen Weichthieren in-
dessen sehr allgemein Flimmerhaare hat. Im Hinblick auf die Cilien
darf bemerkt werden, dass bei den Muscheln die Wimpern der
Kiemen vielleiclit nirgends von einerlei Art sind , gewöhnlich sehen
wir feine und dicke, borstenartige in bestimmter Vertheilung (Najaden,
Gyclas, Venus u. a., bei (Ujclas scheint von den dicken Flimmerhaaren
immer nur Eines auf einer Zelle zu sitzen); mannichfaltiger noch ist
die Bewimperung bei den Muscheln mit kammfiirmigen Kiemen ;
*) Das Innere der Kiemenfäden ist mir indessen bei unserem Flusskrebs noch
nicht ganz klar geworden. Man gewahrt, dass eine Art zarter Scheidewand den
Innenraum in zwei Gänge theilt, von denen der eine wohl der arteriellen , der an-
dere der venösen Strömung dient; dann machen sich aber ferner birnförmige Zellen
bemerklich, die in Abständen stehen, das stielförmige Ende gegen die Cuticula
gekehrt, wo sich alsdann an letzterer immer ein seichter Eindruck befindet. Im
angeschwollenen Theil der Zelle liegt ein deutlicher runder Kern. Diese bini-
förmigen Zellen scheinen mir, indem sie das Lumen der eiwähnten Blutbahnen
durchsetzen, die Gefässräume selber in gewissem Sinne cavernös zu machen, denn die
„Cajjillaren der Kiemen'', von denen man liest, existiren nicht; schärfer sieht man
die Gefässlücken in den Blättern der Kieferfüsse, welche zugleich die Erneuerung
des Wassers befördern. Hier spannen sich zwischen den beiden Lamellen des
Kiemenblattes einfache oder verästelte Balken durch, welche dem Blutraum eine
areoläre Beschaffenheit geben. Die Balken sind Fortsetzungen der weichen nicht
chitinisirten Hautlage und zeigen Kerne, in einer streifigeii Grundsubstanz. Sieht
man die verästelten Balken im scheinbaren Querschnitt, so haben sie ein eigcn-
thümliches strahliges Aussehen , worüber sich aber bald durch wechselnde Fokal-
cinstellung und Vergleichen der im Profil sich darbietenden Balken das Verstäud-
niss aufthut.
I^eyilig, Hi.stoloyie. ^^
•gg'ß Von den Respirationsorganen der Wirbellosen.
nehmen wir als Beispiel LitJiodomus lifhophagus , so besitzt jeder
Faden drei Reihen der bekannten starken Wimpern, die mit deutlich
hackenförraiger Beweguno- arbeiten ; aus dem freien , abgerundeten
Ende des Kieraenfadens ragen aus diesen Wimpern einzelne Cilien-
büschel hervor , welche noch einmal so lang , als die ersten sind.
Hinwiederum besetzen sich die eigenthümlichen Polster der Kiemen-
laden mit äusserst feinen Flimmerhärchen, und endlich auf der Bück-
seite der Kiemenfäden stehen vereinzelte, langsam schlagende Wim-
pern von kolossaler Grösse, welche die in drei Reihen gestellten der
Vorderfläche um das 6 — 7fache an Länge übertreffen. — Die Athem-
röhren der Cyclas scheinen nicht überall zu flimmern; der Slpho
der Venus decussata wimpert weder aussen noch innen und die
pigmentirten Cylinderzellen sind von einer Cuticula überzogen. Von
der äusseren Wand der Siphonairöhren von Pliolas meldet auch
Haue och, dass sie nicht flimmern.
Die Kiemen der Seeigel haben ebenfalls ein Flimmerepithel;
bei den Ringel würmern (Capitihranchiaten) mögen wohl ähnliche
undulirende Hautsäume, w^ie ich sie an Ämphicora mediterranea be-
obachtet habe, öfters die Stelle der Wimperhärchen vertreten.
§. 354.
Der Athmung mittels Tracheen begegnen wir bei Arachni-
den, Insekten und unter den Krebsen bei den Myriapoden.
Die Tracheen sind ihrer Form nach cylindrische oder platte Röhren,
die meist in vielfacher Verzweigung, oder auch ohne sich gerade viel
zu verästeln, theils in die Organe eintreten, theils sie nur umspinnen.
Auch die s. g. Lungen der Spinnen stellen nichts anderes, als
plattgedrückte, fächerförmige Tracheen vor. Der Bau zeigt folgende
Modiflkationen.
•ir„.i„M.n .lor ])](3 gaiig uud o-äbc Beschreibuno- wonach die Tracheen der
Insekten aus einem Peritonealüberzug und aus einerinneren Schleim-
haut Ix'stchen sollen, zwischen welchen Häuten ein Spiralfaden sich
hinwinde, kann nicht gutgeheissen werden. Anlangend die „Pcrito-
nealhiillc", so ist sie eine bindegewebige, heUc und gewöhnlich
farblose Haut, die durch das Verwachsen von denselben Zellen ent-
stand , welche den Fcttkör])er bilden und mit dem sie auch in
imu'gem Zusammeidiang bleiben. Die Kerne der Zellenerhalten sich
fortwährend in dieser Hülle. Älitunter liegen gefärbte Kügelchen in
der Haut, gelbe z. B. bei Locusta viridissima ^ die, weim grösser
geworden, gelbe Fetttropfen darstellen; bei der Raupe von Bphinx
orellata erscheint besagte Haut grünlich pigmentirt, diuikelviolett bis
in die feineren Verästelungen bei A<jrton pitella , dunkelbraun in
manchen Ljirven von Ejdietnera etc. Mitunter liegt diese Haut der nächst-
folgenden so enge an, dass sie fast nur ;in ihren Ki'rnen sichtbar ist,
so y. I). ;tn den stärkeren Ti'aclieen von Sjiliinx pinasfri. — Die
Traelieui
317
Fig. 200.
A Stück von einer starken Trachee.
a sog. Peritonealüberzug , b die Intima mit den reifartigen Verdickungen.
(Spiralfaden.)
B Zeigt das Verhältniss, in welchem die Tracheen zum Binde-
gewebe stehen,
a Peritonealhülle, b interstitielles Bindegewebe, c die Intima der Trachee.
Membran, welche den Tracheen das spezifische Aussehen verleiht, ist
eine homogene Chitinhaut, das Lumen unmittelbar begrenzend,
und welche auch den s. g. Spiralfaden erzeugt. Es ist übrigens ganz
irrthümlich , sich den letzteren als ein selbständiges Gebilde vorzu-
stellen , da er nur eine nach innen vorspringende Verdickung der
homogenen Chitinhaut ist, er liegt daher auch keineswegs „zwischen
der äusseren und inneren Haut", sondern ist innere Haut selber. Von
einer inneren Schleimhaut, die aus Pflasterepithel bestehen soll, habe
ich nirgends eine Spur wahrgenommen, und wenn selbst der erfahrene
Zergliederer der Insekten Stein (Vergleichend. Anat. u. Phys. d. Ins.
S. 105 Anmerk.) von einer „Epithelialhaut der Tracheen" spricht, auf
der „Stachelborsten" vorkommen können, so bemerke ich dazu, dass
die vermeintliche Epithelialhaut lediglich die homogene Chitinhaut ist
und die „Stachelborsten" so gut, wie der „Spiralfaden" nur Auswüchse
dieser Haut nach innen sind, wie ich wenigstens an den grösseren
Tracheen von Lampyris splendidula gewahre, wo vielleicht die Borsten
es gewesen sind, welche Petei^s auf die Annahme einer Flimmer-
bewegung in den Tracheen des Leuchtkäfers geführt haben.
Beim Durchmustern der Tracheen verschiedener Insekten gewinnt
man die Belehrung, dass ausser der eigentlichen spiralen Verdickung
nach innen und den Stacheln, die Chitinhaut auch noch da und dort
andere, wenn man so sagen darf, sekundäre V o r s p r ü n g e bildet.
In dieser Weise beobachtet man an den starken Tracheen von Pro-
crustes coriaceus in dem Räume zwischen den Spiraltouren noch kleine,
25*
388
Von den Kespirationsorganen der Wirbellosen.
zalilrciclie, die Spiralring-e in Winkel schneidende YorsprUng-e. In
den blasigen Erweiterungen der Tracheen, denen Manche einen Spiral-
faden absprachen, während Andere richtiger auch hier einen modifi-
zirten Spiralfaden zugestanden , haben die Hauptverdickungen der
Chitinhaut meist einen unregelmässig zickzackigen Verlauf, aber
zwischen ihnen können abermals so zahlreiche kleinere Septen ent-
stehen, dass die Innenfläche der Blase ganz gitterartig wird, wie ich
es z. B. an den Tracheenblasen von Scarabaeus sfercorarius finde.
An den Tracheenerweiterungen im Kopf der Biene und anderer
Hymcnopteren erzeugen die Vorsprünge ein derartig kleinmaschiges
Netz nach innen , dass die Vertheilung der Luft innerhalb dieser
Tracheenblasen lebhaft an die gleich zu schildernden bandartig-platten
Tracheen und s. g. Lungen der Arachniden erinnert. Die Spirale
Verdickung erscheint selten pigmentirt, so z. B. dunkelbraun bei der
Larve von Dytiscus marginalis, wo die Hauptstämme desshalb schon
für das freie Auge ein schwärzliches Aussehen haben.
§. 355.
K,>.ii un . -^^® Endigung der Tracheen in und an den Organen erfolgt
auf ähnliche Weise, wie die Blutgefässe der Wirbelthicre an der
Peripherie sich verhalten. Regel ist nämlich die, dass die verschiede-
nen^ zu einem Organ herangetretenen Tracheen nach feiner und fein-
ster Vertheilung sich zu einem Netz — den Capillarcn entsprechend —
verbinden. Man vermag sich hiervon z. B. am Darmkanal von
Enstalis tenax ein gutes Bild vorzuführen. An der Larve der Üorethra
plumicornis sah ich, wie die Urahüllungsmembran der Tracheen, nach-
Fig. 201.
rracheeiililaHc nnd !■; m digii ug der Tracheen von (Joretlir i pl ii ni icorn i s.
a äu.ssere lliillo niii dum Pigment, h innere Ifant mit dem Spiralfaden, c die
verästelten Zellen , welche das eigentliclie Ende der 'rracheenverzwcigung
hilden.
Aracliolden.
Tracheen. 889
dem in der Endverbreitung' die innere, scharfconturirte Haut zurück
geblieben ist, mit stark verzweigten Zellen in Verbindung stand, deren
Strahlen demnach die eigentlichen Enden der Tracheen vorstellten.
Die Bildung erinnert sehr an die Blutcapillaren im Schw^anze der
Froschlarven. Von Interesse sind auch die Kiemenblätter im Mast-
.darm von Libellenlarven; hier steigen die feinen Tracheen zum Rande
der Blätter auf und , indem sie mit leichten Schlängelungen neben-
einander in dichter Folge verlaufen , sich verästeln und am Ende
Schlingen bilden, erinnert das Bild sehr und namentlich die Art, wie
die Endschliugen entstehen, an die Kanälchen im Zahnbein der Säuger.
In selteneren Fällen endigen gev^isse Ausläufer der Tracheen für sich
blind , so z. B. in aulfälliger Art die Röhren , welche bei Syrphus
zwischen den Nervenstäben des Auges liegen.
§. 356.
Die Luftröhren der Acarinen, z. B. von Ixodes, stimmen im Bau Tiacheen der
mit denen der Insekten überein. Nicht so die der eigentlichen Spin-
nen, welche vielmehr Eigenthümlichkeiten zeigen. Es wird behauptet,
die Tracheen der Spinnen seien „spiralfaserlos"; wenn man jedoch
die grösseren Tracheenschläuche, welche hinter den s. g. Lungen-
säcken entspringen, z. B. von Segestria, betrachtet, so wird man eine
interessante Modifikation des „Spiralfadens" entdecken, welche darin
besteht , dass die Chitinmembran ringförmig vorspringende Leisten
bildet und indem dazwischen abermals Plättcheu sich erheben , so
wird dadurch das Lumen der Tracheen etwas areolär und die Luft
ist nicht als einzige Säule enthalten, sondern fein zertheilt. Dasselbe
gewahrt man , doch in zarterer Ausführung , bei Tetragnatha und
andererseits am schärfsten gezeichnet und desshalb auch am ehesten
erkennbar bei Argyroneta aquatica, wo die reifartigen Vorsprünge und
die Septen dazwischen tiefe Becessus für die Luft bilden. In den au«
dem Ende der grossen Tracheenschläuche büschelförmig sich ab-
zweigenden kleinen Tracheen erscheint die Chitinmembran nach innen
glatt und damit die Luftsäule continuirlich. Wiederum sehr beachtens-
werth sind jene platten Tracheen, welche aus einer Querspalte vor
den Spinnwarzen ihren Ursprung nehmen. Auch bei ihnen ist das
Lumen kein ununterbrochen gleichmässiges^ sondern es erheben sich
von der Chitinhaut in's Innere zahllose Vorsprünge , die nach dem
Austreiben der Luft und , von der Fläche angesehen , als Körnchen
erscheinen. Die Lichtung der Trachee wird auf solche Art in un-
zählige mit einander zusammenhängende Areolen zerfällt, was zur
Folge hat, dass die Luft in diesen Tracheen ebenso fein zertheilt ist,
wie in den „Lungenplatten'' der Arachniden, und der Mangel solcher
Vorsprünge in den büschelförmigen Endzweigen verursacht im Gegen-
theil jene continuirliche Luftsäule, wie sie hier beobachtet wird.
390
Von den Respirationsorganen der Wirbellosen.
Fig. JO-i.
A
mm
A Tra eil eenstam m und sein büschelförmiges Zerfallen von der
Wasserspinne (Argyroneta aquatica).
B Stück eines Tracheenstani ines von Tetragnatha: a die helle, binde-
gewebige Hülle, b die Chitinhaut mit ihren Vorsprüiigen nach innen.
So weit die schwarze Schattirung reicht, ist noch die Luft zugegen,
der lielle Thcil i.st luftleer.
C Stück eines T räche en st am nies von Segestria, um die eigenthüm-
lichen Conturen zu zeigen, welche durch die Vorsprünge der Ciiitinhaut
nach innen gebildet werden. Bezüglich der hellen und dunklen Partie
gilt die Bemerkung von vorhin.
D Stück einer Trachee von Lycosa saccata, dunkel, wo udch lufthaltig,
hell, wo luftleer. (Starke Vergr.)
§. 357.
„Lungen" Wcis (Wß s. fi'. L II 11 o; G 11 (Icr Spiniicii betrifft, so hat bereits
der Spinnen. • if Ti • • T r\
Leu c Kart mit aller Bestimmtheit au8gcsprochen^ dass diese Organe
nichts anderes sind, als „modifiKirte Tracheen." Ich sehe, dass der
feinere Bau vollkommen der gleiche ist mit den zuletzt behandelten
bandartig-platten Tracheen, und in den kleinen, punktförmigen Körn-
chen, welche nach Leuckart in die Chitinhaut eingelagert sind,
erkenne ich dieselben Fortsetzungen der Chitinhaut in's Innere, welche
man in den platten Tracheen erblickt und in denen schon der genannte
Forscher mit Recht die ersten Andeutungen der .,Spiralftiser" vermuthet.
Wassergefässsysteni.
391
§•
358.
Dem Trachcensystein oder luftalhmenden Gcfässsysteni der Artlirc-*^"'^;^^""'""
poden stellt man hcrkömndich ein wasserathmendes Getasssystcm der system.
Sjnapten, Trematoden, Turbellarien, Anniilaten und Rota-
torien gegenüber. Nehmen wir auf die Morphologie dieses Systemes
im Allgemeinen Rücksicht, so besteht es aus Röhren, die häufig viel-
iach verzweigt sind, oder auch vielfach gewunden, bei Ilirudineen
kommt selbst (nach Gegenbaui') durch die Communikation der neben-
einander laufenden Kanäle eine labyrinthförmige Bildung zu Stande;
die Röhren münden constant nach aussen und öffnen sich vielleicht
bei allen den Thieren , welche eine deutliche Leibeshöhle haben
(Synapten , Annulaten , Rotatorien) , frei in letztere. Die inneren
Mündungen der Kanäle sind häufig erweitert und haben eigene For-
men , trichterartige bei den Lumbri einen, wie Arabesken oder
Rosetten bei H i r u d i n e e n , pantofFelförmig bei den S y n a p t e n,
ähnlich den Trompeten bei manchen Rotatorien etc. Bei den
Thieren ohne gesondertes Leibescavum (Turbellaricn) gehen die
Kanalverästelungen bis zu unmessbarer Feinheit aus, so dass sich über
die innere Endigung nichts sagen lässt. Häufig erscheint auch der
Endtheil, welcher nach aussen führt, schlauch- oder blasenartig er-
weitert (Trematoden, manche Hirudineen und Lumbricinen;
R ä d e r t h i e r e).
Fig. 203.
A. Die freie Endigiing eines Kaiinl.s vom Wfi .sser gef ässsys teiiie in
die Lei b esli ölile von »Synapta iligitata.
a die wiinpernden füllhornartigeii Erweiterungen.
_B Endigung ein es Wassergefässes in die Leibesiiöhle von Clep sine
complanata. (StarliC Vergr.)
392 Von den Kespiisitionsorgaiien dev Wirbellosen.
§. 359.
Der feinere Bau des Apparates ist folgender. Eine helle Haut
[Tunica pi-opria) bildet wie bei anderen Organen das Gestell des
Kanalsjstemcs. Sie ist entweder ganz homogen oder hat auch (bei
Sy7iapta digitata z. B.) Kernrudiniente. An der inneren Fläche kann
sie Wimperorgane tragen, bald in Form einzelner, abstandsweise
angebrachter Flimmerläppchen, so bei Turbellarien, Trematoden,
Cestoden (bei letzteren zuerst von Virchoiv an Echinococcus, dann
von Wo gen er gesehen), sie gehören nach Wagener nur den peri-
pherischen Verzweigungen der Gefässe an, bald ist ein ziemlich aus-
gedehnter Wimperbesatz zugegen, wie man es bei Lumbri einen
und Branchiobdella beobachtet. Wenn auch sonst im Kanal die
Flimmerung mangelt, so ist sie doch meist an den erweiterten Enden
und Ausläufern, wodurch die Wassergefässe mit der Leibeshöhle zu-
sammenhängen, vorhanden (bei den eigentlichen Blutegeln, Htrado,
Aidocostoma etc. , sind diese flimmernden OefFnungen noch nicht ge-
sehen worden). An diesen, wie vorhin bemerkt, eigenthümlich ge-
formten Mündungsstellen sind die Gilien ganz besonders entwickelt,
so am trichterförmigen Ende der Lumbr{cine7i, dem arabeskenförmigen
von Clepsine, dem rosettenförmigen von Nephelis, der pantoffelartigen
der Hynaj[)ta , den s. g. Zitterorganen der Räderthiere. Für die
Deutung der in Rede stehenden Organe ist es nicht unwichtig zu
wissen, dass bei allen genannten Thieren die Richtung der Flimmer-
bewegung von innen nach aussen geht.
Die Strecken des Wasserkanales, welche bloss aus der homogenen
Haut und noch höchstens dem zarten Wimperepithel bestehen , er-
scheinen dünnwandig und glashell. Sehr häufig indessen nimmt der
Abschnitt des Kanales, welcher sich der iVusmündung an der Körper-
oberfläche nähert, eine andere Beschaffenheit an, indem seine Wände
beträchtlich dick werden und ein drüsiges Aussehen gewinnen (Regen-
wurm z. B.). Die Dickenzunahme kommt auf Rechnung von grossen
Zellen, welche das Lumen begrenzen, so dass denmach die Membran
der Zellen die Wand des Kanah^s formt. Die Zellen besitzen einen
feinkörnigen Lihalt , sind bei auflallendem Licht gelbröthUch oder
bräunücli, bei durchfallendem dunkel, und es sitzen ihnen beim Regen-
wurm lange Gilien auf. Bei vielen Räder thieren sind die Wände
der Röhren oft In grosser Ausdehnung von solchen Zellen gebildet,
die ausser dem feingraindären Inhalt hin und wieder auch Feltpünkt-
clicii enthalten. Dass diese Zellen als Sekretionsorganc; aufzufassen
sind, dafür spricht, dass bei Txibifex rivulorum ein Büschel wirklicher
einzelliger I)riisen lilcr dem Kanal aufsitzt. Zu den genannten Ge-
weben können noch Muskeln hinzukonnnen, und zwar zumeist an
dem blasen- oder schhiuchartlg erweiterten Endabschnitt, bei Nephelis,
dem Regenwurm, den Rädert liieren, wahrscheinlich auch den
Cestoden, wo sich ebenfalls eine contractile Blase findet (dicTur-
Wassergefässsystem.
393
bellarien sind ohne diese Blase). Bei Haennris (wie Geg enhaur
mittheilt) äussern auch die Knäuel der Kanäle ein sehr lebhaftes
Contractionsverraögen.
\
Fig. 304.
A Stück eines Wasserk anales von Haemopis.
a das Lumen, b die Zellen, welche dasselbe umgeben.
B Knäuel eines Wass e r k an al e s von Notommata centrura.
a die flimmernden freien Endigungen in die Leibeshöhle.
§. 360.
In neuerer Zeit ist uns durch die Untersuchungen von E. Mecl^el,
van Beneden und Aubert die interessante Aufklärung geworden,
dass bei den Trematoden die s. g. Respirations- oder Wasserkanäle,
d. h. jene wasserhellen, starren, mit Wimperläppchen versehenen und
verzweigten Gefässe, und die s. g. Excretionsorgane, d. h. jene mit
Fetttröpfchen oder Kalkkörperchen angefüllten, contractilen Schläuche,
hinten mit einer Oeffnung ausmündend, in direkter Verbindung
stehen und als Ein System zu betrachten sind. Man darf in
dieser Vereinfachung einen Avahren Fortschritt unserer morphologischen
Auffassungen erblicken, denn es ist doch gar nicht abzulehnen, dass
in dem vorderen wasserhellen Abschnitt, den bisherigen Wassergefässen,
das Analogen der wasserhellen Kanäle der Ringelwürmer vorhegt,
während in dem unteren, sich nach aussen öffnenden Abschnitt, der
häufig ganz mit Absonderungsprodukten angefüllt ist und bisher als
Excretionsorgan galt, das Aequivalent des drüsigen Theiles der An-
nulaten sich kund giebt.
Auch die inneren „baumförmigen Kiemen" der Holothurien,
welche ein Flimmerepithel haben und contractu sind , mögen als
Analoga der vorhergegangenen Kanalsysteme betrachtet werden, ob-
wohl hierüber erst genauere Untersuchungen abzuwarten sind. (Doch
kann ich nicht umhin, schon jetzt die Vermuthung zu äussern, dass
„der Lungenbaum" der Holothurien den s. g. Respirationskanälen ent-
394 ^'f>" t^en 'ßespirationsorganen der Wirbellosen.
sprechen mag, während jene „ eigen thiimHchen drüsigen Anhänge am
Stamm des Lungenbaumes", welche ( 'u vier zuerst gesehen, aber irrthüm-
lich den männlichen Geschlechtstheilen verglichen hat, dem „Excretions-
organ", resp. Nieren, gleich zu halten wären. Joh. Müller hat die
fraglichen drüsigen Schläuche nach ihren verschiedenen Formen näher
bestimmt [üb. d. Bau der Echinodermen S. 87], ohne seine Meinung
über ihre Funktion kundzugeben , er nennt sie Cuvier'sche Organe.
Jäger hatte sie schon 1833 den Nieren parallel gestellt.)
§. 361.
Das beschriebene Kanalsystem kann aber gewiss nicht in aus-
schliesslichem Sinne ein respiratorisches genannt werden; spricht doch
schon die constant von innen nach aussen gewendete Flimmerrichtung
gegen die Ansicht , dass Wasser von aussen nach innen eingeführt
werden soll, vielmehr w^eist Manches darauf hin, dass die ganze Vor-
richtung dazu da sei , um Flüssigkeit aus der Leibeshöhle oder dem
Körperparenchym nach aussen treten zu lassen. Bringt man nun in
Berücksichtigung, dass die Wände des Kanalsystemes ganz oder eine
Strecke lang aus grossen secernirenden Zellen besteht, auch wohl (bei
Trematoden) der Endabschnitt mit festen Ausscheidungssubstanzen
angefüllt sein kann, so wird man die sekretorische Thätigkeit
der betreffenden Organe als ihre vornehmste Leistung ansprechen
dürfen , und forscht man weiter nach der Natur des Sekretes , so
machen es gar manche Erscheinungen wahrscheinlich, dass man es
hier mit einer Harnabsonderung zu thun habe.
Mir däuclit, als ob der eigentliche Respirationsakt bei den ge-
nannten Thiergruppen darin zu suchen sei, dass durch feine (Poren-)
Kanäle der Haut Wasser von aussen nach innen dringt und sich der
Blutflüssigkeit beimischt. (Die Aufnahme von Wasser in's Innere des
Körpers haben schon in früherer Zeit Delle Chiaje von Hahjoüs,
Buccinum, Nerita, v. Bär an U^iio und Anoilonta gezeigt.) Bei den
obigen Thieren sind zwar die Hautkanäle noch nicht nachgewiesen
oder aufgesucht worden, aber bei einer Muschel (Cyclas cornea) habe
ich sie mit aller Klarheit gesehen. Und so möchte ich bezüglich des
Wassereinströmens und dem Wiederabscheiden des untauglich Ge-
wordenen eine Uebereinstimmung zwischen Würmern und i\lolluskcn
in der Alt vcrmuthen, dass bei den Würmern durch die Porenkanäle
der Haut das Wasser in's Leibesparenchym einsickert iiiul durch die
als Haniorgane gedeuteten Röhren wieder den Körper verlässt, und
dass ebenso bei den Mollusken das durch die Haut eingetretene
Wasser, nachdem es sich dem Blute zugemengt und den Körper durch-
kreist hat, abermals durch die hier lebhaft contractile Niere sich ent-
leert. Dieser Theorie steht aber bezüglich der Mollusken vorläuhg
eine Wahrnehmung Geg enhaurs im Wege, nach welcher bei den
Pteropodcn und Hetcr upodcu das Wasser umgekehrt durch wirk-
Wassergefässsystem. 395
liehe Schlirckbewegungen der Niere von aussen nach innen aufge-
nommen wird. Bestätigt sich solches, so nimmt, was a priori freilich
etwas seltsam klingt, bei den Mollusken das den Leib durchströmende
Wasser gerade den umgekehrten Weg, wie bei den Würmern. Hier
tritt es durch die Porenkanäle der Haut ein und verlässt unter Ab-
scheidung des Harns den Körper, dort dringt es durch die Nieren
ein und strömt durch die Porenkanäle aus. Jedenfalls fordert der hier
dargelegte Standpunkt dieser Frage zu Untersuchungen auf, die speziell
darauf ausgingen, um die Sache zum Abschluss zu bringen.
§. 362.
In die Klasse des eben abgehandelten Systemes scheinen mir
auch die s. g. contra etilen Blasen der Infusorien zu gehören.
0. Schmidt hat zuerst diese Ansicht aufgestellt und vertheidigt sie
jetzt noch : nach ihm mündet bei Bursaria leucas und Paramaecium
aureliCb die Blase nach aussen. Von dem contractilen Organ weg er-
strecken sich zahlreiche Ausstrahlungen. An Vorticellinen glaube ich
ebenfalls gesehen zu haben, dass die Blase nach aussen führt, und
zwar in die Vertiefung, in welcher Mund und After liegt. Ich möchte
ebenso, wie 0. Schmidt auf die Aehnlichkeit dieser Organe der
Infusorien mit dem s. g. Wassergefässsystem der Rotatorien, Tur-
bellarien etc. Gewicht legen, und da, wie vorhin erläutert wurde,
dieses s. g. Wassergefässsystem mehr der Excretion dient, so wäre
ich geneigt, auch der contractilen Blase der Infusorien eine verwandte
Funktion zuzuschreiben. Zwar sind genaue Forscher, Clarapede,
Lachmann, Lieherkühn, sehr entschieden dafür, dass die frag-
lichen Organe der Infusorien ein Blutgetasssystem und die contractilen
Blasen herzartige Theile seien (auch Pouch et hatte schon früher
dieselbe Meinung ausgesprochen), allein wenn wir zunächst von der
Frage absehen wollen, ob die Blasen nach aussen münden oder nicht,
dürfte doch nicht ausser Acht zu lassen sein, dass in der Reihe der
niederen Thiere eher ein Organ vorhanden sich zeigt, welches der
Excretion vorsteht, als ein Blutgefässsystem und Herzen, in welcher
Beziehung man z. B. der Strudelwürmer, Trematoden und Cestoden
gedenken möge. Die detaillirten Mittheilungen übrigens, welche z. B.
Lieberkühn (Müll. Arch. 1856) über dieses „Gefässsystem'^ von
Bursaria flava und B. vorticella gicbt, stimmen so mit den Erschei-
nungen am Excretionsorgan der Rotatorien überein, dass sie', anstatt
die Richtigkeit der Deutung als Getässsystem zu sichern, meine gegen-
theilige Meinung mir noch wahrscheinlicher machen, namentlich, was
er über den feineren Bau der Kanäle von Bursaria flava sagt und
über die Weise der Füllung und Entleerung der Kanäle und der Blase
von Bursaria vorticella.
Ueberhaupt: unsere Darstellungen über die Respirationsorgane
der Wirbellosen enthalten noch manch Traditionelles, was wohl mit
396 Von den Re.s^iirationsorganen der Wii-bellosen.
der Zeit getilgt werden miiss. Die s. g. Kiemen der Gasteropoden
und Bivalven z. B, scheinen mir eine untergeordnete Bedeutung für
die Respiration zu haben, die äussere Haut ist ^Yahrscheinhch bei diesen
Thieren von demselben Belang für die Athmung, wie die Kiemen.
Was ich an jungen Thieren von Cyclas über den Kreislauf be-
obachtete ; vermehrt meine Zweifel. Es ist mir nämlich nie ge-
lungen , obwohl ich wiederholt an vielen Individuen meine Aufmerk-
samkeit hierauf lenkte , Bhitkügelchen in die „Kiemen" eintreten zu
sehen, was doch und sogar in reichem Maass geschehen müsste, wenn
hier das Blut vorzugsweise athmete. Während im übrigen Körper
und auch im Mantel die Bhitkügelchen herumgetrieben wurden, war
ich nie so glücklich, irgend einmal ein Biutkügelchen in den betreiFen-
den Organen zu erblicken. Es darf auch wohl daran erinnert werden,
dass einer der ausgezeichnetsten Zootomen, Boj anus ^ schon vor
langer Zeit bei den Najaden die Bedeutung der „Kiemen" als Respi-
rationswerkzeuge in Abrede gestellt hat. Bei manchen Mollusken
fehlen sogar die Kiemen, so z. B. bei Cleodora und Creseis nach
Oegenhaur.
Nicht bloss die äussere Haut, sondern auch die Darminnenfläche
scheint sich bei Mollusken an der Respiration zu betheiligen, wie man
wenigstens gewisse Beobachtungen Qegenhaur s auslegen könnte.
Dieser Forscher sah nicht nur bei allen Pteropoden und Heteropoden,
sondern auch bei vielen Gasteropoden aus der Ordnung der Nudi-
branchiaten , dass die Elimmerströmung im Darm vom After gegen
den Magen zurückgeht; dazu kommt, dass der After häufig, oft sogar
rhythmisch sich öffnet und schliesst, „welche Bewegungen mit Schluck-
versuchen die grösste Aehnlichkeit besitzen. An jede dieser Be-
wegungen schliesst sich eine peristaltische, deren Undulationen , je
weiter gegen den Magen sie fortschreiten, um so schwächer werden.
Das Oeffnen des A)ius erfolgt ganz unabhängig von der Entleerung
von Fäkalstoffen, und sehr oft sieht man auch die Analöftnung weit
ausgedehnt. Hiebei, sowie bei dem rhythmischen Oeffnen des Afters
strömt jedesmal eine Quantität Wasser in den Darm, welche theils
durch die Cilien, theils durch die peristaltischcn Bewegungen weiter
fortgeleitet wird, so dass ein continuirlicher Wasserstrom die ganze
Länge des Darms bis in die Nähe des Magens durchströmt." Es ist
Wülil kaum etwas Ungereimtes, wenn man diese „Darmbewässerung"
zunächst niif dem Respirationsvorgang in Zusammenhang bringt. Das
Pliänomen scheint übrigens bei Wasserthieren verbreiteter zu sein,
denn auch Lerehoullet beobachtete bei jungen Flusskrebsen, ferner bei
Limnadia und Doplmia ein regelmässiges Oeffnen und Schliessen der
Analklappen und sah im Wasser suspcndirte Farbstttflpartikel regel-
mässig durch dieselben ein- und austreten. Bei Astacus zählte er
15 — 17, bei Limnadia 25, ;^0 — 40, bei Vophiria 40 solchei- Aspira-
tionen in der Mimite. (Vergl. Carus, Jahresb. in d. Zootonn'e I. S. 22.)
Darniatliimiiig. 397
Endlich ist schon lange auf die Dannatlimung der Libcllcnlarven hin-
gewiesen worden, wo die Kiemen mit dem Mastdarm in Verbindung
stehen und das die Athmung vermittelnde Wasser durch Contractionen
des Hinterleibes rhythmisch aus- und einströmt.
An den Kiemendeckeln verschiedene!' Onisciden fallen kreideweise
Flecke auf, was von feinzertheilter Luft in ihnen herrührt. Die Luftgänge bilden
ein ähnliches engmaschiges Netz, wie die Capillaren in den Lungen der Wirbel-
thiere ; mau kann die Luft leicht austreiben, worauf die Luftgefässe als polygonale
helle Gänge in der Haut des Organes zurückbleiben. Auf der Unterseite glaube
ich eine grössere Oeft'nung zu sehen, die zum Einlassen der Luft dienen könnte.
Ueber die histologische Beschaffenheit der Kiemenblätter von Asellus aquati-
cus s. Müll. Arch. 1855 S. 458.
Die Epithelzellen an den Kiemen der Paludina vivipara sind nicht von einer-
lei Art, indem die einen sich durch besonderen Inhalt auszeichnen, siehe Zeitschr.
f. wiss. Zool. Bd. IL
Ueber den Bau der Tracheen der Insekten und Spinnen s. Leydig in
Müll. Arch. 1855 S. 458; auch schon andere Forscher sind bezüglich des soge-
nannten iSpiralfadeus zu ähnlichen Resultaten gelangt wie ich. So sagt H. Meyer
(Zeitschr. f. wiss. Zool. 1849 S. 181), dass er die Ansicht gewonnen habe, der
Spiralfaden sei nicht als solcheV abgelagert, sondern stelle ursprünglich eine homo-
gene Membran dar und diese spalte sich erst nach geschehenem Lufteintritt in
den Spiralfaden. Die Unrichtigkeit der letzteren Angabe springt jedoch in die
Augen, wenn man von starken Tracheen eines grossen Käfers (z. B. von Procrustes
coriaceus) die sog. Intima ins Auge fasst. Man stelle dabei den Fokus auf den
äusseren Eand der homogenen Chitiuhaut ein und man wird wahrnehmen, dass sie
keineswegs unterbrochen ist, was doch der Fall sein müsste, wenn sie, wie Äleyer
will , gewissermaassen reifartig zersprungen wäre , im Gegentheil ihre äussere Con-
tur geht continuirlich fort und die innere erhebt sich in Abständen nach innen,
d. h. springt spiralig vor. Auch Leuckart, der den Spiralfaden noch zwischen
zwei Häuten eingeschlossen sein lässt, spricht doch aus, dass auch da, wo er ana-
tomisch selbständig auftritt, er nur eine entwickelte (freilich sagt er „äussere")
Schicht des Tracheenskelets darstelle. Endlich , wie ich nachträglich erfahre, hat
auch schon Dujardin sich dahin erklärt, dass der Spiralfaden von der Innenhaut
der Tracheen nicht zu trennen sei, „er ist nur das Resultat einer Verdickung der-
selben" (Compt. rend. T. 28, 1849). Auch führt Dujardin mehre Insekten auf,
bei denen er Haare im Innern der Tracheen fand. Daneben hat freilich auch die-
ser Autor die irrige Angabe, dass die äussere Haut der Tracheen „homogene Sar-
code" sei. — Gute Abbildungen über die Stigmata von Alusca vomitoria und
Bombus terrestris siehe bei Bishop in der Cycl. of anat. and phys. Vol. IV.
Art. Voice.
Zu dem sog. Wass er gef ässsyste m sei angemerkt, dass ich bei Piscicola
in der Haut ungefähr auf halber Länge des Körpers, unter dem contractilen Blut-
gefäss, eine OefFnung erblickte, die sich rhythmisch öffnet und schliesst, und viel-
leicht zu dem fraglichen System gehört. — Es wurden oben die sog. Wassergefässe
und die Excretionsorgane der Trematoden u. a. als zusammengehörig betrachtet,
obschon sich ein sehr genauer Beobachter, M. Schnitze, lebhaft gegen eine solche
Auffassung erklärt hat (Zeitschr. f. wiss. Zool. 1853 S. 188). Schnitze will die
beiden Organe scharf geschieden haben , scheint mir aber diessmal im Unrecht zu
zu sein, wie namentlich aus den Mittheilungen Auberfs hervorgeht. — Auf die
excretorische Thätigkeit der sog. Wassergefässe dünken mir auch die Angaben
Schmarda^s über die Anatomie der Bonellia hinzuweisen. Bei diesem Thier
398 Vom Gefässsystem des Menschen.
seien die den Holothurienkiemen entsprechenden Organe von brauner Farbe, wo-
bei ich mir eben die Frage erlauben möchte, ob nicht die „Pigmentkörnchen"
Harnconcremente wären? Es Hesse sich dann noch mehr rechtfertigen, wenn diese
Organe hierher gestellt werden. — An der' neuen riesengrossen Egelart aus Bra-
silien , die de Filipjii unter dem Namsn Ilaementeria bekannt gemacht hat, be-
schreibt er vier paar ansehnliche Gefässknäuel , die Seitendrüsen vertretend, und
deutet sie als Nieren, was dann mit der jetzigen Auffassung zusammenfiele.
Sechsimddreissigster Abschnitt.
Vom Gefässsystem des Menschen.
§. 363.
Zum Gefässsystem gehören die Blut- und Lympligefässe, als
deren Mittelpunkt das Herz zu betrachten ist. Besondere Anhangs-
gebilde des Gefässsystemes sind die Milz, die Thymus und die Lymph-
drüsen.
§. 364.
we^y.. Das Herz und die grossen Gefässstämme sind In ihrer ersten
Anlage solide Zellenmassen des mittleren Keimblattes^ die sich in der
Art weiter umgestalten, dass die zu innerst gelegenen Zellen J^lut-
oder Lymphkügelchen werden, während die Rindenzellen die Wände
bilden. Die Capillaren möchte ich für weiter entwickelte Bindegewebs-
körperchen halten und es scheint, als ob auch die feineren Arterien
und Venen ihren nächsten Ursprung von denselben J^ildungen nehmen.
Die Hauptmasse des Herzens ist quergestreifte Muskel-
substanz, deren Elemente sich von den Stainnunuskeln durch folgende
Punkte unterscheiden: 1) zeigen die s. g. Primitivbündel ein gewisses
gekörneltes, dunkleres Aussehen und haben einen geringeren Breiten-
durchmesser, als die willkürlichen Muskeln; 2) die s. g. Primitiv-
bündel thcilen sich häufig und anastomosiren untereinander, und 3) das
Bindegewebe, welches in den Stammmuskeln als Perviiysium internum
die Primitivbündel in Gruppen vereinigt und scheidet , ist hier im
Herzen auf ein Minimum beschränkt, und selbst das Sarcolennna der
Primitivbündel kann mitunter erst dui'ch lieagenticn sichtbar gemacht
werden. Dieser fast gänzliche Mangel von Bindegewebe verleiht der
Herzmuskulatur den bekannten hohen Grad von Festigkeit. Nur an
der Aussen- und InnenHäche der Herzwandungen verdichtet sich das
Jündegewebc zu Membianen , welche die deseriptive Anatomie als
viscerales Blatt des Herzbeutels und als Endocardhim unterscheidet.
Hlutgefässe. 399
§. 365.
Die GruiuUagc des Pericardiums ist BindcgX'webe mit elastischen
Netzen und auf der freien Seite ruht ein einfaches PlattenepitheL
An den Rändern der Herzohren verlängert sich die Serosa in zotten-
artige Fortsätze (Luschka). Auch das Endocardium oder die
Haut, welche die innere Herzoberfläche überzieht; besteht aus Binde-
gewebe , dessen elastische Elemente nach der freien Fläche zu so
zahlreich werden , dass sie fast eine eigene elastische Schicht er-
zeugen. Darüber liegt ein dünnes Epithel; die Klappen im Herzen
sind aus Bindegewebe, elastischen Fasern und Epithel gebildet, er-
scheinen also auch histologisch nur als Verdickungen des Endocardiums.
Die Blutgefässe der Herzmuskulatur verästeln sich wie bei
anderen quergestreiften Muskeln, indem sie mit länglichen, der Dicke
der Primitivbündel entsprechenden Maschen letztere umspinnen. Im
Endocardium, halten sie sich meist nur innerhalb der eigentlichen Binde-
gewebslage, in die Atrioventrikularklappen treten die meisten Gefässe
vom angewachsenen Rande aus in's Innere der Klappe, andere ge-
langen diXxvQh d\Q Ghordae tendineae dahm (Luschka)] die Semilunar-
klappen wurden bisher für gefässlos erklärt, indessen hat der eben
genannte Autor (Arch. f. phys. Heilkunde 1856) gezeigt, dass beim
Menschen und beim Schwein .eine bedeutende Anzahl von Gefässchen
von allen Punkten des angewachsenen Randes aus zwischen den beiden
Klappenblättern unter vielfacher Yerästigung und reichlicher Anasto-
mosirung aufwärts steigen. Auch im Pericardium bildet das Gefäss-
netz, wie in anderen serösen Häuten, grosse, nicht dichte Maschen.
Bezüglich der Herznerven ist zu beachten, dass sie selbst mitten
in der Muskulatur zu Ganglien anschwellen (Remak).
§. 366.
Die peripherischen Blutgefässe theilt man hergebrachter BiutKcdi.xe
Weise ab in die Pulsadern oder Arterien, in die Blutadern oder Venen
und in die Haargefässe oder Capillaren.
Das Grundgewebe der Blutgefässe ist die Bi n des ubs tanz mit
Einschluss des elastischen Gewebes, und es g-iebt einige Gefäss-
formen, die einzig und allein daraus bestehen, wie z. B. die Blut-
behälter (Sinus venosi) der harten Hirnhaut, die Venae diploeticae, die
weiten blutführenden Kanäle der Placenta materna u. a.
Gewöhnlich aber sind in diese Gewebe Muskeln eingeflochten
und die Gefässe werden dadurch contractil. Die iimere Fläche hat
(ob an allen Orten?) noch ein zartes Epithel. Es bilden nun die
Gewebe , welche die Wandungen der Gefässe constituiren , mehre
Schichten, welche seit alter Zeit als Innenhaut, als mittlere Haut und
als äussere Haut unterschieden werden. Man ist zwar eine Zeitlang
der Darstellung Henles von sechs Häuten der Gefässwände gefolgt,
aber jetzt wohl allgemein zu der natürlichen früheren Annahme dreier
400
Vom Gefässsystem des- Menschen.
Häute zurückgekelirt. Alle Beobachter haben ferner, was ebenfalls
noch vorausbemerkt werden soll, die Erfahrung gemacht, dass die ein-
zelnen Schichten der Gefässhäute nicht bloss an Gefässen verschiede-
nen Kalibers bei einem und demselben Individuum , sondern auch
bei verschiedenen Individuen desselben Alters Abänderungen zeigen,
Fig. 205.
ff.
tj c h e ni a A von einer Arterie, B von einer Vene,
a homogene Intini.i mit dem Epithel b, c muskulöse Media, d bindegewebige
Adventitia.
§. 367. '
Um mit der Innenhaut, Tunica intima, zu beginnen, so richtet
sich dieselbe in ihrer Stärke, obgleich immer im Dickendurchmesser
der mittleren Gefässhaut nachstehend, nachdem Umfang der Gefässe;
in den kleinen Arterien und Venen hat sie zur Grundlage eine
homogene, elastische Haut mit netzstreihger Zeichnung, welche nach
Rem ah der Ausdruck feiner Spältchcn ist. Ihi- liegt nach innen das
Gefässepithel auf, dessen längliche Zellen sehr platt sind, auch wohl
untereinander zu einer strid^turlosen Haut verschmelzen. Die ehasti-
sche Grundlage giebt der Intima das weissliche Aussehen. In den
stärkeren Gefässen verdickt sich die elastische Haut durch ebenfalls
elastische Schichten oder Lamellen, die entweder rein homogen oder
Jängssti-eifig sind , bei den stärksten Arterien auch häufig von zahl-
i'eichen Löchern durchbrochen werden und dann (h-n Namen ge-
fensterte Häute tragen. Ninnnt die Zahl der Lücken sehr zu. so
ändert sich notliwendig das Bild einer gcfensterten Membran in das
einer elastischen Netzhaut um. Selbst in den grössten Venen bleibt
die Intima in ihrei- Lntwickhmg hinter den starken Arterien zurück.
Aus dem Mitgctheilten erhellt, dass die Intima der Gefässe haupt-
sächlich bindegewebiger Natur ist, und seltener konunt es vor, dass
schon in sie, wie man es an der Intima der Arteria axillaris und
A. poplitaea beobachtet hat, glatte Muskeln eingeflochten sind. Die
Venen des schwangeren Uterus zeigen allerdings aui'h in ihrer Intima
eine sehr entwickelte glatte Muskulatur auf.
Blutgefässe. 401
§. 368.
Die mittlere oder Ringtaserhaut, Tunica media, ist bei den
Arterien die stärkste Lage, in den Venen erscheint sie schwächer
entwickelt und ist hier meist dünner, als die äussere Gefässhaut. Für
das freie Auge hat sie bei Venen und Arterien von mittlerer Dicke
eine grauröthliche, bei den starken Arterien eine gelbe Farbe. Diese
mittlere Gefässhaut ist vorzugsw^eise muskulös, in den kleinen Arterien
besteht sie fast lediglich aus Muskeln. (In den feinsten Arterien des
Gehirns, Rückenmarkes und Markgewebes der Knochen, welche in
die Capillaren übergehen, von Andern auch schon Capillaren genannt
werden, ist die Muskulatur nach Rohin spärlicher, als an den übrigen
Theilen.) Die Muskeln der Tunica media sind glatte, nicht besonders
lange, an den kleinsten Gefässen sogar kurze Fasern, welche sich
bei den Arterien immer ringförmig um das Gefäss legen, während
bei den Venen mit den querverlaufenden Muskeln auch andere, in die
Längsrichtung ziehende vorhanden sich zeigen.
§. 369.
Die äussere Gefässhaut oder Tunica adventitia ist an kleinen
Arterien gewöhnlich ebenso dick , als die Tunica media , an den
grössten Arterien dünner, als die Ringfaserhaut, und an den Venen
ist sie gemeinhin die stärkste der Gefässhäute. Ihrer Struktur nach
gehört sie döm ordinären Bindegewebe an, welches nach der Länge
des Gefässes sich schichtet und häufig elastische Netze noch auf-
nimmt. Die Tunica adventitia der stärksten Venen oÖenbart die
Eigenthümliohkeit , dass in ihr mächtige Züge glatter Längen-
muskeln verlaufen, so im Lebertheil der V. cava inferior, in den
Stämmen der Lebervenen, Stamm der Pfortader, Venen des schwange-
ren Uterus u. a. Endlich wird die Tunica adventitia aller grossen
Venen, wo sie in's Herz sich einsenken, von der Herzmuskulatur aus
mit einer quergestreiften Muskellage eine gewisse Strecke weit (die
obere Hohlvene bis zur Subclavia, die Venae 'pulmonales bis in ihre
Hauptzweige) ausgestattet.
Nach dem Vorgebrachten haben die Arterien und Venen gemein-
same Grundzüge ihres Baues, und die Hauptdiiferenz zwischen beiden
liegt darin , dass die mittlere Gefässhaut bei den Venen dünner be-
schaffen ist , dann auch , dass bei den Arterien die Muskeln dieser
Haut nur circulär verlaufen, bei den Venen aber auch longitudinal.
§. 370.
Die feinsten Gefässnetze, in welche die Arterien nach oft wieder-
holter Zertheilung schliesslich ausgehen, und welche nach der anderen
Seite hin wieder zu Venenwurzeln sich fortbilden, nennt man Capil-
laren oder Haargefässe. Die eigentlichen Capillaren bestehen,
wo sie isolirt werden können, aus einer einzigen homogenen Haut,
die wasserhell, einfiich oder doppeltconturirt ist und in mehr oder
Leydig, Uidtologie. 26
402
V'(jin Gefilsssystciii tles Munsclien.
minder regelraässig-ei\ Zwischenräumen runde oder ovale Kerne in
ihrer Substanz hat. Häufig ist indessen diese Haut mit der umliegen-
den Bindesubstanz so verwachsen , dass sich die Capi Haren nur wie
entwickelte Bindegcwebskörperchen oder mit anderen Worten lediglich
wie scharf begrenzte Hohlgängc in der Bindesubstanz ausnehmen. Man
vermag daher auch bloss da die Capillaren gut zu isoliren, wo sie von
einer sehr zarten und weichen Bindesubstanz getragen w^erden, wie
das in den Nervencentren und ganz besonders in der Retina des
Auges der Fall ist; von dieser Haut lassen sich nach gelinder Mace-
ration und Abspülung der pulpösen Masse Capillarnetze am aller-
schönsten erhalten. Aus anderen bindegewebigen Thcilen hingegen^
welche im injicirten Zustande äusserst i'eich an Capillaren sind, wie
z. 13. die Schleimhaut des Darmes, der Lungen etc., gelingt es keines-
wegs, die Capillarnetze isolirt darzustellen, weil eben hier die Wand
der Capillaren mit der undiegcnden Bindesubstanz verschmolzen, an-
ders aufgefasst: iu dem Bindegewebe ausgegrabene Hohlgängc sind.
Fig. 208.
C ap i 1 1 ar g e t'Jls s e.
a eclitc Capillaren, bei h übcrgeheiul in eine feine Arterie und bii c in eine
feine Vene. (Starke Vergr.)
§. -571.
Die starken Blutgefässe, welche, wie wir gesehen, einen Com-
plex von Geweben, d. h. Organe vorstellen, bedürfen auch eigener
E rn all III ngsge fasse, Vasa nutrientia. Diese kommen aus kleinen
Arterien der Nachbarschaft und verbreiten sich vorzüglich in der
Tunica adventitia ^ treten auch ila und dort in die Tunica media
hinein, doch nicht in die hifima, welche immer gefässlos zu sein
scheint. Auch Nervcnfäden sind an vielen Gefässen wahrgenonnnen
worden, doch fehlen über das eigentliclie Verhalten dei'sellien bis jetzt
nähere Aufklärungen.
Lymj)liiin'isen.
403
§. 372.
Was die Lymphgefässc betrifft, so nnterscheidet man an ihnen
wieder die feinen Anfänge oder Lyniplicapillaren und die stärkeren
Gefässe.
Wurde schon vorhin bezüglich der BlutcapiHarcn hervorgehoben,
dass dieselben innerhalb des festeren Bindegewebes häufig den histo-
logischen Charakter von blossen Bindegewebskörperchen haben , so
ist das für die Lymphcapillaren durchweg der Fall. Es existiren
keine anderen Lymphgetässanfänge, als die Bindegewebskörperchen.
Auch die Chylusgefässe in den Darmzotten sind nur die (bleibenden)
netzartigen Hohh'äume in der Bindesubstanz der Zotte, die zu einem
grösseren centralen Raum zusammenfliessen. Die Begrenzungsschicht
dieses Kanalsystemes entspricht der homogenen Haut jener Blut-
capillaren, welche wegen der grösseren Weichheit des umgebenden
Bindegewebes von diesem ausgeschält werden können. Wie nun
Blutcapillaren vom Charakter der Bindegewebsräume durch Schichten-
bildung der Wand und Auftreten von contractilen Elementen von der
umgebenden Bindesubstanz sich abheben oder selbständiger werden,
gerade so gewinnt auch die B egrenzungslini e der Lymphcapillaren
an Stärke, sie verdickt sich zu einer elastischen Intima, es legt
sich im weiteren Verlauf eine aus glatten Muskelfasern bestehende
Tunica media oder Ring faser haut herum und endlich sondert eine
Tunica adventitia, aus Bindegewebe, elastischen Fasern und
einem muskulösen Flechtwerk zusammengesetzt, das Lymphgefäss von
den nächstgelegenen Theilen ab. Innen scheint auch noch ein feines
Epithel zugegen zu sein.
Fig. 209.
r^ymph
Schema über die Anfänge der Lym ph gefässe.
A Netz der Bindegewebskörperchen, B lieginn eines selbständigen Lympbgefäss-
stämuicbens mit homogener Intima und der Mnskelscbiclit.
26*
drüscn
404 Vom CTetJIsssystt'm des Mensch eii.
§. 373.
Lmypii. £~)ip Lymplig'cfässc werden auf ilireni Weg'e zv.m Ductus thoracims
hiinfio- von ovalen, bohnenförmigen Körpern, deren Grösse zwischen
einer Linie und einem Zoll Durchmesser wechselt, unterbrochen. Der
Bau dieser Lymphdrüsen, und wie sie sich zu den aus- und ein-
tretenden Lymphgefässen verhalten , lässt sich in Folgendem zu-
sammenfassen.
Wie bei anderen drüsigen Organen, formt wieder Bindesubstanz
das Drüsenskel et. Nachdem nämlich das Bindegewebe an der
Oberfläche der Lymphdrüsen eine ziemlich feste Hülle gebildet hat,
durchsetzt es als Fach- oder Schwammwerk das Innere der Drüse,
ohne dass jedoch dieses Areolarwerk in der Rinde und im Mark der
Drüse von ganz gleicher Beschaffenheit w'äre. In der Rindensubstanz
werden durch das Balkengerüst des Bindegewebes foUikelartige Räume
begrenzt, die untereinander zusammenhängen und dem freien Auge
schon deutlich sind ; aber auch in's Innere dieser Hohlräume erstreckt
sich, wie bei den Peyer'schen Follikeln u. a. , zum zweitenmal die
Bindesubstanz, wenn schon als ein weit zarteres Netzwerk. So ge-
schieht CS denn , dass durch die Bindesubstanz der Rinde zweierlei
Fachwerke zu Stande kommen, ein grösseres, dem freien Auge zugäng-
liches, welches die s. g. Follikel erzeugt, und ein feineres, das
wieder die Follikularräume durchstrickt. Im Mark umschreibt das
Fächerwerk nocli grössere Hohlräume , wie schon das blosse Auge
auf dem Durchschnitt der Drüse gewahrt, und man kötnnte eben, von
den sonstigen Strukturverhältnissen absehend, sagen: das Bindegewebe
der Rinde entspricht einem feinmaschigen, das der Marksubstanz einem
grobmaschigen Schwamm. Suchen wir uns klar zu machen, wie die aus-
und eintretenden Ly mp hg ef äs se (Fa^a t?(/erew^m und V . ef'erentia)
zu dem bindegewebigen Gerüst sich verhalten, so bemerken wir zu-
nächst, dass die Vasa inferentia, welche unmittelbar vor der Drüse in
Aeste zerfallen, den gewöhnlichen Bau hahen, d. h. sie bestehen aus
einer homogenen, elastischen Intima, einer muskulfisen Media und
einer bindegew^ebigen Adventitia. Die feinen Aeste, mit denen sich
(las Lyniphgefäss der Drüse nähert, verlieren sich in das zwischen
den h'ollikeln befindliche Bindegewebe und iiehineii den Charakter
von netzffirmigen Interstitien des Bindegewcshes an, und ohschon ich
bisher ni(^ (an den Lymphdrüsen des Gekröses) weissen Chylus in
die Follikeln eingedrungen sah, so muss nach den bei künstlichen
Injektionen sieh ergebenden Erscheinungen angenommen werden, dass
sich die J^yniphgänge der Rinde in die Areolarräume öffnen. ]n der
Marksubstanz der Drüse haben die Lymphgefässe, wenn man sich so
ausdrücken darf, ihre Unselbständigkeit wieder abgelegt, man erblickt
hier wieder geräumige Lymphgefässplexus , aus homogener Intima,
muskulöser Media und bindegewebiger Adrevtitia bestehend, und aus
diesem Lymphgefässnctz geht gegen den llilus dei- Drüse das Vas
Milz. 405
efferens hervor. Das Fachwerk, Avelches sich dem freien Auge in der
Marksubstanz darbietet, geliört demnach ausser den noch zu schildern-
den Bhitgefässen den Wänden der Lymphgefässplexus an und die
Hohh'äunie dazwischen sind die Lichtungen der Lymphgetasse.
§. 374
Die Follikuhirräunie der Rinde sind mit denselben kleinen farb-
losen Zellen (den Ly mphkügelch en) erfüllt, wie sie die grau-
weisse Pidpe der Peyer'schen Follikel u. a. bilden. Von diesen Zellen,
welche in den Lymphdrüsen keimen und sich durch Theilung ver-
mehren, geht immer eine Anzahl in die Vasa efferentia über und
wandert gegen den Ductus ihoracicus fort.
Die Lymphdrüsen haben auch zahlreiche Blutgefässe, deren
feinere Vertheihing in der Rindensubstanz Statt hat, und zwar die-
nen, wie anderwärts, die Bindegewebsbalken und Platten, um die
Capillaren und stärkeren Gefässe zu tragen.
Mit den Arterien gehen aucb immer einige Nervenfasern in die
Lymphdrüsen binein, obne dass man wüsste, wo und wie sie ende-^i.
Sucht man sich die Struktur der Lymphdrüsen von einem all-
gemeineren Standpunkt aus zu ordnen und abzurunden, so stellt sich
heraus, das die Vasa inferentia innerhalb der Rinde in Lymphca-
pillaren sich auflösen und mit den die Lymphkügelchen produziren-
den FoUikularräumen zusammenhängen, man könnte auch sagen, die
Follikel seien Appendices der Lymphgänge; nach dem
Marke zu vervollständigen sich wieder die Capillaren zu grösseren,
netzförmig verbundenen Lyraphgefässen und diese zum Vas efferens
geeinigt, leiten den Lymphsaft und die Lymphkügelchen weiter zum
Gefässsystem fort. Erzeugung der Lymphkügelchen scheint
demnach die eigentliche physiologische Leistung der erörterten Glan-
dulae zu sein.
§. 375.
Den Lymphdrüsen im Baue nahe verwandt ist die Milz. Ihr mu,...
kommt ebenfalls eine bindegewebige, starke Hülle {Tuiiica albuginea
s. proirria) zu, in welche zahlreiche elastische Fasernetze eingewebt
sind. Von dieser Hülle geht nach innen ein netzförmiges Balken-
werk ab, die sog. Traheculae lienis^ welche mit freiem Auge bequem
verfolgt werden können und gleich der Hülle aus Bindegewebe und
elastischen Fa.-crn bestehen. In den dadurch gebildeten Räumen
liegt eine weiciie, röthhche Masse, die Milzpulpe, und zwar wie
es dem unbewaftheten Auge erscheint, unmittelbar eingebettet. Allein
mit Hülfe des Mikroskops erfährt man, dass innerhalb der vom
freien Auge sichtbaren Trabekularräume ein ähnliches bindegewebi-
ges Balkenwerk in zarterer Ausführung sich wiederholt, wie wir es
im Grossen an der Milz sehen. Die dem freien Auge sich darstel-
lenden Trabekularräume der Milz sind mit den FoUikularräumen der
Lymphdrüsen in Parallele zu stellen und das feine Netzwerk in
406
Vom Gefässsystem des Mcnscheii.
letzteren findet sein Analogou in dem zarten Fasergerlist, welches
die Trabekularräume durchkreuzt. Und wie in den Lymphdrüsen
der Inhalt der Alveolen eine grauweisse Pulpe bildet, so liegt bei
der Milz in den Lücken des Fachwerkes die rothe Pulpe, aus Blut-
körperchen und farblosen Zellen bestehend. An den Lymphdrüsen ist
es mehr als wahrscheinlich, dass die Follikularräume mit dem Lumen
der Lymphgefässe zusammenhängen nnd ebenso scheint es sich für
die Milz herauszustellen, dass die Trabekularräume mit den Blutgefässen
in Communikatiun stehen, mit anderen Worten, Bluträume sind und
die Pulpe als Inhalt dieser Bluträume zu bezeichnen ist.
§. 376.
Schon dem freien Auge machen sich in der rothen Milzpulpe
weissliche Flecken beraerklich, die unter dem Nanaen Malpighi-
sche Körperchen schon viel bespi:oclien wurden. Sie rühren
davon her, dass kleine Partien des mikroskopisch feinen bindegewe-
bigen Fachwerkes fast ausschliesslich mit farblosen Zellen (Lympli-
kügelchen) angefüllt sich zeigen und eben desswegen mit grauweisser
Farbe von der übrigen rothen Pulpe abstechen. Fast immer halten
sich solche Ansammlungen von Lymphkügelchen an die Nähe der
Arterienzweige.
Fig. 210.
c b
Ein Stück vom 1) nie lisch ni tt der Milz,
ii grössere lSIi]zl);ilk('n (die dunkleren gcsclilängclteii Linien in denselben denten
die elastiselicii K;isern ;in), b (l;is feinere bindegeweliige Netzwerk , e die Pulpe,
welclie in den Masclienräumen liegt, d ein Arterienstämmchen, e ein Malpighi'-
sches Kürperchen. (Starke Vergr.)
In die Milz tritt bekanntlich eine starke Arteric ein, deren
grössere und feinere Verzweigungen lediglich im Bereich des grö-
beren und zarten l'alkcnwerkes geschehen, d. h. die biiulegewebigcn
Thymus. 407
Trabekel sind die Träger der Blutgefässe und die sog. Tumca ad-
venütia der Arterlenäste und der büschelförmigen Endzweige ist ein
Theil des BalkengeAvebes; die Capillaren, in welche die Arterien
sich auflösen, werden von dem mikroskopisch zarten Flechtwerk ge-
stützt, in dessen Räumen die Pulpe ruht und daher durchziehen die
Capillaren auch die sog. Malpighischcn Körper. Wie schon gesagt,
gehen wahrscheinlich die Ca])illaren in die Pulperäume frei aus und
erst diese werden wieder zu Venen. Etwas eigenthümliche, spindel-
förmige Korper, deren Kern oft in einem knopfförnn'gen Vorsprung
liegt, werden als Epithelzellen der Venen gedeutet.
Die Lymphgefässe der Milz verlaufen zugleich mit den Ar-
terien, und wie man nach vergleichend-anatomischen Wahrnehmun-
gen schliessen darf, so stehen sie zu den sog. Malpighischcn Kör-
pern in einer ähnlichen Beziehung, wie in den Lymphdrüsen die
Follikeln zu den Lymphgefässen, oder anders ausgedrückt, es sind
mit farblosen Zellen gefüllte Räume, welche mit den
Lymphgefässen zusammenhängen.
In den Nerven der Milz zählt man hauptsächlich sympathische
{Remak's>c\\<i) Fasern und nur wenige dunkelrandige Fibrillen sind
eingestreut.
§. 377.
Auch die innereßrustdrüse oder Thymus giebt manches Verwandt- Ti.ymu».
schaftliche mit den Lymphdrüsen kund. Sie hat ein gelapptes Aus-
sehen, die Lappen zerfallen in Läppchen und diese in die ?>q^. Acini.
Das Gewebe, welches diese Gliederung besorgt, ist wieder Binde-
gewebe, das, nachdem es die Hülle des Organes geformt, die Con-
turen von den grösseren bis zu den kleinsten Abtheilungen beschreibt.
Darnach könnte man glauben, dass die Thymus einer traubenförmi-
gen Drüse näher stehe, als den Lymphdrüsen. Diese Ansicht muss
aber sofort schwinden, wenn man erfährt, dass das Bindegewebe
innerhalb der letzten Lobuli ein ähnliches Netzwerk er-
zeugt, wie solches von den Peye?*'schen Follikeln, den Lympli-
drüsenfollikein, beschrieben wurde, und dass die dazwischen frei blei-
benden Lücken von einer weissgrauen zelligen Pulpe eingenommen
werden. J^etztere besteht aus anscheinend freien Kernen, farblosen
Zellen (Lymphkügelchen) und zuweilen sind runde, geschichtete Kör-
per eingemengt, die wohl nicht pathologischer Natur sind, da sie
auch bis zu niederen Wirbelthieren herab sich finden.
Die zahlreichen Blutgefässe der Thymus folgen in ihrer Ver-
zweigung dem Bindegewebe, und die Faserzüge in den Acini tra-
gen, wie in den Lymphdrüsen, die Ausbreitung der Capillaren.
Einige Nerven versorgen im Begleit der Arterien die Drüse.
Es weicht nur darin die Thymus vom Schema der Glandulae
lymphaticae ab, dass das ganze Organ einen geschlossenen Central-
kanal besitzt, der sich in die Läppchen aussackt und dessen Lihalt
408 Vom Gefässsystem des Menschen.
die bezeichneten Elemente der Pulpe ausmachen. Man möchte ver-
muthen, dass die Lymphgetasse, welche in nicht geringer Menge
die TJiymus verlassen, mit den Hohlräumen derselben communici-
ren, doch liegen hierüber keine Beobachtungen vor.
Unsere Kenntnisse über die Entwicklung der Thymus (beim
Hühnchen) verdanken wir Bern ak. Die Ränder der dritten und vier-
ten Kiemenspalte, welche von Fortsetzungen des Darmepithels über-
zogen sind, schnüren sich ab, und indem sie den von den Schlund-
wänden sich ablösenden Aortenbogen folgen, entsteht die Thymus
unter der Form von zwei länglichen Säckchen , welche jederseits
zwischen die Aortenbogen zu liegen kommen.
§. 378.
^'^^"1°- Die Gefässe dienen dazu , eine Ernährungsflüssigkeit behufs der
Unterhaltung des Thätigscins der Theile durch den Körper zu lei-
ten und andererseits die Zersetzungsprodukte der Organe aufzuneh-
men, um sie durch drüsige Gebilde aus dem Körper zu entfernen.
Das besondere Verhalten der Gewebe im Gefässsystem giebt mir
noch zu einigen Bemerkungen Anlass. Die Thatsache, dass im Herzen
die Anastomosen der Muskelprimitivbündel eine so häufige Erschei-
nung sind, darf man als eine Wiederholung im Kleinen von dem an-
sehen, was man an der Herzmuskulatur im Grossen wahrnimmt. Die
Scliichtcn der Herzmuskulatur kreuzen sich mannichfach und das
Netzwerk der Trabecidae carneae führt dem freien Auge dieselbe
Anordnung der Muskelsubstanz vor, welche sicli mikroskopisch in
den anastomosirenden Primitivbündeln wiederspiegelt. Eine sehr all-
seitige Contraetion ist wohl die Folge einer derartigen Verflechtung
der Fleischfasern. An den Gefässen spielen zwei Gewebe eine her-
vorragende Rolle, das elastische Gewebe und die Muskelhaut, erste-
res vorherrschend in den Stämmen (der Arterien) , während an den
feineren Gelassen die Muskelfasern die Oberhand haben. Das ela-
stische Gewebe, welches von der Nervenwirkung nicht beeinflusst
wird, sucht bloss die Veränderungen, welche der Umfang der Ge-
fässe durch Ausdehnung oder Druck erfährt, wieder auszugleichen;
hingegen die contractilen Fasern, der Thätigkeit des Nervensystemes
unterworfen, bewirken eine stärkere Anspannung oder ein Nachlas-
sen von der mittleren Spannung der Gefässe, je nach der verschie-
denen Steigerung des Nervenlebens, Daher kann man auch die
Bedeutung beider Gewebe am Kreislauf so fassen, dass man sagt,
das elastische Gewebe ist nothwendig für die Blutleitung oder die
Circulation überhaupt, das contractile Gewebe aber für die bestimmte
Vertheilung der Blutmasse.
Unser Wissen über die Funktion der Lymphdrüsen , incl.
der Milz und Thymus j stellt noch auf einer sehr niedrigen Stufe,
nur was schon oben erwähnt wurde: es verschafl't sich in neuerer
Zeit immer mehr die Ansicht Eingang, dasf die berührten Organe
Physiologisches. 409
die Biklungslierde der farblosen Blutküg'elcheii (sog. Lyraplikügelchcn)
sind. Von grösstem Belang sind in dieser Frage die bekannten Arbeiten
Virchow's über die Leukämie, wovon ich nur die Erfahrung heraus-
liebe, dass mit Lymphdrüsentumoren eine ausserordentliche Vermeh-
rung der farblosen Blutzellen v.erbunden ist. Virchoiu nimmt an, dass
bei solcher Hypertrophie der Lymphdrüsen auch ein vermehrter Ueber-
gang der Lymphkügelchen in das Gefässsystem statt habe.
Eine kurze Zeit war bezüglich der Milz die Ansicht im Schwung,
dass in diesem Organ eine regressive Metamorphose der rothen Blut-
kügelcheu statt habe, sie sollten da zerfallen und sich auflösen. Diese
Theorie ist, wie billig, wieder schlafen gegangen, da man sich überzeugt
hat, dass die sog. Blutkörperchen haltenden Zellen, aufweiche die Hy-
pothese basirt war, ein zufälliges Vorkommniss in der Milz sind.
Dergleichen Klümpchen von Blutkörperchen, aus der Blutbahn aus-
getreten und im Zustande der Entfärbung v^nd Zerbröckelung sich
befindend, können in allen möglichen Blutergüssen zur Beobachtung
kommen. Ich will nur als Beispiel anführen, dass ich die Blutkör-
perchen hiiltenden Zellen im Fleische des Schwanzes von Fischen
in grösster Menge angetroffen habe und zwar in der Umgebung von
Entozoen, welche auf der Wanderung begriffen, beim Graben ihrer
Minen durch Verletzung der Blutgefässe Extravasate verschuldet hatten.
Bemah hat in jüngster Zeit (Deutsche Klinik Nr. 70) über die Muskulatur
der Venen noch folgende Thatsachen ermittelt. 1) Die aufsteigenden Venen des
menschlichen Kör25ers sind weit reicher an Muskeltasern , als die absteigenden.
2) Die Menge der Muskelfasern nimmt in der Venenwand im Allgemeinen zu mit
den Hindernissen , welchen die Rückkehr des Blutes zum Herzen ausgesetzt ist.
3) Die Vena cava mferior thoracica und der an das Herzfleisch grenzende Theil
der Vena cava superior entbehren fast ganz der glatten Muskelfasern. — Die sack-
förmigen beulenartigen Anhänge der Venen an der Herzseite der Venenklappen
bestehen ausser einer dünnen, äusseren elastischen Schicht und einer ebenfalls
dünnen bindegewebig- elastischen Innenhaut fast ganz aus Bündeln langer glatter
einkerniger Muskelfasern , welche sich in den verschiedensten Richtungen kreuzen,
im Allgemeinen jedoch eine circuläre Richtung einhalten. Durch Erschlaifung
dieser Klappensäcke entstehen, was kaum einem Zweifel unterliegt, die Varices.
Die grösseren und kleineren Räume der Arachnoidea halte ich für gleich-
werthig mit Lymphräumen , und man kann auch zu Gunsten dieser Ansicht an-
führen, dass beim Stör zwischen Pia mater und Uiira mater eine Lymphdrüsen ähn-
liche Substanz den vom Gehirn freigelassenen Raum des Schädels auslullt (s. meine
Untersuchungen üb. Fische u. Rept. S. 5), ferner dass man bei Trygo7i pastinaea
an den Gefässen der Pia mater dieselben eigenthümlichen, von mir früher „turban-
ähnliche" Körper genannten Qlovieruli sieht , wie sie bei Selachiern sonst nur in
die Lymphgefässe hineinragen.
Was den Bau der Lymphdrüsen betrifft, so haben genau genommen schon die
älteren Forscher Jio^^i^'Äi nndt. Hewson dieselbe Vorstellung davon gehabt wie wir.
Freilich, wer viel auf den Namen giebt, wird widersprechen, da Hewson die Drüsen
aus anastomosirenden grossen Hohlräumen, die mit den Lymphgefässen zusammen-
hängen, und Malpighi aus wirklichen Lymphgefässplexus bestehen lässt, was doch
bei Licht besehen zwei verschiedene Ausdrücke für eine und dieselbe Sache sind.
410 Vom Gefjisssystem der Wirbelthicrc.
Hinsichtlich der Malpighi'' schnn Körper der Milz liest man hänfii;- die
Klage, dass sie gar su schwer zu isoliren seien und fast immer unter der Prüparation
zertiicssen. Ich meine, ein solches Verhalten dürfe uns nur dann Wunder nehmen,
wenn wir in den fraglichen Gebilden durchaus selbständige Körper erblicken wollen,
während sie doch in Wahrheit bloss modifizirte Partien der Pulpe sind.
Siebenunddreissigster Abschnitt.
Vom Gefässsystem der Wirbeltliiere.
§. 379.
Die Herzmuskulatur der Säuger, Vögel, Reptilien und Fi-
sche ist immer quergestreift, differirt aber durchweg von den Stamni-
muskeln darin, dass die Primitivbündcl ein mclir gekorneltes Aus-
sehen haben und schmäler sind, sich häufig verästeln und anasto-
mosiren, sowie dadurch, dass fast kein Bindegewebe zwischen den
Primitivbündeln sich findet. Bei Batrachiern und Fischen existirt
bekanntermaassen ausser den Vorhöfen und Herzkammern noch eine
""""" muskulöse Hcrzabthcilunc; , der soe;. Tnincus arteriosvs, dessen cou-
tractilen Elemente nicht überall dieselben sind. Die Ganoideu,
Chimären, Plagiostomen, Lepidosiren und Batrachier haben
hier eine quergestreifte Muskulatur, bestehend aus einfach verlän-
gerten Zellen mit quergestreiftem Inhalt, und w^elche daher, wenn
für „Primitivbündel" gehalten, zu den ganz schmalen zu rechneu
wären. Der Truncus arteriosus dieser Thiere pulsirt. Bei den T e-
leostiern ist die Muskulatur eine glatte, und damit in Ueberein-
stimmung, fehlen auch rhythmische lebhafte Coutractionen. Die
Muskeln sind an unseren Süsswasserfischen , Leaci'scus , Gobio z. B.,
im frischen Zustande leicht feinkörnig, die Bündel ziehen geflecht-
artig durch einander; bei Lahra.v Ivpns sehe ich ferner, dass die
frischen Muskelfasern hier sehr blass, weit schmäler und kürzer
sind, als die gleichen Elemente des Nahruugsrohres. (Es hat der
Bulbus nach Untersuchungen an Leuciscus ruh'lus seine eigenen Blut-
gefässe , Arterien und Venen.)
Beim Proteus und bei Torpedo stösst, wie ich gezeigt habe (Un-
ters, üb. Fische und Re])t.) an den schlagenden Bulbus arteriosus
noch eine Erweiterung, die bei Torpedo aus elastischen Elementen,
beim Proteus zu äusserst ebenfalls aus elastischen Fasern und nach
innen aus glatten Muskeln gebildet ist.
§. 380.
'"■'"■ Die blassen Zellen des Endorardium verschmelzen öfter unter
i-iirdiuin,
jiczuiHiMK-,,. einander, so dass die ehemaligen Zellcnkerne jetzt in einer homogenen
Haut liegen; meine Beobachtungen wenigstens an Haien und Gräthen-
Herz. 411
fischen sprachen für eine solche Auffassung. An der Bindcgewebsschicht
des Endocardium grösserer Säuger lässt sich unterhalb des Epithels
eine homogene Grenzlamelle unterscheiden {Basement membrane) wie
an serösen Häuten, Schleimhäuten etc. Unter dem Endocardium
der Wiederkäuer breiten sich eigenthümliche graue gallertige Fä-
den netzförmig aus, die modifizirte Miiskelsubstanz zu sein scheinen.
Dieser Bildungen gedenkt zuerst Für k in je, später hat v. Hessling
(Zeitschr. f. w. Z. Bd. V.) genauere Untersuchungen darüber angestellt,
ohne aber den Gegenstand zum Abschluss bringen zu können. Ganz
neuerdings handelt Reichert (Jahresb. f. d. J. 1854) in ausführlicher
Mittheilung über diese Purkinje'schen Fäden und kommt zu dem
Schlüsse, dass man es mit einem netzförmig ausgebreiteten Spann-
muskel des Endocardiuins zu thuu habe, dessen primitive Mus-
kelbündel etwas anders als die der übrigen Herzmuskeln sich vei'-
halten. Die Muskelcylinder sind kurz, sehr hell, innen mit körniger
Achse und Kernen und so gelagert, dass sie mit ihrem einen abge-
stumpften Ende gegen die übrige Muskelmasse des Herzens, mit
dem andern gegen die elastische Faserschicht des Endocardtmns ge-
richtet sind. — Die Herzklappen sind Duplikaturen des Endocar-
diuins, mithin bindegewebiger Natur, nur die starke Klappe im
rechten Herzen der Vögel (und des Schnabelthieres) besteht aus
quergestreiften Muskeln, auch nehme ich wahr, dass bei Leuciscus
und wahrscheinlich auch anderen Fischen die Klappe zwischen Sinus
venosus und Vorhof, welche röthlicli grau aussieht, aus denselben
quergestreiften körnigen Muskeln , wie das Herz überhaupt, gebildet
ist. An den sänimtlichen Herzklappen verschiedener Leucisci bemerke
ich ferner eigenthümliche Anhänge. Es sind einfach blasige oder
auch gebuchtete Hervorragungen am Rand der Klappen, entweder
Fis. 163.
Kand einer Herzklappe von Leuciscus mit drei Anliängeu.
(iStarke Vergr.)
mit breiter Basis aufsitzend , oder auch, wie an den Semilunarklap-
pen gestielt. Sie zeigen eine bindegewebige Grundlage und einen
zelligen Ueberzug von derselben Natur, wie das Endocardium. An
Chondrostoma nasus vermisse ich dergleichen Klappeuanhängscl,
412 Vom Geiasssystem der Wirbelthiere.
ebenso bei Lahrax lupus, wo übrigens die Valvulae semilunares eben-
falls aus Bindegewebe und feinen elastischen Fasern bestehen.*)
Beachtung verdient weiterhin, dass im Bulbus arteriosus der ge-
schwänzten ßatrachier [Salamandra maculata) und der Haie
[Hejcanchis griseus) , Ganoiden {Polupterus) , klappenartige Längs-
wülste vorspringen, die aus gallertigem Bindegewebe mit elastischen
Fasern geformt sind; im vorderen dicken Theil der Wülste wandelt
sich beim Land Salamander das Bindegewebe in schönen Hyalin-
knorpel um. Das Vorkommen von Knorpelgewebe im Herzen ist
wohl verbreiteter, denn auch bei Schildkröten {Testudo graeca
und Emys europaea) nimmt man in den klappenartigen Vorsprüngen
am Austritt der grossen Gefässe aus dem Herzen einen genuinen
Hyalinknorpel wahr, innerhalb dessen homogener Zwischensubstanz
die Knorpelhöhlen gewöhnlich mehre Zellen einschliessen. Gegen
die Peripherie hin wird die Zwischensubstanz weicher, es ziehen
Streifen durch dieselbe und die Zellen kommen mehr vereinzelt
zu liegen. Es scheint, dass auch Ossifikationen hier vorkommen
können, wenigstens hat Bojanus bei Emys europaea einen kleinen
Knochen gefunden, welcher von den Trabeculae carneae der rechten
Kammer aus zwischen die abtretenden Arterienstämme sich erstreckte.
Und eine alte Erfahrung ist es, dass bei einigen Säugethieren
(Rind, Schaf, Kameel, Giraffe, Gazelle, Hirsch, Schwein, nicht
selten auch bei Pferden) unterhalb des Ursprunges der Aorta, ein
kreuzförmiger Knochen normal vorhanden sich zeigt, (Der Herz-
knochen der Kameele wurde bezüglich seiner Markkanäle, Markzel-
len und Knochenkörper von Wedl und Franz Müller untersucht,
Sitzungsber. d. Wiener Ak. 1850, S. 4UL)
§. 38L
peric«.<iium, ]^)as Pericardium hat überall eine bindeffcwebice Grundlage,
IlerzMcrvon. . . . . . .
kann mehr oder weniger pigmentirt sein (Amphibien z. B.), auch
Fcttzellen entlialten und hat bei allen Wirbelthieren nur ein einfa-
ches Plattenepithel, lediglich die ungeschwänzten Batrachicr be-
sitzen ein flimmerndes Epithel des Herzbeutels. Nach Mayer zwar
soll sowohl bei geschwänzten und ungeschwänzten Batrachiern das
Pericardium flimmern. Ich kann nur für die ersteren (Frosch z. 1».)
dies bestätigen, muss hingegen l)ezüglich des Landsahimanders und
des Proteus die Flimmerbewegung des Herzbeutels in Abrede stel-
len. — Vereinzelt steht bis jetzt die Wahrnehmung Bemak's , dass
beim Ochsen am Rande des linken Herzohres das Pericardium in
*) Audi hciin iMcusclicii scliciin^ii iiliiiliclic lüldiiii^cii sioli /ii tliidcii. I.itschla
besclucibt soeben (Ueiitscbe Klinik 185(5 Nr. 23) zolleuförmige Aiiswiiclise an den
Scniilnnarklapiien, bestehend aus gefässloseni liomogeiiem Hindugewebe mit Hpitlielial-
überzug.
Blutgefässe. 413
'ö
eine Reihe ähnlicher Zotten ausgewachsen ist, wie solche am Rande
des Herzens vom bebrüteten Hühnchen sich finden. — Bei niederen
Wirbehhieren (Fischen und Batrachiern) spannen sich öfters Fäden
zwischen dem Herzen und Pericardium hin, beim Landsalamander
z. B. , wo man dergleichen Fortsätze besonders auf der Rückenseite
der Vorhöfe sieht, bestehen sie aus Bindegewebe, enthalten einzelne
Blutgefässe, auch wohl Pigment und selbst Fettzellen. Die Aussen-
fläche deckt ein Plattenepithel.
Die Nerven des Herzens bilden in der Muskelsubstanz der
Kammer und Vorkammer, wie Rem ah beim Kalbe entdeckte, Gang-
lien, was wohl für alle Wirbelthiere seine Geltung hat, wenigstens
kennt man sie von der Scheidewand und in der Grenze der Kam-
mern und Voi^kammern beim Frosch, und auch bei unseren Süsswas-
serfischen {Chondrostoma nasus, Gohio ßuviatilis) sehe ich am Rande
der Klappe zwischen Vorhof und Sinns communis, umgeben von eini-
gen verzweigten Pigmentzellen, ein Ganglion. An dieser Stelle brei-
tet sich überhaupt ein reiches Nervennetz aus mit auch sonst noch
eingestreuten, blassen Ganglienkugeln; gar nicht selten erbhckt
man Theilungen der Nervenfibrillen in zwei und selbst mehr Aeste.
leb kann übrigens nicht umhin, zu bemerken, dass die ungleiche
Vertheilung der Nerven in der Muskelsubstanz des Herzens in ähn-
licher Weise etwas aufffillendes hat, wie auch an manchen anderen
Muskeln. Man kann nämlich ganz grosse Strecken von dem Vor-
hof, oder auch den Muskelschichten des Ventrikels mit Natronlösung
durchsichtig machen, ohne auch nur einer Nervenfibrille ansiciitig
zu werden , während die gedachte Klappenstelle, sowie die Klappen-
gegend zwischen Vorhof und Ventrikel sehr nervenreich ist. — Die
oberflächlichen Herznerven schwellen beim Rind, da wo sie quer
über die Gefässe gehen, in platte, ganglienartige Erweiterungen an,
sind auch von Lee dafür gehalten worden, sie entbehren indessen,
wie Cloetta angiebt, der Ganglienzellen, und die Verdickung seheint
auf Rechnung des Ncurilems zu kommen. — Auf dem Herzen lagert
sich bei verschiedenen Wirbclthieren mehr oder weniger Fett ab,
beim Frosch z. B. trifft man häufig einen grösseren P'ettklumpen
oben, wo die Theilung der grossen Gefässstämme statt hat, dann
auch an der Basis des Bulbus arteriosus , auf den Vorhöfen, auch
an den Aortenbogen.
§. 382.
Die histologische Grundlage der Arterien, Venen und C a- Peripherisch,
pi Haren der Wirbelthiere, bleibt die Bindesubstanz und in gar
manchen Fällen, besonders an Venen und venösen Sinm der Fische,
besteht aus ihr und elastischen Fasernetzen lediglich die Gefässwand.
Auch die Aorta von Fischen, wenn sie in einem Knorpelkanal verläuft
(bei Acipenser z. B.) oder zum Theil den Vertiefungen der \\'irbel-
körper eingefügt ist, hat bloss eine bindegewebige mit elastischen
414 Vom Gcfässsysteiii der Wirbeltliierc.
Fasern durchsetzte Haut, die continuirlicli in den Knorpelkanal oder
das Knochengewebe der Wirbel übergelit. Es kann , namentlich
wieder bei Fischen, die bindegewebige Wand der Venen so zart
sein und so w^enig von dem Bindegewebsgerüst der Organe gesondert,
dass man früher oft eine eigentliche abgrenzende Haut (z. B. in den
Nieren) anzweifelte und die Venen für Rinnen in dem Parenchym
der Organe erklärte, ein Ausdruck, der gar nicht unpassend ist,
wenn man nur im Auge behält, dass die Rinnen innerhalb der Binde-
substanz ausgehöhlt sind. Denn die grossen Bhitbehälter, welclie
sich z. B. im Abdomen der Selachier finden, sind ebenfalls nicht
mehr als blosse Bindegewebsräume.
Eine sinncnfälligere Selbständigkeit gewinnen die Blutgefässe
erst durch die Umwandlung von Bindesubstanzsehiehten in elastische
Häute und durch das Auftreten von Muskeln , welche das Gefässrohr
umgeben. Bei den Epischen (nach meinen Erfahrungen an Plagiosto-
men) wird die Hauptmembran der starken aus dem Bulbus kommen-
den Gefässe (Kiemenarterien) aus elastischen Elementen gebildet,
nach aussen folgt eine aus gewöhnlichem Bindegewebe und einge-
mengten elastischen Fasern bestehende Tunica adventitia\ nicht min-
der sind bei den Vögeln die dicken, weissgelbcn Wände der Trimci
anonymi aus elastischen Faserschichten gebildet. An der Aorta des
Reihers {Ärdea cinerea) bemerkt man, dass die Hauptmasse der elasti-
schen Fasernetze in circulären Scliichten sich zusammenhält, die dann
immer durch gewöhnliche Bindesubstanz gesondert sind. Nur zu äusserst
ziehen auch einige Lagen nach der Länge des Gefässes. Die elasti-
schen Fasern gehören bei Fischen und Vögeln der starken, ästig
verbundenen Art an. In den stärksten Arterien der Säuger, welche
zunächst aus dem Herzen entspringen, ist das elastische Gewebe
gleichfalls der Hauptconstltuens der Gefässwand. Die elastischen
Fasern in den Aortenbogen , Aorta thoracica und Aorta superior des
Schafes haben eine durchh'icherte oder gefensterte Beschaffenheit
(Remak). Bei anderen Thieren (Schwein, Rind) konnte der ge-
nannte Forscher an den entsprechenden Stellen nur sehr wenige, in
anderen Gelassen gar keine gofenstertcn Fasern finden. Die elasti-
schen Fasern können sich verbreitern und zu elastischen Platten sich
verbinden. — Auch die zwei Zoll dicke Wand der Aorta von Balaena
musculus , welche ich vor mir habe, besteht nur aus elastischem Ge-
webe, sie zeigt schon für das freie Auge eine Schichtung in grössere
und kleinere Abtheilungen, zwischen denen man Gefässliicken er-
bli(;kt und mikroskopisch setzen elastische Netze und klein durch-
löcherte elastische Häute die grösseren Lagen zusammen.
An den Arterien, welche weiter ab vom Herzen liegen, helfen
Muskeln die Gefässhaut zusammensetzen. Variabel ist der Ort, wo
sie beginnen. Bei liaja hatis , t^pinax niger , Polypterus z. B., ver-
misstc ich an der Aorta und vielen starken Arterien, eine Tunica mus-
Blutgefässe. 415
cularis , bei Raja hatis bestand die Aorta ;uis der Tnnica adventitia,
die hier einzelne goldglänzende Pigmentliüufchen besass, und zwei-
tens aus einer elastischen lutinia sammt Epithel.
Beim Zitterrochen [Torpedo) war zwischen der bindegewebi-
gen Adventitia und der elastischen Intima eine Muscidaris eingescho-
ben; an Scynmus lichia enthielt die Basilararterie des Gehirns, die
stark schwarz pigmentirt sich zeigte, keine Muskeln mehr, während
die kleinen Hirngetasse mit einer deutlichen Ringniuskelschicht ver-
sehen waren. Die grossen arteriellen Gefässstämme der Batrachier
sind schon jenseits des Bulbus mit contractilen Elementen ausgestat-
tet und an der Aorta des Landsalaraanders unterscheidet man leicht
eine Muscularis mit geflechtartig verlaufenden Fasern. In den klei-
nen Arterien, welche sich der Capillarverzweigung nähern, fehlt eine
muskulöse Ringschicht wohl nie und ist namentlich schön zu sehen
beim Salamander und Proteus, deren Elementartheile in allen Geweben
durch eine ungewöhnliche Grösse sich auszeichnen. Von ganz be-
sondrer Entwicklung beobachte ich auch die Ringmuskeln in den
Gefässen, welche in die langen Zotten des trächtigen Uterus von
Acanthias vulgaris aufsteigen.
In den Venen, vorzüglich bei Fischen, kann die muskulöse
Media ganz fehlen, oder höchstens in sehr zarter Schicht vorhanden
sein. Dagegen ist man in neuerer Zeit darauf aufmerksam gewor-
den, dass in der Adventitia grosser Venen bei Säugethieren glatte
Längsmuskeln eingewebt sind; Glaud Bernard sah solches beim
Pferd, Remak beim Ochsen, Schaf, am stärksten in dem Lebertheil
der unteren Hohlvene und den Lebervenen. Auch in der Adventi-
tia mancher Arterien kommen Muskeln vor, nach Remak lassen
sich bei den genannten Säugern, sowie beim Schweine an der Aus-
senfläche des Aortenbogens und des Brusttheils der Aorta, schon mit
blossem Auge die von ihnen gebildeten Bündel unterscheiden.
§. 383.
Gewisse Partien des Gefässsystemes, abgesehen vom Central-
herzen, können besonderer Zwecke halber mit quergestreifter Mus- nenen.
kulatur ausgestattet sein, wodurch peripherische Herzen angelegt
werden. Bei Myxine und Branchiostovia existirt ein Pfortaderherz, bei
letzterem ferner ein Venenherz für das Lebervenenblut, auch die
Anfänge der Kiemenarterien und die Aortenbogen sind herzartig
contractu {Retzius, Joh. Müller). Im Schwänze des Aals hat Mar-
shai Hall einen erweiterten pulsirenden Sinus entdeckt, was von
Joh. Müller bestätigt wurde*), und Davy hat ein pulsirendes Organ
*) Von Interesse ist die Beobachtung-, welche G. Carus gemacht hat, dass
an eben ans dem Ei gekommenen kleinen Goldkarpfen {Cyprinus auratua) an der
Hohlvene des Schwanzes, wo vom hinteren Ende der Aorta drei Stämme in sie
überbiegen, eine Erweiterung sich findet, an der übrigens nichts von Contractionen
zu sehen war. (Erläuterungstaf. zur vergl. Anat. Heft VI.)
Acc©H
HUI iüclte
416 Vom Gefässsystem der Wirbelthiere.
in den Genitalanhängen der Plagiostomen beobachtet. Ferner wur
den in den Flügehi der Fledermäuse von W. Jones selbständige
rhythmische Bewegungen der Venen entdeckt, die Tunica media ent-
hält Muskeln, die, nach der Beschreibung des genannten Frosches
zu schliessen, quergestreifter Natur sind, da sie im Allgemeinen den
Muskelfasern der Lymphherzen vom Frosch gleichen sollen, diese
aber den evident quergestreiften angehören. Schiff hat beobachtet,
dass die grösseren Schlagadern des Ohres vom Kaninchen eben-
falls eine vom Herzen unabhängige rhythmische Bewegung besitzen,
er nennt die Gcf'ässtämrae accessorische Arterienherzen. Was hin-
gegen die sog. Axillarherzeu von Chimaera und Torpedo betrifft,
so müssen diese, wie ich gezeigt habe, aus der Reihe der periphe-
rischen Herzen gestrichen werden , da die hiefür genommenen Bil-
dungen Nebenorgane des Sympathicus oder Nervendrüsen sind
(vergl. oben d. Capit. üb. Nebennieren).
§. 384.
PuNhende Bci (\q\\ höhcrcn Wirbelthieren sind wohl sehr allgemein die
Venen. Veucn, wclclic in das Herz einmünden, von diesen aus eine Strecke
weit mit quergestreiften Muskeln belegt und schlagen dann auch
wahi-scheinlich; bei den Batrachiern kann man die rhythmischen
Contractioncn der in's Herz führenden Venenstämme leicht dem
Auge vorführen. Sie sind mit einer dünnen, aber deutlichen Lage
quergestreifter Muskeln versehen. Ebenso hat bei Fischen [Aci-
penser z. ß.) der vor dem Vorhof gelegene gemeinschaftliche venöse
Sinus ein weitmaschiges Netz quergestreifter Muskeln.
§. 385.
Cfiveruöee Au dcu Siuus vetiosi solbst der höchsten Wirbelthiere (ich erin-
üc-tu^se. j^^^.y ^ ß .^11 ^Ij^ Blutleiter der Dura 'iiiater) kann das Lumen durch
ein nach innen vorspringendes Balkennetz areolär werden; von den
Arterien der Säuger ist mir hierzu kein analoges Beispiel bekannt,
wohl aber hat man bei Vögeln und Amphibien Bildungen wahr-
genommen, die unter diesen Gesichtspunkt zu stellen sind. Bei der
Gans nach Tiedemann und Barkoio, formt die Arteria mesenterica
superior, da wo sie die Ravii intesthiales abschickt, eine Erweiterung,
die Wände verdicken sich dabei, und da sie nach innen zahlreiche
Klappen, welche zum Theil unter einander verbunden sind, abge-
hen, entsteht ein netzförmiges Ansehen. Sollte nicht eine Notiz,
die ich dem Jahresb. L von Carvs entlehne mul wornach Davjy ge-
funden hat, dass beim wilden Schwan die Aorta nach Abgabe der
Arferiae i/iacae von einer höchst wahrsclieinlich muskulösen Masse
ningebcu sei, auf eine verwandte Grganisation'^bezogen werden kön-
Cavernöse Gefjisse.
417
nen ? *) Ferner ist hier aufzuführen die sog. Carotide ndrüse der
ßatrachier;, welche nach meiner Erfahrung dadurch entsteht, dass
die Kingfasersehicht des Gefässes an Masse zunimmt und sich in ein
Maschen- und Balkenwerk, ähnlich den Herztrabekeln auflöst, wobei
noch erwähnenswerth ist, dass die Muskelfasern der sog. Carotis-
drüse zu den Mittelstufen zwischen glatten und quergestreiften Mus-
keln gehört. Die Faser hat hiernach die Gestalt und den Kern der
eigentlichen glatten Muskelfaser, aber der Inhalt zeigt sich querge-
streift. Eine Anzahl solcher Fasern wird durch Bindesubstanz zu
grösseren und kleineren Bündeln vereinigt. (Beim Landsalamander
ist die Carotidendrüse stark pigraentirt.) Noch ist an diesem Orte
Fig. 208.
Carotidendrüse des Frosches,
a Carotis , b die cavei'nöse Anschwellung. (Geringe Vergr.)
der Aorta der Meerschildkröten zu gedenken; die innere Fläche
der grossen Pulsaderstämme, sowohl der für die Lungen, als der für
den Körper, bildet, wie Betziiis zuerst beschrieben hat, für das
blosse Auge Zellen, die ein der Schlangonlunge gleiches Ansehen
gewähren. Diese nach innen geöffneten Zellen leiten zu anderen,
tiefer liegenden, so dass die ganze innere Membran wie spongiös
anzusehen ist. In dem Aortenstamm reicht diese cavernöse innere
Bekleidung bis zur Mitte des Rückgrathes und setzt sich etwas wei-
*) Ich habe unterdessen die eigenthümliche Bildung an der Art, mesent. sup.
der Gans selbst untersucht. Die klappenartigen Vorsprünge stehen im oberen Ab-
schnitt ziemlich regelmässig quer, im unteren verbinden sie sich mehr netzförmig;
sie bestehen übrigens der Hauptmasse nach aus Netzwerken feiner elastischer
Fasern, und die glatten Muskeln, welche allerdings vorhanden sich zeigen, sind
in der Minderzahl.
Leydig, Histologie. 27
(Jefilss-
epithel.
418 Vom (jrefässsystem der Wirbelthiere.
ter nach 'hinten in dem rechten, als im linken Stamme fort. (Bei
der Land- und Flussschildkröte mangelt dieser Bau.) Da in der
sog. Carotidendrüse der Batrachier das Balkenwerk rau.^kulöser Natur
ist, so darf wohl ein gleiclies auch bezüglich der angegebenen Bil-
dime: der Gans und der Meerschildkröte vermuthet werden.
§. 386.
üb ein Epithel beständig die innere Wand der Gefässe über-
kleidet, davon bin ich nicht überzeugt, ja habe dasselbe öfters, so
noch jUngsthin an der Aorta des Reihers vermisst, bei Knochen-
fischen sah ich es mitunter ans sehr zarten Zellen zusammengesetzt,
die, mit Wasser zusammengebracht, schnell aufqnollen und phatzten.
Nach Bemah besteht das P]pithcl der Aorta des Menschen, Och-
sen, Schweines, Schafes, aus einer einfachen Lage unverschmolzener
Zellen, die sich gern ablösen und auseinander fallen, daher auch
leiclit der Beobachtung entgehen. Darnnter kommt noch eine ziem-
lich dicke Lage von platten, langgezogenen Zellen, tue mehr der
Länge als der Quere nach zusammenhängen. (Von diesem Epithel
glauben Henle, Schnitze und ich selber öfters eine Verschmel-
zung der Zellen zu einem klaren, ziemlich festen, mit hingsovalcn
Kernen versehenen Häutchen, wahrgenommen zn iiaben.) Auch in
der Lungenarterie und den grösseren Aesten sei das Epithel aus
mehren Schichten zusammengesetzt. In der Carotis und anderen
Arterien von gleicher Stärke sei es dünner und weicher, ebenso in
den grösseren Venen. Doch fügt auch Bemal- hinzu, dass noch
festzustellen bleibe, wie weit sicli das Epithel nach der l'eri|)herie hin
erstrecke.
§. 387.
(•«piiiaren. Anlangend die feinsten Ca])illaren, so besitzen sie übcrein-
stinmiend bei allen Wirbelthiercn, wo si(^ gesondert dargestellt wer-
den können, eine einzige homogene Haut mit längsuvalen Kernen.
Dass beim Proteus we<ren i\i,'r enorm i>-rossen Blutkiio-elchen auch
o o o
die feinsten Capillaren geräumiger sind, als bei andei-en Wirbelthie-
rcn, ist selbstverständlich.
Im Fleisclic des Herzens von nnsercni St-lilaclitvieli Ix-obaclitcte r. Jlessling
eif^enthfhnliclu! parasitische Kör-por, die mit den oben (s Miiskelsystem) cr-
wäimteu p.irasitiscben («ebilden ans den Muskeln der Ratten und Mäuse Aehnlich-
keit zuigen (Zeitschr. für wiss. Zool. Hd. V). Dass ich auch bei Spinnen sowohl
in den Muskeln des Stnnnnes als ancli des Herzens verwandte Körper angetroffen
habe, wurde sehen erwähnt. iCs waren Haufen eigcntiiümlicher ovaler Körperchen,
hell, scliarf contnrirt , lagen im Innern der i'riniitivbündcl und sehwanden nicht
in Kalilauge; wo sie diciit beisammen lagen, verursachten sie bei auffallendem
Licht weisse Streifen.
Im 1'1'ortadcrstamni der Coluher zieht sich, wie Ilriickr beschrieben, ein
Spiral ig verlaufendes ]5and hin, welches bei der Füllung der Vene tief in das
LnuHMi leicht und den Wnlci stand vermehrt. Ich habe hieranr unsere Ringelnatter
Lynipligefässe. " 419
untersucht und finde, dass es mit diesem „Band" folgende Bewandtniss hat. Aus dem
Leberende treten ausser dem Hauptgang noch zahlreiche, ich zähle gegen 12, feine
Gallengänge heraus, die sich netzförmig verbinden. Nach dem Darm hin sammeln
sie sich in einige wenige Gänge und diese, der Pfortader innig angeheftet, erzeugen
das erwähnte^^ „spiralige Band." Meine Präparationsweise ist die, dass man das
Endstück der Leber mit allem was ein- und austritt im Zusammenhang ausschneidet,
ausbreitet und mit Essigsäure behandelt. Das Epithel der jGallengänge trübt sich
und es stechen somit letztere ohne Weiteres von den ganz hell gewordenen Blut-
gefässen ab und können leicht verfolgt werden.
§. 388.
Was das Lympligefässsystem angeht, so ist abermals vorn vorne ^-y^i''-
lierein zu bemerken, dass dasselbe in einzelnen Partien einer organo-
logisclien Selbständigkeit entbehrt, da häufig die Lichtungen der Gefässe
mit Hohlgängen oder Räumen in dem Bindegewebe gleich bedeutend
sind. Für die sog. Lymphcapillaren ist solches durcliM^eg der Fall,
sie sind nichts andres, als netzförmig zusammenhängende Bindegewebs-
körperchen, w^as man sich am leichtesten vom Schwänze der Batrachier-
larven zur Anschauung bringen kann. Bei niederen Wirbelthieren
(Fischen, Amphibien) bleiben auch die stärkeren Gefässe, welche
häufig zu grossen Säcken und Behältern sich erweitern, auf dieser,
wenn man so sagen darf, indifferenten Stufe stehen, die dünnen Wände
grenzen sich nicht von der bindegewebigen Umgebung ab, und es ist
mir sehr zweifelhaft, ob ein Epithel die Räume auskleidet. Bei den
höheren Klassen, namentlich den Säugethieren, individualisiren sich
viele Lymphgetässe dadurch, dass die Bindesubstanz sich in elastische
Schichten verwandelt, und glatte Muskeln sich herumlegen. Eine sehr
allgemeine und merkwürdige Erscheinung bezüglich des Verlaufes der
Lymphgefässe bei Fischen und Amphibien ist die, dass die Blutge-
fässe von Lymphgefässen scheidenartig umgeben werden (zuerst von
Bojanus an der Aorta descendens der Schildkröte erkannt, wo der
Milchbrustgang durch Lufteinblasen als Scheide um das Blutgefäss
erschien), wobei alsdann das Gewebe der Tunica adoentitia des Blut-
gefässes zur Darstellung der Lymphgefässwand verwendet ist. Noch
kürzlich sah ich sehr schön an einer weiblichen Pipa dorsigera die
Blutgefässe des Darmgekröses von Lymphgefässen umschlossoi , die,
sich vom Darm her sammelnd, zu einem grossen, länglichen Behälter
wurden, der nach der Wurzel des Darmgekröses hinlief. Der Inhalt
der Lymphgefässe war eine grauweisse, krümliche Masse, die mikros-
kopisch aus Punktsubstanz und zahlreichen Fettkügelchen verschiedener
Grösse bestand. (Die Milz lag der Wand des Lymphbehälters an.)
— Hat das Lymphgefäss eine grosse Weite, so spannen sich von
der Wand desselben zum eingeschlossenen Blutgefäss häutige Bal-
ken herüber. Aber nicht blos bei niedren Wirbelthieren , auch bei
Säugern dürfte mitunter eine ähnliche Beziehung zwischen Blut-
und Lymphgefässen obwalten. Ich habe bei der Präparation des
27*
420 Vom (iefässsystem der Wirbelthiere.
Brusttheils der Aorta vom Ochsen bemerkt, wie die Tunica advenüüa
nach innen zu ein weitmaschiges Fächerwerk beschrieb , dessen freie
Flächen von glattem, glänzendem Aussehen waren und in den Räumen
lagen lymphatische Gerinsel. Es ist mir in hohem Grade wahrschein-
lich, dass hier die Tunica adventitia der Aorta die Rolle von um-
spinnenden Lymphräumen hatte. Ein andres Beispiel meldet Brücke.
Nach diesem Forscher gelangt beim Kaninchen der Chylus innerhalb
Scheiden, welche um die Blutgefässe gebildet sind. (Besehe ich mir
die Figur genauer, welche Uosenthal in den Act. Acad. Leop. XV.
von der grossen Gekrösdrüse der Phoca vitulina geliefert hat, so will
es mich bediinken, als ob auch hier der Zeichner die Vasa lactea
ajferentia aus der Scheidenhaut der Blutgefässe sich hervorbilden sah.)
§. 389.
Das über die Histologie der Lymphgefässe eben Vorgebrachte
könnte dazu dienen, die bis jetzt darüber gepflogenen Streitigkeiten zu
schlichten. Alle Forscher, welche früher sich mit dem Studium der
Lymphgefässe speziell abgaben, bedienten sich der Methode der Lijec-
tion, so Fohviann, Fanizza, Rusconi. Schon gegen die Arbeiten
Fohmantis, obwohl sie grosse Anerkennung fanden, machte sich der
Einwurf geltend , es seien die mit Quecksilber dargestellten Lymph-
gefässe meist nur künstliche Räume im Bindegewebe. Panizza ge-
brauchte ebenfalls die Quecksilberinjectlon, Rusconi erstarrende Mas-
sen, da er entgegen Panizza aufmerksam machte, dass durch Queck-
silber die Lymphgefässe zu übermässig ausgedehnt und daher dilfbrm
dargestellt würden. In der Hauptsache, zunächst abgesehen von andren
DiflPerenz punkten kommen beide insofern überein, dass bei den Amphi-
bien ein grosser Theil der Arterien in Lymphgefässen eingeschlossen
liegen. Die Arbeiten der beiden genannten italienischen Natur-
forscher haben später dasselbe Urtheil über sich ergehen lassen
müssen, wie Fohmann. Es versuchte nämlich Meyer mit Anwendung
der einfachen, anatomischen Untersuchung, des Aufblasens mit Luft
und Injiciren mit Milch, die Angaben von Panizza zu prüfen und
er kam zu dem Resultat, dass fast alle Kanäle, welche Panizza als
Lymphgefässe beschrieb, Hohlräume im Bindegewebe, Räume zwischen
Lamellen bindegewebiger und seröser Membranen und dei-gl. seien,
so dass es schien, als ob den Werken von Panizza und Rusconi
nur ein geringer Werth zugestanden werden könne und Ecker, in-
dem er über die Schriften der genannten Anatomen in Müllers
Archiv rcferiit, meint, es sei das Lymphgefässsystem der Amphibien,
das doch ohne Zweifel existire, sehr wenig bekannt, und seine Er-
forschung sei eine Aufgabe der Jetztzeit. Allein insoweit icb den
Lymphgefässen der Fische und Amphibien histologisch nachgegangen
bin, wovon ich das Ergebniss vorhin mitgetheilt habe, möchte ich be-
haupten, dass Fohma nn , Panizza und Rusconi im Rechte sind,
Lymphherzen. 421
wenn sie daran festhielten, Lymphgefässe injicirt zu haben und dass
aber auf der andren Seite die Gegner, namentlich Meyer, nicht min-
der Recht haben, wenn sie den von genannten Forschern beschriebenen
Lymphgefässen lediglich die morphologische Bedeutung von Bindege-
websräumen zuerkennen. Die Lymphgefässe niedrer Wirbelthiere
sind eben, wie oben aufgestellt wurde, wirklich nichts andres als Hohl-
gänge und Räume im Bindegewebe und es existirt in der Tliat kein
andres Lymphgefässsystem, als jenes, welches Fohmann und Panizza
geschildert haben. Dass durch die Quecksilberinjectionen manche
Ditformitäten zu Wege kamen, thut der Sache keinen Abbruch. Auch
der eigentliche Streitpunkt zwischen Panizza und Rusconi, ob
nämlich das Blutgefäss im wirklichen Lumen des Lymphgefässes liege
oder nur in dasselbe eingeschoben sei, wie etw^a das Eferz in den
Herzbeutel , erledigt sich aus der histologischen Auffassung. Denn die
Wand der eingeschlossenen Arterien ist nicht rein muskulös, sondern
auch bindegewebig und mit diesem Bindegewebe steht die Wand des
umhüllenden Lymphgefässes durch Balken und Plättchen in Conti-
nuität. Man könnte eben desswegen auch sagen, die Tunica advenütia
der Arterien sei umhüllendes Lyraphgefäss geworden.
§. 390.
Es wurde oben erörtert, dass die Lymphgefässe der Fische
und Reptilien, vielleicht auch die der Vögel, ledighch aus Binde-
gewebe bestehen, die der Säuger aber häufig durch den Besitz einer
Muskclhaut vervollständigt sind. Vielleicht kann man damit in Zu-
sammenhang bringen, dass bei Fischen, Amphibien und Vögeln ge-
wisse Stellen des Lymphgefässsystemes sich mit stärkrer, quergestreif-
ter Muskelsubstanz belegen und so zu Lymph herzen werden, wäh-
rend man bei Säugethieren dieselben bis jetzt nicht hat auffinden
können. Die Lymphherzen wurden von JoJi. Müllen- und Panizza
zuerst bei den Batrachiern entdeckt und darauf bei allen Ordnungen
der Amphibien nachgewiesen. (Die Schlangen, Chelonier, Saurier
haben zwei, die Frösche vier oder auch, wie ich von Geratoplirys
dorsata gezeigt, sechs, ebenso viele haben nach Panizza und Meyer
Salamandra und Triton.) Die der Fische hat Hyrtl kennen ge-
lehrt, die der Vögel Panizza. Die gedachten Organe bestehen aus
dem bindegewebigen Grundstratum, welches auch die Lmenfläche be-
grenzt und (wenigstens bei Ceratophrys dorsata) ohne Epithel war, an
den Lymphherzen des Pseudojyus Pallasii unterschied Hyrtl ein
Plattenepitliel; die Hauptmasse des Lymphherzens wird aus der quer-
gestreiften Muskulatur gebildet, welche auch in Trabekeln vorspringt
und deren Primitivbündel sich gerne verästeln.
§. 39L
Lymphdrüsen, welche den Säugethieren allgemein zu- Lymph-
kommen, mangeln schon bei den Vögeln im Mesenterium und linden
l-.\ ITIpIt-
lieizen.
drüsen-
422 Vom Gefässsystem der VVirbelthiere.
sich fast nur am vordren untren Theil des Halses. Bei den Reptilien
scheinen sie allerorts zu mangeln (nur beim Krokodil sollen der-
gleichen beobachtet worden sein) und ebenso wurden sie bisher für
die Fische in Abrede gestellt. Jedoch ist an der Existenz von
Lymphdrüsen bei der letztren Thierklasse nach meinen Erfahrungen
nicht zu zweifeln. Ich halte für Lymphdrüsen:
1) die weisse Drüsenmasse, welche zwischen der Muskel- und
Schleimhaut des Schlundes bei Rochen und Haien w^ahrgenommen
wurde ;
2) die weisse Drüsenmasse in der Augenhöhle und unter
der Gaumenhaut von CMmaera (Müll. Arch. 1851);
3) das von Joh. Müller entdeckte epigonale Organ in den
Bauchfellfalten der mit einer Nickhaut versehenen Haifische;
4) die weiche, pulpöse Masse, welche beim Stör in der
Schädelhöhle den Anfangstheil des Rückenmarkes deckt und bis zum
Schädeldache emporsteigt. Alle diese Bildungen stimmen im äussren
Habitus und im Bau vollkommen miteinander überein. Für das freie
Auge erscheinen sie als gelbliche, oder weissliche, oder grauröthliche,
drüsige Massen, die mehr oder weniger deutlich gelappt sind und
keinen Ausführungsgang besitzen ; histologisch bestehen sie aus einem
Gerüst von Bindesubstanz mit Blutgefässen und zclliger Pulpe, deren
Elemente sich von Lymphkügelchen nicht verschieden zeigen.
Zweifellose Lymphdrüsen sind ferner
5) die schwammige Substanz, welche die Herzkammer und
den Biilhus arteriosus des Störs umkleidet, sow^ie die Drüse, welche im
Communikationskanal zwischen Herzbeutel und Bauchhöhle bei dem-
selben Fische sich findet. Sie bestehen ans einem bindegewebigen
Fachwerk, das foUikelartige, miteinander zusammenhängende und mit
Lymphe erfüllte Räume erzeugt, wobei merkwürdig ist, dass mitten in
die Lymphräume hinein ein Gefässb üschel hängt, den man schon
mit freiem Auge als rothen Blutfleck erkennt. Mit dieser letztren
Beobachtung sind offenbar ein paar andre von mir veröffentlichte
Wahrnehmungen in Beziehung zu setzen. Bei den Plagiostomen
nämlich, wo man die Blutgefässe häufig innerhalb von Lymphgetassen
trifft, springen dabei in das Lumen des Lyinphgefässes einfache Ge-
fässglomeruli vor; und beim Landsalamander, wo die grössre Vene,
welche von der Bauchwand zur Leber tritt, ebenfalls von einem Lyniph-
gefass umschlossen liegt, giebt diese Vene kleine^Aussackungen in
das Lumen des Lymphgefässes , die eine einfache oder mehrfache
Schlinge, eine Art Olomeridus bilden, aber unmittelbar neben ihrem
Austritt wieder in das Stammgefäss zurückkehren. Diese Erscheinungen
alle weisen auf eine gewisse, innige DurcJuh-ingung von Blut- und
Lymphgefässen hin.
Lymphdrüsen,
423
Fig. 209.
Zu den L y mphgefässen der Amphibien und Fische.
A Lymphgefäss vom Landsalamander, eine Vene (a) einschliessend, welche einfache
knäuelförmige Ausbuchtungen ins Innere des Lymphgefässes abgiebt.
B Die Glomeruli, welche bei Selachiern in das Lumen des Lymphgefässes vor-
springen. (A bei geringer, B bei starker Vergr.)
Endlich 6) bei manchen Knochenfischen werden die Blutge-
fässe des Mesenteriums nach ihrem ganzen Verlauf scheidenartig- von
Lymphdrüsen undiüllt. Die Tvnica adveittitia der Blutgefässe nämlich
wandelt sich zu Areolen um, welche mit klaren, kleinen Zellen und
(in der Mitte der Follikel) mit hellen Körnchen angefüllt sind, die den
Kügelchen des Sekretes vom Pancreas ähneln. Diese Gruppirung des
zellig -körnigen Inhaltes der Ljmphräume erinnert an die Strukturver-
hältnisse der Thymus mehrer Thiere. Ich habe eine solche Organisation
von Trigla Jnnmdo und Bactyloptera voUfans beschrieben (Müll. Arch.
1854, S. 323), finde jetzt auch bei einem sehr grossen Exemplar von
Cohitis fossiUs , dass die Blutgefässe zwischen Magen und Leber von
Lymphdrüsenmassen undiüllt w^erden, die selbst mit den Venen in die
Lebersubstanz sich hineinziehen, was dann der Lebersubstanz ein sehr
eigenthümliches Aussehen giebt.
Die beiden Thatsachen, einmal dass die Blutgefässe innerhalb
von Lymphgefässcn liegen können und zweitens, dass die bindege-
webige Timica adrentitia sich zu dem Gerüst einer Lymphdrüse um-
formen kann, geben einen nicht unbedeutsamen Fingerzeig über die
morphologische Beziehung der Lymphgcfässe zu den Lymphdrüsen.
Letztre müssen gleichsam für erweiterte und durch ein bindegewebiges
Flechtwerk, das bei manchen Säugern auch Muskeln enthalten soll.
424
Vom Gefässsysteta der Wirheltliiere.
Fig. 210.
"^<jr^
Ein Stück Blutgefäss aus dem Mesenterium von Trigla liirundo.
a Blutgefäss, ):> die einschliessende Lymphdrüsenmasse. (Starke Vergr.)
areolär gewordene Lympbgefässe erklärt werden. Die Masclienräimie
(Follikel) sind mit zelligen Elementen angefüllt, welcher Inhalt dem
Gebilde die solide, drüsige Beschaffenheit verleiht.
Für die physiologische Auffassung der Milz scheint mir von Be-
lang, zu wissen, dass jene Lymphdrüsen, welche bei manchen Säugern,
dem Schweine z. B., in der Brusthöhle nach dem Verlauf der
Aorta thoracica liegen, von derselben dunkelrothen Färbung sind wie
die Milz, so dass, falls sie in nächster Nähe dieses Organs lägen, recht
wohl für Nebenmilzen erklärt werden könnten. Wir haben gleich
in den nächsten Zeilen, wo uns die Milz der Wirbelthiere zu beschäf-
tigen hat, hierauf zurückzukommen.
Milz.
§. 392.
Die Milz, welche bei allen Wirbelthieren mit Ausnahme einiger
niedrigst stehender Fische {Branchiostoma und Muxine) angetroffen
wird, bietet folgende Modifikationen im Bau dar.
Die bi ndege v/ebige Hülle ist bald dicker, bald dünner, und
enthält bei manchen Säugethieren (Hund, Schwein, Esel, Katze)
auch glatte Muskeln eingewebt; das von der Hülle nach innen sich
fortsetzende Balkenwerk ist entweder so stark entwickelt, dass man
die gröberen Züge mit freiem Auge als weisse Fasernetze unterscheiden
kann oder so fein, dass es erst der mikroskopischen Beobachtung sich
darstellt. Die Trabekeln bestehen meist, Avie die Hülle, aus Bindege-
webe und elastischen Fasern, bei einigen Säugethieren (Rind , Hund,
Katze, Ratte, Pferd, Schaaf, Kaninchen, Igel, nach Gray) auch zum
Theil aus glatten Muskeln, doch scheinen die Muskeln in der Hülle
\\\\^\ dem P)alkennetz der Milz nicht über sehr viele Wirbelthiere ver-
Milz.
425
breitet zu sein, wenigstens habe ich bei allen bisher hierauf geprüften
Fischen und Amphibien am fraglichen Orte contractile Elemente ver-
misst. In die Räume des Fachwerkes ist die Pulpe eingebettet und
diese zeigt sich als rothe und theilweise auch als weissgraue Masse.
In der Regel ist die rothe Pulpe in überwiegender Menge vorhan-
den, während die weissgraue sich auf einzelne, kleine Stellen be-
schränkt und diese werden durch den Namen Malpighische Kör-
per eben ausgezeichnet; so ist das Bild bei den meisten Säuge-
thieren, Vögeln, manchen Batrachiern; andrerseits durchzieht
die weissgraue Pulpe in dendritischer Form mit knospenartigen Vor-
sprüngen die rothe Pulpe, Beispiele hiefür liefert die Milz des Maul-
w^urfes und vieler Fische; in seltneren Fällen nimmt die weiss-
graue Pulpe kernartig die Mitte der Milz ein und herum liegt, gleich-
sam wie eine Schale, die rothe Pulpe, dies kommt vor bei der Unke
{Bomhinator i'gneus)] ebenso vereinzelt ist die Bildung, dass, wie wir
es bei der Ringelnatter erblicken, die rothe Pulpe vollständig fehlt,
die Milz daher weisslich aussieht und kaum einen Stich ins Rothe hat.*)
Fig. 211.
A T,
Stücke von der Milz einiger Thiere. (Natürl. Grösse.)
A Von Hexanchus griseus : a die Randvene, b die durchschimmernden und den
Gefässscheiden aufsitzenden Malpighi'schen Körper.
B Von Scymnus lichia: a die Schnittfläche, auf der man die traubig gruppirten
Malpighi'schen Körper unterscheidet.
C Von Acipenser: a die Schnittfläche, die weissen Flecke sind die Aequivalente
der Malpighi'schen Körper.
D Von Bombinator igneus (beiläufig .Smal vergrössert) : bei a die Schnittfläche
und in ihr der weissgraue Kern.
Die Elemente der Pulpe selber anlangend, so besteht die rothe
vorwaltend aus gefärbten Blutkügelchen und beigemischten , farblosen
Zellen, letztere machen hingegen den Hauptbestandtheil der weiss-
graue n Pulpe aus; sehr eigenthümlich verhalten sich in diesem Punkte
manche Haie, Scymnus lichia z. B., bei welchem die weissgraue Pulpe
*) Habe berichtigend anzumerken, dass der Mangel der rothen Pulpe in der
Milz der Natter individuell ist und von bestimmten , mir nicht näher bekannten
Lebenszuständen abhängt, denn an vier diesen Sommer untersuchten Exemplaren
war rothe Älilzpulpe zugegen.
426
Vom Gefässsystem der Wirbeltbiere.
aus Fettkörnern gebildet ist. (Auch in der Milz von Embryonen des
Spinax acanfhias waren die farblosen Zellen mit einem Ring von Fett-
tröpfchen umgeben.) Es ist ferner ins Auge zu fassen, wie sich das
ßindegewebsgerüst der Milzbalken in der unmittelbaren Umgebung
der Weissgrauen Pulpe gestaltet. Da wo diese in dendritischer Form
die rothe Pulpe durchsetzt, vermag man unschwer wahrzunehmen,
dass eine feste Bindegewebsscheide sie umgiebt, die sich bei näherer
Untersuchung als die Tunica adventitia der Gefässe ausweist, z. B.
beim Stör. Die Adventitia nämlich löst sich feinmaschig auf und die
Zwischenräume werden von den farblosen Zellengruppen eingenommen;
stellenweise erfolgt eine stärkre Anschoppung der Lymphkügelchen,
was sich dann dem freien Auge unter der Form knospenartiger Vor-
sprünge der weissgrauen Substanz kund giebt. Auch bei den Säuge-
thieren kann, wie wir durch Remalc wissen, die graue Pulpe nach
Art einer streifigen Ablagerung innerhalb der Tunica adventitia
sich anhäufen, öfter indessen sammeln sich die Zellen so an, dass
Fig. 212.
,\ •
--«.
Alis i\i'v Milz des St Ti r s.
Uliitgcffiss, h TmiiCii adventitia dorseiben, dincii I'".inl;iyeruiig zclligi i Kleniente
coiitinuii-licli iuii'getrieben und dadiircb MaljiigbiVcbe Köi-perchen bildend.
Milz. 427
niiKlliche Ballen zuwege kommen und da auch das Bindegewebe um
die Zellenanhäufungen herum so fest sein kann, dass eine etwelche
Isolirung möglich wird, so hat man nun dergleichen Ansammlungen
farbloser Zellen für besondere Organe erklärt und mit dem Namen
„Malpighi'sche Körperchen" belegt. Allein es hängt, wie die Ei'fahrung
darthut, lediglich von der derberen oder zarteren Beschaffenheit des
Bindegewebes ab , ob man sie ausschälen kann oder nicht. — Schon
bei Säugeth leren finden wir häufig die Malpighischen Körper so
wenig abgeschlossen, dass eine Grenze zwischen dem Bindegewebe
des Malpighi'schen Körpers und des umliegenden bindegewebigen
Fachwerkes nicht wahrzunehmen ist, ebenso treffen wir es bei Vö-
geln und Batrachlern. Seihst hei Bombinator, wo, man könnte be-
haupten, ein einziger kolossaler MalpighTscher Körper das Centrum der
Milz einnimmt, lässt sich denn doch nicht eine abschliessende Hülle nach-
weisen, sondern das zarte, bindegewebige Netz, das den weissgrauen
Milzkern durchstrickt, setzt sich contlnuirllch In die rothe Pulpe fort.
Den genannten Fällen gegenüber haben die Malpighischen Körper des
Hexanchus, wo sie kuglige Auftreibungen der Tunica adventitia
bilden, eine sehr scharfe Umgrenzung; nicht minder die bei der Rlngel-
natter, welche derbhäutige Follikel vorstellen.
§. 393.
Nach Dem, was Im Voranstehenden mitgetheilt wurde und was sonst
in neurer Zeit über die Struktur der Milz bekannt geworden Ist, erhärtet
sich Immer mehr die Ansicht, dass dieses Organ mit dem Bau der
Lymphdrüsen die grösste Verwandtschaft gemein hat. Es
scheinen auch die mit rother Pulpe gefüllten Räume in unmittelbarer
Communikation mit den Blutgefässen zu stehen und analogerweise
müssen wohl die mit grauer Pulpe versehenen Partien für Lymphräume
gelten. Dafür, dass die mit rother Pulpe gefüllten Cavernen der Milz
mit dem Blutgefässsystem communiziren spricht ausser der Zusammen-
setzung der Pulpe aus gefärbten Blutkügelchen der Umstand, dass es
nicht gelingt, einen unzweifelhaften Uebergang von den Caplllaren der
Arterlen In die Venenanfänge aufzufinden, vielmehr ist das Mittelglied
zwischen beiden (den Caplllaren und Venen) das Areolarsystem der Milz,
wozu auch einen weitren Beleg die Beobachtung giebt, dass die (bei
manchen Säugern und Fischen, Trygon z. B.) sehr weiten Milzvenen
häufig im Innren des Organes Ihre Selbständigkeit verlieren, indem
ihre Wände mit dem Fächerwerk der Pulpe zusammenfllessen. Die
Annahme, dass die welssgrauen Stellen dem Lymphgefässsystera ange-
hören, wird dadurch gestützt, dass auch ausserhalb der Milz die Blutge-
fässe in Scheiden von Lymphgefässen liegen können, wobei ferner das ein-
schliessende Lymphgefäss (man erinnre sich an Trigla und Dactyloptera)
zahlreiche Folllkularräume, gewissermaassen Malpighi'sche Körperchen
mit fester Kapsel entwickelt. Endlich ist überhaupt zwischen den weiss-
428
Vom Gefässsystem der Wirbelthiere.
Fig. 213.
A Aus der Milz von Scymnus lichia. (Starke Vergr.)
a Blutgefäss, dessen Tunica adventitia sich zu vier Malpiglii'schen Körperchen
aufblcäht, den Inhalt derselben bilden Fettkörner, b die rothe Pulpe, aus einem
Fächergerüst und Blutkügelchen bestehend.
B Ein Stück Milz von Coluber natrix. (Geringe Vergr.)
a die Follikel mit der Capillarverzweigung im Inneren, b das Bindegewebe da-
zwischen, c ein stärkeres Bhatgefäss.
grauen Pulpapartien der Milz imd der Pulpe der eigentlichen Lymph-
drüsen gar kein Unterschied, hier wie dort hat man ein bindegewebiges,
Blutcapillaren tragendes Netzwerk und in den Lücken Ansammlungen
von Lymphkügelchen, mitunter auch von Serum lymphae', die derbhäu-
tigen Milzbläschen der Ringelnatter z. B. trifft man dergestalt mit Lymph-
flUssigkeit angefüllt, dass sie ein ganz durchscheinendes Aussehen ge-
winnen und über die Oberfläche der Milz hervorragend, das Organ
höckerig machen. Aehnliches erblicken wir an der Lymphdrüsenmasse,
welche das Herz des Störs umlagert: die Hohlräume können hier so
viel Lymphserum enthalten, dass sie gleichfalls ein durchschimmerndes,
pralles Aussehen haben und etwa in der Weise von den herumliegenden
minder stark angefüllten Räumen abstechen, wie am Eierstock der Säu-
gethiere ein reifer Follikel von den unreiferen.
§. 894.
Alles zusammengerechnet, könnte man zwischen der Milz und den
Lymphdrüsen nur die Unterscheidungsmerkmale finden, dass die IMilz
rothe und graue Pulpe zugleich besässe, die Lymphdrüsen aber blos die
letztere. Obschon bezüglich der Mehrzahl der Thicre diess seine Gültig-
keit haben mag, ist jener Unterschied doch keineswegs ein durchgreifen-
der, denn ich habe gezeigt, 1) dass es Milzen gibt, die wenigstens zeitweise
durch Mangel Jeglicher rothen Pulpe auffallen, wozu die Ringelnatter ein
Beispiel liefert; 2) was mindestens von nicht geringrem Werthe ist, man
stösst auf Lymphdrüsen , die zugleich mit der grauen Pulpe noch eine
rothe einschliessen. Es wurden nämlich vorhin Lymphdrüsen des Schweins
erwähnt, die in der Brustluihle nacli dem Verlauf der Aorta flioradca lie-
gen und dasselbe dunkelrothc Aussehen haben, wie die Milz. Schneidet
Thymus. 429
man sie durch, so bietet die Schnittfläche die vollkommenste Ueberein-
stimmung mit der Milz dar: in einer dunkelrothen Pulpe liegen weiss-
liclie, aus Zellen bestehende Massen, gerade wie in der Milz die sog.
Malpighisclien Körper. Untersuchen wir darauf der Reihe nach alle die
dunkelrothen Lymphdrüsen, welche am bezeichneten Orte vorkommen,
so machen wir die Erfahrung, dass in manchen die weisslichen Partien sich
immer mehr vergrössern und zuletzt die dunkelrothe Pulpe so verdrängen,
dass in einigen dieser Ijymphdrüsen ein Drittheil des Organes vollständig
weisslich ist, der übrige Theil aber noch dunkelrothe Pulpe mit kleinen
rundlichen, weissgrauen Partien hat. In solcher Weise erfolgt ein all-
mähliger Uebergang zu anderen in der Brusthöhle gelegenen Lymph-
drüsen, die schon äusserlich die weissgraue Farbe besitzen und auf dem
Durchschnitt sich ebenso ausnehmen. Und indem ich auf diese Organi-
sationsverhältnisse fusse, möchte dem Schluss, den ich bereits an einem
anderen Orte daraus ableitete, die Milz sei eine Art Lymphdrüse,
noch immer seine Berechtigung nicht abgesprochen werden können.
Die Nerven, welche die Milz versorgen, sind allenthalben, wo
ich hierauf achtete, hauptsächlich aus sympathischen (blassen oder Re-
mayt'schen) Fasern zusammengesetzt, und enthalten nur wenige, dunkel-
randige Fibrillen. ISehr allgemein lassen sich auch dünne Nerven-
stämmchen, eigens für die Lymphdrüsen bestimmt, nachweisen.
Den Gedanken , dass die Bindegewebskörper die Funktion von Lymphgefäss-
capillaren haben können, hat bei uns zuerst Virchow ausgesprochen, nachdem es
bereits früher Boiumaii gelungen war, die Hornhautkörper mit Quecksilber und
gefärbtem Leim zu injiciren. Auch Boiviiian betrachtet sie „als eine modifizirte
Form von Lymphgefässen." Brücke, welcher die selbständigen Wandungen in
den Anfängen der Lyraphgefässe ebenfalls läugnet, bedient sich zwar nicht des
Ausdruckes: Bindegewebskörperchen, allein für Den, welcher die fraglichen Dinge
aus eigner Anschauung kennt, kann kein Zweifel darüber obwalten, dass „die
interstitiellen Parenchymräume", nach Brücke die Anfänge der Lymphgefässe,
dasselbe Object sind, was in unserer Darstellung „Bindegewebskörperchen" oder
auch wohl vei'zweigte Hohlräume der Bindesubstanz genannt wurde.
Die Milz theilt mit den Lymphdrüsen auch in der äusseren Gestaltung die
Aehnlichkeit , dass , wie man bei Untersuchung zahlreicher Thiere derselben
Art erfährt, sich leicht von ihr einzelne Theile ablösen, wodurch sog. Neben-
milzen entstehen. Ich habe dergleichen aus fast allen Wirbelthierklassen be-
obachtet, bei Selachiern, dem Stör, unter den Reptilien fand ich Nebenmilzen beim
Proteus, Landsalamander, jüngst ferner bei der Feuerkröte, dem Haushahn, nach
Meckel kommt auch beim indischen Casuar, beim Strauss ein solches Zerfallen
der Milz in mehre Lappen vor, unter den Säugethiereu bei Cetaceen (Delphin,
Narwal).
§. 395.
Den Lymphdrüsen schhesse ich die Thymus an, ein bekanntlich Thymus.
weiches, lappiges Organ, welches bei Fischen, Reptilien, Vögeln
und Säugethieren gefunden wurde. Es besteht überall aus einem ge-
fässreichen Bindegewebsgerüst, das follikelartige Äbtheilungen begrenzt,
und letztere bergen eine weiche Pulpe. Die Elemente der Pulpe
430
Vom Gefässsystem der Wirbelthiere.
machen der Hauptmasse nach farblose Zellen aus, von Lymphkügelchen
nicht unterscheidbar; dazwischen durcli bemerkt man einzelne ge-
schichtete Körperchen, welche ich noch bei den Amphibien
antreffe, bei Fischen aber bisher vermisse.
Fig. 214.
:b
A Die Thymus des Frosches: a die Schläuche derselben, b der Centralraum,
c die Blutgefässe der Schläuche. (Massige Vergr.)
B Z e 11 i g e Elemente der Thymus vom Frosch und Salamander.
(Starke Vergr.)
Einen wohl sehr constanten Charakter der Thymus bildet ferner
das Vorhandensein einer geschlossenen Gen tr alh öhl e, oder
wenn das Organ in selbsständige Tjappen zerfällt, mehrer Central-
räume; ringsherum sitzen die Folh'kel und der Raum ist mit den
gleichen zelhgcn Theilen, wie die Follikuhirmaschen selber angefüllt.
Eine merkwürdige Erseheiiumg hat Remak an der Thynnis
junger Katzen wahrgenommen. Fr fand als Anhänge der Thymus-
läppchen gestielte Wimperblas cn , deren Wand aus einer festen,
bindegewebigen Schicht und aus einem mit schwingenden Wimpern
besetzten Fpitbcl besteht.
§•
396.
Für die Stellung der Thymus hier unter den lymphdi'üsenartigen
Organen redet 1) die Aehnlichkeit im Bau mit den Lymphdrüsen:
die Thymus hat keinen andren Ausführimgsgang, als ihre Blut- und
Lymj)hgef;lsse; das Verhalten ihres bindegewebigen^ gefiisstragenden
Facliwerkes zu der eingeschlossenen ]^dj)e ist wie bei den genannten
Thymus. 431
Gebilden und selbst das Vorkommen eines Centralraumes findet ein
gewisses Analogen in jenen Lymphdrüsen, welche bei den Triglen
(s. oben) die Blutgefässe des Mesenteriums scheidenartig umhüllen.
Auch dort nämlich sehen wir den Follikularraum nicht gleichmässig
erfüllt, sondern an der Peripherie liegen die klaren, kleinen Lymph-
zellen, während in der Mitte der Alveolen kleinere, helle Körnchen,
gleichsam wie ein Secret, dicht angehäuft sind. Aber auch bei der
Thymus steht der Centralrauni zu den Follikeln in keiner andren
Beziehung, als in der eines Behälters des Secretes; 2) die zelligen
Elemente der Tulpe der Thymus weisen durch ihre ein- oder mehr-
fach eingeschnürten Formen ebenso auf eine Vermehrung durch Thei-
lung hin, wie die Zellen der Lymphdrüsen, der Milz, welchen Vor-
gang man wegen Grösse der Elementartheile besonders bequem beim
Landsalamander wahrnehmen kann ; 3) die Lymphdrüsen sind bei
Kindern und jungen Leuten weicher und voluminöser als bei Er-
wachsenen, auch diese Eigenschaft theilt die Thymus mit den genann-
ten Organen und zwar nicht blos bei höheren Wirbelthieren, sondern
auch von Batracliiern habe ich mich überzeugt, dass die Thymus der
Froschlarven grösser ist und viel mehr von zelligen Elementen über-
füllt, als in späterer Lebenszeit. (Ihre Fintwicklung ist bei Batrachiern
überhaupt, namentlich beim Proteus, individuellen Schwankungen unter-
worfen, da sie an dem einen Thier viel massiger und gelappter ge-
funden wird, als bei dem andren.)
Zur Zeit, in der li. Wagner sein Lehrbuch der vergleichenden Anatomie
schrieb (1831), schien es, wie wenn die Thymus nur bei Säugethieren vor-
komme. Simon hat dann die Existenz derselben auch bei Vögeln und Rep-
tilien dargetlian , doch sind dabei einige Verwechslungen untergelaufen. Er hat
offenbar die Tliymus des Frosches nicht gekannt, wenn er von einem Organ spricht,
was über der Herzbasis liegen soll und später in Fett übergehe; auch die Theile,
welche Ecker die Thymus des Frosches nennt, können auf diese Bezeichnung
keinen Anspruch maclieu, da, wie ich (1853) gezeigt habe, die ungeschwänzten
Batrachier {Puma, Bufo) an derselben Stelle eine wahre Thymus besitzen, wo
sie auch bei den geschwänzten Batrachiern {3Ienopoma, Amjohiu7ua, 3Ieno-
hranchus, Siredon, Proteus, Salumandru, Triton) ruht, d. i. im Nacken, unmittel-
bar unter der Haut, am hinteren Ende des Kopfes. Auch bei Fischen hat sie
die gleiche Lage. Für die Plagiostomen ist es die Drüse, welche Ecker und
Bobin zwischen den Seitenmuskeln und der Kiemenhöhle vor dem Schultergürtel
gefunden haben; beim Stör sind es die sog. FoUiculi branchialen , welche an der
hinteren Grenze der Kiemenhöhle vor dem Schultergürtel liegen; bei den Knochen-
fischen sind es ebenfalls die sog. FoUiculi hranchiales , und wenn diese fehlen, die
Drüse, welche bei Gadus, Lota vulgaris, Pleuronectes platessa, P. ßesus, Phomhus
maximus, J.ophius piscatorius unter der die Kiemenhöhle auskleidenden Haut in der
Gegend der häutigen Commissur liegt, welche den Kiemendeckel mit dem Schulter-
gürtel verbindet.
Ueber die Struktur der sog. Winterschlafdrüse mancher Säugethiere
(Murmelthier , Igel etc.) sind mir keine neueren Untersuchungen bekannt. Sie
scheint ebenfalls eine Art Lymphdrüse zu sein. Nach Valentin (Beitr. z. Kennt-
niss des Winterschlafes der Murmelthiere in Jloleschott' s Unters, zur Naturlehre
432 Vom Gefässsystem der Wirbellosen.
des Menschen u. d. Thiere Bd. I) findet sich beim Mnrmelthier eine ähnliclie drü-
sige Masse wie die Winterschlafdrüse längs den Seitenflächen der Brustwirbel und
neben und vor den (Trenzsträngeii des sympathischen Nerven und erstreckt sich bis
nach der Unterleibshöhle hinab.
heit des
Muskel-
liei-^clies
Achtunddreissigster Abschnitt.
Vom Gefässsystem der Wirbellosen.
§. 397.
Hecimßen. Elii p 11 1 s 1 1" 6 H cl G s Central oTgau oder herzartige Abschnitte
am Gefässsystem finden sich sehr verbreitet bei Arthropoden^
Mollusken, Ringel wü rmern, manchen Echiiiodernien. Die
Hauptsubstanz des Herzens wird jederzeit vom Muskelgewebe gebil-
det und es ist hervorzuheben, dass, obschon die Muskulatur immer
im Wesentlichen, in der Frage also, ob glatt, ob quergestreift mit der
Muskulatur des Stammes übereinstimmt, doch meist etwas im feineren
Verhalten von der Leibesmuskulatur abweicht. Bei Insekten, Spinnen,
Krebsen ist das Muskelgewebe des Herzens entsprechend den Stamm-
muskeln exquisit quergestreift, bei den anderen Gruppen entweder glatt
oder in den manchfaclien Uebergangsformen vom Rcinglatten bis zur
vollkomranen Querstreifung begriffen. Es wurde oben bei den Wir-
belthieren bezüglich der Herzmuskulatur darauf hingedeutet, dass die
Primitivbündel durch eine gewisse dunklere, gekörnelte Beschaffen-
heit von den Skeletiuuskeln abstechen und das wiederholt sich hier
bei Arthropoden und Mollusken in ganz gleicher Weise und macht die
Differenz, falls die Muskulatur des Herzens einige Dicke hat, schon für
das freie Auge auffällig. So hebt sich bei Mollusken das Herz diu-ch
gelbliche Farbe sehr gewöhnlich von den glashcUen Muskehi des
Stammes ab, ähnlich ist es auch bei Spinnen, vielen Insekten u. a.
Wo das Herz eine mehr schlauch- oder gcfässartige Form
hat, wie bei Annulaten, niedren Krebsen, Spinnen und Insekten;
scheinen die Primitivcylinder immer ungcthcilt zu sein, und legen sich
ringförmig um das Organ, manchmal kommen zu den circulären
Fasern auch Längszüge. Die Primitivcylinder bestehen aus zarter
Hülle und Lihalt, wovon der letztre bei Ringelwürmern {Haemopis z. B.)
eine Scheidung in helle, homogene Rinde und körnige Achsensubstanz
zeigt und in dieser bemerkt man wieder einen schönen, blasigen Kci'n,
je einen für eineu Cylinder. Bei Echinus und den Mollusken ist der von
zarter Hülle innschlossenc lidialt des Priinitivcylinders einfach kr»rnig-
Kii.lo-
cardiiim.
Herz-
Herz. 433
bröcklig und die Körnchen erscheinen auch mitunter so regelmässig
gelagert, dass man lebhaft an Querstreifung erinnert vrird, bis denn
im Herzen der Ai^thropoden selbst in den niederen Formen derselben
(Entomostraken, sehr deutlich z. B. noch bei Polyphemus) diese letzte
histologische Sonderung mit aller Schärfe eingetreten ist. Dem Seeigel
{Echinus) ist es eigen, dass zwischen den Muskeln braune Körner-
klumpen liegen, die das Herz schon für das freie Auge stark braun
pigmentirt erscheinen lassen.
Ist das Herz fleischiger geworden, wie bei Mollusken und den
höheren Krebsen, so gestaltet sich auch der Verlauf der Muskelbündel
manclifaltiger, er wird geflechtartig, und es entstehen trabekelähnliche
Stränge. Damit steht in Zusammenhang, dass die Primitivcylinder jetzt
sich theilen und anastomosiren, wie im Herzen der Wirbelthiere.
§. 398.
Nach innen wird die Herzmuskulatur überzogen von einer feinen
'Haut, dem Endocardium, über deren eigentliche histologische Natur
ich noch nicht recht ins Klare gekommen bin, bald nämlich glaubt puppen
man ausser der Bindesubstanz noch ein wirkliches Epithel vor sich
zu haben (z. B. bei Paludina vivip.)^ bald macht sie nur den Eindruck
von einer homogenen Haut mit eingestreuten Kernen (Larven von
Corethra plumicorms z. B.); oder sie präsentirt sich endlich als wirk-
liche, homogene Intima (z. ß. in der Raupe von Bombyx ruhi). ich
möchte mich auch lieber dahin neigen, das Endocardium einfach für
die flächenhafte Ausbreitung der Bindesubstanz zu halten, welche das
Gerüst des Herzens bildet, wofür spricht, dass, wie wir sehen werden,
"diese Haut unmittelbar in das Bindegewebe der Organe übergelit,
nachdem die Gefässe ihre Selbstständigkeit verloren haben. Die Frage
nach dem Epithel muss einstweilen noch für eine offne erklärt werden.
Die klappenartigen Vorrichtungen, welche in die Lieh
tung des Herzens ragen, sind entweder DupHkaturen der bindege-
webigen Intima^ in welche sich auch Muskeln erstrecken können, oder
es fungiren als Klappen eigenthümliclie zellige Gebilde. So verrich-
ten, wie icii bekannt gemacht habe, in der hintersten Kammer des
Herzens der Larve von Corethra plumicornis sechs bis acht Paar
gestielter Zellen die Dienste von Klappen, sie stehen alternirend, eine
demnach iminer etwas höher als die andre, wodurch bei der Systole
des Herzens zwei zusammengehörige Klappen dicht hinter einander
zu liegen kommen und das Lumen der Kammer vollständig absperren.
Es ist sehr wahrscheinlich , dass noch andre Insekten mit ähnlichen
Apparaten ausgestattet sind, ich habe wenigstens im Herzen der Raupe
von Bombyx ruhi nach innen von der Tunica irdima von Stelle zu
Stelle sehr grosse Zellen wahrgenommen, die vielleicht ebenfalls Herz-
klappen vorstellen mögen, docli ist hier die Untersuchung ungleich
schwieriger als bei Corethra.
Leydig, Histologie. 28
434
Yom Gefässsystem der ^Wirbellosen.
i-~- c
-l
A Die h i n t e r s t e H e r z k a m m e r von d c r L a r v e d e r C o r e t h r a ji 1 n in i c o r n i s :
a die hintere Oeffnung, b die seitlichen Spalten an der üebergangsstelle
in die zweite Kammer, c die einzelligen Klappen, d zwei Blutkügelcheu.
B Ein Stück Herz von Branchipns mit Einstellung des Fokus auf eine seit-
liche Oeffnung: a IJingnmskeln des Herzens, b eigentliche Haut des Her-
zens mit einzelnen Kernen, c frische, d mit Essigsäure behandelte Blut-
kügclchen.
C Ein Stück R ü c k e n g c f ä s s von P i s c i c o 1 a : a eine zellige Klappe.
D Ein S t ü c Ic R ü c k e n g e f ä s s von P i s c i c o 1 a in der Systole: a das
Rückengefjiss, b der das Herz umgebende Raum, in dem Bliitkügelchen
strömen, c Verbindungsstränge zwischen beiden. (Starke Vergr.)
Ein Seitciistüclc zu diesen einzellioen Klappen im IJ erzen der
In.sektcn liefern die nielirzelii^en Herzklappen gewisser Tlirudineen ;
bei Piscicola, Cle/)sine, BrancheUion und Fontohdella treten in das ge-
fässartige Herz (Rückengefäss) abstandsweise weiehe gelappte Körper
vor, die bei der Contraetion des Herzens dasselbe wie in einzelne
Herz. 435
Kammern abtheilen. Auf ihren Bau betrachtet, bestehen dergleichen
Klappen aus einem Haufen von feinkörnigen, mit Kern und Nucleolus
versehenen Zellen, durch eine weiche Verbindungsmasse zu einem
Ballen zusammengehalten. Von verwandter Art sind vielleicht auch
die zwei Klappen, welche Geyenhaur zwischen dem Kopf und
Mantelsinus der Hyalaea auffand : von fast kugelrunder Gestalt sitzen
sie mit einem kurzen Stiel der Wand an und bestehen aus einer
zarten, strukturlosen Hülle und feingranulirter Masse, hie und da „mit
kernähnlichen Gebilden".
§. 399.
Ein Gegenstand, welcher noch weitere Untersuchungen erheischt, He,^l,euu•l
ist der sog. Herzbeutel (Pericardium) der Wirbellosen. Er ist ent-
weder ein selbständiger aus Bindegewebe gebildeter Sack, wie bei
vielen cephalophoren und acephalen Mollusken , oder es zeigt sich,
wie bei Paludina vivipara, kein freier Herzbeutel, sondern die bindege-
webige Haut, welche den weiten, das Herz umschliessenden Raum
begrenzt, erscheint mit den umgebenden Organen innig verwachsen.
Anfcings meinte ich ein paar Oefthungen wahrzunehmen, welche in
diesen Raum führten, und es lag daher die Annahme nahe, den Herz-
beutel für einen Blutsinus zu halten, was sich aber nicht bestätigen
wollte. Hingegen ist es für die höheren Krebse nachgewiesen, dass
der sog. Herzbeutel als Blutbehälter fungirt und zur Aufnahme des
aus den Kiemen kommenden Blutes dient. In wie weit bei Arthro-
poden und Mollusken eine ähnliche Einrichtung verbreitet ist, muss
die Folgezeit lehren, doch vex-mag ich für jetzt schon anzugeben, dass
bei den Entomostraken {Daphnia, Lynceus z. B.) dem Herzbeutel die
gleiche Bedeutung zugesprochen werden muss; und auch bezüglich
der Insekten nehme ich eine analoge Organisation an. Bei diesen
Thieren nämlich sehen wir das Herz von einer eigenthümlichen Masse
umhüllt, welche manche Zootomen, R. Wagner z. B., als zellige
Schicht des Herzens unterscheiden , und welche ausser einer hellen,
homogenen Grund- und Verbindungssubstanz aus grossen Zellen be-
steht, die bei den verschiedensten Coleopteren und Orthopteren einen
gelbkörnigen, bei Locusta viridissima einen grünkörnigen Inhalt
haben ; bei Spiaax jiinastri ist diese zellige Masse um das Herz heller
als sonst, der Zelieninhalt leicht gelblich, feingranulär. In die helle
Bindesubstanz verlieren sich die Scheiden der dreieckigen, hautartig
ausgebreiteten Flügelmuskeln, welche das Herz an die Leibessegmente
befestigen. Ich habe nun in jüngster Zeit bei einigen Käfern
{Blaps mortisaga z. B.) Beobachtungen gemacht, welche mir darthun,
dass diese äussere Umhüllung,- des Herzens wie eine Art Blutsinus
sich verhält, aus dem erst das Blut in das Herz eintritt; mehre Schrift-
steller gaben schon früher dasselbe an. Ferner dürfte der Herzbeutel der
Cephalopoden ebenfalls Blutraum sein, da er bei Nautilus in die Ab-
domiualhöhle, bei den übrigen Cephalopoden in die grosse Hohlvene
28*
436 Vom Gefässsystem der Wirbellosen.
einmünden soll. Auch der Herzbeutel von EcMnus ist ein Blutraum,
denn ich sah in ihm dieselben hellen Körperchen innerhalb eines klaren
Fluidums treiben, wie sie sich in den Blutgefässen finden. Endlich
kann ich nicht umhin, auch daran zu erinnern, dass bei manchen
Hirudineen, z. B. bei Piscicola, Clepsine das herzartige Rückengefäss
in einem Blut- oder Lymphsinus liegt, von dessen Wand in grösseren
Zwischenräumen sich Fäden zum Herzen herüberspannen.
Die sog. Kiemen- oder Nebenherzen der Cephalopoden ent-
sprechen dem contractilen Harnorgan andrer Wirbellosen, wovon
nachher. - — In den Schienbeinen mehrer Wasserwanzen werden eigen-
thümliche bewegliche Lamellen, welche auf die Blutströmungen im Kör-
per einwirken sollen, beschrieben (Behn, Verloren)] so viel ich in-
dessen an jungen Naucoris sehen kann, sind diese vermeintlichen .,pul-
sirenden Organe" blos die Zuckungen hier sich ansetzender Muskeln,
wie auch bereits v. Siehold die Erscheinung erklärt hat, obschon es
dann immerhin merkwürdig bleibt, warum gerade an diesen Stellen die
Muskeln des Beines ihre Zuckungen so regelmässig wiederholen. Auch
die von van Beneden (Froriep's Notiz. Bd. 37) an Nymphen beschrie-
benen eigenthümlichen , rhythmisch sich contrahirenilcu Membrauen,
welche innerhalb der Basis der Bcnne angebracht seien, und von denen
der Lupuls zu den Blutströmungen in den Extremitäten ausgehen soll,
möchten wohl ebenfalls nur solche Muskelcontractionen gewesen sein.
§. 400.
Heri- Die Gefässe haben sich bei Wirbellosen in sehr verschiedenem
Gefiuse. Grade von der allgemeinen Bindesubstanz der ()rgane individualisirt,
mitunter so wenig, dass für ganze Thiergruppen die Lehre aufgestellt
wird, das Blut circulire frei durch die Interstitien des Parenchyms.
Ein sehr selbständiges Gepräge legen noch die IMutgefässe der
Ringel Würmer (Hirudineen, Chaetopoden etc.) an den Tag, was sich
bis in die feineren Verzweigungen erstreckt. Die vom Rückengefäss
(Herzen) abgehenden Aeste haben auf grössere oder geringere Strecken
weit im Wesentlichen den Bau des Rückengefässes, d. h. bestehen
aus einer bindegewebigen, scharfconturirten Litima und um diese
herum legen sich Muskeln , welche stellenweise eine solche Entwick-
lung haben, dass die Gefässe auf weithin herzartig pulsiren. Die
Muscularis hat Ring- und Längenmuskcln {Hirudo z. B.), die aber
beide nicht streng circulär und longitudinal verlaufen, sondern an
Flechtwerke (uünnern. Die Fasern der Ringmuskeln sind breiter als'
die der Längsmuskeln. Zu äusserst kommt eine weiche, bindege-
webige Hülle [Adventitia) mit einzelnen Kernen und ist öfters pigmcn-
tirt, z. B. an den Stammgefässen bei Haemopis. (Etwas eigenes sind bei
Lumbriculus variegatus die blind endigenden, contractilen Aussackungen,
welche das Rückengefäss jedem Leibessegment entsprechend abgiebt.
Nach dem Vordcrleibscnde zu werden diese Gefässfortsätze zahlreicher,
länger und bilden damit ganze Quasten. In ihrer Adventiüa liegen
Blutgefässe. 437
schtartconturirte Körperclien und daher sind sie tlieilweise auch ganz
dunkel gefärbt. Sie haben die Muscularis , und alle Zotten eines
Quastenpaares contrahiren sich gleichzeitig.)
Wü die Getasse nichts mehr von Contractilität zeigen, bestehen
sie lediglich aus der homogenen, scharfgezeichneten Iniima (letztere ist
z. B. am Bauchgefäss von Piscicola von ziemlicher Dicke und hat einen
Stich ins Gelbliche) und aus der zarten Adventiüa, welche den Cha-
rakter von gewöhnlicher Bindesubstanz darbietet. Am Bauchgefäss
von Clepsine und Piscicola bemerkt man noch die Eigenthümlichkeit,
dass nach der Länge des Gefässes ein längsgestreiftes Band zieht,
gegen welches sich die Intima in feinere und gröbere Ringsfalten
legt, wodurch das ganze Gefäss einem Stück des Grimmdarmes der
Säugethiere ähnelt. Bei Clepsine sind zwei solche einander gegenüber
stehende Ligamenta- zugegen. Ein Epithel des Gefässlumens fehlt.
Beim Regenwurm ist die Intivia des Stammgefässes der Bauchseite
eine sehr starke, strukturlose Membran, nach der Länge sich in grosse
Falten legend und auch nach der Quere fein gestrichelt, was wahr-
scheinlich auf Faltenbildung beruht. Die Ädventitia enthält ausser
vielen Kernen noch zahlreiche, scharfgezeichnete Körnchen einge-
streut. Zu innerst sah man noch vereinzelte, blasse Kerne, die wahr-
scheinlich von Blutkügelchen herrührten.
§• 40L
Unter den Weichthieren, namentlich bei Schnecken und Tin-
tenfischen , bewahren noch die Aorta und ihre Verästelungen eine
sehr ausgesprochene Individualisirung, und der Bau ist im Wesentlichen
dem vorherbeschriebenen der Ringelwürmer gleich ; man hat demnach
zu innerst eine Intima zur Ansicht , hyalin oder auch feinkörnig (bei
Paludina viv. z. B.), auch sich gern in Längsfalten legend {Sept'ola z. B.),
weiter nach aussen folgt die Muscularis, deren contractile Elemente
entweder bloss einfach circulär oder auch geflechtartig gelagert sind,
und als dritte Haut kommt die bindegewebige Ädventitia , deren spe-
zielles Aussehen sich nach der Beschaffenheit richtet , welche die
Bindesubstanz des betreffenden Thieres hat, daher bei Sepien z. B.
von demselben lockig-gestreiften Habitus ist, wäe bei den Wirbelthie-
ren, hingegen aus grossen Zellen zusammengesetzt bei unseren iTe^ice*,
Paludina, deren Bindegewebe wir unter dieser Form kennen. Wie
bei niederen Wirbelthieren, kann sich auch bei Wirbellosen Pigment
in diese Haut absetzen, hQ\Ario7i Kalk, und zwar in so reichlicher
Menge, dass die Gefässe für das freie Auge weiss gefärbt und
dadurch sehr auffällig werden.
Allmählig gegen die peripherische Verzweigung zu schwinden
die Muskeln oder hören auch wohl plötzlich auf, wenn ein stärkeres
arterielles Gefäss in einen grösseren venösen Hohlraum sich fiffnet.
Li beiden Fällen gehen bloss die Intima und Ädventitia continuirlich
in das Bindegewebsgerüst der Organe oder in das interstitielle Binde-
138
Vom (jefässsy Stern der Wirbellosen.
Fig. -216.
A Stück eines contractilen Glefässes von Hir'udo: a Intimn, b Muskularis,
c Adventitia.
B Ein Stück Aorta von Helix pomatia: a äussere glashelle Zellenschicht
oder Adventitia, b die Ringmuskeln. (Starke Vergr.)
Fiff. 217.
A
CL
J -- c
A Stück Baueli gelTiHS von Clepsine: a die Intinia mit den eigenthümlichen
Längsbändern b, c die Adventitia.
15 r>asselbe vom Regenwurm: a Intima (in einzelne Falten gelegt), b Adven-
titia, c ob veränderte Blutkiigelchen V (Starke Vergr.)
gewebe über, was zur Folge hat, dass von eigener GefässAvand,
wenigstens niclit im gewöhnlichen Sinne, mehr geredet werden kann,
wesshulb man sich bis jetzt gewöhidich so ausdrückt, jene Blutbahnen,
welche mit dem Capillarnetz der Wirbelthiere auf gleicher Stufe ste-
hen, seien Lücken oder Lakunen im Leibesparenchym. Es darf jedoch
im Hinblick auf den gegenwärtigen Stand der Histologie nicht ver-
Bliitgefähisc. 439
'e
gessen werden , rlass, wenn man der Sache recht g-enau nachgeht, die
Differenz, welche zwischen einem geschlossenen Gefasssystem und
einer interstitiellen Blutbahn aufgestellt wird, nicht strenge begrün-
det ist. Schon bei den Vertebraten können, wie angegeben wurde,
gar manche Capillaren, und selbst grosse Venenräume, so wenig von
der umgebenden Bindesubstanz abgemarkt sein , dass die Capillaren
nur auf dem Bange von Bindegewebskörperchen stehen , und selbst
die grösseren venösen Sinufi bloss die morphologische Bedeutung von
umfänglicheren Hohlräumen der Bindesubstanz beanspruchen können.
Andere Autoren sprechen in solchen Fällen von einem „lückenhaften
Gefasssystem", wie z. B. Quatrefa<)es von dem des Ammocoetes.
Und eine derartige Degradation der peripherischen Gefässe ist nun
Regel bei den Weichthieren. Nachdem die arteriellen Verästelungen
muskellos geworden sind, geht alsbald die bindegewebige Geftisswand
in das Bindegewebe der Organe oder in das interstitielle Bindegewebe
über , welch' letzteres an dem einen Ort sich maschig durchkreuzt,
an dem anderen grössere Hohlräume umschreibt, immer aber so, dass
die Räume die Fortsetzungen der Gefässlichtung bilden. Wenn ich
daher auch den Namen Lakune gebrauche, so verstehe ich darunter
nicht „wandungslose Flöhlen", sondern Höhlen und Kanäle , deren
Begrenzung zwar Bindesubstanz ist, aber ohne von dem übrigen
Bindegewebe abgeschieden zu sein ; es kann vielmehr die andere Flä-
che der bindegewebigen Wand, vielleicht die Tunica propria einer
Drüse, oder das Sarcolemma eines Muskels, das Neurilem u. dergl.
vorstellen. Häufig, wie z. B. bei Paludina zwischen den Leberfol-
likeln oder bei den Cephalop hören und Acephalen wohl durchweg
im Fuss, durchstricken auch Muskeln das Balkenwerk der blutführen-
den Bindegewebshöhlen. An den venösen Kanälen, welche aus den
Interstitien des Leibes das Blut zu den Respirationsorganen und
dem Herzen zurückleiten , ordnen sich die Muskeln in bestimmten,
das Gefässlumen umkreisenden Geflechten, so dass wieder eine etwelche
Selbständigkeit dem Gefässe zuerkannt werden darf
Bei den Salpen, einigen Ptero- und Heteropoden {Cymbu-
lia^ Tiedemannia, Pterotracliea) wird der ganze Nahrungskanal sammt
der Leber und den Geschlechtsorganen von einer besonderen mem-
branösen Hülle eingeschlossen und bildet den sogenannten Nucleiis
dieser Tliiere. Die fragliche Hülle ist eine homogen-streifige Mem-
bran von hoher Elasticität und ist durchbrochen von zahlreichen Oeff-
nungen, von denen Gegenbaur gezeigt hat, dass durch sie das Blut
aus dem Eingeweidesack {Nucleus) in einen letzteren umgebenden Blut-
sinus strömt.
In seltenen Fällen können sich auch bei den Weichthieren und
Ringelwürmern die peripherischen Blutwege unter dem Bilde wirk-
liclier Capillaren vom Bindegewebe absetzen. Wir erfiduen näm-
lich durch V. Hesslinyj dass die Falten und vorspringenden Blätter
440
Vom Gefässsystem der Wirbellosen.
Ncben-
lierKCii.
der Niere von Anodonta ein' Capillargefässnetz tragen, welches die
grösste Aehnliclikeit mit den Gefässwindungen, Gefässknäueln in den
Nieren der höheren Thiere habe. Dann lösen sich zweitens hei den
Cephalopoden die Arterien in sehr vielen Körpertheilen (mir bekannt
aus Muskeln, Hoden, Auge, Sehnerven, äussere Haut etc.) in echte
Capillaren auf, bestehend aus einer einzigen homogenen Haut und
länglichen von Stelle zu Stelle angebrachten und oft etwas buckelför-
mig in's Innere vorspringenden Kernen. Endlich sind beim Regen-
wurm und den Egeln echte Capillaren leicht zu demonstriren.
Fig. 218.
1 .\ IS
A iLliropodeu
A Stück von einem feineren G e f ä s s , das den Capillaren nahe steht,
von P i s c i c o 1 a.
B Wirkliche Capillargefässe von Sepiola. (Starke Vergr.)
§. 402.
Gleichwie bei Wirbelthieren durch partiell verstärkten Muskelbeleg
Neben herzen am Gefässsystem hervorgebracht werden, so wieder-
holt sich das auch bei Wirbellosen; ausser den schon erwähnten
pulsirenden Gefäss bogen der Annulaten zählen z. ß. hierher die ac-
cessorischen Herzen, welche Hancock an der Wurzel der grossen
Flossenarterien bei Ommastrephes todartis auffand; auch die Beobach-
tung Oe(]enhauT''s ziehe ich hier an, dass bei Hyalea die zu den
Flossen aufsteigende ^orto „auffallend contractu" sei, und „es kommt
hier gleichsam die Contractilität der Gefässwand dem Herzen zu
Hülfe und unterstützt die Weiterbewegung des Blutstroms zu den
Flossen." Die muskulösen Elemente, welche Gegenhaur an der
bezüglichen Stelle vermisste, dürften doch wohl noch gefunden werden.
§. 403.^
Anlangend die Arthropoden (Krebse, Spinnen, Insekten), so
sind auch bei den höheren Formen der Krebse und vieler Arachni-
d e n die vom Herzen abgehenden Gefässe auf grössere oder geringere
Strecken weit mit differenzirten Wandungen [Tnthna, Muscularis und
Adventitia) verschen. Im weiteren Verlauf schwinden zuerst die Mus-
keln , das Gefäss beschränkt sich zuerst auf die bindegewebige A\ and
und weiterhin findet die Verschmelzung mit der Hindesubstanz der
Organe und dem interstitiellen Bindegewebe statt. Das Blut strömt
jetzt in den Bindegewebslück(>n, doch sehe ich, dass bei höheren
Krebsen (^Astacns fuviatilis) an manchen Orten, z. B. in der gallertig
Blutgefässe. 441
verdickten weichen Hautlag'e, wciclie sich unter dem Schalcndacli der
Kiemenhöhle findet, noch wirkliche Capillaren sich erhalten, die bei be-
trächtlicher Weite eine scharfgezeichnete Intima und zartere kernhaltige
Ädventitia besitzen; niedere Krebse haben von selbständigen Gefässen
höchstens eine kurze Aorta^ als Ausläufer der vordersten Herzkammer.
Auch bei Insekten lassen sich an einzelnen Orten Blutbahnen be-
obachten, welche den Capillaren ganz ähnlich sind: in den Flügelstummeln
einer Hemhlislarve z. B. sah ich das Blut in scharf abgegrenzten Wegen
circuliren, welche ganz den Eindruck von wirklichen Capillaren
machten, und was noch ferner merkwürdig war, es gingen seitlich
feinere Zweige ab , die keine Blutkügelchen mehr aufnehmen konn-
ten und die letzten Ausläufer von diesen schienen mit den Poren-
kanälen der Haut zusammenzuhängen, so dass auch hier das Blut
mit von aussen eingedrungenem Wasser sich mischen könnte, ohne
dass dabei Blutkügelchen zu Verluste gingen, da diese nur in den
weiteren Gefässstämmchen zu kreisen vermögen. Auch Q. Carus
zeichnet in seinen „Erläuterungstafeln zur vergleichenden Anatomie"
die „Adern" in den Flügeln der Sembits hilineata mit scharf sich ab-
grenzenden Conturen, und zwar ganz anders, als er die „Blutbahnen" der
Agrion puella und Ephemer a vulgata darstellt. Weniger richtig finde
ich hingegen seine Abbildung der Blutströme vom Brustschilde der
Lampyris spendidula , da sie ganz markirt gezeichnet sind, während
sie in Wirklichkeit nur lakunär sich ausnehmen. (Schön sieht man
auch und auf die gleiche Weise die Blutcirculation in den vorsprin-
genden hellen Rändern der Bauchschienen beim Weibchen.)
§. 404.
Oben bereits, als von der Gefässstruktur der Wirbelthiere die
Rede war, konnte ich nicht umhin, bezüglich der Constanz des Ge-
fässepithels einige Bedenklichkeiten einzustreuen, die sich mir
noch lebhafter in Anbetracht der Wirbellosen aufdringen. Ich habe bis
jetzt wieder bei Würmern, noch Weichthieren, noch den Glie-
derfüsslern ein zweifelloses Gefässepithel wahrnehmen können und
möchte daher das Vorhandensein desselben fast in Abrede stellen.
Von Pcdudina vivipara hatte ich freilich früher angegeben, dass die
Kiemengefässe „eine Art Epithel von sonderbaren, mit ungleich dicker
Wand und kleinem glänzenden Kern versehenen Zellen" besitzen.
Allein wenn ich jetzt die damals gefertigten Zeichnungen betrachte,
so möchte ich in diesem „sonderbaren Epithel" ein Analogen der
schwammigen Venenanhänge der Cephalopoden erblicken, wovon unten.
— An den feineren weissen Gefässen des Arxon^ die keine Muskel-
lage mehr haben und nur aus einer ziemlich dicken homogenen Intima
und der zelligen kalkhaltigen yl(^ve?i^«>ia bestehen, gewahre ich allerdings
zu innerst von der Intima noch kleine rundliche, häufig eingekerbte
Kerne, die man aber bis auf weiteres ebenso gut auf ein Epithel
als wie auf Kerne von Blutkügelchen beziehen kann. An den Ar-
epithel.
442 Vom Gefässsystem der Wirbellosen.
terien von Carinaria sitzt nach Gegenbaur der homogenen Haut
ein Plattenepithel auf. Jedenfalls bedarf diese Frage erneuter Un-
tersuchungen.
§. 405.
Ljmphge- ^q\ Wirbelthieren scheidet man bekanntlich den Gefässapparat
fiisssyateni..
in ein Blutgefässsystem und in ein Ly m phgef ässsy s tem,
und es ist in neuerer Zeit schon öfter zur Sprache gebracht ay Or-
den, dass auch bei manchen Wirbellosen eine ähnliche Gliederung
anzunehmen sei, was, wie ich nach eigenen Wahrnehmungen bei-
stimmend bemerken muss, mit allem Recht geschieht. Noch am
nächsten in der berührten Organisation stehen den Wirbelthieren die
Hirudineen. Jiei Clepsäie, Fiscicola, Branchellioii, Pontobdella hat
sich nachweisen lassen, dass ausser den eigentlichen Blutgefässen noch
ein zweites Gefässsystem vorhanden sei, welches einen grossen Median-
sinus und zwei Seitenstämme aufweist; am Kopf und Hinterleib ste-
hen die drei Stämme bogenförmig in Verbindung und an den Leibes-
gliedern durch Queranastomosen. Im Bereich dieses Gefässsystemes,
und zwar zumeist in der Bahn der Seitengefässe , kommen blasenar-
tige Erweiterungen oder Ausstülpungen vor. (Näheres in der m. Aufs,
üb. Piscicola, Ztsch. f. wiss. Z. 1849, Bericht v. d. zoot. Anst. in Würz.
1849, S. 17, Anatomisches üb. BranchelUon u. Pontobdella Ztsch. f. w.
Zj. 1851.) Histologisch weichen diese, dem Lymphgefässsystem ver-
gleichbaren Gefässe von den eigentlichen Blutgefässen darin ab, dass
die Wände sich nicht so scharf markiren , vielmehr ist die homogene,
das Lumen begrenzende Haut weit zarter und mitunter so wenig
von der interstitiellen Bindesubstanz geschieden, dass auch die Be-'
Zeichnung Lakunen anwendbar erscheint. Meist legen sich Muskeln
äusserlich um die homogene LIaut , doch macht es den Eindruck, als
ob sie nicht ausschliesslich den Gefässen angehören , sondern der
Leibesmuskulatur überhaupt.
Bei den acephalen und cephalophoren Mollusken scheint ein
Lymphsystem nicht mehr morphologisch vom Blutgefiissystem geschie-
den zu sein, denn, wie ich Avenigstens bei Cyclos beobachtet habe,
tritt das umgebende Wasser durch die Porenkanäle der Haut am Fuss
in die zwischen der Muskulatur befindlichen Lakunen des Blutsystems.
Sollte zwar v. BieJ>old Recht haben, dass bei Uiiio und Anodonta
neben dem durch die Porenkanäle nach aussen offenen Kanalsystem
noch ein zvs^eites Netz von engeren Kanälen eigens für das Blut vor-
handen wäre, so würden sich die Acephalen den Llirudincen in die-
ser Beziehung anreihen. Doch möchte ich nach meinen Beobachtungen
einstweilen daran festhalten, dass hei den Acephalen und Cephalopho-
ren morphologisch ein einziges Kanal- oder Lückensystem den
Körper durchzieht, welches Blut fiihi't. aber thircli direkte Aufnahme
von äusserem Wasser physiologisch auch zugkich das Lymphgefäss-
system mit repräsentirt.
Lymphgefässe.
443
Die Ceplialopoden, die sich schon in der Individualisirung
ihrer Blutgefässe selbst bis zu den Capillaren herab den Wirbelthie-
ren so nahe stellen, dürften auch in der Art, wie die Lymphgefässe
zu den Blutröhren sich verhalten, mit jenen gewisse Aehnlichkeiten
tlieilen. Es ist mir nämlich bei Seplola und Lolicjo aufgefallen , dass
an den Arterien die äusserste Haut (Ädventiäa), welche die Zeichnung
des gewöhnlichen Bindegewebes darbietet, sehr weit von der Ringmus-
kelschicht absteht, wodurch das Bild so wird, als ob das aus der
Timica elastica und Tunica viuscularis zusammengesetzte Gefäss inner-
halb eines anderen, dünnhäutigen Gefässes liege. Entsinnt man sich
nun, dass schon früher Er dl Angaben gemacht, wornach die
Blutgefässe der Cephalopoden innerhalb von Lymphgefässen verlau-
fen und bringt man damit in Zusammenhang, dass wirklich Wasser
von aussen her aufgenommen wird , so liegt der Gedanke nicht fern,
anzunehmen, dass hier das Lymphgefässsystem eine gewisse Selbstän-
digkeit hat und zum Theil analog den Fällen, wie sie oben von nie-
deren und selbst höheren Wirbelthieren vorgebracht wurden , schei-
denförmig die Blutgefässe umschliesst.
Fig. 219.
Ein stärkeres Blutgefäss von Sepiola.
a homogene Intima, b aus Kingmuskeln bestehende Media, c bindegewebige
Tunica adventitia (Lymphgefäss?). (Starke Vergr.)
Bei den Echinodermen ist ebenfalls ausser den Blutgefässen
noch ein Lymphsystem vorhanden. Vornämlich ist der Leibesraum
in diesem Sinne zu deuten, der fast allenthalben mit Cilien besetzt
ist: es wimpern die Mesenterien, die Aussenfläche des Darmes, des
Herzbeutels, die äussere Fläche der längs des Darmes laufenden Blut-
gefässes, die Aussenseite des Eierstockes, der Ambulacralbläschen und
nicht minder ist die äusserst zarte, bindegewebige Haut, welche die
Interambulacralplatten überzieht, bewimpert. Das Seewasser hat Zu-
tritt zur Leibeshöhle und mischt sich der Lymphe bei. Ob und wo
die Blutgefässe in die Lymphräume münden, ist bei diesen, so höchst
schwierig zu zergliedernden Thieren, noch unbekannt.
In neuester Zeit hat Wedl Beobachtungen über das Herz von Menopon palli-
dum veröffentlicht (Sitzungsber. d. Wien. Akad. 1855), aus denen hervorgehen soll,
dass man bis jetzt das eigentliche Herz der Insekten wahrscheinlich übersehen
444
Vom Gefässsystem dci" Wirbellosen.
habe; bei genanntem Thier liege nämlich hinter dem sog. Rückengetass noch ein
selbständiges Herz von folgendem Bau. Die Gestalt nähere sich dem Kugligen,
vorn und rückwärts sei eine Oeffnung , es besitze einen parenchymatösen Theil,
beiderseits in Form eines Kugelsegmentes erscheinend und aus feiner Molekular-
masse bestehend. Von der inneren Oberfläche des parenchymatösen Theiles ent-
springen zackige Verlängerungen, welche an die Papilhirmuskeln des Wirbelthier-
herzens erinnern. An der Aussenseite inserirten sich Aufhängebänder des Herzens.
Nach vorne stehe das Herz mit dem sog. Rückengefäss in Zusammenhang. Dieser
Darstellung gegenüber kann ich nun gerade niclit sagen, dass Wedl auf seinem
Streifzuge in die Entomotomie allzu glücklich gewesen wäre. Erstens ist es un-
richtig, wenn Wedl von einem parencliyniatösen, kuglig vorspringenden Theil des
Herzens spricht und zeichnet; was er so nennt sind dieselben zelligen Gebilde, von
denen oben die Rede war , die sich am Herzen der Insekten allgemein finden,
sie haben wie dort einen körnig- bröckligen Inhalt und eine schwach gelbliche
Farbe. Von ihnen entspringen auch keineswegs die „Papillarmuskeln", wohl aber
setzen sich aussen an sie wie l)ci anderen Insekten die Flügelmuskeln des Herzens,
die .„Aufhängebänder" WedTg. Dann scheint mir zweitens irrthümlich , wenn
genannter Autor das Herz „rückwärts" (womit wohl das hintere Ende gemeint ist) mit
einer Oeffnung versehen sein lässt; ich sehe es hier geschlossen; auch die .„problema-
tisch" angenommenen und gezeichneten „Hauptvenen" existiren nicht, wohl aber
sieht man seitlich vor und hinter den zellenartigen Körpern eine Spalte mit Klappen-
spiel. Die beigegebene Figur mag das Uebrige versinnlichen.
Fig. 220.
Hinterster Abschnitt des Herzens vonMenopon pallidum. (Starke Vergr.)
a die Flügelmu.skeln des Herzens, b ilie /.clh'nJihnlicheii Ki'upcr, c die Ringmuskeln
des Herzens. Die vier Pfeile bezeiclnuii die SpiiItiHliiungcu des Organes.
Hätte Wrdl das Herz anderer Artlirojjodeii gekannt, so wiirdcii seine Deu-
tungen wolii auch anders ausgefallen sein, denn es ist offenbar, dass bei Meno].)on
etwas Aehnliches vorliegt, wie z. H. an der Larve von Vorcthra phnnkontis oder
wie bei Arcjvlun foliaceu.s : der Iiinterste Abschnitt des Herzens ist breiter und
muskulöser als der weiter nach vorne liegende und zeichnet sich noch, worauf ich
aiudi in meinem Aufs, über Corcihra iiinwi(>s, dineli andere Eigciitliüinlielikeiteu
aus. Dass bei Menojwn die zcllenähnlichen Massen lun das Herz auf die paar
Kugeln um die Iiinterste Kamtncr reduzirt sind, geht noch über die Verhältnisse
bei (.orclhra zunick , wo wenigstens je einer immer einer Sj)altöffnung entspricht.
Vom Blut und der Lynijilie des Mensclieu. 445
Neimunddreissiffster Abschnitt.
ö'
Vom Blut und der Lymphe des Menschen.
§. 406.
Die Höhlungen des Blut- und Ljmphgefasssystemes enthalten die
bezeichneten Flüssigkeiten. Das Blut, ein rother und während des
Lebens in beständigem Kreislauf durch den Körper begriffener Saft
besteht aus der Blutflüssigkeit {Liquor, Plasma sanguinis) und
zweitens aus unzähligen darin schwimmenden Bläschen, den sog. Blut-
körperchen. Der Liquor sanguinis ist hell, klar, farblos und seine
weiteren Eigenschaften aus einander zu setzen, gehört der Chemie an.
Uns interessiren zunächst die Blutkörperchen. Es sind, im Allgemei-
nen gesagt; kleine, weiche Zellen, die nach Farbe, Grösse und Ge-
stalt, sich in zwei Arten sondern, in die rothen und in die färb- uotho bi„i
losen oder weissen Blutkörperchen. Die ersteren bilden den bei ■'"'i"""'''"""
weitem grösseren Theil der Formelemente des Blutes , sind einzeln
betrachtet schwach röthlich gefärbt , erst in Menge beisammen lie-
gend , erscheinen sie intensiv roth und sie sind es , welche für das
freie Auge die rothe Farbe des Blutes hervorrufen. Was ihre Gestalt
betrifft, so nehmen sie sich aus wie kreisrunde, scheibenförmige Bläs-
chen mit mittlerer Teile. Ihrer Bläschennatur entsprechend , sind sie
aus einer elastischen, farblosen Hülle und einem gefärbten, aus Hä-
matin und Globulin bestehenden Inhalt, zusammengesetzt.
Wer die gefärbten Blutkügelchen zum erstenmal sieht, glaubt
auch in ihnen einen centralen Kern zu erblicken , was sich aber bei
sorgfältigerer Nachforschung dahin aufklärt, dass die vorher erwähnte
napfförmige Vertiefung durch optischen Effect einen Kern vorgespiegelt
hat. Die rothen Blutkügelchen des Menschen sind vielmehr kernlos.
In dem zu Ader gelassenen Blute legen sich die farbigen Kügelchen
mit ihren platten Flächen gerne so an einander, dass sie geldrollenähn-
liche Reihen bilden.
§. 407.
Die zweite Art der Blutkügelchen, die farblosen oder weis- weis.eBiut-
sen, oder auch Lymphkügelchen genannten, sind in weit geringerer ''°'"p«'"<^''^"-
Anzahl als die farbigen im Blute zugegen. Auf einige hundert rothe
kommt ein weisses. Im Venenblut sind sie nach Beinah häufiger, als
im Arterienblut. Was ihre Grösse , Gestalt und sonstigen Merkmale
446 Vom Blut und der Lymplie des Menschen.
angeht, so übertreffen sie die farbigen fast um das doppelte an Grösse,
und geben sich als gewöhnliche, morphologisch indifferente Zellen:
sie sind kugelig, hell oder leicht gekörnelt, der Kern einfach oder
eingeschnürt oder auch in mehre zerfallen.
Ausser den geschilderten zelligen Gebilden, können (abgesehen
von pathologischen Vorkommnissen , Hämatozoen , Pigmentzellen u.
dergl.) im Blutserum noch Fettkügelchen suspendirt sein, beson-
ders einige Stunden nach der Nahrungsaufnahme. R. Wagner beob-
achtete auch im kreisenden Blute des Gekröses von warmblütigen
Wirbelthieren „nicht gar selten kleine , das Licht stark brechende,
zuweilen selbst aggregirte Moleküle ; welche ganz das Ansehen von
Fettkörnchen haben." (Nachricht, d. Univers. u. d. Gesellsch. d. Wiss.
z. Göttingen, 1(856.)
Im Embryo entstehen die Blutkörperchen durch Umwandlung
der gewöhnlichen Embryonalzellen. Während sich Zellen zur Bildung
des Herzens und der Gefässe gruppiren , werden die Achsenzellen
solcher Anhäufungen Blutkügelchcn und die Rindenzellen gestalten
sich zu den Gefasswandungcn. Dasselbe wiederholt sich wohl mit der
Anlage grösserer Lymphgefässe. Dergleichen primäre Blutkügelchcn
sind natürlich ungefärbt und verändern sich allmählig in die rothcn
Blutkügelchcn. Mit Gründen, die fast null sind, behaupten Einige,
dass nach der Geburt und im Erwachsenen eine Neubildung von Blut-
zellen in der Blutflüssigkeit statt habe, ungefähr wae Krystalle in der
Mutterlauge anschiessen. Eine derartige extracelluläre Bildung von
Blutbläschen existirt kaum; im Gegentheil , die einmal entstandenen
Blutzellen vermehren sich nur durch Theilung und worauf manche
Beobachtungen hindeuten , das sog. Gefässepithel scheint ebenfalls
durch Zellenwucherung die Zahl der Blutkügelchcn vergrössern oder
die etwa untergegangenen ersetzen zu können.
Zu erwähnen bleibt noch, dass in dem Blute ausserhalb des Kör-
pers aus dem Globulin der Blutzellen, in Verbindung mit Hämatin
Krystalle sich bilden, in Form von Tafeln, Säulen, Nadeln. Sie
vergehen leicht bei Zusatz von Wasser und Essigsäure.
Bezüglich der Blutkrystalle hat Hr. K'olliker sich mit Nachdruck fin-
den Entdecker derselben erklärt (Mikrosk. Anat. Bd. II. S. 587) und „diess geschieht
nur, um der Geschichte ihr Recht zu vindiziren" (a. a. O. 8. 588). Möge sich
Hr. A'. hierin eine kleine Berichtigung gefallen lassen. Der eigentliche Entdecker
der Blutkrystalle ist Reichert, der, ohne freilich zu wissen, dass diese Krystalle
aus dem Blute entstehen. 1849 seine Beobachtungen „über eine eiweissartige Sub-
stanz in Krystallform" veröfl'entlichte. Aber selbst ehe noch Hr. Kolliker etwas
von „Globnlinkrystallcn" wusste, habe ich die fraglichen Gebilde gelegentlich mei-
ner Untersuchungen (Winter 1817 48j über Fiscicola gesehen und auch Hrn. Kolliker
gezeigt. Die kurze Mittheilnng steht in meinem Aufsatz über Fiscicola, Zeitschr.
f. wiss. Zool. 1849 S. 116 Abbildg, Fig. 34 B. Der Passus lautet: „Eine andere
interessante Veränderung geht das Blut von Nephelis ein , wenn es in den Magen
von Clepalne gelangt ist. Anfangs ist es flüssig und die farblosen Blutkörperchen
Chylus. 447
sind in dem rotlien Plasma, deutlich zu sehen. Bald aber schwünden letztere und
das rothgefärbte Plasma selbst zerfällt in eine Menge von rothgefärbten , tafel-
förmigen Blättchen und kleineren oder grösseren, einzelnen oder zusammenhaftenden
Stäbchen und Säulchen (Hämatinkrystalle ?). Tritt bei verletztem Magen Wasser
hinzu, so lösen sie sich schnell auf. Ebenso löst sie Essigsäurezusatz bei unver-
letztem Thiere. Bei weiter vorgeschrittener Verdauung sind auch diese Hämatin-
(?) Krystalle im Magen verschwunden und letzterer enthält nur eine schwache röth-
liche Flüssigkeit , in der grümlige, farblose Massen schwimmen." Erst im nächsten
Hefte derselben Zeitschrift S. 266 kommen die Beobachtungen Kolliker'' s über
Blutkrystalle, und wenn er sich „bemühen" zu müssen glaubt, „sich als den ersten
Beobachter hinzustellen", so ist das eben ein Irrthum , wozu das Vorgebrachte den
Beleg abgiebt.
Durch Brücke sind mehre Fälle bekannt geworden, wo die Blutgefässe (vom
Wiesel, Hund, Maulwurf, Gans) im Bereich des Darmkanales von einem eigenthüm-
lichen weisslichen Inhalte erfüllt waren. Etwas Aehnliches habe ich mir von
einer frisch untersuchten Torpedo marmorata aufgezeichnet, wo ebenfalls die Venen
des Magens ein gelbweisses Contentum hatten, das aber aus lauter Lymphkügelchen
zu bestehen schien. Vielleicht haben sich mehre Autoren bestimmen lassen , mit
derartigem Inhalt erfüllte Blutgefässe für Lymphgefässe auszugeben, und Bruch
geht sogar so weit, „alle verästelten Chylusgefässe für molekular fettführende Blut-
capillaren" zu erklären (Zeitschr. f. w. Z. 1853).
§. 408.
Der Inhalt der Lymphgefässe oder die Lymphe zeigt dieselbe i-ymph^
Scheidung in Flüssigkeit und geformte Elemente, wie das Blut.
Für das freie Auge ist die Lymphe wasserklar oder mit gelblichem
Anflug. Die geformten Elemente oder die Lymphkügelchen sind
die gleichen indifferenten Zellen, wie sie vorhin als weisse Blutkü-
gelchen aufgeführt wurden: rundliche, blasse oder feingekörnelte Zel-
len , deren Kern einfach oder auch eingekerbt ist, was auf beginnende
Theilung hindeutet. Die Menge der Lymphkügelchen ist sehr varia-
bel in den Lymphgefässen, im Allgemeinen lässt sich bestimmen, dass
sie jenseits von Lymphdrüsen zahlreicher sich finden, als vorher, und
was schon oben in Anregung gebracht wurde, es verbreitet sich gegen-
wärtig immer mehr die Ansicht, dass die Lymphkügelchen die direkten
Abkömmlinge der zelligen Theile (Pulpe) der Lymphdrüsen sind.
In den Lymphgefässen , welche aus dem Nahrungsrohr führen,
enthält der Liquor lymjjliae einen grossen Reichthum von Fettmole- ehyi,,,,
kulen, der sich bei mikroskopischer Untersuchung wie ein staubarti-
ger Niederschlag darstellt, dessen Körnchen eine lebhaft wimmelnde
Molekularbewegung sehen lassen. Dieses feinzertheiltc Fett verur-
sacht, dass die Lymphe des Darmrohres milchig aussieht, daher auch
Milchsaft oder Chylus heisst und die betreffenden Gefässe den
Namen Chylusgefässe tragen.
Die eigcnUichste physiologische Bedeutung der Blut- und Lymphkörper-
chen ist nnljekannt; noch am meisten hat die Auffassung für sich, welche diese
Bläschen mit den absondernden Zellen der Drüsen vergleicht luid sie demzufolge
für „schwininiuude Drüsenkörner" erkUlrt.
448 Vom Blut und der Lyniplie der Wirheltliiere.
Vierzigster Abschnitt.
Vom Blut und der Lymphe der Wirbelthiere.
§. 409.
In der Blutflüssigkeit aller Wirbelthiere, mit einziger Ausnahme
des Branchio Stoma (nach Retzius, Joh. Müller, Quatr efages)
schweben zellige Gebilde, und wieder bei allen Wirbelthieren rührt
die rothe Blutfarbe von rothlichgelben Blutkügelchen her. Nur die
Blutzellen des Leptocephalus sind, wie Kölliker meldet, farblos, daher
auch das Blut dieses Fisches so gut, wie das von BrancMostoma
wasserklar sich ausnimmt.
§. 410.
Kothe uint- Dlc f a r b i g 6 u Blutkügelchen der Säuge thi er e 'zeigen die
'"''"'^ ""grösste Aehnlichkeit mit denen des Menschen, da sie runde, schei-
benförmige, gelind concave , kernlose Bläschen vorstellen. Nur die
der Karaeel- und Lamaarten haben eine ovale Gestalt. Um über
die Grösse derselben einige Beispiele zu geben, so hebe ich aus
Oulliver's Mittheilungen heraus, dass die Blutkörperchen der Zwerg-
maus ebenso gross sind, als die des Pferdes, die der Maus aber
etwas grösser. Bei den Affen sind sie kaum merklich kleiner als
beim Menschen. Bei den Fleischfressern variirt die Grösse selbst
bei verschiedenen Arten. Die grössten Blutkörperchen haben unter
den Säugern das zweizehige Faulthier und der Elephant.
Hingegen übersteigt die Grösse der farbigen Blutzöllen bei den
übrigen Wirbelthierklassen (Vögeln, Ajnphibien, Fischen) durch-
weg die des Menschen und der Säugethiere, und die fischartigen
Lurche {Proteus, Hiren), die sich auch sonst durch die Grösse ihrer
Elementartheile auszeichnen, weisen die allergrössten J51utkügclchen
auf. Ferner weichen die Bhitzellen tier Vögel, Amphibien und
Fische von denen des Menschen und der Säuger (mit Ausnahme
der vorhin genaimten kameelartigen Thierc) darin ab, dass sie immer
eine elliptische Gestalt haben, nur. seltsamer Weise tauchen bei eini-
gen niederen Fischen [Myxine, Fetromyzou) noch einmal rundhche
Blutkügelchen auf, und ebenso mit einer Teile versehen, wie die mcnsch-
licheji und die der Säuger. Ein aiidei-er nicht unwichtiger Ditferenz-
|)iiiikt im feineren Verhalten ist der, dass ohne iVusnahme die gefärb-
ten Hliifbliischcn (b'r Vögel, Am]ibllii(ii und Fische, einen Kern
besitzen.
Blut kür:
il'l'CIll'll 111
449
B I utkügel ch en des Mensclien, der Wirbelthi ere und Wirbellosen.
A Des Menschen : a farbige, b farblose, c farbige in Säulen beisammenliegend.
B Von der Taube.
C Von Kaja : a farbige, b farblose.
D Vom Proteus : a farbige , der Kern bei mebren in der Tbeilung begriffen,
b farblose.
E Von Wirbellosen (Insekten und Mollusken). (Starke Vergr.)
§. 411.
Die farbigen Blutkügelchen scheinen sich auch im ausgebilde-
ten Thicr durch Th ei hing zu vermehren. Ich sah wenigstens bei
einem Proteus^ den ich frisch in siedendes Wasser geworfen hatte,
dass der Kern vieler gefärbter Blutkörperchen, welcher von viel
dunklerem Umriss als die Membran war, entweder bisquitförmig
sich eingeschnürt hatte, wobei dann wieder aus der grösseren Hälfte
zwei Nucleoli hervorsahen , oder der Kern zeigte sich wirklich in
zwei, drei und mehr runde Bläschen, jedes mit seinem NucleolaSj
zerfallen.
Eine bemerk enswerthe Erscheinung, die man im Winter an den farbi-
gen Blutzollen des Frosches und Landsalamanders wahrnimmt,
besteht in dem Dasein von farblosen Lücken in der Substanz der
Blutkörperchen; man beobachtet bald eine einzige grössere, bald
einen Trupp kleiner. Bei manchen Fröschen sehe ich in fast jedem
hierauf betrachteten Blutkügelchen diese hellen scharf umschriebenen
Lücken. Um die Sache zu erklären, vermuthet Reniakj dass die
reichliche Pigmentbildung in der Leber und Milz während des
Winterschlafes . die Blutkügelchen um einen Tlieil ihres Farbstoffes
beraube.
§. 412.
Die farblosen Blutkügelchen der Säuger verhalten sich in
Grösse, Gestalt, Zusammensetzung und relativer Menge, wie beim
Menschen. Die der Vögel, Reptilien und Fische stehen in ihrer
Weisse Blut
Ivüt^clclion.
Leydig, Histologie.
29
450 Vom Blut uncl der Lymphe der Wirbelthiere.
Grösse den farbigen nach , da , wie oben bemerkt wnrde , letztere
einen beträchtlicheren Umfang haben , als die des Menschen und der
Säuger. Beim Proteus , wo ich sie in grosser Menge aus den Kie-
mengefässen gewann , waren es keine einfachen, indifferenten Zellen,
wofür sie sich gewöhnlich geben, sondern jedes Lymphkügelchen
war ein Ballen zusammenklebender kleiner, klarer Bläschen, das ein-
zelne immer mit dem Nucleolus versehen. Die ganze Zelle erinnerte im
Kleinen an ein gefurchtes Ei in den letzten Stadien, und wir werden
dadurch auf den Gedanken geführt, das Bild auf einen Theilungsvor-
gang zu beziehen.
Im Blute der verschiedensten Selachi er beobachtete ich ziemlich
constant dreierlei Zellen, ausser den gefärbten ovalen Blutkügelchen
nämlich und den farblosen , blassen, rundlichen, sah man noch scharf
gezeichnete Körnchenzellen, welche zweimal so gross als die farblo-
sen waren. Auch im Froschblut unterschieden einige Forscher mehre
Abarten der farblosen Zellen.
§. 413.
-ymphe. Dcr Inhalt der Lymphgefässe wird bezüglich seiner geformten
Theile in wechselnden Zuständen getroffen, bald sind es Fettpünkt-
chen, bald füllt eine dichtkörnige Masse das Ljmphgefäss an,
wie ich z. B. bei Oohius niger an den die Blutgefässe des Gekröses
einhüllenden Lymphgefässen sah , wo das letztere für das freie Auge
weissgrau erschien. In anderen Fällen erblickt man zugleich mit oder
ohne die Fettpünktchen deutliche Lymphzel-len und manchmal
selbst in grosser Anschoppung; ich habe eine solche lleberfilllung z. B.
an dem Lymphgefässe angetroffen, welches beim Landsalamander die
grosse von der Bauchvvand zur Leber tretende Vene umschliesst. —
11. Wagner hat neuerdings bei Versuchen über den Kreislauf des Blu-
tes und der Fortbewegung des Chylus im Gekröse bei warmblü-
tigen Wirbelthieren die wichtige Jjeobachtuiig genuicht, dass in den
strotzenden Chylusgefässen ausser dem bekannten aus kleinen Mo-
lekeln und hie und da etwas grösseren Fetttröpfc-iicn bestehenden
weissen Inhalt immer einzelne Blutscheibchen sich linden. (Nachr.
d. Univ. u. Gesellscli. d. W. z. Göttingen, 1856.)
liohiii iiiid Lieber hülin liiil)i!ii interessante Wahrnehmungen über die farblosen
BlutkörperclicH oder wenigstens denselben ganz ilhnlielie, nielit von ilmcn unter-
sclieiiUiare niid im Blute sich findende Gebilde vcrüfi'entlicht. Lieber h- ii lin sah, dass
dieselben vom Frosch, Kar])ren, Ilnnd und Menschen sich bewegen, wie Amöben es
zu tliun pflegen. Sie sciiiciicn Fortsätze ans, ziehen sie wieder ein und wechseln
damit fortwährend ihre Gestalt. Vorausgesetzt, dass die Tliatsachen richtig sind
und <^ehörig gedimtet wurden, dürfte die Substanz, welche die farblosen Blut-
kfii^elclien l)ibiet, mit der hyalinen Inhaltsmasse der Chromatophoren Verwandt-
schaft lial)en. J^lcker iuit ähnlielic Erscheinungen an den HiutUöi perclien des
liegenwurnui.s gesellen.
Vom Blut und der Lymplie der Wirbellosen. 451
EinuDclvierzigster Abschnitt.
Vom Blut und der Lymphe der Wirbellosen.
§. 414.
Nur bei mehren Rino-elwürmern, denen, was oben beschrieben
wurde, eine gewisse Scheidung der Blut- und Lymphräumc zukommt,
difFerirt die Farbe des Blutes auffallend von jener der Lymphe; so
ist das Blut gewisser Hirudineen, Lumbricinen und Kiemenwürmer
roth, gelb oder grün, ihre Lymphe farblos. Doch ist diese Tren-
nung der Farbe nicht durchgreifend, denn einige Hirudineen, wie
Piscicola, Clepsine u. a. haben wieder farbloses Blut. Bei den ande-
ren Gruppen der wirbellosen Thiere, wo sich Blut und Lymphe fort-
während zu mengen scheinen, ist das Blut farblos oder höchstens
mit einem leichten Stich in's Blaue, Gelbe, Grüne oder Violette.;
Das Blut der Wirbellosen, verglichen mit dem der Wirbelthiere,
hat das eigene, dass die Blutfarbe allzeit von einem dem Lkßior
sanguinis beigegebenen Farbstoff abhängt und nicht von den Blut-
zellen, welche fast durchgängig farblos sind. (Nach i?. Wagner zei-
gen sich Blutzellen der Cephalopoden und die von Terebella gefärbt.)
Ihrer Natur nach sind es Zellen von variabler Grösse und Gestalt,
bald rundlich, oval (in einer Art Enchytraeus sehe ich sehr schöne und
grosse' ovale, glattrandige Lymphkügelchen in der Leibeshöhle), bald
spindelförmig oder selbst, und zwar gar nicht selten bei Würmern,
(Regenwurm z.B.), Mollusken [Paludina, Carinaria z. B.), Insekten,
mit verästelten Fortsätzen versehen; sie haben immer einen Kern,
der Inhalt ist bald klar, bald mehr oder weniger körnig. Im Hin-
blick auf ihre Gestalt ist die gewöhnliche Behauptung, als seien die
verästelten Blutzellen erst durch äussere Einflüsse zu Stande ge-
kommen, unwahr, vielmehr schon im kreisenden Blute zeigen sie sich
mit dieser Form, wie ich unzweifelhaft an ganz unbehelligten Indi-
viduen von Piscicola^ von Daphnia und der Larve*von Corethra wahr-
nahm. Im Zusammenhalt mit den Beobachtungen Lieberkühns über
die Contractilität der farblosen Blutzellen der Wirbelthiere fühlt man
sich versucht, auch die Form dieser sternförmigen Blutkügelchen von
gleicher Ursache abzuleiten.
Die Menge der Blutkügelchen , im Verhältniss zum Plasma san-
guinis, ist in der Regel bei Wirbellosen geringer als bei Wirbel-
thieren, doch glebt es Ausnahmen: z. B. in der Leibeshöhle mau-
29*
452 Vom Harnapparat des Menschen.
eher Tardi^raden [Macrohiotus) und Lumbricinen drängen sich die
fluctuirenden Zellen in dichtester Folge.
Aus obiger Mittheilung über die Blutkry stalle geht hervor^
dass auch im rothen Blute der Nephelis ungefärbte Krystalle anschiesseu,
ebenso wie im Blute des Menschen und der Wirbelthiere.
Zweiund vierziP-s ter A bschnitt .
"ö
Vom Harnapparat des Menschen.
§. 415.
An den Nieren unterscheidet man zunächst, wie an allen Drü-
sen, die Bindesubstanz und die epithelialen Lagen; letztere sind, wie
wir durch Hern ah wissen, ihrer Entstehung nach Fortsätze des
Darmepithels, also Bildungen des unteren Keimblattes, während die
bindegewebigen (Gefäss- und nervenlialtigen Theile) Fortsetzungen
der Darmtäserschicht, demnach Bildungen des mittleren Keimblat-
tes sind.
Die Bindesubstanz formt eine ziemlich feste Hülle, welche
die Niere umgiebt, und zweitens bildet sie die Tunica yropria der
Harnkanälchen, welche den grössten Theil des Nierenparenchyms
ausmachen , und drittens dient sie zur Verbindung der Harnkanäl-
chen untereinander, sowie als Träger der Gefässe und Nerven.
§. 416.
"'i'-n- Die Memhrana propria der llarnkanäl ch en erscheint als klare,
ii.r Hau, ihro'''triikturlose rlaut, die am leeren Kanälchen sich gerne taltet und
i,ag,.ru„s. d-idyieli elu strcifigcs Aussehen erhält. In der lliiide der Niere ist
die Membrana jrro/yria etwas feiner als im Mark, am blinden Ende
der llarnkanälchen (in der Uindensubstanz) entsteht durch blasige
Erweiterung der Membrana propria die sog. Kapsel der Malpighi'-
schen Gefässkörper. Der InneiiHäche der Membrana propria liegen
die Sekretions- (oder Epithel-) Zellen an, welche bei ziemlicher
Dicke eine polygonale Gestalt, einen Kern und körnigen Inhalt
haben, nicht flimmern, und so angeordnet sind, dass, insolange nicht
alterirende Einflüsse statt gxifunden haben, eine klare Lichtung der
HarnkanäUdien übrig bleibt. Gegen das blinde Ende zu wird der
körnige hihalt der Zellen weniger dicht und die Zellen nehmen an
Harnkanälclien.
453
Grösse ab, was sich besonders innerlialb der Kapsel des Glomerulus
ausspricht.
Fasst man die Gruppiriing der Harnkanälcheu in's Auge, so
ergiebt sich, dass sie an den Nierenpapillen beginnend, hier bündel-
förniig, gerade gestreckt, neben einander liegen; indem sie sich
darauf häufig theilen, müssen die Bündel eine kegelförmige Gestalt
annehmen, wobei die Basis der Kegel nach der Rinde der Niere
Fig. -222.
Schema für das V e rha It en der Ni ere nkaii älch en un d Blutgef ä sse
zu einander:
a a zwei Kanälchen, die sich verästeln und in beutelförmige Anschwellungen enden,
b Arterie, c Vas afferens, d Glomerulus, in dem erweiterten Ende des Harn-
kanälchens liegend, e Vas efferens, f die Capillaren , welche die Harnkanälclien
umspinnen.
r.ymph-
gefässe,
Nerven.
454 Vom Harnapparat des Menschen.
gekehrt ist. Die kegelförmigen Faszikel der Harnkanälchen zusammen,
welche auch Malpighi'sche Pyramiden heissen, bilden die Haupt-
masse der sog. Marksubstanz der Niere. Jenseits der Marksubstanz
verlaufen die Harnkanälehen vielfach gewunden , um nach zahllosen
Scblängelungen blind und unter blasiger Erweiterung, wodurch die
bezeichneten Kapseln entstehen, zu enden.
§. 417.
Biutgefriflse, Bezüglich der Blutgefässe, an denen bekanntermaassen die
Niere einen grossen Reichthum enthält, ist von besonderem Interesse
das Verhältniss, in welchem die sog. Malpighi'schen Gefässkör-
per zu den Enden der Harnkanälchen stehen. Nachdem die umfäng-
liche Arteria renalis in die Niere eingetreten ist und sich in mehre
Aeste getheilt hat, streben diese zwischen den Pyramiden gegen die
liindensubstanz vor und bilden im Umfang derselben bogenförmige
Anastomosen [fornices arter iosi), aus deren Concavität die Arter iolae
rectae gegen die Nierenwarzen zurückbiegen, während aus dem con-
vexen Theil derselben in bestimmten Abständen Aestchen gegen die
Peripherie aufsteigen, die sich in Elndzweige auflösen. Jedes von den
letzteren senkt sich in das blasige blinde Ende eines Harnkanälchens
ein und indem es sich vielfach theilt und knäuelt , bildet es den
Malpighi'schen Gefässkörper oder Glomerulus. Auf Durchschnitten
frischer Nieren erscheinen die Glomeruli für das freie Auge als rothe
Pünktchen. Nach Vollendung des Glomerulus verlässt die Arterie
das Harnkanälchen wieder , um in das Capillarnetz überzugehen,
welches im bindegewebigen Stroma zwischen den Harnkanälchen
letztere umspinnt. Aus diesem Netze sammeln sich die Nierenvenen.
Am Glomerulus unterscheidet man gewöhnlich das in das Harnkanäl-
chen hereintretende Gefäss mit dem Namen Vas aferens und das
herausführende als J^as ejferens] beide bilden zusammen den Stiel,
an welchem in injicirten Präparaten die Glomeruli wie Früchte an
den baumartigen Verzweigungen der Arterien hängen.
Ueber die feineren Beziehungen der Lymphgefässe der Niere
liegen noch keine Untersuchungen vor. Man weiss bloss, dass solche
Gefässe vorhanden sind, die theilweise im Begleit der Blutgefässe
verlaufen.
Die Nerven stammen aus dem Symj)athicus und begleiten eben-
falls die Blutgefässe; über ihre P^ndigung ist nichts bekannt.
§. 418.
lurnwegc. T« dcu Ni c r 6 uk c 1 c li c u , den Nierenbecken, den Harn-
leitern, Harnblase und Harnröhre trennt man mit dem Skaipel
drei Schiclitcn. eine äussere oder Faserhaut, eine mittlere oderMuskel-
liaut und eine innere oder Sclileimhaut. Vom Staiulpunkt der Gcweb-
lehre aus unterscheidet man Bindegewebe, zugleich gefäss- und nerven-
lialtig, Muskeln und drittens EpitheÜen, welches histologische Material
Harnwege. 455
in folgender Weise zusammengefügt ist. Dcas Bindegewebe, häufig
von elastischen Fasern durchsetzt , stellt die äussere Faserhaut des
Nierenbeckens samnit Nierenkelchen, der Harnleiter und Harnblase
her ; an letzterer grenzt es sich nach aussen scharf membranförmig
ab, um die bindegewebige Grundlage des s. g. Peritonealüberzuges
zu formen , und wird, in so weit dieser sich erstreckt , von einem
Plattenepithel überzogen, während am Harnleiter und Nierenbecken
das Bindegewebe der Faserhaut nach aussen continuirlich mit dem
die Organe verbindenden Bindegewebe zusammenhängt. Da die Harn-
röhre des Mannes nur am s. g. Isthmus ein selbständiger Kanal ist,
sonst aber am Anfang und Ende mit anderen Theilen eng verwachsen
sich zeigt , so bildet auch das Bindegewebe nur am Isthmus eine
äussere Faserhaut, an allen anderen Partien hingegen wird besagtes
Gewebe als Medium der VerknüjDfung mit den umgebenden Gebilden
verwendet. Das Bindegewebe stellt aber auch ferner die Grundlage
der inneren oder Schleimhaut her, welche hier sehr gefässreich ist,
sich indessen weder im Nierenbecken, noch den Ureteren zu Papillen
erhebt, auch nicht zur Erzeugung von Drüsen sich einsackt; ebenso
mangeln in der grössten Ausdehnung der Blasenschleimhaut Zotten
und Drüsen und lediglich im Blasenhals und Blasengrund senkt sich
die Schleimhaut zur Bildung einiger birnförmiger Drüschen ein. An
manchen Stellen, wie im Trigonum des Blasengrundes, auch in der
männlichen Harnröhre ist das Bindegewebe reich an elastischen
Elementen. Sowohl in der männlichen, wie weiblichen Harnröhre
ist die Schleindiaut glatt, aber in beiden Geschlechtern mit einfach
schlaucliartigen oder auch traubig ausgebuchteten Drüsen (Littre'sche
Drüsen) versehen.
Die Bindesubstanz des Schleimhautstratums (auch Corium der
Mucosa genannt) geht in der Blase und auch an der weibhchen Harn-
röhre nach aussen in eine mehr areoläre Schicht aus, dem sub-
mukösen Gewebe, und dies erscheint an der Urethra des Weibes
von zahlreichen grösseren Venenräumen durchbrochen.
§. 419.
Zwischen diesen beiden Bindegewebsschichten — der äusseren um-
hüllenden und der die Schleimhaut bildenden — befinden sich die glatten
Muskeln, welche an der Blase am stärksten entwickelt sind, äusser-
lich nach der Länge, nach innen schief und quer verlaufen und am
Blasenhals sich zu einem starken Schliessmuskel verdicken. Von der
Blase setzt sich die Muskulatur in longitudinaler und circulärer An-
ordnung durch die Ureteren in's Nierenbecken bis gegen die Kelche
hin fort ; ebenso lassen sich auch an der Harnröhre beider Geschlechter
unter der Schleimhaut, wenn auch in schwächerer Ausbildung, glatte
Muskeln , nach der Länge und querverlaufend , wahrnehmen. Mit
dieser glatten Muskulatur kommen an der Harnröhre des Mannes und
Harn-
kiiniilclien.
456 Vf)m Haniapparnt der Wirlieltliiere.
Weibes nach aussen von den glatten Fasern noch q uerg-es tr eifte
transversale Muskelbündel (Muse, urethralis) vor. Dass übrigens die
Bindesubstanz der äusseren Faserhaut und der Schleimhaut durch zarte
Fortsetzungen, die sich zwischen den contractilen Elementen hinziehen,
in ununterbrochenem Zusammenhang steht, braucht wobl kaum be-
sonders bemerkt zu werden.
Die Innenflächen der Harnwege decken die Zellen des Epithels;
sie sind in mehren Lagen angehäuft, die unteren Zellen haben eine
rundliche, die oberen eine ziemlich unregelmässige Gestalt, wobei
jedoch kegelartige Formen vorwalten, endlich die zu äusserst gelegenen
sind grosse Plattenzelleu. Ausser dem blasigen Kern, der auch doppelt
da sein kann, unterscheidet man eigentliümliche scharfgerandete Körner
im Zelleninhalt. In der Harnröhre des Weibes ist das Epithel in den
oberen Lagen aus abgeplatteten, in den unteren aus länglichen Zellen
zusammengesetzt; in der männlichen Harnröhre sehen wir auch die
obersten Zellen von cylindrischer Form.
Die feineren histologisclien Verhältnisse, in welchen der Gefässglomerulus zu
dem erweiterten Ende der Harnkaiiiilchen steht , werden gegenwärtig noch von
den verschiedenen Forschern in etwas abweichender Art aufgefasst. Manche lassen
die Kapse! von den Gefässen einfach durchholirt werden, was mir aber nicht rich-
tig scheint, ich muss vielmehr der Ansicht Remah'' s beitreten, wornach der
Glomerulus von einer zarten Bindesubstanz getragen wird, die er bei seinem
Eintritt in die Kapsel von der bindegewebigen Wand des Harnkanälchens mitbe-
kommt. Allerdings nähert sich diese Auffassung sehr der Lehre von Bidder imd
Reichert, der Glomertdiiv sei nicht wirklich in dem erweiterten Ende des Harn-
kanälchens, sondern liege nur in einer Einstühiung derselben; und auch die
neuesten Mittheilungen Bemak's über die Entwicklung der Nieren reden einer
derartigen Auslegung das Wort. Jiemak ermittelte an den Nieren von Sängethier-
embryonen, dass der Gefässknäuel unabhängig vom Harnkanälchen zur Ausbildung
kommt, worauf erst der Glomertdus vom Harnkanälchen „umwachsen" wird. „In-
dem das letztere auf einen Gefässknäuel trifi't, bildet es eine napfförmige einge-
stülpte Erweiterung, durch welche der Knäuel bis zur Eintrittsstelle seiner Blut-
gefässstämmchen allmählig umfasst wird."
Dreiuiidvierzigster Abschnitt.
Vom Harnap parat der Wirbelt liiere.
§. 420.
l>ie Nierenkanälchen der Säuger, Vögel, Re]itilien und
Irische behalten so ziemlich den gleichen Dickendurchmesser (nur beim
Proteus schienen sie mir weiter als bei anderen Thieren zu sein) und
bestehen au.s der homogenen bindegewebigen Tuvica iJropriaMU^ ^Gm
Harnkanälchen.
457
Epitliel, welches, wenn keine alterirenclen Einflüsse vorausgegangen
waren, die Innenfläche des Kanälchens immer so bekleidet, dass eine
Lichtuno- offen bleibt. Den Inhalt der Zellen trifft man in sehr
verschiedenen Zuständen, bald ist er wasserldar oder nur um "Weniges
körnig getrübt, bald zeigt er gelbe Körner und Krümeln , was man
besonders häufig bei Amphibien (die Nieren der Ringelnatter z. B.
haben bei manchen Exemplaren eine ganz gelbe Farbe) und Fischen
wahrnimmt, ein andermal ist er reich an Fettpünktchen und grösseren
Fetttröpfchen. Bei Vögeln und Fischen füllen mitunter fett artige
Klumpen und krystallinische Massen das Lumen des Harnkanäl-
chens an. So sah ich beim Stör lange, dunkle, wurstförmige Massen,
welche die Lichtung der Harnkanälchen auf weite Strecken einnahmen
und aus scharfconturirten, wie geschichteten Brocken von fettartigera
Glanz zusammengesetzt waren; bei Knochenfischen [Leucisci) be-
standen ähnliche Fettanhäufungen aus einfachen, rundlichen Klumpen,
ohne so eigenthümlich geschichtet zu sein. Wenn bei Vögeln im
Lumen der Harnkanälchen die krystallinischen Abscheidungen sehr
beträchtlich sind, so erscheinen bei Betrachtung der unverletzten Niere
die Kanälchen für das freie Auge wie von einer gelblich weissen
Substanz injicirt.
Fig. 223.
Aus der Niere des Störs:
a die Tunica propria eines Harnkanälchens, b die Epithelzelleu, c die eigenthüm-
lichen , wurstförmigen Massen von fettartigem Glanz und geschichtetem Aussehen
im Lumen des Kanälchens. (Starke Vergr.)
Die Epithelzellen der Nierenkanälchen sind bei Säugern und
Vögeln immer cilienlos, hingegen beiden zwei unteren Wirbelthier-
klassen, bei Reptilien und Fischen, geht ein Theil von ihnen in
Wimperhaare aus. Auch die Urnieren der Batrachier und Saurier
wimpern, was mir von Frosch- und Salamanderlarven, sowie von Em-
bryen der Lacerta agilis und Angms fragilis bekannt ist. Bei Fischen
sind alle Zellen, mit Ausnahme jener, welche die Kapsel des Glomerulus
auskleiden, flimmernde ; bei den Reptilien wirapert nur der s. g. Hals
458
Vom Harnapparat der Wirbelthiere.
und das nächste Drittheil des Kanälchens. Die Cilien sind, nament-
lich bei den Selachiern, von beträchtlicher Länge , aber es scheint
allgemein nur Ein Flimmerhaar auf einer Zelle zu sitzen ; so ist es
wenigstens beim Salamander, den Rochen ; auch beim Frosch, wo die
Cilien ebenfalls, wie man unter günstigen Umständen sieht, sehr lang
sind, glaube ich erkannt zu haben, dass immer nur Ein Flimmerhaar
zu einer Zelle gehört. Von den Schlangen (Coluber, Vipera) meldet
dasselbe Busch.
Fig. 224.
\ erliinl (liT
llarn-
kanälchen.
Aus der Niere von Testiido ;^raee;i.
a zwei Harnl<anälchen, welche eine Schlinge bilden, an deren Giijfel ein Malpighi'-
scher Körper b sieb einlagert, c Himuienide Niei'enzelUii, d Harnconcreniente.
§. 421.
Berücksichtigen wir die Anordnung der Kanälchen, so sieht
man sie bei Fischen und Reptilien im Allgemeinen mehr oder weniger
gewunden verlaufen , wobei sie zuletzt entweder für sich unter Ent-
wicklung einer beutelförniigen Anschwellung enden oder sie ver-
einigen sich zu Schlingen und erst der Gi})fel der Schlinge buchtet
sich zur Kapsel des Glomerulus aus. Eine ganz besondere Erwähnung
verdienen die merkwürdigen Nieren der My xinoiden, über deren
Bau wir durch Joh. Müller unterrichtet worden sind mid an denen
uns gleichsam das Grundschenut, der Nierenstruktur vorliegt. Die
ganze Niere nämlich besteht hier einfach aus einem langen , faden-
förmigen Harnleiter, welcher in Distanzen kurze Harnkanälchen ab-
giebt, die nach einer halsartigen Verengerung mit einem Blindsäckchen
enden, in dessen Grund ein Gefässglomerulus hängt. In (h'n Nieren
der übrigen W i r Ix'll hie re vei'mehrt sich zwar die Zahl der Harn-
kanälchen, sie werden länger, winden sich, aber alle Diticrenzen er-
scheinen doch nur als weitere Ausführungen (U'ssen, was Im! der Niere
der Myxiiu)iden vorgebihlet ist. (Vergl. Fig. l^l^ö.)
In einer gt'wisscn Stufenfolg(^ onhien sich ferner bei den ver-
scbi((K'nen Wirbeltiiieren die Harnkanälchen derartig, dass man von
einer doppelten Substanz der Nierenmasse spricht. Schon bei
Harnkauälcheii.
459
Fig. 225.
Ein Stück Niere von Bdellostoma Forsteri.
a Ureter, b Harnkanälchen, c kapselfi'irmiges Ende, d Vas afFerens, e Glomerulus,
f Vas efterens, g Capillarnetz, aus welchem die Nierenvenen hervorgehen.
(Nach Joh. Müller.)
Petroviyzon Planeri scheidet sich für das freie Auge die Niere in einen
äusseren oder hellen Theil und in einen inneren oder gefärbten, wo
alsdann im hellen Abschnitt die Harnkanälchen ziemlich regelmässig
quer, in leichten Schlängelungen ziehen, während sie in der gefärbten
Partie etwas mehr gewunden sind. Bei den Fischen und Reptilien
sammeln sich im Allgemeinen die Harnkanälchen in grössere Gänge,
ohne vorher sich gestreckt zu haben, aber schon bei den Vögeln
gesellt sich je eine Anzahl von Kanälchen unter Geradestreckung zu
einem Büschel zusammen, der die erste Andeutung der Nierenpyramiden
repräsentirt und in einen Ast des Harnleiters übergeht. Eine wirkHche
doppelte Nierensubstanz (Rinde und Mark) unterscheidet man erst bei
den Säuge thieren, weil hier durchweg die vielfach gcschlängelten
Harnkanälchen zu einem Büschel, eine s. g. Pyramide vorstellend, zu-
sammentreten, deren Spitze oder Nierenwärzchen gegen die Nieren-
kelche gerichtet sind. Eine seltene Abweichung ist, dass, wie beim
Pferd und dem Schnabelthier, die Harnkanälchen in eine Furche aus-
münden. (Eine nähere Untersuchung der Niere des El eph anten wäre
sehr wünschenswerth, da nach Cuvier dieses Thier von allen Säugern
die Ausnahme macht, dass bei ihm die beiden Substanzen der Niere
nicht scharf von einander abgegrenzt sind. Die einzigen Andeutungen
wären weissliche Streifen, die in der, gegen die gewöhnliche Regel
äusserst weichen Nierensubstanz von der Warze gegen den Umfang
460
Vom Harnapparat der Wirbelthiere.
der Niere ausstrahlen inid sich nicht weit von demselben verlieren.)
Uebrigens sollen auch beim Kasuar {Meckel) und Perlhuhn
[E. H. Weber) Warzen und Pyramiden vorhanden sein. — Die
Überfläche der Niere bei Vögeln und Schildkröten hat ein eigenthüm-
liches Aussehen, was, wie ich nach Untersuchungen von Testudo graeca
annehmen möchte, davon herrührt, dass die Nierenläppchen ineinander
geschoben sind. Man erblickt da röthliche , schlangenförmige Win-
dungen, oder die Blutgefässe, welche sich zu einer graugelben, aus
den Harnkanälchen bestehenden Umhüllungsmasse wie Achsenstränge
ausnehmen. Da in den Harnkanälchen ein breiiger Harn angesammelt
ist, so erscheint die Substanz der Kanälchen gelb gesprenkelt. Die
Niere der Knochenfische finden wir häufig durch und durch schwarz
punktirt, was von extravasirten Blutkügelchen, die in Pigmentkörner
sich umgewandelt haben, bedingt wird.
Fig. 226.
B
CL
'Jß
'm,>
'm.
m
A Stück der Niere von Coecilia annnlata, schwach vorgr.
a der Harnleiter, b der Sammelgang, welcher aus jedem Läppchen der Nieren-
snbstanz c heraustfilirt.
R I''in Stiick aus der Niere vom Delphin, zweimal vcrgrössert.
a die Uindeiisiil),stanz , b die Marksubstanz eines Niereiiläppehens, c d;c Papille
desselben.
Gefässknäuel. 461
Ausserdem zeichnen sich die Nieren mancher Knochenfische noch
durch eine ganz besondere Eigenschaft aus, die mir bis jetzt unver-
ständlich geblieben ist. Beim Saibling (Salm.o salvelinus) enthält
der vorderste Theil der Niere keine Harnkanälchen mehi',
sondern, obschon er für das freie Auge sich wie die übrige Nieren-
masse ausnimmt, er besteht aus einem zarten bindegewebigen Fach-
werk, Blutgefässen und viel Pigment, welches wie anderwärts von
veränderten Blutkügelchen herrührt ; dazu kommen aber in überwiegen-
der Menge runde farblose Zellen, vom Aussehen der Lymphkügel-
chen, ihr Kern ist einfach oder in der Theilung begriffen. Eine Art
von Leuciscus, welche ich hierauf prüfte, bot in der obersten Nieren-
portion dasselbe dar: keine Harnkanälchen, sondern Massen farbloser
Zellen und bräunlicher Körner, die sich wie verödete Blutkügelchen
ausnehmen. Uebrigens lehrte weiteres Nachsehen, dass in der ganzen
übrigen Niere die Harnkanälchen in eben solche Substanz gebettet
waren. Auch Cottus gobio und Esox lucius verhielten sich wie die vor-
hergehenden Fische.
§. 422.
Bei manchen geschwänzten Batrachiern {Triton^ Salamandra,
Proteus) haben sich vom vorderen Ende der Niere einzelne Läppchen
abgelöst, die richtiger den Namen Nebenhoden führen, da sie durch
die Verknäuelungen der Hodenausführungsgänge gebildet werden; beim
Landsalamander und Proteus vermisse ich auch in diesen vordersten,
abgelösten Nierenstückchen die Erweiterungen oder Kapseln der Kanäl-
chen, sowie die GlomeruU, und ev%X im Anfange der zusammen-
hängenden Nierenmasse traten diese Bildungen auf. In Ueberein-
stimmung mit solchen Unterschieden im Bau haben auch beim Proteus
die isolirten Nierenlappen oder Nebenhoden eine weissliche Farbe,
während die Niere selber röthlich erscheint.
§. 423.
Die Malpighi'schen Gefässknäuel kommen den Nieren aller
Wirbelthiere zu^ doch variiren sie in den verschiedenen Klassen etwas
nach Zahl^ Grösse und Art der Verknäuelung. Nicht sehr zahlreich
dünken sie mir in der Niere des Proteus zu sein ; ähnlich möchte ich
mich bezüglich der Plagiostomen ausdrücken, denn trotz des grossen
Gefässreichthums, welchen das Organ im Ganzen hat, zählte ich bei
einer jungen Raja batis für jede Niere ungefähr 20 Olomeruli. In
viel bedeutenderer Menge trifft man sie bei anderen Thicrgruppen.
Was die Grösse anbelangt, so dürften die der Vögel zu den kleinsten
zählen, grösser sind jene der Fische und Säuger ; die beträchtlichsten
erblicken wir bei den Amphibien und unter diesen stehen wieder die
des Proteus oben an. Den absolut grössten Cilomerulus besitzt übrigens
die vordere Partie der Niere bei Batrachierlarven, die s.g. Müll er-
sehe Drüse, wo er auch bezüglich seiner Lage das Eigene hat, dass
(Tlomeriili.
462
Vom Harnapparat der Wirbelthiere.
er nicht in der Erweiterung eines Kanales steckt, sondern bloss neben
der MüUer'schen Drüse, an deren innerer Seite liegt. Bei Fischen,
Amphibien und Vögeln scheinen die OlomeruU nur durch Verknäue-
lungen eines einzigen Gefässes von Capillarstruktur zu ent-
stehen, ja bei Nattern und besonders bei Coronella austriaca soll hin
und wieder nach Hyrtl der Olomerulus auf eine einfache Gefäss-
krümraung reduzirt sein, wozu ich jedoch bemerken möchte, dass ich
gerade bei der zuletzt genannten Art ganz echte verknäuelte Glome-
ruli, etwas kleiner als die der Frösche, in den blinden erweiterten
Enden der Harnkanälchen wahrnehme; und dass auch hier Theilungen
des Gefässrohres vorkommen, hat Busch (Müll. Arch. 1855) gesehen.
Andererseits wird bei den Säugern vielleicht allgemein der Malpighi'-
sche Körper nicht bloss durch Verschlingung , sondern auch durch
Verästelung des Blutgefässes zu Wege gebracht.
Fig. 227.
AbI''itcn(lo
Glomeruliis eines Säuget hie res (Rind).
Die fingerförmigen Fettlappen, welche mit den Nieren der
ungeschwänzten Batrachier zusammenhängen, zeigen nach der Jahres-
zeit eine sehr verschiedene Ausbildung. Untersucht man sie im Winter
in ihrem eingeschrumpften Zustande , so findet man sie aus einem
gefässhaltigen Bindegewebe zusammengesetzt, dessen rundliche Zellen
oder Bindegewebskörperchen sehr zahlreich sind ; es lässt sich dann
auch feststellen, dass in jedem Lappen ein stärkeres Blutgefäss (bei
Custignatlms ocellatus aus der Spitze der Niere kommend) sich auf-
wärts schlängelt. In anderen Zeiten sind die Zellen des Bindegewebes
prall mit Fett gefüllt und damit die Lappen im Ganzen schön gelb
gefärbt. Ein Epithel überzieht die Oberfläche. Aehnlich verhalten
sich wolil auch die streifenförmigen Fcttlappen der geschwänzten
Jiatrachicr.
§. 424.
Die Harnleiter, sowie die ILirnlilase dei" niederen Wirbel-
thiere bestehen aus Bindegewebe, das iimen von Plattcnepithel über-
zogen ist; sehr gewJihnlich sind auch bei Fischen und Ixej^tiiien in
die Wandungen der Harnblase glatte Muskeln eingewebt, deren
netzförmige Verflechtung man sehr leicht und schön an der dünn-
wandigen Harnblase der Frösche, Kröten, Tritonen etc. sich Vor-
Harnwege. 463
führen kann. Bei Botrümiator igneus schienen mir die Kerne der Muskeln
eine ungewöhnliche Länge zu haben. In die äusseren Bindegewebslagen
der Harnleiter kann auch mehr oder weniger Pigment abgesetzt sein.
Der Ureter der Batracbier , welcher, wie bekannt, zugleich Samen-
leiter ist, steht noch bei den männlichen Thieren mit dem Ausführungs-
gang des Wolf'schen Körpers (Müller'sche Drüse) in Commu-
nikation, der bald höher, bald tiefer, wie das nach den Arten ver-
schieden ist , in ihn einmündet und an seinem vorderen Ende ein
Orißcium hat. Er besteht aus einer bindegewebigen, hellen, homogenen
Membran und einem Epithel , das beim Frosch , der Feuerkröte im
obersten Abschnitt flimmert; die Zellen sind hier cylindrisch , im
sonstigen Kanal rund.
Ueber die Harnwege der Vögel sind bisher keine histologischen
Untersuchungen angestellt worden, auch bezüglich der Säuger ver-
fügen wir nur über eine geringe Anzahl von Erfahrungen. Unsere
Haussäugethiere zeigen grosse üebereinstimmung mit den mensch-
lichen Strukturverhältnissen ; so besitzt das Epithel der Ureteren und
der Blase dieselben eigenthümlichen Inhaltskörner und die mehrfachen
Kerne, wie solches oben vom Menschen erwähnt wurde, auch sind in
der Harni-öhre die Schleim- oder Littre 'sehen Drüschen vorhanden
(beim Rind sehe ich sie von baumartig verästelter Form, die blinden
Enden etwas geknäuelt). Eigenthümlich stellt sich mir die Harnröhre
des Maulwurfes dar. An der Pars memhranacea ist die quer-
gestreifte Muskellage des Muscuhis urethralis sehr stark , darunter
liegt eine ebenfalls mächtige Schicht glatter Muskeln , welche mit
denen der Harnblase zusammenhängen. Schneidet man die Harnröhre
der Länge nach auf, so sieht man sie , was auch schon äusserlich
siclitbar ist, gegen die Pars cavernosa zu kugelig erweitert und in
diesem Abschnitt eine sehr entwickelte Drüsenschicht der Schleimhaut.
Die Drüsen sind einfache, rundlich ovale Säckchen mit runder Oeifnung
und ausgekleidet von feinkörnigen Zellen. Die Drüsenlage beschränkt
sich auf die Erweiterung, ober- und unterhalb derselben erscheint die
Schleimhaut drüsenlos.
Das wichtigste Ergebniss, welches unsere Zeit in der mikroskopischen Anato-
mie der Nieren ermittelt hat, besteht in dem Nachweis des Zusammenhanges der
Kajjsel des Glomerulus mit dem Harnkanälchen und diese Entdeckung hat Boicman
1842 gemacht. Allerdings hatte schon ein Jahr vorher (1841) Joli. Müller den
oben angezogenen Bau der Niere der 31yxinoiden erkannt, von der man doch be-
haupten darf, dass sie in nuce die Nierenstrukt'iir der übrigen Wirbelthiere enthält.
Da das Epithel der Nierenkanälchen bei den verschiedensten Thieren in einer
und derselben Niere bald von körnigem Inhalt ist, bald mehr hell sich zeigt, auch
das Kaliber der Kanälchen verschieden weit ist , so glauben manche Beobachter
zweierlei Kanäle unterscheiden zu müssen. Mandl z. B. hat solches bezüglich
des Frosches und Patruhan l'ür die menschliche Niere gethan.
Bei den Batrachiern stehen die Ausführungsgänge des Hodens in einer eigen-
thümlichen Beziehung zu den Nieren, in welcher Hinsicht ich verweise auf:
464 Von der Niere der Wirbellosen.
Bidder, Unters, üb. die Geschlucbts- u. Haruwerkzeuge der Amphibien, 1846,
V. Witfich, Beiträge zur morphologischen und histologischen Entwicklung der
Harn- und Geschlechtswerkzeuge der nackten Amphibien, 1853, Leydig, anato-
misch-histol. Untersuch, üb. Fische u. Rept. , 1853.
Vierundvierzigster Abschnitt.
Von der Niere der Wirbellosen.
§. 425.
Die Harnorgane der Evertebraten scheinen nach ihrem Bau
in zwei Ilaupttypen auseinander zu gehen. Bei der einen Gruppe be-
steht die Niere aus distinkten Kanälen^ bei der anderen zeigt sie
sich als cavernöses Gebilde; man beobachtet die erstere Form bei
Würmern und Arthropoden, die zweite bei Mollusken.
Von den Nieren der Würmer war bereits oben die Rede, da es
dieselben Kanäle sind, welche bis jetzt gewöhnlich als wasserführende
Respirationsorgane gelten und an ihrem unteren Abschnitt Sekretions-
zellen oder auch selbständige Drüsen führen. Bei den Trematoden,
wo die Kanäle unter dem Namen Excretionsorgan bekannt sind, kann
sich in ihnen ein körniges oder auch kiystallinisches Sekret abscheiden,
das nach Gorup-Besanez, Will und IVac/eaer die Reaktionen des
Guanin zeigt.
§. 426.
Mftipighi'sche Bei Insekten, Arachniden und Myriapoden stellen die
,e «s,e. ^^ ^^ Malpighi'schen Gefilsse die harnbereitenden Organe vor. Die
Kanäle sind fast bei allen Insekten und Myi'iapoden einfach, seltener
bei gewissen Schmetterlingen, den Spltinges z. B. und einigen Käfern
{Melolontlia z. B.), gegen das blinde Ende zu mit kurzen Blindsäckchen
besetzt; bei den S])innen verästeln sich die Malpighi'sclien Gefässe
lind münden in' einen flaschenföi'migen Bhndsack am Ende des Darm-
kanalcs ein. Auf liiren Bau betrachtet, bestehen sie immer aus der
liDinogenen Taiuca propria^ die nach aussen wohl allgemein in reichere,
mit Kernen versehene, tracheenhaltige Bindesubstanz übergeht; ihrer
inneren Seite liegen die Sekretionszellen an. Letztere sind ent-
weder kleine Zellen, z. B. in Julus terre.stris, oder man hat grosse,
sogar sein- grosse Zellen vor sich, z. B. bei Formica. Bomhus^ Apis,
JSiepa u. a., wo uiigefäbr vier oder drei Zellen den Umfang des Kanales
einnehmen; bei Coccus hesperidtmi sind sie so beträchtliche Blasen,
Arthropoden.
465
dass sie nur in einfacher Reihe im Harnschhiuch hintereinander liefen
und daher, im Falle man sie besonders entwickelt trifft, dem Maipighi'-
schen Gefäss ein knotig-es Aussehen geben. Auch bei manchen
Schmetterlingen sind die Zellen oft ausserordentlich gross.
Fig. 228.
A Malpighi'sches Gefäss von Julus terrestris; a Tunica propria,
b die Sekretionszellen, c Harnkrystalle.
ß Malpigbi'sclies Gefäss von Goccus hesperidum: a, b wie bei A.
C Malpigbi'scbes Gefäss von Pliryganea grandis: a Tunica
propria, b Sekretionszellen mit verästelten Kernen, c Tunica intima.
(Starke Vergr.)"
Der Kern der Harnzellen ist meist sehr markirt, blasig, mit
einem oder mehren, selbst bis fünf Kernkörperchen. In den so riesigen
Zellen der Lepidopteren kann sich der Kern verästeln, so bei Colias
Brassicae und Papilio Macliaon, wo übrigens die Fortsätze des Kerns
kurz und breit sind , bei Cossus ligniperda sind die Kerne lang-
gestreckt, verästelt, die Ausläufer auch wohl netzartig verbunden
{^Meckel).
Auch der Zelle n Inhalt ist ein wechselnder, klar und homogen
oder blasskörnig z. B. bei Julus terrestris \ häufiger erscheint der
körnige Inhalt gefärbt, schwachgelb bei Aeslina grandis^ Forficula
auricularia , Gryllus campestris , Locusta viridissima , den meisten
Käfern u. a., röthlich beim Mistkäfer, bei Cossus ligniperda^ bräunlich
bei Coccus hesperidum., sehr häufig weiss bei vielen Insekten und
Arachniden. Die Zelle kann dergestalt mit Inhaltskörnchen voll-
gepfropft sein, dass der Kern dadurch ganz verdeckt wird. Durch Auf-
lösung der Zellen sammelt sich das Sekret in Form von Köi'nchen oder
von geschichteten Kugeln im Lumen des Harnschlauches an, häuft sich
T^ioydig, Histologie. 3(J
466
Von der Niere der Wirbellosen.
auch gern, namentlich bei Spinnen, als weisser Brei an und besteht
chemisch aus Harnsäure und harnsauren Salzen; bei Arachniden hat
man auch Guanin gefunden. Seltener kommen Krystallc in der Lich-
tung des Malpighi'schen Gefässes zur Beobachtung, ich fand farblose
Oktaeder bei Julus terrestris , doch nicht gerade in grosser Anzahl.
H. Meckel hatte schon früher quadratpyramidalische Krjstalle, die
zum Theil homogen weiss , zum Theil aus zwei weissen und einer
mittleren rothen Schicht bestanden , aus der Raupe von Sphinx con-
volvuli heschr'iehen. Ich treife ferner, und zwar in reicldichster Menge
oktacdrische Krystalle im Lumen der Nierenkanäle von der Raupe
des Bombyx ruhi. (Da bei Wirbellosen theihveise mit Sicherheit zu'
sehen ist, dass die harnsauren Salze in Form von Krystallen und
Concrementen den Inhalt der Zellen bilden, so dürften doch die Nie-
ren der beschuppten Reptilien und Vögel von Neuem zu prüfen sein,
ob nicht auch da die Zellen sich in derselben Weise an der Sekretion
des Harns betheiligen.)
Fig. 229.
a^-
S t ii c 1< e i n c s H a r n g c f ä s s e s von I x o d c s.
a 'I'unic.i propria, 1) die Sckrctiiins/cllrn, c die Harneoueremcnte. (Starke Vcrgr.)
Eine homogene Intima^ wie sie an den Speicheldriisen dcrLisekten
und der Leber der Krebse die Sekretionszellen überdeckt, mangelt in
den Malpighi'schen Gefässcn luudi //. Meckel. (Doch vergl. hierüber
den „Anliaiig zu den Harnorganen der Wirbellosen'* §. 43L)
Niuren ?
§. 427.
Ueber die Harnorgane der Krebse befindet man sich noch im
Unklaren. Gegenwärtig sprechen nielii-e Forscher das bekannte grüne
Oi-gan des Flusskrebses, welches hinter der Basis der äusseren Fühler
im imtei'en Llieile des CJehäuses liegt und aus einem vielfach ineinan-
<lei- j;-ekn;iiie|lcii i\aiial mit l\ntic<t /n(<jiri<i . I\("ii-nigen lidialtszellen und
deuilirli l)leil)cii(lcni Lumen besteht, als Niere aji, auch will man Gua-
Mollusken. 467
nin darin gefunden haben. Dieser Deutung kann ich mich nicht
anschliessen , da ich in der grünen Drüse des Flusskrebses das
Analogen jener eigenthümlichen „Schale ndrüse" erblicke, welche
dem Argulus, den Phyllopoden, den Daphnoiden und Cyklopiden zu-
kommt. Am längsten bekannt ist dies Organ von Apus , dann habe
ich dasselbe vom Argulus beschrieben , wo es einen in sich zurück-
kehrenden Drüsenschlauch bildet, ferner von Artemia und Branchipus,
wo es einen in Windungen aufgerollten Schlauch darstellt, welcher
in dem stark vorspringenden Höcker hinter den Kiefern liegt. Neuere
Untersuchungen haben mir gezeigt, dass das Organ auch bei 8ida,
Daphnia, Lynceus und Cyclops vorhanden ist und immer aus einem
bald einfachen, bald mehrfach geknäuelten und in sich bhnd ge-
schlossenen Kanal besteht, worüber ich die Einzelheiten an einem
anderen Orte zu veröffentlichen gedenke. Dass besagte „Schalen-
drüse" die Niere vorstelle, lässt sich mit nichts stützen, auch spricht
gegen eine derartige Auffassung, dass man bei sehr jungen Cyclops-
larven (s. meine Abhandl. über Rotatorien) an einer anderen Kör-
pergegend eine Art Harnabscheidung bemerkt. Man beobachtet näm-
lich, dass der Darm gegen das Hinterleibsende zu und zwar an
der unteren Fläche eine Verdickung hat, hervorgebracht durch
grosse klare Zellen , deren Inhalt aber bei auffallendem Licht
weiss, bei durchgehendem schwärzlicii sich zeigt. Denn das Conten-
tum der Zellen bilden Concretionen , wie man sie aus der Niere
anderer wirbelloser Thiere kennt: es sind Kugeln von schmutzig
gelber Farbe, die bei sehr starker Vergrösserung ein geschichtetes
Aussehen bekommen, von Essigsäure werden sie langsam angegriffen,
Kalisolution löst sie. Vergleicht man zahlreiche Individuen auf das
weitere Verhalten fraglicher Concremente, so wird ersichtlich, dass sie
allmählig zerbröckeln, nach und nach zu einer pul verförmigen Masse
zusammenfallen und in entwickelteren Larven (solchen mit vier Paar
Beinen) ganz geschwunden sind. Diese Beobachtung dürfte wohl
darauf hinleiten, die Nieren der Krebse in jenen „bisher nur wenig
beachteten Blindschläuchen zu suchen, welche an verschiedenen Stellen
zwischen Pylorus und Mastdarm in den Darmkanal einmünden'^ und
in denen schon vor Jahren v. Siehold die Harn Werkzeuge der Krebse
vermuthet hat.
§. 428.
Die Niere der meisten Mollusken zeigt das Gemeinsame, dass Niere der
die Drüse ein sackartiges, durch Vorspringen zahlreicher Falten und
Blätter cavernöses Gebilde vorstellt. Das Fachwerk des Organes be-
steht entweder bloss aus heller Bindesubstanz, die zahlreiche Zellen
und Kerne in sich einschliesst, so bei Acephalen, den Gasteropoden,
in welchem Falle natürlich die Niere sich nicht zusammenzuziehen
vermag, oder es flechten sich Muskeln in das bindegewebige Balkennetz
ein, was man bei Ptero- und Heteropoden, sowie bei den Cep'ha-
30*
4fi8
Von der Niere der WirbeHosen.
lopoden wahrnimmt. Die Niere erscheint alsdann contractu. Es
däucht mir, als ob nach der muskulösen oder nicht muskulösen Be-
schaffenheit des Balkenwerkes der Niere auch die Anordnung der
Vorsprünge etwas Abweicliendes habe. An der Niere unserer Helices
wenigstens sind die nach innen vorspringenden bindegewebigen Falten
zwar hoch, aber sehr dünn und in den Hauptzügen senkrecht gestellt,
hingegen an der Niere der Cephalopoden sah ich, wie das Trabekel-
werk aus ganz unregelmässigen, durcheinander geflochtenen Balken
zusammengesetzt war. Die freien Flächen der cavernösen Räume werden
von den Sekretionszellen überkleidet, welche nur bei den Acephalen
{Cyclo,s, Unio, Änodonta z. B.) flimmern und olme Cilien bei den übrigen
Mollusken sind. In ihrem Inneren, und zwar, w^ie H. Meckel zuerst
zeiirte, in besonderen Sekretbläschen der Zellen werden die Harn-
concremente sichtbar; sie treten auf unter der Form kleiner Körner
(bei Najaden, Lithodomus z. B.), die sich vergrössern und zu schaligen
Kugeln werden (bei Gasteropoden) , auch sieht man krystallinische
Bildungen.*) Dergleichen Harnniederschläge färben die Nieren weiss,
Fig. 230.
-V-. -X.
i'^
\Si^
Ein Stück Niere der Ilelix hortensis von innen angesehen und massig
vergrössert.
Bei ii erblickt man die ins Innere vorspringenden Blätter, von denen die Nieren-
zellen abgestreift sind, bei !> decken letztere noch als Kpitbel die blätterigen
Vorsprünge, c zwei Niereuzellen bei starker Vergr.
*) l'"ntgegen der lierkrnninlieliLMi Aiinabme findet Schlo ssherger (Annal. der
Clieni. n. Pliarm. ^18. iij in den (^oncrenieiiten der Nieren der Mnscli(;ln keine
Harnsäure; die Mincralbcstandtlicilc des Concrcmentcs sind liauptsäclilich phos-
l)hors!Uire Erden.
Echinodermen.
469
^elb, auch grün (bei Paludina vivipard). Mag auch das Organ selb.'^t
nicht flimmern, so geschieht dies doch im Austuhrungsgang, wenig'-
stens bei den Gasteropodeu ; übrigens sind auch im flimmernden Aus-
führungsgang der Niere von Muschehi die Cilien auflallend länger, als
in der Drüse selber. Bei Gyclas z. B. findet man die Cilien der
Sekretionszellen von so äusserster Feinheit, dass sie eigentlich nur an
ihren Wirkungen w^ahrnehmbar sind, während sie im Ausführungsgang
eine ganz bedeutende Länge haben.
(Bei CymhuUa und Clio ist die Niere nach Gegenhaur ein ein-
facher 8ack oder Schlauch , ohne spongiöses Gewebe , ebenso bei
Phyllirrhoe , Polycera u. a. ; bei diesen Thieren bleibt das Organ
gewissermaassen auf der Stufe stehen, welche es bei anderen [Cyclas
Cornea z. B.] nur im Embryonalleben hat. Bei Ostrea und Mytilus
ist, was man schon länger weiss und wie auch v. Hessling bestätigt,
die Niere kein eigener Sack, wie bei den anderen Lamellibranchien,
vielmehr sitzen die Zellen, welche die Harnbestandtheile einschliessen,
den in das Herz eintretenden Venen und der Vorkammer direkt auf.
Auch die Niere von Teredo ist nach Frey und Leuckart „ein
schwärzlicher Beleg des Vorhofes.'')
§. 429.
Welche Organe der Echinodermen man für Nieren halten soll,
darüber herrscht bekanntlich noch grosses Dunkel. Ich hege die Ver-
muthung, dass bei Echimis die s. g. Ambulakralbläschen mit der Harn-
sekretion betraut seien und stütze mich dabei auf folgende Gründe.
Die Ambulakralbläschen sind keine simplen Säckchen mit muskulöser
W^and , sondern, w^ie ich gezeigt habe [Müll. Krch. 1854), auch der
Innenraum der Säckchen wird von Muskelbündeln durchzogen, die sich
zu Netzen verbinden und eine Art Trabekulargewebe herstellen. Es sind
Fig. 231.
Ambulakralbläschen von Echinus esculentus.
a die Muskeln der Hülle , b die muskulösen Balken durch den Hohlraum des
Organes, c eigenthümliche zellige Gebilde, welche im Innern herumtreiben.
470 Von dex Niere der Wirbellosen.
daher die betreffenden Organe nach dem Typus der contractilen Niere
von Molhisken gebaut. Damit vereinigt sich, dass die zelligen Elemente
in den Maschenräumen scharfconturirte Inhaltskörperchen besitzen, die
durchaus an Harnconcremente anderer Wirbellosen erinnern, und end-
lich würde die Thatsache, dass Wasser-Blut ihr Inneres füllt, nur in
Uebereinstimmung stehen mit dem, was wir bezüglich dieses Punktes
über die Niere der Mollusken wissen. Auch für die Niere der Mol-
lusken liesse sich ja der Satz rechtfertigen, dass sie „lediglich Apper-
tinentien des Gefässsystemes" seien, unter welchen allgemeinen Aus-
druck Joh. Müller die Ambulakralbläschen gebracht hat.
§. 430.
Physio- Die physiologische Leistung der Nieren besteht darin , die Zer-
setzungsprodukte, in welchen sich der Stickstoff der organischen Theile
befindet, aus dem Körper zu entfernen. Bei den Wirbelthieren gesellt
sich hierzu noch die Ausscheidung grosser Wassermengen und mit
dieser letzteren Funktion stehen zweifelsohne die Malpighi'schen Gefäss-
knäuel in Beziehung.
Ein Gegenstand , auf den noch sorgfältige Untersuchungen ge-
richtet werden müssen, ist die Niere der Mollusken bezüglich ihrer
Aufnahme oder Abscheidung von Wasser. So viel ist sicher , dass
innerhalb der Maschenräume der Niere bei den im Wasser lebenden
Gasteropoden , Ptero - und Heteropoden , Cephalopoden und wahr-
scheinlich auch Acephalen eine Mischung von Blut und von Wasser
stattfindet. Bei Paludina vivipara dient hierzu ein grosser flimmern-
der Sack , der durch eine oder zwei Oeft'nungen , jede von einem
Ringmuskel umschlossen, in die Niere sich öffnet, während das
vordere Ende dieses Behälters durch ein kleines Loch, ebenfalls von
einem Spldncter umgeben , mit der Iviemenhöhle communicirt. Bei
Ptero- und Heteropoden mündet die Niere unmittelbar nach aussen,
ebenso bei den Acephalen in die Mantelhöhle, bei den Cephalopoden
geschieht die Verbindung durch die nach aussen führenden sogenannten
Seitenzellen. Allein, w^orauf bereits oben (s. Respirationsorgane) hin-
gedeutet wurde, es ist noch nicht mit Bestimmtheit festgestellt, ob das
Wasser in der Niere zunächst von aussen eingeströmt ist , oder ob
nicht vielmehr, was mir richtiger scheint und sich eher mit den be-
kannteren Verhältnissen bei Wirbelthieren verknüpfen liesse, durch
die Niere das verbrauchte Wasser-Blut ausströmt. Das Einlassen des
frischen Wassers in die Körper-Bluträume muss alsdann durch die
Porenkanäle der Haut erfolgen.
Die Nierenzcllen der Wirbelthiere scheinen nie (?) krystalllnischc
oder schaligcConcremente einzuschliessen, während solches bei manchen
Wirbellosen entschieden der Fall ist, und andererseits spricht die letz-
tere Erscheinung auch dafür, dass der Harn so wenig, wie das Sekret
anderer Drüsen einfach durch Filtration aus dem Blute abgeschieden
Anhaiio- zu der „Niere der Wirbellosen." 471
n
werde , sondern dass gewisse Bestandtheile desselben in den Harn-
zellen erst bereitet werden.
Der normale, frische Urin der Säuger, Batrachier und vieler
Fische entbehrt der geformten Bihlungen, höchstens erblickt man in
ihm einzelne Fetttropfchen ; im Harn der Vögel und beschuppten
Reptilien scheiden sich schon innerhalb der Nierenkanäichen harnsaure
krystallinische Verbindungen in grosser Menge aus, und es erscheint
daher der Urin für das freie Auge als weissliche breiige Substanz.
Bei manchen Fischen enthalten, wie oben erwähnt, die Harnkanälchcn
kuglig geschichtete Massen von fettartigem Aussehen, auch mag be-
merkt sein, dass ich in der Harnblase von Dactyloptera voUtans sehr
zahlreiche, helle, spiessige Krystalle, in Gruppen beisammen liegend,
angetroffen habe.
Unter den Insekten sollen die 31 alpighV sehen Gefässe den Gattungen Coccua,
Chermes und den Aphiden fehlen. Von Coccus hesjyeridum habe ich sie jedoch nach-
gewiesen (Zeitschr. f. wiss. Zool. 1853). — Um die Niere der Mollusken zu stu-
diren, ist das Liegenlassen des Thieres in doppeltchroinsaurem Kali sehr zu em-
pfehlen. Die Sokretiouszellen streifen sich dann leicht in schöner epithelartiger
Anordnung von den Falten weg, und letztere zeigen ihren Verlauf und ihre Ver-
bindungen deutlich. An solchen Präparaten habe ich auch grössere Klumpen
zusammengebackener Blutkügelchen in den Hohlräumen der Niere wahrgenommen.
— In den Nieren unserer Ilelicea hält sich ein eigenthümlicher Parasit auf, oft zu
mehren Hunderten . der in der Furchung begriffenen Eiern aufs Täuschendste
ähnlich sieht. Die räthselhaften Gebilde sind sehr sorgfältig beschrieben in der
Abhandlung: über Parasiten in der Niere von IJelix von Dr. Hermann Kloxs,
aus den Schriften der Senkcnberg'schen Ges. in Frankfurt.
Bei den Anthozoen [Actinia z. B.) werden die sog. Mesenterialfilamente für
die Nieren gehalten; schon Bergmann und Leuckart vermuthen diess , etwas
bestimmter spricht sich Carus (Syst. d. Morph.) hierfür aus. — Aus der Gruppe
der Akalephen hat Kolliker von Porpita eine Niere beschrieben, die sich als
eine milchweisse Platte darstellt und aus einem feinschwammigen Gewebe besteht,
dessen Hohlräume vorwiegend mit dunklen, krystallinischen Körnern angefüllt sind,
die Guanin zu sein scheinen. Den gleichen Stoff glaubt V. Carus auch in den
Zellen der Mesenterialfilaniente der Polypen sowie in den Mastdarmblindsäcken der
Asterien und im C'wi'ier'schen Organ der Holothiu-ien erkannt zu haben (a. a. O.
S. 121). — Bei den Ascidien {Phallusia z. B., woher ich sie aus eigner An-
schauung kenne), beobachtet man in der drüsigen den Traktus umgebenden Masse
geschlossene Blasen, welche bedeutend grosse Concretionen enthalten. Es liegt
nahe, die Blasen auf ein Harnorgan zu beziehen, doch sind weitere Untersuchungen
abzuwarten.
Anhang zu der „Niere der Wirbellosen."
§. 431.
Die voranstehenden Paragraphen waren bereits so niederge-
schrieben, wie sie dastehen, als ich noch einmal die Untersuchung
472
Anhang zu der „Niere der Wirbellosen."
der s. g. Malpighi'schen Gefässe aufnahm und dabei anf Thatsachen
stiess , die mir die gegenwärtig allgemein angenommene Lehre, es
seien gedachte Organe ledighch als Harngefässe anzusehen , sehr
zweifelhaft machen, vielmehr muss ich aus dem gleich Mitzutheilenden
folgern, dass es zweierlei s. g. Malpighl'sche Gefässe gebe, von denen
die einen die Harngefässe, die anderen aber Gallen gefässe
repräsentiren.
Zuerst wurde ich an der Maulwurfsgrille {Gryllotcdpa) darauf
aufmerksam , dass von den in starkem Büschel oder Quaste vor-
handenen Malpighi'schen Gefässen die einen ein gelbliches Aussehen
haben , die anderen ein weissliches. Im mikroskopischen Verhalten
unterscheiden sich nun beide nicht wenig. Die weisslichen, welche
in der Minderzahl vorhanden sind, haben in ihrem Lumen sehr um-
fängliche Concretionen, welche von der Spitze des Kanales nach der
Mündung hin immer grösser werden, von Form rundlich, oval, auch
bisquitförmig sind, auch dem Maulbeerförmigen sich nähern; sie geben
den Kanälen das weissliche Ansehen und sind bei durchfallendem
Licht bräunlich schwarz, gerade wie die, freilich kleineren Concremente
in der Niere der Schnecken. Nach Zusatz von Kalilauge schwindet
Fig. 232.
Die zwei Arten M a I pi g h i \scli er Gefässe von der Maulwurfsgrille
A Die weissen: a die Concremente, b ein solches nach Bihaudlung
mit Kalilauge.
B Die gelben Malpighi'schen Gefässe. (Starke Yergr.)
Anhang zu dei* „Niere der Wirbellosen.'
473
das dunkele Ansehen und es bleibt von der Concretion eine blasse,
dickwandige Kapsel zurück , die gleichen Umrisse behaltend. Die
Kapsel, von oben angesehen, ist punktirt und streifig im Profil, so
dass man an Porenkanäle denken kann. Die Sekretionszellen dieser
Kanäle schliessen einen blasskörnigen Inhalt ein. Die homogene Tnnica
propria geht nach aussen in eine zarte, kernhaltige Schicht über.
Die gelblichen Malpighi'schen Gefässe, deren Zahl weit die eben
geschilderten überwiegt, haben wohl dieselbe Tunica propria^ welche
sich in eine homogene , scharfgerandete innere Schicht und in eine
äussere zarte, kernhaltige scheidet, aber die Sekretionszellen schliessen
einen gelbkörnigen Inhalt ein, welcher in Kalilauge ausharrt. Von
den Concrementen ist hier keine Spur. Sehr bequem vermag man
schon an ganz jungen, \ Zoll langen Individuen den Unterschied dieser
zwei Arten Malpighi'scher Gefässe eikennen ; die Concremente in den
weisslichen Kanälen sind hier natürlich kleiner, als beim erwachsenen
Thier.
Kecht bedeutend ist auch beim Maikäfer {Meloloyitha vulgaris) der
Unterschied zweier Arten von Malpighi'schen Gefässen. Die einen sind
die bekannten gefiederten, deren Seitenkanäle einfach oder gabiig
erscheinen, auch wohl von hirschgeweihartiger Bildung. Diese Malpighi'-
schen Gefässe sind für das freie Auge hell oder leicht gelblich;
es existirt aber eine zweite Art Kanäle, die von Farbe weiss und
nicht gefiedert sind. Das histologische Verhalten ist auch bei beiden
ein verschiedenes : die Sekretionszellen der gelben Kanäle besitzen
einen blassen oder gelbkörnigen Inhalt und über die Zellen weg geht
Fig. 233.
Die zwei Arten Malpighi'scher Gefässe vom Maikäfer.
A die gelben, B die weissen. (Starke Vergr.)
474 Anhang zu der „Niere der Wirbellosen."
wie eine verdickte Membran eine Art Cuticida oder Intima, aber von
so weicher BescliafFenheit, dass sie nicht einmal in Essigsäure haltbar
ist, sondern sich löst; im Lumen des Kanales trifft man auch einzelne
gelbe Körnerklümpchen , die an Lebersekret erinnern. — In den
weissen Malpighi'schen Gelassen zeigt sich als Zelleninhalt die be-
kannte dunkelgranuläre, in Kalilauge schwindende Masse in solcher
Menge, dass die Kerne nur durchschimmern.
Cetonia aurata besitzt ebenfalls zweierlei Malpighi'sche Gefässe,
die einen, ganz weiss für das freie Auge, haben mikroskopisch den
gleichen Bau, wie die weissen Kanäle des Maikäfers ; die anderen, von
hellem Aussehen, besitzen in den Sekretionszellen nur einen gelind
gelbkörnigen Inhalt.
Phryganea grandis zeichnet sich ebenfalls durch seine „Harn-
kanäle" aus. Die einen sind von viel stärkerem Kaliber , als die
anderen und , während jene von geringerem Durchmesser kleine
Sekretionszellen mit rundem Kern haben, weisen die grossen Malpighi'-
schen Gefässe den kleinen gegenüber wahrhaft riesige Zellen auf mit
verästelten! Kern. Essigsäure leistet zur Ansicht gute Dienste Ferner
erblicken wir eine Intima mit deutlich senkrechter Streifung, auf die
Anwesenheit von Porenkanälen beziehbar. (Vergl. Fig. 228 C.)
Ausser mehren anderen Insekten, w^elche gelbkürnige und weiss-
liche Kanäle hatten, Blatta Icqqjonica z. B. , waren mir noch merk-
würdig die Raupe von Oustropacha lanestris und die Käfergattung
Carahus auratus. Bei der genannten Raupe sah man bei der ersten
Untersuchung wieder die zweierlei „Harnkanäle", die hellen oder
gelblich angeflogenen nämlich und die intensiv weissen. Ueber die
Zellen der gelblichen ging eine Art senkrecht gestrichelter zarter
Cuticida oder Intima weg , wie beim Maikäfer und der Plirijganea
grandis, das dunkle Contentuni der weissen bestand aus Krystallen,
allein ich glaube erkannt zu haben, dass die beiderlei Kanäle in
Continuität stehen. Der gelbliche Kanal stellt den hinteren blind-
geendigten Abschnitt dar, ^velcher, auf dem Darmkanal von hinten
nach vorn laufend, mit -einer Schlinge umbiegt, um jetzt als weisser
Kanalabschnitt in den Darm auszumünden. An dieser, wie an anderen
Raupen (Saturnia carpinl z. B.) setzen sich von Stelle zu Stelle an
die Malpighi'schen Gefässe zarte Stränge, die ich für Nerven halten
muss : sie heften sich inniier mit dreieckig verbreiter.ter Basis an und
enthalten darin spindelflrnn'g ausgezogene (Ganglien-) Zellen, die
schon eine Strecke zuvor beginnen.
Bei Carahus auratus gewahre ich nur eine einzige Art
Malpighi'scher Gefässe, aber, wie die histologische Untersuchung
lehrt, in einem und demselben Kanal sind deutlich zweierlei Sekrete
vorhanden, ein aus röthlich braunen und eines aus schwärzlichen
Körnern bestehendes. Ersteres liegt in den Zellen , letzteres um die
Zellen herum.
Anhang zu der „Niere der Wirbellosen."
475
Fig. 234.
Malpighi'sch es Gefäss von Gastropacha.
A der vordere gelbe Abschnitt, B der hintere weisse: a Tunica propria,
b Sekretionszellen, c krystallinisches Sekret, d Nerv.
§. 432.
Meine hier aufgeführten Erfahrungen sind zwar noch in An-
betracht der so reichen Insektenwelt überaus sparsam, und nament-
lich habe ich bis jetzt den Einmünduiigsstellen der verschiedenen
Malpighi'schen Gefässe in den Darm nicht speziell nachgeforscht,
allein sie dürften doch zu dem Ausspruch berechtigen , dass in den
s. g. Malpighi'schen Gefässen ausser dem Harn noch ein anderes
Sekret und wahrscheinlich eine Art Galle abgeschieden werde. Die
gelblichen scheinen mir die Gallengefässe vorzustellen und die
weissen die Harnge fasse. Wegen der den ersten Blick störenden
Beobachtung , dass bei manchen Insekten die beiderlei Kanäle nur
verschiedene Partien eines und desselben Kanales seien, würde ich an
gewisse Mollusken erinnern , bei denen ebenfalls die Niere mit der
Leber innig verbunden ist. An Thetys z. B. , wovon ich früher
lebende Exemplare zergliederte, sagen meine damals gefertigten Zeich-
nungen , dass die braune Leber einen w^eissgelblichen , faserigen
476 Von den Geschlechtsorganen des Menschen.
Ueberzug besitze. Morphologisch legitimirte sich letzterer als Niere:
er bestand aus Schläuchen mit Ausbuchtungen , man könnte auch
sagen : Areolen, und diese beherbergten die gewöhnlichen Harnzellen
der Schnecken. Die dunkeln geschichteten Concremente lagen einzeln
oder haufenweis in Zellen und zwar in eigenen Sekretbläschen der-
selben. Was aber noch vorzüglich zu erwähnen ist, bei der Leber
war das Areolengerüst von derselben Form, wie bei der Niere, und
letztere schien eigentlich nur die peripherische Portion der Leber zu
sein. Auch in den Wandungen der Darmverästelungen bei Planarien^
welche man für Analoga der Leber halten kann, sehe ich Zellen mit
dunkelbraunem (bei aulfallendem Licht weissem) Lihalt von körnig-
bröckliger Form und Harnconcrementen sehr ähnlich !
Es ist bekannt, dass man früher alle die MalpighVsQ\\e,n Gefässe für die
gallenbereitenden Organe hielt. Als man später das Vorkommen von Harnsäure in
ihnen erkannte, stempelte man sie sofort sämmtlich zu den Nieren. Doch erhoben
sich allerdings schon früher auch einzelne Stimmen, welche ganz in der gegenwärtig
von mir verfolgten Kichtuug sich aussprachen. Da sich nämlich (vergl. die Mitthei-
lungen von Bamdohr , 31 ecket, Leon JJufour u. A.) besagte Kanäle an zwei
verschiedenen Orten bei mehren Insekten in den Darm einsenken, so schien diess
den früheren Morphologen zu beweisen , dass ^ein Theil ihres Inhaltes als Galle
zur Verdauung diene , dahingegen ein anderer als reiner Auswurfsstoff (vielleicht
Harn) bloss ausgesondert werden mag" {G. Carus). Ja, Straus- Dürkheim in
seiner Anatomie des Maikäfers trennt schon ausser den gewöhnlichen vier Gefässen,
die er als Gallgefässe betrachtet, zwei als Uringefässe, „welche wahrscheinlich ins
Ende des Darmes münden." Diese Unterscheidung findet nach obiger Auseinander-
setzung eine gewisse Bestätigung. Auch de FilijJpi ist aus dem Umstände, dass
bei Bovihyx mori der Magen eine zottige Beschaffenheit hat und die Malpighi'schen
Gefässe glatte Cylinder darstellen , bei Sphinx neril der Magen glatt und die
Malpighi'schen Gefässe mit Zotten besetzt sind, uiul daraus, dass ein ähnlicher
Unterschied zwischen den carnivoren Carabicinen und den herbivoren Melolonthen
stattfindet, zu dem Schluss gekommen, dass die Function der Leber und der Nieren
unter Umständen einem einzigen Organe übertragen wird. {Schaiim's Ber. in
d. Entomol. 1850.)
Füiifundvierzigster Abschnitt.
Von den Gesclilechtsorganen des Menschen.
§. 433.
Es entstehen die keimbereitenden Ges ch lechtswcrkzeuge
aus dem mittleren Keimbhatt {Remak)\, die Bildung des ganzen
Gcschlechtsapparates ist ursprünglich bei beiden Geschlechtern gleich,
Saxnenkanälchen. 477
erst nach und nach entwickehi sich die Theile nach der Diiferenz
der Geschlechter, und darauf beruhen die späteren grossen Verschie-
denheiten.
Die männlichen Zeugungswerkzeuge lassen sich eintheilen in
solche , welche den Samen absondern , fortleiten und in die weib-
lichen Theile überführen und zweitens in die accessorischen Ge-
schlechtsdrüsen.
§. 434.
Das wesentlichste Organ des männlichen Geschlechtsajjparates i'^hcuungeu
machen die Hoden aus und sie sind, die äussere Haut abgerechnet,
von drei hautartigen Schichten umhüllt. Jene, welche zunächst unter
der äusseren Haut liegt, ist die Tunica dartos, bestehend aus Binde-
gewebe, dem Züge glatter Muskeln, netzweise verbunden, und in so
zahlreicher Menge eingeflochten sind, dass das Bindegewebe sammt
elastischen Fasern in den Hintergrund tritt und diese Haut vorzugs-
weise als „Fleischhaut" erscheint. Sie ist es, welche den Hodensack
in Runzeln legt. Darauf folgt die Tunica vaginalis communis (ge-
meinschaftliche Scheidenhaut des Hoden) ; sie wird eigentlich nur von
dem Bindegewebe und elastischen Fasern vorgestellt , welches sich
zwischen der Tunica dartos und der T. vaginalis propria hinspannt ;
am Hoden selber ist das Bindegewebe mehr hautähnlich verdichtet,
nach oben i\x wird es lockerer und setzt sich unmittelbar in die Fascia
transversalis fort. Auf der äusseren Seite dieser Haut verbreiten
sich quergestreifte Muskelbündel, welche dem M. cremaster angehören
und durch welche der Hode gegen den Bauch heraufgezogen wird,
während auf der inneren Seite im Bereich der hinteren Fläche und
dem unteren Ende des Nebenhoden (nach Kölliker) eine Lage glatter
Muskeln diese Haut zur Contraction befähigt. Unter der T. vaginalis
comm,unis kommt die T. vaginalis propria, eine seröse Haut, die den
Hoden unmittelbar umgiebt. Als Serosa besteht sie aus einem binde-
gewebigen Stratum , dessen freie Flächen ein helles Plattenepithel
überkleidet. Luschka hat gezeigt, dass die seröse Umhüllung des
Hodens, namentlich am scharfen Rande des Nebenhoden, in zotten-
artige Verlängerungen von variabler Grösse ausgeht. {Virchow'' s
Arch. Bd. VI. üb. d. Appendiculargebilde des Hodens.)
§. 435.
An der Bildung der Hodensubstanz betheiligen sich wieder, Bindegewebe
ffleichwie bei anderen Drüsen, «^efäss- und nervenführendes Binde- '^^' "''^^*"'
O ■ o parenchyms.
gewebe und Sekretionszellen, beide in folgender Art. Das Binde-
gewebe umgrenzt zunächst das ganze Organ unter der Form einer
weissen, derben und dicken Haut, der Tunica albuginea, welche sich
nach innen in's bindegewebige Hodenparenchym auflöst , wobei sie
zugleich ein stärkeres Fächergerüst herstellt, von dessen Anwesenheit
478
Von den Geschlechtsorganen des Menschen.
die Abtheilung der Hodensubstanz in zahlreiche, birnförmige Läpp-
chen abhängt.
Fig. 235.
Voiluiif
der Saiiien-
kaiiittcliou.
A Stück eines Samenkanales: a Tnnica propria , man unterscheidet die
innere ganz homogene Schicht und die äussere, streifige, mit Kernen ver-
sehene , b die Samenzellen.
B Zur Versin nlichung, wie in den Samenzellen die Zoospermien sich
bilden: a junge Zelle, b die Kerne haben sich vermehrt, c in den Kernen
entstehen die Zoospermien und sind noch aufgerollt, d die Zoospermien
liegen frei in der Mutterzelle.
Unter diesen bindegewebigen Scheidewänden zeichnet sich eine
durch besondere Entwicklung aus, welche vom hinteren Rand des
Hodens eine Strecke weit in's Innere dringt und unter dem Namen
Corpus Highmori bekannt ist; nach ihr lauten alle die anderen
Septen zusammen, wess wegen auch die Spitzen sämmtlicher Läppchen
nach dem Highmor'schen Körper gerichtet sein müssen. Innerhalb
jedes Läppchens wird das Bindegewebe vorzüglich zur Bildung der
Tunica propria der Samenkanälchen verwendet ; diese Haut ist äusser-
lich, wo sie mit dem interstitiellen Bindegewebe zusammenhängt, längs-
streifig, nach dem Lumen zu wird sie vollkommen homogen. Im Bete
testis, welches im Highmor'schen Körper sich befindet, lässt sich die
Tunica propria der Samenkanälchen so wenig als selbständige Bildung
von dem derben umgebenden Bindegew^ebe des Cotyics Highmori weg-
trennen, dass vielmehr, gleichwie oben von manchen Gefässen hervor-
gehoben wurde, die Samenkanälchen bloss als netzförmige Hohl-
gänge in dem festen Bindegewebe sich abmarken. Sobald dasZwischeii-
bindegewebe wieder eine grössere Weichheit annimmt, z. B. in den
Coni vasculosi, so macht sich sofort von Neuem eine wirkliche Tunica
vropria bemerklich. In dem absteigenden Theil des Nebenhoden
scheinen bereits glatte Muskeln die Tunica propria in querer und
in der Längenrichtung zu vmilagern.
§. 436.
Um die Anordnung und den weiteren Verlauf der Samenkanäl-
chen kurz zu schildern, sei angegeben, dass ein oder mehre Kanälchen
durch Windungen und Thcilungen die Läppchen constituiren. Vom
Samenkanälchen.
479
spitzen Ende der Läppchen weg treten darauf die Kanäle im Corpus
Highmori in eine netzartige Verbindung, welche man das Rete Halleri
nennt. Aus dem oberen Ende desselben führen die Vasa efferentia
ab, eine Anzahl von 7 — 8 stärkeren Kanälen, welche die Älbuginea
durchbohren und, indem sie sich abermals vielfach verschlingen, die
s. 0-. Coni vasculosi Halleri bilden, welche in ihrer Gesammtheit auch
als Kopf des Nebenhoden bezeichnet werden. Nach und nach fliessen
die Kanäle der Coni vasculosi zu einem einzigen Gefäss zusammen,
das den Körper und den Schweif des Nebenhoden formt, von dem
noch gemeiniglich vor seinem Uebergang in das Vas deferens ein
blinder luid etwas aufgerollter Seitenast (Vas aberrans Halleri) sich
abzweigt.
Fig. 236.
Schema über die Anordnung und den Verlauf der Samenkanälchen.
a Tunica älbuginea, b die Septen , welche ins Innere sich begeben und im
Highmor'schen Körper sich vereinigen , c die Läppchen der Samenkanälchen,
d das Rcte Halleri, e Vasa efferentia, f Coni vasculosi, g Vas deferens, h Vas
aberrans Halleri
§. 437.
Die Sekretionszellen, welche die Samenkanälchen anfüllen,
zeigen nach dem Alter einen verschiedenen Inhalt. Vor der Pubertät
unterscheiden sie sich nicht von anderen indifferenten Zellen, mit der
Geschlechtsreife vergrössern sie sich zu Blasen , in deren Innerem
Tochterbläschen , jedes mit einem Nucleus auftreten. Diese Blasen
produziren die Zoospermien oder die s. g. Samenthierchen ; es sind
dies ausnehmend feine fadenförmige Gebilde, die ein verdicktes, platt-
birnförmiges, Kopf oder Körper genanntes, Ende haben ; den linearen,
spitz auslaufenden Theil helsst man den Schwanz. In der Mitte des
Samenzellen
und
Zoospermien,
480 Von den Geschlechtsorganen des Menschen.
Kopfes bemerkt man einen helleren Fleck, von einer seichten Teile
herrührend. Die Bildung der Zoosperinien geht in der Art vor sicli,
dcass die Kerne der Tochterbläschen zu den Köpfen der Zoospermien
sich umgestalten und , indem der feinkörnige Inhalt des Bläschens
schwindet , der Schwanzanhang in spiralen Windungen sich absetzt.
Es entsteht so innerhalb jedes Tochterbläscliens ein Zoosperm, das,
wenn entwickelt, durch Auflösung der umhüllenden Membran frei in's
Innere der Mutterzelle zu liegen kommt, w^o sich alsdann die ganze
Brut einer Mutterzelle zu regelmässigen Bündeln ordnet, indem Kopf
an Kopf sich schichtet und die Schwanzanhänge alle nach einer Rich-
tung gebogen sind. Im Weiterrücken, gegen das Rete Halleri hin,
vergeht auch die Membran der Mutterzelle, wodurch die Büschel der
Zoospermien vollständig frei werden und sich weiterhin von einander
trennen.
Eine eigenthümliche Erscheinung der reifen Zoospermien ist die
Bewegung derselben*, sie besteht in Schwingungen und Drehungen
des Schwanzanhanges, wodurch eine wahre Lokomotion zu Stande
kommt. Da hierbei der Kopf immer nach vorn gerichtet bleibt, so
wird man lebhaft an willkürliche Bewegungen erinnert, und die frühere
Zeit nannte auch die Samenelemente geradezu Samenthierchen.
Ueber die Dauer der Bewegungen lässt sich kaum etwas Allgemeines
bestimmen ; man fand sie mitunter in Leichen, die schon 1 — 2 Tage
alt waren, wenn auch nur noch in schwacher Bew^egung. Unter den ver-
schiedenen Flüssigkeiten, welche die Bewegungen der Samenelemente
beeinflussen, sind besonders die caustischen Alkalien zu nennen, da
sie erregend auf die Zoospermien wirken und sie wieder zu lebhaften
Bewegungen veranlassen, selbst nachdem sie scheinbar abgestorben
waren. Die erste Beobachtung dieser Art ging von Quatrefages
(1850) aus, der an den Zoospermien der Hermella experimentirte;
neuerdings hat Kölliker diese Versuche vervielfältigt (Ztschr. f.
w. Z. 1855).
Die Meinungen , welche man über die Natur der Zoospermien
(von Hamm und Leeiiwenlioeck 1637 entdeckt) aufstellen kann,
haben im Laufe der Zeit vielfach gewechselt. Anfangs erblickte man
in ihnen die präexistirenden Keime der Thicre, dann verbreitete sich
mehr die Ansicht, dass es individuell belebte Parasiten des Samens
seien, gegenwärtig herrscht die Auflassung, wornach die Zoospermien
spezifische Elementargebilde des Samens sind, eine Ansicht, die übrigens
auch schon früher hin und wieder laut wurde. So hat bereits z. B.
Czermak im Jahre 1833 erklärt, er betrachte die Samenthierchen
alsTheile des Samens, welche denBlutkör]>erchen im Blute analog seien.
Jni Ipllio-cn Alter, wo die Bildung der Samenelemente sparsamer
wird oder ganz aufhört , verfallen die Sekretionszellcn der Hoden-
kanälchen einer mehr oder minder um sich greifenden Fettmetamor-
V
Hoden, Samenleiter. 481
phose, d. h. die früher blassgranulären Zellen wandeln ihren Inhalt
in Fettkörnchen um.
Da die Bildung der Zoospermien nur in den Zellen erfolgt, welche
die Samenkanälchen der Hoden erfüllen , so müssen jene Zellen,
welche das Lumen der Kanälchen des Bete Hallerij der Vasa efferentia^
des Nebenhoden begrenzen, als einfache Epithelzellen betrachtet wer-
den. Vor Kurzem hat Becker die Beobachtung gemacht, dass die
Samenkanälchen im Kopfe des Nebenhoden ein Flimmercpithel führen,
welches in der Mitte der Coni vasculosi beginnt und erst im Körper
des Nebenhoden in gewöhnliches Cylinderepithel übergeht (Wiener
med. Wochenschr. 12. 1856).
§. 438.
Die Blutgefässe des Hodens, welche verhältnissmässig gering oerasse
, l/< •• lllj. ""'^ Nerven
ZU nennen sind, stammen aus der A. spermatica interna und halten
sich in ihrem Verlauf an das bindegewebige Fachgerüst; die gröbere
Gefässausbreitung geschieht demnach in der T. alhuginea und in den
von hier in's Innere abtretenden Scheidewänden (den Highmor'schen
Körper mit eingeschlossen); die feinere Verästelung, sowie die Capil-
laren werden von dem Bindegewebe zwischen den Samenkanälchen
und der Tunica propria der letzteren selber getragen.
Die Lymphgefässe des Hodens sind nach Panizza und Arnold
sehr zahlreich. Die wenigen Nerven, welche die Hoden versorgen,
begleiten die Arterien.
§. 439.
Die Samenleiter {Vasa deferentia) sind im Wesentlichen ge- sam^nieuer.
baut, wie die stärkeren Kanäle des Nebenhoden. Die Tunica propria
ist nach innen zu einer Schleimhautschicht entwickelt , in der viele
elastische Netze vorkommen ; sie bildet Längsfalten , die sich im
untersten Abschnitt des Samenleiters netzförmig verbinden, fast ähn-
lich wie in der Gallenblase. Die platten Epithelzellen , welche das
Bindegewebsstratum der Schleimhaut bedecken, haben häufig einen
braun-körnigen Inhalt. Nach aussen wird die Schleimhaut von einer
beträchtlich starken, aus glatten Fasern gebildeten Muskulatur um-
geben, an der man eine äussere und innere longitudinale und eine
mittlere circuläre Lage unterscheidet ; letztere ist die mächtigste.
Man hat sich auch an Hingerichteten durch galvanische Reizung
überzeugt, dass die Vasa deferentia sich ausnehmend stark verkürzen
und verengern können. Zu äusserst hat der Samenleiter wieder eine
bindegewebige Hülle, die durch die Muskulatur hindurch mit dem
Bindegewebsstratum der Mucosa in Continuität steht. Der untere Theil
des Samenleiters ist s^ehr reich an Nerven.
Leydig, Histologie. ol
482
Von den Gescbleclitsorganen des Menschen.
Fig. 237.
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Sflmftn-
blUflchen.
Erweitertes Ende des Samenleiters von M u s t e 1 .i e r m i n e a.
a die glatte Muskulatur (es sind niclit so viele Kerne gezeichnet, als in Wirklich-
keit für die glatten Muskeln vorhanden sind), b die Drüsen, welche in der Mitte
der Erweiterung am grössten sind und sich gegen die Fanden hin verkleinern.
Von o-leicher Struktur mit den Samenleitern sind die Ductus
o
ejaculatorii und die Vesiculae seminales, also innen und aussen
bindegewebig und dazwischen muskulös. Die muskulöse Schicht ist
bei beiden minder stark, als im Samenleiter; ferner erhebt sich die
Schleimhaut in den Samenbläschen durchweg in netzförmig verbundene
Fältchen , und da sich natürlich das Epithel in die dadurch ent-
standenen Grübchen hereinzieht, so könnte man die Räume für grosse
Drüsen erklären , um so mehr, als zweifelsohne die helle , im Tode
gallertige Flüssigkeit, welche den Inhalt der Samenbläschen ausmacht,
das Sekret der Schleindiaut ist. Zoospermien können wohl einzeln
in die Samenbläschen gerathen, aber es dienen die Vesiculae seminales
keineswegs uls Reservoir des Samens , sondern ibre physiologische
Leistung bestellt in der Abscheidung des bezeichneten Sekretes. —
Ruthe. 483
Die allgemeine bindegewebige Hülle, welche die Samenbläschen um-
giebt, enthält ebenfalls zahlreiche glatte Muskelfasern eingewebt.
§. 440.
Das männliche Glied, die Ruthe, besteht aus der bereits R»tbc-
früher geschilderten Harnröhre und den drei Schwellkörpern {Corpora
cavernosa). Letztere sind gebildet aus Bindegewebe und glatten Mus-
keln. Das Bindegewebe erzeugt zunächst nach aussen eine scharfe
Abgrenzung der Theile durch Bildung einer weissen, festen Tunica
albuginea , sowie auch die unvollständige Scheidew^and der Corpora
cavernosa penis von derselben Natur ist. Nach innen zu löst sich
das Bindegewebe durch mannichfache Abgabe und Wiedervereinigung
von Balken und Plättchen in das Schwammgewebe auf, dessen Räume
mit venösem Blute gefüllt sind. Das Balkenwerk erscheint aber
nicht rein bindegewebig, sondern die Maschenzüge bestehen fast zur
Hälfte aus glatten Muskeln, die dem Bindegewebe der Balken ein-
geflochten sind. Ausserdem verlaufen in den Balken auch die Arterien
und Nerven.
Die Arterien der Schwellkörper gehen nicht in Capillarnetze aus,
sondern nachdem sie zugleich mit den Balken sich verzweigt und bis
zum Capillardurchmesser sich verjüngt haben , münden sie in die
Venenräume des Schwellkörpers aus, an deren Innenfläche mehre
Autoren noch ein zartes Epithel unterscheiden. Aus diesen Maschen-
räumen nehmen unmittelbar die Venen ihren Ursprung. Eine andere
bemerkenswerthe Eigenthümliclikeit der feinen arteriellen Gelasse der
Schwellkörper ist die, dass die Gefässe besonders im hinteren Theil
des Gliedes rankenartig gekrümmte und gewundene Ausläufer ab-
geben (die Arteriae helicinae), welche entweder wirklich blind
enden , oder von ihrem scheinbar blinden Ende noch ein ganz dünnes
Gefäss abschicken , das sich dann wie die übrigen feinen Arterien
in die venösen Bluträume öffiiet (Joh. Müller).
lieber die äussere Haut des Gliedes sei erwähnt, dass das
Unterhautbindegewebe reich an glatten Muskeln ist , die sich bis zur
Vorhaut erstrecken. Nach Fick (Physiol. Anatomie) enden einzelne
Nervenfäden der Eichel in Pacinische Körperchen. Doch fühlt man
sich versucht, an diese Beobachtung ein Fragezeichen zu hängen,
wenn man liest, dass die beregten Nervenendigungen im Bete Malpighi
lagen. — An dem inneren Blatte der Vorhaut und auf der Eichel
nähert sich die äussere Haut in ihren Eigenschaften mehr einer
Mzccosa, es wird die Epidermis dünner, Haare und Schweissdrüsen
fehlen und nur einzelne Talgdrüsen {Glandulae Tysonianae) sind
vorhanden. Das s. g. Smegma praeputii ist ein Gemeng vom Sekret
der Talgdrüsen und den sich abschuppenden und zerfallenden Epithel-
plättchen. — Die Fascia pcnis und das Ligamentum Suspensorium penis
31*
484 Von den Geschlechtsorganen des Menschen.
sind bindegewebig und zeichnen sich , namentlich das Anfliängeband
des Gliedes, durch grossen Reichthum an elastischen Fasern aus.
Die Erektion kommt zu Stande durch Ueberfüllung der
Schwammkörper mit Blut. Um sich die Anstauung des Blutes zu
erklären , hat man nach Vorrichtungen gesucht , durch welche der
Rückfluss des Blutes gehemmt werden solle. Es lassen sich jedoch
keine derartigen Apparate nachweisen, und Manche behaupten daher
mit Kölliher ^ die Steifung des Gliedes erfolge nach Relaxation der
Muskulatur im ßalkengewebe , wodurch die Corpora cavernosa sich
mit Blut füllen und sich wie ein comprimirt gewesener Schwamm
ausdehnen.
§. 441.
ProRtMa 2u den accessorischen Geschlechtsdrüsen zählt man die
Vorsteherdrüse (Prostata) und die Cowper'schen Drüsen.
Die Prostata ist ein Aggregat von länglichen oder birnförmigen
Drüsen , welche dem traubigen Typus angehören. Die Tunica
'propria der Drüsen ist bindegewebig, die Sekretionszellen sind von
cylindrischer Gestalt. Die Prostatasteine, runde, geschichtete
Massen, welche nicht selten in den Drüsen gefunden werden, be-
stehen nach Vircliow aus einer in Essigsäure löslichen Protein-
substanz. Merkwürdig erscheint die Prostata dadurch, dass zwischen
und um die einzelnen Drüschen glatte Muskeln in solcher Menge
vorkommen, dass die Muskulatur den grösseren Theil oder wenigstens
die Hälfte der Prostatamasse ausmacht; nicht minder besitzt die binde-
gewebige Hülle , welche die Prostata umschliesst , glatte Muskeln.
Die Gefässe verhalten sich wie bei anderen traubenförmigen Drüsen.
Die Nerven sind ziemlich zahlreich.
Die Wand der Pros tat ata sehe {Uterus masculinus , wie die
Entwicklungsgeschichte aufgeschlossen hat, das Rudiment der männ-
lichen Scheide mit Uterus) besteht aus Bindegewebe mit feineu
elastischen Fasern und etwelchen eingestreuten glatten Muskeln. Die
Epithelzellen sind von cylindrischer Form.
co«p,M'sci,e l^ie Cowper'schen Drüsen i'cpräsentiren morphologisch nichts
anderes, als grössere traubenförmige Schleimdrüsen ; das bindege-
webige Gerüst und die Hülle, sowie der Ausführungsgang sollen
glatte Muskelfasern enthalten. Uebrigens liegen die betretenden
Drüsen so in die quergestreiften Muskelfasern des M. Indhocavernosus
eingebettet, dass die Entleerung des Sekretes wohl hauptsächlich durch
die CoPitractionen dieses Muskels erfolgt. Die Epitiielzellen sind
rundlich, im Ausfülirungsgang cylind lisch.
l>riiHen.
§• 442,
I ''>■-">- ]\jj„j jj.^ njciit ii), Stamle , den besonderen Nutzen anzugeben,
welchen die aus den Samenblasen , der Vorsteherdrüse und den
Eierstock. 485
CoAvper'schen Drüsen dem Samen beigemengten Säfte etwa dnrcli
ihre spezielle chemische Beschaffenheit haben mögen, aber es lässt
sich darüber Folgendes vermuthen. Erstlich dürften die acccssorischen
Flüssigkeiten dazu dienen, die Entfernung der kleinen Samenmengen
aus den männlichen Geschlechtstheilen zu erleichtern. Ferner mögen
die bezeichneten Säfte als Verdünnungsmittel des Sperma innerhalb
der weiblichen Theile von Werth sein und endlich kann angenommen
werden, dass durch jene secernirten Flüssigkeiten auf die Zoospermien
eine Veränderung hervorgebracht würde , welche ihrer Wirkung auf
das Ei günstig ist. {Bergmann und Leuckart, vergl. Physiol.
S. 566.) Die Erfahrungen von Barry, Bischoff, Leuchart^
Meissner haben gezeigt, dass die Samenkörperchen bei der Be-
fruchtung wirklich in das Ei eindringen ; da nun solches wohl nur
geschehen kann, insolange die Zoospermien beweglich sind, die Be-
wegungen der letzteren aber ganz ungemein lebhaft und dauernd in
dem mit den Säften der accessorischen Drüsen gemischten Samen
vor sich gehen, so möchte man vielleicht gerade hierin einen nament-
lichen Nutzen der besagten Sekrete erblicken.
§. 443.
Wie am männlichen Geschlechtsapparat die Hoden die wesent- AVeibücher
liebsten Theile sind, so nehmen im weiblichen Körper die Eier- "ä^parlt/
Stöcke denselben Rang ein; als Hilfsorgane treten hinzu Eileiter,
Gebärmutter, Scheide und die Scham theile. Auch die Brüste
pflegt man vom physiologischen Standpunkt aus den Genitalorganen
anzureihen.
§. 444.
An den Eierstöcken wird unterschieden die Hülle, das gefäss- Eierstock.
und nervenhaltige Stroma und die Eikapseln. Zur Herstellung aller
dieser Partien betheiligt sich das Bindegewebe; es bildet dasselbe in
festerer Form die Tunica jjropria des Eierstockes , deren äusserste
Lagen sammt dem dazu gehörigen Epithel auch als Peritoneal-
u m hüll u n g des Eierstockes aufgefasst werden. Es bildet ferner,
nach innen in ein weicheres Lager ausgehend, das wegen seiner zahl-
reichen Blutgefässe grauröthhche Stroma des Eierstockes, welches
hierauf wieder die vollkommen abgeschlossenen Eikapseln (Graaf-
sche Follikel) umgrenzt. Diese, obgleich in ununterbrochener Cou-
tinuität mit dem Stroma stehend, haben doch so viel Selbständigkeit
erlangt, dass sie als Bläschen ausgeschält werden können. An der-
gleichen Eikapseln unterscheidet man die äussere gef ässhaltige
Schicht {Theca folliculi, Bär), welche ganz vom Bau des Stroma
und nur eine gerade so weit verdichtete Lage desselben ist , als
nöthig, um eben die Wand des Follikes zu formen; an ihrer inner-
sten Grenze geht sie, wie das Bindegewebe an so vielen anderen
Orten , in eine homogene, helle Schicht aus {Membrana pro-
486 Von den Geschlechtsorganen des Menschen.
prio). Die Innenfläche des Follikels überkleidet ein Epithel (Mem-
brana grarmlosa der Autoren) , das den Sekretionszellen anderer
Drüsenblasen entspricht. Dieses Epithel hat sich an jener Seite des
Bläschens , welche der Eierstocksoberfläche zunächst liegt und wo
auch das Eichen eingebettet sich zeigt, durch Zellenanhäufung- ver-
dickt und heisst hier das Keimlager {Gumulus proUgeriis). Die
bezüglichen Zellen sind rundlich-polygonal, die Membran derselben
zart und leicht vergänghch, der Inhalt gelb gekörn-elt. Den übrig-
bleibenden Innenraum der Eikapsel füllt eine in's Gelbliche spielende
Flüssigkeit an {Liquor folliculi) und bei besonderer Zunahme dieses,
dem Blutserum ähnlichen Fluidums schimmern die oberflächlicher ge-
legenen Eikapseln am unverletzten Eierstock deutlich hindurch.
Fig. 238.
Graaf'scher Follikel, gering vergrössert.
a äussere gefässhaltige Schicht, b homogene Schicht (der bindegewebigen Wand),
c Epithel, d Keimlager, e Eichen.
§. 445.
i'rimitiyes D^g YA sclbcr, Ovulum, ist ein so kleines Bläschen, dass es für
das unbewaffnete Auge als ein weisslicher Punkt erscheint. Rund
von Gestalt, besteht es aus einer hellen, homogenen Hülle (Dotter-
haut, Zona pellucida) und einem granulären Inhalt, dem Dotter.
In letzterem markirt sich noch ein excentrisch gelagertes Bläschen,
die Vesicula cjerminativa oder das Keimbläschen, das noch einen
inneren wandständigen Kern, die Maaila germinaüva oder den Keim-
fleck aufweist. Dem P]i im Ganzen muss sonach die Bedeutung
einer Zelle zugesprochen werden, wobei die Zona pellucida die Zellen-
membran repräsentirt, der Dotter den Zelleninhalt, das Keimbläschen
den Kern und der Keimfleck das Kcrnkörperchen. Ist das Eichen
aus dem Follikel ausgetreten, so nimmt es immer eine Portion jener
Zellenanhäufuiig mit, in welche es eingebettet war, und man be-
zeichnet herkihnmlich diese dem Ei anhaftenden Zellen mit dem
Namen IHscus proligerus.
mutter.
Eileiter, Gebärmutter. 487
§. 446.
Der Ne b 0 n e i ers to ck in den Alae vespertilioinwi ist oin Ueber- Ne''oneicr-
bleibsel der Wolf sehen Körper und zeigt demnach bloss etliche rudi-
mentäre Kanäle, bestehend aus Tunica propria und Epithel.
Die Grundlage für die Bildung der Wand des Eileiters ist Eüeuer.
Bindegewebe, welches an der freien äusseren, wie freien inneren
Seite mit einem Epithel bekleidet ist. Das äussere bindegewebige
Stratum sammt dem dazu gehörigen Epithel wird als Peritonealliülle
des Eileiters unterschieden, während die innere bindegewebige Schicht
und die deckenden Zellen das sind, was man die Schleimhaut nennt.
Die Zellen der letzteren, von cylindrischer Form, besitzen Flimmer-
haare, welche, im Hinblick auf die ganze Schleimhaut, von innen
nach aussen schlagen und wohl zur Fortbewegung der Eichen gegen
den Uterus hin beitragen. Zwischen die Bindegewebsschichten sind
glatte, längs und quer verlaufende Muskeln eingeflochten, welche
die mittlere Haut des Eileiters erzeugen.
Die Gebärmutter, gewissermaassen das Nest des Embryo, «ebür-
stimmt, insoweit bindegewebige, epitheliale und muskulöse Schichten
die Wände herstellen, mit den Eileitern überein. Denn die, wenn
auch nicht rings um das Organ vorkommende PeritonealhüUe ist
Bindegewebe mit einem dünnen Platten epithel, die mittlere Haut setzt
sich aus Zügen glatter Muskeln zusammen , doch steht das äussere
Bindegewebsstratum zwischen den Muskellagen hindurch mit der
Schleimhaut in Verbindung. Die Schleimhaut und Muskelhaut sind
im Uterus stärker, als im Eileiter ; das Epithel der Mucosa ist überall
ein einfaches, flimmerndes Cylinderepithel, das übrigens, wie Robin
beschreibt, in der Schwangerschaft, nachdem es sich abgelöst, durch
ein Plattenepithelium ersetzt wird. Im Grund und Körper des Uterus
ermangelt die Schleimhaut der Papillen, senkt sich aber zur Bildung
von zahlreichen Drüsen ein, den Glandulae utriculares, welche eine
Schlauchform haben, mit einfachem oder auch gespaltenem blindem
Ende, das nicht selten spiralig sich dreht, oder auch selbst sich zu-
sammenknäuelt. Wahrscheinlich flimmert das Epithel der Drüsen
nicht minder, wie die übrige Innenfläche des Uterus. Im Cervix uteri
erhebt sich die Schleimhaut nicht bloss zu den sog. Plicae palmatae
und buchtet sich zwischen ihnen zu Drüsenräumen aus (Gruben der
Autoren), sondern im unteren Abschnitt bildet die Mucosa auch kleine
Papillen, in welche Gefässe schlingenförmig aufsteigen. Die sog. Ovula
Nabothi , die sich im Cervix uteri finden , scheinen umgewandelte
Drüsen zu sein, vielleicht zufällig an der Mündungsstelle verstopft
und dadurch zu grösseren Bläschen aufgetrieben , wofür auch die
Beobachtung Bob ins spricht, welcher in ihnen ein Flimmerepithel sah.
Die mittlere Haut des Uterus ist vorzugsweise muskulös und
die Muskelfasern ordnen sich im Allgemeinen zu Längen-, circulären
488 Von den Geschlechtsorganen des Menschen.
und Schräglagen, deren spezielle Gruppirung zu erörtern der descrip-
tiven Anatomie zufällt.
Die Ligamenta rotunda uteri, dem Guhernacidum Himteri des
männlichen Körpers entsprechend , haben auch wie das Leitband
quergestreifte Muskeln, während sich in die übrigen Uterus-
bänder , also in die Ligamenta anteriora und posteriora , lata und
ovarii mehr oder weniger glatte Muskelzüge, welche vom Uterus ab-
stammen , verlieren.
§. 447.
scheide. Auch die Wände der Scheide lassen eine ähnliche histologische
Gliederung, wie die vorhergegangenen Abschnitte erkennen. Binde-
substanz ist das Grundgewebe und bildet eine äussere oder Faser-
haut, darauf, zwischen glatten Muskelbündeln, welche nach der
Quere und Länge die Scheide umstricken, hindurchgetreten, entwickelt
sie nach innen eine zweite hautartige Lage, die Mncosa. Das
Bindcgewebsstratum der Schleimhaut, sehr reich an elastischen Fasern,
besitzt ausser den für das freie Auge sichtbaren Querfalten und
warzenartigen Erhebungen noch mikroskopische Papillen mit Gefäss-
schlingen , welche besonders im Scheidengewölbe zahlreich und lang
sind. Schleimdrüsen fehlen. Das Epithelium verhält sich wie das
der Mundhöhle, des Naseneinganges etc., besteht somit aus geschichte-
ten Plattenzellen.
Prostata, j)gj> Prostata des Mannes entspricht beim Weibe, wie
Cowpei'sche t, t- i . i . nr i •
Drüsen. Jti . LeucKavt gezeigt hat, eme grössere Menge von traubigen
Schleimdrüsen, die von der Einmündungssteile der Harnröhre auf der
Grenze zwischen Scheide und Scheidenvorhof sich hinziehen. — Die
Cowper'schen Drüsen des Mannes finden beim Weibe ihr Ana-
logen in den Barth olini' sehen Drüsen, deren Ausführungsgänge
mit glatten Muskeln versehen zu sein scheinen.
soi.amtheiie. Dlc CoTpova cavemosa der Clitoris haben den gleichen Bau,
wie die Schwellkörper des männlichen Gliedes. Li gefässlosen Papillen
der Clitoris will K'ölliher „rudimentäre Tastkörperchen" beobachtet
haben.
Die Haut der Labia majora und L. minora ist ausgezeichnet
durch sehr entwickelte Papillen, ferner durch zahlreiche und meist
sehr grosse Talgdrüsen, die an den grossen Schamlippen zugleich mit
Haarbälgen münden , an den Labia minora gewöhnlich ohne Haare
getroffen werden.
§. 448.
Miici,.irn8en. Dlc Milchdrüscu, beim Manne bloss andeutungsweise vorhanden,
gehören zu den traubenförmigen Drüsen, nur münden sie nicht, wie
andere grosse acinöse Drüsen, das Pancreas z. B., mit einem einzigen
Ausführungsgang aus, sondern mit mehren, achtzehn bis zwanzig.
Milchdrüsen. 489
und können daher in dieser Beziehung etwa mit der Thränendrüse
verglichen werden. — Die Milchdrüsen entstehen nach ihrem zelligen
Theil aus dem oberen Keimblatt (Hornblatt nach Remak), indem die
Zellen desselben gegen die Unterhaut hin wuchern. Die Wucherungen,
anfänglich als solide Auswüchse des Hornblattes erscheinend, höhlen
sich erst später kanalförmig aus. Der bindegewebige Theil der Drüse
[Tunica 'proprio) wird von dem mittleren Keimblatt geliefert. Be-
trachten wir die Milchdrüse histologisch, so erblicken wir dasselbe
Schema der Struktur, wie es bereits oftmals vorgeführt wurde: das
Drüsengestell ist Bindegewebe; in den Endbläschen eine dünne
und homogene Haut, nimmt es an den Ausführungsgängen an Dicke
zu, wird dabei streifig und Bindegewebskörperchen zeichnen sich in
ihm ab. Henle und H. Meckel geben auch an, glatte Muskeln an den
Ausführungsgängen beobachtet zu liaben. — Die Blutgefässe um-
spinnen die Drüsenbläschen mit einem engmaschigen Capillarnetz und
mit den Gefässen treten auch einige feine Nerven in die Drüse ein.
Die Sekretionszellen der Milchdi-üse sind ausserhalb der
Schwangerschaft und Laktationszeit gewöhnliche helle oder leicht
granuläre Zellen , in den Drüsenblasen von mehr rundlich-platter,
gegen die Ausführungsgänge zu eher von cylindrischer Gestalt. Nach
der Conception wandelt sich der Zelleninhalt in Fettkügelchen um,
bis allmähUg die Zellen ganz mit Fetttropfen vollgefüllt ^ind. Solche
Zellen stellen die Colostrumk örperchen vor, d. h. jene maulbeer-
förmigen Gebilde, welche in der unreifen Milch {Colostrum) am Ende
der Schwangerschaft und kurz nach der Geburt vorkommen. Indem
dann die Sekretionszellen wohl durch Theilung sich vermehren mid fort-
während ihren Inhalt in Fettkügelchen umsetzen, erfolgt die eigentliche
Milchsekretion. Die Fettkügelchen werden durch Schwinden derZellen-
membran frei und heissen jetzt Milchkügelchen. Wie die Blutkügel-
chen dem Blute die rothe Farbe geben, so rührt die weisse Farbe
der Milch von den zahllosen in ihr schwebenden Fettkügelchen her.
Letztere scheinen jedoch nicht bloss aus Fett zu bestehen, sondern
noch eine feine Hülle aus Casein zu haben.
Rücksichtlich der BrustAvarze und des Warzen ho f es sei vor-
gebracht, dass in ersterer zwischen den Ausführungsgängen der Milch-
drüse ein Netz glatter Muskelbündel verläuft und nicht minder im
Warzenhof glatte Muskeln kreisförmig herumziehen. Bekanntlich ver-
mag man auch die Brustwarze durch Reizung zum Sichaufrichten zu
bringen. Die Talgdrüsen zeigen im Warzenhof nicht selten eine be-
deutende Entwicklung, so dass sie dem freien Auge als weisse Knöt-
chen sich ankündigen.
Für die Mehrzahl der Thiere wusste man seit langer Zeit, dass die Eier
periodisch reifen und sich vom Eierstock loslösen, ohne dass eine Begattung voraus-
gegangen. Bezüglich des Menschen und der .Säugethiere nahm man exceptionell
an , dass hier erst die Eier in Folge der geschlechtlichen Vermischung aus dem
490 Von den Geschlechtsorganen der Wirbelthifere.
Eierstock austreten. Gegenwärtig steht es (in Deutschland besonders durch die
Forschungen Bischoff s) fest, dass der Mensch und die Säugethiere keine Aus-
nahme machen. Auch bei ihnen reifen d'e Eier und verlassen den Eierstock in
periodisch wiederkehrenden Zeitabschnitten (Brunst der Säuger, Menstruation des
Menschen) und gehen zu Grunde , wenn nicht eine Begattung innerhalb ge-
wisser Zeiträume erfolgt. Der EierstockfoUikel wird dadurch zum Bersten ge-
bracht , dass durch Ausscheidungen aus den Blutgefässen die Menge des Liquor
folliculi sich sehr vermehrt, die Wandungen des Follikels können an ihrem hervor-
ragendsten Punkt nicht mehr widerstehen und platzen. Nach dem Austritt des
Eichens vernarbt der Follikel und verfällt nach und nach einer gänzlichen Ver-
ödung und endlichen Resorption. Im Anfang seiner rückgängigen Metamorphose
unterscheidet man an ihm einen centralen Blutpfropf, von dem Blute herrührend,
welches beim Bersten des Follikels ergossen wurde; die Haut des Follikels hatte,
noch im geschlossenen Zustande des letzteren, zahlreiche, gefässhaltige Granulatio-
nen oder Zellenwucherungen einwärts getrieben, die jetzt um den Blutpfropfen eine
schwammige Rindenlage bilden, und weil an gelbem Fett sehr reich , dem ganzen
Gebilde den Namen gelbe Körper {Corpus luteum) gegeben haben. Unter Dicken-
zunahme der gelben Rindenlage entfärbt sich der Blutpfropf, bis späterhin auch
die gelbe Rindenschicht schwindet, endlich noch später, freilich vielleicht erst nach
Ablauf von Jahren, jede Spur des gelben Körpers ausgewischt ist.
Ueber die feinere Struktur des Corpus luteum hat jüngst Hr. Beckmann
Untersuchungen angestellt und mir davon folgende Beobachtung zu veröffentlichen
erlaubt: „Im gelben Körper einiger Wiederkäuer (Kuh, Ziege, Schaf, 3. — 5. Monat
der Schwangerschaft) sind die bekannten grossen, zarten Zellen, die hauptsächlich
das Corpus luteum zusammensetzen, stets mit mehr weniger ausgebildeten Fort-
sätzen versehen, die bald ziemlich dick bleiben, bald sich in mehre feine Aeste
auflösen und eine Verbindung der Zellen untereinander herzustellen scheinen. Hier-
nach ist es wohl erlaubt, die erwähnten Zellen für Bindegewebskörper zu halten,
wofür übrigens auch ihre Genese spricht.''
Sechsundvierzip'ster Abschnitt.
'ö
Umrisse
fler flamen
Von den Gesclileclitsorganen der Wirbelthiere.
§. 449.
Der Hoden der Wiihcltlnere zeigt in seiner Zusammensetzung
r/.eugcn.iou zalilreiclic Ueberffänffc von lano-en Kanälchen in e-estielte und endlich
li ä 1 1 nie . o cj o O
in stiellose Blasen. So haben wohl die Säugethiere allgemein
lange, vielfach gewundene und sich thcilende Samenkanälchen. Aehn-
lich sind die der Vögel, der Schildkröten, Saurier und
Ophidier (Ringelnatter z. B.); doch schien es mir, als ob die
schlangenförmigen Windungen weniger dicht sich folgten, so dass die
Kanäle öfters einen mehr gestreckten Verlauf annahmen. Schon bei
den Bat räch lern {Proteus z. B.) ist das blinde, nach der Hoden-
Hoden.
491
Peripherie gehende Ende der im Ganzen weniger gewundenen Samen-
schläuche etwas kapselartig erweitert und, indem z.B. an Halamandra*)
maciUata die Drüsenschläuche sich bedeutend verkürzt haben, so ist
damit der Uebergang vermittelt zu Coecilia annulata, wo der Hode
nicht mehr aus Schläuchen , sondern aus gestielten Blasen besteht.
In gleicher Art verhalten sich die Hoden der Rochen, Haie und
Chimären, wo die Ausführungsgänge von mehren Bläschen im
weiteren Verlauf zu grösseren Stämmchen zusammentreten , so dass
zuletzt nur eine massige Anzahl von Vasa efferentia den Hoden ver-
lässt. Bei den Ganoiden, wenigstens beim Stör, trifft man wieder
ziemlich regelmässig quergelagerte Samenkanälchen, im Gegensatz zu
A Ende eines Hoden k anales von Salamandra.
B H o d e n b 1 ä s c h e n von C h i m a e r a.
CEnd spitze des Hodens von Cobitis.
*) Bei Salamandra maculata verliert sich der Hoden von rechts nnd links in
eine graue fadenförmige Endspitze und, von beiden Seiten zusammenlaufend, treten
sie vorne, über dem Magen . in der Mittellinie des Körpers zusammen , was man
gut sieht, wenn etwas Essigsäure in die Bauchhöhle des Thieres geträufelt wird.
Die hierzu gehörige Bauchfellfalte hat glatte Muskeln.
492 Von den Göschlechtsorganen der Wirbelthiere.
den Knochenfischen , wo vielleicht häufig statt der Kanäle blasige
Räume, welche in ein mittleres Cavum als in ihren gemeinsamen Aus-
führungsgang münden, vorhanden sind, was ich zuerst an Cohitis fossilis
sah. Hier grenzt die allgemeine Bindesubstanz der Hoden nach innen
kuglige Räume ab von verschiedener Grösse, in welchen die Sekre-
tionszellen das Sperma bereiten ; auch bei Salmo fario, S. salvelinus,
Cottus gobio finden wir, dass das Gerüst des Hodens ein Fächerwerk aus
Bindesubstanz ist, welches rundlich -polygonale Räume abschliesst und
darinnen liegen die Sekretionszellen. Bei den Vögeln kommen wohl ähn-
liche Bildungen vor. Ich sehe z. B. am Haushahn, Grünhänfling {Fringilla
chloris) nichts von ^,länglichen, geschlängelten Blinddärmchen", sondern-
nur dieselben blasigen, zusammenmündenden Räume, wie bei Knochen-
fischen, während doch andere Forscher {z.^. Berthold vom Staaren)
„die Windungen der Samengefässe" abbilden.
§. 450.
sameu- J^g mögcn uuu Kanälchen oder Blasen die Hodenmasse bilden,
immer unterscheidet man die bindegewebige Tunica ^ropria und die
Sekretionszellen im Inneren. Erstere ist entweder eine dünne, homo-
gene Haut, oder sie wird dicker, streifig und ist dann mit Kernen
versehen. Die Zellen produziren in sich die Zoospermien. über
deren Formverschiedenheiten man die detaillirten Angaben in dem
Artikel „Zeugung von R. Leuckart^ (Wagner's- H. W. B.) zu ver-
gleichen hat. Hier darüber nur so viel. Die Zoospermien der Säuger
haben einen sehr dünnen Schwanzfaden und einen kurzen Kopf, der
mehr oder minder oval und abgeflacht (beim Kameel lang und schmal)
ist. Von etwas auffallender Form sehen wir das Kopfende an den
Zoospermien der Mäuse und Ratten; letztere besitzen auch unter
den Säugethieren die längsten Samenelemente. Die der Vögel sind
ebenfalls linear, das Kopfende langgestreckt, cylindrisch, bei Sing-
vögeln spiralig gedreht. Bei den Amphibien lernen wir mehrerlei
Gestalten kennen, die der beschuppten Amphibien und mancher
Batrachier (Frosch*), Kröte) stimmen so ziemlich mit denen der
Vögel überein, hingegen die Zoospermien von Triton, Balamandra und
Bomhinator sind durch einen eigenthümlichcn undulirendcn Längskamm
oder Membran ausgezeichnet. In der Klasse der Fische schlicssen sich
eleraente.
*) Die Zoospermien von Jtana te'inporaria und Rana esciilenta dilTeriren in
der Form etwas von einander. Die der 7i'. temporaria besitzen einen cylindrisclien
Ko])f, der nach beiden Seiten in eine Spitze anslänt't. Das in die vordere Spitze
auslautende Ende ist kürzer als das hintere lilngere, welches man mit dem Namen
des Schwanzes bezeichnet. Der Kopf isi bei weitem zarter als der von 7i'. escu-
leiita. iJei dieser ist derscdlie zwar ebenfalls cylindriseli, aber \(in hetri'h htlicliercm
Querdurchmesser und vorn gerad(! abgestutzt, wälirend das hintere Ende nicht all-
mJlhlig, wie bei li. temporaria, sondern scharf abgesetzt in einen langt ii und aus-
nehmend feinen Schwanz übergeht. Vcrgl. An/cerrnaiin in Zlschr. f w. Z. 1856,
Zoosperniien.
493
die Samenkörperchcn der Selacliier jenen der Vögel an; an denen der
Teleostier ist der Kopf meist klein, kugelförmig (bei Dactyloptera
voUtans und Salmo fario finde ich ihn birnförmig und vorn quer
abgeschnitten ; von ähnlich birnförmiger Gestalt ist das stark glänzende
Kopfende bei Salmo salveli'nus , hier aber noch deutlich vorn mit
einer Einkerbung) ; der Schwanzfaden ausserordentlich dünn und zart.
Fig. -240.
Verschiedene Formen von Zoosperniien der Wirbel thiere.
A Von .Säugern: a des Menschen, b der Ratte, c vom Kaninchen,
B Von Vögeln.
C Von Amphibien : a des Frosches, b des Salamanders (daneben eine Samen-
zelle mit zusammengerolltem Zoosperm).
D Von Fischen: a der Chimaera, b vom Barsch, c von Dactyloptera, d von
Salmo Salvelinus. (Starke Vergr.)
§. 451.
Die Zoospermien scheinen häufig ganz homogener Natur zu sein und
ohne Spur weiterer Differenzirung; doch ist von manchen Formen neuer-
dings eine gewisse Zusammensetzung nachgewiesen worden, selbst wenn
wir von dem Organsystem, welches Valentin in den Zoospermien des
Bären zu erblicken glaubte, absehen. Man unterscheidet nämlich an
den Samenelementen, z. B. der Molche, eine allgemeine äussere
Umhüllungshaut , welche den Hauptfaden des Schwanzes und den
Kopf als zarte, strukturlose und durchsichtige Haut allenthalben um-
kleidet und am Rücken des Schwanzfadens eine senkrecht stehende
DupHkatiir — die undulirende Membi'an — bildet. Unter dieser Um-
hüllungshaut liegt am Kopf die Schlauchhaut, welche, angefüllt von
einer das Licht stark brechenden FUissigkeit, den Kopf darstelle. Der
Hauptfaden des Schwanzes scheine solid zu sein. [Czermak.)
Die Bewegungen der Zoospermien geschehen auf sehr mannich-
faltige Art, schlängelnd, drehend, hüpfend, bohrend etc. ; bei Wirbel-
thieren sind keine „starren'^ Samenelemente bekannt. Worin die
494 Von den Geschlechtsorganen der Wirbelthiere.
Bewegungen der Samenelemente begründet sind, weiss man so weni
wie von allen anderen Lebensakten. Was man gegenwärtig von
physikaliscli-chemisclien und andererseits von vitalen Ursachen hinüber
und herüber redet , ist bloss ein Austausch von Stichwörtern ohne
irgend einen scharfen Begriff.
§. 452.
Hoden der Wcun bci dcu Batracliiem, z. B. den Salamandern, Coecüia, der
Hoden schon äusserlich in mehre Abtheilungen zerfällt, so ist der
Inhalt der Sekretionszellen nicht in allen Partien der gleiche. Bei
Salamandra maculata z. B. wechselt die Farbe der einzelnen Ab-
theilungen des Hodens zwischen weiss, grau und schwefelgelb. In
den grauen Lappen enthalten die Zellen eine blasse, feinkörnige Masse,
der grosse Nucleus hat mehre Nucleoli. Die Portionen von schwefel-
gelber Farbe haben in denselben Zellen gelbe Fettkügelchen und
nur aus den weiss aussehenden Gegenden des Hodens gewinnt man
Zoospermien.
In hohem Grade merkwürdig verhält sich der Hode von europäi-
schen und exotischen Krötenarten , da er in zwei Substanzen sich
scheidet, von denen die eine eiähnlicheGebilde (bei Bufo
viridis von den Eierstockseiern gar niclit unterscheidbar) produzirt,
die andere Zoospermien. Man kann sich bei der Untersuchung des ge-
dachten Organes des Gedankens an eine rudimentäre Zwitterbildung
kaum entschlagen und es hat auch Jakobson, der diese seltsame
Bildung zuerst sah, sie für ein rudimentäres Ovarium erklärt. Bidder,
welcher es darauf beschrieb, hält das Organ für eine accessorische
Drüse; zuletzt haben v. Witt ich und ich selber (a. a. O.) Mittheilungen
darüber veröffentlicht.
§. 453.
Huue, y\[\Q in anderen drüsigen Theilen verdichtet sich das Binde-
rigmeute ^
de» Hod-n. gewebe, welches die Kanälchen oder Blasen des Hodens zusammenhält,
zu einer das Organ nach aussen abschliessenden Hülle, der Tunica
albuginea , welche auch Septcn, bei niederen Wirbelthieren von
mehr zarter, bei höheren, namentlich den Säugern^ von stärkerer Art,
in die Hodensubstanz hineinschickt, wodurch die Samenkanälchen in
Partien sich absondern. Bei den Säugethieren verbinden sich die
Septa zu einem oft sehr mächtigen Corpus Highmori, dessen Binde-
gewebe dann auch feinere und dickere elastische Fasern enthält und
auch Nervenfcisern sehen lässt. Bei Säugern iiiii und wieder, bei
Pterojms z. B., ist die Albuginea des Hodens sclnvarzblau pigmentirt,
häutiger bemerkt man solches bei Batrachiern (Fröschen, Kröten),
doch unterliegt die Pigincntirung nach den Individuen und selbst nach
den beiden Hoden eines und desselben Thieres grossen Schwankungen.
Auch bei Vögeln beobachtet man pigmentirte Hoden; ich sah bei
der Bachstelze {Motacilla alba) und dem Gimpel {Fyvrliula) den einen
Nebenhoden. 495
Hoden farblos, während Lei dem anderen die gewundenen Samen-
kanälchen rings herum schwarz gefärbt waren.
§. 454.
Eine dem Säugethierhoden wohl allgemeine Erscheinung zeiien-
zeigt sich darin , dass das die Samenkanälchen verknüpfende Binde- ^wuehirden
gewebe noch eine zellen artige Masse enthält, welche, wenn nur samen-
• • 1»«- T-i ix/»Tx-4 l< anal eil en,
in genngcrer Menge vorhanden, dem Lauf der Blutgefässe folgt, hin-
gegen die Samenkanälchen allenthalben einbettet, wo sie an Ausdehnung
sehr zugenommen hat und beim Eber in so extremer Entwicklung
auftritt, dass der Durchschnitt des Hodens davon ein chokoladefarbiffes
Aussehen erhält, indem man schon mit freiem Auge wahrnimmt, dass
die Samenkanälchen in eine Substanz von der bezeichneten Farbe ein-
gelagert seien. Aehnlich ist es beim Pferd. Der Hauptbestandtheil die-
ser Masse sind Körperchen von fettartigem Habitus, in Essigsäure und
Natronlösung unveränderlich, farblos oder gelblich gefärbt, sie umlagern
helle, t)läschenförmige Kerne und man darf sie wohl solchen Binde-
substanzzellen an die Seite setzen , welche , wie z. B. Fett - und
Pigmentzellen , mit besonderem Inhalte versehen sind. — Auch der
Hode von der Eidechse {Lacerta agilis) besitzt reichlich zwischen
den vielfach gewundenen Samenkanälchen dieselbe Masse: Zellen-
haufen mit scharfconturirtem, gelbbraunem Inhalt. In Kalilauge ent-
färben sich die Kügelchen und sehen dann wie Fettpünktchen aus.
Die Blutgefässe und Nerven halten sich wie überall in ihrer
Verästelung an das Bindegewebe des Hodenparenchyms.
§. 455.
Im Nebenhoden der Säuger, Vögel, beschuppten Amphibien Nebenhoden
und Selachier ist die Tunica propria der Samenkanälchen bedeutend
dicker geworden, so dass sie ein geschichtetes oder gefasertes Aus-
sehen angenommen hat; auch treten jetzt glatte Muskeln hinzu, welche
nie an den Samenkanälchen im Hoden selbst vorkommen, und die
Muskulatur verstärkt sich in dem Grade, als sich die Kanäle dem
Vas deferens nähern. Bei den beschuppten Reptilien flimmern
die Epithelzellen der Nebenhodenkanäle, was ich z. B. bei Lacerta
agilis und Emys europaea sah. Und da Becker (s. oben) auch ein
Flimmerepithel beim Menschen im Kopfe des Nebenhoden gefunden
hat, so ist es sehr wahrscheinlich, dass nicht minder die übrigen
höheren Wirbelthiere , also die Säuger und Vögel Flimmerung
im Nebenhoden besitzen werden. Berücksichtigung verdient ferner,
dass wie ich (a. a. O.) beschrieben, bei der Eidechse die einzelnen
Kanäle des Nebenhoden flas chenförmige Erweiterungen zei-
gen, wie die Kanäle der Wolf sehen Körper, wesshalb daran erinnert
sein mag, dass die Nebenhoden bei den höheren Wirbelthieren eben-
falls nur umgewandelte Urnieren vorstellen und bei den Batrachiern
ein Theil der Niere zum Nebenhoden wird und dann der Ureter als
496 Von den Geschlechtsorganen der Wirbelthiere.
Harn- und Samenleiter zugleich fungirt. Hiebei geschieht die Ver-
bindung der Vasa eß'erentia testis entweder mit dem vordersten Theil
der Niere, mit der Spitze, und diese kann sich auch von der übrigen
Nierenmasse in einzelnen oder mehren Läppchen isoliren, welche
ganz füglich als Nebenhoden bezeichnet werden können , so beim
Triton, Salamandra, Proteus \ oder es findet keine solche sich auch
äusserlich kundgebende Scheidung in Niere und Nebenhoden statt,
und dann ist die Niere zugleich Nebenhode. Nähere Erörterungen
über diesen Gegenstand, der mehr in die vergleichende Anatomie
und Entwicklungsgeschichte hineinschlägt, siehe in d. Beitr. z. morpli.
und histolog. Entwicklung der Harn- und Geschlechtswerkz. d. nackt.
Amphib. von v. Wittich, Ztsch. f. w. Z. 1853, und Leydig, anat.-
hist. Unters, üb. Fische und Rept. 1853, sowie die früheren Schriften
von Bidder: vergleichend anatomische und histologische Unter-
suchungen üb. d. männlichen Geschlechts- und Harnwerkzeuge von
nackten Amphibien 1846 und Lerehoullet: Recher ches sur Tanatomie
des organes genitaux des animaux vertebres in den Nov. Act. Leop. 1851.
Fig. 241.
Ein .Stück Nebenhoden von Laccrta agilis mit den Erweiterungen a a
der Kanäle. (Geringe Vergrf)
§. 456.
Samenleiter. Das Selbständige Vas deferens der Säuger, Vögel, beschuppten
lleptilicn und Selacliier besitzt immer eine mehr oder minder ent-
wickelte, gkatte Muskulatur, und an Säugethieren sieht man, dass die
Samenleiter selir nervenreich .sind. Nicht eben allgemein verbreitet sind
Drüsen in der Wand der Ductus deferevtes, bei Vögeln wenigstens,
Sauriern (Angia's fragilis) und Schlangen (JJoluher natrix) mangeln
Drüsen; hingegen trifft man sie ziemlich durchgchends bei Säuge-
thieren, hier sind gemeiniglich die Samenleiter an ihrem unteren
Ende erweitert, so bei Affen, Fledermäusen, JSlustela vulgaris, Ka-
ninchen, Biber, Wiederkäuer, und überall ist die Erweiterung bedingt
Samenleiter. 497
durch Drüsen, welche entweder ganz einfache Säckchen darstellen
oder auch seitliche Ausstülpungen haben. Manche Nager, wie Ratten
und Mäuse, entbehren zwar die drüsige Anschwellung der Ductus
deferentes , dafür aber münden in dieselben freie Drüsenbüschel
ein. Offenbar dient der drüsige Apparat dazu, das Volumen des
Samens zu vermehren, und ihm wohl auch spezifische Säfte beizu-
mischen.
Sehr analoge Verhältnisse gewahren wir bei Rochen, Haien
und Chimären: es nimmt der Ductus deferens der Plaglostomen
nach hinten an Durchmesser zu, verdickt sich und hat ein ge-
wisses, durchscheinendes Aussehen, was davon herrührt, dass die
Schleimhaut nach innen mit Querfalten vorspringend , Drüsenrüume
erzeugt, die eine Flüssigkeit absondern, in welcher erst die Zoosper-
mien ihre Lebendigkeit und letzte Ausbildung erhalten. Wo bei
Chimaera monstrosa die vielfach verschlungenen Windungen des
Samenleiters aufhören und der gerade Verlauf beginnt, erweitert er
sich schlauchförmig, schnürt sich jedoch wieder so ein, dass die Er-
weiterung in ein oberes längeres Stück und in ein unteres kürzeres
zerfällt. Eine nähere Untersuchung stellt heraus, dass die Erwei-
terung, welche nach oben weiss, in der Mitte schön grün, am unteren
Ende weissgrau ist, aus lauter quei'gelagerten Kammern der Schleim-
haut besteht und gleichfalls die Bedeutung von Drüsenräumen bean-
spruchen können.
Mit dem Ductus deferens hängt bei Rochen, Haien und Chimären
noch eine grosse Drüse zusammen, die wohl einem W^olfschen
Körper verglichen werden kann. Sie besteht aus sehr langen, viel-
fach hin- und hergewundenen Kanälchen, welche ein grosszelliges Cy-
linderepithel besitzen. Eine Anzahl von solchen Kanälen vereinigt
sich immer zu gemeinsamen Gängen, um damit von Strecke zu
Strecke in den Ductus deferens einzumünden.
Der gemeinsame Harn-Samengaug der Batrachier besteht aus
Bindegewebe, dem, besonders nach abwärts, glatte Muskeln (sehr deut-
lich beim Proteus) eingemischt sind. Mitunter ist er, z. B. bei üala-
mandra^ Triton, stark schwarz pigmentirt, bei Bombinator igneus hat
er theilweise, indem der Kanal in kurzen Touren sich windet, ein
dickliches, nebenhodenartiges Aussehen und ist lebhaft weiss. Das
Epithel des Ganges wird allgemein aus cylindrischen Zellen zusam-
mengesetzt, bei Bombinator haben die langen Cjlinderzellen in ihrem
nach dem Lumen des Kanales gewendeten Abschnitt eine fenikörnige
Inhaltsmasse und was, in soweit meine Erfahrung geht, ebentalls nur
der Feuerkröte zukommt, im vorderen blinden Ende des Kanales
tragen die Zellen auch Wimperhaare.
In den Harn-Samengang der Batrachier senkt sich noch, hoher
oder tiefer, wie solches nach den Arten verschieden ist, der übrig
gebliebene Ausführungsgang des Wolfschen Körpers ein. Er hat
Lieydig, Histologie. 32
498 Von den Geschlechtsorganen der Wirbelthiere.
bei manchen Arten ein deutliches Orificium abdotninale an seinem
vordren Ende und besteht aus einer bindege-webigen Memhrana propria
und einem hellen Epithel, das im obersten Abschnitt bei Rana und
Bomhinator flimmert. Beim Landsalamander umschliesst diesen Ductus,
sowie den Harn-Samengang, eine Strecke weit eine gemeinschaftliche
bindegewebige Hülle. Sein Epithel ist hier aus langen Cvlinderzellen
gebildet. Bei manchen Batrachiern (Landsalamander, Menojjoma) haben
sich auch noch Reste des Wolf sehen Körpers (Müller'sche Drüse), vorne
in der Bauchhöhle erhalten, in Form eines knäuelartig gewundenen
Kanales, welcher deutlich aus Tunica propria und klaren Epithelzellen
zusammengesetzt ist.
§. 457.
Samen- r^^^ ^^^^ a c c c s s o r 1 s c h c u Geschlechtsdrüsen hat man zu
blasen.
rechnen die sog. Samen blasen, die Prostata und die Cow-
p e r's c h e n Drüsen der Säugethiere, sowie den aufgezälilten Drüsen
entsprechende Gebilde bei Vögeln, Re|)ti]ien und Fischen.
Die fälschlich sog. Samen blasen sind bei keinem Säugethier
Behälter des Samens, sondern immer drüsige Apparate; sie haben
entweder dicht stehende mikroskopische Drüsenträubchen, die eine
mehr oder weniger dicke Schicht unterhalb der glatten Muskulatur
bilden, wie man dies bei AfFen, Handflüglern , Mäusen, beim Stier
u. a. sieht, wo dann ein mittlerer, gemeinsamer Hohlraum alle Einzel-
ausführungsgänge aufnimmt, oder die ganze Samenblase erscheint
wie beim Eber nach dem Typus einer traubenförmigeii Drüse gebaut
mit kleinerbsengrossen letzten Endbläschen. Das Secret der sog.
Samenblasen, welches häufig unter der Form von Klumpen einer
hellen, eiweissartigen Substanz auftritt, stimmt durchaus mit dem Se-
cret der Prostatadrüsen überein.
Prostata. Dic V o r s 1 0 li c r d r ü s c u der Säugethiere sind nach zwei Typen
organisirt. Bei dem ersten bestehen sie aus mikroskopisch kleinen
Blasen oder Schläuchen , die traubenförmig gru])pirt sich zusammen-
thun und durch engerwerdende Ausführungsgänge unmittelbar einzeln
in die Harnröhre münden (bei Affen, Fledermäusen, Fleisch-
fressern, Eber, Ziegenbock, theilweise auch beim Stier), oder
die Drüsenbläschen münden erst, wie bei den sog. Samenblasen, in
einen grösseren, allgemeinen Hohlraum der ganzen Drüse aus, welcher
schliesslich in den Anfangstheil der Harnröhre mündet (bei Wieder-
käuern), wieder in eincnn andren Falle liegen die letzten Drüsen-
bläschen um grössere 1 lolilräume, aus welchen sich erst der Aus-
führungsgang fortsetzt, die ganze Drüse hat dann auf dem Durch-
schnitt ein mehr schwammiges oder blasiges Aussehen (Pferd, Del-
phin), während bei der vorhergehenden Anordnung die Drüse im
Ganzen ein eher solides Aussehen auf dem Durchschnitt zeigt. Der
zweite Typus wird dadurch vorgestellt, dass die Drüsenelemente der
Prostata.
499
Fig. 242.
et-
Ende eines Sclilauches aus der vorderen Prostata des Kaninchens.
a glatte Muskeln , b Cylinderepithel , c Prostatasteinchen im Lumen des
Schlauches, d ein solches durch Druck vom Rande aus eingerissen, e ein
kleinstes, welches erst eine incrustirte Zelle darstellt. (Starke Vergr.)
1 -.«.
Prostataläppchen der Vesper tili o scroti nus.
a die Hülle glatter Muskeln mit ihren cylindrischen Kernen, b die Drüsen-
bläschen, angefüllt mit Zellen, c die Kerne des Bindegewebes, welches die
Drüsenbläschen bildet. (Starke Vergr.)
32*
500 Von den Geschlechtsorganen der Wirbelthiere.
Prostatca lang ausgezogene, in den meisten Fällen geth eilte, sehr ent-
wickelte Blindschräuche sind, nur locker durch Bindegewebe mit
einander zu Büscheln vereinigt, von dieser Art finden wir die Prostata
bei Insektenfressern und Nagern. Gewöhnlich umgeben solche
Vorsteherdrüsen in meiirfacher Zahl den Anfang der Harnröhre und
wenn auch äusserlich nur ein einziges Paquet von Blindschläuchen
vorhanden scheint, so weist doch die mikroskopische Prüfung eine
Verschiedenheit des Secretes nach (Kaninchen z. B.): auch bei
Batten und Mäusen, beim Igel, unterscheiden sich die Prostata-
paare nach ihrem Secret, indem die einen eine fettähnliche, die anderen
eine eiweissartige Substanz abscheiden. Auch bei anderen Säugern
sondern die verschiedenen Partien der Prostata ein verschiedenes
Secret ab. Zur Austreibung des Secretes aus der Drüse dienen glatte
Muskeln, welche einen constanten Gewebstheil der Prostata ausmachen.
Entweder bilden die Muskeln nur einen Ueberzug über die einzelnen
Schläuche (z. B. bei Insektenfressern, Nagern) und das Binde-
gewebe zwischen den Drüsenschläuchen entbehrt der contractilen
Elemente, oder es erscheinen auch in diesen Balken glatte Muskeln,
die dergestalt zunehmen können, dass sie einen gleichgrossen oder
selbst einen grösseren Volumtheil als die eigentlichen Drüsenelemente
einnehmen und auch an der Peripherie der Drüse sich so zu einer
continuirlichen Schicht entwickeln, dass die Drüse eine glatte, mus-
kulöse Aussenfläche hat. Ferner können sich zu den glatten Muskeln
noch quergestreifte gesellen, die als unmittelbare Fortsetzung vom
M. aretliralis her theilweise (Katze, Wiesel, Ebei-, Stier) oder
ganz (Delphin, Beutelthier) über die Prostata hinziehen. —
Endlich ist noch für den Bau der Prostata hervorzuheben, dass die
Nerven dieser Drüse in Ganglien anschwellen.
§. 458.
Die Oowper'schen Drüsen der Säugethiere, eine bald rund-
liche, bald birnförmige, oder mehr längliche, auch wohl eine seitlich
comprimirte Form darbietend , bestehen immer aus dem bindegewe-
bigen Gerüst, welches das Schema einer ti-aubenförmigen Drüse
einhält und die Secretionszellcn stützt; dazu kommt eine verschieden
starke, muskulöse Hülle, aus (piergestreiftcn Fasern gebildet, beson-
ders dick z. B. beim Kater, den B eutelthi er en. Die Muskel-
hülle, welche die Entleerung des DrüseninhaUes besorgt, gehört ent-
weder der Drüse ganz selbständig zu, oder sie steht in Verbindung
mit nali gelegenen Muskeln, wie mit dem M. hulbo-cavernosus , M.
tschio-cavernosus, M. nrethralts, in welch' letztren die Drüse unmittel-
bar eing(!bettet sein kann. Im Innren der Drüse , zwischen den
Träubciien, trifft man übrigens auch bei mehren Säugcthieren Balken
von glatten Muskeln. Der Ausfiiliniugsgang wird öfter noch von
Drüsenbläschen begleitet. Hier mag endlich des Uterus masculinus
Cowper'sche Drüsen.
501
Fig. 244.
-Z.
Cowper'sche Drüse von M n s nm s c u 1 u s.
a die aus quergestreiften Muskeln bestehende Hülle, b die bloss durch Conturen
der Bündel angedeutete andere Hälfte dieser Muskelhülle, c die Drüsenblasen
in Läppchen gruppirt, angefüllt mit Zellen , d kleinere Drüscnbläschengruppen,
welche sich am e Austührungsgang finden, f Arterie, welche zur Drüse geht,
g Remak'sche Nervenbündel , h ein Nervenstämmchen dunkelrandiger Fasern,
welche sich i in der Muskelhülle verbreiten, k Vene, welche aus der Drüse
führt, 1 Stelle der Drüse, welche nur Bindegewebe hat, gleichsam die Sehnen-
ausbreitung des Muskels, m Bindegewebe, welches den Ausführungsgang, die
Blutgefässe und Nerven umhüllt.
502 Von den Geschltchtsorganen der Wii'Vjelthiere.
uteiuB p-educlit werden nach Untersuchungen, die am Eber, Pferd efoh-
'""""■ leu, Kaninchen, Biber und Delphin angestellt wurden. Mit
Ausnahme des Delphins formen bei den übrigen genannten Säuge-
thieren glatte Muskeln einen Hauptbestandtheil des Organes, und
zwar sind si& beim Kaninchen mehr geflechtartig verbunden, beim
Biber, Eber, Hengst verlaufen sie einfacher nach der Länge. Die
Schleimhaut des männlichen Uterus besitzt auch Drüsen von dem-
selben Bildungstypus, wie die Drüsen im Uterus des entsprechenden
weiblichen Thieres, so zeigt das Kaninchen rundliche 8äckchen, der
Eber lang ausgezogene, in Knospen und Fortsätze sich weiter buch-
tende Schläuche.
§. 459.
Acces- Ueber drüsige Gebilde, die etwa bei Vögeln als Prostata ange-
Gelchiechts- sprochcu werden können, liegen noch keine histologischen Mitthei-
/'*!'!", luneen vor: ich selber vermisse bei dieser Klasse bisher iegliche
der Vogel, o ' ^ <^
Reptilien, accessorisclic Geschlechtsdrüse.
F i s c li e
Bei den geschwänzten Batrachiern müssen die Becken- und
Afterdrüsen, welche in die Kloake münden und während der Begat-
tungszeit anschwellen, für Vorsteherdrüsen und Cowper'sche Drüsen
gelten. Am männlichen Thier von Salamandra und Triton wird die
ganze Kloake von einer starken Drüsenschicht umgeben, welche
deutlich nach der Beschaffenheit ihres Secretes von zweierlei Art ist.
Die eine Drüse färbt (bei Salamandra maculata^ den vorderen Ab-
schnitt der Kloake weissgelb und ragt selbst noch in die Beckenhöhle
vor, ja erstreckt sich bei Triton {punctatus), einen grossen, plattrund-
lichen Körper bildend, weit in die Bauchhöhle vor; es grenzen sich
diese Drüsenportionen scharf ab von der den hinteren Abschnitt der
Kloake umschreibenden Drüse, welche eine graue Färbung zeigt.
Die Drüsenschläuche sind in den beiden Partien so gross, dass sie
mit freiem Auge wohl unterschieden werden können. Die Secretions-
zellen der vorderen wcissgelbcn Drüse haben einen körnigen, in Al-
kalien löslichen Inhalt, die hintere Drüse hingegen produzirt eine
mehr helle, fndenziehende, klebrige Substanz, und jeder Drüsen-
Bchlauch wird von glatten Ringmuskeln umstrickt, um das Secret aus-
quellen zu machen {Salamandra macidata).
Bei Sauriern {Lacerta agilis inid Anguis fragüis) beobachte
ich ähnliche Organe von zweierlei Art. Unter der Mucosa der Kloake
von Eidechsen liegen in gleicher Eichtung mit der Basis der Fenes
zwei weissgelbe, dicke Wülste, die durch Drüsenhaufen von sackartig-
traubiger Form gebildet %verden. Das Secret ist dunkelkörnig. Zwei-
tens sitzen Drüsen in der Wand der Samenpapillen , deren Secret
von heller Beschaffenheit ist, so dass demnach eine ähnliche Schei-
dung wie bei den Salamandern statt hat.
Von den Geschlechtsnebendrüsen der Fische, angeblich von
Oohms, Mullus harhatus, Colitis fossilis etc., lauten die bisherigen
Ruthe. 503
Angaben bloss dahin, dass sie Agglomerate von Bläschen seien, die
durch Kanäle mit dem Vas deferens zusammenhängen.
§. 460.
Den männlichen Säugethieren kommt allgemein eine von der ituthe,
Harnröhre durchbohrte Ruth e zu. Bei den Vögeln haben nur die
meisten Struthionen, einige hühncrartige Vögel und mehre Schwimm-
vögel einen wirklichen Penis, endlich unter den Amphibieji sind
die Schildkröten mit einem, Schlangen und Eidechsen mit doppeltem
Begattungsorgan ausgerüstet. Der Penis der Vögel und Amphibien
erscheint nie durchbohrt, sondern hat bloss eine kanalartige Ver-
tiefung, eine Rinne, die zum Abflüsse des Samens dient.
Das formgebende Gewebe der Ruthe ist immer Bindesubstanz
mit elastischen Fasern , welches, sich zu einem Areolarwerk umbil-
dend, in die Maschenräume Blut aufnimmt und so die Corpora caver-
nosa darstellt, die bei Säugern ziemlich allgemein durch bindege-
webige Scheidewände in die Schwellkörper des Penis und in die der
Harnröhre zerfallen. In die Balken der Corpora cavernosa sind glatte
Muskeln eingeflochten; nach Corti fehlen in den Trabekeln des Cor-
pus cavernosiim penis vom Elephanten die Muskeln , während sie in
den Trabekeln des Corpus cavernosum uretlirae sich finden.
Beim Penis der Vögel liegt entweder bloss um die Rinne herum
cavernöses Gewebe, oder es verbreitet sich auch, wie beim afri-
kanischen Strauss im Inneren der Ruthe ein Corpus cavernosum.
{Joh. Müller:'')
*) Den Penis eines jungen Gänserichs fand ich von folgender histologischer
Zusammensetzung. Die eigentliche Stütze der Kuthe hildeten zwei innere, feste
Achsenstränge von weisser Farhe, welche aus derheni Bindegewebe bestanden. Sie
wurden von einer Fortsetzung der Schleimhaut der Kloake so umwickelt, dass sich
eine gekrümmte Furche von der Basis zur Spitze der Euthe hinzieht. Zwischen
dem Achsenstrang und der die Kinne bildenden Mucosa liegt ein Corjjus caver-
nosum, an dem ich ausser dem Bindegewebe und den Gefässen die glatten .Muskeln
unterscheide. Die Schleimhaut der Khnike, welche sich schon ausserdem in dichte,
mit Gefässschlingen versehene Papillen erhebt, erzeugt an der Basis des Penis
stärkere, dem freien Auge unterscheidbare, blattartige, quergestellte Papillen oder
Leisten, die nach der Spitze des Penis zu wieder an Grösse so abnehmen, dass sie
hier nur mit dem Mikroskope nachgewiesen werden können. Das Bindegewebs-
stratum der die Papillen bildenden Jlucosa ist von fester, fast knorpelartiger Con-
sistenz und zeigt in homogener Grundsubstanz sehr dicht liegende Kerne. Der
zellige Ueberzug der Mucosa ist ein geschichtetes Plattenepithel , das am ange-
wachsenen Ende der Ruthe über den starken queren Leisten etwelches körniges
Pigment hat, so dass das freie Auge einen grösseren und einen kleineren schwärz-
lichen Fleck da wahrnimmt. Bis zur Spitze der Ruthe beobachtet man Nervenfasern.
Die Papillen, mit welchen die Samenleiter in der Kloake ausmünden,
besitzen, wie ich wenigstens an Fringilla chloris bemerke, Muskeln imd zahlreiche
Gefässe, aber nichts von einem Corpus cavernosum. Die Samenleiter bilden auch
hier die von Bert hold zuerst an Sturnus, Lanitts und Turdus, von P. Wagner an
Fringilla coelebs beschriebenen Verknäuelungen kurz vor dem Eintritt in die Kloake.
504 Von den Geschlechtsorganen der Wirhelthiere.
Bei Sauriern und Opliidiern umgiebt angeblich cavernöses
Gewebe die sclilauchartigen Penes scheidenförmig ; die Euthe der
Schildkröten und Krokodille scheint nach ihrer ganzen Länge, nament-
lich aber an der Eichel ein entwickeltes Schwellgewebe zu besitzen.
Das bindegewebige Septum der Corpora cavernosa ossifizirt bei
vielen Säugethieren (den meisten Affen, Fledermäusen, Fleischfressern,
Nagern und Walen) und entwickelt sich dadurch zum Penis-
knochen, der „vorne häufig mit einer knorpeligen Epiphyse ver-
sehen ist." Bei Vespertilio pipistrellus , wo er der Kleinheit wegen,
leicht in toto mikroskopisch zu untersuchen ist, hat er vorne zwei.
Spitzen, und hinten geht er ebenfalls in zwei dicht beisammen liegende
Anschwellungen aus, in letzteren sieht man fetthaltige Markräume
ohne Blutgefässe, im übrigen Theil sind nur Knochenkörperchen zu-
gegen. Bei Coluber, so wenigstens finde ich es bei der Ringel-
natter, sind die Stacheln der im eingestülpten Zustande inneren Haut
des Penis ossifizirte Papillen, also gleichfalls verkalkte Bindesub-
stanz. Wahrscheinlich ist die Bewaffnung der männlichen Glieder
andrer Schlangen von derselben Beschaffenheit: Otto bildet nämlich
(in Carus und 0. Erläuterungstafeln z. vergl. Anat. Heft V., Taf. VI.)
die Penes von Dryinus lineolatus ab , welche mit fünf grossen und
vielen kleinen Stacheln besetzt ist. Da nun in der Erklärung bemerkt
wird, dass alle die Spitzen „eine feste Hornschcide" haben, so darf
man vermuthen , dass die eigentliche Substanz des Stachels, wie bei
Coluher, ein Hautknochen ist. Nach Otto trägt auch jeder Penis der
Coluler acontia Stacheln. — Bei Python ist die Schleimhaut des
Penis glatt.
Gar merkwürdig verhalten sich die Papillen im Penis der Blind-
schleiche {Änguis fragilis). Es besteht hier jede Papille aus einer
bindegewebigen Schale und einem inneren , die Huuptmasse aus-
machenden Kern , der sich für den ersten Anblick einer grossen,
schlauchfJrmigen Drüse vergleichen lässt. Allein die Kernmasse ist
solid und weist sich bei näherer Prüfung als ein verhorntes
Epidermisgebilde aus. Die Papillen sind vorne offen und ein
keulenförmiger Fortsatz füllt das Innere der hohlen Papille aus. Die
Zellen liegen dicht beisammen und stellen eine feste Stütze für die
Papille her. Nach Einwirkung von Kalilauge quellen die, w^inzige
P'ettpünktchen noch einschliessenden Zellen auf und zeigen jetzt die-
selben Eigenschaften, wie die Epidermiszellen. Ich kenne vorläufig
kein zweites Beispiel, duss, um Papillen steif zu machen, die Epidermis
in diese hinein verhornte Wucherungen schickt, da ja gewöhnlich
sonst dieses Zweckes wegen die Epidermis eine äussere verhornte
Scheide um die Papille erzeugt.
Der epitheliale Uebei-zug der Eichel ist bei Säugern entweder
weich, oder die Zellen sind sehr verhornt und geschichtet. Dadurch
Riitlie.
505
Zwei Papillen aus dem Penis der Blindschleiche.
(Nach Zusatz von Kalilauge.)
a die bindegewebige Hülle, b der die Papille innen ausfüllende Zapfen der
Epidermis c. (Starke Vergr.)
entstehen die harten Warzen bei der Spitzmaus, dem Igel (bei letzte-
rem enthalten die Zellen schwärzliches Pigment), selbst die rückwärts
gerichteten Stacheln bei der Katze, dem Maulwurf, Favadoxurus tyjms,
die Haare beim Hamster, die gezähnelten Platten etc. entwickeln sich
auf diese Weise. — Auch den Penis (und Clitoris) von Crocodilus
lucius sah Otto überall mit feinen Hornspitzen besetzt. — Das Epithel
des, einen ausstülpbaren Hohlcylinder bildenden Penis von Lacerta
agilis finde ich von sehr seltsamer Form. Die Innenhaut des Penis
nämlich , deren bindegewebige Grundlage zierlich gefaltet erscheint,
ist mit Zellen überdeckt, von denen jede an der freien Seite in eine,
von der Zelle abgesetzte knopfförmige Verdickung übergeht, die selbst
wieder eine Anzahl kleiner Höckerchen hat. Die Knöpfe sind schärfer
conturirt als die Zellen und halten sich in Kalilauge. (Nach aussen
von der Innenhaut kommt eine quergestreifte Muskelhülle, das caver-
nöse Gewebe zwischen beiden habe ich mir noch nicht zur Ansicht
bringen können.)
Fig. 246.
Ein Stück Epithel aus dem Penis der Eidechse. (Starke Vergr.
506 Von den Geschlechtsorganen der Wirbelthiere.
§■ 461.
Vorhaut- Die V orlia utdrü s en der Säuger zeigen zwei verschiedene
_rusen. -jiypgjj . entwedcr gehören sie zu den gewöhnhehen traubenförmigen
Talgdi'üsen und erreichen bei Ratten und Mäusen eine bedeutende
Grösse. Sie sondern ein fettartiges Sekret ab. Im anderen Falle,
so z. B. beim Biber und Wiesel, sind die Vorhautdrüsen einfache,
sackartige Ausstülpungen des Praeputium selber, die Innenhaut bildet
Fältchen und Zöttchen und ist mit mehren Zellenlagen überdeckt, von
denen die äusserste sich immer als Sekret abstösst und das Smegma
liefert. — Aehnlich verhält es sich mit den s. g. Anal sacken von
Coluher. Die äussere Haut des Sackes ist (bei der liingelnatter) fibrös,
nach innen folgt ein grosszelliges Plattenepithel, welches in sich Fett-
tropfen produzirt. Die äussersten Zellen lösen sich fortwährend in
conthmo ab und bilden mit den Fetttropfen eine gelbe, hautartige
Lage, die leicht abfällt, wenn man den Analsack einschneidet. Diese
Haut zerfällt in einen gelblichen Brei von penetrantem Geruch,
welcher das Innere des Sackes ausfüllt.
Afterruthen. J)[q ^f 1 6 r r u t li 6 H b ä u d c T bestehcn bei den Säugethieren immer
aus glatten Muskeln und auch bei Delpkiniis Phocaena , wo sie eine
intensiv rothe Farbe hatten , boten sie die bezeichnete Zusammen-
setzung dar. — Bei einigen Arten der straussartigen Vögel wird ein
rundliches Band, welches den Penis zurückzieht, aus elastischem Ge-
webe gebildet (Joh. Müller).
Haftorgane Sclu' walirschcinlicli spielen auch die s. g. Haftorgane der
seiachicr. mäunlichen Selachier die Rolle einer Ruthe. Sie haben eine aus
mehren Stücken bestehende knöcherne oder knorpelige Grundlage,
sind von einer Fortsetzung der äusseren Haut überzogen und erinnern
durch ihre gewundene, rinnenförmige Gestalt an die äusseren Be-
gattungsorgane der Krebse. In die Rinne mündet eine Drüse,
welche von quergestreifter Muskellage umhüllt ist und (beim Zitter-
rochen) etwa fünfzig in eine Längslinie gereihte Ausführungsötfnungen
besitzt. Die Drüse wird aus einfachen , geraden , schon mit freiem
Auge wohl sichtbaren Schläuchen zusammengesetzt, die alle so gestellt
sind, dass ihr offenes Fnde sich den Ausführungsöffnungen zukehrt
ujid das blinde Ende gegen die Peripherie der Drüse sich wendet.
Das Sekret, von nn'lchweisser Farbe, besteht aus glänzenden Kügel-
chen von einerlei Grösse. Die Drüse dih'fte eine Art Prostata vor-
stellen. Auch Rohin macht diesen Vergleich, aus dessen Beobachtungen
ich heraushebe, dass die Venen in den betreffenden Haftorganeu ein
„erektiles Gewebe" bilden.
§■ 462.
\vrn,ii.i,..r \)\q Eierstöcke sämmthcher Wirbelthiere bestehen aus dem
UeschlccIiHi-
apparai. gcfäss- uud nervcnführendcn Bindegewebsgerüst (Stroma des Ova-
Eicr»t,.ck. 1-jums), welches blasige, mit Epithel ausgekleidete Räume {Fulliculi
Eierstock.
507
Grnafiani), umschliesst , in denen die Eier sieh Lüden. Bei den
Säugethieren, wo die Eier unverhältnissmässig klein sind und das
bindegewebige Stroma in reichlieher Menge vorhanden, erscheinen die
Ovarien meist als gleichmässig rundliche oder ovale Körper, die Eier
liegen in den glatten Höhlen der Graafschen Bälge vergraben, ohne
dass die Follikel gerade über die freie Fläche hervortreten. Nimmt
die Stärke des bindegewebigen Lagers hingegen ab, so springen die
Eifollikel schon mehr hervor, machen die Oberfläche des Ovariums
hügelig und letzteres gewinnt ein annähernd traubiges Aussehen.
Unter den Haussäugethieren ist das Stroma am schwächsten beim
Schwein, noch mehr traubig erscheint der Eierstock z. B. beim
Igel, am meisten beim S clinab elthier und bei Phascolomys
{Owen). — Treviranus hatte früher darauf aufmerksam gemacht,
dass die Eierstöcke des Maulwurfes durch eine Einschnürung in
zwei Hälften getheilt seien, in eine grössere, gefässreichere und eine
kleinere blassere. Eine derartige Scheidung des Ovariums dürfte
individuellen Abweichungen unterworfen sein, denn ich fand sie früher
an einigen hierauf untersuchten Exemplaren nicht, sondern der rund-
liche Eierstock war äusserlich und innerhch von gleichmässiger Be-
Fig. 2-17.
Aus dem Eierstock des Maulwurfes.
A Stroma, B Eifollikel in verschiedenem Grade der Entwicklung, an den grössten
sieht man auch die Blutgefässe der Wand.
a Theca folliculi, b Membrana granulosa, c Zoua pellucida.
schafFenheit und gelblicher Farbe. Bei der mikroskopischen Unter-
suchung bestand er fast ausschliesslich aus dicht gehäuften Fettkörn-
chen und nur mit Mühe Hessen sich foHikelähnliche Blasen da und
dort wegsehen. Es schien der Eierstock (Monat Juni) eine vollständig
508 Von den (_ie!^chlechtsol•ganeIl der Wirbelthiere.
rückwärts gehende Metamorphose eingeleitet zu haben. Jüngst nun
hatte ich Gelegenheit, abermals einen Maulwurf hierauf zu zergliedern,
wo der Befund ein anderer ist. Der Eierstock zerfällt deutlich in
einen oranggelben grösseren Abschnitt und in einen grauen, kleineren.
In letzterem sind die schönsten Follikel mit den Eichen nach ihren
verschiedenen Entwicklungsstadien zu erkennen ; im oranggelben Theil
fehlen durchaus wirkliche Eier, man sieht nur die ersten Keime der Fol-
likel, die ganz überdeckt und eingehüllt sind von Fettkörnchen. Eine
Erklärung des Faktums weiss ich nicht zu geben, doch liesse sich
denken, dass die Eier in bestimmter Reihenfolge reiften und aus-
treten , worauf dann der Theil des Ovariums der Fettmetamorphose
oder der Bildung der gelben Körper verfällt.
Da bei den übrigen Wirbellhierklassen, den Vögeln, Amphibien
und Fischen die reifen Eier an Grösse gar sehr die der Säuger
übertreffen , so hat er , abgesehen von seinen sonstigen Umrissen,
immer einen traubenförmigen Habitus , und die Follikel haben sich
derartig vom gemeinsamen Bindegewebsstroma des Eierstockes abge-
hoben , dass sie nur durch einen Stiel mit ihm zusammenhängen.
Am Eierstock der Knochenfische kommt auch in Betracht, dass seine
Hülle eine sehr entwickelte glatte Muskulatur besitzt ; ich fand es so
bei Esox lucius, Perca ßuviatilis, Salmo salcelinus, bei letzteren sciiien
mir auch das Stroma des Eierstockes diese Elemente zu haben. (Die
Existenz jener Oeffnungen, welche früher Bathhe vom Eierstock der
Batrachier beschrieb, möchte ich sehr bezweifeln; die reifen Eier schei-
nen durch Platzen ihres bindegewebigen Ueberzuges frei zu werden.)
Die eigenthche Wand des Eifollikels wird demnach immer
von einer zu innerst mehr oder weniger homogenen Grenzschicht des
die Conturen der Follikel umschreibenden bindegewebigen Stroma's
vorgestellt. Eine für Wirbelthiere isolirt dastehende Erscheinung ist,
dass bei Trygon pastinaca die gefässhaltige Follikelwand in den Dotter
hinein zaldrciche, tiefe Falten schickt. Die hochgelben Eier erhalten
dadurch auf ihrer Oberfläche ein eigeiitliümliches, hirnartig gewundenes
Aussehen.
Fig. 248.
El.i(! rstück s eier von Trygon pastinaca in niUürlicher Grösse,
a von der Ohcrdäclic angcsclicn , b im Durclisclinitr.
Bei allen Wirbeltln'cren finden sich Zellen, welche die Innen-
fläche des Follikels überziehen und die s. g. Membrana granulosa
Eier. 509
zusammensetzen , und sich wolil un der Abscheidung von Eiweiss-
schichten und deren Fortbildung- zu Schalenhäuten wesentlich be-
theiligen. Im Eifollikel der Säuger füllt mitunter eine bedeutende
Menge einer eiweissartigen Flüssigkeit den frei bleibenden Raum des
Follikels aus. Am Eierstock eines in doppeltchromsaurem Kali auf
bewahrten Maulwurfes sehe ich, dass die Zellen der Membrana (jranu-
losa, ähnlich wie bei verschiedenen Epithelformationen, nicht bloss
rundlich und cylindrisch sind, sondern auch in mehre kurze Fort-
sätze ausgehen (vergl. oben Fg. 7), sowie ich ferner an den reifen
Eierstockseiern desselben Thieres glaube beobachtet zu haben, dass
die spindelförmigen Zellen des Discus, welche Bischoff in seinen
bekannten Monographien abbildet und welche dem Ei ein strahliges Aus-
sehen geben, durch Sprossenbildung aus den ursprünglich runden
Zellen hervorgehen, denn ich habe im isolirten Zustande Objekte vor
mir gehabt, wo gegen 12 keulenförmige Ausläufer mit dem Kern im
verbreiterten Ende, einer centralen Kugel aufsassen.
Fig. 249.
Ans dem Discus proligerus des Kies vom Maulwurf.
Man sieht die Vermehrung der Zellen durch Sprossenbildung. (Starke Vergr.)
§. 463.
Nimmt man auf die Zusammensetzung des reifen Eierstockseies
der Wii'belthiere Rücksicht, so unterscheidet man durchweg, von aussen
nach innen gehend, die Eihülle, den Dotter, das Keimbläschen
und den Keim fleck.
Am Dotter lässt sich immer eine Vereinigung von eiweissartigen nottnr.
und fettartigen Substanzen nachweisen. Bei Säugethleren erscheint
selbst am reifen Ei das Fett nur unter der Form kleiner Kügel-
clien, bei den übrigen Wirbeltliieren treten grössere Fettkugeln auf,
besonders umfangreiche bei manchen Knochenfischen ; oder auch
wohl bei Batrachiern , Plagiostomen (nicht bei Trygon pastinaca)
tafelförmige, geschichtete Gebilde, die man frühei- ihres
Aussehens wegen für Fett hielt, nach Virchoio aber wesentlich aus
einer eiweissartigen Masse bestehen. Sie erinnern, wie Joli. Müller
bemerkt, an die Stärkmehlkörner der Pflanzen und deren Ablagerungs-
form. Selbst das Eiweiss, welches im Säugcthierei lediglich als gleich-
förmiges Bindemittel der Fettkörnchen erscheint, k;uin sich zu be-
sonderen Eiweisskugeln diflerenziren, z. B. bei den Selachiern. Dem
Dotter mancher Batrachier {Streu, Bana, Bufo, Bomhinator , Pelo-
hates u. a. , nicht bei Alytes und Breviceps) und Fischen [Bolypterus,
510 Von den Geschlechtsorganen der Wirbelthiere.
Acipenser u. a.) ist auch noch dunkelkörniges Pigment beigemischt.
Die Dotterkügelchen bei Hißa haben nach Billroth eine schön
smaragdgrüne Färbung. Einen sehr merkwürdigen tubulären Bau
des Dotters hat jüngst Pieichert vom Hecht beschrieben (Müllers
Arch. 1856). „Die Nahrungsdotterkugel besteht aus einer, im frischen
Zustande sehr durchsichtigen , homogenen , eiweissartigen Grund-
substanz von zälier Beschaffenheit, die von zahlreichen, im Allge-
meinen parabolisch geformten und mit einer vv^ässerigen Eiweisslösung
gefüllten Kanälchen oder Röhrchen durchsetzt wird. Die Schenkel
der Kanälchen endigen mit offener Mündung frei an der Oberfläche
der Kugel, vorn oder hinten, rechts oder links, an der Rücken- oder
Bauchfläche derselben. Die Oeffnungen erscheinen daselbst in Form
von kreisförmig begrenzten lichten Flecken, die sich auf den ersten
Anblick wie pelluzide Bläschen ausnehmen. Die zusammengehörigen
Schenkel eines parabolischen Kanälchens verlaufen nicht in einer,
sondern in zwei, am Scheitel unter einem spitzen Winkel zusammen-
treffenden Ebenen. Sämmtliche Scheitel der Röhrchen liegen ungefähr
im Centrum der Kugel, welches seine grösste Ausdehnung in der
Längsaxe, die kleinste in der Horizontalaxe besitzt; oftmals greifen
hier die Scheitel gegenüber liegender Kanälchen theilweise ineinander.
Jedes Kanälchen beginnt an der Oberfläche der Kugel gemeinhin mit
den kurzen verdünnten Endstücken , nimmt dann plötzlich an Weite
zu, um nach dem Scheitel hin sich allniählig wieder zu verdünnen.
Am hinteren Pol des Eies findet sich stets ein kleiner Abschnitt der
Dotterkugel vor, in welchem die Röhrchen durch ihre Feinheit aus-
gezeichnet sind." Beichert bringt auch die Rotationen des be-
fruchteten Hechteies, welche man bisher von der freilich von Niemand
gesehenen Anwesenheit von Flimmercilien ableitete, mit dieser tubu-
lären Struktur des Dotters in Beziehung und zeigt, dass es eigentlich
Oscillationen seien, w^elche durch Verrückung des Schwerpunktes der
leicht beweglichen Dotterkugel entstehen. (Von anderer Natur und
Beschaffenheit sind natürlich die seit Lansem bekannten Rotationen
o
der mit Cilien versehenen Embryonen.)
Im unreifen Ei des Frosches existirt ein von der Dottersubstanz
und dem Keimbläschen unterschiedener körniger Körper, von dem
im vollendeten Ei keine Spur mehr aufzufinden ist.
Keim- ])ag Keimbläschen lico-t im fertigen Ei aller Wirbelthiere
excentrisch und der bei Säugern und A ögeln gewöhnlich einfache,
bei Amphibien und Fischen mehrfache, ja mitunter, z.B. bei Batrachicrn,
in grosser Zahl vorhandene Keimfleck sitzt immer der Innenfläche
des Keimbläschens an , und ich habe bei der Ratte wahrgcnonnnen,
dass, nachdem das Keimbläschen geplatzt und zusammengefaltet war,
der Keimfleck durch einen Stiel der Wand des Keimbläschens an-
hing. Der Keimfleck bietet entweder, besonders bei Fischen und
blKsclieu
Eier. 511
nackten Amphibien , ein wasserklares , mitunter feinkörniges Aus-
sehen dar, oder er bricht das Licht wie ein Fetttropfen (bei manchen
Säugern z. B.).
§. 464.
Die Hülle der Eier zeigt in ihrer Beschaffenheit eine grosse r..i.nii«
Mannichfciltigkeit und wird wegen ihrer Bedeutung für die Wege,
auf denen die Samenkörperchen bei der Befruchtung in's Ei gelangen,
gerade im gegenwärtigen Augenblick von verschiedenen Beobachtern
mit Aufmerksamkeit der Untersuchung unterworfen.
Die Bildung des primitiven Eierstockseies der Wirbelthiere scheint
allgemein (falls die Mittheilungen H. Meckel's über die Bildung des
Hühnereies sich nicht bestätigen sollten) so zu erfolgen , dass eine
Eierstockszelle durch Wachsen und Umwandlung ihres Inhaltes
in Dotter sich zum Ei fortentwickelt. Die ursprüngliche Zellen-
membran wird dann zur Dotterhaut, die bei Vögeln, Amphibien und
Fischen eine homogene, dünne oder dickere, den Dotter unmittelbar
umschliessende Membran vorstellen kann. Es bleibt indessen bei den
wenigsten Wirbelthieren bei dieser einfachen Eihülle, sondern schon
im Eierstocksfollikel legen sich noch andere, öfters sehr complizirte
Hüllen oder Schalen herum^ über deren Genese man zwar noch
keine sicheren Aufschlüsse gewonnen hat, die aber durch Abscheidung
ursprünglich weicher eiweissartiger Lagen, wahrscheinlich von Seiten
der den Eifollikel auskleidenden Zellen der Membrana gramdosa nach
Art der geschichteten Cuticularbildungen gehefert zu werden scheinen.
An diesen Eihüllen, man könnte sie sekundäre nennen, hat man in
jüngster Zeit zwei sehr bemerkenswerthe Strukturverhältnisse kennen
gelernt, die Porenkanäle nämlich und den Mikropylap parat,
worüber Folgendes :
Am Ei der Säugethiere ist durch Umlagerung von Eiweiss-
schichten um die ursprüngliche Zellenmembran und inniges Ver-
schmelzen mit derselben eine dicke, elastische und feste Hülle ent-
standen, die s. g. Zona pellucida. Nach der Entdeckung von Bemak
wird sie von dichtstehenden, gradlinigen Streifen, welche sämmtlich
im Sinne von Radien der Kugel ohne Unterbrechung von der Ober-
fläche zur Innenfläche verlaufen, durchsetzt und sie werden auf die
Anwesenheit von Porenkanälen bezogen. Ich vermag diese Angaben
nach Untersuchung des Eies vom Maulwurf zu bestätigen. Allerdings
sind die Linien sa fein , dass sie aufgesucht sein wollen ; am besten
sah ich sie an Eiern, die aus dem Follikel herausgefallen, eine durch
Wasserzusatz aufgequollene Zona pellucida hatten. Die Streifen
stehen dann mehr auseinander und wenn der Dotter zum Theil aus-
geflossen, vollführen sie einige Schlängelungen. Uebrigens machen
sie auf mich von der Fläche und im Profil denselben Eindruck, wie
andere sehr feine Porenkanäle in der Haut der Arthropoden u. a. a. O.
Von einem einfachen grösseren Kanal oder Mikropyle beim Säuge-
512
Vüu den Gcschleclitsorganeu der Wirbelthiere.
thierei konnte ich bisher so wenig wie Leuckart etwas zur Ansicht
bekommen, während Meissner (Ztschr. f. w. Zool. 1854) einmal
beim Kaninchenei in der Zona eine Lücke oder Mikropyle (?) be-
obachtete.
Fig. 250.
E i e r s 1 0 c k s e i vom M a u 1 w u r f.
a die Dotterhant mit den Porenkanälen, (b von den Zellen des Discos proligerus),
(Starke Vergr.)
§. 465.
Bei den ßatrachiern scheint sich im Eifollikel mir eine feste
homogene Dotterhaut auszubilden; im Eileiter legt sich eine dicke
Gallertschicht herum, an welcher jüngst Beichert (a. a. O.) entdeckt
hat, dass sie bei Rana temporaria im von Wasser aufgequollenen
Zustande von unmessbar feinen Pünktchen übersäet ist, und der ge-
nannte Forscher vermuthet , dass sie die optischen Ausdrücke von
Ausmündungsstellen von Röhrchen darstellen, obschon sich die Röhr-
chen selbst beim Durchzug durch die Hülle nicht nachweisen lassen.
Sehr wahrscheinlicher Weise ist ausserdem noch eine grössere
Mikropylöffnung, welche die Dotterhaut durchbohrt, vorhanden.
Leuckart nämlich hatte sclion früher angegeben, dass, obschon er
beim Frosch vielfach die Samenfäden im Innern des Dotterraumes
angetroffen , au(;h oftmals bei ihrem wunderbar schnellen Einbohren
durch die äusseren Hüllen überi'asclit, er doch niemals gesehen habe,
dass dieselben durch die äusserst feste Dotterhaut hindurchdrangen.
Sobald vielmehr die Samenfäden an letzterer ankamen, bogen sie sich
um, wie ein Nagel, der nw^ ein undurchdringliches Hinderniss stösst.
Ganz in Uebereinstimmung damit meldet auch Reichert, dass er
durch die Dotterhaut hindurch nie ein Samenkörpcrchen dringen sah;
sie hielten still an der Grenze der Dotterhaut. Für die Anwesenheit
einer besonderen Mikropyle redet auch noch, wie Lexickart angiebt,
dass die Zahl der wirklich in's Innere des Dotterraumes eingedrunge-
nen Zoospermicn im Vergleich zu der Menge, die das Eiweiss durch-
setzen, mir äusserst gering ist, sowie endlich die Beobachtung von
Neioport , dass das Froschei an verschiedenen Stellen seiner Ober-
fläche in verschiedener Weise für die Befruchtung empfänglich ist.
Eier. 513
§. 466.
Die Knochenfische machen sich zum Thcil durch sehr zier-
liche Bildungen ihrer im E^ifollikel erzeugten Eikapseln bemerklich.
Bei den Arten von Salmo {S. fario^ 8. salvelinus), BarJnis , Gohitis
fossüls sehe ich in der einfachen Ei kapsei sehr feine und dicht
stellende Porenkanäle, welche der Schalenhaut eine eigenthfunliche
Punktirung verleihen. Andere Fische haben ausser der punktirten
noch eine zweite Ei hülle, so beim Barsch, Kaulbarsch, Hecht,
vielen Gy prinoiden ; es ist die Schicht, w^elche man gewöhnhch die Ei-
Fip-. 251.
o o o o c
O O o r>
Ein Stück Eischale von Cobitis fossil is mit den Porenkanälen.
(Starke Vergr.)
weisshülle nennt. Von Perca fluviatiUs^ wo sie am auffallendsten ist,
beschreibt sie Joh. Müller als eine die punktirte Haut an Dicke weit
übertreffende Lage, deren radiäre, mit spiraligen Windungen laufen-
den Kanälchen an der Innenfläche mit einer trichtei'förmigen Erweite-
rung enden. Wie sich diese Aveiten Porenkanäle der äusseren Eihülle
zu den feinen der inneren punktirten oder „chagrinirten'^ Haut ver-
halten, ob sie in continuirlichem Zusammenhang stehen, ist noch un-
bekannt. Beim Hecht ist diese zweite Eihülle eine vollkommen
durchsichtige, homogene; glashelle Schicht, die Porenkanälchen sind
einfache Röhrchen und durchsetzen in senkrechter Richtung die Eiweiss-
schicht {Leuckart). Die reifen Eier mancher Cyprinoiden haben
eine sammtartige Oberfläche; indem auf der Eihaut cylindrische kleine
Stäbchen dicht gedrängt in radiärer Stellung sich vorfinden. Auf
sie hat Joh. Müller ebenfalls zuerst hingewiesen. Beichert^ sah
diese Bildung am ausgezeichnetsten bei Leuciscus erxjtlirophthalmus und
Chondrostoma nai<us\ auch beim Schlei trete eine solche Struktur an
einzelnen Stellen hervor. Aus eigener Beobachtung kann ich den
Qühius fluviatüis nennen, an dem die Stäbchenlage sehr entwickelt
ist. Die Stäbchen ordnen sich hier , indem sie sich mit den freien
Spitzen zusammenneigen , in lauter einzelne, einer gefelderten Zeich-
nung entsprechende Gruppen ab, lösen sich leicht von der Eischale
weg, brechen das Licht stark und, in Kalilauge erblassend, zeigen sie
das eine Ende schärfer gerandet. Reichert betrachtet diese Stäbchen-
lage für gleichbedeutend mit der zweiten Eihülle oder Eiweissschicht
des Barsches, Hechtes etc., da er sich an den noch unreifen Eiern
der Plötze überzeugte, dass die Stäbchen mit ihrer Basis in eine
Leydig, Histologie. 33
514
Von den Geschlechtsorganen der Wirbelthiere.
liomoc^ene, glashelle Schicht eintauchten und nur mit den abgerundeten
Enden frei hervorragten. Die Eischale vieler Fische hat an der freien
Oberfläche ein fazettirtes oder gefeldertes Ansehen, was auch an
der Eischale vieler Wirbellosen , Insekten namentlich , wiederkehrt,
und es ist höchst wahrscheinlich, dass, gleichwie solche EihüUen im
Ganzen Abscheidungen der Membrana granulosa sind,
die ftizettirte Zeichnung von dem Sichabdrücken der Memhrana granu-
losa in die noch weiche, gallertige Eiluille herrührt. Beim Barsch liegt
in der Mitte einer jeden Fazette der offene Trichter des hier beginnenden
Porenkanales.
Die Fische sind ferner die einzigen Wirbelthiere, an denen man
vorderhand und mit Sicherheit einen trichterförmigen, die Ei-
hüUen durchdringenden Kanal oder eine Mikropyle kennt.
Die erste Oeffnung dieser Art hat Doyere von Syngnathus opliidium
beschrieben (l'Inst. 1850) und obwohl er bereits die Oeffnung Mikropyle
heisst und ihre wahrscheinliche Beziehung zum Befruchtungsakte hervor-
hob, wurde die Beobachtung doch übersehen und bei uns jüngst erst
durch Leuchart in ihr Recht eingesetzt. Unabhängig davon hat
Bruch an Forelleneiern die Mikropyle entdeckt, was Leuchart be-
stätigte, und noch von zwei anderen Fischen, dem Wels und Hecht,
eine solche Oeffnung erkannte. Reichert vermochte an allen Cypri-
noiden {Cyprinus, Leuciscus, Chondrostoma, Tinea), beim Wels und
beim Kaulbarsch die Mikropyle leicht wiederzufinden. Nach ihm ist
der Kanal der Mikropyle nicht mit zwei trichterförmigen Oeffnungen
versehen, sondern besitzt die Form eines einfachen Trichters, dessen
dünnster Theil, der Hals, gegen das Innere des Eies sich wendet.
Fig. 252.
^iKfyvywvnij/üjivyinAnJwiAA^
(C
Mikropyle von Leuciscus ery thr ophthalnius.
Die Eiliaut ist zu einer derartigen Falte geschlagen , dass die Inncnflilclic
derselben nach aussen liegt.
a Kiiigangsrauni der Mikropyle , 1) liodcu der trichterförmigen Höhle, c Hals
der Mikropyhi, d samintartige , c ])uiiktirtc l'jiLüllc, g Kiwcissscliieht in der
Umgehung der Mikropyle an der Iiiuenlläche der Eiluille. Nach Rrichert.
(Massige Vcrgr.)
Eileiter. 515
Ausser den im Eifollikel ontstanflonen Hüllen des Eies giebt es noch
bekanntlich Hüllen und festere Schalen bei Vögeln, Reptihen, Selachiern.
welche von den Eileitern produzirt werden. Dass auch die Eileiter-
hüllen Systeme von Poren besitzen können , beweist die oben er-
wähnte Beobachtung li eichert' s über die gallertartige Eihülle vom
Frosch. Ueber die Kalkschale der Vögel, welche durch Erstarrung
einer weissen, milchigen, kalkreichen Flüssigkeit sich bildet, hat
?'. Witt ich berichtet, dass sie von einer nicht geringen Menge ziem-
lich grosser Hohlräume durchzogen sei mit Oetfnungen an der Ober-
fläche. — Die Eischale von Lacerta agilis besteht aus Fasernetzen,
die in nichts von elastischen Fasernetzen verschieden scheinen. —
Eine ganz merkwürdige Schicht von Fasern findet sich, -wie, IIa ekel entdeckt
hat (Müll. Arch. 1854) unterhalb der Dotterhaut, zwischen ihr und dem Dotter an
den Eiern der ßcomberesoces : sie sind einfach, solid, glashell, das eine Ende all-
inählig in eine Spitze ausgehend , das andere in einen Kolben anschwellend. Man
hat bis jetzt keine Ahnung, was sie bedeuten oder was aus ihnen wird.
§• 467.
Zum Bau des Eileiters werden bei allen Wirbelthieren Binde- ''■''''""■
Substanz und Epithelien verwendet, häufig auch Muskeln. Die Tuben
der Säug etil iere haben aussen eine aus Bindegewebe und Platten-
epithel bestehende Serosa, darauf kommen glatte Muskellagen, dann
zu innerst die bindegewebige Mucosa sammt einem Flimmerepithel.
Ob die Schleimhaut immer zu Drüsen sich einsackt, lässt sich noch
nicht sagen ; beim Maulwurf z. B. sieht man seichte Drüsenfollikel,
von denen immer eine Anzahl durch eine allgemeine Hülle gruppen-
weise vereinigt wird.
Aehnlich ist die Zusammensetzung des Eileiters der Vögel; zahl-
reiche einfache Drüsenfollikel sind nach Mechel beim Huhn vorhanden,
während ich in der sehr gefalteten Schleimhaut bei Ardea cinerea die
Drüsen vermisse ; ebenso muss ich für den Eileiter des Kanarienvogels
eigentliche Drüsen in Abrede stellen , wohl aber sind während der
Legezeit alle Zellen des Epithels prall mit Eiweisskügelchen ange-
füllt. — Die Tuben flimmern nach Valentin.
Bei den Amphibien findet sich als gemeinsamer Charakter der
Eileiter bloss, dass sie innen wimpern, hingegen ist die Anwesenheit
von Muskeln nicht beständig, sie mangeln, wie ich sehe, z. B. beim
Frosch, beim Proteus und Axolotl; auch die Drüsen, welche beim
Landsalamander, Triton, den Fröschen und Kröten beobachtet werden
und kurz vor dem Eierlegen durch starke Entwicklung den Eileiter
förmlich dickwandig machen, fehlen z. B. dem Proteus. — Die Eileiter
des Frosches bekommen, nachdem die Eier dieselben passirt und mit
p]iweisshülle versorgt sind, ein zusammengeschrumpftes, gelbweisses
Aussehen, welche Farbe dadurch bedingt ist, dass die in den Zellen
der Eileiterdrüsen noch restirenden Eiweisskügelchen sich in Fett-
körnchen metamorphosiren.
33*
rioT U-*.
416 Von den Geschlechtsorganen der Wirbelthiere.
Unter den Fischen haben die Selachier einen deutlich musku-
lösen Eileiter (bei Chimaera sind die Kerne der Muskellagen blass und
schmal), dessen längsgefaltete Schleimhaut bis zur üebergangsstelle
in den Uterus ein Flimmerepithel trägt. Zwischen Muskel- und Schleim-
haut ist die verschieden stark entwickelte Eileiterdrüse eingeschoben :
sehr gross finden wir sie bei Scyllium., unbedeutend dagegen bei Trygon^
wo sie unmittelbar über dem Uterus sitzt. Das Flimmerepithel über-
zieht auch noch den die Drüse deckenden Theil der Schleimhaut ; die
Drüse selber besteht aus gerade verlaufenden Röhrchen, deren Inhalt
Fettmolekule sind : das blinde Ende der Röhrchen erscheint gegen die
Schleimhautfläche gerichtet und das Sekret quillt aus einem Längs-
schlitz hervor, der unter der vorderen, brückenförmigen Verbindung
der beiden Drüsenhälften beginnt. ; -
Bei jenen Teleo stiem, deren Eierstock in dem blinden und
sackartig erweiterten Ende des Eileiters liegt , dehnt sich auch das
Flimmerepithel der Innenfläche über die ganze sackartige Erweiterung
aus (z. B. bei Esox luctus, Cohltis fossilis^ wo es übrigens leicht vergeht).
Der Bauchfelltrichter , welcher bei den Ganoiden als Eileiter
fungirt und beim Stör ohne Muskeln und drüsenlos ist, wimpert gleich-
falls an der Innenfläche und die Flimmerung setzt sich nach der Bauch-
höhle fort, indem sie sich, wenn auch nicht continuirlich , doch in
gCAvissen Zügen weit durch letztere verbreitet. Auch bei Polypterus
wimpert der Eileiter, die Zellen des Epithels sind klein, wie beim
Stör, die Härchen ziemlich lang und dick ; denselben Wimperbesatz
tragen auch die Epithelzellen des Bauchfelles in der Umgebung der
Eileitermündung. Bei Branchiostovta und den Cyklostomen , wo der
Bauchfelltrichter auf den Porus genitalis reduzirt ist, sowie unter den
Teleostiern bei den Familien der Sahnones, Oalaxiae und Muraenoidei,
deren Eier ebenfalls in die Bauchhöhle fallen, um durch den hinter
dem After gelegenen Porus ausgeführt zu werden, flimmert wahrschein-
lich die Bauchhöhle bis in den Porus hinein.
§. 468.
Die unteren Enden der Eileiter können zu einem erweiterten
Abschnitt oder Uterus umgebildet sein, in welchem die Eier eine
kürzere oder längere Zeit verweilen, auch wohl zum Embryo sich fort-
entwickeln , wodurch das Thier zu einem lebendig gebärenden wird.
Der feinere Bau des Uterus ist in der Wirbelthierreihe nicht überall
der gleiche; zwar machen glatte Muskeln allgemein einen Ilauptthcil
seiner bald dicken, bald dünneren Wandungen aus, aber die Bihhmg
der Schleimhaut variirt ; sie entwickelt bei vielen Säugern Drüsen;
diese sind lang, kanalartig beim Pferd, beim Schwein, den Fleisch-
fressern, am längsten bei den Wiederkäuern (im Uterus des Rehes
mangeln sie, wie B ischoff versichert, nur an den Stellen der
Carunkcln); eine starke Ausbildung dieser Drüsen meldet liarkow
Uterus. 517
von den Phoken (sie finden sich auch beim Delphin) , und ausser-
ordentlich entwickelt sah sie Myddelton bei Ojjossuni. Beim Maul-
wurf, wo ich sie früher vermisste, erkenne ich sie jetzt von Schlauch-
form und Lieherhühn''sc\\e\\ Drüsen sehr ähnlich. Bei der Ratte
findet man anstatt der Drüsen eine ausgesprochene Fältchenbildung-
der Miicosa, doch könnte man allerdings von einem höheren Stand-
punkt aus die Räume zwischen den Fältchen für kolossale Drüsen er-
klären, da man sich eben in demselben Falle befindet, wie mit den
Darmdrüsen der Batrachier und Ganoiden; es ist rein subjektiv, ob
man von wabenförmig verbundenen Falten der Schleimhaut oder von
sehr geräumigen , kurzen Drüsensäcken sprechen will. Reichert
nennt sie vom Kaninchen Drüsen. Nach demselben Forscher ist der
Zugang zu den Drüsen bei den Wiederkäuern trichterförmig erweitert.
In der Schwangerschaft werden die Oeflnungen überall ausserordent-
lich vergrössert und dem unbewaffneten Auge mehr oder weniger deut-
lich bemerkbar. — Bei manchen Säugethieren verbreitet sich Pigment
in dem serösen üeberzug, bei Cercopithecus aethio'ps erscheint nicht
nur die Serosa des Uterus, sondern auch die Ligamenta uteri und das
Ovariwn schwarz pigmentirt.
Was die Vögel betrifft, so beschreibt H. Meckel aus dem
Uterushorn des Huhnes einfache, keilförmige Follikel, welche Eiweiss
absondern, während sich in der Portio vaginalis uteri andere Drüsen
finden, welche verzweigt sind und deren Epithel Kalkstaub enthält,
der sich mit der Eischale verbindet. (Uebrigens lässt Meckel die
Eischale aus einer sich lösenden Schleimhautschicht des Uterus ent-
stehen, in der er Fasergewebe, die Mündungen der Uterindrüsen, sogar
Spuren grösserer Blutgefässe erkannte.)
Im Uterus der Ringelnatter sind die Drüsen kurze Säcke.
Der Uterus des Landsalamanders, ferner der taschenartig erweiterte
Endabschnitt des Eileiters (Uterus) von Pelohates ist nach meinen Er-
fahrungen drüsenlos , ebenso der von Selachiern. Die Schleimhaut
erscheint hier entweder glatt und hat bloss Längsfalten mit Zickzack-
biegungen {Scyllium z. B.) , oder sie trägt sehr entwickelte Zotten
(Acantkias vulgaris^ S^nnax niger, Scymyius Uchia, Trygon pastmaca).
Sie stehen mitunter (Acanthias vulgaris, Scymmis Uchia) in sehr regel-
mässigen Längsreihen, hören gegen das Ende des Uterus auf und
gehen in blätterartige Längsfalten über; bei Trygon pastinaca stehen
sie so dicht nebeneinander, dass von der übrigen Schleimhautoberfläche
nichts mehr durchblickt. Die Zotten haben einen ausnehmenden
Gefässreichthum : man unterscheidet in ihnen meist zwei stärkere Ge-
fässe, die an dem Ende der Zotte schlingenförmig ineinander über-
gehen und zwischen denselben ein engmaschiges Gefässnetz. Diese Ge-
fässe zeichnen sich im trächtigen Uterus durch eine verhältnissmässig
sehr dicke Kingmuskelschicht aus. Auch die Schleimhaut des trächtigen
518
Von den Geschlechtsorganen der Wirbelthiere.
Uterus von Salamandra ist mit dichten Querfalten verseilen, in welche
zahlreiche Blutgefässe aufsteigen.
Fig. 253.
Uterus von Trygon, aufgeschnitten, um die Zotten a zu zeigen.
Ob
f/Äii3
'v3
^^
f
Ein Stück ü t er u sschl ei mhaut von Spinax (etwas über natürl. Grösse).
a die sehr entwickelten Zotten.
Das Epithel der Uterusschleimhaut zeigt sich bei Säugern als
ein flimmerndes (?) Cylinderepithel, das beim Schwein bis in's blinde
Ende der Drüsen hinein wimpert. Doch wurden bisher noch wenige
Säugethiere auf die Epithelformen des Uterus näher untersucht und
mehre Autoren {Kill an z. B.) sprechen von dichten Lagen eines
Pflastercpithels. Der Fruchthälter des Kaninchens hat nach Reichert
dem Pflastercpithel sich annähernde Zellen, die in der Fortio tuhavia
dem cylindrischen Flimmerepithel Platz machen und in der Portio
vaginalis sich den Zellenschüppchen der Scheide anschliesscn. —
Beim Salamander besteht das Uterusepithel aus rundlichen flimmerloscn
Zellen, ebenso bei der Ringelnatter und der viviparen üoronella laevis,
wo sich unmittelbar vor der Kloake tlurch Vereinigung der Ovidukte
ein unpaarer drüsenloser Uterus ausbildet, und auch im Uterus der
Selachier haben die bald platten , bald cylindrischen Zellen nirgends
Cilicn. Der sog. Uterus oder der erweiterte drüsenlose Endabschnitt
des Eileiters der schwanzlosen Batrachier wimpert.
Scheide, Kloake. 519
Das Gekröse des Elleiters und Fruclithälters erscheint lüuifig- "«»"
mit Muskeln ausgestattet ^ indem man sowohl bei Säugethicren (nn'r
bekannt von Wiederkäuern, dem Maulwurf), als auch Vögeln (Reiher
z. B. , wo ich die Muskelkernc schmal und blass finde), und Amphi-
bien (Landsalamander, Blindschleiche) dichte Züge und Netze glatter
Muskeln im Mesometrium gewahrt. Auch im Gekröse des Eierstockes
von Salmo fario ist eine reiche glatte Muskulatur unverkennbar, deren
Kerne lang und schmal sind.
Die Schleimhaut der Scheide ist bei Säugethicren (ob immer?) sci.eide.
ohne Drüsen. Manche Autoren nennen die Scheide der Wiederkäuer
drüsenreich, ich finde im Gegentheil, dass die Mucosa iKiginae der
Kuh ohne alle Drüsen ist. Auch beim Maulwurf, wo sich die Schleim-
haut in dicht stehende Papillen erhebt, vermisse ich die Drüsen. —
Die Clitoris verhält sich histologisch gleich der Ruthe, besitzt auch
bei Säugern nicht selten einen dem Penisknochen analogen „Knorpel"
oder Knochen, in welcher Beziehung ich den bekannten Säugethicren
auch den Maulwurf anreihen kann, in dessen nervenreicher CHtoris
man leicht durch Aufhellung mit Kalilauge ein längliches Knochen-
stück erkennt; beim Schwein fand Ny lancier in ihr Pacini'sche
Körperchen.
Die Kloake oder die gemeinschaftliche Höhle, welche die Mün- Kioake.
düngen des Darmes, der Harn-, Samen- und Eileiter aufnimmt, wimpert
beim Wassersalamander [Triton), sowie bei den Larven Aex Salmnandra
maculata. Bei letzterem Batrachier verliert sich die Flimmerung im
ausgebildeten Thier, und auch in der Kloake des Frosches fehlt sie.
— Beim Salamander zeigt sich die Schleimhaut der Kloake sehr
nervenreich. In die Rückenseite der Kloake münden bei der weib-
lichen Eidechse dieselben dem blossen Auge weissgrauen Drüsen,
welche oben vom Männchen als accessorische Geschlechtsdrüsen ge-
deutet wurden.
Bei Chimaera monstrosa hängt mit dem weiblichen Genitalsystcm
noch ein eigenthümliches von mir beschriebenes Organ (Müll. Arch.
1851) zusammen, das beim Oeffnen eines weiblichen Thieres sofort
in die Augen fällt, da es gleich dem Eileiter und Uterus eine weisse
Farbe hat und schon dadurch ankündigt, dass es nicht dem Ver-
dauungssystem, welches durchweg schwärzlich erscheint, zuzurechnen
ist. Das Organ liegt zwischen dem Mastdarm und dem Uterus und
stellt einen 1 Zoll langen, dickwandigen Blindsack dar, der in das
vorderste Ende der Kloake ausmündet und dessen äussere Wand aus
Bindegewebe, elastischen Fasern und glatten Muskeln besteht. Nach
innen folgt eine nicht besonders dicke Drüsenschicht und der Hohl-
raum des Sackes war von einem gallertigen Pfropf ausgefüllt, llyrtl
hat neuerdings (Sitzungsber. der k. Akad. in Wien, 1853) den Sack
für ein Rece]jtaculum seminis erklärt, was so lange Vermuthung blei-
ben wird, bis man Zoospermien darin sieht.
520 Von den Geschlechtsorganen der Wirbelthiere. •
§. 253.
Miiciuiriue... Die Mi 1 c lidrüs en der Säuger sind, wie ältere Ang'aben lehren,
nach zwei Typen gebaut; bei den Affen, Fledermäusen, Nagern (bei
der Ratte sehe ich sie auch beim Männchen sehr entwickelt und
von gelblicher Farbe), Beutelthieren , Hufthieren stellen sie traubige
Drüsen dar, deren Ausführungsgänge sich entweder in eine gemein-
schaftliche, sinusartige Höhle vereinigen mit einfacher Mündung an
der Zitze, oder es finden sich mehre Gänge, die für sich die Warze
durchbohren. Den anderen Typus repräsentiren die Cetaceen, Mono-
tremen ; hier ist jede Milchdrüse ein Agglomerat sehr ansehnlicher,
langer, weiter, innen zelliger Blindschläuche, welche gegen eine (bei
den Monotremen glatte) Warzenstellc zusammenstrahlen. — Von der
Haut des Beutels der Marsupialien wird gewöhnlich kurz gemeldet,
dass „zahlreiche Follikel" mit ihrem Sekret die Innenfläche des Sackes
schlüpfrig erhalten. Hierzu sei bemerkt, dass ich am ganzen Beutel
von Didelpliis die Haut mit den gewöhnlichen Drüsen versehen finde,
die spärlich stehenden Härchen werden von mehren Talgdrüsen um-
geben und ausserdem sind Schweissdrüsen vorhanden, die einen läng-
lichen Knäuel bilden, ungefähr so, wie sie oben von den behaarten
Hautstellen des Hundes beschrieben wurden.
Ueber den feineren Bau der männlichen Geschlechtsorgane der Säuge-
thiere vergleiche man meinen Aufsatz in der Zcitschr. f. w. Z. Bd. II., aus dem
ich noch Folgendes heraushebe :
Affen. Samenblasen bei Cercopithecus faunus, (Jynocephalus hamaclryas, My-
cetes ursinus mit glatten Muskeln unter dem Bindegewebe der einzelnen Samen-
schläuche, darauf die Drüsenschicht aus traubenförmig grnppirten Bläschen be-
stehend. Ductus deferens bei Cynocephalus gegen die Ausmündung zu spindel-
förmig (wahrscheinlich durch Drüsen) verdickt. Frostata bei Mycetes einfach, un-
gelappt, bei Cynocephahis in zwei Partien zerfallen , die wohl nach der Analogie
mit anderen Säugethieren , auch im Drüsenepithel und somit in der Beschaffenheit
des Sekretes ditferiren. Die Drüsenbläschen traubenförmig geordnet; Hauptbestand-
thcil der Prostata glatte Muskeln, in feineren und stärkeren Balken das Organ
durchziehend und an der Peripherie eine gleichmässigc Schicht erzeugend, wovon
die äusseren Fasern der Länge, die inneren der Quere nach verlaufen. fJowper'-
sche Drüsen des Cynoce2>lialus zu äusserst von einer Hülle aus Bindegewebe um-
geben, in der feine elastische Fasern und Nervcnfibrillen sichtbar gemacht werden
ki'inncn. Darunter die Muskclschicht aus quer gestreiften Bündeln zusammenge-
setzt; sie ncluncn von keinem nah gelegenen Muskel ihren Urs])rung, sondern bil-
den eine isolirte selbständige muskulöse Hülle um die Drüse, sich von da auf den
Ausführungsgang fortsetzend. Bei Mycetes sind die Co ?y^) er 'sehen Drüsen un-
mittelbar in die Substanz des Musculus urethralis eingelagert.
Handflügler. Sanienblascn bei Fteropns rulijari.s mit glatten ^luskeln unter
der äusseren Bindegewebshülle, die Schleimhaut bildet durch Vorsprünge ein Gitter-
werk oder Drüsenräume. Prostata bei Fledermäusen weist keine so starke Mus-
kulatur auf, als bei Affen, Fleischfressern u..a. , wesshalb auch die Drüsenbläschen-
gruppcn an der Oberfläciie hervorspringen und letztere höckerig machen. An den
verschiedenen Partien der Prostata^ bei Vesperiigo, Ves2)erlilio, Pliyllostoma und
Pieropus, ist der Inhalt der Drüsoubläschen in mikroskopischer und chemischer
Geschlechtsorgane der Sänger. 521
Beziehung von differenter Natnr. Die Sekretionszellen der einen Ahtheilnng sind
von hellem, eiweissartigen Aussehen und werden durch Essigsäure noch heller, die
Zellen der anderen hahen ein feingranuläres Contentum und trüben sich nach
Essigsäure. Die Cowp er' sehen Drüsen der Roussettc sowie der anderen genannten
Fledermäuse haben eine selbständige, aus quergestreiften Bündeln bestehende
Muskelhülle. Die letzten Drüsenbläschen sind rundlich, traubig gruppirt , zu
Läppchen verbunden und knapp aneinander gedrängt, da im Ganzen wenig Binde-
gewebe zwischen den Läppchen sich findet; auch der fadenartig zulaufende Thcil
der Drüse, den man, äusserlich genommen, als Ausführungsgang der Drüse an-
spricht, enthält im Innern noch während seines g nzen Verlaufes Gruppen von
Drüsen bläschen. Essigsäure schlägt in den Epithelzellen und in dem fadenziehen-
den Sekret eine feinkörnige Masse nieder. Die Alhuginea des Hodens ist bei
Pteropus pigmentirt, die Pigmentzellen sind verästelt, doch gewöhnlich nur nach
zwei Seiten hin, so dass durch Aneinanderstossen der Zellenausläufer zierliche
Pigmentbogen, und zwar in mehren sich kreuzenden Schichten um den Hoden
herumlaufen; bei Vesperugo und Veq^ertilio serotinus kommen ebenfalls Piguien-
tirungen vor. Die Capillargefässe, welche zwischen den Samenkanälchen hinlaufen,
sind stellenweise mit Häufchen zellenähnlicher Gebilde besetzt, sie erscheinen als
zart conturirte rundliche Körper, hin und wieder stielförmig ausgezogen und sind
mit einer feinkörnigen gelben Masse angefüllt , welche mehre helle Bläschen um-
schliesst. — Den Ductus deferens sieht man bei Vespertilio serotinus gegen sein
Ende zu erweitert, was von Drüsen herrührt, welche das Lumen ringsum um-
geben.
Insektenfresser. Die Hülle, welche beim Igel die Drüscnpaquet's (sowohl
das obere wie untere Paar) der Prostata locker umgiebt, besteht der Hauptmasse
nach aus Bindegewebe, in welchem aber starke und feine Stränge glatter Muskeln
(Gefässe und zahlreiche Nerven) verlaufen, die besonders zahlreich gegen die Stelle
zu werden, wo die Hülle die Ausführungsgänge der Drüsen umgiebt, so dass sie
unmittelbar vor dem Mitscuhcs urethralis eine ziemlich starke ringförmige Schicht
um den Anfangstheil der Harnröhre bilden. Das Sekret des 'unteren Drüsenpaarcs
sind Körper von blassem, eiweissähnlichem Aussehen , die sich in der Mitte der
Schläuche zu grossen Haufen zusammenballen. Das untere Paar scheidet ein in
Essigsäure sich trübendes Fluidum ab. Die wirklichen, nicht die ehemals dafür
genommenen C'ojojjer'schen Drüsen des Igels sind in die Substanz des 3Iuscuhis
urethralis eingebettet. — In der Prostata des Maulwurfes sieht man während
der Brunstzeit eine durchsichtige, eiweissartige Flüssigkeit, in welcher schon dem
freien Auge bemerkliche Klumpen einer geleeartigen Substanz vorkommen. Sind
dergleichen Klumpen in grösserer Menge innerhalb der Drüsenschläuche angehäuft,
so geben sie letzteren ein eigenthümliches, durchsichtiges Aussehen. Die einzelnen
Drüsenschläuche sind mit schönen glatten Muskeln versehen, zeigen unter Wasser
geöffnet auf der Innenfläche zahlreiche stark vorspringende Querfalten. An der
Einmündungssteile der Prostataschläuche in die Harnröhre existiren mikroskopisch
kleine Ganglien. Die Co7üp er' sehen Drüsen haben eine selbständige Muskelhülle
aus quergestreiften Bündeln, die sich um die ganze Drüse herum bis auf den mitt-
leren Theil der hinteren Fläche zieht, der ihr als Schwerpunkt dient. Das Drüsen-
gewebe bilden rundliche Bläschen, traubig geordnet, der Inhalt ist gelb weiss, der
Ausführungsgang ohne Muskeln , seine Innenhaut gefaltet; zur Muskelhülle geht
ein Nervenstämmchen mit breiten Primitivfasern und ausserdem mit den Blutge-
fässen noch drei bis vier ^eMia/c' sehe Bündel. Zwischen den Samenkanälchen des
Hodens die eigenthümliche Zellenmasse mit den scharfconturirten gelblichen In-
haltskügelchen. Der Ductus deferens ohne Erweiterung und ohne Drüsen. Der
Penis enthält einen zarten Knochen.
522 "Von den Geschlechtsorganen der Wirbelthiere.
Fleischfresser. Prostata des Hundes sehr muskulös, schon die sie locker
umgebende Hülle mit starken Längsbiindeln glatter Muskeln. Die direkte Begren-
zung des Organes bildet eine Muskellage, an welcher eine äussere, längsverlaufcnde
und eine innere, circuläre Schicht mit der Pinzette abgezogen werden können.
Oeffnet man die Prostata durch einen Längenschnitt vom Schnepfenhügel her, so
sieht man strahlenförmig gelbweisse Stränge durch die Drüsenmasse ziehen, von
welchen Strängen aus sich weitere feinere Balken ablösen, und die mikroskopische
Untersuchung lehrt, dass diese Verästelung fortgeht bis zur Formirung eines Maschen-
gewebes , innerhalb welchem die grösseren und kleineren Gruppen der Drüsen-
bläschen stecken. Die Balken sind gebildet aus Bindegewebe, feinen elastischen
Fasern und glatten Muskeln, doch besteht in der Vertheilung genannter Gewebe
der Unterschied , dass die glatten Muskeln in den Balken gegen die Peripherie
der Drüse zunehmen , wälirend nach der Harnröhre hin das Bindegewebe und die
elastischen Netze weit über die glatten Muskeln vorwiegen; daher ist auch letztere
Partie von weisslicher , erstere von röthlicher Farbe. Die Drüsen selbst in den
Maschenräumen untergebracht münden mit 40 — 50 Ausführungsgängen zur Seite
des Schnepfenhügels. Mehrmals traf ich Prostatasteinchen , die aber von denen
des Menschen und des Kaninchens abweichen. Es sind bei auffallendem Licht
weisse, bei durchfallendem gelbliche, durch Essigsäure unveränderliche Körperchen,
von verschiedener, doch meist sehr geringer Grösse, die einzeln oder zu Klümpchen
zusammengebacken in den Drüsenschläuchen vorgefunden werden. Nervenfasern
begegnet man sehr häufig im Gewebe der Prostata und zwar sind es meist BemaF-
sche Bündel mit einzelnen feinen dunkelrandigen Fasern. — Bei der Katze sind
die glatten Muskeln, welche die Drüsenträubclien umstricken, nicht so zahlreich
als beim Hund, wesshalb ein Durchschimmern der weissgelben Drüsenmasse durch
den Muskelüberzug möglich ist; es findet sich viel Bindegewebe mit feinen elasti-
schen Fasern in dem die Drüsenträubclien umgebenden Fasernetze. Der Musctdus
urethralis schickt quergestreifte Bündel über die ganze äussere Fläche der Prostata
weg. Das ganze Organ sehr nervenreich. — Mustela erminea hat nur eine dünne
Prostataschicht, die sich aber, wie die mikroskopische Untersuchung lehrt, um den
ganzen Anfangstheil der Harnröhre herumzieht. Auch die glatte Muskulatur nir-
gends sehr bedeutend; über den grössten Theil der Drüse ziehen quergestreifte
Bündel, vom M. urethralis kommend, weg. — Die Co «ü^j er 'sehen Drüsen der
Katze (beim Hund und Wiesel fehlen sie) mit starker Hülle quergestreifter Mus-
keln, die in keinem Zusammenhang mit nah gelegenen Muskeln stehen, sondern
der Drüse allein angehören. Zwischen den Bündeln der Muskelhülle Haufen von
Fettzcllen, welche sich auf dem Durchschnitt der Drüse als weisse Flecke bemerk-
lich machen; der Ausführungsgang ohne Muskeln, innen mit einzelnen Drüsen-
träubclien besetzt. Die Co 2(7; er 'sehen Drüsen der JMangusta haben einen stark
entwickelten quergestreiften Muskel, der von der Faserscheide der Corpora carer-
nosa, an der Seite des Penis entspringend, die Drüse umhüllt und mit der Muskel-
schicht des Analsackes sich verbindet. Unter diesem Muskel die eigentliche Drü-
sensubstanz, welche, nach der Länge durchschnitten, grössere und kleinere ineinander-
mündende Fächer darbietet; diese sind die Räume für die Ansammlung des Sekretes,
die eigentlichen Drüsenbläschen liegen nach aussen von den Fächern. — Der
Highvior'sche Körper im Hoden des Katers ist in reichlichster Menge von
Fettkörnchen bedeckt, welche, zu rundlichen oder wurstförniigen Klumpen zu-
sammenliegend, mit ihren Enden nicht selten aneinander stus.-cn und so manchfache,
meist bogenförmig verlaufende Figuren bilden. Dieselben Fettkörnerklumpen in
grösster Anzahl auch zwischen und auf den Samenkanälclien. Im Nebenhoden
nimmt die Membrana i^rojjria der Samenkanälclien an Dicke zu und es treten nun
auch glatte Muskeln auf; bei Hund und Kat/.c sind die Samenleiter sehr reich an
Geschlechtsorgane der Säuger. 523
feinen dunkelrandigen und ^emaÄ;'schen Nervenfasern, übrigens ohne Erweiterung
gegen die Ausmündung üu und ohne Drüsen, hingegen sind die iJnclns deferentes
des Wiesel gegen ihr Endo zu durch Drüsen sjjindelförmig verdickt. - Der Ho-
densack des Hundes, obwohl er nicht gerunzelt ist, hat doch eine Tunica dartos
mit einem schönen Geflecht glatter Muskeln. Beim Wiesel enthält die Tunica dartos
im Grunde des Sackes ein schwarzkörniges Pigment.
Beutelthiere. Die Prostata des virgiuischcn Beutelthieres liegt in ihrer
ganzen Ausdehnung unter dem Musculus urethralis , dessen Fasern übrigens nicht
quergestreift, sondern glatt sind. Auf dem Durclischnitt zeigt das Organ der Farbe
nach zwei Schichten , eine gelbröthliche , welche nach aussen sich befindet , und
eine weissliche gegen das Lumen der Harnröhre zu. Den Hauptbestandtheil bei-
der Schichten bilden lange, dicht beisammenstehende Schläuche. Die in vier
Paaren vorhandenen C'o?^;^ er'schen Drüsen sind, auf ihre Struktur untersucht,
nicht alle einander gleich. Gemeinsam ist allen ein selbständiger quergestreifter
Ueberzug, wenn auch verschieden dick in den verschiedenen Paaren. Im vorderen
rundlichen Paar kommt unter der Muskelhülle eine starke, durch ihre weisse Farbe
abstechende Tunica j^ropria^ von ihr gehen nach innen viele Balken und Blätter
ab , durch deren Zusammenstossen ein Netzwerk gebildet wird , dessen Maschen
aber nicht gerade eine bestimmte Richtung einhalten. Im vordersten Drüsenpaar
sind die Balken und Blätter von demselben starken Aussehen, wie die Tunica
projjria selber, im zweiten Paar grauröthlich, von mehr zarter Beschaffenheit, auch
scheinen glatte Muskeln in das Bindegewebe eingeflochten. Das hinterste Paar
weicht darin ab, dass die von den Fortsätzen der Tunica proiyria nach innen er-
zeugten und untereinander zusammenhängenden Hohlräume Rohren darstellen,
welche vom Fundus der ganzen Drüse nach dem Ausführungsgang streben, zuvor
aber in eine gemeinsame gegen das verschmälerte Ende der Drüse liegende Höhle
sich sammeln. Der Hoden ist pigmentirt und zwar in einer auf der Tunica
vaginalis nach aussen liegenden ßindegewebsschicht.
Nager. Die Prostata von Mus decumanus, M. musculus und M. sylvaticus
besteht aus Büscheln verzweigter Blinddärme, welche dvuch Bindegewebe mit
einander verbunden sind und wovon jeder einzelne Schlauch glatte Muskeln be-
sitzt, welche, meist ringförmig verlaufend, gegen die Ausführungsgänge mehrer
vereinigter Drüsenschläuclie hin an Masse zunehmen. Die Höhle des einzelnen
Schlauches ist nicht einfach, sondern die Membrana propria macht nach innen
faltige Vorsprünge, Maschen bildend, die wohl, bei gänzlicher Anslüllung der
Schläuche, diesen von aussen ein beerenförmiges Aussehen verleihen. Die Se-
kretionszellen der Prostataschläuche , welche an die innere Seite der Samenhlase
locker geheftet sind, trift't man entweder hell und klar oder sie enthalten fettartig
glänzende Körnchen und als Produkt der Sekretion des gnnzen iSclilauches liegt
im Lumen desselben ein grosser, meist in die Länge gezogener licller Körper von
fettartigem Habitus. Die frei liegenden Prostatabüschel scheiden ins Innere rund-
liche oder eckige, verschieden grosse Klumpen ab, die Eiweissmassen zu sein schei-
nen. Jederseits an der Ausmündung der Prostata in die Harnröhre findet sich ein
Ganglion.— Auch die Prostata des Kaninchens, welche an der hinteren Wand
des Uterus masculinus in die Höhe steigt, besteht aus zwei nach ihrem Inhalt
sehr verschiedenartigen Blindschläuchen. Die einen sind mit einem Cylinderepithcl
gleichmässig ausgekleidet und im Lumen des Drüsenschlauches trifl't man bei aus-
gewachsenen Männchen ausser einer feinkörnigen Masse eine Anzahl von Prostata-
steinchen, verschieden gross , bei auffallendem Licht weiss , bei durchgehendem
gelbbraun, immer mit einem mittleren körnigen Centrum. Durch Druck brechen
sie vom Rande aus ein, Essigsäure, stärker noch Kalilösung, macht sie erblassen,
524
Von den Geschlechtsorganen der Wirbelthicre.
Fig. 218.
«6
a .
:t
O/
Samenhlase von Mus mnscnlus.
a die Drüsen, welche den Ilauptbestandtlmil ausmachen und in 1), den mittlc^ren
Hohlraum münden, c die glatte Muskulatur mit ihren Kernen, d Bindegewebe,
welclies über die ganze Samenblasc wegzieht und besonders zwischen den Ein-
kerbungeti sich aussjiannt.
die Schichten lösen sich ab und bei längerer Einwirkung des Kali scheinen sie
gelöst zu werden. In den Schläuchen zweiter Art ist, abgesehen von den Ejfithel-
zellcn, eine weissliclic Masse zugegen , aus lauter blassen Körperchen bestehend,
dazwischen einzelne bei auffallendem Licht weisse, bei durchfallend«m schwärzliche
Kugeln, aus scharfconturirtcn Kinj)crchcn mit Hülfe einer weichen Grundmasse
zusammengul)allt. Die Scliläuclic beider Drüsenarten sind mit glatten Muskeln
versehen, welche auch in starken Balken die Zwisclicnräunie ■/.wischen den einzelnen
Schläuchen ausfüllen , oder riclitiger gesagt , die Schläuche der Prostata stecken
unmittelbar in der Muskulatur des Uterus masculinus. Zwischen den IMuskeln
laufen viele Nerven hin, auch traf ich hier einmal ein mikroskoiiischcs Ganglion.
— Die Co ivjier' sehen Drüsen der Ratten iiud Mäuse bestelim aus rund-
Geschlechtsorgane der Säuger. 525
liehen Blasen, trauhenförmig aneinander gedrängt, die ganze Drüse ist aus unge-
fähr 12 solcher Läppchen zusammengesetzt; auch im langen Ausführungsgang
finden sich stellenweise noch Gruppen solcher Drüsenbläschen; die Epithelzellen
rundlich, das Sekret zähe, fadenziehend. Die Blutgefässe verlaufen in ziemlich
regelmässigen Maschen zwischen den Bläschen. Die ganze Drüse steckt in einer
Hülle aus quergestreiften Muskeln. Aelinlich ist das Verhalten beim Kaninchen.
Beim Biber sind die Muskeln der Drüse verhältnissmässig zur Grösse derselben
unbedeutend, lassen auch die untere Seite der Drüse frei. Die Samenblasen der
Ratten und Mäuse verhalten sich ganz wie eine Drüse. Der innere Holilgang
nimmt nämlich von allen Seiten die traubigen Drüsen auf, welche einen Haupt-
bestandtheil der Samenblasenwandung bilden. Nach aussen eine glatte Muskulatur
als continuirliche Schicht. — Der Inhalt der Drüsenschläuche, welche bei Ratten
und Mäusen ins untere Ende des Samenleiters münden, besteht im frischen Zu-
stande aus grossen goldgelben, runden oder in die Länge gezogenen, dem Habitus
nach fettartigen Körpern , welche im Inneren noch mehre helle farblose Tropfen
einschlössen. Nach längerer Einwirknng von Kalilösung verschwindet die gelbe
Farbe, das Sekret wird vollkommen hell , auch die eingeschlossenen Tropfen wer-
den blasser, brechen das Licht weniger scharf, zugleich erscheinen auf der Ober-
fläche des Präparates spiessige Krystalle. Während des Aufenthaltes im Drüsen-
schlauühe wandelt sich das Sekret dahin um, dass es seine goldgelbe Farbe ver-
liert und in eine feste, bei auffallendem Licht weisse Masse sich umändert, welche
aus fest aneinander gebackenen Körnchen besteht , wobei immer noch die einge-
schlossenen hellen Körper ei-kannt werden können. — Der Theil der äusseren
Haut, welche bei Ratten und Mäusen als Hodensack fungirt, hat eine aus Balken
glatter Muskeln bestehende Tunica dartos , nach innen von ihr sieht man eine
schwärzliche Pigmentlage.
Paehydermen. Die Prostata des Schweines besteht aus einer gelb-
weissen traubigen Drüsenschicht, welche die ganze Pars memhranucea urefhrae
ringsum umgiebt und zwischen dem Musculus urethralis und der Schleimhaut der
Harnröhre liegt. Nur am Anfangstheil der Harnröhre nimmt die Dicke der Drüsen-
schicht so zu, dass sie den Musculus urethralis durchbricht und als gelbweisser
solider Körper, jederseits vierlappig zu Tage tritt. Macht man einen Schnitt durch
letzteren Theil, so findet man zwischen den Drüsenlappen glatte Muskelbalken von
bedeutender Stärke. Die übrige Partie unter dem Musculus urethralis weicht im
Baue nicht ab von dem frei liegenden Theil, nur hat sie nicht die so starken
Muskelzüge, welche auch bei der Lage unter dem Muse, urethralis kaum nöthig
sind. — In den Co tf per 'sehen Drüsen des Ebers ist das Bindegewebsgerüst des
Organes durch seine feste, knorpelartige Beschaffenheit ausgezeichnet, da es voll-
kommen in physikalischen und histologischen Eigenschaften der Cornea der Säuge-
thiere gleicht. Das zähe, kleisterartige Sekret besteht mikroskpiscli fast nur aus
stäbchenförmigen zarten Körpern und feiner Punktmasse, in welche auch Essig-
säure nach längerer Einwirkung alle Stäbchen umwandelt.
Solipeden. Die Prostuta des Pferdes ist mit sehr zahlreichen Ganglien
versehen, sie sind von Hirsekorngrösse und liegen zumeist an der Seitenfläche der
Hörner des Organes oder auch mitten in der Drüsenmassc. Sie stehen durch
Nervengeflechte in Verbindung mit anderen Ganglien, welche die erstgenannten
zum Theil an Grösse übertreffen und in der Bauchfellplatte liegen, welche sich
zwischen Ductus defcrens und Prostatahorn hinspannt. Audi auf dem 31uscvlus
urethralis sah ich ein Ganglion.
526
Von den Geschlechtsorganen der Wirhelthiere.
Ueber die in so mancher Hinsicht eigenthümliche Entwicklung und Umbil-
dung der Genei-ationsoi'gane, sowie zur Erklärung der beigegebenen Figuren erlaube
ich mir anhangsweise Folgendes beizufügen :
1) Bei den Batiacli iern wird ein Theil der Niere zum Neben-
hoden. Hat sich nämlich die Geschlechtsdrüse zum Hoden difterenzirt, so treten
seine Ausführungsgängc mit der Nierensubstanz in Verbindung, die Vasa efferentia
testis gehen eontinuirlich über in die Harnkanälchen der Niere und der Aus-
fühningsgang der Niere wird so auch der des Hodens. Der Ureter ist Harn- und
Samengang zugleich. Die Verbindung der Vasa efferentia testis geschieht entweder
mit dein vordersten Tlieil der Niere, mit der Spitze, und diese kann sich damit
auch von der übrigen Nierenmasse in einzelnen oder mehren Läppchen isoliren,
welclie dann ganz füglich als Nebenhoden bezeichnet werden können, so beim
Triton , Salamandra , Proteus ; oder es findet keine solche sich auch äusserlich
kundgebende Sclieidung in Niere und Nebenhode statt und dann lässt sich sagen :
Die Niere ist zugleich Nebenhode.
Fig. 256.
A Froschquappe, B Larve vom Salamander: an beiden sind die Anlagen
der Harn - Geschlechtswerkzeuge eingezeichnet.
a der Wolf sehe Körper (Müller'sche Drüse), b Niere, c Geschlechtsdrüse.
(Natürliche Grösse.)
2) Der Wolf sehe Köri)cr {Müller' sehe Drüse, welcher nur eine
gCKonderto Fortion der Niere vorstellt) ist bei den erwachsenen
Batrachicrn entwtider vollständig geschwunden oder noch in Resten
vorhanden. Beim Landsalamander, bei Mcnopoma finden sich vorne in der
Banchiiölile dergleichen Ucbcrblcibsel geknäuelter Kanäle. (Fig. 257, c.)
3) Der A us f üh r u n gsgan g des JFoZ/'schen Körpers bleibt bei
den mann 11 eil cn Batr ach iern, wenn auch mehr oder weniger verkümmert,
zeitlebens in Form eines besonderen Ductus bestehen. (Fig. 257, 258, d.)
Fr mündet liöher oder tiefer, wie solches nach den Arten verscliieden ist, in
den Hani-Sanicnleiter ein, bleibt immer ein Kanal, ist bei manchen Arten mit
deutlich erkennbarem Orificium an seinem vordersten Ende versehen und besitzt
hier nnd da Fliinmerbewegung in dem obersten Tlu'il.
Geschlechtsorgane der Batrachier.
527
4) Bei den weiblichen B.-itrachiern wird der Aiisfii hrungsgang des
TFoZ/'schen Körpers zum Eileiter. So lange die Gesclilcchtsdrüse noch
nicht besonders entwickelt ist, hat der Ductus nocli das gleiche Aussehen in bei-
den Geschlechtern ; er örtiiet sich vorne so gut beim Männchen wie beim Weibchen
in die Rauchhöhle. Beiui Weibchen erweitert sich diese Octl'nnng und wird
Orificium des Eileiters, der Ductus tritt immer weiter von der Wirbelsäule weg
nach aussen, wird dicker, schlängelt sich, kurz stellt den Eileiter dar, welcher
aber am unteren Ende wieder mit dem Harnleiter zu einem in die Kloake führen-
den Kanal zusammentritt. Die vordere Oettnung des Ductus beim Männchen liegt
genau an derselben Stelle, wo das Orificium des Eileiters sich beim Weibchen be-
findet, und wenn daher, wie beim Proteus, letzteres nicht so weit nach vorne ge-
rückt ist, wie bei anderen Batrachiern , so hält auch die Oeft'nung des besagten
Ductus beim Männchen diese Ortslage ein. »Stellt man daher die Ixidcu Geselilcch-
ter der Batrachier bezüglich ihrer Harn- und (Jcschlechtsorgaiie nelieMcinandcr, so
übersieht man einfach folgende Symmetrie :
Fig. 257.
cC
A "^
IT a r n - und Geschlecht s w e r k -
zeuge vom Landsalamander.
A Vom Männchen: a Hode, b Niere,
c vcu'dere oder abgelöste Partie der-
selben, d Ausfülirungsgang des Wolf -
sehen Körpers, dessen Rest bei e noch
zugegen ist, f der Harn-Samenleiter.
B Vom Weibchen: a Eierstock, b Niere,
d Eileiter (früherer Ausführungsgang
des Wolfschen Körpers), f Harngänge,
die sich mit dem Eileiter vereinigen.
Harn- und Geschlechts Werk-
zeuge vom Proteus.
A Vom Männchen: a Hode, b Niere,
c vorderes abgelöstes Stück derselben
oder Nebenhode, d der friiliere Aus-
fülirungsgang desWoll'schen lvör]>ers.
B Vom Weibchen: a Eierstock, b Niere,
d Eileiter (früherer Alisführungsgang
des Wolfschen Körpers.
(Natürliche Grösse.)
In der Larve (P ig. 256) ist eine einzige Drüse vorhanden, die in zwei Abthei-
lungen zerfällt , von denen die' eine kleinere vorne am Beginn der Bauchhöhle liegt
(iroZ/'scher Körper, JM^^er'sche Drüse der Autoren). Der Ausfülinmgsgang
ist beiden gemeinsam und ich betrachte beide zusammen als die Urniercn. Am
inneren Rande der hinteren Ahtheilung entsteht die Geschlechtsdrüse. Wird diese
528
Von den Geschlechtsorganen der Wirbellosen.
Fig. 258.
B
Harn- und G esclilechtswerk zeuge von Bufo maculi ventr is.
A Vom Männchen: a Ilode, b Niere, d früherer Ausführungsgang des
Wolfschen Köri^ers.
B Vom Weibchen : a Eierstock, b Niere, d Eileiter (früherer Ausführungs-
gang des Wolfschen Körpers). Natürliche Grösse.
zum Hoden , so treten die Ausführuugsgänge desselben in diesen Abschnitt der
Urniere, die aber auch die bleibende Niere ist, und da also später Samen durch
die Niere geht, um in den Ausführungsgang zu gelangen, so ist die Niere auch
Nebenhoden und üir Ausführungsgang wird Harn- und Samenleiter; jener weit nach
vorne liegende Abschnitt der Urniere (iro^/'scher Körper, il/w^ifer'sche Drüse) schwin-
det ganz oder bleibt in Resten zeitlebens, und der Ausführungsgang, welcher zwischen
diesem Abschnitt der Urniere und dem hinteren längeren, die Vasa efferentia testis
aufnehmenden Theil liegt, erhält sich durch's ganze Leben als Anhängsel des Harn-
Samenleiters. Gestaltet sich aber die Geschlechtsdrüse zum Eierstock, so kommt
es natürlich nicht zur Bildung der Vasa efferentia testis; der Ausführungsgang des
hinteren Abschnittes der Urniere stellt bloss den Harnleiter vor; die vorne in der
Bauclihöhle liegende Partie der Urniere schwindet, der dazu gehörige Gang aber
wird der Eileiter.
Ho.lon iler
(;..ilen-
terate».
Siel)ennii(lvierzigster Abscluiitt.
Von den Geschlechtsorganen der Wirbelh^sen.
§. 469.
Die Samen bereitenden Organe oder Hoden der Wirbellosen
bieten, wenn man sie bloss nach ihren Umi-isscn betrachtet, eine sehr
grosse Mannichfaltigkeit dar, ersclieincn hingegen ziemlich einförmig,
sobald man die dabei betheiligten Gewebe ins Auge fasst. Die wesent-
lichen Gewebe des Hodens sind Bindesubstanz und die Sekretions-
zellen , ja bei manchen Coelenteraten scheinen nur letztere das Con-
Hoden. 529
stituens des Hodens zu sein, indem wenigstens Lei unsei-en Hydren
die Zellen der äusseren Haut durch lokale Vermehrung und Umbil-
dung ihres Inhaltes zu Samenzellen werden können; Rouget giebt in-
dessen an, dass die auf der äusseren Haut liegenden Hodenbläschen noch
von einer strukturlosen Haut eingeschlossen wären. Bei den Sipho-
nophoren, sowie bei den Brauch iaten unter den Ringel würmern
scheint es ebenfalls , als könnten die Zellen der Leibeshöhle an be-
stimmter Stelle durch Wucherung und Metamorphose des Inhaltes zu
Samenzellen werden, allein es concurriren denn doch bindegewebige,
zarthäutige Umhüllungen und Stützen am Geschlechtsapparat , wie
sonstwo; erst später durch Platzen des Ueberzuges fallen Eier und
Samen, sich vom Mutterstocke ablösend, in die Leibesböhle, um sich
da frei weiter zu entwickeln.
§. 470.
Hat das bindegewebige Gestell des Hodens eine besondere Aus- ^"°'J^"^^"^
bildung erreicht, so lässt sich bei genauem Zusehen immer eine Schei- >«<)"■"''«">
düng desselben in eine homogene, scharf conturirte innere
Lage (die eigentlich e Tunica proprio) und in eine äussere, mehr
lockere und weichere, mit Kernen versehene Schicht
erkennen. In letzterer verlaufen, wenn Blutgefässe oder Tracheen
vorhanden sind, diese Gebilde, und es steht somit bei den Arthro-
poden diese Bindegewebsschicht mit dem Fettkörper in continuirlichem
Zusammenhang; auch im Falle die Hoden pigraentirt sich zeigen, ge-
hört das Pigment nur, wie ich mich z. B. an Piscicola, Pentatoma u. a.
vergewisserte, dieser Haut an. (Hat man den Hoden der zuletzt genann-
ten Baumwanze sorgfältig herauspräparirt , so fällt nach Einwirkung
von Kalilauge ein ausserordentlicher Reichthum von Tracheen auf,
zugleich mit einer ganz eigenen Vertheilung derselben, da sowohl
dichte, feine Netze gebildet werden, als auch parallel verlaufende
weite Röhren zugegen sind. Das Pigment begleitet hier wie bei an-
deren Insekten, Gercopis z. B. , zunächst die Tracheen.)
Die der Tunica propria des Hodens nach innen anliegenden Zellen
wimpern nur bei wenigen Thieren, bei den eigentlichen Hirudineen
(Hirudo, Haemopis) z.B., wo die zarten Cilien sehr lebhaft schwingen.
Ein andermal wimpern die Epithelzellen des Hodenausführungsganges :
bei Räderthieren, Acephalen, nach Thaer auch bei Polystomum appen-
diculatum. Um die Membrana propria der Samenleiter schlagen
sich bei den Hirudineen und den meisten hierauf geprüften Arthropoden,
Muskeln. — Eine die Sekretibnszellen des Hoden nach innen über-
deckende Intima scheint selbst den Krebsen, Spinnen und Insekten
zu fehlen.
Es wurde oben erwähnt, dass der Hoden mancher Wirbelthiere
in mehre Abtheilungen zerfällt, wobei alsdann der Inhalt der Sekretions-
zellen nicht in allen Partien der gleiche ist, indem nur gewisse Portio-
Leydig, Histologie. 04:
530
Von den Geschlechtsorganen dnr Wirbellosen.
nen Zoospermien liefern. Auch bei Wirbellosen kommt Aehnliches
vor. Bctrcachtet man z. B. die von Leon Bufour gegebene Dar-
stellung des zierlichen Hodens von Silpha ohscura (copirt in den Icon.
phys. B. Wagner' s), so stechen grössere, längliche Beutel nicht
wenig von den kleinen, die Hauptmasse des Hodens bildenden Quäst-
chen ab, und mikroskopisch sehe ich, dass nur in den letzteren inner-
halb grosser Blasen mit Tochterzellen Samenelemente entstehen, wäh-
rend die grossen Beutel keine Zoospermien erzeugen , sondern immer
nur prall mit hellen, eiweissartigen Kugeln angefüllt sind.
Ans dem Hoden von Silpha obscnra.
/V l'\)llikcl, in welchem sicli Zoospermien entwickeln, R Follikel, in welcliem
eiweissähnliclic Kng(!ln entstehen.
a Tiinica propria mit der Scheidnng in die innere scharfgerandete Schicht
und in die äussere zartere Lage.
A oces-
florische
<«03cliIcclitM-
drilse.n.
§. 471.
Acce SSO risch e Geschlechtsdrüsen, einer Prostata ver-
gleichbar, finden sich nicht selten; sie bestehen bei Hirudineen {Pis-
cicola^ Nephelis, Hirudo z. ß.) und Rotatoricn {Notommata z. B.) aus
einzelligen, zu einem Ganzen grnp])irten Drüsen; auch von man-
chen Mollusken sind dei'glcichen IVostatadrüsen beschrieben, von
Actaeon ». B. durch Oe<jenJtaur, und ich mfiehte nach dessen Schil-
derung (Zeitschr. f. w. Zool. 18ö4 S. 44Ö) vei-muthen, dass die Se-
kretionszellen in zarten Beutelcben liegen, deren Stiel erst in den
gemeinschaftlichen Ausführungsgcäng mündet, demnach so wie oben
von den Speicheldrüsen gewisser Gasteropoden gemeldet Aviirde. Bei
anderen Mollusken li;it die Prostata den Bau der gewöhnliclien Drü-
sen, <1. Ii. die Follikel besitzen eine bindegewebige Wand, nach innen
Prostata, Penis. 531
davon die SekrctionszcUen und zu äusserst in manchen Fällen Muskeln
{Prostata der Heikes) ; bei Heh'x Jiortensis ist der Bau der verästelten
Schläuche der soo-. Prostata derartig, dass zu äusserst eine aus dem be-
kannten gTOsszelligen Bindegewebe bestehende Umhüllungsschicht liegt,
dann folgt ein schönes circulärcs Muskelgeflecht, welches sich aber
nicht über den ganzen Drüsenschlauch erstreckt, sondern den grösseren
blinden Endtheil des Schlauches frei lässt. Am frischen Objekte lässt
sich schon mit freiem Auge die Grenze leicht bestimmen, wo die
Muskulatur aufhört, da der Schlauch sich einschnürt soweit die Mus-
keln reichen und von da ab weit bleibt. Der muskulöse Theil er-
scheint auch stärker pigmentirt, als das nicht contractile Ende. Zu
innerst liegen die Epithelzellen von langer cylindrischer Form. Den
accessorischen Geschlechtsdrüsen reihen sich die von Oegenhaur be-
schriebenen Penisdrüsen der Littorina an, welche aus einem Central-
und rosettenartig gruppirten Nebenfullikeln bestehen.
Fig. 260.
Ein Stück Pi-ostata von Nephelis, aus einzelligen Drüsen bestehend;
bei a die Ausmündungsstelle derselben. (Starke Vergr.)
In dem histologischen Verhalten der männlichen accessorischen
Geschlechtsdrüsen finden sich bei Insekten noch allerlei eigenthümliche
Bildungen, die eine nähere Untersuchung erheischen. Bei Pentatoma
z. B. bemerke ich in den eigentlichen, zum Theil gabiigen Drüsen-
kanälen nichts von einer die Zellen überdeckenden Intima, aber im Aus-
führungsgang fällt nicht bloss eine quergestrichelte Intima auf, welche
Zeichnung näher besehen netzförmig sich verbindende Ringe darbietet,
sondei-n innerhalb dieser Intima unterscheidet man einen zweiten schär-
fer conturirten und chitinisirten Kanal.
Wo penis artige Organe vorhanden sind, bilden Bindegewebe, J*"*'»«-
Muskeln und Zellen das Baumaterial. Die Muskeln erscheinen meist
unter der Form dichter Netze, an welchen man bei Insekten, wie
V. Hessling zuerst an Schmetterlingen nachwies, zahlreiche Muskei-
theilungen wahrnimmt. Die Zellen der Aussenfläche wimpern mit-
unter, nach Gegenhaur z. B. bei Hyalaea] bei Paludina vivipara
trägt die innerste Zellenlage des ganzen Ruthenkörpers sehr zarte
Cilien. Bei den Helices geht über die Zellen eine deutliche Cuticular-
schicht weg. In anderen Fällen beobachtet man verdicklere Cuticular-
bildungen ; schon bei den Turbellarien z. B. sind die freien Flächen mit
34*
532 Von den Geschlechtsorganen der Wirbellosen.
einer härtlichen, in Hacken endigenden Membran iiberzog-en, welche dem
Chitin verwandt zu sein scheint, und bei den Arthropoden finden sich
chitinisirte Ueberzüge, die in nichts von dem Panzer der äusseren
Haut abweichen und zu sehr complizirten Skelettheilcn sich umbilden
können (worüber man die Arbeiten von Dufour, Stein u, A. ver-
gleichen möge). — Die Ausstülpung der Ruthen scheint durch eine
Art Erection oder Zuströmen von Blut in die Interstitien des Organes
zu erfolgen.
§• 472.
Züoapermicn. Dic Zoospcrmicn oder Samenelemente der Wirbellosen lassen
sich bezüglich ihrer Form etwa in folgende Haupttypen vertheilen,
obschon wegen Zwischenformen keine strenge Durchführung möglich
ist. Sie sind entweder fadenförmige Grebilde oder nähern sich
mehr der kugligen Gestalt. Rein linear ohne Verdickung sind sie
bei manchen Würmern : Trematoden, Cestoden, Echinorhynchen, Pla-
narien, einzelnen Arthropoden, Argulus, Doridicola, Scorpionen, Tar-
digraden, Chilopoden, bei einzelnen ßryozoen; häufiger erscheint das
eine Ende verdickt und zwar cylindrisch bei Hirudineen, den meisten
Gasteropoden, Cephalopoden, Insekten. Ein ovales oder birnförmiges
Kopfende besitzen die Samenfäden bei manchen Gasteropoden , Ace-
phalen, Ringelwürmern, Nemertinen , Bryozoen, Radiaten. Eine selt-
nere Form ist die von CreseiSj wo die häarförmigen Zoospermien an
beiden Enden fein zugespitzt sind und im vorderen F^ünftheile ihrer
Länge eine Anschwellung he^WzQw {Ge genhau r)-^ eine ähnliche Form
sah ich bei einer Glepsiiw^ bei Cymhulia und Tiedemavnia ist das eine
Ende dick und spiralig gedreht, das andere Ende in einen feinen
Faden auslaufend , der vor seiner Spitze in ein kleines Bläschen an-
schwillt; ähnlich sind die Zoospermien von Entoconcha mirahilis nach
der Darstellung von Joh. Malier. Ein stark verdicktes cylindrisches
Kopfende mit zartem, kurzen Schwanzfaden zeigen die Zoospermien
der echten Spinnen.
Kugelähnliche Zoospermien kennt man von den Myriapoden,
mehren Krustenthieren {Branchipus, Artemia, Caligus) und den Nema-
toden. Die der Gordiaceen (vergl. Meissner) sind sehr feine nadel-
oder haarförmige Stäbchen. Aehnlich sind die der Daphnoiden und
Cyclopiden. — Die zellenförmigen Samenelemente der Dekapoden
sind, wie zuerst Henle und Kölliker zeigten, mit zarten faden-
förmigen Ausläufern besetzt, sogenannte S trab lenz eilen. Doch
kommen auch andere Zoospermien vor: i\ Siehold sah sie bei
Crangon und Palaemon von Gestalt j)lattgedriickter Bläschen , aus
deren Mitte eine kurze Spitze hervorragt. Ich sah ebenfalls die des
Pagunis (im September) von ähidicher Form : es waren konische Kör-
perchen, scharf conturirt und an der Basis mit einer Art Teile ver-
schon, welche wie ein Fleck sich ausnahm.
Zoospermien. ' 533
Die Samenelemente der genannten Phylloporlen stellten sich als bläschen-
förmige Körperchen mit einem hellen Fleck dar, der mir nicht kernartig, sondern
mehr wie eine Vertiefung vorkam. Die Zoospermien der Daphnien scheinen nach
den einzelnen Arten kleine Abänderungen zu zeigen; v. Siebold nämlich sah sie
bei Dap/i7iia recürostri-i von länglicher, halbmondförmig gekrümmter Gestalt, wäh-
rend ich in v((rigem Herbste an den Männchen zweier Spezies bemerkte, dass sie
bei der einen Art (D. jmlex) kurze, aber gerade cylindrische Gebilde waren, an
dem einen Ende mit einem dunkleren Fleck, hingegen bei der anderen Art {D. nima)
erschienen sie bei gleicher Grösse als birnförmig ausgezogene Körperchen. Ausser-
halb des Thieres blähten sie sich bald zu zellcnähnlichen Formen auf. Von Thieren,
der D. pulex, welche einen Tag lang in sehr verdünnter doppelt chromsaurer Kali-
lösung gelegen waren , unterschied man an den Zoospermien ein cylindrisches,
dunkles «täbchen und einen hellen, häutigen Saum, welcher meist in einer Krüm-
mung über das Stäbchen hinzog. Von ähnlicher Form finde ich auch die Zoo-
spermien des Cyclops quadricorni^ ; sie bestehen aus einem glänzenden, länglichen
Körperchen, das eine noch dunklere Verdickung hat, die Enden gehen in eine
membranartige Fortsetzung aus, das ganze Zoosperm hat die Gestalt eines läng-
lichen PUlttchens, dessen einer Rand verdickt ist. Das Plättchen erscheint einmal
um sich gedreht.
Eine eigenthümliche Form von Samenelementen procluzirt Ixodes:
lange, helle Cjlinder, die an dem einen Ende kolbig angeschwol-
len sind.
Zoospermien mit undulirender Membran wurden aus der
Reihe der Wirbellosen bis jetzt nur bei Rotatorien und den Cypriden
gefunden. Die letztgenannte Thiergruppe zeichnet sich auch durch
die absolut grössten Zoospermien aus: sie erreichen bei Cyjyris ovum
die 3 — 4fache Länge des Thieres. Von riesiger Länge (über 1'")
sind sie auch bei den Chilopoden ; diesen zunächst stehen die Samen-
elemente mancher Lisekten und Gasteropoden , welche ebenfalls nicht
selten bis zu V" Länge messen.
Bei einigen Wirbellosen enthält der Samen Zoospermien von
zweierlei Art, eine Erscheinung, die als sehr auffällig bezeichnet
werden muss. Längere Zeit hindurch war nur Paludina vivipara in
dieser Beziehung bekannt, wo sich mit den gewöhnlichen haarförmigen
Elementen , deinen verdicktes Kopfende spiralige Windungen zeigt,
noch längere wurmförmige Zoospermien, an einem Endtheil in mehre
zarte Fäden auslaufend, finden. Gegenwärtig kennt man noch zwei
andere Thiere, welche dasselbe Phänomen sehen lassen: das Männchen
von Notommata Si'eboldu hat ausser den länglichen, meist sichelföi'mig
gekrümmten Zoospermien, welche an dem einen liand in eine undu-
lirende JMembran ausgehen, noch zweitens scharf conturirte Stäbchen
mit einer mittleren leichten Anschwellung. Dann haben wir durch
W. Zenker erfahren, dass der Samen des Asellus aquaticus aus sehr
langen haarffirmigen und kürzeren, dickeren keulenförmigen Zoosper-
mien zusammengesetzt sei. Vielleicht müssen auch dem Oniscus mu-
rarius zweierlei Zoospermien zugeschrieben werden, denn ausser den
bekannten, so sehr langen, fadenförmigen findet sich noch eine zweite
534
Von den Geschlechtsorganen der Wirbellosen.
Art kugelförmiger^ welche genauer beti^achtet die Gestalt haben , wie
sie Leucl-art von denen des Julus terrestris (Art. Semen in d. Cycl.)
Fig. 261,
A
Von
B
Von
C
Von
D
Von
E
Von
F Von
G Von
H Von
.1 ^'on
Einige Formen von Zoospermien.
Arguhis foliacois : a, b EntwicI^liingszellen, c freies Zoosperm.
Cercopis spiunaria , wie sie nm einen Achsenstrang heiiiiu 'zii feder-
fönnigen Massen verbunden sind.
Bnllaea aperta.
Clepsine (Spec. ?): a Bündel, b einzelne Samenelemcnto.
Notomniata Sieboldii : a Entwickhingszellen, b dieselben im Auswachsen
begriffen, c Auftreten des uiidulirenden .Saumes, d reil'e, flimmernde
und stäljchcuförmige Zoospermien.
Araehniden : a von ICpeira, b von Dysdcra, c von Clubioua, d von
Phalangium.
Ixodes testudinis : a Entwicklungszellen , b ausgebildete Zoospermien.
Cypris acuminata (nach W. Zenker).
Tabulina vivipara, die beidt'rlei I"'ormcn.
u;i- iSamcii-
enieiite.
Zoospermien. 535
darstellt. Diese zweite Art keimt in den drei blinden, oft noch in
eine oder mehre Blasen endigenden Anhängen der Hodenspitze,, wäh-
rend die fadenförmigen aus den grossen Zellen des eigentlichen Hoden-
körpers hervorgehen.
§. 473.
Wenn wir uns um die genetische Beziehung bekümmern, in welcher >:i'isiei,nn
das ausgebildete Zoosperm derWirbelthiere und Wirbellosen zur elemen- ei'
taren Zelle steht, so zeigt sich, dass sich den hierüber angestellten Unter-
suchungen bis jetzt kein allgemeines Schema hat abgewinnen lassen; es
scheinen im Gegentheil mehre Typen durchzugreifen. Bei manchen For-
men nämlich bildet sich das ganze Zellenbläschen durch bestimmte
Veränderungen, Auswachsen u. dergl. in das Zoosperm oder Samen-
körperchen um ; letzteres entspricht mithin einer metamorphosirten
kernhaltigen Zelle, so bei Nematoden, Paladina vivipara, CymhuUa,
Tiedemannia, unter den Turbellaricn bei Mtcrostomum*), {Reichert,
Leydig, Gege7tJ>aur)\ es bleibt auch wohl eine Trennung in Membran
und Inhalt zurück, wie ich z. B. von denen des Ixodes beschrieben, ja
selbst der Nucleus erhält sich, Beispiel: Notommata. Häufiger schei-
nen die Samenelemente nur umgewandelte Kerne vorzustellen, was
wohl bei den meisten Thiergruppen der Fall ist; Kölliher möchte
diesen Typus auf die ganze Thierreihe ausgedehnt wissen. Endlich
drittens weisen manche Beobachtungen darauf hin , dass die Samen-
elemente innej'halb der Zellen in Bläschen entstehen, welche den
„Sekretbläschen'' verglichen werden können; unter diesen Ge-
sichtspunkt möchte ich wenigstens die Angaben Leuckart^s bringen.
Er betrachtet die Samenkörperchen als Neubildungen aus dem
Inhalte von Samenzellen.
Die Samenelemente vieler Krustenthiere (der Myriapoden, Deka-
poden, Amphipoden etc.) zeigen keine Bewegung, sind starr. Da
man indessen wahrgenommen hat, dass gar manche Zoospermien zwar
innerhalb des männlichen Thiercs zu keiner selbstthätigen Bewegung
kommen, wohl aber sobald sie in den weiblichen Körper übergeführt
wurden (z. B. bei Ixodes, den Cypriden) , so darf vermuthet werden,
dass auch von den andern „starren" Formen noch eine ähnliche Weiter-
bildung bekannt wird.
Die neueren Erfahrungen über die Rolle, welche die Zoospermien
bei der Befruchtung spielen, haben, was schon oben erwähnt wurde,
*) An Microsiomum lineare weiiigsten.s kann ich die Mittheilungen Schnitze's
über die Si)ermtitozoiden und ihre Eutwicklungsfornien (Arcli. f. Naturgcsch. 1849.
S. 283) bestätigen. Nur sali ich bis jetzt noch nicht den eigenthünilichen bröck-
lichen Inhalt, welchen er zeichnet, die Zoospermien waren vielmehr ganz homogen
und von den Umrissen, wie sie Schnitze a. a. O. Fig. 4 c zeichnet. Alle unter-
suchten Individuen verniclirtcn sich auch durch Theilung.
phi'i eil.
536 Von den fleschlechtsorganen der Wirbellosen.
Erwiesen, dass die Samenl<örpcrchen bei der Befruchtung in das Innere
dies Eies eindringen und allmählich im Dotter, in Elementarkörner
zerfiiUend, verschwinden. Man sah diesen Vorgang an den Eiern des
Frosches, am Kaninchenei, bei Insekten, Würmern u. s. w. {New-
port, Bischoff j Leuckart , Meiss7ier, Nelson u. A.).
spermau.. Pas zülie, strukturlose Sekret aus den männlichen accessorischen
Geschlechtsdrüsen tritt bei vielen Wirbellosen mit den Samenelementen
in eine innigere Beziehung, als solches bei den Wirbelthieren der
Fall ist. Es wird iiämlich eine Portion von Zoospermien von dem
erhärtenden Sekret meist wie von einem Schlauch umhüllt und da-
durch sog. S permatop 1) ore n' gebildet. Eine die Erzeugung der
Spermatophoren vorbereitende Bildung sind wohl die von Leuckart
mit dem Namen „Samenstäbchen" belegten Massen von Samen-
körperchen, welche unter Vermittlung eines gemeinsamen Bindemittels
zu strangartigen Gebilden verbunden sind; sie finden sich z. B. bei
Hirudlncen, Insekten, wo sie namentlich bei den Schmetterlingen
lange, wurmförmige Körper darstellen. Die „Samcnstäbehen" bilden
sich gleich in den aus den HodenfoUikehi führenden Gängen. An
der Schaumcicade (Cercopis sjjumaria) habe ich beobachtet, dass die
fadenförmigen Zoospermien sich zu federartigen Gebilden gruppiren,
als deren x\chse ein besonderer heller, homogener Cyllnder funglrt.
Aehnliche fcderförmige Gruppen von Spcrmatozoiden hat von den
Locustinen früher schon v. Siebolcl, von Tettigonkt Dujardin
beschrieben. Sie sind offenbar für modifizlrte „Samenstäbchen" an-
zusehen. Von Interesse ist, dass nach den Mittheilungen von W. Zen-
ker die kolossalen Samenfäden von Cupris immer je einer für sich
von dem Sekret der „Schleimdrüse" hautartig umhüllt werden und erst
im weiblichen Körper diese Hülle abstreifen, wie ja auch liier die
anderen Spermatophoren bersten und die Zoospermien frei werden
lassen. Bis jetzt sind Spermatophoren bekannt von den Cephalo-
poden, hier iieissen sie nach ihrem ersten Beschreiber Neerdham-
sche Körper, wurden früher häufig für besondere Thiere gehalten und
bei ihnen bringen die Sekretstoff'e ausser der allgemeinen Hülle des
Schlauches eine zusammengesetztere Bildung, einen projektllen, aus
einem elastischen Spiralbande bestehenden Apparat zu Wege (hier-
von Abbildungen und Beschreibung besonders genau bei Milne Ed-
wards, Ann. d. sc. nat. Tom. XVIII); bei den Insekten wurden
ausser den Genannten durch Stein von befruchteten Käferweibchen
Spermatophoren angezeigt. Sie gelangen bei dem Begattungsakte in
die Bursa cojmlatr ix ; neuerdings hat Lesp^s (Compt. rend. 10. 1855)
Spermatophoren der Grillen beschrieben, welche von dem Männchen
an die (Jeschlcchtsöffnung des Weibchens angeklebt werden und erst
nach längerer Zeit die Samenelementc austreiben, die dann innerhalb
der weiblichen Genitalien beweglich werden. Unter den K rüsten -
thieren kommen Ix'i (>inigen Cyklopiden (C'^c/oyM'me) ebenfalls solche
Spermatophoren. 537
Bildungen vor, welche den Weibchen bei der Begattung- angehängt
werden. Sie wurden schon von den älteren Naturforschern, welche die
Entomostraca studirten, abgebildet, aber erst v. Siehold hat die wahre
Bedeutung derselben ins Licht gesetzt. Bei dem gemeinen Flusskrebs
wird zuweilen der ganze Inhalt des Samenleiters in einen einzigen
sehr langen Schlauch eingeschlossen ; gewöhnlich aber trennt sich der
Inhalt des Samenleiters in einzelne, hintereinander gelegene, kleinere
Partien, von denen dann eine jede einzelne von einem Samenschlauch
umhüllt wird {Leuckart). Aus der Klasse der Anneliden habe
ich Spermatophoren von Piscicola beschrieben, Fr. Müller und Max
Schnitze haben sie bei Clepsine complanata beobachtet, unter den
Strudelwürmern hat sie der letztgenannte Autor bei Planaria
torva gesehen.
Die Art und Weise , wie der Samen bei der Begattung in die weiblichen
Theile gelangt , ist bei mehren Wirbellosen eine höchst eigenthiiniliche. Die
Uebertragung geschieht nämlich bei Libellen, den Spinnen, dem Argulus und
manchen Cephalopoden nicht durch einen Penis, der zunächst der Mündung der
Samenleiter angebracht wäre, sondern jene die Rolle einer Ruthe spielenden Organe
liegen ganz entfernt von der Samenleiteröffnung. Bei den männlichen Libellu-
liden steckt der Ruthenapparat an der Basis des Abdomens in einer Grube ver-
borgen, während die Samenleiter am Hinterleibsende münden. Die Männchen
müssen sich daher zur Begattung dadurch voi'bereiten, dass sie durch Umbeugen
ihres Hinterleibes gegen die Basis des Abdomens den Ruthenapparat mit Samen
füllen. Bei der Begattung beugt dann das Weibchen seine Gesclilechtsöfi'nung
gegen diese Theile hin. Die männlichen Spinnen gebrauchen ihre Palpen als
Ruthen, worüber man die Wittheilungen von Menge vergleichen möge. Das
Männchen des Argulus foliaceus besitzt am vorderen Rand des letzten Fuss-
paares vor der Theilung desselben in die Ruderglieder einen Höcker, der in einen
bräunlich gefärbten, gekörnelten, nach unten und einwärts gekrümmten Hacken
endet. Diesem Höcker sammt Hacken entspricht am hinteren Rande des vorletzten
Fusspaares eine eigenthümliche , vorspringende Kapsel , die von rundlich drei-
eckiger Gestalt ist und deren Innenfläche eine gebuchtete Be.?chatfenheit hat. Auch
ihre nach oben gelegene Oeftnung hat geschweifte Ränder. Vor der Begattung
füllt das Männchen nun durch Umbeugen des vorletzten Fusspaares an die Aus-
mündungsstelle der Ductus deferentes die bezeichnete Kapsel mit Samen und bringt
sie dem Weibchen an die Papille der Samentasche. In ähnlicher Art, wie bei
Argulus ein Fusspaar die Function einer Ruthe vollführt, so geschieht das auch
bei einigen Cephalopoden. Die Männchen haben dann einen eigenthümlich ge-
bauten Arm, der vom Hoden den Samen aufnimmt und denselben in die weiblichen
Generationsorgane schaffet. Diese Begattungsweise der Cephalopoden war bereits
Aristoteles bekannt, später in Vergessenheit gerathen , und da der Arm bei der
Begattung vom Männchen sich ablöst und häufig auf dem Weibchen ein fast
individuelles Leben führend gefunden wird, so hielt man einen solchen Arm
für einen Parasiten und schuf dafür den Namen Hectocotylus. Es hatte zwar
Dujärdin die Vermuthung ausgesprochen, dass die Hectocotylen behufs der Be-
fruchtung losgestossene Theüe der Cephalopoden wären , doch wurde erst durch
neuere Beobachtungen, die von de Filippi und Verany ausgingen, jene Angabe
des Aristoteles wieder in ihre Rechte eingesetzt, indem man die Hectocotylen
als die Arme der Tintenfische erkannte.
Geachleclits
apparat.
538 Von den Geschlechtsorganen der Wirbellosen.
§. 474.
Weiblicher Dic w e i b 1 1 c li 6 11 G c 11 e r a t i o n s \v c r k z e u g e anlangend , so
repräsentirt bei den Protozoen der sog. Nadeus , welcher selbst wie-
der eine Scheidung in helle Membran und körniges Contentum auf-
zeigt [Vorticella, Loxodes z. B.), eine Art Keirastock, da von ihm
aus, wahrscheinlich durch Theilung die Vermehrung sich macht.
Vielleicht hat der „Kern" der Infusorien bei manchen Individuen eine
andere, aber ebenfalls mit der Fortpflanzung verwandte Bedeutung.
Joh. Müller nämlich hat an Paramaecmm aurelia^ Lach-mann und
Clarapede bei Chilodon cucidlulus beobachtet, dass der Inhalt des
„ Kerns '^ aus einem Bausch von Locken gekräuselter Fäden gebildet
wurde; Lieherhühn sah die Anhäufung gekräuselter Fäden bei
einem der Koljjoda ren nahe stehenden Infusorium nicht im Kern
selbst, sondern in dem sog. Kernkörperchen (Monatsber. d. Akad. d.
Wiss. zu Berlin, 10. Juli 1856). Obschon Joh. Müller hierzu be-
merkt, es sei unnöthig und vorzeitig, für jetzt weitere Schlussfolgen
aus diesen Beobachtungen zu ziehen , so konnte ich mir's dennoch
nicht versagen, diese wichtigen Thatsachen hier aufzunehmen, da
allzunahe liegt, dass sie mit der Auffassung Ehr enherg^ s, welcher
das fragliche Organ „Samendrüse" nennt, möglicherweise sich ver-
einigen lassen.
Nach früheren Untersuchungen an F[ydren schien es mir, als ob die
Eier in der zelligen äusseren Haut entstehen, jedoch melden Eougei
und Ecker^ dass fragliche Organe unter der äusseren Körperhülle ihren
Ursprung nehmen, so dass also schon hier, sowie bei allen anderen
Wirbellosen eine Mitbetheiligung von bindegewebigen, stützenden Häu-
ten angenommen werden darf. Das Bindegewebe unter der Form
von Röhren und Säcken das Gestell bildend, an dem die Eier keimen,
zeigt gerne eine DifFerenzirung in eine innere, rein homogene, scharf
conturirte Lage, Tunica propria, und eine äussere, lockere und zartere
Schicht, welche mit der interstitiellen Bindesubstanz des Körpers in
Verbindung tritt. Sie ist es auch, in der die etwa vorhandenen indi-
vidualisirten Blutgetässe, bei den Cephalopoden z. B. , verlaufen,
ebenso die Tracheen der Arthropoden; auch Avcnn dic Ovarien
Muskeln besitzen, wie die Eiröhren der Insekten, so sind die con-
tractilen Elemente in diese Haut eingelegt. Die Muskeln an dem
Eierstock der Insekten sind quergestreift und veiästelt. Das Ovarium
der Holothurien besitzt ebenfalls eine Muskclhaut. Auch im Falle
der Eileiter sich um den Eierstock herum zu einer besonderen Kapsel
ausdehnt, wie bei Cephalopoden, dem Argulus z. J). , ist diese
Hülle mit Muskeln versehen. Die Zellen an dw Innenfliiche der
Tunica propria liefern die Eier.
lieber die zarten Fäden, welche die beiden Ovarien der Insekten an den
Thorax befestigen, vergl. Lcydhj in iNIüll. Arcii. 1855 S. l.'i'.'.
Ovarien,
'Scheide, Uterus. 539
Am Eileiter der verschiedensten Wirbellosen sind Muskel- Eneuer.
schichten eine gewöhnliche Zugabe; die Epithelzellen, welche die
Ovidukte auskleiden, flimmern bei vielen Mollusken. Wie nun über-
haupt die Eileiter eine ganz ähnliche histologische Differenzirung
zeigen, wie die Wandungen des Darmes, so kehrt bei den Arthro-
pode n auch wieder, dass ausser dem Bindegewebe, den Muskeln,
den Zellen noch eine homogene Intima auftritt, die mit der Cuticula
der äusseren Haut in Continuität steht , auch ganz dieselben Modi-
ficationen darbieten kann , wie die Intima des Nahrungsrohres oder die
Cuticula der äusseren Bedeckung, sie ist demnach hier dünner, dort
dicker, bald weicher, bald verhornter, einfach glatt oder mit zelliger Zeich-
nung, und anderen Skulpturen versehen, sie hat z. B, bei vielen Käfern
(vergl. ßt 61718 Monographie) ähnliche stachelige und schuppenförmige
Auswüchse wie die äussere Haut. Merkwürdig sind ferner die unter
der Intima befindlichen Zellen, bei Geotrupes stercorarius z. B. sehr
gross und kugelförmig von Gestalt werden sie zu einzelligen Drüsen,
indem auf ihrer äusseren Wand sich das spiralförmig zusammengerollte
Ende eines feinen chitinisirten Ausfülirungsganges verbreitet, der an
der Intima sich öfl:net.
§. 475.
An der Scheide (der Käfer) sind dieselben Schichten vorhanden, scheide.
wie am Eileiter ; die Muskellage zeigt hier die mächtigste Entwicklung,
besonders an der eigentlichen Scheide, w^eniger an der Begattungs-
tasche; die Zellen treten im Allgemeinen zurück, sind jedoch in der
Begattungstasche von Meloe, Notoxus, Hylohius z. B. sehr entwickelt;
die Intima hat grössere Dicke und Festigkeit, ist mehr „verhornt",
kann der äusseren Chitinhaut an Farbe und Consistenz ganz gleich
werden. Näheres über die Form der Auswüchse der Intima bei
Stein a. a. O. , wo eine Menge interessanter Einzelheiten niedergelegt
sind. Auch die Elemente der Zellenlage können zu einzelligen Drü-
sen werden, wovon der genannte Autor ein hübsches Beispiel am
Carahis hortensis und C. granidatus nachweist.
Weitet sich bei Wirbellosen der Eileiter zu einem als Uterus iterus.
geltenden Abschnitt aus, so bleibt doch an ihm im Wesentlichen die
Struktur des Eileiters, bei Paludina vivipara z. B., wo der Uterus
die Gestalt eines weiten, häutigen und verhältnissraässig sehr dünn-
wandigen Sackes hat, ist er äusserlich überzogen von dem gemein-
schaftlichen Eingeweidesack oder dem Bauchfell, ferner unterscheidet
man eine Muskelhaut und Schleimhaut. An der Innenfläche des Uterus
bemerkt man eine Falte , welche von der inneren Ecke der Bursa
seminis aus, am Spindelrande hervorzieht, bis sie in eine der zahl-
reichen Längsfalten übergeht, welche die Innenfläche des in die
Kiemenhöhle mündenden Uteruszapfens auszeichnen. Gegen diese
Längsf^dte hin ziehen zahlreiche Querfalten, welche sich nur bis an
den Rand der unter dem Uterus liegenden Eiweissdrüse erstrecken
540 Von den Geschlechtsorganen der Wirbellosen.
und dann sich verlieren. In der Längsfalte des Uterus erblickt man
bei mikroskopischer Untersuchung einen hellen Raum, um den sich
feine Muskelröhren geflechtartig herumziehen, und im Raum selber
zahlreiche Blutkörperchen. Es liegt sonach in der Längsfalte des
Uterus ein Gefäss und wirklich füllt sich auch bei Leirainjectionen
dieser Raum als Arterie, von welcher die ziemlich starken, auf der
oberen Wand des Uterus verlaufenden und • sich dort verästelnden
Arterlen ausgehen.
Die rundlichen Epithelzellen , glashell oder mit gelbkörnigem In-
halt erfüllt , wimpern ; Drüsen mangeln. Heli.r hingegen hat , wie
H. Meckel angiebt, kleine Drüsenfolhkcl mit körnerhaltigem Epithel.
Der Uterus der Hyaleen besteht nach Gegenhaur aus homogener
Grundmerabran , einem Beleg von circulär verlaufenden Muskelfasern
und einer inneren Auskleidung kleiner, wimpernder Cylinderzellen ;
auf der Oberfläche ist er pigmentirt und unter seiner faltigen Innen-
fläche besitzt er ein stark entwickeltes , unter dem Epithel lagerndes
Zellstratum mit granulirter Substanz (ist das Aequivalent der Eiweiss-
drüse der Gasteropoden G.).
Bei Cyclas entwickeln sich die Embryonen in eigenen, in die Kiemen hinein-
ragenden Taschen. Diese Bruttaschen wimpern weder aussen noch innen und
haben an ihrer Innenfläche eine sehr merkwürdige Zellenlage, welche wahr-
scheinlich die Absonderung der hellen P'lüssigkeit besorgt, in der die Früchte
schwimmen. Die Zellen sind von verschiedener Grösse, die kleinen haben den
gewöhnlichen Charakter elementarer Zellen, die grösseren, iiis Innere der Brut-
tasche knospenartig vorspringend, zeigen eine äussere Eiweisszone , die sehr wenig
dem Wassereinfluss widersteht und bald bedeutend aufquillt, dann einen körnigen
Inhalt , in welchem eine ungewöhnlich starke \ ermehrung der Kerne statt hat
(man zählt 20 und mehr) , ohne dass die Inhaltskörperchen sich um die neuen
Kerne geballt hätten.
§. 476.
z.v,tter,irü!>e. Blldcn slcli ^Samcu und Ei in einem und demselben Individuum,
ist sonach das Thier Zwitter, so kann Hoden und Eierstock von
einander gesondert sein (z. B. bei den hermaphroditen Muscheln,
Cyclas, Pecten, Cardium, Ostrea), oder beide vereinigen sich zu einer
Drüse, sog. Zwitterdrüse, z. B. bei Synapta, vielen Gasteropoden
und Pteropoden. Bei Synapta gehen In den Geultalschlauch die Ho-
den als gekrauste Längsstreifen, 4 — 5 an der Zahl, herab. Zwischen
den Falten der jedesmaligen Krause, nicht aber im Raum, der zwi-
schen den vier Längskrausen bleibt, liegen die Eier, aber beide Pro-
dukte sind durch homogene Häute auseinander gehalten ; auch In der
Zwitterdrüse der Gasteropoden werden die Bildungsstätten der Zoo-
spcrmien von den Keimstellen der Eier durch helle, dünne Membra-
nen geschieden. Die Drüse hat traubige llmrisse und l)el den He-
lices ziemlich lange Drüsenschläuche ; in jedem einzelnen End-
schlauch entstehen zu äusserst die Eier und Im inneren Baum die
Samenelemente, jeder Äcinus ist somit aus einer (Jvarial- und Hoden-
Zwitterdrüse.
541
Fig. 262.
Ein Stück Innenfläche vom Gc ni talsohlauch der Synapta digitat;
a die Hoden, b die Eier, c Zoospermien, isolirt. (Starke Vergr.)
Fig. 263.
a.
..a
; b
Ein T^üppchen der Zwitterdrüse von T hyllirr Ime Im ce ]i 1' a i n ni.
aa Eibildende Abtlieilung derselhon , bb sanienljcreitcnder Abschnitt mit ISpcrm:'.-
tozoidenbüscheln, c Lninen des Zwitterdrüseiiläppcliens nahe an der Vereinigungs-
stelle sämmtlicher Läppchen der Drüse, d einlache Membran. (Nach G egenhaiir)
542 Von den Geschlechtsorganen der Wirbellosen.
abthellung zusammengesetzt, oder wie man das Verhältniss gewöhnlich
bezeichnet: der samenproducirende Follikel erscheint in den Eiersack
eingeschachtelt. Einen anderen Typus repräsentirt unter den Gastero-
poden, wie wir durch Qegenhaitr wissen, Äctaeon, wo die Eier und
Samenelemente bereitenden Follikel von einander getrennt sind und
selbständige Drüsen bilden, aber so nebeneinander verlaufen, dass
sie ein einziges, vielfach verästeltes Organ vorstellen. Wenn die von
Kölliker gegründete Gasteropodengattung Rhodope wirklich ein
Mollusk ist, so reiht sie sich Actaeon darin an, da auch bei ihr die
Production männlicher und weiblicher Zeugungsstoffe auf verschiedene
Acini sich vertheilt findet, (üebrigens scheint .Rhodope kein Mollusk,
sondern eine Turbellarie zu sein.)
Auch der aus der Zwitterdrüse herausführende Gang sollte nach
der Darstellung H. MeckeVs^ welcher die histologischen Verhältnisse
der Zwitterdrüse der Gasteropoden zuerst erkannte, eine ähnliche
Einschachtelung zeigen , was sich indessen nicht bestätigen lässt.
Leucko.rt, welcher selbst an der Zwitterdrüse der Gasteropoden
die M ecke V schall Doppelfollikel in Abrede stellt, und Gegen-
haur sahen, dass bei Pteropoden der Ausführungsgang der Zwitter-
drüse für die beiderlei Geschlechtsprodukte gemeinschaftlich sei; er
bestehe aus homogener Grundmembran , einem Beleg von circulär
verlaufenden Muskelfasern und innerer Auskleidung wimpernder Cy-
linderzellen. Dasselbe gilt für den Gang aus der Zwitterdrüse
bei unseren Helices ; er ist für Samen und Eier gemeinsam und
H. Meckel hat wahrscheinlich den äusseren zumeist aus grossen
Zellen gebildeten bindegewebigen Ueberzug für einen eigenen Ductus
genommen, in welchem ein flimmernder und innen faltiger Eiergang
eingeschlossen wäre. Die reifen Eier können wahrscheinlich auch
hier wie bei den Pteropoden nur durch ein Platzen der Membran
frei werden, welche sie innerbalb der Zw^itterdrüse von dem Hoden-
raum abgrenzt.
Die ebenfalls mit zwitterhaftem Geschlechtsapparat ausgestatteten
Trematoden, Cestoden und viele Turbellarien haben das Eigene, dass
anstatt eines einfachen Eierstockes ein die Eikeime liefernder Keim-
stock und ein die Dotterkügelchen produzirender Dotterstock vorhan-
den sich zeigt.
§. 477.
ACCC8. U]-,^ ^\[Q Y\qy mit Eiweissumhüllungen oder mit festeren Schalen
GeHciiiecht.. ZU vcrsehcn, sowie um die gelegten Eier sowohl unter sich als auch
an fremde Körper anzid\itten, dienen acccssorische Geschlechts-
drüsen. Es sind bei Lumbricinen und Hirudineon einzelh'ge Formen,
bei anderen (Eiweissdrüse der Gasteropoden, die drüsigen auf dem
Uterus liegenden Massen bei Lymnaeus, Planorhis etc., die Eileiter-
drüsen der Cephalopoden , die Schleim- und Kittorganc der Insekten)
zusammengesetzte Drüsen von mannichfachcn äusseren Umrissen. Bei
Samentasche. 543
Mollusken können die Sekretionszellen wimpern, bei Paludina vivipara
z. B. Während der Gesclilcchtsthätigkeit hat bei den Helicincn die Ei-
weissdrüse ein weisslich gallertiges Aussehen , da sie um diese Zeit aus-
schliesslich Eiweisskügelchen produzirt; im November aber finde ich
sie (bei Helix liortensis) von intensiv gelber Farbe, und die Ursache
hiervon ist eine klar zu verfolgende Fettmetamorphosc, der die Ei-
weisskügelchen unterliegen. Uebrigens ist jetzt der folliculäre Bau
sehr deutlich. Von den Eiweissdrüsen im Eileiter des Frosches wurde
oben dieselbe Veränderung gemeldet.
Die Wand des Pfeilsackes der Helicinen besteht aus einer
sehr dicken Muskellage, dann kommt bei Helix hortensis eine schwärz-
lich pigmentirte Bindegewebsschicht und zu innerst das aus langen,
schmalen Cylinderzellen zusammengesetzte Epithel; die Zellen haben
nach der freien Seite hin einen gelbkörnigen Inhalt und eine Cuticular-
schicht. Der sog. Liebespfeil, welcher in Form eines spiessartigen
Gebildes im Lumen des Pfeiisackes ruht,*) gehört seiner Struktur nach
zu den Zellenabscheidungen, was sich sehr leicht und schön verfolgen
lässt. Vom Grunde des Pfeilsackes nämlich erhebt sich eine Papille,
welcher der Liebespfeil mit seiner Basis aufsitzt und umfasst. Hat
man nun letzteren abgehoben , so erblickt man um das Epithel der
Papille herum abgeschiedene Lagen einer weichen homogenen Sub-
staiiz und aus eben solchen Lagen besteht der Liebespfeil nach Aus-
zug des Kalkes durch Säuren. Die Bildung des Liebespfeiles geschieht
demnach so, dass von den Epithelzellen des Pfeilsackes Lagen einer
homogenen Substanz abgeschieden werden , die sich mit Kalk in-
crustiren. An dem seiner Kalksalze beraubten Liebespfeil bemerkt
man auch in einzelnen Fällen da und dort Zellenrudimente in den
homogenen Schichten, die in mehr zufälliger Weise hineingerathen
sein mögen, ähnlich wie diess oben von den Kiefern der Helicinen,
dann vom sog. Hornbelag im Kaumagen der Vögel u. s. w. berichtet
wurde. Die zierliche , cannellirte Gestalt dieses Objektes bei ver-
schiedenen Helices bedingt sich durch die Form, welche das Lumen
des Pfeilsackes hat; der Liebespfeil ist nur ein Abguss der Lichtung
dieses Sackes.
Häufig steht bei Wirbellosen noch eine Samentasche {Recepta- samen-
culum seminis) mit den weiblichen Leitungsapparaten in A erbindung.'^'''')
Bei Turbellarien , Trematoden, manchen Krustenthieren
scheint sie nur aus einer homogenen Haut gebildet zu sein (?), bei
anderen Gruppen hat sie einen complizirteren Bau, bei Gaste ro-
poden z. B. bindegewebige Grundlagen und eine wimpcrnde zellige
tasülie.
*) Ueber die verschiedene Form desselben bei den Helices vergl. Adolf
Schmidt in der Zeitschr. l'ür Malakozool. 185-, 1853.
**) Bei Wirbelthieren kennt man mit Sicherheit noch niclits von einem
Receptaculum seminis; vergl. was darüber oben S. 519 bemerkt wurde.
544
Von den Geschlechtsorganen der Wirbellosen.
Auskleidung. Merkwürdig ist das Becejjtacvlum seminis der Insekten.
Bei Eristalis tenax z. B. folgt auf die tracheenhaltige Tunica propria
eine dunkle Zellenschicht, die Zellen setzen sich in den Ausführungs-
gang fort und werden da farblos und annähernd cylindrisch. Das Lumen
der Samentasche erscheint von einer schwarz gefärbten Chitinhaut
ausgekleidet, so dass gewissermaassen eine zweite Kapsel zu Wege
kommt , deren Fortsetzung auch im Ausführungsgang ein inneres
Chitinrohr erzeugt. Bei vielen Käfern zeigt sich ebenfalls die Intima
völlig „verhornt", von F'arbe rostroth bis schwarzblau, auch selbst mit
polygonaler Zeichnung (z. B. Gassida equestris), die von Stein wohl
irrthümlich auf eine Zusammensetzung aus Zellen bezogen wird; bei
andern hat sie gleich vielen Chitinhäuten Stachelzähnchen [Hister
sinuatus z. B.). Die Form der Zellen unter der Intima wechselt,
sie sind lang, cylindrisch bei manchen Käfern, Carahus cjranulatus
z. B. , mitunter kommen selbst bei einigen Käfern quergestreifte
Muskelschichten auf dem Receptaculum seminis vor (s. Einzelheiten
in der Monogr. von Stein).
Fig. 264.
Samentasche von Eristalis tenax.
a Tunica propria, b Zellenschicht, c Intima.
Auch die Anhangsdrüse, Olandula appendicularis der Insekten
hat eine gleiche Schichtung, indem sie aus Tunica propria, Zellen
und Intima zusammengesetzt wird. Nennenswerthe Modificationen
sind dann wieder, dass um die Tunica propria herum eine Muskel-
schicht sich legen kann, ferner dass die Zellen zu hübschen einzelligen
Drüsen sich umzugestalten vermögen, wovon (nach Stein) Pterostichus
ohlowjopunctatus als Beispiel dient. Eine interessante Zwischenstufe
zwischen einfacher Intima und einer von den Ausfühi'ungsgängen
der Drüsen (luichsctzten gewahre ich an der Anhangsdrüse der
Eier. 545
Gastropacha pini. Hier zeigt sich die homogene Intima von ver-
hältnissmässig weiten Porenkanälen durchlöchert; stiidirt man darauf
besonders mit Hülfe von ßeagcntien die Intima im Profil, so ergieht
sich, dass von jedem Löchelchen aus die Innenhaut nach den Zellen hin
in ein kurzes Röhrchen sich verlängert und ich vermuthe, dass zu
je einer Zelle ein solcher Ausführungsgang gehört.
Fig. 265.
Ein Stück vom Ausfühnnigsgang der Glandula ap p en dicul a ri s
der Gastropacha pini.
a Tunica propria, b Zellenlage, c die Intima. (Starke Vergr.)
§. 478.
Es darf noch als auf etwas Allgemeines zurückgewiesen werden,
dass sich, was auch bei Wirbelthieren vorkommt, mit dem Genitalapparat
gerne verschiedene Pigmente verbinden. Die Samentasche zahl-
reicher Insekten und mancher Krebse {Ärgulus z. B.) sehen wir stark
gefärbt; der Hode vieler Insekten ist gelblich ( Tijjula oleracea z. B.), oder
scharlachroth {Pe7itatoma z.B., hier das körnige Pigment in Kalilauge zu
einer gelben Flüssigkeit einschmelzend), oder braun {(Jercopis z. B.),
grün u. s. w. pigmentirt. Auch die anderen Gruppen stellen Beispiele :
die sonst kaum pigmentirte Helix nemoralis hat schwärzlich ange-
laufene Genitalien, Arion, Liniax zeigen eine schwärzliche Zwitter-
drüsC; bei Heteropoden und Pteropoden kommen mit Pigmentzellen
versehene Begattungsorgane vor; in manchen Fällen ist auch die
Zwitterdrüse, Ductus deferens und Receptacidum seminis, auf gleiche
Weise ausgezeichet.
§. 479.
Man hat früher öfters den Satz ausgesprochen, dass die Zoospermien ei.
der Thierwelt eine grosse Mannichfaltigkeit der Form an den Tag
legen und darin ganz verschieden wären von den primitiven Eiern,
welche allerorts im Baue sehr übereinstimmen sollten. Angesichts
der fortgeschrittenen Detailkenntniss ist diese Lehre unhaltbar ge-
worden. Es bestehen zwar auch die Eier der Wirbellosen im reifen
Zustande fast immer aus Hülle, Dotter, Keimbläschen und Keimfleck,
aber diese aufgezählten Eitheile variiren doch nicht wenig in ihren
besonderen Eigenschaften.
Ivoydig, JIi:5tologiG. 30
546 Von den Geschlechtsorganen der Wirbellosen.
Hiiiic Die Hülle oder Dotterhaut scheint mitunter felilen zu können,
z. B. an den Schneckeneiern, welche sicii in Holothurien entwickeln
(Joh. Müller), an den Eiern der Quallen Lizzia, Oceania {Oegenbaur,
Leuchart). Wenn eine Eihülle zugeg'en ist — und diess ist allerdings
die Regel — sehen wir sie entweder unter der Form einer einfachen,
hellen und durchsichtigen Membran, so bei Gasteropoden , manchen
Acephalen, Ringelwürmern, vielen Krustenthieren ; oder sie zeigt sich
unter der Gestalt einer bisweilen ziemlich dicken Eiweissschicht, die
bald an ihrer inneren (bei manchen Acephalen : Venus z.B., Echino-
dermen: Holothurien, Seeigel), bald an ihrer äusseren Grenzfläche
(bei den Najaden, Unio, Anodonta z. B.) zu einer besonderen Mem-
bran erhärtet. Ein andermal finden wir die Dotterhaut als eine derbe,
selbst undurclisichtige Hülle: bei Trematoden , Turbellarien, Nema-
toden ; lerner kann um eine den Dotter zunächst umschliessende dünne
Haut sich noch eine zweite und sogar dritte feste Membran legen,
das sog. Chorion: bei Insekten, Spinnen, manchen Krebsen (^Ir^/M^ws),.
Wintereier der Entomostraca, der Rotatorien, der Biyozoen, Polypen,
Cestoden.
Fig. 266.
Ei von Cyclas Cornea,
a Eiweiss nra die Dotterkugel, bei b zu einer eigenen Membran erhärtend.
Nimmt man auf die weiteren Verhältnisse der Dotterhüllen Rück-
siclit, so erscheinen sie entweder von ganz gleichmässiger Beschaffen-
lieit oder man bemerkt an ihnen mancherlei Zeichnungen, Skulpturen
und selbst Oeffnungen. Die Eiweisshülle ist bei den Holothurien und
bei Ophiothrix fragills radiär streifig und besitzt ausserdem noch an
einer Stelle einen senkrechten Kanal (nacli Joh. Müller, Leuclcart,
Leydig), welcher, die Eihülle durchbohrend, bis auf den Dotter
reiclit. Es ist diess eine sog. Mikropyle. Eine ähnliche bleibende
Oeffnung kennt man noch bei Hternaspis tltalasseiitoides unter den
Würmern {M. Müller), ferner von den Eiern der Lamellibi'anchiaten,*)
wo sie ziemlich allgemein verbreitet zu sein scheint, von Loligo durch
Doyere; von Krebsen ist sie bis jetzt bei Gnmmarus bekannt. Die
Mikropyle ist hier übrigens nur in der Dotterhaut und das Chorion
*) Zur Historie der Mikropyle bei Najaden möchte ich bemerken, dass bereits vor
Leuckart (Artikel „Zeugung"- mit ausfülirliclicr Beschreibung der verschiedenen
Eifbrmen) und Keher schon (J. Carus in den Krläuterungstafeln zur vergl. Anat.
im ,liihr(; 1840 (Heft V) vom Ei der Unio littoralis auf Taf. 11 Kig. II die Mikro-
pyle iiacli ihren äusseren Conturen zeichnet und richtig nls ^Stiel" deutet, „durch
welchen der (Julyx im Ovnrio iinsass."
Eier.
547
geht darüber hinweg {Meissner). Die Eier der Insekten (man
vergl. hierüber besonders die sehr ausgedehnte Arbeit Leuclx-art' s
in Müll. Arch. 1855 und die Meissner' s in der Zeitschr. f. w. Zoo).
1854, einiges auch in meinem Artikel über den Bau der Artlu'opoden,
Müll. Arch. 1855) haben einen einfachen oder mehrfaclien Mikropyl-
apparat. Ueberhaupt zeigt das Insektenei, welches schon so mannicht'akig
in seiner Form ist, auch sehr variable Bildungen an seiner Schalenhaut;
häufig finden sich hier Gruben und w^irkliche Porenkanäle, dann wieder
Höcker, Leisten, get'elderte Zeichnungen und wabige Bildungen. Die
zelligen Zeichnungen rühren keineswegs von einer Zusammensetzung
aus wirklichen Zellen her, sondern sind die Abdrücke der die
V\<r. 267.
B
A Ei von Holotliuria tiibulosa, B Ei von Venus decussata,
in beiden bei a die Mikropyle.
Schalenhaut abscheidenden Epithelzellen der Eierstocks-
kammern. Die Gruben können Luft enthalten, was ich auch an
Spinneneiern beobachtet habe.*) Zwischen Porenkanälen und der
Mikropylbildung scheinen Uebergangsformen zu existiren; sie mögen
ineinander übergehen, physiologisch aber unterscheiden sie sich viel-
leicht, wie Leu Chart annimmt, so, dass die einen zur Vermittlung
des Wechselverkehrs mit der äusseren Atmosphäre dienen, während
*) Von der Eischale mancher Spinnen beschreibt v. Wittich (Müll. Arch. 1849)
selir seltsame Bildungen. Das sammtartige , dem Pflanzenreif ähnliche Aus-
sehen rühre von einer Masse dicht nebeneinander liegender, Fetttröpfchen nicht
unähnlicher Kügelchen her. Würde nicht der genannte Forscher eine so ausführ-
liche Schilderung dieser Gebilde gegeben und ihr Verhalten gegen chemische Ke-
agentien im Einzelnen gezeigt haben, so dass der Verdacht einer Täuschung nicht
aufkommen darf, ich hätte ebenfalls an Luftblasen gedacht. Dass diese schon
mehrmals sehr verkannt worden sind , dazu will ich noch das nachträgliche
Beis]>iel liefern, dass Burmeister (Zeitschr. für Zool., Zootoni. u. Paiäont. Nr 5)
die Luftkugeln, welche die oben (S. 220) beschriebenen Gruben an den Antennen
der Insekten au.sfüllen, für „glasartige Warzen von pilzförmiger Gestalt" angesehen
hat. Der Luftgehalt der Grube markirt sich wohl desshalb in Form einer pilz-
artigen Kugel, weil die Chitinhaut nicht trocken, sondern mit Feuchtigkeit durch-
drängt ist.
35*
548
Von den Geschlechtsorganen der Wirbellosen.
die anderen diizu da sind, die Samenfäden in das Innere des Eies
durchzulassen.
Fig. 268.
Ein Stück Eischale von Sphinx tiliae, um die feineu und die
gröberen Porenkanäle anschaulich zu machen. (Starke Vergr.)
Fig. 279.
a Ein Stück Eischale von Locusta viriilissima mit an beiden Enden
trichterförmig erweiterten Porenkanälen (Mikropylen?).
b Ein einzelner Poren k anal, isolirt dargestellt.
Von der Fläche gesehen nehmen sich feine Porenkanäle wie
Punkte aus, doch darf keineswegs jede Punktirung der Eihaut auf
Kanäle bezogen werden, denn dasselbe Bild erzeugen auch Höckerchen,
mit denen die Eischale besetzt sein kann , so rührt z. B. an den Eiern
von JuluSj Polyxenus^ ferner an den Wintereiern der Kotatorien das
chagrinirtc Aussehen von dieser Ursache her. Die Eier von Ascai-is
mijstax haben an ihrer Schale eine gedrängte Menge flacher und
schüsseiförmiger Gruben (Reichert) , die Eier von Taenia serrata,
coenunis haben eine radiäre Zeichnung des Chorions, welche man
früher von dicht stehenden Porenkanälen abhängen liess, von denen
jetzt aber Leuchart ^ der damals selbst diese Meinung theilte, mel-
det, dass eine grosse Menge von senkrecht stehenden starren Stäb-
chen oder Haaren auf der Aussenfläche der Schale die Ursache der
Streifung sei.
Bei Hipunculus ist die den Dotter unmittelbar überziehende Haut
fazettirt (Krolin) ^ bei den Cephalopoden springt die Dotterhaut mit
ziemlich tiefen Falten in die Dottermasse vor und erzeugt dadurch
eine netzförmige Oberfläche der Eier (Köllil-er)\ die Eischale von
Ihidra viridis ist getäfelt, bei anderen Polypen (Hydra fusca) und
Bryozoen {Cristatella z. B.) trägt sie ankerförmige Fortsätze; mit
ganz besonders variabel gestalteten Auswüchsen erscheint die Ei-
hülle bei vielen Insekten ausgerüstet , auch die mannichfach ge-
formten Eier der Cestoden sind öfters mit langen Schwänzen ver-
schen, bei den Nematoden, Mcrmis z. B. , mit chalazenähnlichen
Bildungen.
Eier. 549
Die Härtung der Eischalen geschieht zumeist durch Chitini-
sirung, bei manchen Landgasteropodcn durch Absetzung von Kalk-
salzen. Bei Clausilia bilden sich rhomboedrische Krystalle an, die
dicht bei einander liegen; ähnlich bei verschiedenen Helicinen, wo
sie zu einer continuirlichen Schicht verbunden sind, worauf vielleicht
Turpin 1832 zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Bekannt ist,
dass die ungev^öhnlich grossen Eier des Bulimus haemastomus eine
harte Kalkschale besitzen. Dasselbe wird auch von den zwei Zoll
langen Eiern einer westindischen Landschneckc berichtet (vergl.
Troschels Jahrb. 1850). — Die Eier der Alcyonellen sollen, wie
Meyen (Isis 1830) angiebt , eine „Kicselbckleidung" haben (?).
Eine Neigung zur Kalkablagerung in die Eischale findet man auch,
was ich Bchlossherger' s „Chemie der Gewebe" entnehme, bei
manchen Insekten (Nachtschmetterlingen, Heuschrecken) ausgesprochen.
Der Dotter variirt in seiner morphologischen Zusammensetzung Oüuer.
nicht minder. Er besteht zwar überall aus einer farblosen, mehr oder
weniger dicklichen Substanz und darin suspendirten Kügelchen, aber
beide zeigen in den einzelnen Gruppen erhebliche Verschiedenheiten.
Der Dotter der Si p hon op hören ist sehr hyalin, indem er nur
wenige trübere Moleküle und Körnchen einschliesst. Diese hyaline
Substanz erscheint bei stärkeren Vergrösserungen , als ob sie aus
lauter dicht gedrängten Körnern zusammengesetzt sei , ein Verhält-
niss , das sich auch an anderen Eiern, z. B. bei denen von Bagitta,
und zwar hier noch um Vieles deutlicher erkennen lässt (Gegen-
baur). Bei anderen Wirbellosen sind es namentlich die von der
Dotterflüssigkeit zusammengehaltenen Körner und Kugeln, auf deren
Verschiedenheiten aufmerksam zu machen ist. Abgesehen von ihrer
Farbe, welche weiss, gelb, roth, braun, grün, violett in wechselndem
Intensionsgrad sein kann, haben diese Dotterelemente entweder das
Aussehen feiner Körner, z. B. bei den meisten Mollusken, Annu-
1 a t e n , Helminthen, welche sich zuweilen auch zu grösseren Fett-
kugeln fortbilden, oder es sind der Hauptmasse nach grosse solide Fett-
körper und Fetttropfen : bei Insekten, Krebsen, Spinnen, Tre-
matod en, manchen Turbellarien. Eigen ist, dass bei vielen
Arten der Etitomostraca in jedem Ei constant ein alle anderen Fett-
kugeln an Umfang überragender Fetttropfen im Centrum des Dotters
liegt. Ferner beobachtet man im Dotter der höheren Krebse zugleich
mit den dunkelrandigen Fetttropfen noch Kugeln von eiweissartigem
Habitus. — Es kann Bedenken erregen, ob wirklich der ganze Dotter
in toto immer als Inhalt einer einzigen Zelle, der Eizelle, aufzufassen
ist und ob er nicht vielmehr in gewissen Fällen als ein Derivat einer
Anzahl von Zellen aufzufassen sei, wozu noch kommt, dass bei
manchen Hirudineen (Piscicola) nach innen von der Dotterhaut eine
Zellenschicht liegt, welche die Dotterkugel becherförmig umgiebt,
ja an den Eiern von Pontobdella — so sah ich es wenigstens früher —
550
Von den (Geschlechtsorganen der Wirbellosen.
bikleii Zellen den einzigen Inhalt des Eies. Bei vielen Insekten tj'itt
der Dotter nachweislicli als Zellenlnlialt auf, worüber besonders die
Untersuchungen Stein' s (vergl. Anat. u. Phys. d. Insekten) nähere
Auskunft geben. Vergl. auch Leydig, über (Joccus hesp. in der
Zeitschr. f. wiss, Zool. Ebenso spricht der Hergang, wie er bei der
Bildung des Eies der Trematoden, Ccstoden und Turbellarien erfolgt,
gegen die einfache Natur dieser Eier. Dasselbe muss bezüglich der
Daplmolden behauptet werden. An Daphnia pulex , wo ich zuletzt
die Eibildung näher studirte, wuchern die Eikcime, d. h. das Keim-
bläschen sammt hyaliner Undiüllungsmasse von der l^asis des schlauch-
föi'migen Eierstockes herauf. Hat dann dies Gebilde eine gewisse
Grösse erreicht, so diflterenziren sich in der das Keimbläschen um-
schliessenden hyalinen Substanz die feinen Dotterkörnchen ; hingegen
die grossen, grün gefärbten Oeltropfen entstehen entfernt und unab-
hängiii' von den Eikeimen im oberen Theil des Eierstockes, welcher
an liberwinternden Individuen in den Monaten November und Decem-
bcr, wu keine Spur solcher Dotterkugeln zugegen ist, eine gross-
fächerige Beschaffenheit hat.
Fig. 270.
E i e. r s t ( I e k s e i von I ' i s f. i c o 1 a.
Man siclii die den Dottei' beclierlünnig umgebenden Zellen. (Starke Vei'gr.)
Im Ei einiger echten Spinnen findet sich ausser dem Keim-
blä.schen und dem Dotter noch ein räthselhaftes Gebilde — mir be-
kannt aus Teijeneria^ Lycosa, Salficus, T/tomisus, fehlt bei Epeira,
(Jluhiona u. a. — über das früher v. Wttttch, v. Siebold und
Fig. 271.
d.
a Dotter,
]<', i e r s t o e k s e i v o n T e g e n e r i a d o in c .s t i e a.
Kiiinblüselien, c Körj)er von unliekannto- Bedeutung,
(Starke Vergr.)
Eiweisslage.
Eier. 551
V. Car7is nähere Beschreibungen gegeben liaben. Es ist ein rnnrloi*
Körper, bald scharf gerandet mit lichtcrem Hof und centralem kör-
nigen Fleck, bald blass, wie verwaschen und mit nebligem Hof,
doch auch dann mit mittlerer kernartiger Zeichnung, ein andermal
ist er concentrisch geschichtet. Essigsäure macht ihn blässer. Die
Bedeutung fraglichen Körpers ist noch vollständig unbekannt, da
weder der Bau noch die Bildung einen sicheren Anhaltspunkt bietet.
Burineister giebt an, einen ganz ähnlichen Kern auch im Ei von
Branclii'pus paludosus gefunden zu haben ; bei anderen Arten von
BrancMpus schien er ihm zu fehlen.
Das Keimbläschen muss wohl als der Theil des Eies bezeich- '^'''■"
_ , liliisolien.
net werden, welcher abgesehen von Grössenverhältmssen die meiste
Uebercinstimmung zeigt. Nicht immer ist es ein eigentliches Bläs-
chen, sondern mitunter ein solides, weiches Korn, so z.B. he\ Ento-
conclia mirahilis {Joh. Müll er), Synapta digitata {Leydig), bei den
Blasenbandwürmern {Leuchart). — Von sehr variabler Natur ist der
Keimfleck. Mir scheint zunächst fraghch , ob er ein constanter Keimii,.,.u
Körper sei , wenigstens ist er bis jetzt in den Eiern von Berp^da und
AmpMcora Sahella vermisst worden. Er repräsentirt sich bald als
ein grosser solider Körper (sehr umfänglich ist er z. B. in manchen
Rotatorien) oder er hat eine oder mehre Cavitäten im Inneren,
oder endlich er wird mehrfach, wobei wieder der Unterschied sich
geltend machen kann, dass die einzelnen ihn zusammensetzenden Kör-
ner auf einem Haufen beisammenliegen (z. B. Notommata Hieholdn)
oder im Keimbläschen zerstreut sind. Seine chenn'sche Beschaffen-
heit scheint auch nicht überall ganz dieselbe zu sein, wenigstens ist
er bald mehr von blassem, eiweissartigem Aussehen, bald mehr wie
ein Fetttropfen berandet und beschattet.
Reo-el ist, dass im Dotter ein einziges Keimbläschen eingebettet
O ' •77»
ist und das Ei sich zu Einem Embryo umwandelt, bei Vorfex haltieus
schliesst die Eischale zwei Keimbläschen ein und der Dotter ent-
wickelt sich zu zwei Embryonen {M. Schulfze). Nocli mehr Eier
werden bei den Planarien von einer gemeinsamen Dotterhaut und
äusseren Eischale umgeben. Es entwickeln sich hier aus einem Ei
mehre Embryonen.